Smart-Testing für Smart-Charging

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Smart-Testing für Smart-Charging
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Test + Validierung
Ladesäulen testen
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Smart-Testing für Smart-Charging
Durchgängige Testfallabdeckung
Mit der wachsenden Vielfalt an Elektrofahrzeugen und Ladesäulensystemen spielen die Themen Interopera­
bilität zwischen den Komponenten und Normkonformität eine immer wichtigere Rolle. Um dies abzuprüfen
und Ursachen für Ladeabbrüche aufzuzeigen, aber auch um Zuverlässigkeit und Robustheit bei diversen Stör­
einflüssen testen zu können, ist eine durchgängige Testfallabdeckung mit offener Testumgebung notwendig.
Autoren: Dr. Kiriakos Athanasas, Dr. Heiner Hild
k ey words
IEC 61851 / IEC/ISO 15118 / Smart-Charging / Test / EVSE / Ladestation
Bild: Vector Informatik
Die Norm IEC 61851 definiert vier Modi für das konduktive Laden von Elektrofahrzeugen: Im Mode 1 erfolgt das
Laden des Fahrzeugs einphasig bis 16 A ohne Pilotsignal, im
Mode 2 ein- bis dreiphasig bis 32 A mit Pilotsignal. Im Mode 3
findet der Ladevorgang ebenfalls ein- bis dreiphasig statt, allerdings mit Ladeströmen bis 63 A mit einem Pilotsignal, das eine
Ladestation bereitstellt. Der Mode 4 schließlich beschreibt das
DC-Laden mit beispielsweise 400 V / 125 A.
Während der Ladevorgang gemäß Mode 1 ohne Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladeinfrastruktur auskommt, findet
in den Modi 2, 3 und 4 in jedem Fall eine auf Pulsbreitenmodulation (PWM) basierende Low-Level-Kommunikation über die
Control-Pilot-Verbindung (CP) statt. Falls Fahrzeug und Ladesäule eine High-Level-Kommunikation unterstützen, wird das entsprechende Signal, basierend auf dem Homeplug-Green-PHYStandard, auf das PWM-Signal des CP aufmoduliert. Diese sogenannte Powerline-Communication (PLC) ist nur in den Modi 3
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Bilder: Vector Informatik / Comemso
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1 / Zusammenspiel von Ladesäule (EVSE) und Ladesteuergerät (OBC, Onboard Charger).
2 / Mögliche Komponententests.
3 / Mögliche Modi eines „Man-in-the-middle“-Betriebs für Interoperabilitätstests.
und 4 möglich und in der Norm IEC/ISO15118 beschrieben.
Grundsätzlich geht jeder PLC-basierten Ladekommunikation eine
PWM-basierte Kommunikation voraus. Daher muss ein vollständiges Testsystem beide Kommunikationsmodi beherrschen.
Die Funktionalität der Ladesäule besteht aus der Fahrzeugperspektive gesehen im Wesentlichen aus den in Tabelle 1
beschriebenen Teilen. Tabelle 2 beschreibt die Funktionalität des
Fahrzeugs aus Sicht der Ladesäule.
Ladekommunik ation testen
Um eine ordnungsgemäße Ladefunktion auf allen Ebenen nachzuweisen, bedarf es einer speziellen Mess- und Prüftechnik, die
in der Lage ist, sowohl den Lastkreis wie auch die Kommunikationssignale wie Control Pilot und PLC-Signal zu analysieren und
zu emulieren. Zusätzlich muss die Möglichkeit gegeben sein, die
Botschaftsinhalte der PLC zu erzeugen, auszulesen und anzuzeigen und gegebenenfalls zu manipulieren.
Komplettiert wird das Testsystem durch die Möglichkeit, Fehler auf die elektrischen Signale aufzuprägen. Dies umfasst
sowohl Kurzschlüsse gegeneinander und gegen Batteriespannung beziehungsweise Masse als auch Variationen der an der
CP-Kommunikation beteiligten Widerstände in Fahrzeug und
in der Ladesäule. Nicht zuletzt muss bei einem vollständigen
Testsystem auch der Lastkreis (AC oder DC) in Strom und Spannung gemessen, analysiert und definiert gestört werden können.
Testmodi und Anforderungen
Sowohl für Komponententests wie auch für Robustheitsuntersuchungen muss ein Testsystem der jeweils zu testenden Komponente
alle Schnittstellengrößen normgerecht und mit definiert aufgeprägten Fehlern bereitstellen. Bild 1 zeigt, was dies für die Ladekommunikationskanäle bedeutet: So muss geklärt werden, was passiert, wenn das Control-Pilot-Signal ein fehlerhaftes Verhalten auf
dem PWM-Teil (zum Beispiel Fehler bei Pegel, Widerstandswerten,
Tastverhältnissen, zeitlichen Abläufen) und auf dem PLC-Teil (beispielsweise Fehler bei Aufbau der Kommunikation, normgerechte Kommunikation und definiert gestörte Botschaften) aufweist.
Zusätzlich ist zu prüfen, ob die zu testende Komponente einen
fehlerhaften Codierungswiderstand beim Proximity Pilot richtig
erkennt oder ob dadurch eventuell eine Gefahrensituation entsteht.
Für den Komponenten- beziehungsweise Robustheitstest
eines EV-Ladesteuergeräts (EV-ECU) mit simulierter EVSE (EV
Supply Equipment, Ladestation für EVs, Bild 2) muss das Testsystem zusätzlich folgendes bereitstellen:
⁄⁄ Fahrzeug-Bordspannung mit Über-/Unterspannung, Rampenverläufen, unregelmäßige Störungen.
⁄⁄ Fahrzeug-Kommunikation (zum Beispiel CAN) mit Botschafts- und elektrischen Fehlern.
⁄⁄ Lastsignal AC oder DC mit Spannungsstörungen aller Art.
⁄⁄ Netzemulator zur Nachbildung verschiedener weltweiter Netze (diverse Spannungen, Frequenzen, Netze mit Störungen
und mehr).
⁄⁄ Gegebenenfalls Abnahme der DC-Ladeleistung.
Tabelle 1: Funktionalität der Ladesäule, die
das Fahrzeug direkt oder indirekt erfährt
Funktionalität
Ladesäule
Realisiert durch
Kommunikationssignal
auf dem CP
Frequenzsignal, das auf Pulsweitenmodulation
(PWM) basiert. Auf das PWM-Signal ist gegebenenfalls das PLC-Signal aufmoduliert.
Maximal mögliche
Belastung der
Ladeleitung
Sogenanntes Proximity-Signal (PP), das über
einen vom Leitungsquerschnitt abhängigen
Widerstand zwischen PP und PE im Stecker
codiert ist.
Bereitgestellter Strom
Codierung über das Tastverhältnis (Duty Cycle)
des PWM-Signals.
Fähigkeit zur HighLevel-Kommunikation
Tastverhältnis von 5 %. Das Tastverhältnis im
Bereich 3...7 % ist ausschließlich für diesen
Zweck reserviert.
Teilnehmer bei PLCKommunikation
Mitteilung komplexerer Informationen, zum
Beispiel Ladeprofile, Abrechnungsmodelle,
Authentifizierung und mehr.
Leistung
1- bis 3-phasiger AC-Kreis, je nach Land zwischen
100 V und 240 VAC. Alternativ dazu: DC-Spannung
über separate Leitungen.
Quelle: Vector Informatik/comemso
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Bilder: Vector Informatik / Comemso
Bild 4: Gesamtsystem
zum automatisierten
Test von Ladesteuergerät und Ladesäule
in realer bis hin zu
vollständig simulierter
Umgebung.
Für einen EVSE-Test simuliert das Testsystem ein Fahrzeug
mit allen Grenzwerten (Bild 2). Hierzu ist auf der Infrastrukturseite zusätzlich die Anbindung an ein reales oder emuliertes
EVU-Netz (Netzemulator) sowie gegebenenfalls die Simulation
des webbasierten Bezahlsystems erforderlich (Bild 1).
Interoperabilitätstests
Für Interoperabilitätstests wird das Testsystem zwischen Ladestation und Fahrzeug geschaltet (Bild 3), wobei dieser Betrieb
auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen kann: Im reinen Mithör-Modus lassen sich lediglich Messungen an den elektrischen
Signalen von CP, PP und Lastkreis durchführen. Zur gezielten Analyse und Manipulation der PLC-Botschaften im HighLevel-Kommunikationsmodus ist im echten Gateway-Modus
die Auftrennung der CP-Leitung erforderlich, da bei etablierter
Fahrzeug-Ladesäule-Verbindung ein Austausch verschlüsselter Botschaften erfolgt. Neben der Messung und Beeinflussung
der Kommunikations- und Lastkanäle muss ein Testsystem eine
Ausführungs-, Aufzeichnungs- und Kontrolleinheit sowie idealerweise eine Authoring- und Verwaltungseinheit für Testfälle
besitzen. Bereits heute existiert ein großer Bedarf nach systematischen Tests. Um dem Rechnung zu tragen, wird die Norm IEC/
ISO15118 für standardisierte Testfälle künftig die noch in Arbeit
befindlichen Teile 4 und 5 bereit stellen.
Gesamttestsystem
Zur Beherrschung der komplexen Anforderungen an ein
Gesamttestsystem wählte Vector Informatik eine modulare
Testsystem-Architektur, die einerseits alle geforderten Anfor-
derungen erfüllt, andererseits durch gezielte Reduktion auch die
Realisierung von Teilaufgaben ermöglicht (Bild 4).
Das zentrale Software-Element bildet das Tool CANoe von
Vector Informatik mit der Option Ethernet. CANoe übernimmt
dabei die Aufgaben Testausführung, Simulation der PLC-Kommunikation, Bereitstellung der Mess- und Analysedaten der
Fahrzeug- und Ladekommunikation und aller elektrischen
Kenngrößen sowie die Steuerung der beteiligten HardwareKomponenten. Damit ist es möglich, alle relevanten Messungen
und Signale mit einheitlicher Zeitstempelung zu versehen, zu
bearbeiten, auszuwerten und zu speichern. Die Erstellung und
Verwaltung der Testfälle, seien es selbst erzeugte oder standardisierte, deckt hier Vteststudio von Vector Informatik ab. Durch
die dargestellten Verschaltungsoptionen ist es möglich, aus dieser Architektur Teilsysteme für Teilaufgaben abzuleiten.
Zur Abbildung der Umgebung von Ladesteuergerät und/oder
Ladesäule kommt im vorgestellten System eine Kombination aus
dem Ladesystem-Analysators / Simulators (LSA) von Comemso
und dem VT-System von Vector Informatik zum Einsatz. Sowohl
der LSA wie auch das VT-System sind in der Lage, das PLC-Signal
der High-Level-Kommunikation vom CP-Signal abzukoppeln und
CANoe über Ethernet zuzuführen. In CANoe stehen mithilfe des
Smart-Charging-Communication-Addons (SCC) alle erforderlichen Analyse- und Manipulationsmöglichkeiten zur Verfügung.
Gemeinsam stark
Sowohl der LSA wie auch das VT7870-Modul des VT-Systems
stellen die nach IEC61851-1 geforderten Beschaltungen für CP
und PP einschließlich der Möglichkeit, Fehler aufzuprägen,
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Ladesäulen testen
Tabelle 2:
Funktionalität des Fahrzeugs,
welche für die Ladestation sichtbar ist
Smart-Charging-Modul
VT7870 des VT Systems
von Vector.
19”-Rackversion des LSA von Comemso.
Bild 5: Testsystem-Komponenten für SCC-Tests bezüglich
IEC61851 und IEC/ISO15118.
Funktionalität
Fahrzeug
Realisiert durch
Anzeige der
Steckverbindung
Widerstand zwischen CP und PE, der den CP-Pegel
von 12 V auf 9 V absenkt.
Anzeige der SteckerVerriegelung
Weiterer Widerstand zwischen CP und PE, der das
PWM-Signal von 9 V auf 6 V absenkt.
Anzeige erforder­
liche Kühlung
Widerstand zwischen CP und PE, der das PWM-Signal
von 6 V auf 3 V absenkt.
Teilnehmer bei
PLC-Kommunikation
Mitteilung komplexerer Informationen, zum Beispiel
Ladewunsch, Kontodaten, Authentifizierung und
andere.
Leistungsabnahme
Vereinbarung eines Profils über Lowoder High-Level-Kommunikation.
Quelle: Vector Informatik / Comemso
Bild 6: TestsystemKombination für den
mobilen Einsatz.
bereit (Bild 5). Das VT-System fungiert zusätzlich als Interface
für die Fahrzeugkommunikation und ermöglicht die Simulation
des Fahrzeug-Bordnetzes sowie gegebenenfalls die Steuerung
einer elektronischen Last beziehungsweise einer externen Leistungsversorgung. Der LSA von Comemso ist darüber hinaus in
der Lage, alle auftretenden Störungen der komplexen CP- und
Last-Signale in Echtzeit zu erfassen und dazu zeitsynchron auch
Störquellen zu detektieren.
Da das CP-Signal gemeinsam mit dem aufmodulierten PLCSignal die Normvorgaben für das CP-Signal verletzen kann, sind
speziell entwickelte analoge Filterschaltungen notwendig, um
das hochfrequente PLC-Signal wechselwirkungsfrei vom Pilotsignal zu trennen. Der LSA verwendet zur Analyse des CP-Signals ein speziell entwickeltes Messverfahren, mit dem sich pro
Periode bis zu 150 verschiedene Fehler und deren Permutationen
daraus erfassen lassen.
Auch den Lastkreis erfasst der LSA präzise als echten Effektivwert (True-RMS) auf allen drei Phasen sowohl im Strom als
auch in der Spannung. Durch zusätzliche Netzanalyse für jede
der drei Phasen und jede Sinusperiode zeigt das System unsymmetrische Netzauslastungen, aber auch Netzstörungen auf, die
elektromagnetische Störungen auf dem Kommunikationssignal
verursachen können. Während die High-Level-Ladekommunikation auf Ethernet-Basis erfolgt, leitet ein separater CAN-Kanal
alle mit dem LSA gemessenen Größen an CANoe weiter. Erst
durch die gemeinsame und zeitsynchrone Erfassung und Visualisierung von Lastkreis, CP-Signal und PLC-Signal können
zusammenhängende Störungen sowie gegebenenfalls auch
Ursache und Wirkung aufgezeigt werden.
Für den Feldeinsatz kommt der Ladesystem-Analysator /
Simulator von Comemso als mobile Variante in Kombination mit
den Vector-Produkten CANoe.Ethernet und vTESTstudio zum
Einsatz (Bild 6). Dadurch ist die Testfalldurchgängigkeit vom
Prototypenstadium bis hin zum Serienprodukt sowohl im Labor
als auch im Feld gegeben.
Maximale Testtiefe
Die in diesem Artikel vorgestellte Testsystemarchitektur ermöglicht es, die am konduktiven Laden nach IEC61851-1 und IEC/
ISO15118 beteiligten Komponenten systematisch auf Robustheit, Normkonformität sowie Interoperabilität zu testen. Die
offene vTESTstudio- und CANoe-Testumgebung bietet die elementare Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Testabläufe.
Die modulare Architektur ermöglicht es in der Kombination aus
Comemso- und Vector-Tools, zwischen Betrieb mit realer Umgebung bis hin zu voll simulierter Umgebung jede beliebige Zwischenstufe zu realisieren und in einem automatisierten Durchlauf zu betreiben. Dieser analytische Zugang auf allen Ebenen
ermöglicht eine maximale Testtiefe: der Grundstein für robuste
und harmonierende Komponenten und damit letztendlich für
zufriedene Elektromobilitätskunden. (av)
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Autoren
Dr. Kiriakos Athanasas
Geschäftsführer der Comemso GmbH.
Dr. Heiner Hild
Gruppenleiter und Produktmanager im
Bereich VT System bei Vector Informatik.
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