Wege aus der Schuldenfalle - Privatisierung des ÖPNV in Mainz
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Wege aus der Schuldenfalle - Privatisierung des ÖPNV in Mainz
JU Mainz Wege aus der Schuldenfalle - Privatisierung des ÖPNV in Mainz Im Zuge der Verhandlungen zur Neubesetzung des Postens des Mainzer Sozialdezernenten haben sich die sogenannten „Konsensparteien“ im Mainzer Stadtrat auf den Abbau der städtischen Schulden um 200 Mio. € und eine Reduktion der städtischen Neuverschuldung von ca. 50 Mio. € auf Null bis zum Jahr 2008 geeinigt. Die JU Mainz schlägt vor, einen beträchtlichen Anteil dieser Einsparungen über die Privatisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs zu erzielen. Derzeit betreibt die im Alleineigentum der Stadt Mainz stehende Stadtwerke Mainz AG über ihre Tochtergesellschaft, die Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG), Busse und Bahnen auf dem Mainzer Stadtgebiet. Dabei entstehen regelmäßig jährliche Verluste der MVG in Höhe von über 15 Mio. €, die durch die profitableren Sparten der Stadtwerke aufgefangen werden (Quersubventionierung). Die Verluste der MVG schmälern die Dividende, welche der Stadt Mainz aus dem Gewinn der Stadtwerke zufließt. Der Verkauf der MVG ließe sowohl eine in der Höhe noch nicht absehbare Reduktion der Gesamtverschuldung wie auch der jährlichen Neuverschuldung um bis zu ein Drittel (Stand 2005) erwarten. Die JU Mainz empfiehlt daher dem Stadtvorstand, eine politische Entscheidung zur Privatisierung der MVG zu treffen, bei dem der Fokus auf die Reduktion des Defizits gelegt ist, und auf die Unterstützung dieser Position durch eine Mehrheit des Stadtrats hinzuarbeiten. Für die Privatisierung kommen mehrere Modelle in Frage, die von einem kompletten Verkauf der MVG an einen privaten Investor bis hin zur Abgabe einer Minderheitsbeteiligung reichen. Als zweckdienlichste Varianten erachtet die JU Mainz dabei die Abgabe eines Mehrheitsanteils oder eine Vollprivatisierung (zur Bewertung der Varianten s.u.). Privatisierungsvarianten 1) Vollprivatisierung Beispiele: Rhenus Keolis engagiert sich im Bereich Stadtverkehr in Bad Kreuznach, Zweibrücken und IdarOberstein. Bei diesen Betrieben handelt es sich um vormals kommunale Betriebe, die vollständig privatisiert wurden. Die Vollprivatisierung, also ein Komplettverkauf der MVG an einen privaten Investor, hätte den Vorteil, dass eventuelle Defizite für die Zukunft zulasten des neuen Eigentümers gehen und die Privatisierungserlöse diejenigen aus den anderen Varianten mutmaßlich übersteigen würden. Als mögliche Nachteile droht ein Kontrollverlust für die Stadtpolitik im Bereich des Bus- und Stadtbahnverkehrs. Diesem zu befürchtenden Einflussverlust der Stadt im Bereich der Verkehrspolitik kann durch entsprechende Vertragsgestaltung begegnet werden. Die Konzession sollte nicht länger als acht Jahre erteilt werden. Im Bestellvertrag sollten Vertragsstrafen für die Verletzung von Standards bei Pünktlichkeit und Kapazitätsvorhaltung vorgesehen sein. Auch die Tarifbindung der MVG-Angestellten kann Teil eines solchen Vertrages sein. Auch zukünftig könnte die Stadt durch die Gestaltung ihrer Ausschreibungsbedingungen weitgehenden Einfluss auf den ÖPNV behalten. 2) Abgabe des Mehrheitsanteils an der MVG Beispiele: Pforzheim – mehrheitlicher Verkauf (51%) an das Unternehmen Veolia Verkehr, eine von einer Bürgerinitiative angestoßenes Bürgerbegehren gegen die Privatisierung scheiterte an zu geringer Wahlbeteiligung. Grund für die Privatisierung waren die jährlichen Defizite von 6 Mio. € Kreis Wesel –Verkauf von 51% der NIAG (Niederrheinische Verkehrsbetriebe) an Rhenus Keolis GmbH & Co. KG (Weißliliengasse 10, 55116 Mainz), ein deutsch-französisches Unternehmen (im Eigentum von Rhenus, einem Unternehmen der Rethmann-Gruppe, 51%, und der Keolis S.A., 49%, einem der größten französischen Nahverkehrsdienstleister). Der Kreis zahlt 25 Mio. € ein, dafür übernimmt das private Unternehmen die Verluste und sagt zu, die Profitabilität zu erreichen. Rhenus Keolis hat zugesagt, das derzeitige ÖPNV-Angebot aufrecht zu erhalten, die Qualität des ÖPNV zu verbessern und die Konzessionen, die vor dem 31.12.2013 auslaufen, neu zu beantragen. Bei der Abgabe eines Mehrheitsanteils behält die Stadtpolitik über Sitze in den zu bildenden Aufsichtsgremien einen direkten Einblick und eine direkte Einflussmöglichkeit. Durch Gestaltung des Gesellschaftsvertrags können zusätzlich zu der Gestaltung der Ausschreibungsbedingungen politische Zielvorstellungen in der Verkehrspolitik umgesetzt werden. Die Abgabe einer Mehrheitsbeteiligung wird sinnvollerweise jedoch nur dann erfolgen, wenn auch die operative Führung in die Hände des privaten Investors gelegt wird. Dann ist auch ein finanzieller Vorteil im Hinblick auf die einmaligen Veräußerungserlöse im Vergleich zur Abgabe eines Minderheitenanteils zu erwarten. Um die Stadtkasse möglichst umfangreich zu entlasten sollte im Vertrag vereinbart werden, dass der neue Mehrheitseigentümer wie im Falle der Privatisierung der NIAG die Profitabilität garantiert. 3) Abgabe eines Minderheitenanteils Beispiele: Wiesbaden - Die Hamburger Hochbahn AG (zu 100% im Besitz der Hansestadt Hamburg) hält 49% an der Wiesbadener Busgesellschaft mbH, während sich 51% weiter in der Hand der städtischen ESWE befinden. Der Verkauf eines Minderheitenanteils macht nur Sinn, wenn damit erstens ein signifikanter Erlös zu erzielen ist (bei einem defizitären Unternehmen wie der MVG unwahrscheinlich) wenn zweitens ein Partner wegen seines speziellen Know-hows oder seiner Kapitalstärke auch als Finanzinvestor ziwlführend ist oder drittens ein Zwischenschritt zur Abgabe einer Mehrheitsposition als wünschenswert empfunden wird. Dass sich ein zahlender Investor findet, der bereit ist, sich an der MVG unter ihrer bisherigen operativen Führung verlusttragend zu beteiligen, ist unwahrscheinlich. Die MVG hat auch keinen Bedarf für eine Kapitalerhöhung, welche die Stadtwerke nicht allein schultern könnten. Damit erscheint der Verkauf eines Minderheitenanteils nur im Rahmen eines Stufenplans zur Abgabe eines Mehrheitsanteils sinnvoll, um den neuen Investor vor dem endgültigen Verkauf prüfen zu können. In diesem Fall sollten detaillierte Bedingungen für eine Rückabwicklung der Privatisierung und feste Rückkaufsummen festgelegt werden, die einen Missbrauch ausschließen.