Smart-Testing für Smart-Charging
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Smart-Testing für Smart-Charging
34 Test + Validierung Ladesäulen testen emobility tec 04/2014 Smart-Testing für Smart-Charging Durchgängige Testfallabdeckung Mit der wachsenden Vielfalt an Elektrofahrzeugen und Ladesäulensystemen spielen die Themen Interopera bilität zwischen den Komponenten und Normkonformität eine immer wichtigere Rolle. Um dies abzuprüfen und Ursachen für Ladeabbrüche aufzuzeigen, aber auch um Zuverlässigkeit und Robustheit bei diversen Stör einflüssen testen zu können, ist eine durchgängige Testfallabdeckung mit offener Testumgebung notwendig. Autoren: Dr. Kiriakos Athanasas, Dr. Heiner Hild k ey words IEC 61851 / IEC/ISO 15118 / Smart-Charging / Test / EVSE / Ladestation Bild: Vector Informatik Die Norm IEC 61851 definiert vier Modi für das konduktive Laden von Elektrofahrzeugen: Im Mode 1 erfolgt das Laden des Fahrzeugs einphasig bis 16 A ohne Pilotsignal, im Mode 2 ein- bis dreiphasig bis 32 A mit Pilotsignal. Im Mode 3 findet der Ladevorgang ebenfalls ein- bis dreiphasig statt, allerdings mit Ladeströmen bis 63 A mit einem Pilotsignal, das eine Ladestation bereitstellt. Der Mode 4 schließlich beschreibt das DC-Laden mit beispielsweise 400 V / 125 A. Während der Ladevorgang gemäß Mode 1 ohne Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladeinfrastruktur auskommt, findet in den Modi 2, 3 und 4 in jedem Fall eine auf Pulsbreitenmodulation (PWM) basierende Low-Level-Kommunikation über die Control-Pilot-Verbindung (CP) statt. Falls Fahrzeug und Ladesäule eine High-Level-Kommunikation unterstützen, wird das entsprechende Signal, basierend auf dem Homeplug-Green-PHYStandard, auf das PWM-Signal des CP aufmoduliert. Diese sogenannte Powerline-Communication (PLC) ist nur in den Modi 3 emobility tec 04/2014 Test + Validierung Ladesäulen testen 1 35 Bilder: Vector Informatik / Comemso 2 3 1 / Zusammenspiel von Ladesäule (EVSE) und Ladesteuergerät (OBC, Onboard Charger). 2 / Mögliche Komponententests. 3 / Mögliche Modi eines „Man-in-the-middle“-Betriebs für Interoperabilitätstests. und 4 möglich und in der Norm IEC/ISO15118 beschrieben. Grundsätzlich geht jeder PLC-basierten Ladekommunikation eine PWM-basierte Kommunikation voraus. Daher muss ein vollständiges Testsystem beide Kommunikationsmodi beherrschen. Die Funktionalität der Ladesäule besteht aus der Fahrzeugperspektive gesehen im Wesentlichen aus den in Tabelle 1 beschriebenen Teilen. Tabelle 2 beschreibt die Funktionalität des Fahrzeugs aus Sicht der Ladesäule. Ladekommunik ation testen Um eine ordnungsgemäße Ladefunktion auf allen Ebenen nachzuweisen, bedarf es einer speziellen Mess- und Prüftechnik, die in der Lage ist, sowohl den Lastkreis wie auch die Kommunikationssignale wie Control Pilot und PLC-Signal zu analysieren und zu emulieren. Zusätzlich muss die Möglichkeit gegeben sein, die Botschaftsinhalte der PLC zu erzeugen, auszulesen und anzuzeigen und gegebenenfalls zu manipulieren. Komplettiert wird das Testsystem durch die Möglichkeit, Fehler auf die elektrischen Signale aufzuprägen. Dies umfasst sowohl Kurzschlüsse gegeneinander und gegen Batteriespannung beziehungsweise Masse als auch Variationen der an der CP-Kommunikation beteiligten Widerstände in Fahrzeug und in der Ladesäule. Nicht zuletzt muss bei einem vollständigen Testsystem auch der Lastkreis (AC oder DC) in Strom und Spannung gemessen, analysiert und definiert gestört werden können. Testmodi und Anforderungen Sowohl für Komponententests wie auch für Robustheitsuntersuchungen muss ein Testsystem der jeweils zu testenden Komponente alle Schnittstellengrößen normgerecht und mit definiert aufgeprägten Fehlern bereitstellen. Bild 1 zeigt, was dies für die Ladekommunikationskanäle bedeutet: So muss geklärt werden, was passiert, wenn das Control-Pilot-Signal ein fehlerhaftes Verhalten auf dem PWM-Teil (zum Beispiel Fehler bei Pegel, Widerstandswerten, Tastverhältnissen, zeitlichen Abläufen) und auf dem PLC-Teil (beispielsweise Fehler bei Aufbau der Kommunikation, normgerechte Kommunikation und definiert gestörte Botschaften) aufweist. Zusätzlich ist zu prüfen, ob die zu testende Komponente einen fehlerhaften Codierungswiderstand beim Proximity Pilot richtig erkennt oder ob dadurch eventuell eine Gefahrensituation entsteht. Für den Komponenten- beziehungsweise Robustheitstest eines EV-Ladesteuergeräts (EV-ECU) mit simulierter EVSE (EV Supply Equipment, Ladestation für EVs, Bild 2) muss das Testsystem zusätzlich folgendes bereitstellen: ⁄⁄ Fahrzeug-Bordspannung mit Über-/Unterspannung, Rampenverläufen, unregelmäßige Störungen. ⁄⁄ Fahrzeug-Kommunikation (zum Beispiel CAN) mit Botschafts- und elektrischen Fehlern. ⁄⁄ Lastsignal AC oder DC mit Spannungsstörungen aller Art. ⁄⁄ Netzemulator zur Nachbildung verschiedener weltweiter Netze (diverse Spannungen, Frequenzen, Netze mit Störungen und mehr). ⁄⁄ Gegebenenfalls Abnahme der DC-Ladeleistung. Tabelle 1: Funktionalität der Ladesäule, die das Fahrzeug direkt oder indirekt erfährt Funktionalität Ladesäule Realisiert durch Kommunikationssignal auf dem CP Frequenzsignal, das auf Pulsweitenmodulation (PWM) basiert. Auf das PWM-Signal ist gegebenenfalls das PLC-Signal aufmoduliert. Maximal mögliche Belastung der Ladeleitung Sogenanntes Proximity-Signal (PP), das über einen vom Leitungsquerschnitt abhängigen Widerstand zwischen PP und PE im Stecker codiert ist. Bereitgestellter Strom Codierung über das Tastverhältnis (Duty Cycle) des PWM-Signals. Fähigkeit zur HighLevel-Kommunikation Tastverhältnis von 5 %. Das Tastverhältnis im Bereich 3...7 % ist ausschließlich für diesen Zweck reserviert. Teilnehmer bei PLCKommunikation Mitteilung komplexerer Informationen, zum Beispiel Ladeprofile, Abrechnungsmodelle, Authentifizierung und mehr. Leistung 1- bis 3-phasiger AC-Kreis, je nach Land zwischen 100 V und 240 VAC. Alternativ dazu: DC-Spannung über separate Leitungen. Quelle: Vector Informatik/comemso 36 Test + Validierung emobility tec Ladesäulen testen 04/2014 Bilder: Vector Informatik / Comemso Bild 4: Gesamtsystem zum automatisierten Test von Ladesteuergerät und Ladesäule in realer bis hin zu vollständig simulierter Umgebung. Für einen EVSE-Test simuliert das Testsystem ein Fahrzeug mit allen Grenzwerten (Bild 2). Hierzu ist auf der Infrastrukturseite zusätzlich die Anbindung an ein reales oder emuliertes EVU-Netz (Netzemulator) sowie gegebenenfalls die Simulation des webbasierten Bezahlsystems erforderlich (Bild 1). Interoperabilitätstests Für Interoperabilitätstests wird das Testsystem zwischen Ladestation und Fahrzeug geschaltet (Bild 3), wobei dieser Betrieb auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen kann: Im reinen Mithör-Modus lassen sich lediglich Messungen an den elektrischen Signalen von CP, PP und Lastkreis durchführen. Zur gezielten Analyse und Manipulation der PLC-Botschaften im HighLevel-Kommunikationsmodus ist im echten Gateway-Modus die Auftrennung der CP-Leitung erforderlich, da bei etablierter Fahrzeug-Ladesäule-Verbindung ein Austausch verschlüsselter Botschaften erfolgt. Neben der Messung und Beeinflussung der Kommunikations- und Lastkanäle muss ein Testsystem eine Ausführungs-, Aufzeichnungs- und Kontrolleinheit sowie idealerweise eine Authoring- und Verwaltungseinheit für Testfälle besitzen. Bereits heute existiert ein großer Bedarf nach systematischen Tests. Um dem Rechnung zu tragen, wird die Norm IEC/ ISO15118 für standardisierte Testfälle künftig die noch in Arbeit befindlichen Teile 4 und 5 bereit stellen. Gesamttestsystem Zur Beherrschung der komplexen Anforderungen an ein Gesamttestsystem wählte Vector Informatik eine modulare Testsystem-Architektur, die einerseits alle geforderten Anfor- derungen erfüllt, andererseits durch gezielte Reduktion auch die Realisierung von Teilaufgaben ermöglicht (Bild 4). Das zentrale Software-Element bildet das Tool CANoe von Vector Informatik mit der Option Ethernet. CANoe übernimmt dabei die Aufgaben Testausführung, Simulation der PLC-Kommunikation, Bereitstellung der Mess- und Analysedaten der Fahrzeug- und Ladekommunikation und aller elektrischen Kenngrößen sowie die Steuerung der beteiligten HardwareKomponenten. Damit ist es möglich, alle relevanten Messungen und Signale mit einheitlicher Zeitstempelung zu versehen, zu bearbeiten, auszuwerten und zu speichern. Die Erstellung und Verwaltung der Testfälle, seien es selbst erzeugte oder standardisierte, deckt hier Vteststudio von Vector Informatik ab. Durch die dargestellten Verschaltungsoptionen ist es möglich, aus dieser Architektur Teilsysteme für Teilaufgaben abzuleiten. Zur Abbildung der Umgebung von Ladesteuergerät und/oder Ladesäule kommt im vorgestellten System eine Kombination aus dem Ladesystem-Analysators / Simulators (LSA) von Comemso und dem VT-System von Vector Informatik zum Einsatz. Sowohl der LSA wie auch das VT-System sind in der Lage, das PLC-Signal der High-Level-Kommunikation vom CP-Signal abzukoppeln und CANoe über Ethernet zuzuführen. In CANoe stehen mithilfe des Smart-Charging-Communication-Addons (SCC) alle erforderlichen Analyse- und Manipulationsmöglichkeiten zur Verfügung. Gemeinsam stark Sowohl der LSA wie auch das VT7870-Modul des VT-Systems stellen die nach IEC61851-1 geforderten Beschaltungen für CP und PP einschließlich der Möglichkeit, Fehler aufzuprägen, emobility tec 04/2014 Test + Validierung Ladesäulen testen Tabelle 2: Funktionalität des Fahrzeugs, welche für die Ladestation sichtbar ist Smart-Charging-Modul VT7870 des VT Systems von Vector. 19”-Rackversion des LSA von Comemso. Bild 5: Testsystem-Komponenten für SCC-Tests bezüglich IEC61851 und IEC/ISO15118. Funktionalität Fahrzeug Realisiert durch Anzeige der Steckverbindung Widerstand zwischen CP und PE, der den CP-Pegel von 12 V auf 9 V absenkt. Anzeige der SteckerVerriegelung Weiterer Widerstand zwischen CP und PE, der das PWM-Signal von 9 V auf 6 V absenkt. Anzeige erforder liche Kühlung Widerstand zwischen CP und PE, der das PWM-Signal von 6 V auf 3 V absenkt. Teilnehmer bei PLC-Kommunikation Mitteilung komplexerer Informationen, zum Beispiel Ladewunsch, Kontodaten, Authentifizierung und andere. Leistungsabnahme Vereinbarung eines Profils über Lowoder High-Level-Kommunikation. Quelle: Vector Informatik / Comemso Bild 6: TestsystemKombination für den mobilen Einsatz. bereit (Bild 5). Das VT-System fungiert zusätzlich als Interface für die Fahrzeugkommunikation und ermöglicht die Simulation des Fahrzeug-Bordnetzes sowie gegebenenfalls die Steuerung einer elektronischen Last beziehungsweise einer externen Leistungsversorgung. Der LSA von Comemso ist darüber hinaus in der Lage, alle auftretenden Störungen der komplexen CP- und Last-Signale in Echtzeit zu erfassen und dazu zeitsynchron auch Störquellen zu detektieren. Da das CP-Signal gemeinsam mit dem aufmodulierten PLCSignal die Normvorgaben für das CP-Signal verletzen kann, sind speziell entwickelte analoge Filterschaltungen notwendig, um das hochfrequente PLC-Signal wechselwirkungsfrei vom Pilotsignal zu trennen. Der LSA verwendet zur Analyse des CP-Signals ein speziell entwickeltes Messverfahren, mit dem sich pro Periode bis zu 150 verschiedene Fehler und deren Permutationen daraus erfassen lassen. Auch den Lastkreis erfasst der LSA präzise als echten Effektivwert (True-RMS) auf allen drei Phasen sowohl im Strom als auch in der Spannung. Durch zusätzliche Netzanalyse für jede der drei Phasen und jede Sinusperiode zeigt das System unsymmetrische Netzauslastungen, aber auch Netzstörungen auf, die elektromagnetische Störungen auf dem Kommunikationssignal verursachen können. Während die High-Level-Ladekommunikation auf Ethernet-Basis erfolgt, leitet ein separater CAN-Kanal alle mit dem LSA gemessenen Größen an CANoe weiter. Erst durch die gemeinsame und zeitsynchrone Erfassung und Visualisierung von Lastkreis, CP-Signal und PLC-Signal können zusammenhängende Störungen sowie gegebenenfalls auch Ursache und Wirkung aufgezeigt werden. Für den Feldeinsatz kommt der Ladesystem-Analysator / Simulator von Comemso als mobile Variante in Kombination mit den Vector-Produkten CANoe.Ethernet und vTESTstudio zum Einsatz (Bild 6). Dadurch ist die Testfalldurchgängigkeit vom Prototypenstadium bis hin zum Serienprodukt sowohl im Labor als auch im Feld gegeben. Maximale Testtiefe Die in diesem Artikel vorgestellte Testsystemarchitektur ermöglicht es, die am konduktiven Laden nach IEC61851-1 und IEC/ ISO15118 beteiligten Komponenten systematisch auf Robustheit, Normkonformität sowie Interoperabilität zu testen. Die offene vTESTstudio- und CANoe-Testumgebung bietet die elementare Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Testabläufe. Die modulare Architektur ermöglicht es in der Kombination aus Comemso- und Vector-Tools, zwischen Betrieb mit realer Umgebung bis hin zu voll simulierter Umgebung jede beliebige Zwischenstufe zu realisieren und in einem automatisierten Durchlauf zu betreiben. Dieser analytische Zugang auf allen Ebenen ermöglicht eine maximale Testtiefe: der Grundstein für robuste und harmonierende Komponenten und damit letztendlich für zufriedene Elektromobilitätskunden. (av) ∕∕ Autoren Dr. Kiriakos Athanasas Geschäftsführer der Comemso GmbH. Dr. Heiner Hild Gruppenleiter und Produktmanager im Bereich VT System bei Vector Informatik. 37