Vorsicht beim Kauf von HDTV-Receivern

Transcrição

Vorsicht beim Kauf von HDTV-Receivern
Informationstechnik
Vorsicht beim Kauf von HDTV-Receivern
HDTV-Receiver – Worin unterscheiden sich alte und neue Modelle?
Thomas Riegler
HDTV-Receiver sind schon seit einigen Jahren am deutschen Markt
erhältlich. Nicht alle älteren Geräte
erfüllen die inzwischen festgelegte
neue Norm für HDTV. Daher eignen
sich nicht alle Geräte für den Empfang
aktueller
HDTV-Programme.
Dieser Beitrag verrät, worin sich die
Receiver unterscheiden und worauf
es zu achten gilt.
A
lle für den deutschen Sprachraum
interessanten HDTV-Kanäle sind
auf der »deutschen« Astra-Position 19,2° Ost (Satellit) versammelt. Zu
ihnen zählen neben den drei Pay-TVHDTV-Programmen von Premiere auch
»ProSieben HD« und »SAT1 HD«. Sofern eine Sat-Anlage schon für den Digitalempfang geeignet ist, kann man mit
ihr hochauflösendes Fernsehen empfangen. Dafür benötigt man aber neue,
HDTV-taugliche Sat-Receiver. »Normale« Digital-Receiver eignen sich nicht für
die Wiedergabe von HDTV-Sendungen.
Erste HDTV-Receiver
Erste Satellitenreceiver für HDTV
kamen etwa ab Mitte 2003 auf den
Markt. Die Geräte konnten ausschließlich in MPEG-2 ausgestrahlte Signale
verarbeiten. Das inzwischen in Europa
für HDTV genutzte MPEG-4 beherrschen sie noch nicht. HDTV-Receiver
von Zinwell, QualiTV (Bild 1) oder
Smart (Bild 2) wurden nur selten angeboten. Meist fanden sie ihr Einsatzgebiet
im Fachhandel, wo sie für hochauflösende Bilder auf großen LCD- und
Plasma-Flachbildschirmen sorgten.
Erste HDTV-Receiver eigneten sich
nur für den Empfang freier Programme.
Als der erste paneuropäische HDTVSender Euro1080 (heute HD1) damit
begann, sein Signal zu verschlüsseln,
wurden diese Geräte weitgehend wertlos
(Bild 2). Die zweite Generation der
Thomas Riegler, freier Fachjournalist,
Baden-Baden
de 10/2006
Bild 1: Der QualiTV zählt zu den am meist verbreitetsten MPEG2-HDTV-Receivern.
Oben: Front, unten: Rückseite, er hat mehrere analoge Video-Ausgänge. Zudem verfügt
er auch über eine DVI-Buchse. Zukunftssicher ist das Gerät dennoch nicht
HDTV-Boxen erweiterte man um einen
Irdeto-Kartenleser, erforderlich für den
weiteren Empfang von Euro1080. Erst
neuere Geräte kamen mit zusätzlicher
CI-Schnittstelle auf den Markt, was den
Zugang zu anderen verschlüsselten Sendern ermöglichte.
oberfläche gestaltete sich entsprechend
langwierig. Obwohl die Geräte auch alle
herkömmlichen Digitalprogramme empfangen konnten, lud ihre komplizierte
Bedienung nicht wirklich dazu ein.
Bescheidener Komfort
Neben allen, in Standardauflösung sendenden Kanälen können ältere HDTVReceiver, wie von QualiTV oder Smart,
nur hochauflösende Sender, die in
MPEG-2 ausstrahlen, empfangen. Das
sind nur einige frei empfangbare PromoKanäle, wie von Astra, Eutelsat oder
Canal+. Das einzige, in dieser Norm
regulär ausstrahlende Programm ist
HD1. Da auch HD1 beabsichtigt, auf die
effizientere Übertragungsnorm DVB-S2/
MPEG-4 zu wechseln, sind die Tage ge-
Erste HDTV-Receiver boten nur einen
bescheidenen Komfort. Ihr Bedienungsumfang war am ehesten mit einfachen
Einsteigergeräten vergleichbar. Der Zuschauer musste zudem bei ihnen eine
zum Teil sehr lange Umschalt- und
Reaktionszeit in Kauf nehmen. Der
Kanalwechsel erzwang in aller Regel
Wartezeiten von über drei Sekunden.
Auch die Navigation durch die Menü-
Nicht zukunftssicher
Bild 2: Der Smart MX95 (oben: Front) zählt ebenfalls zu den HDTV-Receivern, die nur
MPEG2-Signale verarbeiten können. Unten: Die Rückseite überrascht. Scart-Buchsen
sucht man vergebens. Ebenso fehlt eine digitale DVI- oder HDMI-Schnittstelle. Auch
dieses Gerät eignet sich nicht für modernes HDTV
65
Informationstechnik
Bild 3: HDTV-Receiver von Arion. Alleine der HDTV-Schriftzug verrät, dass dieses Gerät
nicht für den europäischen Markt bestimmt ist. Solche Geräte funktionieren in unseren
Breiten auch nicht
zählt, in denen man den Sender
mit MPEG-2-HDTV-Boxen empfangen
kann. Das gleiche Schicksal werden auch
die Promo-Kanäle erleiden. Spätestens
dann, wenn es ausreichend moderne
HDTV-Receiver am Markt gibt, werden
auch sie auf MPEG-4 wechseln oder man
stellt deren Produktion ein. Mit der Aufschaltung neuer HDTV-Sender in MPEG2 ist nicht zu rechnen. Für HDTV-Übertragungen erweist sich das MPEG-2Verfahren einfach zu teuer. Außerdem
senden seit Ende 2005 schon mehrere
deutsche Sender in HDTV-MPEG4. Von
66
allen heute interessanten HDTV-Kanälen
bleibt man mit HDTV-Receivern der
ersten Stunde ausgesperrt. Da sie nur
MPEG-2 verarbeiten können, eignen sie
sich nicht für modernes HDTV. Per Software-Update lassen sie sich auch nicht
auf die neue Norm hochrüsten.
Ausländische HDTV-Receiver
Hochauflösendes Fernsehen gehört in
anderen Weltregionen bereits zum fortgeschrittenen Standard. Vor allem der amerikanische und japanische Markt hält
eine umfangreiche Palette an HDTVReceivern, von einfachen Modellen bis zu
Luxusgeräten mit eingebautem Festplattenrecorder, bereit. Es gibt sie für Satellitenempfang und terrestrisches Fernsehen.
Diese Geräte können den Kunden etwa
während eines Auslandsurlaubs mit verlockenden Preisen verführen. Von ihnen
raten wir aber dringend ab. In anderen
Weltregionen überträgt man HDTV mit
anderen technischen Standards (Bild 3).
Während in Europa für hochauflösendes
Satelliten-TV MPEG-4-Receiver gefordert sind, ist andernorts für HDTV-SatBoxen ausschließlich MPEG-2 gefragt.
Außerdem kommen etwa in Nordamerika andere LNB-Typen als bei uns zur
Anwendung, weshalb US-Receiver ohnehin nicht zu unseren Sat-Anlagen passen.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass diese
Geräte 110Volt Wechselspannung erwarten. Am deutschen Elektrizitätsnetz funktionieren sie nicht.
Häufig im Internet angeboten
HDTV-Receiver, wie Geräte von Zinwell
(Bild 4), QualiTV oder der Smart MX95
de 10/2006
Informationstechnik
werden regelmäßig über Internetversteigerungsbörsen angeboten. Sie wechseln
um etwa 200 € den Besitzer und erscheinen dadurch wesentlich preiswerter als
aktuelle, im Fachhandel angebotene HDTV-Boxen. Was die Käufer in der Regel
nicht wissen: Mit ihnen bleibt man von
Premiere HD, ProSieben HD, SAT1 HD
und allen künftigen hochauflösenden
Sendern ausgesperrt. Die Geräte sind bestenfalls noch für den Empfang der vielen
freien Programme in Standardauflösung
zu gebrauchen. Das kann der Kunde aber
komfortabler und preiswerter haben.
Um den Endverbraucher vor Fehlkäufen zu bewahren, ist es Aufgabe des
Fachhandels, auf die Nachteile alter
HDTV-Receiver aufmerksam zu machen. Wenn er erkennt, dass die vermeintlich preiswerten Geräte ungeeignet
für modernes HDTV sind, wird er
aktuelle HDTV-Modelle in dem Licht
sehen, das ihnen gebührt.
Moderne HDTV-Receiver
Sie lassen sich universell einsetzen.
Neben der, auch bei Digitalfernsehen in
de 10/2006
Bild 4: Erste HDTV-Receiver von Zinwell sind nur für freie Programme geeignet. Mit
ihnen kann man heute nur noch eine Handvoll HDTV-Promo-Kanäle sehen. Er arbeitet
nur in MPEG-2
Standardqualität, genutzten Übertragungsnorm DVB-S und dem Komprimierungsstandard MPEG-2 beherrschen sie
auch die effizienteren Normen DVB-S2
und MPEG-4. Damit kann man mit
ihnen nicht nur die HDTV-Kanäle empfangen, die auch schon mit alten HDTVBoxen zu sehen waren. Man hat mit
ihnen auch ungehinderten Zugang zu
allen, für den deutschen Sprachraum
interessanten hochauflösenden Programmen. Sie alle senden in MPEG-4, also der
Norm, mit der gerade in Europa auf breiter Front HDTV eingeführt wird.
Erste moderne HDTV-Receiver gibt
es seit Januar 2006. Mehrere Hersteller,
wie etwa Humax, Pace und Philips bieten diese an.
Alle neuen HDTV-Receiver empfangen Standard-TV und HDTV in
MPEG-2 und -4. Sie haben eine digitale
HDMI-Schnittstelle, die auch den HDCP-Kopierschutz unterstützt, also fit für
das Fernsehen der Zukunft. Diese Geräte
geben die Sicherheit, sie uneingeschränkt
an HD-ready-Fernsehern betreiben zu
können. Die Boxen bieten auch ausreichend Anschlussmöglichkeiten für TVund Video-Geräte. Über den analogen
Komponentenausgang und die HDMIBuchse lassen sich bis zu zwei HDTVFernseher mit hochauflösenden Bildern
versorgen. Allerdings kann nur die digitale HDMI-Buchse, die das HDCP-Kopierschutz-Protokoll unterstützt, tatsächlich alle HDTV-Programme an den
67
Informationstechnik
HDTV-Fernseher weiterleiten. Die Verbindung mit der Dolby-Digital-Anlage
stellt man über einen digitalen AudioAusgang her.
Die meisten, der derzeit in Deutschland empfangbaren HDTV-Kanäle sind
verschlüsselt. Die Anbieter vermarkten
sie als Pay-TV. Aktuelle HDTV-Boxen,
wie etwa jene von Humax (Bild 5), Pace
(Bild 6), Strong und Philips tragen das
»Geeignet-für-Premiere-HD-Zertifikat«,
eine Voraussetzung, um Premiere HD
abonnieren zu dürfen. MPEG-4-taugliche HDTV-Receiver ohne PremiereZulassung gibt es zwar im Frühjahr
2006 noch nicht, es ist aber nur eine
Frage der Zeit, bis auch sie am Markt
auftauchen. Alle Premiere-HD-Boxen
haben einen Nagravision-Kartenleser
eingebaut, in dessen Schlitz die Premiere-Karte Platz hat. Zusätzlich besitzen die Geräte einen Common-InterfaceSchacht für die Aufnahme von
mindestens einem externen Decodiermodul. Für den Empfang für HD1 setzt
man eine CI-Schnittstelle im Receiver
voraus. HD1 ist in Irdeto verschlüsselt.
Um den Sender empfangen zu können,
benötigt man neben einer Euro1080Smartcard auch ein Irdeto-Modul.
Bild 5: Ein weiterer aktueller HDTV-Receiver ist der Humax PR-HD1000 (oben: Front).
Er trägt das »Geeignet für Premiere HD«-Logo. Unten: Rückseite, er verfügt über alle
bei uns gängigen Buchsenstandards. Zusätzlich existiert für HDTV ein analoger Komponentenausgang und eine digitale HDMI-Schnittstelle
Bild 6: Der Pace DS810KP war der erste HDTV-Receiver für den Empfang von Premiere
HD. Er wurde in kleinen Stückzahlen erstmals im Dezember 2005 ausgeliefert
Zu empfehlen sind Receiver, die zwei
Decodiermodule aufnehmen. Neben
HD1 gibt es auch weitere Pay-Pakete,
die von Interesse sein können. Zu ihnen
zählen Easy TV (Cryptoworks) sowie
das MTV-Paket und das TechniSat-PayRadio (beide in Conax). Hat man neben
HD1 auch Interesse an weiteren verschlüsselten Angeboten, helfen Receiver
mit zwei CI-Schnittstellen (Bild 7), um
nicht ständig das Decodiermodul wechseln zu müssen.
Empfang von Premiere HD
Für Premiere HD benötigt man einen
HDTV-Receiver mit Premiere-HD-Zertifizierung. Gegenwärtig erfüllen alle
MPEG-4-tauglichen HDTV-Receiver die
Premiere-Vorgaben. Die Premiere-HDZertifizierung räumt dem Pay-TV-Sender weitreichende Möglichkeiten ein.
Dazu zählt auch die Einflussnahme,
wie und ob HD-Signale an diversen
Ausgängen bereitgestellt werden. Moderne HD-Receiver verfügen neben
einem digitalen HDMI- auch über einen
analogen Komponentenausgang. Über
die Komponentenbuchsen kann der
Receiver Bilder in Standard- oder
HDTV-Qualität ausgeben. Hier kann
Premiere jedoch für jede Sendung
bestimmen, ob sie über die analogen
Buchsen in HD- oder nur in SDTV
bereitgestellt wird. Der Sender kann die
Buchse auch komplett sperren. Damit
sollen unberechtigte Kopien in HDQualität verhindert werden. Möchte
man etwa Premiere-HD-Filme über den
analogen Ausgang sehen, ist am GeräteDisplay zu lesen: »Komponentenausgang wegen Kopierschutz deaktiviert.«
Der Bildschirm bleibt dunkel. Weniger
penibel zeigen sich »Premiere HD
Thema« und »Premiere HD Sport«.
Diese Programme wurden während
unseres Tests ohne Einschränkungen
auch über die analogen Buchsen bereitgestellt. Dieser Zustand kann sich aber
jederzeit ändern.
Fazit
Bild 7: Zwei CI-Steckplätze erlauben den Empfang verschlüsselter Programme. Damit ist
der PR-HD1000 (Humax) auch für den Empfang von HD1 geeignet
68
In Europa führt man HDTV mit einer
neuen Übertragungsnorm ein. Diese
beherrschen nur aktuelle Modelle.
Besonders durch scheinbar günstige
Angebote aus dem Internet verunsichert
man den Kunden. Hier gilt es als Aufgabe des Fachhandels, Kunden über die
Unterschiede zwischen alten und neuen
HDTV-Boxen aufzuklären. Der Kunde
wird es danken.
■
de 10/2006