Flyer Hannover Filmreihe

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Flyer Hannover Filmreihe
Psychoanalyse
+ Film
November 2014 März 2015
„Die Menschen haben das Kino geschaffen, um sich in
einem von Konsequenzen befreiten Rahmen ein Bild von
diesem schwer fassbaren Unternehmen namens Leben zu
machen.“ Dirk Blothmer 2003
Kinofilme faszinieren uns. Wir reagieren mit unserer Innenwelt auf sie, und finden uns auf verschiedenste Art darin wieder. Unsere Ängste, Wünsche und Träume werden
aus der sicheren Distanz des Theatersessels betrachtbar.
Die Psychoanalyse als eine Verstehensmethode kann uns
einen Zugang dazu geben und uns in einen Austausch mit
dem Gegenüber bringen.
Die Veranstaltungsreihe „Psychoanalyse und Film“ im Kino
im Künstlerhaus stellt ausgewählte Filme meist bekannter
Regisseure vor, die sowohl von psychoanalytisch tätigen
Kollegen als auch von anderen Berufsgruppen eingeführt
werden. Nach der Vorstellung und einem kurzen Referat
wollen wir Sie so zu einem gemeinsamen Dialog einladen.
Only lovers left alive
Jim Jarmusch, D/Frankreich/Zypern 2013, 122‘ dt.U.
mit Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikovska
In der romantischen Trostlosigkeit Detroits und Tangers finden ein
zutiefst deprimierter, menschenmüder Underground-Musiker und
seine starke und geheimnisvolle Geliebte wieder zusammen. Ihre
Liebesgeschichte überdauert bereits mehrere Jahrhunderte, aber
das leidenschaftliche Idyll wird durch ihre wilde und ungestüme
jüngere Schwester zerstört. pandorafilm.de
In dem Film von Jim Jarmusch haben die Vampire die Wahl: sie
können die Menschen töten, indem sie ihnen ihr ganzes Blut aussaugen, sie können sie aber auch „verwandeln“.
Auch ein Film kann seinen Betrachter verwandeln, wenn dieser
sich auf ihn einlässt.
Die unsterblichen Protagonisten, Adam und Eve, scheinen – zumindest was den Namen betrifft – dem Paradies entsprungen zu
sein. Sie sind Vampire, Untote, Verwandelte, die sich in einem
unbeschriebenen Bereich zwischen Leben und Tod bewegen. Sie
sind nicht mehr der linearen Zeit unterworfen und leiden doch unter der Vergänglichkeit. So spielt der Regisseur in seinem Film mit
der Grenze zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten, dem
Realen und dem Irrealen, dem Irdischen und dem Paradiesischen.
Uta Scheferling (Dipl.-Pschologin)
Anschließend Referat und Diskussion mit
Dipl.-Psych. Uta Scheferling
Mo. 3. November 2014|19.30 Uhr
Black Swan
Darren Aronofsky, USA 2010, 117‘ dt.U.
mit Natalie Portman, Mila Kunis, Vincent Cassel
Primaballerina Nina will unbedingt die Doppelrolle als weißer und
schwarzer Schwan in der neuen „Schwanensee“-Produktion. Die
Konkurrenz mit der Mutter, die ihre Tänzerinnenkarriere wegen
der Schwangerschaft mit Nina aufgeben musste, schürt noch Ninas
eigenen Ehrgeiz. Doch Kolleginnen und Chef werfen Nina einen
Mangel an Sex-Appeal vor. Nach einem Biss beim Kuss vom Chef
bekommt sie die Traumrolle unverhofft doch. Ihre Freude ist nur
kurz, glaubt sie ihre Position als Star der Truppe gefährdet - insbesondere durch das neu engagierte Talent Lilly, die viel lockerer als
sie selbst ist und sie verführt. kino.de
Der Film „Black Swan“ von Darren Aronofsky hat seit seinem Erscheinen 2010 viel Aufmerksamkeit in Analytikerkreisen auf sich
gezogen. Er ist nicht nur verstörend schön und geht regelrecht
unter die Haut, er ist auch wie ein Traum, ganz dicht; Er erschüttert,
verwirrt, sät Unklarheiten, ruft nach Interpretation, die zugleich
wieder unmöglich werden.
Vielleicht wird er Alptraum? Oder Lösungsansatz? Ich möchte
den Film unter dem Aspekt der großen Metamorphose betrachten,
die, wie im Film dargestellt, notwendig zur Adoleszenz gehört, da
die Ablösung von Eltern, Integration von Sexualität, Hineinfinden
in Gesellschaft und Kultur ansteht, eine Wandlung, die auch an
anderen Wendepunkten im Leben notwendig werden kann. Ein
bedrohlicher, schmerzhafter, oft namenloser Prozess, seelisch, oder,
umgeleitet, autoaggressiv, körperlich- exemplarisch dargestellt
im Ballettsaal: der Körper wird dressiert, die Haut malträtiert, das
Ziel? Vollkommenheit? Über diese Fragen möchte ich mit Ihnen
ins Gespräch kommen.
Anschließend Referat und Diskussion mit
Dr.med. Alexandra Fischer-Flebbe
Mo. 1. Dezember 2014|19.30 Uhr
Oh boy
Jan Ole Gerster, Deutschland 2012, 85‘
mit Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter
Was Niko in den letzten zwei Jahren getan habe, seitdem er sein
Studium geschmissen hat, will sein Vater wissen. Er hat keine Lust
mehr, seinem unentschlossenen Sohn, der immerhin schon Ende
Zwanzig ist, länger alles zu finanzieren. Und tatsächlich ist Niko
mit dieser Frage ein wenig überfordert. Denn was bedeutet es
schon, dass er in dieser Zeit nachgedacht hat? Niko driftet weiter
durch Berlin und gerät in eine kuriose Welt aus Bio-Coffee-Shops,
zynischen Beamten/innen und Freunden, die aus Taxi Driver (Martin
Scorsese, USA 1976) zitieren. Außerdem begegnet er einer früheren
Klassenkameradin, die er ganz anders in Erinnerung hatte.
In bestechend schönen Schwarzweißbildern führt Jan Ole Gerster
hinein in eine Großstadtwelt, die wie ein irrwitziges Labyrinth wirkt.
(...) Kinofenster.de
Wir sehen das faszinierende Psychogramm eines jungen Mannes,
der an seinem Studium in Berlin gescheitert ist und nun ziellos durch
den Tag streift. Nikos innere Konflikte gewinnen durch eine Abfolge
scheinbar zusammenhangloser Szenen nach und nach an Kontur.
Aus psychoanalytischer Sicht wird versucht, eine Entwicklung der
Figur nachzuvollziehen und die symbolischen Stränge des Films
aufzuzeigen. Im Dialog mit dem Historiker und Germanisten Thomas Windolf soll auch der Frage nachgegangen werden, auf welche
Weise Erinnerungen an die Gräuel der nationalsozialistischen Ära
auf die Dramatik des Geschehens einwirken.
Anschließend Referat und Diskussion mit
Dr. med. Mattias Kayser und Dipl.-Päd. Thomas Windolf
Mo. 5. Januar 2015|19.30 Uhr
Das Schweigen|Tystnaden
Ingmar Bergmann, Schweden 1963, 95’ dt.F.
mit Ingrid Thulin, Gunnel Lindblom, Jörgen Lindström
Zwei gegensätzliche Schwestern stranden auf der Rückreise nach
Schweden für anderthalb Tage in der nicht verortbaren Stadt Timoka
mit unbekannter Sprache. Esther sucht als Übersetzerin stets nach
Bedeutungsvollem, ist lungenkrank vom Tod bedroht, alkoholsüchtig
und ihrer Schwester leidvoll in hoffnungslos lesbischer Liebe zugetan. Anna ist Mutter des mitreisenden, noch kindlichen Johann, auf
provozierender Suche nach sinnlich-vitalen Reizen. Sie gibt sich,
zunächst in einer Kirche, sexuell einem Kellner hin, mit dem sie nicht
sprechen kann. Der Junge (Johann) irrt währenddessen durch das
Labyrinth des leeren Grandhotels, in dem er nur eine Theatertruppe von Zwergen und einen einsamen alten Zimmerdiener antrifft,
der versucht, das Leiden von Esther zu erleichtern. Die Stadt wirkt
alptraumhaft bedrohlich wie in einem Vorkriegszustand. Die Konflikte der Schwestern stammen wesentlich aus der Beziehung zum
verstorbenen Vater und kulminieren in schmerzlichen Vorwürfen,
Nicht-Verstehen („Schweigen“) und schließlichem Verlassen. Der
Junge beobachtet intensiv Mutter, Tante und Umgebung, anrührend
verloren und bemüht um Verständnis des ihm Rätselhaften.
Die Schwarz-Weiß-Kamera von Sven Nykvist illustriert mit höchster
Intensität Weltsicht und indirekt das innere Erleben von Ingmar
Bergman (Drehbuch und Regie). Damit schließt eine im Rückblick
als Trilogie erkennbare Reihe ab, in der Bergman sich mit der
Frage nach einer göttlichen Existenz beschäftigte bzw. — bei der
schweigenden Abwesenheit Gottes — mit dem dann verbleibenden
Sinn für das menschliche Schicksal. Diese lange Zeit bevorzugte
existentiell-religiöse Interpretation schützte die damals als
Kassenmagnet wirkenden sexuellen Szenen (lediglich 2 von 95
Minuten) vor der bundesdeutschen Zensur. Die reiche Symbolik,
angeregt von einem Traum Bergmans, ist allerdings vielfältiger
interpretierbar. Hinter der enormen Kreativität Bergmans und seinen
filmischen Meisterwerken steht eine leidvolle, nie zu bewältigende
Tragik. Er rang zeitlebens im kreativen Prozeß angstvoll darum,
daß seine Schöpfungen „lebendig“ wirken sollten. Er bezeichnete
sich selbst als „faul und chaotisch“, nur durch harte Arbeitsrituale
zu disziplinieren. Im Zentrum der Matrix seiner traumatisierenden
Kindheit steht der unerbittlich strenge, bipolar depressive Vater,
ein protestantischer Hofprediger in Stockholm.
Anschließend Referat und Diskussion mit
Dr.med. Eckhardt Gehde und
Prof. Dr.med. Hinderk M. Emrich
Mo. 2. Februar 2015|19.30 Uhr
Vertigo
Alfred Hitchcock, USA 1957, 128‘ dt.F.
mit James Stewart, Kim Novak
Kürzlich wurde Hitchcocks Vertigo zum besten Film aller Zeiten
gewählt und hat damit Citizen Kane vom ersten Platz verdrängt. Als
Vertigo 1958 herauskam, erntete er zunächst Befremden wegen der
dramaturgischen Brüche und den neuartigen Versuchen, psychische
Vorgänge in eine ungewöhnliche Bildsprache zu übersetzen. In den
Hitchcock-Filmen der 50er und 60er Jahre spielen Träume und
Obsessionen eine große Rolle, der Regisseur experimentiert mit
Verfremdungseffekten, um psychische Defekte zu visualisieren.
Vertigo (zu übersetzen mit „Höhenangst“) handelt vor allem von
Nekrophilie. Verpackt in eine simple Kriminalgeschichte – Mann tötet Ehefrau wegen ihres Geldes – wird die Obsession eines zunächst
vollkommen Unbeteiligten dargestellt, analysiert und schließlich
geheilt. Scottie hat gerade seinen Polizeidienst quittiert, weil es
infolge von Scotties Höhenangst zu einem tödlichen Unfall gekommen war. Diese Höhenangst ist der Grund, warum der Verbrecher
ausgerechnet Scottie als Werkzeug für seine teuflische Geschichte
aussucht. Scottie verliebt sich in das vermeintliche Opfer und steht
machtlos auf den unteren Stufen einer Kirchturmtreppe, während
die Geliebte scheinbar zu Tode stürzt.
Scottie verfällt daraufhin in eine „akute Melancholie“ und soll im
Sanatorium unter anderem mit den Klängen von Mozarts Sinfonie
Nr. 34 geheilt werden. Ein sinnloses Unterfangen, wie Scotties
platonische Freundin zu Recht befürchtet. Etwas später begegnet
Scottie einer Frau, die der toten Geliebten ähnlich sieht. Systematisch beginnt er, die zweite Frau nach dem Ebenbild der ersten
umzuformen...
Dieser Film ist in der Psychoanalyse vielfach untersucht worden,
und er ist auch filmmusikalisch von großer Bedeutung. Zum einen
stellt Hitchcock mit seinem Komponisten Bernard Herrmann die
Frage nach Heilung durch Musik, zum anderen ergeben sich durch
die Verwendung von Elementen aus Wagners Tristan interessante
Querverweise ins „Reich der Toten“, ein Bereich, der Wagner und
Hitchcock gleichermaßen faszinierte. Daher werden im Anschluss
an die Filmvorführung eine Psychoanalytikerin – Dipl. Psych. Christa
Marahrens-Schürg – und eine Musikwissenschaftlerin – Dr. phil.
Sabine Sonntag – Anmerkungen zu Vertigo machen und dabei besonders die Verbindung von Psychologie und Musik herausstellen.
Sabine Sonntag
Anschließend Referat und Diskussion mit Dipl.-Psych.
Christa Marahrens-Schürg und Dr.phil. Sabine Sonntag
Mo. 2. März 2015|19.30 Uhr
Eintritt: 7,50 Euro / 5,50 Euro
Kommunales Kino Hannover
Sophienstr. 2 • 30159 Hannover
Kartenreservierung: 0511/168-45522 oder
[email protected]
www.koki-hannover.de
in Zusammenarbeit mit
Lehrinstitut für Psychoanalyse und Psychotherapie e.V.
Hannover (DPG)
Geibelstr. 104 • 30173 Hannover
Tel.: 0511-804790 / Fax: 0511-80 47 46
[email protected]
Psychoanalyse-hannover.de