Hilfsb 72, Asynchronmaschine - von Prof. Dr.

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Hilfsb 72, Asynchronmaschine - von Prof. Dr.
Ausgewählte Kapitel der
Energieelektronik 1, Fach Nr. 5931
Prof.
Dr.-Ing. H. Alt
Asynchronmaschinen
Der Asynchronmotor ist der am meisten verwendete Industriemotor. Er kann direkt (mit Motorschutzschalter) ans Drehstromnetz angeschlossen werden und ist sehr robust und einfach zu bauen. Grosse Asynchronmotoren haben einen guten Wirkungsgrad. Wegen dieser guten Eigenschaften ist dieser Antrieb international normiert und er wird auf der ganzen Welt in grossen Stückzahlen produziert.
Motorbetrieb
Nennbetriebsbereich
Schnitt durch einen Asynchronmotor
Generatorbetrieb
Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie einer
2-poligen 3 kW Asynchronmaschine am 50 Hz Netz.
Der Asynchronmotor hat seinen Namen von der Tatsache, dass er sich nicht genau mit der Netzfrequenz dreht. Er hat nur ein Drehmoment, wenn seine Drehzahl von der synchronen Drehzahl abweicht. Im Betriebsbereich ist das Drehmoment proportional zu dieser Abweichung, welche als
Schlupf bezeichnet wird. Bei übersynchroner Drehzahl geht er in den Generatorbetrieb über.
Bei der Asynchronmaschine wird die Rotorspannung über das Statormagnetfeld induziert, aus diesem
Grund wird sie auch Induktionsmaschine genannt. In die Nuten des Stators sind die Wicklungspakete
eingelegt. Im Rotor ist beim Kurzschlussankermotor nur ein Leiter pro Nut eingelegt oder eingegossen. Die Rotorleiter werden über je einen Ring an den Stirnflächen des Rotors kurzgeschlossen.
Der Asynchronmotor wird direkt an das Drehstromnetz (3 x 400 V) angeschlossen. Für kleine Leistungen (unter 2 kW) kann der Asynchronmotor mit einem Kondensator auch an das Wechselstromnetz (1 x 230 V) angeschlossen werden. Für noch kleinere Leistungen gibt es den Spaltpolmotor (einphasiger Asynchronmotor mit gespaltenem Stator), welcher einen schlechten Wirkungsgrad hat.
Feld
Typenschild
eines Asynchronmotors
1
3
Motorenwerke
ACME
EFF2
ASM 100L-2
0123456
8
5,9 A
9
V
3 kW
10
5
2890 U/min
50 Hz
11
6
Isol. Kl. F
IP 44
12
Hersteller
2
Motortyp
Typenbezeichnung des Herstellers,
oft Baugrösse und Polzahl
3
U
Nennspannung
es wird die verkettete Spannung angegeben
4
P
Nennleistung
Zulässige dauernde mechanische Abgabeleistung
5
n
Nenndrehzahl
Drehzahl bei der Belastung mit der Nennleistung
6
Isolationsklasse Temperaturfestigkeit der Wicklung
7
Effizienzklasse
8
Serienummer
9
10
11
12
D:\FH\Hilfsb 72, Asynchronmaschine.doc
Bemerkungen
1
7
4
0,86
Symbol Bezeichnung
I
cos
f
EFF1 ist am besten,
ohne Bezeichnung EFF3
Nennstrom
Stromaufnahme bei Nennspannung
und Nennbelastung
Leistungsfaktor
Phasenwinkel bei Nennspannung
und Nennbelastung
Nennfrequenz
Schutzklasse
Schutz gegen das Eindringen von
Fremdkörper und Wasser
-2Aus diesen Daten lassen sich folgende Nenngrössen ableiten:
Formel
EinBezeichnung
heit
3.000
U/min
aus der Nennfrequenz und Polpaarzahl oder von der Nenndrehzahl aufgerundet
Nennwinkelgeschwindig- 302,6
keit
rad/s
bei 50 Hz Netzfrequenz ein 2-poliger
-1
Motor, entsprechend nn=2.890 min
U/min Leerlaufdrehzahl
rad/s
Beispiel Bemerkungen
Nm Nenndrehmoment
9,9 Nm
W
Elektrische Leistung
3.515 W aufgenommene elektrische Leistung
Wirkungsgrad
85,3 %
Das Minimum für Effizienzklasse EFF2
ist 82,6%, für EFF1 86,7%
-
Nenndrehmoment an der Welle
W
Verluste
515 W
Verluste in der Statorwicklung, der
Rotorwicklung,im Eisen, dem Lüfter
und der Lagerreibung
Iw = I cos
A
Wirkstrom
5,1 A
Bei Nennspannung und Nennlast
Im = I sin
A
Magnetisierungsstrom
3,0 A
Blindstrom
Grundgleichungen:
Das Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine ist sehr ähnlich dem eines Transformators. Im Ersatzschaltbild wird als Last an den Sekundärklemmen ein Widerstand eingesetzt, welcher vom Schlupf s
abhängig ist. Bei Drehzahlen um die Leerlaufdrehzahl 0 [rad/s] wird dieser Widerstandswert gross.
Bei Drehzahlen über der Leerlaufdrehzahl wird der Widerstandswert negativ, der Widerstand wird zur
Quelle (Generatorbetrieb). Die Leistung im Widerstand Rr (1-s)/s Ir² [W] im Widerstand entspricht der
mechanischen Leistung
=
0 (1-s) [W], das Drehmoment ist somit M = Rr Ir² / (
0) [Nm].
Bremsbetrieb
Motorbetrieb
Generatorbetrieb
Ersatzschaltbild einer Asynchronmaschine. s
ist der Schlupf. Durch Zusammenfassen der
beiden ohmschen Widerstände im Sekundärkreis ergibt sich resultierend Rr/s als ein
Widerstand.
Drehmoment-Drehzahl-Kennline einer 2-poligen
3 kW, 50 Hz Asynchronmaschine.
Wirkungsgradkennlinien einer streuarmen Asynchronmaschine
beim Betrieb mit einem Frequenzumrichter
in Abhängigkeit von der Drehzahl und Belastung:
-3Aus dem einphasigen Ersatzschaltbild lassen sich untenstehende Grundgleichungen herleiten:
Formel
s=
r
=
−
0
s
0
Einheit Bezeichnung
=
1− n
n0
Formelzeichen (Symbol)
Bemerkungen
Nm
Drehmoment
als Funktion der Statorspannung Us
Nm
Drehmoment
als Funktion des Statorstromes Is
1/s
Leerlaufdrehzahl auch synchrone Drehzahl genannt
-
Schlupf
im Stillstand ist s = 1, im Leerlauf s = 0
Nm
Kippmoment
das maximale Drehmoment des Motors
im Betriebsbereich
-
Kippschlupf
der Schlupf, bei dem das Kippmoment
wirkt
-
Streuung
-
Rotorhilfswert
drehzahlabhängig
Nm
Drehmoment
Formel von Kloss
Mk = Kippmoment, sk = Kippschlupf
Einheit Bezeichnung
Bemerkungen
Us
V
Statorspannung
Strangspannung (Phase -Null)
Is
A
Statorstrom
Strangstrom (Sternschaltung)
s
rad/s
Hz
f
Rs
Statordrehfrequenz
f (bei 50 Hz = 314 rad/s)
Statorfrequenz
üblicherweise 50 Hz, in Amerika 60 Hz
Statorwiderstand
bei grossen Motoren zu vernachlässigen
H
Statorstreuinduktivität
Ls
H
Statorinduktivität
Ls =
Lh
H
Hauptinduktivität
gemeinsame Induktivität von Stator und Rotor
Ur
V
Rotorspannung
bei Kurzschlussankermotoren ist Ur = 0
A
Rotorstrom
s
Ir
r
rad/s
Rr
s
+ Lh
Rotordrehfrequenz im Stillstand ist
Rotorwiderstand
r
=
s
im Leerlauf
r
=0
bei Industriemotoren schlupfabhängig
H
Rotorstreuinduktivität
Lr
H
Rotorinduktivität
Lr =
m
-
Anzahl Phasen
üblicherweise 3 (für Drehstrom)
p
-
Polpaarzahl
eine 2-polige Maschine hat die Polpaarzahl 1
Drehzahl
3.000 U/min sind 314 rad/s
r
rad/s
r
+ Lh
Aus diesem Gleichungssystem lassen sich die nachfolgenden Kennlinien ableiten.
Bei Schleifringankermotoren wird über Schleifringe und Bürsten die Verbindung zu der Rotorwicklung
-4hergestellt und diese an externe Widerstände oder Phasenanschnittgeräte angeschlossen.
Im Nennbetrieb sind die Rotorwicklungen intern oder extern kurzgeschlossen.
Stromverdrängungsläufer
Die Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie eines Asynchronmotors mit einer runden Leiterform im Rotor ist
für den Netzbetrieb nicht universell geeignet, da das Anlaufmoment (auch Anzugsmoment genannt)
gering ist. Für den Betrieb mit Frequenzumrichter wären runde Rotorleiter aber besser, jedoch sind
solche Motoren sind nicht Standard. Für ein hohes Anlaufmoment setzt man spezielle Leiterformen
ein, welche auch einen geringen Anlaufstrom ergeben.
Synchronmaschine
Asynchronmaschinen
Drehmoment-Drehzahl-Kennlinien von 2-poligen
3 kW Asynchronmaschinen mit unterschiedlichen Formen der Rotorleiter. Zusätzlich ist die Kennlinie eines
Rotors mit Magneten (SM) eingetragen.
Verschiedene Formen der Rotorläufer.
Bei hoher Rotorfrequenz (beim Anlauf) wird durch das wechselnde Magnetfeld des Rotorstroms der
Strom aus den inneren Zonen des Rotor Richtung Luftspalt gedrängt (Stromverdrängung). Dadurch
erhöht sich der Widerstand der Rotorwicklung und der Kippschlupf wird grösser, was ein höheres
Moment bei tiefen Drehzahlen ergibt. Wenn der Motor in den Bereich der Nenndrehzahl gelangt, wird
die Rotorfrequenz immer kleiner (fast Gleichstrom) und die Stromverdrängung wirkt kaum noch. Dadurch steht der ganz Rotorleiterquerschnitt zur Verfügung, was einen geringen Widerstandswert und
somit einen kleinen Kippschlupf ergibt. Durch die steile Kennlinie läuft der Motor auf einer hohen
Nenndrehzahl (geringer Schlupf) und hat eine grosse Leistung und geringe Rotorverluste (hohen Wirkungsgrad). Beim Rundstabläufer ist der Stromverdrängungseffekt gering, dafür hat er die beste
Nennleistung. Standardmotoren haben einen Hochstab- oder Doppelstabläufer. Es gibt auch noch
weitere Läuferformen wie der Tropfenstab und Keilstab. Die Leiterformen bewirken die nachfolgend
angegebenen Drehmoment-Drehzahl-Kennlinien. Für die Abschätzung der Ursache-Wirkungsbeziehungen von Asynchronmaschinen gelten folgende vereinfachte Beziehungen:
Formel
Pδ = m
Rr I r2
s
Symbol
Iw
Einheit Bezeichnung
Bemerkungen
Nm
Drehmoment
das Drehmoment ist im Bereich der Nenndrehzahl ungefähr gleich dem
Produkt aus Wirkstrom und Magnetisierungsstrom
Nm
Drehmoment
das Drehmoment ist zwischen der Hälfte der Kippmomente
gleich dem Produkt aus Nennmoment und dem relativen Schlupf s/sn
W
Luftspaltleistung
Die Luftspaltleistung teilt sich auf in die mechanische Leistung
Pmech = Pδ ⋅ (1 − s ) und die Läuferverlustleistung Pel = Pδ ⋅ s Pel.
V
Spannung
die Spannung ist ist im Bereich der Nenndrehzahl etwa
proportional zum Magnetisierungsstrom und zur Drehzahl
Einheit Bezeichnung
Bemerkungen
A
Wirkstrom
Im
A
MagnetisierungsIm = I sin auch Blindstrom genannt
strom
Iw = I cos
wird über eine Wirkleistungsmessung ermittelt
Mn
Nm
Nennmoment
Nennleistung durch Nenndrehzahl in rad/s
sn
-
Nennschlupf
Schlupf bei der Nenndrehzahl
-5Veränderung der Statorspannung
Beim Anlauf nimmt der Asynchronmotor sehr hohe
Ströme auf. Um die Belastung des Stromnetzes zu
reduzieren wird der Motor bei grösseren Leistungen mit einer tieferen Spannung angefahren. Mit
dem Stern/Dreieck Anschluss liegen in der Sternschaltung 400 V über zwei Windung an. Nach einer gewissen Zeit wird durch einen externen
Schalter in die Dreieckschaltung umgeschaltet und
400 V an eine Windung angelegt. In der Sternschaltung hat der Motor nur ein Drittel des Nenndrehmomentes. Auf dem Typenschild sind die erforderlichen Spannungen für die Nennleistung in
Dreieck und Sternschaltung angegeben (Nennspannung 400/690 V). Die hohen Anlaufströme
und die mechanischen Anfahrstösse können auch
mit einem Sanftanlaufgerät reduziert werden. Der
Softstarter (Phasenanschnittgerät zur kontinuierlichen Spannungserhöhung) wird normalerweise
nach dem Hochfahren überbrückt.
Motoren sind zur maximalen magnetischen
Ausnützung des Eisens oft sehr knapp ausgelegt. Das heisst, wenn sie mit einer zu hohen
Spannung betrieben werden, kommt das Eisen
in die Sättigung und der Strom nimmt überproportional (hohe Leerlaufverluste) zu. Industriemotoren werden oft knapp unter der Sättigungsgrenze ausgelegt, eine höhere Betriebsspannung bewirkt eine überproportionale Zunahme des Stromes, erhöht kaum das Drehmoment und kann den Motor zerstören.
Drehmoment-Drehzahl-Kennlinien einer 2poligen 3 kW Asynchronmaschine mit unterschiedlichen Statorspannungen. Das Drehmoment nimmt mit dem Quadrat der Statorspannung zu. M ~ Us²
Leerlaufstrom in Funktion der Spannung.
Veränderung des Rotorwiderstandes
Für besondere Anwendungen (Aufzüge ...)
werden auch Asynchronmotoren mit einem
hohen Läuferwiderstand (Rotorwiderstand)
gebaut. Je höher der Widerstand ist, desto
mehr verschiebt sich das maximale Drehmoment (Kippmoment) zu tiefen Drehzahlen. Solche Widerstandsläufermotoren haben einen
schlechten Wirkungsgrad und brauchen deshalb ein grosses Gehäuse, um die Verlustwärme loszuwerden. Bei grösseren Leistung
wird statt des Kurzschlussankers im Rotor eine
Drehstrom-Wicklung eingelegt, deren Enden
über 3 Schleifringe von aussen abgegriffen
werden. Die Rotorleistung wird dann in externen Widerständen in Wärme umgesetzt (Anlaufwiderstände) oder über ein Steuergerät
(Untersynchrone Kaskade) ins Netz zurückgespeist.
Drehmoment-Drehzahl-Kennlinien einer 2poligen 3 kW Asynchronmaschine mit unterschiedlichen Rotorwiderständen. Der Kippschlupf nimmt mit dem Rotorwiderstand proportional zu. sk ~ Rr
Das Kippmoment Mk ist unabhängig vom Rotorwiderstand.
-6Veränderung der Statorfrequenz
Mit einem Frequenzumrichter kann die Statorspannung und Frequenz des Asynchronmotors stufenlos verändert werden. Dadurch wird
aus dem Standardmotor ein drehzahlveränderliches Antriebssystem. Mit einem Rotorlagegeber, dem Errechnen der Magnetisierung und
dem Einprägen der entsprechenden Statorströme (Vektorregelung) hat ein Asynchronmotor die Eigenschaften eines Servoantriebes.
Wenn die Frequenz über die Nennfrequenz
erhöht wird, was für den Frequenzumrichter
kein Problem ist, nimmt der Magnetisierungsstrom ab, da die Ausgangsspannung normalerweise nicht über den Nennwert erhöht werden kann. Wie bei der Gleichstrommaschine
bei geschwächtem Erregerfeld nennt man diesen Bereich Feldschwächbereich. Das Kippmoment fällt quadratisch mit der Frequenz, das
Nennmoment proportional zur Frequenz. Daraus ergibt sich ein Bereich konstanter Nennleistungsabgabe, bis das Kippmoment kleiner
als das Nennmoment wird.
Veränderung der Streuung
Die standardisierten Asynchronmotoren sind
für den Betrieb am Drehstromnetz konstruiert.
Das heisst, sie haben ein hohen Anlaufmoment
(Stromverdrängungsnuten) und sind getrimmt
auf einen möglichst niedrigen Anlaufstrom
(Kippmoment das 2 bis 3-fache des Nennmomentes). Auch Asynchronmaschinen im Megawattbereich, welche in Einzelstücken hergestellt werden, unterliegen dieser Orientierung
am Netzbetrieb. Ein Antriebssystem, welches
aus einem Frequenzumrichter und einer Asynchronmaschine besteht, stellt andere Anforderungen an den Motor. Durch eine geschickte
Konstruktion, welche die Streuung minimiert,
kann das Kippmoment sehr viel höher liegen.
Dadurch kann der Asynchronmotor kurzzeitig
ein mehrfaches seines Nennmomentes abgeben, ohne überdimensioniert zu sein. Bei Anwendungen, welche über einen weiten Bereich
konstante Leistung benötigen (spanabhebende
Bearbeitung, Zentrumswickler, Traktion ...),
erlaubt dieses hohe Kippmoment einen grossen Feldschwächbereich, indem der Wirkungsgrad besser als im Nennpunkt ist.
Quelle: GLOOR ENGINEERING, CH-7434 SUFERS
(Internet:http://www.energie.ch/at/asm/index.htm
Drehmoment-Drehzahl-Kennlinien einer
2-poligen 3 kW Asynchronmaschine mit unterschiedlichen Statorfrequenzen. Die synchrone
Drehzahl ist proportional zur Frequenz.
0 ~
s. Das Kippmoment fällt oberhalb der
Nennfrequenz mit dem Quadrat der Frequenz
ab. Mk ~ 1 / s²
Drehmoment-Drehzahl-Kennlinien einer
2-poligen 3 kW Asynchronmaschine mit unterschiedlicher Streuung. Das Drehmoment und
der Anlaufstrom nehmen mit abnehmender
Streuung zu.