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HD PRAXIS
Naturgetreue Farben
Wissen: So kalibrieren Sie Flachbildschirme und Beamer
Sie lesen oder hören des Öfteren beim Händler, im Internet oder in der Fachpresse (so auch in
HDTV-PRAXIS), dass Flachbildschirme und Beamer ab Werk bisweilen nicht richtig kalibriert
sind. Zudem erreichen uns viele Anfragen zu dem Thema. Bringen wir also Licht ins Dunkel:
Lohnt es sich, ein Gerät selbst zu kalibrieren, oder kann man sich das Geld getrost sparen?
D
as Kalibrieren ist Wissenschaft
und Mythos zugleich. Je nach Interesse an einem guten, naturgetreuen Bild werden Sie früher oder
später fast zwangsweise mit dem Thema
konfrontiert. In Heimkinoforen werden
das Kalibrieren und die Notwendigkeit
dazu oft heiß und kontrovers diskutiert,
beim Kauf eines neuen Gerätes vom
Händler oft sogar als ein Muss dargestellt.
Die Gerätehersteller haben in den ver-
gangenen Jahren allerdings viel dazu gelernt. Zur Jahrtausendwende war das Kalibrieren noch ein reines Freak-Thema, an
Zwei Messköpfe von X-Rite: Das „Eye-One Pro“
(li.) ist ein aufwendig konstruiertes Spektralphotometer, das „Eye-One Display 2“(re.) ein
eher einfaches Kolorimeter. Das einfallende
Licht wird in der Pro-Version nicht nur in die
großen Spektralbereiche der Grundfarben zerlegt, sondern auch in viele schmale Spektralsegmente aufgeteilt, die dann einzeln ausgewertet
werden. Das Eye-One Pro ist daher wesentlich
genauer in der Messung.
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so gut wie keinem Fernseher oder Projektor wurde der natürliche 6.500-KelvinFarbraum nur ansatzweise eingehalten.
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Diese beiden Screenshots zeigen, wie unterschiedlich die
Güte von Mess-Ssensoren ausfallen kann. Als Beispiel dient
hier ein TFT-Bildschirm, der mit
einem geeichten Eye-One Pro
auf exakte 6.500 Kelvin eingestellt wurde.
Im Bild unten sehen Sie die
Werte des Eye-One Pro, oben
die eines anderen Sensors
(Spyder II), ohne dass am TFTBildschirm Einstellungen bei
den RGB-Farben verändert
wurden. Der Spyder II misst
5.100 Kelvin, eine durchaus
starke Abweichung, wohingegen der Eye-One Pro bei identischen Einstellungen exakte
6.500 Kelvin misst. Ein professioneller Sensor ist daher unabdingbar, um einen korrekten
Farbraum einstellen zu können.
Allerdings darf hier die Seriensteuerung der günstigen Sensoren nicht außer Acht gelassen werden.
Zum Messen wird der Sensor am Bildschirm angebracht und per USB mit einem Laptop oder
PC verbunden. Ein Projektor kann reflektiv über die Leinwand oder auch direkt im Lichtstrahl
gemessen werden. Wir empfehlen das Messen reflektiv über die Leinwand, da in diesem Fall
die Wandfarbe im Raum und die Leinwand in die Messung mit einbezogen werden.
Findige Tüftler erkannten schnell, dass
sich mit dem Kalibrieren – das in der Industrie und im Druckgewerbe allerdings
schon immer zum Standard gehörte –
beim Privatkunden durchaus der eine
oder andere Euro dazuverdienen ließ.
Die passenden Werkzeuge liefert die Industrie recht schnell in Form von Messsensoren und Software nach, für zum Teil
astronomische Preise von mehreren
1000 Euro. Das Kalibrieren zuhause fiel
für den Privatkunden somit zumeist flach.
Im Laufe der Zeit kamen dann Sets für
den Einsteiger auf den Markt, die ihre Sache manchmal mehr schlecht als recht
machten. Vor allen an den Mess-Sensoren und ihrer Genauigkeit, die für eine
korrekte Messung und Einstellung unabdingbar sind, krankte es.
Eine kostenlose Disc,
die alle notwendigen
Testbilder zum Kalibrieren mit der Software
HCFR bietet, kann im
AV-Forum als AVCHD,
HDMV-Disc und im
MP4-Format heruntergeladen werden:
www.avsforum.com/
avs-vb/showthread.
php?t=948496
Ist Kalibieren ein Muss?
Eine kostenlose
Kalibrier- und MessSoftware bieten die
französischen Entwickler von Homecinema-FR an. Die
Mess-Software HCFR
steht unter www.
homecinema-fr.com
zum Download bereit.
Mit HCFR können
nach einer gewissen
Einarbeitungszeit gute Ergebnisse erzielt
werden. Einen Guide,
der allerdings in Englisch verfasst ist, finden Sie hier: www.
curtpalme.com/forum/
viewtopic.php?t=10457
Ein Muss ist zunächst gar nichts. Ein guter
Händler weist in seinem Beratungsgespräch darauf hin, dass die Option auf
das zusätzliche Kalibrieren angeboten
wird, ohne Geräte gleich verallgemeinernd schlecht zu reden. Einem Händler,
der darauf besteht, dass ein Gerät nur
dann ein gutes Bild liefert, nachdem er es
kalibriert hat, sollten Sie den Rücken zudrehen und das Geschäft verlassen. Bitte
bedenken Sie: In den großen DiscounterMärkten wird das Kalibrieren von Geräten gar nicht erst angeboten; diesen Service liefern ausschließlich Fachhändler.
• www.hdtv-praxis.de •
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Mit der Software „Eye-One Match 3” können LCDs, CRTs, Plasmas, Beamer, Scanner, Drucker
und Kameras kalibriert werden. Mit dem „kleinen” Sensor (Eye-One Display 2) funktionieren
allerdings ausschließlich LCDs, CRTs und Plasmas. Für weitere Geräte ist das Eye-One XTreme
bzw. das Eye-One Pro Voraussetzung. Die Software ist auf die Erstellung von Farbprofilen am
Computer ausgelegt; für das Kalibrieren von Flachbildschirmen oder Beamern empfehlen wir
daher den Einsatz einer anderen Software, wie etwa HCFR, Colorfacts oder CalMan, die allerdings – bis auf HCFR – nicht unbedingt billig sind.
Die eigenen Sehgewohnheiten sollten als
Maßstab gelten, was das Bild betrifft; ein
ausgiebiges Probeschauen vor dem Kauf
ist daher Pflicht. Wie eingangs erwähnt,
wird heute bei der Entwicklung von Geräten drauf geachtet, dass ein korrekter
Farbraum sowie der Helligkeits- und
Gammaverlauf schon in der Serienproduktion eingehalten werden. Hierfür sind
in den Geräten Voreinstellungen gespeichert, die meist auf Namen wie „Kino“,
„Movie“ oder ähnliche Bezeichnungen
hören. Diese Grundeinstellungen ab
Werk sind heute bei den hochpreisigen
Produkten im Großem und Ganzen gut.
Das Kalibieren kann sich dennoch lohnen, um das Optimum aus dem Gerät herauszuholen. Sind Sie vom Typ her eher
ein Liebhaber kühlerer Bilder, können Sie
sich das Kalibrieren getrost sparen, da Ihnen das Bild dann zu warm erscheinen
wird. Es zeigt sich allerdings: Selbst die
Liebhaber kühlerer Bilder können ihre
Augen umtrainieren und empfinden
nach einer Weile den Tageslicht-ähnlichen Farbraum von 6.500 Kelvin als das
angenehmere und natürlichere Bild. Der
Effekt ist so ähnlich wie in der Aquaristik;
Leuchtstoffröhren, die vom Farbspektrum
nahe am 6.500-Kelvin-Punkt liegen, ergeben ein natürliches, tageslichtähnliches
Licht; Röhren unterhalb von 6.500 Kelvin
leuchten eher gelblich.
Was brauche ich zum
Kalibrieren?
Professionelle Hard- und Software kostet
richtig – kaum ein Privatmensch ist bereit,
dies für einen einmaligen oder jedenfalls
seltenen Vorgang wie die Kalibrierung
auszugeben. Wir setzten für unsere Messungen von Flachbildschirmen und Projektoren z. B. das Eye-One XTreme von XRite ein, das mit rund 1.500 Euro zu Buche schlägt. Besonders wichtig ist der
Ein mitunter schwieriges Unterfangen stellt das Ausrichten des
Sensors reflektiv auf die Leinwand dar. Hier leistet die Software
Eye-One Match 3 eine gute Hilfe. Ein kleiner, sich in Echtzeit bewegender Punkt zeigt auf der Leinwand an, wo der Sensor auf
der Leinwand genau misst. So kann vermieden werden, dass der
Sensor im Schatten misst, was zu stark verfälschten Messergebnissen führen würde. Vorteil hier: Man kann den Sensor vorher
korrekt ausrichten, um im Nachhinein z. B. mit HCFR zu messen
und so korrekte Werte zu erhalten, die nicht durch eine falsche
Ausrichtung beeinflusst werden. Diese Funktion steht nur mit
dem Eye-One Pro zur Verfügung.
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Wer das Kalibieren
scheut und seinen
Projektor oder
Flachbildschirm einfach per Augenmaß
mithilfe von Testbildern einstellen
möchte, findet auf
der Testdisc von
HDTV-PRAXIS oder
unter www.burosch.de eine gute
Adresse mit reichlich
Auswahl an TestDiscs und Testbildern.
Mess-Sensor, der adäquate Messergebnisse liefern muss – ohne einen geeichten Sensor hat Kalibrieren wenig Sinn.
Viele günstige Mess-Sensoren liegen bei
ihren Messungen so daneben, dass das
mit ihnen kalibrierte Bild einen schlimmeren Farbraum, Helligkeits- und Gammaverlauf darstellt als in den Grundeinstellungen ab Werk. Zusätzlich sollte immer
die gesamte Kette kalibriert werden, am
besten direkt vor Ort. Das Kalibieren von
Bildschirmen und Projektoren ohne den
Abgleich des eigenen Equipments in der
Kette wie Blu-ray Player oder A/V-Receiver erreicht mit hoher Sicherheit nicht
den perfekten Farbraum, der auf den
Punkt genau stimmt. Daher sollten Sie Ihren Händler fragen, ob er das Kalibrieren
vor Ort anbietet. Lassen Sie sich nicht mit
Argumenten abspeisen, dass eine Kalibrierung ohne die komplette Gerätekette genauso gut sei – sie ist es nicht. Zusätzlich verändert sich die Einstellung der
Geräte im Laufe der Zeit: Dies ist begründet durch das Nachlassen der Hintergrundbeleuchtung beim LCD-Fernseher,
das Schwächerwerden der Plasmaentladung beim Plasma-Fernseher und das
Nachlassen der Lampenleistung bzw.
durch die Veränderung des Farbsprektrums der Lampe beim Beamer; ein Nachkalibirieren der Gerätekette im Heimkino
in regelmäßgen Abständen ist daher
empfehlenswert.
Beachten Sie: Beim Bildschirm oder Projektor ist das Kalibrieren immer auf genau
den Eingang beschränkt, über den die
Messung und die anschließende Kalibrie-
rung durchgeführt wurde. Ist der Blu-rayPlayer z.B. am HDMI-Eingang 1 angeschlossen, zählen die eingestellten Werte
nur für diesen; für den zweiten HDMI-Eingang müssen die Werte dann von Hand
nachgetragen werden. Ist am zweiten
HDMI-Eingang allerdings ein anderes Zuspielgerät angeschlossen, z. B. ein Sat-Receiver, ist die Kalibrierung von HDMI 1
und dem Blu-ray-Player nur begrenzt
übertragbar – der Grund: Der Sat-Receiver gibt die Farben garantiert anders aus
und müsste z. B. mit Hilfe von Testbildern
über den USB-Anschluss gesondert kalibriert werden. Bietet ein Sat-Receiver keine Bildwiedergabe über USB, ist ein Kalibrieren im Grunde nicht möglich. Gleiches gilt im Prinzip für die eingebauten
TV-Tuner im Flachbildschirm.
Der Erwerb von günstigen Sensoren ist
bisweilen ein Glücksspiel; durch die Serienstreuung gibt es gute und schlechte
Exemplare desselben Modells. Wenn Sie
einen günstigen Sensor erwerben, sollten
Sie die Messgenauigkeit mit einem geeichten Sensor gegenkontrollieren – evtl.
ist irgendwo im Bekanntenkreis ein professioneller Sensor verfügbar. Nur so können Sie sicher sein, dass die Messungen
stimmen. Neben der Hardware ist die
Software wichtig. Die kostenlose Messsoftware HCFR verrichtet hier gute Dienste; Profisoftware wie Colorfacts oder CalMan kosten hingegen viel Geld, die Preise liegen bei weit über 1.000 Euro. Neben der Mess-Software werden noch passende Testbilder benötigt, die auf DVD,
AVCHD, Blu-ray oder USB-Stick zur Verfü• www.hdtv-praxis.de •
gung stehen. Haben Sie alles an Hardund Software zusammen, können Sie sich
an das Kalibrieren wagen. Den Vorgang
hier komplett zu erläutern, würde den
Rahmen dieses Hintergrundartikels
sprengen. Im Internet finden Sie zahlreiche Seiten mit Erklärungen, Tipps und
Tricks, die auf die Kalibrierungs-Hard- und
Software Ihrer Wahl maßgeschneidert
sind. Ist Ihnen das alles zu kompliziert,
wenden Sie sich vertrauensvoll an einen
Fachhändler in Ihrer näheren Umgebung, der das Kalibrieren von Geräten
mit anbietet.
HDTV-PRAXIS Fazit
Möchten Sie ein optimales Bild aus Ihrem
Equipment herausholen, geht an einer
Kalibrierung nichts vorbei. Die Qualität
der Mess-Sensoren und die korrekte Bedienung der Software sowie die richtige
Interpretation der Messwerte sind der
Schlüssel zum Erfolg. Gute Sensoren kosten viel Geld, das der Privatkunde meist
nicht auszugeben bereit ist. Die intensive
Beschäftigung mit dem Thema ist ein
echter Zeitfresser und erfordert viel Verständnis für die Farbdarstellung. Schließlich soll das gewünschte Ziel auch erreicht werden: Das Bild soll besser und
nicht schlechter aussehen als vorher. Kalibrieren ist daher kein Muss, für das beste Bild aber durchaus eine Empfehlung.
Vom „Hobbykalibrieren” mit ungeeichten
Sensoren können wir nur abraten: Hier
sollte zwingend ein Profi Hand anlegen,
der weiß, was er tut.
(wf)
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