Der schmale Pfad zwischen Artenschutz
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Der schmale Pfad zwischen Artenschutz
Rechtliche Situation geschützter Tierarten Der schmale Pfad zwischen Artenschutz- und Jagdrecht Immer wieder stehen wir Jäger im Revier vor Situationen, in denen mehr als ein Gesetz gilt. Darf der Jäger sich einen erlegten Kormoran oder gefundenen toten Luchs aneignen, darf er ihn präparieren lassen oder vermarkten? Dr. Gabriele Kluxen führt uns über die verschlungenen Pfade zwischen Jagd- und Artenschutzrecht. Wie die aktuelle Entwicklung in Sachen Umweltgesetzbuch (UGB) aussieht, lesen Sie auf den Seiten 6/7. A rtenschutzrechtliche Bestimmungen finden sich in vielen Rechtsquellen, angefangen von völkerrechtlichen Vereinbarungen wie dem Biodiversitätsabkommen über die Regelungen der EG und des Bundes bis hin zum Bayerischen Naturschutzgesetz. Daneben stehen vielfältige andere Rechtsbereiche, zum Beispiel das Jagdrecht (s. Kasten). Insgesamt also eine Vielzahl von Rechtsgrundlagen für den Jäger, über deren Zusammenspiel er Bescheid wissen sollte. Denn immer wieder stellen sich in der Praxis entscheidende Fragen: Darf ich mir als Jäger einen Kormoran aneignen, den ich in meinem Revier erlegt habe? Wem gehört ein Biber, der mit Ausnahmegenehmigung geschossen wurde? Muss ich als Jäger einen toten, in meinem Revier gefundenen Uhu bei der Naturschutzbehörde abgeben? Unterliegt eine Tierart ausschließlich dem Jagdrecht, wie beispielsweise Reh- oder Schwarzwild, so sind Zugriff und Aneignung darüber klar Foto: H. Lehmann Bei Nachtgreifvögeln wie dem Uhu gilt für Jäger Zugriffs- und Besitzverbot. 18 4/2008 geregelt. Gleiches gilt in der Regel für Tiere, die allein dem Artenschutzrecht unterliegen, wie es bei Nachtgreifvögeln – also Eulenartigen und Käuzen – der Fall ist: Für Jagdausübungsberechtigte gilt beispielsweise für den Uhu ein Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbot, zu finden unter den besonderen artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 BNatSchG. Schwierige Sonderfälle: Kormoran und Biber Weitere Arten, die für den Jäger in der Praxis relevant werden können, sind Kormoran und Biber. Beide Arten unterliegen ausschließlich dem Artenschutzrecht, nicht dem Jagdrecht. Allerdings werden Ausnahmegenehmigungen zur Tötung von Bibern erteilt. Dabei gilt: Neben dieser artenschutzrechtlichen Genehmigung benötigt der Jäger zudem eine waffenrechtliche. Anders ist es beim Kormoran: Obwohl auch er nicht dem Jagdrecht unterliegt, darf er nach der sogenannten Kormoranverordnung zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten geschossen werden. Für Personen, die zur Jagdausübung berechtigt sind, sind hier keine weiteren Erlaubnisse nach dem Waffengesetz erforderlich. Schwierig ist die Situation auch bei den so genannten Doppelrechtlern, also Tierarten, die sowohl dem Artenschutz- als auch dem Jagdrecht unterliegen. Es gilt hier der Grundsatz der Spezialität, das Spezialrecht greift also vor dem allgemeineren Recht. In diesem Fall gilt also das Jagdrecht in Form von Bundes- oder Bayerischem Jagdgesetz oder Bundeswildschutzverordnung, sofern es Bestimmungen zum Schutz und zur Pflege der jeweiligen Art enthält (siehe u. a. § 22a Abs. 1 BJagdG für die Pflege schwerkranken Wildes). Ist dies nicht der Fall, greift das Artenschutzrecht. Festgehalten ist dies in der sogenannten Unberührtheitsklausel in § 39 Abs. 2 BNatSchG. Bei „Doppelrechtlern“ sind Zugriff und Besitz erlaubt „Doppelrechtler“ sind zum Beispiel Luchs und Fischotter. Beide Arten unterliegen dem Jagdrecht, sind aber ganzjährig geschont. Darüber hinaus sind beide Arten aufgrund ihres hohen europäischen Schutzstatus´ nach nationalem Recht auch besonders und streng geschützt und unterliegen deshalb besonderen arten- Dr. Gabriele Kluxen ist Referentin für Artenschutz bei der Regierung von Mittelfranken schutzrechtlichen Verboten. Die Frage des Aneignungsrechts durch den Jagdausübungsberechtigten wird in diesem Fall durch das Jagdrecht geklärt: Nach § 1 Abs. 5 BJagdG darf der Jagdausübungsberechtigte einen toten Luchs oder Fischotter in seinem Jagdrevier in Besitz nehmen, unentgeltlich abgeben und für eigene Zwecke präparieren lassen. Aufgrund des strengen europarechtlichen Schutzes empfiehlt sich allerdings die Kontaktaufnahme mit den Naturschutzbehörden. Die Zugriffs- und Besitzverbote des § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG greifen nicht (siehe § 43 Abs. 1 Unterliegt eine Art sowohl dem Jagd- als auch dem Artenschutzrecht, gilt das speziellere Jagdrecht, sofern es Regelungen zu der betreffenden Art enthält. Artenschutzrechtliche Regelungen Spezialgesetze, hier: Jagdrechtliche Regelungen International: Biodiversitätsabkommen, Washingtoner Artenschutzübereinkommen EG-Recht: Vogelschutzrichtlinie, Fauna-FloraHabitat-Richtlinie, EG-Artenschutzverordnung (EG-VO) mit dazugehöriger Durchführungsverordnung Bundesrecht: Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) Bundesrecht: Bundesjagdgesetz (BJagdG), Bundeswildschutzverordnung (BWildSchV), Verordnung über Jagdzeiten Landesrecht: Bayerisches Naturschutzgesetz Landesrecht: Bayerisches Jagdgesetz (BayJagdG), Ausführungsverordnung zum Bayerischen Jagdgesetz Ein „Doppelrechtler“: Der Fischotter steht unter Artenschutz, unterliegt aber vorrangig dem Jagdrecht und kommt so in den Genuss der Hege. Nr. 1 Buchst. a) BNatSchG). Die Tiere dürfen aber grundsätzlich unter anderem weder verkauft, noch zum Verkauf angeboten oder zur Schau gestellt werden. Nur ausnahmsweise lässt die EGVO eine Vermarktung zu. Auch alle jagdbaren Vogelarten sind „Doppelrechtler“ „Doppelrechtler“ sind auch alle dem Jagdrecht unterstellten Vögel, zum Beispiel Habicht, Steinadler und Wanderfalke. Diese drei Arten unterliegen ebenfalls dem Jagdrecht bei grundsätzlich ganzjähriger Schonzeit. Ein Zugriff – wie die Aushorstung eines Habichts – ist nur ausnahmsweise im Einzelfall zulässig. Der allgemeine Zugriff, also das Aneignungsrecht an toten Vögeln dieser Arten, ist hingegegen erlaubt. Sie fallen aber als eu- ropäische Vogelarten unter die Vogelschutzrichtlinie und den Anhang A der EGVO und sind daher nach nationalem Recht besonders und streng geschützt. Für diese Arten gelten wie bei allen anderen heimischen Greifvögeln und Falken die Ausführungen zu Luchs und Fischotter entsprechend. Bei Birkwild gilt die Bundeswildschutzverordnung Bei anderen heimischen Vogelarten, beispielsweise dem Auer- oder Birkwild, ist die Vermarktung hingegen über die BWildSchV geregelt und ebenfalls grundsätzlich, bei der Möglichkeit von Ausnahmen, verboten. Die BWildSchV wird hier als Spezialrecht gegenüber den nationalen artenschutzrechtlichen Vermarktungsverboten angewandt. Foto: H.Schulz Ein Sonderfall: Der Kormoran, geschützt, aber mit Schusszeit laut Verordnung