u glhvh :rfkh - Stadtmühle Willisau

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u glhvh :rfkh - Stadtmühle Willisau
WB | Hinterland
Dienstag, 26. Januar 2010
Willisauer Bote | Wiggertaler Bote Nr. 7
|7
«Wir leben in der Gebrauchsschweiz»
Willisau | LandStadt: Benedikt Loderer referierte in der Stadtmühle
Kommt in die Stadtmühle: der
Foto zvg
Musiker Lucien Dubuis.
Jazz-Trio
in Willisau
Willisau. Am kommenden Samstag ist im Hinterland einmal mehr
Jazz angesagt: ein Trio um Lucien
Dubuis spielt in der Stadtmühle.
Dubuis verarbeitet locker eine Vielzahl von verschiedenen Einflüssen,
die ihn geprägt haben. Auf die Frage, was seine musikalischen Einflüsse seien, hatte er in einem Interview mit «Citizen Jazz» folgende
Namen genannt: Cannonball Adderley, Beasty Boys, John Zorn, Rage
against the Machine, John Coltrane,
Michael Jackson, Albert Ayler, Marc
Ribot, David Sanborn, Hans Koch,
Tom Waits, Eddie Lockjaw Davis,
Madonna, Phil Woods, Run DMC,
Karl Denson, Sex Mob, Björk, The
Roots.
Das Trio spielt einen Jazz auf der Basis von Free-Funk, mit punkiger
Energie und viel Humor. Die Musik
schweift und reift, groovt und tanzt.
Am Jazz Festival Willisau 2005 trat
das Trio mit dem Gitarristen Marc
Ribot auf. Es spielen Lucien Dubuis
(bcl, as), Roman Nowka (b) und Liont
nel Friedli (dr).
Samstag, 30. Januar, 20 Uhr, Stadtmühle
Willisau, Reservationen:
troxler@jazzwillisau. 041 970 27 31.
Raumplanungsexperte Benedikt Loderer betitelt sich selbst
als «der böse Bube vom Dienst».
In der Willisauer Stadtmühle
sprach er über die Zersiedelung der Landschaft und warum es weh tun würde, etwas
dagegen zu tun.
folgsgeschichte. «Alle profitieren davon:
Der Bauer, der das Land verkauft, der
Notar, der Architekt, der Handwerker,
der Banker, die Gemeinde und schliesslich der Hausbesitzer.»
So habe eine Verwandlung stattgefunden, von der «Schönschweiz», der Postkartenschweiz, in der wir zu leben meinen, hin zur «Gebrauchsschweiz», in der
wir wirklich leben. Hoffnung auf ein Ende dieser Entwicklung hat Loderer keine.
Wir seien schliesslich der Meinung, die
Wirtschaft müsste stets wachsen. «Es besteht ein allgemeiner Konsens darüber,
dass es uns zusteht, immer reicher zu
werden.» Um die Zersiedelung zu stoppen, müssten wir aber den Konsum einschränken.
von Monika Wüest
«Wie soll sich Willisau in Zukunft entwickeln? Was sollen wir tun?» Diese Frage,
stellte Gesprächsleiter Josef J. Zihlmann
im Anschluss an ein Referat von Benedikt Loderer* in der Stadtmühle. Loderer, der sich in seiner Rolle als Provokateur sichtlich gefiel, wollte die Frage partout nicht verstehen. «Ihr redet immer
von dem, was ihr nicht habt», sagte er.
«Aber: Willisau ist vorhanden, das habe
ich heute mit eigenen Augen gesehen.»
Die Frage sei, ob Willisau wirklich wachsen müsse. «Geht es euch denn so
elend?» Die Willisauer – und die Schweizer überhaupt – lebten heute doch so gut
wie noch nie zuvor.
«Willisau ist eine Stadt»
«Raumplanung und Raumentwicklung –
Wie ländlich will die Landschaft bleiben?»
hiess das Thema des Referats von Benedikt Loderer am letzten Donnerstag. Dazu eingeladen hatte die offene Arbeitsgruppe LandStadt Willisau. Loderer stellte
allerdings gleich zu Beginn den Titel seines Referats in Frage. Er habe sich in Willisau umgesehen. «Sobald man die Bahnhofstrasse hinauf geht, wird klar: Man
befindet sich in einer Stadt.» Die Frage,
wie ländlich die Landschaft bleiben wolle, sei für Willisau daher falsch gestellt.
Aber offenbar hätten die Schweizer ein
Landschafts-Gen im Blut. «Wir fühlen uns
nur wohl, wenn wir das Gefühl haben, auf
der Landschaft zu sein.»
«Ich halte nichts von einem Appell
an die Vernunft – aber viel von
Kostenwahrheit.»
Benedikt Loderer, ehemaliger Chefredaktor Hochparterre
Diese Landschaft sei allerdings dabei, zu verschwinden, seit es immer weniger Bauern gebe. Für diese sei das
Land ein Produktionsfaktor. Deshalb
gingen sie sparsam und nachhaltig da-
mit um. Der Grossteil des Landes sei inzwischen aber von einer Produktionsstätte zum Konsumprodukt geworden,
so Loderer. Das habe zur Zersiedelung
geführt. Land als Bauland sei eine Er-
Pendler sind für Zersiedelung
mitverantwortlich
Die Zersiedelung der Landschaft habe
auch mit den Pendlern zu tun. Die Agglomeration reiche heute soweit, wie das
Auto fahre, sagte Loderer. «Jeder Pendler
ist für einen Jahrring an der Zersiedelung
verantwortlich.» Doch diesen Zustand,
der uns nun so störe, hätten wir selbst
geschaffen. Etwa mit dem Bau des Autobahnnetzes. Etwas gegen die Pendlerströme – und damit gegen die Zersiedelung – könne man schon tun, antwortete
Loderer auf eine Frage aus dem Publikum. Von einem Appell an die Vernunft
halte er aber nichts. Denn: «So vernünftig sind wir Menschen nicht.» Viel halte
er dagegen von Kostenwahrheit. Die
Schweizer könnten etwa demokratisch
beschliessen, bei der Benützung von
Strassen und des Öffentlichen Verkehrs
so viel zu bezahlen, wie dies effektiv kostet. «Aber das tut weh», so Loderer.
*Dr. Benedikt Loderer ist Mitbegründer und
langjähriger Chefredaktor der Zeitschrift
Hochparterre. Er beobachtet und kommentiert
die Bautätigkeiten in der Schweiz seit langem
und kennt die spezifischen Probleme der
Raumplanung.