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HD PRAXIS Naturgetreue Farben Wissen: So kalibrieren Sie Flachbildschirme und Beamer Sie lesen oder hören des Öfteren beim Händler, im Internet oder in der Fachpresse (so auch in HDTV-PRAXIS), dass Flachbildschirme und Beamer ab Werk bisweilen nicht richtig kalibriert sind. Zudem erreichen uns viele Anfragen zu dem Thema. Bringen wir also Licht ins Dunkel: Lohnt es sich, ein Gerät selbst zu kalibrieren, oder kann man sich das Geld getrost sparen? D as Kalibrieren ist Wissenschaft und Mythos zugleich. Je nach Interesse an einem guten, naturgetreuen Bild werden Sie früher oder später fast zwangsweise mit dem Thema konfrontiert. In Heimkinoforen werden das Kalibrieren und die Notwendigkeit dazu oft heiß und kontrovers diskutiert, beim Kauf eines neuen Gerätes vom Händler oft sogar als ein Muss dargestellt. Die Gerätehersteller haben in den ver- gangenen Jahren allerdings viel dazu gelernt. Zur Jahrtausendwende war das Kalibrieren noch ein reines Freak-Thema, an Zwei Messköpfe von X-Rite: Das „Eye-One Pro“ (li.) ist ein aufwendig konstruiertes Spektralphotometer, das „Eye-One Display 2“(re.) ein eher einfaches Kolorimeter. Das einfallende Licht wird in der Pro-Version nicht nur in die großen Spektralbereiche der Grundfarben zerlegt, sondern auch in viele schmale Spektralsegmente aufgeteilt, die dann einzeln ausgewertet werden. Das Eye-One Pro ist daher wesentlich genauer in der Messung. 64 • HDTV-PRAXIS 4/2010 • so gut wie keinem Fernseher oder Projektor wurde der natürliche 6.500-KelvinFarbraum nur ansatzweise eingehalten. HD PRAXIS Diese beiden Screenshots zeigen, wie unterschiedlich die Güte von Mess-Ssensoren ausfallen kann. Als Beispiel dient hier ein TFT-Bildschirm, der mit einem geeichten Eye-One Pro auf exakte 6.500 Kelvin eingestellt wurde. Im Bild unten sehen Sie die Werte des Eye-One Pro, oben die eines anderen Sensors (Spyder II), ohne dass am TFTBildschirm Einstellungen bei den RGB-Farben verändert wurden. Der Spyder II misst 5.100 Kelvin, eine durchaus starke Abweichung, wohingegen der Eye-One Pro bei identischen Einstellungen exakte 6.500 Kelvin misst. Ein professioneller Sensor ist daher unabdingbar, um einen korrekten Farbraum einstellen zu können. Allerdings darf hier die Seriensteuerung der günstigen Sensoren nicht außer Acht gelassen werden. Zum Messen wird der Sensor am Bildschirm angebracht und per USB mit einem Laptop oder PC verbunden. Ein Projektor kann reflektiv über die Leinwand oder auch direkt im Lichtstrahl gemessen werden. Wir empfehlen das Messen reflektiv über die Leinwand, da in diesem Fall die Wandfarbe im Raum und die Leinwand in die Messung mit einbezogen werden. Findige Tüftler erkannten schnell, dass sich mit dem Kalibrieren – das in der Industrie und im Druckgewerbe allerdings schon immer zum Standard gehörte – beim Privatkunden durchaus der eine oder andere Euro dazuverdienen ließ. Die passenden Werkzeuge liefert die Industrie recht schnell in Form von Messsensoren und Software nach, für zum Teil astronomische Preise von mehreren 1000 Euro. Das Kalibrieren zuhause fiel für den Privatkunden somit zumeist flach. Im Laufe der Zeit kamen dann Sets für den Einsteiger auf den Markt, die ihre Sache manchmal mehr schlecht als recht machten. Vor allen an den Mess-Sensoren und ihrer Genauigkeit, die für eine korrekte Messung und Einstellung unabdingbar sind, krankte es. Eine kostenlose Disc, die alle notwendigen Testbilder zum Kalibrieren mit der Software HCFR bietet, kann im AV-Forum als AVCHD, HDMV-Disc und im MP4-Format heruntergeladen werden: www.avsforum.com/ avs-vb/showthread. php?t=948496 Ist Kalibieren ein Muss? Eine kostenlose Kalibrier- und MessSoftware bieten die französischen Entwickler von Homecinema-FR an. Die Mess-Software HCFR steht unter www. homecinema-fr.com zum Download bereit. Mit HCFR können nach einer gewissen Einarbeitungszeit gute Ergebnisse erzielt werden. Einen Guide, der allerdings in Englisch verfasst ist, finden Sie hier: www. curtpalme.com/forum/ viewtopic.php?t=10457 Ein Muss ist zunächst gar nichts. Ein guter Händler weist in seinem Beratungsgespräch darauf hin, dass die Option auf das zusätzliche Kalibrieren angeboten wird, ohne Geräte gleich verallgemeinernd schlecht zu reden. Einem Händler, der darauf besteht, dass ein Gerät nur dann ein gutes Bild liefert, nachdem er es kalibriert hat, sollten Sie den Rücken zudrehen und das Geschäft verlassen. Bitte bedenken Sie: In den großen DiscounterMärkten wird das Kalibrieren von Geräten gar nicht erst angeboten; diesen Service liefern ausschließlich Fachhändler. • www.hdtv-praxis.de • 65 HD PRAXIS Mit der Software „Eye-One Match 3” können LCDs, CRTs, Plasmas, Beamer, Scanner, Drucker und Kameras kalibriert werden. Mit dem „kleinen” Sensor (Eye-One Display 2) funktionieren allerdings ausschließlich LCDs, CRTs und Plasmas. Für weitere Geräte ist das Eye-One XTreme bzw. das Eye-One Pro Voraussetzung. Die Software ist auf die Erstellung von Farbprofilen am Computer ausgelegt; für das Kalibrieren von Flachbildschirmen oder Beamern empfehlen wir daher den Einsatz einer anderen Software, wie etwa HCFR, Colorfacts oder CalMan, die allerdings – bis auf HCFR – nicht unbedingt billig sind. Die eigenen Sehgewohnheiten sollten als Maßstab gelten, was das Bild betrifft; ein ausgiebiges Probeschauen vor dem Kauf ist daher Pflicht. Wie eingangs erwähnt, wird heute bei der Entwicklung von Geräten drauf geachtet, dass ein korrekter Farbraum sowie der Helligkeits- und Gammaverlauf schon in der Serienproduktion eingehalten werden. Hierfür sind in den Geräten Voreinstellungen gespeichert, die meist auf Namen wie „Kino“, „Movie“ oder ähnliche Bezeichnungen hören. Diese Grundeinstellungen ab Werk sind heute bei den hochpreisigen Produkten im Großem und Ganzen gut. Das Kalibieren kann sich dennoch lohnen, um das Optimum aus dem Gerät herauszuholen. Sind Sie vom Typ her eher ein Liebhaber kühlerer Bilder, können Sie sich das Kalibrieren getrost sparen, da Ihnen das Bild dann zu warm erscheinen wird. Es zeigt sich allerdings: Selbst die Liebhaber kühlerer Bilder können ihre Augen umtrainieren und empfinden nach einer Weile den Tageslicht-ähnlichen Farbraum von 6.500 Kelvin als das angenehmere und natürlichere Bild. Der Effekt ist so ähnlich wie in der Aquaristik; Leuchtstoffröhren, die vom Farbspektrum nahe am 6.500-Kelvin-Punkt liegen, ergeben ein natürliches, tageslichtähnliches Licht; Röhren unterhalb von 6.500 Kelvin leuchten eher gelblich. Was brauche ich zum Kalibrieren? Professionelle Hard- und Software kostet richtig – kaum ein Privatmensch ist bereit, dies für einen einmaligen oder jedenfalls seltenen Vorgang wie die Kalibrierung auszugeben. Wir setzten für unsere Messungen von Flachbildschirmen und Projektoren z. B. das Eye-One XTreme von XRite ein, das mit rund 1.500 Euro zu Buche schlägt. Besonders wichtig ist der Ein mitunter schwieriges Unterfangen stellt das Ausrichten des Sensors reflektiv auf die Leinwand dar. Hier leistet die Software Eye-One Match 3 eine gute Hilfe. Ein kleiner, sich in Echtzeit bewegender Punkt zeigt auf der Leinwand an, wo der Sensor auf der Leinwand genau misst. So kann vermieden werden, dass der Sensor im Schatten misst, was zu stark verfälschten Messergebnissen führen würde. Vorteil hier: Man kann den Sensor vorher korrekt ausrichten, um im Nachhinein z. B. mit HCFR zu messen und so korrekte Werte zu erhalten, die nicht durch eine falsche Ausrichtung beeinflusst werden. Diese Funktion steht nur mit dem Eye-One Pro zur Verfügung. 66 • HDTV-PRAXIS 4/2010 • HD PRAXIS Wer das Kalibieren scheut und seinen Projektor oder Flachbildschirm einfach per Augenmaß mithilfe von Testbildern einstellen möchte, findet auf der Testdisc von HDTV-PRAXIS oder unter www.burosch.de eine gute Adresse mit reichlich Auswahl an TestDiscs und Testbildern. Mess-Sensor, der adäquate Messergebnisse liefern muss – ohne einen geeichten Sensor hat Kalibrieren wenig Sinn. Viele günstige Mess-Sensoren liegen bei ihren Messungen so daneben, dass das mit ihnen kalibrierte Bild einen schlimmeren Farbraum, Helligkeits- und Gammaverlauf darstellt als in den Grundeinstellungen ab Werk. Zusätzlich sollte immer die gesamte Kette kalibriert werden, am besten direkt vor Ort. Das Kalibieren von Bildschirmen und Projektoren ohne den Abgleich des eigenen Equipments in der Kette wie Blu-ray Player oder A/V-Receiver erreicht mit hoher Sicherheit nicht den perfekten Farbraum, der auf den Punkt genau stimmt. Daher sollten Sie Ihren Händler fragen, ob er das Kalibrieren vor Ort anbietet. Lassen Sie sich nicht mit Argumenten abspeisen, dass eine Kalibrierung ohne die komplette Gerätekette genauso gut sei – sie ist es nicht. Zusätzlich verändert sich die Einstellung der Geräte im Laufe der Zeit: Dies ist begründet durch das Nachlassen der Hintergrundbeleuchtung beim LCD-Fernseher, das Schwächerwerden der Plasmaentladung beim Plasma-Fernseher und das Nachlassen der Lampenleistung bzw. durch die Veränderung des Farbsprektrums der Lampe beim Beamer; ein Nachkalibirieren der Gerätekette im Heimkino in regelmäßgen Abständen ist daher empfehlenswert. Beachten Sie: Beim Bildschirm oder Projektor ist das Kalibrieren immer auf genau den Eingang beschränkt, über den die Messung und die anschließende Kalibrie- rung durchgeführt wurde. Ist der Blu-rayPlayer z.B. am HDMI-Eingang 1 angeschlossen, zählen die eingestellten Werte nur für diesen; für den zweiten HDMI-Eingang müssen die Werte dann von Hand nachgetragen werden. Ist am zweiten HDMI-Eingang allerdings ein anderes Zuspielgerät angeschlossen, z. B. ein Sat-Receiver, ist die Kalibrierung von HDMI 1 und dem Blu-ray-Player nur begrenzt übertragbar – der Grund: Der Sat-Receiver gibt die Farben garantiert anders aus und müsste z. B. mit Hilfe von Testbildern über den USB-Anschluss gesondert kalibriert werden. Bietet ein Sat-Receiver keine Bildwiedergabe über USB, ist ein Kalibrieren im Grunde nicht möglich. Gleiches gilt im Prinzip für die eingebauten TV-Tuner im Flachbildschirm. Der Erwerb von günstigen Sensoren ist bisweilen ein Glücksspiel; durch die Serienstreuung gibt es gute und schlechte Exemplare desselben Modells. Wenn Sie einen günstigen Sensor erwerben, sollten Sie die Messgenauigkeit mit einem geeichten Sensor gegenkontrollieren – evtl. ist irgendwo im Bekanntenkreis ein professioneller Sensor verfügbar. Nur so können Sie sicher sein, dass die Messungen stimmen. Neben der Hardware ist die Software wichtig. Die kostenlose Messsoftware HCFR verrichtet hier gute Dienste; Profisoftware wie Colorfacts oder CalMan kosten hingegen viel Geld, die Preise liegen bei weit über 1.000 Euro. Neben der Mess-Software werden noch passende Testbilder benötigt, die auf DVD, AVCHD, Blu-ray oder USB-Stick zur Verfü• www.hdtv-praxis.de • gung stehen. Haben Sie alles an Hardund Software zusammen, können Sie sich an das Kalibrieren wagen. Den Vorgang hier komplett zu erläutern, würde den Rahmen dieses Hintergrundartikels sprengen. Im Internet finden Sie zahlreiche Seiten mit Erklärungen, Tipps und Tricks, die auf die Kalibrierungs-Hard- und Software Ihrer Wahl maßgeschneidert sind. Ist Ihnen das alles zu kompliziert, wenden Sie sich vertrauensvoll an einen Fachhändler in Ihrer näheren Umgebung, der das Kalibrieren von Geräten mit anbietet. HDTV-PRAXIS Fazit Möchten Sie ein optimales Bild aus Ihrem Equipment herausholen, geht an einer Kalibrierung nichts vorbei. Die Qualität der Mess-Sensoren und die korrekte Bedienung der Software sowie die richtige Interpretation der Messwerte sind der Schlüssel zum Erfolg. Gute Sensoren kosten viel Geld, das der Privatkunde meist nicht auszugeben bereit ist. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema ist ein echter Zeitfresser und erfordert viel Verständnis für die Farbdarstellung. Schließlich soll das gewünschte Ziel auch erreicht werden: Das Bild soll besser und nicht schlechter aussehen als vorher. Kalibrieren ist daher kein Muss, für das beste Bild aber durchaus eine Empfehlung. Vom „Hobbykalibrieren” mit ungeeichten Sensoren können wir nur abraten: Hier sollte zwingend ein Profi Hand anlegen, der weiß, was er tut. (wf) 67