PROJEKTINFORMATION

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PROJEKTINFORMATION
PROJEKT INFORMATION
Herausgegeben von Projekt Information e.V.
Jahrgang 15, Nr. 5
Betroffene informieren Betroffene
September / Oktober 2007
Der optimale Zeitpunkt für den Therapiebeginn
Neue Daten sprechen für einen früheren Einstieg in die HIV-Behandlung
Die Frage ist so alt wie die HIV-Therapie: „Wann soll ich mit der Behandlung anfangen?“ Es gilt, die positiven
Effekte der Therapie gegen mögliche Nebenwirkungen abzuwägen. Neue Daten lassen vermuten, dass der Therapieeinstieg in Zukunft wieder früher erfolgen könnte.............................................................................Seite 3
Der kleine Unterschied
HIV und Partnerschaft
in diskordanten Beziehungen
Die Amerikaner reden reichlich blumig von
„magnetic couples“, also Paaren, bei denen einer
der Partner HIV-positiv, der andere negativ ist. In
der Realität ist das leider gar nicht so einfach......
.................................................................Seite 4
Wie sicher ist sicher?
Infektionsrisiko bei
ungeschütztem (Hetero-)Sex
Lange Zeit durfte man nur hinter vorgehaltener
Hand darüber sprechen, dass erfolgreich behandelte
HIV-Infizierte weniger infektiös sind. Man könnte ja
die Präventionsbemühungen gefährden. Doch
Schweizer Forscher haben jetzt die Katze aus dem
Sack gelassen.......................................Seite 8
Editorial
von Peter Lechl..........................................................................2
Medizin und Forschung
HIV zerstört Gehirnzellen und beeinträchtigt die Entstehung
neuer Zellen ..............................................................................9
Kaletra® vs. Prezista®: Ring frei zur zweiten Runde ..............10
Hautkrebs häufiger bei HIV-Infizierten regelmäßige Kontrollen werden empfohlen ............................10
MOTIVATE-148-Wochen Daten zu Maraviroc (Celsentri®) ....11
Neues aus Industrie und Forschung........................................16
Grundlegend & Wissenswert
HIV/HCV-Koinfizierte mit ernster Allergiereaktion auf
Nevirapin haben signifikant erhöhtes Sterberisiko,
besonders nach Therapieabbruch ..........................................18
Leben mit HIV
CD4-Zellzahl ist nicht alles: Erfolgeiches Absetzen der
PCP-Prophylaxe bei nicht nachweisbarer Viruslast ................19
EKG-Veränderungen unter Atazanavir (Reyataz®) ................19
Politik & Soziales
Staat erhöht steuerfreie Pauschale für Ehrenamtler................20
Global Fund:Mehr Geld, und trotzdem noch zu wenig ............20
Sozialpolitische Nachrichten....................................................21
Projekt Information e.V.
Apothekenliste ........................................................................12
Behindertenverband begrüßt Job-Vermittlungsprovision ........23
Termine
Termine ..................................................................................24
Herausgeber: Projekt Information e.V. - Ickstattstraße 28 - 80469 München - www.projektinfo.de
Telefon: 089 / 21 94 96 20 - Fax: 089 / 21 03 12 35 - email: [email protected]
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September / Oktober 2007
Projekt Information
Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
schon länger rumort es beim Thema „früherer“
Therapiebeginn. Neue Erkenntnisse zum Geschehen im Immunsystem während der Frühphase der
HIV-Infektion, aber auch mehr nicht-Aidsdefinierende Erkrankungen bei Patienten mit späterem Therapiebeginn und z.B. auch das Faktum
der verringerten HIV-Übertragung bei Patienten mit
erfolgreicher HAART sind Teile der Argumentation
für den Vorteil eines früheren Therapiebeginns. Verträglichere und einfacher einzunehmende neue
Therapiekombinationen lassen sogar eine lebenslange Behandlung nicht mehr so abschreckend erscheinen.
So war es nicht verwunderlich, dass beim 17. Deutschen Workshop der DAGNÄ vom 7. – 8. September in Köln „When to start“ ein Hauptthema war.
Prominente Diskussionspartner waren Dr. Hans
Jäger und Dr. Jan van Lunzen. Dr. van Lunzen stellte
die Immunaktivierung des gesamten Organismus
durch HIV in den Vordergrund. Dies bedeute ein
vorzeitiges Altern mit früher eintretenden allgemeinen Erkrankungen. Dieser Prozess sollte frühzeitig
unterbunden werden. Dr. Jäger sieht die Zeit noch
nicht reif für ein Umdenken zu einem früheren
Therapiebeginn. Erforderlich sei eine langfristige
Studie über viele Jahre mit dem Vergleich zu Patienten mit Therapiestart bei mehr als 500 CD4Zellen. Es fehle an Markern für eine aussagekräftigere Messung der Immunaktivierung. Auch
das Argument der geringeren Nebenwirkungen mit
früherem Therapiebeginn sei fadenscheinig. Eine
fünf Jahre längere Behandlung mit Proteasehemmern bedeute z.B. eine höhere Zahl an Herzerkrankungen.
Bisher
existierten
keine
wissenschaftlich aussagekräftigen Daten, die eine
Veränderung der Behandlungsleitlinien gerechtfertigten. In der Diskussionsrunde wurde die Immunaktivierung auch als ein individueller Prozess
gesehen, z.B. bei einem starken Abfall der CD4Zellzahl in einem relativ kurzen Zeitraum, dafür reiche auch die Messung der CD4-Zellen aus. Eine
internationale Studie zum optimalen Therapiebeginn ist bereits auf dem Weg, die sog. START-Studie. Wer sich von Ihnen ausführlich und
grundlegend zu der sehr komplexen Frage „Wann
mit der HAART anfangen?“ informieren will, ist gut
beraten, dazu in HIV.net 2007 nachzuschlagen
oder im Internet unter www.hiv.net nachzuschauen.
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Therapiewechsel auf „moderne“ Substanzen oder
nicht? Auch hier spalten sich unsere Behandler in
unterschiedliche Lager: „Never change a winning
team“, die eher „konservativen“ Ärzte, die nur sehr
zögerlich eine Veränderung befürworten und die
Behandler die vielleicht gewissen „Modetrends“ folgen. Die Vorgehensweise orientiert sich am individuellen Patienten. Welche Nebenwirkungen habe
ich mit einer gewechselten Therapie, ein möglicherweise neues, unbekanntes Risiko bei dem Patienten, der mit der bisherigen Therapie gut fährt.
Unterlässlich ist es in jedem Falle, eine sich steigernde Langzeittoxizität rechtzeitig zu erkennen,
z.B. Lipodystrophie und Neuropathie und mit
einem Therapiewechsel zu stoppen. So standen die
Nebenwirkungen im Mittelpunkt vieler Vorträge,
gefährden sie doch die Compliance und damit den
Therapieerfolg in erheblichem Maße. Bei vielen
Studien stehen die Probleme der Lipodystrophie
und Stoffwechselstörungen im Vordergrund, mit einigen Medikamenten und Kombinationen ist die
Ausprägung aber wesentlich geringer. So sollten im
Hinblick auf eine jahrelange Behandlung die Nukleosidanaloga AZT oder d4T durch Ziagen® oder
Viread® ersetzt werden. Die Rolle von Proteasehemmern und NNRTI bleibt unklar. Neue Medikamente werden manchmal etwas euphorisch
vorgestellt, bessere Wirksamkeit und eine bisher
selten hohe Erfolgsrate der Studien. Dieser
DAGNÄ-Workshop gab sich da nach meinem Empfinden weniger begeistert. Eine eher abwartende
Tendenz war zu spüren, erst einmal die weiteren
Studienergebnisse abwarten.
Jetzt kommt sie wieder oder auch nicht: die Grippewelle und damit die dringende Empfehlung zur
Grippeschutzimpfung. Vorbeugen ist besser als eine
wirkliche Grippe, ausgelöst durch Influenza-Viren.
Diese Erkrankung ist nicht mit den viel zitierten
grippalen Infekten zu verwechseln. Eine InfluenzaInfektion ist eine beeindruckend schwere Erkrankung und „haut
ziemlich rein“, auch mit
langwieriger Erholungsphase. Studien haben gezeigt, dass die Grippeschutzimpfung nicht nur
gegen Grippeviren hilft, sondern zusätzlich einen
Schutz gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bietet.
Es wird angenommen, dass Influenza-Viren auch
Entzündungsreaktionen triggern, die Herz-KreislaufErkrankungen verstärken bzw. sogar Herzinfarkte
auslösen können.
Bevor es wieder in die dunklere Zeit hineingeht,
wünschen wir Ihnen warme leuchtende Herbsttage,
Ihr Peter Lechl
Jahrgang 15, Nr. 5
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Der optimale Zeitpunkt für den
Therapiebeginn
Neue Daten sprechen für einen früheren
Einstieg in die HIV-Behandlung
Die Frage nach dem optimalen Startzeitpunkt für eine
antiretrovirale Behandlung ist bis heute offen. Auch
auf der IAS Konferenz in Sydney wurde ihr wieder
breiter Raum gewidmet. Es ging bereits das Gerücht,
das die „Frühstart-Fraktion“ das Kongressprogramm
beeinflusst hätte. Vielleicht liegt es aber einfach daran,
dass mehr und mehr Forscher wissen wollen, ob man
mit einem früheren Einsatz der modernen, hochwirksamen und gleichzeitig gut verträglichen Medikamente nicht das Leben HIV-Infizierter verlängern und
verbessern könnte.
Müssen die heutigen Leitlinien wieder (zurück-)
aktualisiert werden?
Vor etwa sieben Jahren wurden die Therapieempfehlungen in den meisten Ländern abgeändert. Wurde
vorher bei Helferzellzahlen zwischen 350 und
500/mm³ zu einem Therapiestart geraten, so wurde
nun im Licht bekannt gewordener Nebenwirkungen
(vor allem Lipodystrophie) empfohlen, die Therapie
erst bei 200 bis 350 CD4-Zellen/mm³ zu beginnen. In
Sydney präsentierten holländische Forscher Daten,
die vermuten lassen, dass diese Änderung nicht sinnvoll war.
Die Forscher analysierten die Daten von 4142 Patienten aus der ATHENA-Kohorte, deren HIV-Infektion
in den Jahren 1998 bis 2005 festgestellt worden war.
Es zeigte sich, dass Patienten, deren Infektion vor
2000 diagnostiziert worden war (also als noch die
alten Leitlinien in Kraft waren), nach Therapiebeginn
einen schnelleren Anstieg der Helferzellen hatten als
Patienten, deren Diagnose nach 2000 erfolgte. Die
Forscher führen dies auf den früheren Therapiebeginn
bis zur Änderung der Empfehlungen zurück. Außerdem hatten Patienten mit einer Diagnose nach 2000
ein doppelt so hohes Risiko für ein Fortschreiten der
Erkrankung zum Vollbild Aids wie die früher diagnostizierten Patienten.
Wichtig ist auch, wie lange man unter 350 CD4Zellen/mm³ war
Auswertungen der CASCADE Kohorte mit 9858 Patienten fand, dass sowohl eine aktuell niedrige Hel-
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ferzellzahl als auch die niedrigste je gemessene CD4Zellzahl („Nadir“) das Risiko für Aids, schwere Infektionen, Lebererkrankungen oder Krebs erhöhte.
Dabei war die Länge der Zeit, die Patienten mit einer
Helferzellzahl unter 350/mm³ gelebt hatten ein weiterer Risikofaktor ebenso wie eine hohe Viruslast vor
Beginn der Behandlung.
Niedrige CD4-Zellzahl vor Therapiebeginn gefährdet die Erholung des Immunsystems
Wie viele CD4-Zellen man beim Therapiestart noch
hat, entscheidet, wie viele und welche während einer
erfolgreichen Therapie wieder gebildet werden. Diese
Schlussfolgerung zog man aus einer Auswertung der
ACTG384 Studie (in der Sustiva® gegen Viracept®
verglichen wurde, beides zusammen mit AZT/3TC
(Combivir® oder ddI/d4T (Videx®/Zerit)).
Je niedriger die CD4-Zellzahl war, desto niedriger war
auch das wichtige Verhältnis von naiven zu Gedächtniszellen – sowohl vor Therapiebeginn als auch nach
144 Wochen Behandlung. Außerdem war das Verhältnis von CD4- zu CD8-Zellen, das bei nicht-HIVInfizierten etwa bei 2 liegt, nach 144 Wochen
Behandlung in der Gruppe mit weniger als 50 Helferzellen/mm³ vor Therapie nur auf 0,4 angestiegen,
während es bei Patienten mit mehr als 500 Helferzellen/mm³ vor Therapie immerhin schon auf 1,19 geklettert war.
Die Helferzellzahlen von Patienten, die die Studie mit
mehr als 350 Helferzellen/mm³ begonnen hatten, normalisierten sich größtenteils im Verlauf der 144 Wochen, während dies bei Patienten, die mit weniger
CD4-Zellen begonnen hatten, nicht der Fall war.
Therapiebeginn mit mehr als 350 CD4-Zellen/mm³
halbiert das Risiko für eine Resistenzentwicklung
Amerikanische Patienten, die eine antiretrovirale Behandlung mit mehr als 350 CD4-Zellen/mm³ begannen, hatten ein halb so großes Risiko für die
Entwicklung von Resistenzmutationen wenn die Behandlung versagte als Patienten mit weniger als 200
Helferzellen/mm³. Betrachtete man nur die Resistenzen gegen Nukleosidanaloga und NNRTI, war das Risiko sogar auf ein Fünftel reduziert.
Diese Erkenntnisse stammen aus der HIV Outpatient
Study (HOPS) und umfassen die Auswertung von 683
Patienten, die nach dem 1.1.1999 mit einer Therapie
begannen. Von diesen erlitten 243 ein Therapieversagen und bei 78 wurde ein Resistenztest durchgeführt.
Es zeigte sich auch ein Trend zu einem höheren Risiko für ein Versagen der Therapie bei niedrigerer
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Helferzellzahl, allerdings war dieser Trend statistisch
nicht signifikant – wohl wegen der zu geringen Patientenzahl.
Die Kritiker eines früheren Therapiestarts argumentieren oft, dass ein früher Therapiestart das Risiko für
ein Therapieversagen und eine Resistenzentwicklung
erhöhen könnte, weil die Compliance im Laufe der
Zeit abnehmen könnte. Diese Daten lassen vermuten,
dass ein früherer Therapiestart eher günstiger ist, zumindest was die Resistenzentwicklung anbelangt.
Niedrigeres Nebenwirkungsrisiko bei früherem
Therapiestart
In einer weiteren Auswertung der HOPS fanden die
Forscher, dass ein früherer Therapiestart auch ein
niedrigeres Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen durch Nukleosidanaloga bedeutete. So traten
Neuropathie, Blutarmut (Anämie) und Abnahme der
Nierenfunktion (Niereninsuffizienz) eineinhalb bis
zweimal so häufig auf, wenn die Therapie mit weniger
als 200 Helferzellen/mm³ begonnen wurde.
Allerdings trat bei 80% der Patienten keine dieser Nebenwirkungen auf, und wenn, dann meist innerhalb
der ersten 6-12 Monate. Danach ging das Risiko für
diese Nebenwirkungen stark zurück.
Höheres Risiko für Aids- und nicht-Aidsdefinierende Erkrankungen bei spätem Therapiebeginn
Neben aufschlussreichen Daten zu Therapiepausen
lieferte die SMART-Studie auch interessante Erkenntnisse im Hinblick auf einen früheren vs. späteren Therapiebeginn. Bei den Patienten, die eine Therapie erst
mit weniger als 250 CD4-Zellen/mm³ begannen,
waren die Risiken für Aids-definierende Erkrankungen, aber auch für andere – nicht-Aids-bezogene
Krankheitsbilder – vier bis siebenmal größer als bei
Patienten, die die Therapie mit mehr als 350 Helferzellen begonnen hatten (und ohne Therapiepausen
weiterführten).
Wie geht es weiter?
Während die meisten Forscher eine große Studie zur
Bestimmung des optimalen Zeitpunkts für den Therapiebeginn fordern (die internationale START-Studie
mit genau dieser Fragestellung ist derzeit in Planung),
sind einige der Meinung, dass die mittlerweile verfügbaren Hinweise aus vielen kleineren Studien eigentlich ausreichen würden, um heute den Therapiestart
wieder bei höheren CD4-Zellzahlen zu empfehlen.
Schließlich wird die START-Studie viel Geld verschlingen, das an anderen Stellen dringend gebraucht
würde und wir werden zudem voraussichtlich sieben
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Jahre auf die Ergebnisse warten müssen.
Es kann jedoch durchaus sein, dass (ähnlich wie in
der SMART-Studie) die Resultate so eindeutig ausfallen, dass die Studie vorzeitig abgebrochen wird.
Sollten nicht völlig überraschend auftretende, neue
Nebenwirkungen eine andere Einschätzung der Lage
erfordern, kann man davon ausgehen, dass die HIVTherapie in Zukunft wieder früher begonnen werden
wird.
Quelle: Mascolini M: „New Data on Gains From Starting
Antiretrovirals Earlier“, www.natap.org
S. Schwarze
Der kleine Unterschied
HIV und Partnerschaft in diskordanten
Beziehungen
Für viele Positive ist das Zusammenleben mit einem
negativen Partner oder einer negativen Partnerin eine
alltägliche Erfahrung. In einer Untersuchung der Universität München gaben 40,2 % der befreundeten
schwulen Männer an, in einer so genannten diskordanten Beziehung zu leben, bei den positiven Männern waren es über die Hälfte [1]. Außerhalb
HIV-spezifischer Settings ist für Positive die Chance, eine/n Negative/n kennen zu lernen, schon rein statistisch sehr hoch. Dies gilt in besonderem Maße für
Heterosexuelle, die einen vergleichsweise geringen
Prozentanteil der HIV-Infizierten in Deutschland darstellen, aber in einer heterosexuellen und von der realen HIV-Epidemie weitgehend verschont gebliebenen
Mehrheitsgesellschaft leben. Zugleich scheint die Tatsache der Diskordanz, blickt man in die jüngsten Kongressprogramme, kaum von wissenschaftlichem
Interesse zu sein: Mit Ausnahme des Themas „HIV
und Kinderwunsch“ wird hier auf diskordante Paare
in letzter Zeit höchstes unter dem Aspekt der Prävention eingegangen. Im Gegensatz dazu ist das Verhältnis von negativen und positiven Partnern Gegenstand
vielfältiger Diskussionen in Internetforen wie etwa
„LHIVING.com“. Dabei wird es zumeist als schwierige Angelegenheit gesehen. Ein User schreibt dazu:
„Ich bin seit drei Jahren HIV-positiv und hatte bisher
den Grundsatz, niemals etwas Ernsthaftes mit einem
HIV-Negativen anzufangen, da es meist doch nur
‚Probleme’ und Ängste hervorruft.“ Wie normal ist es
somit wirklich, mit Negativen zusammen zu sein,
etwas Festes einzugehen, in einer Beziehung zu
leben?
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Vom Leben in einer diskordanten Beziehung
Viele Positive bevorzugen einen Partner/eine Partnerin mit gleichen HIV-Status. Fast jeder zweite positive
Schwule, der in einer Beziehung lebt, ist nach oben
zitierter Studie mit einem HIV-positiven Mann zusammen. Hinter der Selbstverständlichkeit, die diese
Zahl auszudrücken scheint und die in der schwulen
Community weitläufig bestätigt wird, tauchen Fragen
auf: Gibt es ähnliche Befunde in Bezug auf andere Erkrankungen, etwa den im Hinblick auf die HIV-Behandlung immer wieder gern zitierten Diabetes?
Wenn dem, wie ich vermute, nicht so ist, worin liegt
dann das spezifische bei HIV, das die Infektion zu
einem Kriterium für eine Beziehung macht? Welcher
der potentiellen Partner hat hier vor was Angst?
Macht die Zahl nicht deutlich, dass HIV noch lange
nicht jene Normalität besitzt, die angesichts der Behandelbarkeit der Infektion und einer scheinbar
immer toleranter werdenden Gesellschaft zu vermuten
wäre?
Die Suche nach „Gleichen“ ist gesellschaftlich oft mit
Ausgrenzungs- und Stigmatisierungserfahrungen verbunden und spiegelt Ängste vor Ablehnung und Unverständnis wider. HIV dürfte da keine Ausnahme
sein. Dabei ist es nur von geringer Bedeutung, ob
diese Ängste auf tatsächliche persönliche Erlebnisse
zurückgehen, oder ob es sich um Vorstellungen und
Fantasien handelt, wie die/der Andere auf die Infektion reagieren könnte. Die Krankheit scheint eine andere Lebenswelt zu begründen, die als nur schwer
kommunizierbar wahrgenommen wird. Worin die in
vielen Internet-Einträgen vage und mit Anführungszeichen als „Probleme“ benannten Aspekte eines diskordanten Zusammenlebens genau bestehen, bleibt
meist undeutlich.
Vielfach lässt sich das Unbehagen am Thema Sexualität festmachen: „Irgendwie kann ich nicht mit Negativen ins Bett gehen und Spaß haben“, heißt es in
einem Beitrag, und eine Antwort darauf führt aus:
„Als ich vor 7 Jahren positiv getestet wurde, blieb
mein damaliger Freund negativ. Wir haben dann noch
fast ein Jahr zusammen gelebt. Aber der Sex und die
damit für mich verbundenen ‚Probleme’ (nicht so sehr
technisch, sondern kopfmäßig) gaben dann den Ausschlag und wir haben uns nach 10 Jahren Beziehung
getrennt.“ [3] Gerade wenn die eigene HIV-Infektion
auf sexuelles Risikoverhalten und eine Faszination
ungeschützten Sexes oder die von Sexualwissenschaftlern oft angeführten Verschmelzungswünsche
zurückgeht, kann partnerschaftliche Sexualität in dis-
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kordanten Beziehungen zu einem massiven Problem
werden: Sie kann dort nicht ausgelebt und befriedigt
werden, so dass Hemmungen und Blockaden auf Seiten des Positiven auftreten und ein Gefühl des Ungenügens beim Negativen entsteht. Doch selbst wenn
die Infektion auf einem für den Betroffenen kaum
nachvollziehbaren Weg erworben wurde und Safer
Sex als Norm selbstverständlich ist, wird der sexuelle Akt mit Negativen tendenziell zu einem Problem,
das sich als irrationale Ängste, den Anderen zu gefährden, äußern können, hat doch die stete Vorsicht
beim Sex in der Vergangenheit die eigene Infektion
auch nicht verhindern können. Sex unter Positiven erscheint demgegenüber als unkomplizierte Option, in
der den Verschmelzungsfantasien nachgegeben werden kann und die Gesundheit des Partners nicht auf
dem Spiel steht, sieht man einmal von anderen sexuell
übertragbaren Erkrankungen ab, die in der Regel
leicht therapierbar sind.
Doch auch der nicht-sexuelle Alltag diskordanter
Paare erweist sich als potentiell konfliktbeladen. HIV
bezeichnet eine andere „Welt“ in dem Sinne, dass das
Bezugssystem des Handelns, die Wahrnehmung und
Bewertung dessen, was als „normal“ erkannt wird,
sich verändert. Diese „positive Welt“ ist durch eine
eigenartige Ambivalenz gekennzeichnet. Vor dem
Hintergrund einer unheilbaren Krankheit erscheinen
andere Probleme als banal, während gleichzeitig bereits kleinere Stresssituationen die aktuell vorhandenen Ressourcen übersteigen können. Nicht selten
führt dies zu Reaktionen, die von Anderen als irrational wahrgenommen und für schwer kommunizierbar
gehalten werden. Beispiele dafür sind die teils unbewussten Ängste, die im Zuge der regelmäßigen Laboruntersuchungen auftreten können; Negativen wird
dabei implizit unterstellt, den Zugang zu dieser Welt
nicht zu haben, etwa die Ängste nicht verstehen zu
können. Besonders deutlich macht sich das am Thema
Tod fest. Die Auseinandersetzung mit dem Tod, so
wurde in einem Workshop bei den „Positiven Begegnungen“ in Leipzig im letzten Jahr festgestellt, sei intensiver als bei gesunden Paaren, werde aber oft nicht
gemeinsam thematisiert: „Bei Paaren, die nicht offen
über die emotional aufwühlenden Aspekte der HIVDiskordanz sprechen, schleicht sich das Unausgesprochene in das alltägliche Beziehungsleben ein und führt
zu Spannungen.“ [2] Die Verlustängste des negativen
Partners widerstreiten der Verdrängungssehnsucht des
positiven, der mit dem möglichen Tod, den HIV symbolisiert, mit den eigenen Ängsten vor diesem Tod
nicht konfrontiert werden möchte. Zwischen der Frustration, aufgrund der Lebensweltunterschied sich oft
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nicht verstanden zu fühlen, und dem Unbehagen,
durch ein überverständnisvolles Beschützerverhalten
in eine schwache Position zu geraten, gibt es nur
schwer eine Vermittlung. „Rollenzuteilungen wie
‚stark und versorgend’ schleichen sich bei diskordanten Paaren leichter ein als bei anderen.“ Konkordant
positive Beziehungen suggerieren demgegenüber das
Gefühl, eine gemeinsamen Lebenswelt zu teilen und
darin verstanden zu werden.
Trotz dieser Konfliktpotentiale bieten diskordante Beziehungen jedoch Ressourcen, die für einen produktiven Umgang mit der Infektion wichtig sein können.
Sie beinhalten die Möglichkeit, sich fallen zu lassen
und Unterstützung von dem Anderen zu bekommen.
Gerade weil die Notwendigkeit besteht, über die bestehenden Ängste und Sehnsüchte sprechen zu müssen, um den negativen Partner in seine „Welt“ zu
lassen, erlauben sie, bestimmte Verhaltensweisen kritisch zu reflektieren und einen bewussten Umgang mit
der Infektion und den psychischen Problemen, die
damit einhergehen können, in Gang zu setzen. Der gesundheitliche Bezugsrahmen bleibt zumindest teilweise vom negativen Partner verkörpert. Damit geht
ein Verantwortungsgefühl einher, auf die eigene Gesundheit für den Anderen und das gemeinsame Zusammensein zu achten.
Das Coming-out in Partnerschaften
Wie aber erzähle ich am besten von meiner Infektion,
wenn ich jemanden neu kennen lerne? Nicht jede/r
kann und will schon vor dem ersten Kuss über HIV
reden, aus Angst vor Zurückweisung oder Scham oder
einfach aufgrund der Weigerung, jede Sekunde des sexuellen Lebens vom Virus bestimmen zu lassen. Die
Sehnsucht nach einem „normalen“ Flirt oder dem
„unschuldigen“ romantischen Verliebtsein jenseits der
Bedeutungsschwere der Infektion führen leicht zu
einem Verschweigen des Status am Anfang einer sich
anbahnenden Beziehung. Ebenso leicht wird dann
aber der Zeitpunkt verpasst, an dem eine Eröffnung
des Status als unproblematisch empfunden wird. Nach
zwei, drei oder vier Wochen intensivem Zusammensein scheint nicht selten der „richtige“ Zeitpunkt bereits vorbei zu sein: Wird eine nachträgliche
Offenbarung nicht als peinlich empfunden? Wird
der/die Andere sich nicht hintergangen fühlen, so
lange im Unklaren gelassen worden zu sein? Stellt das
nicht einen Vertrauensbruch dar? Kann sie/er mit der
Information umgehen? War alles wirklich absolut
safe? Wird er/sie vor dem Hintergrund der vielfältigen
Konfliktpotentiale diskordanter Partnerschaften den
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Mut zu einer Beziehung haben? Diese oder ähnliche
Fragen, die nach der Phase euphorischer Verliebtheit
ein längeres Zusammensein auch im Alltag begeleiten, sind oft Ursache einer als Kurzschlussreaktion
wahrgenommenen Trennung. Statt sich als Positive/r
zu outen, wird die Beziehung nach wenigen Wochen
unter Vorwänden beendet. Dabei sind die Ängste, die
dazu führen, in erster Linie Projektionen, deren Wirklichkeitswert ohne das Gespräch mit dem potentiellen
Partner unbekannt bleibt. Demgegenüber machen
vielfältige Erfahrungen deutlich, das ein Outing im
Laufe der Beziehungsprozesses oft eher tiefe Sorge
als Ablehnung bei dem Anderen hervorruft und die
emotionale Bindung verstärkt statt sie zu belasten [4].
Ein Patentrezept gibt es naturgemäß nicht. Je länger
aber mit dem Gespräch gewartet, je länger es hinausgeschoben wird, desto schwieriger wird es für alle Beteiligten, die Information in den Aufbau einer
Beziehung zu integrieren. Für die eine mag das direkte Sprechen über den eigenen Status vor dem ersten Sex entlastend wirken, was ein gemeinsames
Herantasten an einen „normalen“ Umgang mit der Situation ermöglicht; für den anderen erscheint es leichter, nach einer bereits existierenden Vertrautheit
langsam das Thema ohne persönlichen Bezug allgemein anzusprechen und die Befindlichkeit auszuloten
und so den Anderen nach und nach darauf vorzubereiten. HIV als Geheimnis in einer Beziehung zu belassen mit dem Argument, es sei doch etwas rein
persönliches, das niemanden was angehe, belastet in
der Regel nicht nur das Zusammensein; man vergibt
dadurch auch die Chance, die Belastungen, die die Infektion psychisch wie körperlich mit sich bringen
kann, mit jemandem zu teilen.
Die Frage, wie ich es meiner Freundin oder meinem
Freund sage, besteht darüber hinaus auch und gerade,
wenn die Infektion bei einer bestehenden Beziehung
erfolgt ist, aber außerhalb dieser erworben wurde. Gerade in schwulen Kontexten ist dies nicht selten der
Fall, wenn etwa der Sexualität in langjährigen „offenen“ Beziehungen keine so große Bedeutung mehr
zukommt und andere Sexpartner existieren. Mit einer
x-beliebigen One-Night-Stand-Story nach Hause zu
kommen ist da eine Sache, die lebenslange Diagnose
HIV der Beziehung hinzuzufügen, eine andere. Moralische Aspekte von Schuld stehen im Raum; eine einfache Fortsetzung, als sei nichts gewesen, dürfte kaum
möglich sein. Zugleich bietet die Diagnose aber auch
die Möglichkeit, offen über alle sexuellen Fantasien
und realen Praktiken außerhalb der Beziehung zu
sprechen und sie vielleicht in einer gemeinsamen Er-
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arbeitung der Infektion in die eigene einzubeziehen.
HIV stellt so nicht nur ein enormes Belastungspotential für Beziehungen da, sondern tendenziell auch eine
Chance, die Beziehung neu zu denken und zu leben.
Denn beide Partner können von den Erfahrungen des
Anderen lernen und profitieren.
[1] Die Fragebogenstudie „HIV-Prävention heute“ wurde
im Winter 2006 am Department Psycholo-gie der LMU
München durchgeführt und wird Ende 2007 publiziert.
[2] Dieses und das nächste Zitat in Gekeler, Corinna: positiv und negativ – negativ und positiv. In: life+-Magazin 2007. Hrsg. von der Deutschen Aids-Hilfe e.V., S.
11
[3] Vgl. http://www.lhiving.com
[4] Siehe Berichte aus der aktuellen Interviewstudie „Positives Begehren“ an der LMU München (Ab-schlussbericht wird zum Welt-Aids-Tag 2007 vorliegen)
Phil C. Langer
Wie sicher ist sicher?
Infektionsrisiko bei ungeschütztem
(Hetero-)Sex
Wie schon im Editorial der letzten Ausgabe von Projekt Information angedeutet, sorgte eine Arbeitsgruppe aus der Schweiz auf der Konferenz der
International Aids Society (IAS) in Sydney für Diskussionsstoff. Ihre provokante These: Ungeschützter
(Hetero-) Sex zwischen einem HIV-positiven und
einem HIV-negativen Partner kann unter bestimmten
Umständen so „sicher“ sein, dass es möglich ist, mit
vertretbarem Risiko ein Kind zu zeugen.
Bisher ist die gängige Praxis für serodiskordante
Paare (d.h. ein Partner HIV-infiziert, der andere nicht)
reichlich kompliziert: Ist der Mann HIV-positiv, muss
das Sperma zunächst in einer aufwändigen Prozedur
(„Spermawäsche“) von Viren gereinigt werden und
die Frau anschließend damit künstlich befruchtet werden. Das klingt nicht nur reichlich unromantisch sondern muss meist auch einige male wiederholt werden
bevor es endlich klappt. Hinzu kommt, dass dieses
Verfahren nicht ganz billig ist und die Kosten in den
meisten Ländern nicht von den Krankenkassen übernommen werden.
Aus der Schweiz wurde nun über die Beobachtung berichtet, dass bei 62 Paaren im Zeitraum von sieben
Jahren 76 Schwangerschaften auf natürlichem Wege
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eingetreten waren, ohne dass es zu einer Infektion des
negativen Partners oder des Kindes gekommen wären
(ähnliche Daten wurden auch schon von einer spanischen Arbeitsgruppe berichtet). Bei den 62 Paaren war
in 22 Fällen die Frau HIV-positiv und in 40 der Mann
Daraus leiteten die Schweizer eine Pilot-Studie ab, in
der Maßnahmen zur Risikominimierung mit einer natürlichen Empfängnis kombiniert werden sollten.
Zwischen März 2004 und 2007 wurden 22 Paare in
die Studie aufgenommen; sechs hatten schon zuvor
versucht, auf natürlichem Wege ein Kind zu bekommen und 21 Paare stimmten den vorgeschlagenen Risikoreduktionsstrategien zu.
Die Strategie zur Risikominimierung sieht wie folgt
aus (im Beispiel soll der Mann HIV-positiv sein):
- der HIV-positive Partner wird genauestens über
die Wichtigkeit einer korrekten und regelmäßigen
Medikamenteneinnahme informiert.
- Der HIV-positive Partner muss in mehreren Tests
eine Viruslast unter der Nachweisgrenze gehabt
haben (je länger die Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt, desto besser)
- Sexuelle übertragbare Infektionen wie Syphilis
oder Genitalherpes, die das Übertragungsrisiko für
HIV erhöhen, müssen ausgeschlossen werden
- Das Paar wird instruiert, zum optimalen Zeitpunkt
(d.h. vor dem Eisprung) ungeschützten Sex zu
haben
- Die Frau nimmt 36 und 12 Stunden vor dem geplanten Geschlechtsverkehr je eine Tablette eines
HIV-Medikaments (Truvada®) ein
Zu dieser letzten Maßnahme, die ja eine Art „Präexpositionsprophylaxe“ (PrEP) darstellt, hier ein Originalzitat
der
Schweizer
Arbeitsgruppe
( http://www.infekt.ch/index.php?artID=1318 ):
„Ob und wieviel diese letzte Massnahme nützt,
können wir nicht mit Sicherheit sagen. Wir wissen allerdings, dass die Einnahme von HIV-Medikamenten NACH einer Exposition das Risiko
einer Transmission [Übertragung] massiv senkt.
Es ist wahrscheinlich, dass die Behandlung VOR
dem Geschlechtsverkehr noch besser wirkt.
Wir wissen auch nicht, ob diese Behandlung
überhaupt notwendig ist. Das Risiko einer Übertragung unter einer vollständig suppressiven
HAART ist unmessbar klein, es dürfte in der
Grössenordnung von 1:100'000 bis 1: 1'000'000
oder noch kleiner liegen. Wir betrachten die zusätzliche Sicherheit wie das Anziehen eines Si7
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cherheitsgurtes im Auto. Auch hier ist das Risiko
eines Unfalls im Alltag sehr gering.“
Besonders erfreulich: Während bei der herkömmlichen Methode der Spermawäsche mit künstlicher Befruchtung die Erfolgsrate auch bei mehreren
Versuchen bei maximal 40% liegt, betrug sie mit der
natürlichen Methode 70% und über die Hälfte der
Frauen war schon nach drei Versuchen schwanger.
Bei keiner der Frauen und bei keinem Kind kam es zu
einer Übertragung von HIV.
Wie nicht anders zu erwarten, führte diese Veröffentlichung auch zu zahlreichen Gegenstimmen. Einige
bemängelten, dass die Patientenzahlen viel zu gering
seien um daraus allgemeine Empfehlungen abzuleiten. Auch werde normalerweise die Viruslast nur alle
drei Monate oder seltener gemessen, sodass die aktuelle Viruslast nicht genau bekannt sei. Und schließlich
gäbe es Fälle, in denen trotz nicht nachweisbarer Viruslast im Blut dennoch Virus im Sperma gefunden
worden sei.
Ein spanischer Forscher antwortete in einem Leserbrief auf diese Einwände, dass bei einem geschätzten
durchschnittlichen HIV-Übertragungsrisiko beim heterosexuellen Verkehr von 0,1% bis 0,01% (pro Geschlechtsakt)
etwa
3.000
bis
30.000
Schwangerschaften nötig sein, um die Sicherheit einer
bestimmten Methode festzustellen.
Überprüft man die Berichte nachweisbarer Viruslast
im Sperma bei nicht nachweisbarer Viruslast im Blut,
so findet man in praktisch allen Fällen Erklärungen
dafür (suboptimale Therapie, z.B. ungeboostete Proteasehemmer, niedrige CD4-Zellzahl oder begleitende
sexuelle übertragbare Infektionen).
Bevor jetzt aber allgemeiner Jubel ausbricht und zur
öffentlichen Kondomverbrennung aufgerufen wird,
hier ein paar Worte der Vorsicht:
- So ermutigend diese Ergebnisse sind, die Zahlen
sind tatsächlich noch sehr gering und bedürfen der
weiteren Bestätigung.
- Die Ergebnisse aus einem streng kontrollierten
Setting (Viruslast unter der Nachweisgrenze, keine
begleitenden Infektionen, zusätzliche PrEP) dürfen
nicht einfach in die „freie Wildbahn“ übertragen
werden.
- Die Daten zum heterosexuellen Übertragungsrisiko dürfen nicht kritiklos auf den schwulen Sex
übertragen werden – hier herrschen drastisch andere Bedingungen (Empfänglichkeit der Anal- vs.
Vaginalschleimhaut für Infektionen, andere Sexpraktiken, anderes Muster des Drogenkonsums
etc.)
8
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
Kommentar von Projekt Information:
Eine Theorie von der Art “ungeschützter Sex unter erfolgreicher Therapie führt nicht zu einer Infektion”
kann letztlich nie bewiesen, sondern höchstens widerlegt werden. Denn selbst wenn es eine Million mal gut
geht, kann es beim 1.000.001. mal schief gehen! Natürlich sind die Daten der Schweizer und Spanier ermutigend, aber das verflixte „Restrisiko“ bleibt – und
für den Sex unter Männer ist die Datenlage noch extrem dünn. Tatsache ist, dass eine erfolgreiche
HAART (d.h. Viruslast dauerhaft unter der Nachweisgrenze) das Ansteckungsrisiko verringert. Um wie
viel, kann heute niemand mit Sicherheit sagen. Aber
auch Kondome schützen bekanntlich nicht zu 100% ,
deshalb heißt es ja auch „safer sex“ und nicht „safe
sex“. Wirklich „sicheren“ Sex gibt es nicht – und
wenn es ihn gäbe, wäre er wahrscheinlich langweilig.
Letztendlich sollte es das Ziel sein, dass alle Beteiligten so gut informiert sind, dass sie selbst entscheiden
können, wie viel Risiko sie auf sich nehmen wollen.
Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg.
Quellen:
- Vernazza P „IAS_Sydney: HIV - Erfüllter Kinderwunsch dank PREP“,
http://www.infekt.ch/index.php?artID=1318
- Dos Santos H „How Safe is Unprotected Sex Between
Discordant Couples to Conceive in the Highly Active
Antiretroviral Therapy Era?“ [Letters to the Editor],
JAIDS Vol 45(4), August 1, 2007, p476
- Barreiro P – Authors reply
S. Schwarze
HIV-Therapie-Hotline
ACHTUNG:
NEUE TELEFONNUMMER
Telefon: 089 - 54 333 - 123
Montag - Donnerstag 16 - 19 Uhr
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Betroffene infomieren Betroffene
zu Therapiefragen
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
Medizin & Forschung
HIV zerstört Gehirnzellen
und beeinträchtigt
die Entstehung neuer Zellen
Mit dem Älterwerden HIV-infizierter Menschen
durch die Erfolge der HAART bleibt die Sorge, dass
die HIV-assoziierte Demenz zunimmt. Es wird geschätzt, dass die mit HIV in Verbindung stehende Demenz bei 10% bis 30% der Menschen mit HIV/AIDS
auftritt.
Viele neue Erkenntnisse sind notwendig, um herauszufinden, wie das Virus das Gehirn angreift und
warum es beeinträchtigende Funktionen bewirken
kann. In der Ausgabe von „Cell Stem Cell“ wird von
einer Studie berichtet, die die Wirkung von HIV auf
Gehirnzellen untersuchte. Die Forscher der University
of California in San Diego und des Burnham Institute
for Medical Research fanden heraus, dass das HIVirus nicht nur zum Tod von Gehirnzellen beiträgt,
sondern auch Stammzellen an der Teilung zur Bildung
neuer Nervenzellen hindert.
Es ist bekannt, dass bei Erwachsenen einige neurodegenerative (Abbau von Nervenzellen) Erkrankungen
auftreten, einschließlich der HIV-assoziierten Demenz. Neurogenese ist der Vorgang, bei dem das Gehirn Schäden oder Verletzungen repariert. Das
HI-Virus infiziert hauptsächlich die Mikroglia-Zellen.
Gliazellen sind im Gegensatz zu den Nervenzellen
auch nach der Vorgeburtsphase noch vermehrungsfähig. Das HI-Virus dringt nicht in die Neuronen ein
und tötet sie auch nicht. Diese sind die hauptsächlich
aktiven Gehirnzellen, verantwortlich für kognitive
Vorgänge. Die an dieser Studie beteiligten Forscher
berichteten bereits früher, dass das Hüll-Glykoprotein
gp120 des HI-Virus eine Schlüsselrolle beim Tod von
Gehirnzellen spielen kann und so zu Demenz führt.
Andere Forscher fanden heraus, dass HIV-Infizierte
mit Demenzsymptomen eine niedrigere Zahl von reifen Vorläuferzellen im Nervensystem haben, ein Typ
von Stammzellen, der die Produktion von Neuronen
in Gang setzt. Diese Vorläuferzellen befinden sich im
sog. Hippocampus, ein wichtiger Bereich des Gehirns
für Lern- und Gedächtnisleistung. In der aktuellen
Studie erprobten die Forscher bei transgenen Mäusen
September / Oktober 2007
(genetisch verändert) die Ausprägung des gp120-Proteins, obwohl die Mäuse tatsächlich nicht mit HIV infiziert waren.
Ergebnisse
- In der Laborstudie konnte mit dem Einsatz von
neuralen Vorläuferzellen von Ratten demonstriert
werden, dass gp120 nicht das Zellüberleben durch
eine Herbeiführung der Apoptose (programmierter
Zelltod) beeinflusst, auch nicht eine Nekrose (Gewebstod in einem Organ).
- Danach konnte gezeigt werden, dass gp120 die
Proliferation (starke Vermehrung) von adulten (reifen, erwachsenen) neuralen Vorläuferzellen sowohl im Labortest als auch am lebenden Tier, in
diesem Fall im Hippocampus von transgenen
Mäusen, hemmt.
- Weiterhin konnte festgestellt werden, dass gp 120
die Entwicklung des Zellzyklus von diesen
Stammzellen während der anfänglichen Phase der
Zellteilung blockiert.
- Diese Unterbrechung verlief über eine Kaskade
bestehend aus der p 38 mitogen aktivierten Proteinkinase (MAPK, ein Eiweiß, das an einer der
Zellteilungsphasen beteiligt ist).
Schlussfolgerungen:
Die Ergebnisse aus dieser Forschungsarbeit erklären
damit einen molekularen Mechanismus, der die Herausbildung reifer Neuronen gefährdet und in Zusammenhang mit HIV-assoziierter Demenz steht. „Das ist
ein doppelter Schlag fürs Gehirn“, so die Autoren in
einer Darstellung in den Medien zu ihren Erkenntnissen. „Das HIV-Protein bewirkt Verletzungen im Gehirn und verhindert gleichzeitig die Reparatur.“ In
gesunden Zellen hilft das p38-Enzym, Krebs zu verhindern, d.h. eine übermäßige Zellvermehrung, die
durch Krebs entsteht, indem es die Zellteilung stoppt,
wenn DNA (Nukleinsäure, die die genetische Information einer Zellen enthält) beschädigt ist. Die Erkenntnisse zu der Rolle von gp120 bei der Schädigung
des Nervensystems könnten zukünftig zu Behandlungen der mit HIV in Verbindung stehenden Demenz
führen. Substanzen, die das Enzym p38 blockieren,
sind zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen
bereits in der Entwicklung. Jetzt testen die Autoren
eine der Substanzen als eine mögliche Behandlung für
die HIV-assoziierte Demenz.
Quelle: Liz Highleyman, HIV both kills braincells and impairs production of new ones, hivandhepatitis.com;
21.08.2007
Übersetzung: Peter Lechl
9
September / Oktober 2007
Hautkrebs häufiger
bei HIV-Infizierten -
regelmäßige Kontrollen
werden empfohlen
Hautkrebs tritt bei HIV-infizierten Patienten häufiger
auf als bei HIV-Negativen, so ein Poster bei der 4. International AIDS Society-Konferenz in Sidney. USForscher analysierten die Daten einer prospektiven
Beobachtungs-Datenbank, mit 4566 HIV-positiven
Teilnehmern.
Es wurde die Häufigkeit von Hautkrebs in dieser
Gruppe gegenüber einer allgemeinen HIV-negativen
Population verglichen. Die Datenbank mit HIV-Positiven erfasste 27385 Personenjahre der Beobachtung
von Patienten, die zwischen 1987 und 2006 behandelt
wurden. Das mittlere Alter betrug 29 Jahre (Bereich
17 bis 75 Jahre), 44% waren weißer und 45% afroamerikanischer Ethnie. Unter 4507 HIV-positiven Patienten, in der Analyse erfasst, entwickelten 260
Formen von Hautkrebs, eine Häufigkeitsrate von
5,8%. Das waren 201 neue Fälle von Kaposi-Sarkom,
48 Basalzellkarzinome, 13 maligne Melanome und 7
squamose (schuppige) Zellkarzinome. Bei neun Patienten entwickelte sich mehr als ein Typ von Hautkrebs.
Etwas mehr als 80 % aller Hautkrebserkrankungen ereigneten sich vor der Einführung der antiretroviralen
Dreifachkombination, in der großen Mehrheit der
Fälle Kaposi-Sarkome. Diese verminderten sich signifikant seit Einführung der HAART, von 1590 auf 180
Fälle pro 100000 Personenjahre (p<0,05). Die Rate
des Basalzellkarzinoms mit 200 Fällen pro 100000
Personenjahre war 2,3 fach höher als bei der HIV-negativen Population. Die Melanomrate war um das 3,1fache im Vergleich mit der allgemeinen Bevölkerung
erhöht. Das squamose Zellkarzinom trat jedoch nicht
häufiger auf. Eine hohe CD4-Zellzahl schien nicht vor
dem Auftreten von Hautkrebs zu schützen. Die mittlere CD4-Zellzahl bei der Hautkrebs auftrat, betrug
432 Zellen/mm³. Auch der CD4-Zellzahl-Nadir (niedrigste je gemessene CD4-Zellzahl), ein besserer Maßstab für den Grad der Immunschwäche in der
Vergangenheit, hatte keinen Vorhersagewert für die
Entwicklung von Hautkrebs. Weder stand die antiretrovirale Therapie noch eine nicht nachweisbare HIViruslast in Verbindung mit einem geringeren
Hautkrebsrisiko.
10
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
Die Forscher schließen daraus, dass in der VorHAART-Ära das Kaposi-Sarkoma vorherrschend war,
aber jetzt meistens Basalzellkarzinome und Melanome in einer höheren Rate als bei der üblichen Bevölkerung auftreten. Sie empfehlen regelmäßige
Untersuchungen in Hinblick auf Hautkrebs, besonders
auch unter dem Aspekt der älterwerdenden HIV-positiven Patienten.
Quelle: Liz Highleyman, IAS: Skin cancers are more common among HIV-positive people, screening recommended
Übersetzung: Peter Lechl
Kaletra® vs. Prezista®:
Ring frei zur zweiten Runde
In der TITAN-Studie hat sich der neue Proteasehemmer Darunavir/r (Prezista®) im Vergleich zu Lopinavir/r (Kaletra®) bei vorbehandelten Patienten als
zumindest ebenbürtig, in einigen Punkten sogar überlegen gezeigt (wir berichteten in der letzten Ausgabe).
Trotzdem gab es wegen einiger Details im Studiendesign Kritik und nun stellt sich die Frage, wie sich Prezista® bei nicht vorbehandelten Patienten bewährt.
Dieser Frage wurde in der ARTEMIS-Studie nachgegangen. 689 unvorbehandelte Patienten mit einer Viruslast von mehr als 5.000 Kopien/ml erhielten als
Nukleosidanaloga Tenofovir/Emtricictabin (Truvada®) und zusätzlich entweder Prezista® 800mg /
Norvir® 100mg einmal täglich oder Kaletra®
400/100mg zweimal täglich bzw. 800/200mg einmal
täglich. 15% der Kaletra®-Patienten erhielten die einmal tägliche Variante; 7% wechselten im Verlauf der
Studie von zweimal auf einmal täglich.
Auf der „47th Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy“ (ICAAC) in Chicago
wurden nun die 48-Wochen Daten vorgestellt.
Bei der ersten klassischen Disziplin „Anteil der Patienten mit einer Viruslast unter 50 Kopien/ml“ war
Darunavir dem Lopinavir statistisch signifikant „nicht
unterlegen“. Für den Nachweis der Überlegenheit
reichte der p-Wert von 0,062 nicht ganz. Wer mit dieser Statistiker-Sprache nichts anfangen kann, hier
noch mal im Klartext: Prezista® ist hinsichtlich der
Viruslastsenkung bei unvorbehandelten Patienten
nicht schlechter als Kaletra® - um zu sagen ob es tat-
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
sächlich besser ist, reicht die Patientenzahl in dieser
Studie nicht aus (siehe Grafik).
Etwas anders sieht die Sache aus, wenn man die Patienten nach niedriger / hoher Viruslast vor Studienbeginn aufteilt: Bei Patienten mit einer Viruslast von
mehr als 100.000 Kopien/ml schnitt Prezista® signifikant besser ab: 79% der Patienten, die Prezista® erhielten, hatten nach 48 Wochen eine Viruslast unter
50 Kopien/ml im Vergleich zu 67% unter Kaletra®.
Verglich man das Dosierungsschema von Kaletra®,
so fuhren die Patienten mit zweimal täglicher Gabe
besser; von ihnen erzielten 81% eine vollständige Unterdrückung der Viruslast. Bei einmal täglicher Gabe
gelang dies nur bei 71% der Patienten.
Auch bei der Verträglichkeit konnte Prezista® Punkte
sammeln: Nur halb so viele Patienten (7%) litten unter
Magen-Darm-Problemen wie unter Kaletra® (14%).
Der Anstieg der Blutfettwerte (Triglyzeride) war unter
Prezista® nicht so stark ausgeprägt wie unter Kaletra®.
September / Oktober 2007
Kommentar:
Es ist anzunehmen, dass Tibotec, der Hersteller von
Prezista®, mit diesen Daten die Zulassung für die
First-Line-Therapie anstreben wird.
Zweifellos sehen die Daten sehr gut aus, aber was
macht man nach einem Therapieversagen? Nach dem
Scheitern einer Therapie mit Prezista® scheiden
praktisch alle anderen Proteasehemmer, abgesehen
von Tipranavir (Aptivus®), für eine Folgetherapie
aus., Achtet man nicht nur auf den kurzfristigen Erfolg, sondern behält die Langzeitperspektive im Blick,
so ist die endgültige Antwort auf die Frage nach der
„besten“ First-Line-Therapie also weiterhin offen
und von den individuellen Umständen abhängig.
Quelle: www.natap.org
S. Schwarze
Grafik: Anteil der Patienten unter geboostetem Darunavir (DRV/r) bzw. Lopinavir (LPV/r) mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze
11
September / Oktober 2007
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
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10777
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10967
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53127
53113
28203
28195
47053
47051
40212
40237
40479
85435
45147
45329
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60594
60598
60385
60323
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79098
85354
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50674
50667
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90579
68161
68161
53894
80331
80331
81669
80801
80796
81667
81373
80331
80336
81669
80335
80337
80807
48147
48149
48143
90419
90403
35447
83022
70178
70173
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September / Oktober 2007
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Wir bitten unsere Leserinnen und Leser um freundliche Beachtung!
13
September / Oktober 2007
Projekt Information
MOTIVATE-1
48-Wochen Daten zu
Maraviroc (Celsentri®)
Die CCR5-Antagonisten sind seit der Zulassung von
Enfuvirtide (Fuzeon®) die erste neue Substanzklasse
in der Behandlung der HIV-Infektion.
Das besondere an ihnen ist, dass sie keine Enzyme des
Virus hemmen, sondern Rezeptoren der menschlichen
Zellen blockieren. Damit ist es für das Virus schwieriger, Resistenzen gegen diese Substanzklasse auszubilden.
Der Anstoß zur Entwicklung von CCR5-Antagonisten
kam von der Beobachtung, dass sich Menschen, die
aufgrund eines genetischen Defekts („Delta-32“) weniger CCR5-Rezeptoren auf ihren Zellen haben, weniger leicht mit HIV infizieren. Und selbst wenn sie
sich infizieren, schreitet die Krankheit bei ihnen langsamer voran. Menschen, die überhaupt keine CCR5Rezeptoren haben, können sich fast nicht mit HIV
anstecken, haben aber - soweit man bis heute weiß keine besonderen gesundheitlichen Probleme durch
das Fehlen dieses Rezeptors. Deshalb erschien es nur
logisch, das Konzept der Blockade des CCR5-Rezeptors durch Medikamente als Behandlungsstrategie
gegen HIV zu erproben.
MOTIVATE-1 ist eine von zwei Phase-III Zulassungsstudien zu Maraviroc (seit kurzem als Celsen-
14
Jahrgang 15, Nr. 5
tri® zugelassen). Da Maraviroc wie alle CCR5-Antagonisten nur HI-Viren hemmen kann, die den CCR5Rezeptor benutzen um in die Zielzellen zu gelangen,
mussten die Patienten zuvor mit einem neuartigen
Test auf das Vorhandensein dieser Art von Viren getestet werden.
In einer Zwischenauswertung nach 24 Wochen wurde
gezeigt, dass stark vorbehandelte Patienten, die zusätzlich zu einer mit Hilfe von Resistenzdaten optimierten
Kombinationstherapie
(„optimized
background regimen“, OBR) Maraviroc erhielten,
- eine bessere Unterdrückung der Viruslast hatten,
- mehr Helferzellen hinzugewannen,
- fast keine zusätzlichen Nebenwirkungen hatten,
im Vergleich zu Patienten, die nur die „BackgroundTherapie“ erhielten.
Das primäre Zielkriterium der Studie war die Viruslastsenkung nach 48 Wochen. 601 Patienten erhielten
entweder das OBR + Placebo oder OBR + Maraviroc,
entweder 150 mg einmal oder zweimal täglich. Als
Besonderheit war im OBR kein Darunavir (Prezista®)
erlaubt. Etwa 45% der Patienten erhielten Enfuvirtide
(Fuzeon®) und ca. 10% Tipranavir (Aptivus®) im
OBR. Zwei Drittel der Patienten hatten im OBR nur
mehr zwei aktive Substanzen oder weniger.
Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass der Anteil der
Patienten, die eine Viruslast unter 400 bzw. unter 50
Kopien/ml erreichte, unter Maraviroc zwischen
Woche 24 und 48 im Wesentlichen stabil blieb, wäh-
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
rend unter einer Behandlung nur mit dem OBR die
Ansprechraten deutlich zurückgingen. Gleichzeitig
stieg die Zahl der Helferzellen unter Maraviroc um
113-122 Zellen/mm³ an, unter OBR nur um 54/mm³.
Auch in dieser Studie machte man ähnliche Beobachtungen wie in einigen anderen mit neuen Substanzen:
Patienten, die vor Studienbeginn eine hohe Viruslast
(mehr als 100.000 Kopien/ml) hatten, sprachen nicht
so gut an wie Patienten mit einer niedrigen Viruslast.
Außerdem schnitten die Patienten besser ab, die
gleichzeitig das erste mal Enfuvirtide (Fuzeon®) erhielten.
Die Verträglichkeit unterschied sich in den einzelnen
Studienarmen kaum; allerdings gab es unter Maraviroc einen Trend zu mehr Atemwegsinfekten. Ob dies
Zufall war oder auf einen spezifischen Einfluss der
Substanz auf das Immunsystem hindeutet, muss noch
geklärt werden. Erste Daten deuten darauf hin, dass
CCR5-Antagonisten die Aktivierung des Immunsystems dämpfen können. Das wäre zwar eine gute
Sache im Hinblick auf die HIV-Infektion, wo die Immunaktivierung ja für das Fortschreiten der Erkrankung mitverantwortlich gemacht wird, könnte aber
eine etwas höhere Anfälligkeit gegenüber anderen Infekten bedeuten. So ist z.B. bekannt, dass Menschen,
die von Geburt an keinen CCR5-Rezeptor haben, anfälliger für eine Infektion mit dem West-Nil-Virus
sind. Außerdem wird derzeit auch untersucht, ob die
Dämpfung der Immunreaktion durch die CCR5-Antagonisten auch in der Transplantationsmedizin eingesetzt werden könnte, z.B. um die Abstoßung eines
Spenderorgans zu verhindern. Wahrscheinlich ist das
Potenzial dieser neuen Substanzgruppe bis jetzt gerade ansatzweise erkannt und verstanden.
Versagte Maraviroc, so fand man bei den Patienten in
vielen Fällen HI-Viren, die nicht auf den CCR5-Rezeptor („R5“) angewiesen waren, sondern den
CXCR4-Rezeptor („R4“) benutzten. Gegen solche
Viren wirken CCR5-Antagonisten wie Maraviroc leider nicht. Das Problem ist, dass der Test, der herausfinden soll, welche Virenart ein Patient hat, derzeit nur
eine Erkennungsgrenze von etwa 10% hat. Das heißt,
wenn bei einem Patienten zu 91% R5-Viren und nur
zu 9% R4-Viren vorliegen, würde der Test dies nicht
erkennen. Erhält ein solcher Patient Maraviroc, so
werden nur die R5-Viren durch Maraviroc gehemmt.
Reicht die Wirksamkeit des OBR nun nicht aus um
alle R4-Viren zu hemmen, so werden sich diese nun
vermehren können – ein Therapieversagen ist vorprogrammiert.
September / Oktober 2007
Manche Experten gehen davon aus, dass jeder HIVInfizierte im Prinzip eine Mischpopulation aus R5und R4-Viren beherbergt, so dass es nur darauf ankommt, die R4-Viren, die meistens in der Minderheit
sind, durch die anderen Medikamente der Kombinationstherapie so schnell zu unterdrücken, dass sie
keine Chance haben, zur vorherrschenden Virusspezies im Körper zu werden.
Doch warum überhaupt die Aufregung um die Frage,
ob das Virus R5- oder R4-trop ist?
Dies kommt von der Beobachtung, dass bei HIV-Infizierten mit dem Fortschreiten der Erkrankung vermehrt R4-Viren auftreten.
Noch ist nicht klar, ob das Ursache oder Wirkung ist,
d.h. ob die Erkrankung fortschreitet, weil das Virus
durch die Veränderung mehr Zellen infizieren kann
oder ob sich das Virus verändern kann, weil das Immunsystem zu stark geschwächt ist.
Solange diese Frage aber nicht geklärt ist, möchte
man natürlich nicht mit dem Einsatz einer neuen Substanz möglicherweise das Fortschreiten der Erkrankung zum Vollbild Aids beschleunigen. Deshalb die
besondere Vorsicht beim Einsatz der CCR5-Antagonisten und auch der durch die Zulassungsbehörde verpflichtend vorgeschriebene Tropismus-Test vor
Einsatz von Maraviroc.
Wie bei jeder neuen Substanzgruppe sind zum jetzigen Zeitpunkt noch viele Fragen zum Einsatz von Maraviroc offen. So stehen noch viele Studien zu
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten aus
und auch der Einsatz in der Schwangerschaft ist noch
nicht geklärt.
Bedingt durch die Zulassung wird Maraviroc zunächst
bei vorbehandelten Patienten eingesetzt, obwohl es
aufgrund des Wirkungsmechanismus in der First-Line
Behandlung vermutlich sogar besser geeignet wäre.
Schließlich könnte man auch spekulieren, dass die
CCR5-Antagonisten, deren Wirkung ja eine Infektion
der Zielzellen verhindern kann, auch als Möglichkeit
der Prävention (z.B. als Mikrobizid) eingesetzt werden könnten. So eröffnet diese neue Substanzgruppe
eine ganze Fülle neuer Ansätze und Möglichkeiten,
die jetzt systematisch in Studien erprobt werden müssen.
Quelle: www.natap.org
S. Schwarze
15
September / Oktober 2007
Projekt Information
Neues aus Industrie
und Forschung
Zulassung von Maraviroc (Celsentri®) in
den Ländern der EU
Am 24.09.2007 gab der Pharmakonzern Pfizer Inc.
bekannt, dass die Zulassungsbehörde der EU den
CCR5-Hemmer Maraviroc (Handelsname in der EU:
Celsentri®) zugelassen hat. Die Zulassung bezieht
sich auf den Einsatz in Kombination mit anderen antiretroviralen Substanzen bei vorbehandelten Patienten, die nur CCR5-trope Viren aufweisen.
Maraviroc wird voraussichtlich ab dem 15. Oktober
2007 in deutschen Apotheken verfügbar sein.
Ein Hindernis für den Einsatz dürfte der erforderliche
Tropismus-Test sein, da Maraviroc ja nur gegen
CCR5-trope Viren wirkt. HI-Viren, die den CXCR4Rezeptor benutzen können, werden durch diese Substanz nicht gehemmt. Dieser Test kostet in den USA
knapp 2.000 Dollar. Da auch die Substanz selbst gerüchteweise nicht gerade billig verkauft werden wird,
dürfte diese neue Behandlungsoption die Preise in der
HIV-Therapie weiter nach oben treiben. Außerdem ist
die Übernahme der Testkosten durch die Kassen zur
Zeit noch nicht geklärt. Hier besteht Verhandlungsbedarf – ähnlich wie seinerzeit bei den Resistenztest.
Offenbar um Verwechslungen mit einem anderen,
ähnlich klingenden Präparat zu vermeiden, heißt Maraviroc in den USA übrigens nicht Celsentri®, sondern Selzentry™.
Quelle: Pressemitteilung Pfizer
Zweiter HPV-Impfstoff (Cervarix®) in der
EU zugelassen
Am 24.09.2007 gab der Hersteller GlaxoSmithKline
bekannt, dass sein Impfstoff gegen das Humane Papilloma Virus (HPV, Typ 16 und 18) von der europäischen Zulassungsbehörde genehmigt worden sei.
Cervarix® ist zugelassen zur Impfung von Mädchen
und jungen Frauen. Die HPV-Typen 16 und 18 sind
die Ursache für 70% aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs. Auch Analkrebs und Peniskrebs kann durch
diese Typen verursacht werden.
16
Jahrgang 15, Nr. 5
Der schon seit einiger Zeit zugelassen Impfstoff Gardasil® von Sanofi Pasteur MSD schützt darüber hinaus auch noch gegen die HPV Typen 6 und 11, die die
Hauptverursacher der sexuell übertragbaren Feigwarzen sind.
Neueste Studiendaten lassen vermuten, dass beide
Impfstoffe wegen einer Kreuzreaktivität auch noch
einen Teilschutz gegen andere HPV-Typen verleihen,
die nicht im Impfstoff enthalten sind.
Quelle: Pressemitteilung GSK
Wiederzulassung von Nelfinavir (Viracept®)
empfohlen
Nachdem in einigen Chargen von Viracept® des Herstellers Roche Pharma die krebserregende Substanz
EMS gefunden worden war, hatte die Europäische
Arzneimittelagentur EMEA die Zulassung widerrufen.
Genauere Nachforschungen ergaben, dass sich die
Bildung von EMS im Herstellungsprozess von Nelfinavir wohl nicht ganz vermeiden lässt, dass aber
durch geeignete Maßnahmen die Menge so gering gehalten werden kann, dass sie als ungefährlich gilt
(mittlerweile wurde auch in Nelfinavir, dass in den
USA von Pfizer hergestellt wurde, EMS gefunden).
Da nun gewährleistet ist, dass die EMS-Mengen in
Nelfinavir zukünftig weit unter den erlaubten Grenzwerten liegen werden, hat die EMEA die Wiederzulassung von Viracept® empfohlen.
Bis Viracept® wieder in den Apotheken erhältlich
sein wird, können aber durchaus noch einige Monate
vergehen.
Quelle: Pressemitteilung Roche
Fortschritt bei der Behandlung der
Tuberkulose
Tuberkulose (TB) stellt weltweit ein riesiges Gesundheitsproblem dar, gerade bei Menschen mit HIV.
Wegen der langen Behandlungsdauer und der nebenwirkungsreichen Medikamente nehmen viele Betroffene die Therapie nicht vorschriftsmäßig ein und es
kommt schnell zur Entstehung resistenter Formen.
Auch bei TB ist die Einnahme einer Kombinationstherapie erforderlich.
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
In einer brasilianischen Studie an 170 TB-Patienten
konnte die Gabe des Antibiotikums Moxifloxacin statt
Ethambutol das Therapieansprechen von 68% auf
85% verbessern und die Therapiedauer von sechs auf
vier Monate verkürzen.
Gleichzeitig ist Moxifloxacin billiger, was die Chancen auf eine Anwendung in Entwicklungsländern erhöht.
Quelle: CDC Prevention News, 18.09.2007
HIV-Impfstoffstudie wegen Unwirksamkeit
gestoppt
So groß die Hoffnungen sind, die die Allgemeinheit in
einen HIV-Impfstoff setzt, so enttäuschend waren die
bisherigen Ergebnisse. Nun wurde die klinische Erprobung eines weiteren Impfstoffs gestoppt, dessen
Laborergebnisse viel versprechend ausgesehen hatten.
Die STEP-Studie, die vom Pharmakonzern
Merck&Co. (in Deutschland: MSD) zusammen mit
dem HIV Vaccine Trials Network (HVTN) durchgeführt wurde, sollte überprüfen, ob man mit einem
Impfstoff auf der Basis von abgeschwächten Adenoviren, denen bestimmte HIV-Sequenzen (gag, pol,
nef) eingesetzt worden waren, eine Infektion mit HIV
verhindern oder zumindest abschwächen kann.
Dazu sollten 3000 HIV-negative Freiwillige mit
hohem Infektionsrisiko im Alter zwischen 18 und 45
Jahren entweder Impfstoff oder Scheinmedikament
(Placebo) erhalten.
In einer Zwischenauswertung zeigte sich aber, dass
von 741 Probanden, die geimpft worden waren, bei
24 dennoch eine HIV-Infektion eingetreten war. Bei
den 762 nicht Geimpften waren es 21 Infektionen.
Auch die Hoffnung, die Impfung könne wenigstens
die Viruslast nach einer Infektion gering halten, erfüllte sich nicht: Im Mittel erreichten die Geimpften,
die sich infiziert hatten, nach 8 bis 12 Wochen eine
Viruslast von 40.000 Kopien/ml im Vergleich zu
37.000 bei den Ungeimpften.
Die Enttäuschung ist vor allem deshalb so groß, weil
dieser Impfstoff einer der ersten war, der nicht auf die
Produktion von Antikörpern ausgelegt war sondern
speziell die zelluläre Abwehr aktivieren sollte. Diesem Impfkonzept hatte man die größten Chancen eingeräumt, da auch bei HIV-Infizierten, die lange Jahre
September / Oktober 2007
ohne Medikamente auskommen, die zelluläre Immunabwehr besonders aktiv ist.
Die STEP-Studie wurde in Nord- und Südamerika,
der Karibik und in Australien durchgeführt. Nachdem
die Unwirksamkeit festgestellt wurde, entschied man
sich, die Aufnahme weiterer Probanden in die Studie
zu stoppen. Gleichzeitig wurde auch eine weitere Studie mit einem ähnlichen Impfstoff in Südafrika
(Phambili) der jedoch auf den HIV-Subtyp C abzielte,
und zwei kleinere Phase-I Studien abgebrochen.
Deren Daten sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
ausgewertet.
Quelle: Presseinformation Merck&Co. (in Deutschland:
MSD)
Zweiter CCR5-Antagonist: Phase-III Studien
mit Vicriviroc
Nachdem die klinische Entwicklung von Vicriviroc
vor geraumer Zeit wegen mangelnder Wirksamkeit
eingestellt worden war, hat man nach genauer Analyse
der Daten festgestellt, dass die zunächst verwendete
Dosierung zu gering war. Nun werden zwei Phase-III
Studien (VICTOR-E3/E4) durchgeführt, bei denen
Vicriviroc in einer Dosierung von 30mg einmal täglich eingesetzt wird. Die weiteren Partner der Kombinationstherapie werden durch eine Resistenztestung
ermittelt; jedoch muss ein mit Ritonavir (Norvir®) geboosteter Proteasehemmer Bestandteil der Kombination sein (auch Vicriviroc wird in seiner Wirksamkeit
durch Ritonavir verstärkt).
Quelle: Presseinformation Schering-Plough
S.Schwarze
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17
September / Oktober 2007
Projekt Information
Grundlegend & Wissenswert
HIV/HCV-Koinfizierte mit ernster
Allergiereaktion auf Nevirapin
haben signifikant erhöhtes
Sterberisiko, besonders nach
Therapieabbruch
HIV-infizierte Patienten mit gleichzeitiger HepatitisC-Infektion (HCV), die eine Hypersensitivitätsreaktion (HSR) gegenüber Nevirapin (Viramune®)
entwickeln, haben ein siebenfach erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu Patienten ohne HCV. Das berichten kanadische Forscher in der Ausgabe von AIDS
vom 31. Juli.
Nevirapin ist gewöhnlich ein gut verträglicher NichtNukleosid-Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI).
Etwa 16 % der Patienten entwickeln einen leichten bis
moderaten Hautausschlag, 6,5 % hingegen einen ernsteren Ausschlag. Etwa 10 % haben erhöhte Leberwerte, 5 % erleiden aber eine symptomatische
Lebertoxizität (Giftigkeit). Es kann jedoch auch eine
möglicherweise lebensbedrohliche HSR neben Ausschlag und Hepatitis passieren.
Frauen und Patienten mit höherer CD4-Zellzahl haben
ein erhöhtes HSR-Risiko begleitet von Lebertoxizität.
Deshalb sollten Frauen mit mehr als 250 CD4-Zellen/mm³ und Männer mit über 400 Zellen/mm³ einen
Therapiestart mit Nevirapin vermeiden. Patienten mit
Hepatitis B oder C-Infektion und auch HIV-Infizierte
mit erhöhten Leberwerten (speziell GPT) haben bekanntermaßen ein höheres Risiko eine HSR zu Nevirapin zu entwickeln.
Dagegen erscheint das Sterberisiko als Folge einer
Therapieunterbrechung nach dem Ereignis einer HSR
noch höher zu sein. Die kanadischen Forscher überprüften alle Fälle von HSR in British-Columbia bei
Patienten, die zwischen 1997 und 2003 eine HAART
inklusive Nevirapin starteten. Sie ermittelten 66 Patienten aus 685 nicht vorbehandelten Patienten. Von
diesen 66 Patienten hatten 36 (54 %) gleichzeitig eine
Hepatitis C-Infektion. Beim Vergleich des Sterberisikos zwischen verschiedenen Gruppen ergab sich, dass
18
Jahrgang 15, Nr. 5
Patienten mit HSR zu Nevirapin und HCV-Koinfektion ein siebenfach erhöhtes Sterberisiko hatten. Die
Todesursachen waren ähnlich, sowohl bei Nevirapintoleranten als auch HSR-Patienten und waren hauptsächlich auf die fortgeschrittene HIV-Erkrankung
zurückzuführen.
Der Einfluss der Nevirapin-HSR und HCV-Infektion
auf die Sterberate kam auch für die Forscher überraschend. Aber es zeigt, dass dieser Zusammenhang
eine gewisse Rolle in der Veränderung der Beziehung
zwischen Virus und dem Sterberisiko spielt. HIV-Infizierte, die eine HSR entwickelten, aber nicht HCV
infiziert waren, hatten einen geringeren, aber statistisch nicht signifikanten Anstieg des Sterberisikos.
HSR oder Leberversagen verursacht durch Nevirapin
war bei keinem Patienten mit HSR die direkte Todesursache.
Das Sterberisiko erschien bei den Patienten mit HCVKoinfektion und HSR wegen der nachfolgenden Therapieunterbrechung erhöht, mit neun Todesfällen bei
13 Patienten, die keinen Therapiewiederbeginn in der
Nachbeobachtungszeit hatten. Dagegen kam es zu nur
einem Todesfall bei 22 Patienten, die die Therapie innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis der
Hypersensitivitätsreaktion wieder neu begannen. Keiner der verschiedenen Faktoren, die mit dem erhöhten
Risiko der Entwicklung einer HSR zu Nevirapin in
Verbindung gebracht werden, z.B. Geschlecht, CD4Zellzahl usw. konnten in dieser Studie als Risiko identifiziert werden. Möglicherweise weil die Zahl der
untersuchten Fälle zu klein war, um sie erscheinen zu
lassen.
Interessanterweise gab es ein vierfach erhöhtes Sterberisiko auch in der SMART-Studie, wegen nicht
AIDS definierter Ursachen, auch bei den Patienten
mit HCV-Infektion, die ihre antiretrovirale Behandlung unterbrachen. Die Ergebnisse der kanadischen
Studie unterstreichen die Empfehlung, Nevirapin
nicht bei Patienten mit HIV/HCV-Koinfektion einzusetzen.
Quelle: Adam Legge, HIV/HCV coinfected patients who develop severe allergy to nevirapine have significantly increased risk of death, www.aidsmap.com; 23.08.2007
Übersetzung: Peter Lechl
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
Leben mit HIV
CD4-Zellzahl ist nicht alles:
Erfolgeiches Absetzen der
PCP-Prophylaxe bei
nicht nachweisbarer Viruslast
Lag die CD4-Zellzahl bei einem erwachsenen HIVInfizierten unter 200 Zellen/mm³, so empfahl man bisher
eine
Prophylaxe
gegen
die
PCP
(Lungenentzündung durch den Erreger Pneumocystis
jiroveci), weil diese Erkrankung in der Vor-HAARTÄra eine der häufigsten Todesursachen für HIV-Infizierte mit fortgeschrittenem Immundefekt war.
Doch offenbar ist die CD4-Zellzahl nicht das Maß
aller Dinge, zumindest solange die Viruslast mit Hilfe
von Medikamenten unter die Nachweisgrenze von 50
Kopien/ml gesenkt werden kann.
Eine kanadische Arbeitsgruppe berichtet von 19 Patienten mit einer Helferzellzahl unter 200/mm³ (Bereich 34-184, im Mittel 120/mm³), die entweder die
PCP-Prophylaxe mit Cotrim (Tabletten) oder Pentamidin (Inhalation) abgesetzt oder nie angewendet hatten. Jedoch hatten alle diese Patienten eine
erfolgreiche HIV-Therapie mit einer Viruslast unter
der Nachweisgrenze. Die Beobachtungsdauer betrug
ohne PCP-Prophylaxe betrug bis jetzt im Mittel 9 Monate (Bereich 3-39 Monate). Bis heute erlitt keiner der
Patienten eine PCP (Lungenentzündung). Vergleicht
man diese Patienten mit Daten aus der MACS-Kohorte, d.h. mit Patienten mit ähnlicher CD4-Zellzahl
aber ohne antivirale Behandlung, so hätten in diesem
Zeitraum etwa 20 Fälle von PCP auftreten müssen.
Die Autoren vermuten, dass es einen immunologischen Nutzen durch die Unterdrückung der Viruslast
gibt, der sich nicht in der CD4-Zellzahl widerspiegelt.
Dass das Absetzen einer PCP-Prophylaxe relativ gefahrlos möglich ist, sobald die CD4-Zellzahl unter
Therapie wieder stabil auf Werte über 200/mm³ angestiegen ist, war schon länger bekannt. Sollte sich in
weiteren Untersuchungen bestätigen, dass auch die
Viruslast ein wichtiger Parameter ist und dass bei
einer Viruslast unter 50 Kopien/ml die Prophylaxe unabhängig von der CD4-Zellzahl abgesetzt werden
September / Oktober 2007
kann, wäre dies für die betroffenen Patienten eine
große Erleichterung.
Quelle: D’Egidio G et al.: „Pneumocystis jiroveci pneumonia (PCP) prophylaxis is not required with a CD4+ Tcell count < 200 cells/µl when viral replication is
suppressed“, AIDS; Vol 21(13), Aug 20, 2007, pp1711-15
S. Schwarze
EKG-Veränderungen
unter Atazanavir (Reyataz®)
Veränderungen im Elektrokardiogramm (EKG) durch
Medikamente gehören zu den Nebenwirkungen, die
man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Viele
Substanzen wurden schon wegen eines ungünstigen
Einflusses auf das Herz vom Markt genommen. Gerade die antiretroviralen Substanzen werden daraufhin
untersucht, weil bei HIV-Infizierten vermutlich das
Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus verschiedenen Gründen erhöht ist.
Italienische Forscher haben nun herausgefunden, dass
Atazanavir (Reyataz®) geboostet und ungeboostet
Veränderungen im EKG hervorrufen kann (Verlängerung der QRS-Strecke). Allerdings waren die Veränderungen unter geboostetem Atazanavir ausgeprägter.
Ein Patient bekam Symptome durch Herzrhythmusstörungen, doch dieser erhielt auch noch Herzmedikamente (Betablocker), so dass nicht geklärt werden
konnte, ob Atazanavir für seine Beschwerden verantwortlich war.
Es wurde kein Zusammenhang mit der Dauer der Einnahme von Atazanavir gefunden. Dennoch empfehlen
die Autoren, dass bei Patienten, die Reyataz® einnehmen, regelmäßig ein EKG gemacht wird. Dies gilt
insbesondere, wenn die Patienten gleichzeitig noch
andere, herzwirksame Medikamente einnehmen.
Quelle: Gianotti N et al.: „Electrocardiographic changes
in HIV-infected drug-experienced patients being treated
with atazanavir“, AIDS 2007, Vol 21 No 12, P. 1648-51
S. Schwarze
19
September / Oktober 2007
Projekt Information
Politik & Soziales
Ehre stärken
Staat erhöht steuerfreie Pauschale für
ehrenamtliche Tätigkeiten
Die steuerfreie Pauschale für ehrenamtliche Tätigkeiten wird erhöht. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf billigte der Bundestag mit Mehrheit. Künftig
können ehrenamtlich Tätige statt bislang 1848 Euro
nunmehr 2100 Euro an jährlicher Aufwandsentschädigung erhalten. Das entspricht einem monatlichen Satz
von 175 Euro. Darüber hinaus wurde eine Steuergutschrift von 500 Euro pro Jahr für jene eingeführt, die
völlig unentgeltlich arbeiten.
Pauschale und Steuergutschrift gelten „zur Förderung
gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher
Zwecke“, wie das Gesetz beschreibt, allerdings nur
bei Nebenberuflichkeit. Die Nebenberuflichkeit definiert sich über den Zeitaufwand der ehrenamtlichen
Tätigkeit, die geringer bemessen sein muss als die
Haupttätigkeit, nicht jedoch über den Status. Das
heißt, auch Rentner oder Arbeitslose können im Nebenberuf einem Ehrenamt nachgehen, was mancherorts in der Beratung und Betreuung HIV-Infizierter
von Bedeutung sein kann.
Als nebenberufliches Ehrenamt gelten auch andere
Tätigkeiten wie Sporttrainer oder Chorleiter. Entscheidend ist die soziale Ausrichtung der Tätigkeit.
Dann gilt die Pauschale brutto gleich netto. Beträge
ab 2100 Euro müssen versteuert werden, Betriebskosten können auch erst ab dieser Grenze geltend gemacht werden.
Die Pauschale kann auch auf einen Zeitraum innerhalb eines Jahres gebündelt, das heißt nur für einige
Wochen gezahlt werden, während im Restjahr keine
ehrenamtliche Tätigkeit anfällt. Interessant ist zudem
der Steuerfreibetrag von 500 Euro für alle, die in
einem Hauptberuf oder als Rentner Steuern zahlen
und nebenher zum Beispiel etwas für eine AIDS-Hilfe
oder eine ähnliche Einrichtung tun. Bei entsprechendem Nachweis kann der Freibetrag in Anspruch genommen werden.
20
Jahrgang 15, Nr. 5
Das Gesetz gilt rückwirkend für 2007. Pauschale und
Freibetrag können also schon jetzt geltend gemacht
werden.
Stefan Boes
Global Fund
Mehr Geld, und trotzdem noch zu wenig
Ende September fand in Berlin die zweite so genannte
Wiederauffüllungs- oder auch Geberkonferenz des
Global Fund statt. Unter dem Dach des Global Fund
finden sich neben Vertretern der etwa fünfzig Mitgliedsstaaten und der UNO auch internationale Stiftungen, Unternehmen und Nichtorganisationen aus
dreißig Ländern zusammen, um Gelder zur Bekämpfung der großen Infektionskrankheiten AIDS, Malaria
und Tuberkulose zu bündeln.
Weltweit sind mehr als sechs Millionen Menschen betroffen, gleichzeitig reichen die vorhandenen Mittel
des Global Fund nicht aus für eine konzentrierte Umsetzung effektiver Hilfsmaßnahmen. Seit Bestehen
wurden knapp elf Milliarden US-Dollar eingezahlt,
knapp acht Milliarden US-Dollar flossen in 450 Hilfsprogramme.
Deutschland hat seit 2002 fast 400 Millionen Euro
überwiesen. Damit ist die Bundesrepublik kleinster
Geber unter allen Mitgliedsstaaten. Lediglich 4,4 Prozent des Haushaltes des Global Fund wird durch deutsche Beiträge bestritten. Bis 2015 sollen es aber
weitere vier Milliarden Euro werden. Das sicherte die
Bundesregierung im Rahmen der G8-Konferenz in
Heiligendamm zu.
Deutschland investiert allerdings weit mehr öffentliche Mittel in den Bereich der globalen Entwicklungshilfe als nur jene im Rahmen des Global Fund. Im
aktuellen Bundeshaushalt wurden 5,1 Milliarden Euro
für die weltweite Armutsbekämpfung eingestellt. Das
entspricht einer 15prozentigen Steigerung gegenüber
dem Vorjahr. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt, der
so genannten ODA-Quote (Anteil der Ausgaben für
Entwicklungszusammenarbeit am Bruttoinlandsprodukt), will die Bundesrepublik eine jährliche Steigerung in Höhe von 750 Millionen Euro erreichen –
befristet bis 2011.
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
Die Geberkonferenz schlug die gleiche Richtung ein.
Zugesagt wurde eine deutliche Erhöhung der Mittel.
Mehr Geld, und trotzdem noch zu wenig.
September / Oktober 2007
Stefan Boes
Sozialpolitische Nachrichten
Kassen – Pensionen – Vorurteile –
Behinderte – Pflege – Prävention –
Gesundheitsreport – Mindestlohn
Obwohl die Ausgaben für Arzneimittel stetig ansteigen, hat sich die finanzielle Situation der Gesetzlichen
Krankenkassen im ersten Halbjahr 2007 etwas verbessert. Große Kassen wie AOK und DAK haben
einen leichten Überschuss. Die Barmer Ersatzkasse
weist dagegen nach wie vor ein Defizit von etwas
über siebzig Millionen Euro aus; sie machte damit
aber weniger Verlust als im Jahr zuvor. Die Entwicklung ist in erster Linie auf Einsparmaßnahmen der
letzten Gesundheitsreform zurückzuführen.
*****
Analog zur Rente mit 67 soll auch die Pensionsberechtigung für Beamte schrittweise angehoben werden. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf kündigte
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für
den Herbst des laufenden Jahres an. Details gab
Schäuble vorerst nur wenige bekannt. Zu vermuten ist
aber eine ähnliche, nach Geburtsjahren gestaffelte Anhebung des Pensensionsbeginns, wobei Schäuble offensichtlich plant, Beamten nach 45 Berufsjahren die
Pensionsberechtigung zu gewähren. Die Gewerkschaft der Polizei und die der Lehrer lehnten die Gesetzesinitiative ab. Es sei Lehrern und Polizisten auf
Grund ihrer hohen Arbeitsbelastung nicht zuzumuten,
länger als derzeit geregelt zu arbeiten. Die Arbeitgeberverbände kritisierten den möglichen Pensionsbeginn nach 45 Berufsjahren, da Beamte im Gegensatz
zu Arbeitnehmern - die nach 45 Einzahlungsjahren
unabhängig vom Alter in Rente gehen können - keine
Beiträge leisten, also auch nicht für ihre Treue belohnt
werden können. Der Gesetzentwurf wird eine weit reichende Diskussion zur Folge haben. Dabei dürfte, abgesehen von den kritisierten Aspekten, eine Rolle
spielen, dass Bund und Länder zu wenig für die anstehenden Pensionen zurück gelegt haben. Insbesondere
den Ländern fehlen etwa 600 Milliarden Euro an
Rückstellungen, um Pensionen in Zukunft auszahlen
zu können.
*****
Eine wissenschaftliche Studie der Harvard Medical
School ging dem Aspekt unbewusster rassistischer
Vorurteile von Ärzten nach. Untersucht wurde an 220
Medizinern aus Boston und Atlanta, ob sich die Behandlung entsprechend der Hautfarbe eines Erkrankten unterscheidet. Den Ärzten wurden Bilder und
medizinische Berichte farbiger und weißer Patienten
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September / Oktober 2007
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
vorgelegt, deren Symptome durchweg auf einen Herzinfarkt hinwiesen. Entscheiden mussten die Ärzte,
wem sie eine Thrombolyse verordneten und wem
nicht. Ein Assoziationstest konnte nachweisen, dass
weiße Patienten unbewusst bevorzugt wurden, weil
die Ärzte sie für kooperativer hielten. Die Studie
wurde im „Journal of General Internal Medicine“ veröffentlicht (Band 22).
*****
Die Probephase der Persönlichen Budgets für Behinderte wurde abgeschlossen, ein entsprechender Erfahrungsbericht der Bundregierung vorgelegt. Mit der
neuen Leistungsform können behinderte Menschen
auf Antrag anstelle von Dienst- und Sachleistungen
eine Geldleistung oder auch Gutscheine erhalten, um
sich die notwendigen Assistenzleistungen selbst einzukaufen. Die Erprobungsphase begann am 1. Juli
2004 und endet mit Ablauf dieses Jahres. Ab dem 1.
Januar 2008 besteht dann ein Rechtsanspruch auf das
Persönliche Budget, das die Selbstbestimmung Behinderter stärken soll. Der Erfahrungsbericht ergab allerdings, dass noch ein großes Informationsdefizit
besteht. Bis August 2006 hatten 243 Menschen mit
unterschiedlichen Behinderungen in ausgewählten
Modellregionen ein Persönliches Budget beantragt,
oft aber nicht gewusst, wie dieses konkret auszugestalten oder zu nutzen ist. Nun will die Bundesregierung vor Beginn des Rechtsanspruchs mit
Internetauftritten, Fachtagungen, Veranstaltungen und
Plakatkampagnen über das Persönliche Budget informieren.
*****
Wichtiger Hinweis:
Für Interessenten und Vereinsmitglieder:
Bei einem nachgewiesenen monatlichen
Netto-Einkommen bis EUR 766,94 reduziert sich der Monatsbeitrag auf EUR 3,83.
22
Während der aktuelle Pflegebericht ergab, dass die
Standards insbesondere bei Ernährung und Hygiene
in Heimen sowie im Rahmen einer häuslichen Pflege
nicht eingehalten würden, gerät die Debatte um die
Zukunft der Pflege zunehmend in Bewegung. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) betonte
qualitative Verbesserungen, die das neue Pflegegesetz
mit sich bringen werde, kündigte verstärkte Kontrollen an und will darüber hinaus Verschiebebahnhöfe
zwischen ambulanter und stationärer Pflege unterbinden. Davon abgesehen brachte sie die Idee eines bezahlten Urlaubs zur Pflege und Betreuung
Angehöriger ins Gespräch. Dieser solle zehn Tage
umfassen und aus Mitteln der Pflegekassen finanziert
werden. Überlegt wird auch die Möglichkeit eines
halbjährigen, unbezahlten Pflegeurlaubs. Strittig sind
derzeit so genannte Pflegestützpunkte, die eine familiäre Pflege flankieren sollen.
Jahrgang 15, Nr. 5
Projekt Information
*****
Arme Menschen sind in der Regel auch kränker. Auf
diesen Sachverhalt wies Carola Reimann, Gesundheitsexpertin der SPD im Bundestag, hin. Notwendig
sei, so Reimann, ein steuerfinanzierter Vorsorgetopf,
der gezielt für die Prävention sozial benachteiligter
Menschen genutzt werden müsse. Hintergrund ist das
neue Präventionsgesetz, das die Bundesregierung zurzeit auf den Weg bringt. Bundesgesundheitsministerin
Ulla Schmidt (SPD) möchte die Prävention über eine
bundesweite Stiftung stärken, während Kassen und
Länder eigene Präventionsprojekte verfolgen sollen.
Wie notwendig eine verbesserte Prävention für Arme
ist, hat eine Untersuchung des Robert-Koch-Institutes
gezeigt. Demnach sind vor allem Kinder aus sozial
schwachen Familien häufiger krank, außerdem seien
Übergewicht, Essstörungen, psychische Erkrankungen sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch weiter
verbreitet.
*****
Unter dem Titel „A safer future“ stellte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren diesjährigen Gesundheitsreport vor. Die WHO befürchtet eine
voranschreitende Ausbreitung von Infektionskrankheiten, aber auch von Keimen, die gegen übliche Medikamente resistent geworden sind. Dazu tragen vor
allem der grenzüberschreitende Handel und der mit
jährlich über zwei Milliarden Passagieren stark anwachsende Flugtourismus wesentlich bei. Epidemien
wie AIDS oder die Lungenkrankheit Sars könnten
sich noch schneller als bislang beobachtet ausbreiten.
Insgesamt lokalisierte die WHO 1100 Epidemien
weltweit, darunter Cholera und Vogelgrippe. Während
der letzten vierzig Jahre konnten 39 neue pathogene
Keime identifiziert werden. Das bedeutet, dass jährlich eine neue Krankheit hinzu kommt.
*****
Dauerthema ist der Mindestlohn. Er gilt bereits für
1,4 Millionen Menschen in sechs verschiedenen Branchen – vom Maler oder Lackierer über den Dachdekker bis zum Gebäudereiniger. Festgelegt wurden
Untergrenzen zwischen 6,36 und 12,40 Euro.Die Sozialdemokraten wollen keinen punktuellen Mindestlohn mehr, sondern einen generellen; die Union lehnt
ihn ab, da der Markt zwangsreguliert werde und der
Mindestlohn Sache der Tarifparteien sei. Anlass für
die Debatte ist die Tatsache, das rund 2,5 Millionen
Vollzeitbeschäftigte weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Jahresnettoeinkommens von aktuell
15.845 Euro verdienen, was in der Regel einem Stundenlohn von gut fünf Euro entspricht; fast alle haben
September / Oktober 2007
Anspruch auf staatliche Zuschüsse. Menschen in Teilzeitbeschäftigungen – darunter viele mit chronischen
Erkrankungen – müssen noch häufiger als Vollzeitbeschäftigte auf die staatliche Aufstockung ihres Einkommens
zurückgreifen.
Kurt
Beck,
SPD-Vorsitzender und Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, stellte nun im Bundesrat ein Modell des
Mindestlohnes vor Er soll zuerst 7,50 Euro betragen
und regelmäßig von einer neunköpfigen Kommission
aktualisiert werden. Die Diskussion geht weiter.
Stefan Boes
Projekt Information e.V.
Behindertenverband begrüßt
Job-Vermittlungsprovision
Die von der Koalitionsfraktion der CDU/CSU jetzt
beschlossene Verlängerung für die Gewährung von
Vermittlungsgutscheinen für Menschen mit Behinderung, wird vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. begrüßt.
Wolfgang Bachelier, Mitglied im geschäftsführenden
Vorstand des BSK "Wir befürworten jede Maßnahme,
die der Teilhabe von Menschen mit Behinderung am
freien Arbeitsmarkt dient. Eine solche Provision für
private Vermittler wird nach unserer Ansicht Bewegung in diesen Markt bringen, da noch immer rund
170.000 Menschen mit Behinderung ohne Job sind".
Für die Vermittlung von Menschen mit Behinderungen in Arbeit können private Arbeitsvermittler künftig
bis zu 2.500 € erhalten. Derzeit liegt diese Vergütung
500 € niedriger.
Die Verlängerung dieses Angebotes über das Jahr
2007 hinaus und die Erhöhung der Provision muss allerdings erst noch gesetzlich verankert werden. Wolfgang Bachelier hofft, dass dies auch bald geschieht.
Quelle: Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V.
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September / Oktober 2007
Projekt Information
Termine
Angebote des FrauenGesundheitsZentrums München - Projekt „Positive Frauen“
Gruppe „Positive Frauen“:
1. bis 3. Montag im Monat, 18.30 – 20.30 Uhr
Neue Frauen sind nach telefonischer Rücksprache
herzliche willkommen (Ulrike Sonnenberg-Schwan,
Tel. 089-1291195)
12.11.2007, 18.30 – 20.30 Uhr
Zeit für Fragen –
3. Gesprächsabend für Frauen mit HIV/AIDS
Themen: Menstruationsstörungen, Wechseljahre, gynäkologische Erkrankungen – Besonderheiten bei
Frauen mit HIV, schulmedizinische und naturheilkundliche Behandlungsmöglichkeiten. Infos, Erfahrungsaustausch und Raum für individuelle Fragen
Mit Dr. med. Andrea Gingelmaier, Gynäkologin, und
Daniela Weninger, Heilpraktikerin
Ort: FrauenGesundheitsZentrum, Nymphenburger Str.
38/Rgb., 80335 München
Bitte im FGZ anmelden:
Tel. 089/1291195, E-mail: [email protected]
29.11.2007, 19.30 – 21.00 Uhr
Das volle Leben: Texte von HIV-positiven Frauen
Eine Lesung zum Welt-AIDS-Tag in der Stadtbibliothek Nymphenburg, Arnuldstr. 294. Eintritt € 3,18.12.2007, 19.00 Uhr
Weihnachtsfeier des Projektes „Positive Frauen“
Jahrgang 15, Nr. 5
Termine der Münchner Aids-Hilfe
Positiver Stammtisch
Termin: jeden Dienstag, ab 19.30
Ort: Cafe Regenbogen
Information: Engelbert Zankl, Tel.: 089-54 333-123
Regelmäßige Sportangebote
Yoga (Sivananda)
Termin: Jeden Dienstag, 19.00 – 20.30 Uhr
Ort: Münchner AIDS-Hilfe e.V., 2. Stock
Yoga (Iyengar)
Termin: Jeden Mittwoch, 19.00 – 20.30 Uhr
Ort: Münchner AIDS-Hilfe e.V., 2. Stock
Sport - Anfänger , sanfte Gymnastik
Termin: Jeden Donnerstag, 19.00 – 20.00 Uhr
Sport - Gymnastik, Kondition
Termin: Jeden Donnerstag, 20.00 – 21.00 Uhr
Ort: Max-Planck-Institut, Kraepelinstr. 10
Anschließendes Schwimmen ( 27°C Wassertemperatur) möglich!
Information: Engelbert Zankl,
[email protected],
Tel.: 089-54 333-0
Heterotreff
jeden 4.Mittwoch, 19.30 Uhr im Café Regenbogen
Information: Antje Sanogo Tel: 089- 54 333 -0
Engelbert Zankl, HIV-Therapie-Hotline,
089/54 333-123, Mo-Do 16-19 Uhr,
mail: [email protected]
Impressum
Herausgeber: Projekt Information e.V., Ickstattstraße 28, 80469 München, Telefon (089) 21 94 96 20,
Fax: (089) 21 03 12 35, email: [email protected]. Vereinsregister: AG München Nr. 12575; Gemeinnützigkeit anerkannt: FA München, St.Nr.844/29143
Vorstand: Paul Glatt, Peter Lechl, Siegfried Schwarze, Klaus Streifinger.
Redaktion: Stefan Boes, Phil C. Langer, Peter Lechl, Siegfried Schwarze, Ulrike Sonnenberg-Schwan.
Hinweis:
Projekt Information versucht durch eine breite Auswahl von Themen, dem Leser einen Überblick zu den
derzeitigen therapeutischen Möglichkeiten, Entwicklungen und dem Stand der Forschung zu geben. Zum
größten Teil verwenden wir hierbei Übersetzungen aus ähnlichen Publikationen in den USA und Großbritannien.
Sie geben nicht die Meinung des Herausgebers und der Redaktion wieder. Ob die besprochenen Medikamente, Therapien oder Verfahren tatsächlich erfolgversprechend oder erfolglos sind, entzieht sich unserer Beurteilung. Sprechen Sie immer mit dem Arzt Ihres Vertrauens. Namentlich gezeichnete Artikel
verantwortet der betreffende Autor. Soweit es um Zitate aus wissenschaftlichen Publikationen geht, werden die Leser gebeten, die angegebenen Referenztexte zu konsultieren.
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