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SAMSTAG, 25. FEBRUAR 2006
I
DER LANDBOTE
SERVICE 27
I
REISEN
TIPPS UND INFOS
ÜBER ORKNEY
Anreise
Weltgeschichte auf Natur pur
Die grüne Inselwelt von
Orkney fasziniert durch das
friedliche Zusammenspiel
von Landschaft, Meer und
kleinen Siedlungen. Mit
«Arrive as a guest, leave as a
friend» lassen sich die Begegnungen mit den liebenswerten Orkadiern beschreiben.
ORKNEY – Wer nach einer oder
zwei Stunden Flug von Edinburgh
oder Inverness mit einer kleinen Maschine in Kirkwall Airport landet, ist
in einer andern Welt angekommen.
Und wenn es dann noch stürmt und
regnet, liegt die Landschaft am nächsten Morgen wie frisch gewaschen vor
dem Ankommenden.
Über der Bucht beim Woodwick
House ist die Sonne aufgegangen,
und der Gastgeber fragt nach den
Wünschen. Während des fürstlichen
Frühstücks erfährt der Gast, dass
Woodwick House früher die Sommerresidenz eines Kaufmanns aus
Edinburgh war. Schon vor 100 Jahren
zogen die Orkney-Inseln mit ihrem
milden Klima, der Nähe zum Festland und der reizvollen Landschaft
Auswärtige an.
Archipel mit Geschichte
Der Archipel mit seinen 67 teils sehr
kleinen Inseln liegt dort, wo der
Nordatlantik mit der Nordsee zusammentrifft. Diese strategisch wichtige
Stelle bemerkten auch die Wikinger,
die um das Jahr 800 landeten. Ein guter Ort, um die Ankunft der Einwanderer aus Skandinavien nachzuempfinden, ist die Meerenge «Eynhallow Sound» zwischen dem Mainland
und der Nachbarinsel Rousay. Geschützt vom offenen Atlantik, konnten die Wikinger ihre «Long Boats»
relativ einfach anlegen.
Nur unweit von Woodwick House
trifft man hier auf die Ruinen von
Gurness. Die Siedlung bot 30 bis 40
Familien Platz und hatte einen zentralen Wehrturm, dessen Alter auf
Mit British Airways (www.ba.com) erreicht man Kirkwall Airport via London und Inverness/Edinburgh.
Northlink Ferries (www.northlinkferries.com) fährt von Aberdeen bis
Kirkwall und Scrabster bis Stromness, Pentland Ferries (www.pentlandferries.co.uk) fährt von Gills Bay
bis St. Margaret's Hope.
Literatur
Ritchie A. / Breeze D.: Invaders of
Scotland, Verlag Historic Scotland,
ISBN 0-11-494136-X. www.historicscotland.gov.uk
Miller J.: Scapa – Britains famous
war-time naval-base, Verlag Birlinn,
ISBN 1-84341-005-2. www.birlinn.co.uk
Gute Unterkünfte
Mondbeobachtung? Die Megalithen des Rings von Brodgar trotzen seit 2300 Jahren dem Klima. Bild: Beat Winterflood
rund 2000 Jahre geschätzt wird. Nach
dem Einfall der Wikinger wurden die
verwaisten Behausungen als Grabstätten benutzt. Auch im grössten
Ort, Kirkwall, mit etwa 7000 Einwohnern, dessen Stadtplan stark an Bergen und Stavanger in Norwegen erinnert, sind Spuren aus der WikingerEpoche zu finden: die 1137 gegründete St.-Magnus-Kathedrale, das grösste Gebäude aus dieser Zeit. Das
alljährlich im Juni stattfindende
«St.-Magnus-Festival» gibt dem
mächtigen Gotteshaus eine wohltuend festliche Note.
Eine italienische Kapelle
Zwischen den Inseln ist der vom offenen Meer geschützten Naturhafen
«Scapa Flow» zu finden, der vor allem
im 20. Jahrhundert Geschichte
schrieb: Hier befand sich im Ersten
und im Zweiten Weltkrieg der grösste Marinestützpunkt der Welt. 1916
lief die britische «Home Fleet» mit
150 Kriegschiffen aus, um die kaiserlich-deutsche Hochseeflotte vor Dänemark zu stellen. Am 21. Juni 1919
wurde die internierte deutsche Flotte
mit 74 grossen Schiffen auf Befehl
von Vizeadmiral Ludwig von Reuter
in Scapa Flow versenkt.
Zwanzig Jahre später, am 14. Oktober 1939, torpedierte das deutsche
U-Boot U-47 die 189 Meter lange
HMS Royal Oak und riss 833 Menschenleben in die Tiefe, worauf Premierminister Sir Winston Churchill
entschied, die Einfahrten von Scapa
Flow mit Dämmen zu sichern. Gebaut wurden sie von italienischen
Kriegsgefangenen, welche auf der
kleinen Insel Lamb Holm einquartiert waren.
Unter ihnen war der aus den Dolomiten stammende Künstler Domenico Chiocchetti. Auf Initiative von
Pfarrer Giacobazzi und Kommandant Oberst Bucklands wurde Chiocchetti beauftragt, eine kleine Kirche
zu bauen, heute als «Italian Chapel»
bekannt. Offensichtlich blieben die
Inseln im hohen Norden Europas den
sonnengewohnten Italienern in guter
Erinnerung: Nach dem Krieg kamen
einige mit ihren Familien zurück und
eröffneten in den grösseren Orten ihre eigenen Gelaterie.
4,5 Meter hohe Monolithe
Fährt man auf der einspurigen Strasse von Evie durch das Moor Richtung
Südwesten, so erblickt man vom 170
Meter hohen Pass die Lochs von
Stenness und Harray. Über Dounby
kommt man zum Ring of Brodgar mit
seinen bis zu 4,5 Meter hohen Monolithen. Obwohl nur noch die Hälfte
der ursprünglichen Steine vorhanden
sind, besteht kein Zweifel an der mathematischen Genauigkeit der Steinsetzung: Jeder Monolith steht im
Winkelabstand von sechs Grad.
So wie Stonehenge in Südengland
und Callanish auf der Isle of Lewis an
der schottischen Westküste diente
der Kreis mit grösster Wahrscheinlichkeit als Mondobservatorium. Nur
wenige Schritte entfernt steht Maes
Howe, eine erdbedeckte Grabkam-
mer. Interessant ist nicht nur die Trockenbautechnik der frühen Bewohner Orkneys, sondern auch die erst
viel später von den Wikingern eingeritzte Runenschrift mit den tagebuchartigen Erlebnisberichten.
Graf Harald Maddadarson soll
hier einmal mit seinen Gefährten auf
dem Fussmarsch von Stromness nach
Finstown vor einem Schneesturm
Unterschlupf gefunden haben. Der
Ort mit seiner denkmalgeschützten
Altstadt war früher auch Walfangstation. Die Hudson Bay Company eröffnete im Jahre 1670 eine Schifffahrtslinie nach Nordamerika, mit
der so mancher Orkadier das Glück
in der Neuen Welt suchte.
Die Zeit der grossen Abenteurer
ist heute vorbei; geblieben ist auf
Orkney unendlich viel Raum, sei es
für Ferien in einer atemberaubenden
Landschaft, zur Erforschung der
Weltgeschichte, um die von Frischprodukten dominierte Küche zu geniessen oder ganz einfach um neue
Freunde kennen zu lernen. Denn die
Einwohner gelten als sehr freundlich
und aufgeschlossen.
Balfour Castle: Schloss aus dem
Jahre 1848 auf der Insel Shapinsay,
45 Minuten mit Fähre ab Kirkwall.
Wohnen wie zu viktorianischen Zeiten, Extravaganza für Hochzeitspaare, Bibliothek, Kaminfeuer, Bootsausflüge, 7 Zimmer. Telefon 0044
1856 711 282 oder www.balfourcastle.com
Stromness Hotel: Historisches Hotel aus dem Jahre 1901. Direkt beim
Hafen, Kneipe im EG, einladendes
Restaurant und gepflegte Lounge/
Bar mit 100 Whiskys. 42 Zimmer mit
einfachem Standard. Telefon 0044
1856 850 298 oder www.stromnesshotel.com
Woodwick House: Edwardianisches
Herrschaftshaus im Norden der
Hauptinsel. Ruhige Lage im Wald an
Meeresbucht. Freundliche Aufenthaltsräume, Bücher und Klavier. Saisonal-biologische Küche. Gute Ferienbasis dank attraktivem Preis-Leistungs-Verhältnis. 8 Zimmer. Telefon
0044 1856 751 330 oder www.
woodwickhouse.co.uk.
Holiday Cottages: Zwei stilvoll restaurierte Ferienhäuser mit Charakter. «6 South End» an der Hafenfront
im Städtchen von Stromness,
«Breckan» in Dounby im Landesinnern. Infos: Crispin und Charlotte
Worthington, 2 South End, Stromness, Orkney KW16 3DJ, Telefon
0044 1856 850 215.
Geführte Reise
Schottland-Spezialist Beat Winterflood (der Autor des nebenstehenden Artikels) organisiert zusammen
mit Knöpfel-Reisen aus Dinhard
(052 336 10 36, www.knoepfel-reisen.ch) vom 24. September bis am
3. Oktober eine geführte Busreise
nach Schottland. Neben den Highlands, Loch Ness und Edinghurgh
stehen auch zwei Tage auf Orkney
auf dem Programm.
Infostelle
VisitBritain, Tel. 0844 007 007
www.visitorkney.com
I BEAT WINTERFLOOD, Reisepublizist
Von der Villa zum Schloss
Wer in seinen Ferien in Schottland
besondere Übernachtungsmöglichkeiten sucht,
dem sei der Hotelführer «Historische Gast-Häuser und Hotels»
empfohlen.
Schottland-Spezialist Beat Winterflood stellt über
hundert Unterkünfte in Schottland
und Nordengland vor, praktischerweise sind alle auf einer beigelegten Karte eingezeichnet.
Schon das Durchblättern des
Buches weckt die Reiselust. Wer
schon immer davon geträumt hat,
in Schlössern und historischen Gebäuden zu übernachten, wird über
die Vielfalt der Angebote staunen.
Zum Beispiel das Culloden House
Hotel, ein herrschaftliches, völlig
efeuüberwachsenen Gebäude aus
dem Jahre 1772. Oder The Roxburghe Heiton (www.roxburghe.
net), das mit Türmen und dem
Charme der leichten Verwitterung
an schön-schaurige Gruselhäuser
aus Hollywood-Filmen erinnert.
Die Hotels werden jeweils detailliert beschrieben, samt Anfahrtsweg, Essensmöglichkeiten,
Preisen und nahe gelegenen Sehenswürdigkeiten. Und wer denkt,
wegen der Preise müssten Traumhotels nur ein Traum bleiben, der
irrt: In vielen Häusern sind die einfachsten Zimmer schon für 40 bis
60 Pfund (etwa 90 bis 140 Franken)
zu haben. Zumindest für eine
Nacht lohnt sich diese Investition
auf jeden Fall. Im Frühling wird übrigens ein ähnlicher Führer für
England, Wales und die Kanalinseln erscheinen. (lk)
Historische Gast-Häuser und Hotels
Beat Winterflood, Hoffmann-Verlag,
30.50 Franken.