Die Heiltumskammer in St. Ulrich und Afra - Museum
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Die Heiltumskammer in St. Ulrich und Afra - Museum
15 Christof Mezger Die Heiltumskammer in St. Ulrich und Afra Die Basilika St. Ulrich und Afra besitzt einen kleinen, aber hoch bedeutenden mittelalterlichen Reliquien- oder Heiltumsschatz. Den Kern dieses Heiltums bilden die Ulrichsreliquien. Bischof Ulrich (923-973) hatte in der Grabeskirche der hl. Afra seine Ruhestätte gewählt. 1183 wurde das Grab des längst selbst als heilig verehrten Bischofs geöffnet. Man barg seinen Pontifikalornat, sein Sudarium und seinen Meßkelch. Weitere liturgische Gefäße, ein Kamm und das Siegkreuz aus der Lechfeldschlacht 955 werden von alters her mit dem Heiligen verbunden. Bis um 1500 war das Heiltum auf über 200 Einzelstücke angewachsen. Seine kostbar gefaßten Reliquien wurden in Heiltumsweisungen und Prozessionen den Gläubigen zur Verehrung präsentiert. Barock und Säkularisation reduzierten den Bestand radikal. Unversehrt erhalten blieben aber die Ulrichsreliquien und einige wenige Heiltümer, die heute zu den Spitzenstücken der mittelalterlichen Schatzkunst zählen. Die verschiedenartigen Stücke werden bis heute in St. Ulrich und Afra bewahrt und im gesamten Bistum verehrt. Kaum eine andere Kirche besitzt derart bedeutsame Schätze der Frömmigkeit – nicht zuletzt deshalb, weil vielerorts der lokale Kirchenschatz längst in die großen Museen abgewandert ist. Zudem hat der in St. Ulrich und Afra bis heute praktizierte liturgische Gebrauch der Heiltümer eine solche Entwicklung zur Musealisierung erst gar nicht zugelassen. Die im April 2004 eröffnete Heiltumskammer im sog. Musicell zeigt den Besuchern von St. Ulrich und Afra die wertvollen und ehrwürdigen Heiltümer als Zeugnisse dieser über ein Jahrtausend reichenden Verehrung und Tradition. Im Zentrum der Heiltumskammer steht das Ulrichskreuz, eine der wichtigsten Reliquien des Bistums Augsburg überhaupt. Im Inneren ist jenes Holzkreuz geborgen, das Ulrich der Tradition zufolge während der Lechfeldschlacht vom Himmel gesandt wurde, um den Sieg über das feindliche Heer zu erlangen. Die Partikel wird seit 1494 in der berühmten Gold- und Edelsteinfassung der Brüder Jörg und Nikolaus Seld aufbewahrt. Um das Ulrichskreuz sind in vier thematischen Vitrinen die übrigen Heiltümer gruppiert, allen voran der 1183 entdeckte Ulrichsornat und weitere „Kontaktreliquien“, die mitsamt den Gewändern aus seinem Grab gehoben wurden. Die Ulrichskasel muß heute horizontal gelagert werden. Deswegen wurde eine Aufstellung im Untergeschoß der Heiltumskammer gewählt, die durch das teilweise Verbergen unter dem Boden an die Auffindung im Grab des Heiligen hinweist. Einen zweiten Schwerpunkt innerhalb des Reliquienschatzes bilden die Hinterlassenschaften anderer „Hausheiliger“: So ist Afra mit einer Reliquie vertreten, die 1804 ihrem Grab entnommen wurde. Damals fand man ihren Leib in eine harte Kalklösche eingeschlossen, die als sog. Afrasteine bezeichnet wird und deutlich die Abdrücke von Gewändern und Knochen zeigt. Als Besitz der seligen Äbte Reginbald und Egino werden die beiden kostbaren hochmittelalterlichen Pastoralstäbe angesehen. Ort und Verehrung der Heiligen sind in St. Ulrich und Afra seit 1700 Jahren eng verbunden. Den Übergang zum Christentum demonstriert in der letzten Vitrine die zum christlichen Grabstein gewordene antike Spolie. Das merowingische Klerikergrab belegt den Wunsch, sich am Ort des Afragrabes bestatten zu lassen. Die neue Heiltumskammer von St. Ulrich und Afra versteht sich nicht als Museum, das die frömmigkeitsgeschichtliche Bedeutung der Stücke absorbiert. Die Präsentation enthält sich bewußt musealer Didaktik oder der gewichtenden Hervorhebung einzelner Stücke, die zwar beschriftet, aber nicht beschrieben werden. Formale Strenge und die Beschränkung auf wenige unprätentiöse Materialien läßt die Aufstellung nicht mit den Das Ulrichskreuz. Kreuzhülle der Brüder Seld von 1494: Ulrich erhält während der Lechfeldschlacht das „siegreiche Kreuz“ vom Himmel gesandt (Gravur der Rückseite). Reliquien in Konkurrenz treten, sondern wahrt ihren heiligen Charakter. Damit ermöglicht sie den sachlich-historischen Zugang ebenso wie die fromme Betrachtung. Die Heiltümer werden auf gleichartigen Betonsokkeln in identischer Höhe dargeboten, die nahezu monolithisch aus dem gleichfarbigen Fußbodengrau wachsen. Die historische Raumschale bleibt im Hintergrund ästhetisch wirksam. So kommen die Heiltumsschätze – ob es sich nun um schlichte Beutelchen mit „Ulrichserde“ oder um herausragende Zeugnisse der mittelalterlichen Goldschmiedekunst handelt – gleichberechtigt zur Anschauung. Die Heiltumskammer in St. Ulrich und Afra: das Ulrichskreuz (Vitrine Mitte) und andere Reliquien des Heiligen (im Hintergrund). Summary The Basilica St. Ulrich and Afra owns a small but highly significant medieval relic collection. The precious objects document a millennium of faith and ritual. The relics related to the 10th century bishop Ulrich make up the core of the collection on display in the relic chamber. The central exhibit is the Ulrich cross reliquary, which contains a wooden cross that is said to have been sent from heaven to aid Ulrich in an important battle. An Afra relic and other sacred objects and related artefacts complete the collection. The attractive display, and the fact that the relics are kept in the original place of worship, make this a truly unique collection. The relic chamber is open on Sunday afternoons. Zugänglich nur mit Führung (bis Ende der Sommerzeit jeden Sonntag um 14 h im Rahmen der Kirchenführungen) oder nach Voranmeldung im Katholischen Stadtpfarramt St. Ulrich und Afra, Ulrichsplatz 19, 86150 Augsburg T. 0821/34556-0, www.ulrichsbasilika.de, [email protected] Weiterführende Literatur: Die Heiltumskammer. Der mittelalterliche Reliquienschatz von St. Ulrich und Afra in Augsburg. München/Berlin 2004. Erhältlich im Buchhandel oder im Katholischen Stadtpfarramt St. Ulrich und Afra für 10 €. MUSEUM AKTUELL JUNI 2005