Interview mit Morton Rhue

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Interview mit Morton Rhue
Morton Rhue am GO
Am 22. September 2008 war Morton Rhue (59), der Autor der Bestseller „Die Welle“, „Ich
knall euch ab“, „Asphalt Tribe“ und „Boot Camp“ am Gymnasium Ottobrunn zu Gast. Alle
neunten Klassen nahmen an der 90-minütigen Lesung aus seinem neuen Roman „Ghetto
Kidz“ teil. Im Anschluss stellte er sich für ein Interview zur Verfügung:
Wie empfanden Sie Ihre Vorlesung vor den mehr als hundert SchülerInnen?
Ich glaube, es ist sehr gut gelaufen. Die Schüler haben verstanden, was ich gesagt habe,
hörten aufmerksam zu und haben zum Schluss gute Fragen gestellt. Auch wenn einige
geschwätzt haben, so waren doch die meisten aufmerksam bei der Sache. Ich glaube, es
war ein sehr erfolgreicher Besuch.
Wie wichtig ist es Ihnen, solche Vorlesungen an Schulen zu halten?
Ich mache das gerne, man bekommt eine effektive Rückmeldung. Wenn du Bücher
schreibst, bist du ganz bei dir und du bekommst keinerlei Resonanz: Für Wochen und
Monate gibt’s nur dich und deinen Computer. Anschließend gehst du an eine Schule und
hältst eine Lesung, augenblicklich ist die Rückmeldung über deine Schreibweise und deine
Bücher da. Wenn du Glück hast, lachen sie, wenn du es willst. Sie erraten Sachen, wenn du
möchtest, dass sie es erraten – ich hoffe, dass sie es erraten. Also, ich liebe es richtig, diese
Lesungen an Schulen zu halten.
Mit welchen Gefühlen, glauben Sie, werden die Schüler Ihre Vorlesung verlassen
haben?
Ich hoffe, sie verlassen meine Vorlesung mit der Erkenntnis, dass die Bildungssituation im
Ghetto völlig entgegengesetzt zu der an guten Schulen ist. Hoffnungslosigkeit ist weder für
die Welt noch für Amerika oder Deutschland eine gute Sache. Wir müssen uns wirklich
zusammentun und den Leuten in den Ghettos helfen, eine gute Bildung zu bekommen, sonst
bleiben sie dort ihr ganzes Leben lang.
Die Schicksale der Kinder in den Ghettos ist eines Ihrer Hauptthemen. Aber warum
schreiben Sie denn nicht auch mal einen Liebesroman?
Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe schon Liebesromane geschrieben. Sie wurden bloß
in Deutschland nicht veröffentlicht. Ich habe zwar ein paar versucht, aber nur weil ich es
auch mal probieren wollte. Aber Liebesgeschichten sind definitiv nicht meine Stärke!
„Asphalt Tribe“ ist ein solches Buch über Kinder aus Ghettos. Ist es eine gute
Schullektüre?
Ich denke schon. In jeder Schule gibt es Kinder, die darüber nachdenken, abzuhauen und
auf der Straße zu leben. Es ist eine gute Lektion darüber, warum man dies nicht machen
sollte.
Zudem geht es in Ihren Büchern meist um Drogen und Waffen. Was ist Ihr
Hauptanliegen?
Ich verfolge nicht ein einzelnes konkretes Ziel. Es geht mir ganz allgemein darum, Bücher zu
schreiben in der Hoffnung, dass das die Welt zu einem besseren Platz und zu einem
gerechten und fairen Lebensraum macht.
Ihr populärstes Buch ist „Die Welle“. Warum ist es so erfolgreich?
Ich glaube, weil es eine wichtige und dauerhafte Botschaft hat. Diese ist heute so richtig, wie
sie 1945 oder 1975 war, als dieser Lehrer das Experiment gemacht.
Wie wichtig ist es Ihnen dabei, dass das Buch verfilmt wurde?
Ich bin glücklich, dass es den Film gibt. So ist das Thema modern und wieder auf der
Tagesordnung, auch für die Jugendlichen, die es immer noch als wichtiges Problem sehen.
Sie kommunizieren ja auch mit den Jugendlichen via E-Mail. Wie ist da die Resonanz?
Viele Schüler fragen mich, ob ich ihre Hausaufgaben machen könnte. Sie schreiben mir:
„Herr Rhue, können Sie mir bitte das Motiv und die Hauptpersonen der „Welle“ sagen? Und
können Sie mir die Antwort bitte unbedingt vor Montag schreiben …“
Und helfen Sie den Schülern?
Nein, nicht wenn es Hausaufgabe ist. Ich frage, was sie denken, was die Antwort sein
könnte. Nur einer jungen Dame habe ich mal geholfen. Sie schrieb: „Was denken Sie …?”
Ich weiß nicht mehr ganz genau, aber es war offensichtlich eine Frage aus dem Unterricht.
Ich habe eben geantwortet: „Was denkst du?“. Dann schrieb sie zurück: “Ich möchte es
Ihnen nicht sagen, was ich denke, weil ich nicht Ihre Antwort beeinflussen möchte.“ Sie war
sehr clever, aber ich habe ihr trotzdem die Hausaufgabe nicht abgenommen.
Vielen Dank, Herr Rhue, für das Gespräch und noch einen schönen Nachmittag auf der
Wiesn!
Lorenz Haidinger, K12
Madeleine Knowles, K12