Es perlt... Die Perle ist durch ihre schimmernde Oberfläche, die
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Es perlt... Die Perle ist durch ihre schimmernde Oberfläche, die
Es perlt... Die Perle ist durch ihre schimmernde Oberfläche, die Ebenmäßigkeit ihrer Rundung – oder gerade gegenteilig durch die bizarren Formen – und ihre geheimnisvolle Entstehung bestimmt. Ihre Schönheit, ihr Glanz und ihre weiße Farbigkeit ließen sie zum Attribut der Göttin Venus werden. Schon früh wurde die Perle in verschiedenen Kulturkreisen im Schmuck verarbeitet und mit symbolischem Wert belegt. Sie war zudem Zeichen für Macht, Status und Reichtum. In jüngerer Vergangenheit wurde die Perle in der Perlenkette zum großbürgerlichen Statussymbol und geriet darüber etwas ins Abseits. In den letzten Jahren lässt sich nun ein neues Interesse an der Perle erkennen: Am Beispiel der Perle wird nicht nur über die traditionellen Funktionen von Schmuck reflektiert, sondern es werden auch neue innovative Formen der Gestaltung mit der Perle erprobt. Die Ausstellung der Galerie Handwerk beschäftigt sich mit diesen ungewöhnlichen Formen der Gestaltung nicht nur im Medium des Schmucks, sondern auch in der Installation, dem Bild und dem Objekt. Im Vordergrund steht jedoch der Schmuck. Werke von 43 internationalen Künstlern werden präsentiert, um einen Überblick über die verschiedenen Tendenzen bei diesem aktuellen Thema zu geben. Nach einer jahrelangen Geringschätzung der Perle, gerade im Bereich des Autorenschmucks, fällt nun ein intensives Interesse dafür auf. Dieses wurde auch wieder in der Sonderschau „Schmuck“ auf der Internationalen Handwerksmesse 2010 in München deutlich. Nach einer langen Zeit, in der Minimalismus, eine gewisse architektonische Konstruktionsweise und Funktionalität bei der Gestaltung von Dingen bzw. eine stark persönlich und kritisch geprägte Auffassung beim Schmuck im Mittelpunkt standen, ist nun wieder eine neue Freude an der Pracht und dem Reichtum, ein Rückgriff auf Ornamente und eine Formensprache festzustellen, die dem Barock entlehnt ist. Vor diesem Hintergrund scheint dann auch die Beschäftigung mit der Perle, deren Gestaltung im Barock einen Höhepunkt erfuhr, keinesfalls erstaunlich. Die Ausstellung zeigt Werke, die echte Perlen – also natürlich in der Muschel gewachsene oder gezüchtete Perlen – verarbeiten. Hierbei wird die Perle zumeist mit anderen Materialien kombiniert, die auf ihre Genese und Assoziationen anspielen oder mit der Perle kontrastieren, sei es in Materialwert, Farbigkeit oder Wirkung. Der Schimmer und Glanz der Perle werden durch die Kombination mit anderen Materialien gebrochen und die Perle dadurch in ihrer Wirkung verfremdet. Seite 1 Diese Arbeiten spielen auf die Tradition der Perlenkette an, distanzieren sich jedoch durch einen markanten Bruch in der Gestaltung. Weiterhin finden sich Schmuckobjekte aus alten und neuen Glasperlen. Sie müssen, wie die Beispiele zeigen, nicht unbedingt der „klassischen“ runden Perlenform folgen, sondern können auch von ungewöhnlicher Form sein. Kleine Glasperlen werden gerne über Formen zu größeren Perlen zusammengefügt oder aber in längeren Strängen arrangiert. Gerade die Nadelarbeiten beziehen sich auf historische Vorbilder und spielen mit Assoziationen und Erinnerungen. Durch die neuen Arten des Arrangements und der Verbindungen entstehen zugleich neue Trag- und Erscheinungsweisen für Perlen, darunter auch skulpturale Gebilde. Daneben finden Perlen aus Holz, Metall, Kunststoff und Halbedelsteinen Verwendung, aber auch aus ungewöhnlicheren Materialien wie Marmor und Naturmaterialien – aus Bohnen und Samen. Über die schmückende Funktion der Perlenkette wird auch in Objekten und Installationen reflektiert. Ketten und Schmuckstücke können zu überdimensionalen Proportionen vergrößert werden und mit einer Bedeutung versehen werden, in der die Perle als Assoziationsrahmen fungiert. Ziel der Ausstellung ist es, die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Perle in ihrer ganzen Breite, Vielfalt und Phantasie zu präsentieren. Perlen aus verschiedenen Materialien und der Reichtum in der Formgebung werden an Beispielen internationaler Schmuckkünstler vorgestellt. Es sind Arbeiten aus Australien, Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, den Niederlanden, aus Norwegen, Österreich, der Schweiz, der Tschechischen Republik und den USA vertreten. Durch Beispiele von Perlenschmuck aus anderen Kulturkreisen wie Afrika und Indien sollen die weitreichende Bedeutung dieser Schmuckform, die kulturellen Begegnungen mit Europa sowie die spezifischen kulturellen Konnotationen des Perlenschmucks angedeutet werden. Die Perle Unter Perle im engeren Sinn ist eine bestimmte Bildung von Schalenbestandteilen um eine Zelle zu verstehen; die Perle im weiteren Sinn ist ein Schmuckelement von zumeist runder Form, das aus unterschiedlichen Materialien – Holz, Glas, Metall, Edelstein etc. – bestehen kann und ein Loch in der Mitte besitzt, so dass es aufgefädelt oder aufgenäht werden kann. In anderen Sprachen, so im Englischen, sind die Unterschiede klarer: „pearl“ meint die „echte“ Perle, „bead“ dagegen die Perle als Form, die in verschiedenen Materialien ausgeführt sein kann. Perlen aus unterschiedlichem Material waren eine der frühesten Schmuckformen und mit symbolischer, oftmals Unheil abwehrender Bedeutung belegt, die sich z. T. bis heute in vielen Kulturkreisen erhalten hat. Perlen sind in eigentlich allen Regionen seit langer Zeit gebräuchlich. Sie werden in Glas, Kunststoff, Stein, Metall, Holz und anderen Materialien hergestellt, wobei nun nicht vornehmlich mehr versucht wird, die „echte“ Perle nachzuahmen, sondern eher ausgehend von Form und Funktion mit neuen Materialien und ästhetischen Möglichkeiten experimentiert wird. Die Perle und ihre Entstehung Die Entstehung der Perle war lange Zeit ein Geheimnis. Im Altertum glaubte man, dass die Perle dadurch entsteht, dass der Tau des Mondes in die Muschel eindringt. Zweifel an dieser Theorie kamen schon früh auf, so 1554 mit Guillaume Randolet. Seite 2 Eine Vielzahl unterschiedlicher Theorien zur Genese der Perlen kursierte. Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass sich Perlmuttschichten um ein in die Muschel gelangtes Sandkorn ablagern und dadurch die Perle gebildet wird. Heute wird vermutet, dass Perlen darauf zurückgehen, dass eine der das Perlmutt bildenden Epithelzellen von der äußeren Schicht des Muschelmantels durch das Eindringen eines Fremdkörpers in die Muschel hinein gedrückt wird, sich hier nun die Zellen vermehren und einen sogenannten Perlensack aus Zellgewebe bilden, in dem dann das Perlmutt abgelagert wird. Schon um 1600 bestand die Vermutung, dass die Perle aus dem gleichen Material wie Muschelschale und Perlmutt bestehen würde, also weitgehend aus Kalziumkarbonat. Sie unterscheiden sich jedoch in den Anteilen der jeweiligen Mengen. Die Perle ist, da sie weniger Wasser enthält, härter und widerstandsfähiger als Perlmutt. Die Perle besteht aus Conchyn und Argonitkristallen, die übereinanderliegen, so dass beim Betasten einer Perle eine unregelmäßige Oberflächenstruktur zu erfühlen ist. Als Qualitätskriterium einer Perle gelten die Regelmäßigkeit der Oberfläche und ihr Glanz, der Lüster. Dieser entsteht durch die Lichtreflexion und richtet sich nach der Anzahl der Schichten. Der Glanz nimmt mit der Dünnheit und Anzahl der Schichten zu. Je nach der Art der Muschel, in der sich die Perle bildet, variiert ihre Farbigkeit. Sie kann von Weiß (besondere Reinheit in der Gegend von Australien), über Gelb (Ceylon), Rosa (Indischer Ozean), Braun und Grau ins fast Schwarze (vor der Kalifornischen Küste) reichen. Das Farbenspektrum kann durch Färbung erweitert werden. Auch in der Größe und Form kann die Perle nach Herkunft und Entstehungsbedingungen stark variieren. Perlen sind seit langer Zeit bekannt und geschätzt. Schon im frühen China (2206 v. Chr.) sind sie als Tributzahlung überliefert. Auch bei den Griechen und Römern war die Perle („margarita“) als kostbarer Schmuck begehrt. Besonders unter den römischen Kaisern erfreuten sich Perlenschmuck und perlenbestickte Kleidungsstücke großer Beliebtheit. Die frühen Perlen stammen aus dem Golf von Mannor (Indischer Ozean), dem Persischen Golf und dem Roten Meer mit dem Zentrum Massaona (Muschel: Pinctada radiata). Über die Perlentaucher im Golf von Mannor berichtete bereits 1494 Marco Polo; die Perlen im Persischen Golf werden schon bei Plinius in der „Historia Naturalis“ erwähnt (um 79 n. Chr.). Perlen aus Venezuela, Panama und von der kalifornischen Küste gelangten erst um 1500 nach der Entdeckung Amerikas durch Christopher Kolumbus nach Europa (Muschel: Pinctada imbricata, Pinctada mazatalantica). Gemälde der Renaissance und des Barock zeigen, dass Perlen genau wie Edelsteine, die aus den Kolonien importiert wurden, zu prächtigen Statussymbolen wurden. Australische Perlen von der Nordwestküste sind erst seit dem späten 19. Jahrhundert bekannt. Das Verfahren der „Perlenernte“ blieb über lange Zeit das gleiche: Zu bestimmten Erntezeiten tauchten die Perlentaucher, um die Muscheln von den Muschelbänken in 10 bis 20 m Tiefe loszuschneiden. Geöffnet und auf ihren Inhalt hin untersucht, wurden die Muscheln erst auf den Booten oder am Festland. Wegen ihrer Seltenheit, ihrem reinen Weiß und der mysteriösen Entstehung erhielt die Perle schon früh eine symbolische Bedeutung. In China wurde sie mit Reichtum, Würde und Weisheit verbunden, in Japan steht sie für Glück. In der Antike wurde sie der Venus zugeordnet und mit Schönheit und Liebe assoziiert. Im Mittelalter wurde die Perle dann mit Maria verbunden und symbolisierte deren Schönheit, Reinheit und Jungfräulichkeit. Seite 3 Hierin wurden antike Tendenzen aufgegriffen, denn der Mondgöttin Luna zugeordnet stand die Perle bereits für Schönheit und Reinheit. Perlen dienten als kostbarer Schmuck von sakralen Gefäßen und Reliquienschreinen. Gott und die Heiligen wurden mit der Schönheit und der Seltenheit der Perle gefeiert und verehrt. Perlen wurden außerdem zur Auszeichnung der Herrscher eingesetzt. Im Mittelalter erscheinen Perlen auch im Kontext von Rosenkränzen. Solche Gebetsperlen wurden auch von anderen Religionen verwendet und finden sich z. Bsp. bei den Buddhisten, Hindus und im Islam. Wegen ihres ästhetischen Reizes und ihrer Kostbarkeit, wegen ihrer Verbindung mit Schönheit und Reinheit war die Perle schon früh ein beliebtes Schmuckstück für Frauen. Diese Assoziationen ließen sie auch zu einem persönlichen Symbol der „virgin queen“, der jungfräulichen Königin, Elisabeth I. von England, aber auch zu einem angemessenen Schmuck für junge Frauen und Bräute bis in unsere Zeit werden. Bei Elisabeth I. diente die Perle zugleich dazu, ihre Macht, den Reichtum und die Größe Englands und die Ausdehnung des englischen Seereiches zu demonstrieren. Auf fast allen Porträts ist die Königin mit reichem Perlenschmuck dargestellt. Berühmte Geschichten sind mit der Perle verbunden, oftmals mit bedeutenden Frauengestalten. Als bekannteste Geschichte gilt wohl diejenige, in der Kleopatra während eines Festmahls für Marc Anton eine große Perle aus ihren Ohrringen in Essig auflöst, um ihrem Gast ein besonders teures Mahl zu kredenzen. Die Zuchtperle Es wird zwischen der „echten“, der natürlich gewachsenen Perle und Zuchtperlen unterschieden. Bei Zuchtperlen wird ein runder Kern aus der Muschelschale zusammen mit einem Stück des Mantelgewebes der Spendermuschel in eine Muschel eingefügt. Die Form der Perle ist abhängig von der Form ihres Kerns. Nicht alle Muscheln sind für die Perlenzucht geeignet. Für die Zucht im Meerwasser werden Pinctada-Muscheln (Perlmuscheln), für die Zucht im Süßwasser Hyriopsis-Muscheln verwendet. Die Muscheln befinden sich in Muschelkörben im Meer, und die Perle wächst im Laufe mehrere Jahre (zwischen 2-6 Jahren) heran. Die im Meer wachsende Zuchtperle ist von verschiedenen Gefahren wie Algenpest, Naturkatastrophen und Umweltverschmutzung bedroht. Ansonsten entsprechen die Zuchtperlen in Hinblick auf Material, chemische Zusammensetzung und optisches Erscheinungsbild der auf natürliche Weise entstandenen Perle. Die ersten runden Zuchtperlen wurden in den frühen 1920er Jahre durch Kokichi Mikimoto vertrieben, der auf den Erfahrungen von japanischen und australischen Forschern aufbauen konnte. 1913 hatte der deutsche Zoologe Friedrich Alverdes festgestellt, dass sich die Perle nicht um einen Fremdkörper in der Muschel bildet, um ihn zu isolieren, sondern auf die Bildung eines Perlsackes in der Muschel selbst zurückgeht. Schon 1758 experimentierte Carl von Linné mit einem Gipskern, der mit einem Draht in eine Süßwassermuschel gegeben wurde. Erste Ergebnisse mit Perlmuttablagerungen um ein künstlich eingefügtes Element in der Muschel stammen bereits aus dem 5. Jahrhundert. Hierbei handelt es sich um die sog. Buddha-Perle: Kleine Buddha-Figuren aus unterschiedlichen Materialien wurden in die Muschel eingefügt und dort im Laufe der Zeit mit Perlmuttablagerungen bedeckt. Solche Arbeiten sind aus der chinesischen Sung-Zeit (11. Jahrhundert) bekannt und hatten Amulettfunktion. Seite 4 Zuchtperlen werden nach ihrer Herkunft unterteilt: die Akoya-Perlen (Muschel: Pinctada martensii und Pinctada chemnitzii) stammen aus dem japanischen und chinesischen Meer, die größeren Perlen der Pinctada maxima aus der Gegend von Australien, Indonesien und den Inseln im Südpazifik, die Kasumiga-Perle aus dem japanischen Kasumiga-See bei Tokio, die Biwa-Perlen aus dem japanischen Biwa-See, wo bis 1990 Perlen gezüchtet wurden. Hierbei handelt es sich um Süßwasserperlen, denen der eingepflanzte Kern fehlt. Die Tahiti-Perle (Pinctada margaritifera) wiederum ist eine dunkelgraue oder fast schwarze Perle, die einen reizvollen grünlichen oder silbrigen Lüster besitzt. Heute stammen die meisten SüßwasserZuchtperlen (freshwater pearls; Muschel: Hyriopsis cumingii) aus China. Sie wachsen ohne Kern und sind dadurch der „echten“ Perle sehr ähnlich. Flussperlen (Muschel: Margaritana margaritifera) sind zumeist klein, von nicht ganz runder Form und besitzen einen weniger intensiven Lüster als andere Perlen. Sie entstehen in nordeuropäischen Flüssen, benötigen sauberes und kalkarmes Wasser und haben eine sehr lange Entstehungszeit (20-25 Jahre für eine 4 mm große Perle). Flussperlen wurden in Sachsen und Russland schon früh gesammelt und verarbeitet. Auch aus bayerischen Flüssen haben sich seit dem 15. Jahrhundert Flussperlen erhalten. In der Mitte des 18. Jahrhunderts versuchte Kurfürst Max III. Josef sogar, eine Muschelzucht in den Kanälen von Nymphenburg, Schleißheim und Feldmoching einzurichten. Nicht nur die Herkunft der Perle, auch ihre Form dient als Unterscheidungskriterium. Als Bouton-, Blister- oder Schalen-Perle werden cabochonförmige Perlen bezeichnet, die an der Muschelinnenseite wachsen und herausgeschnitten werden müssen. Unter Mabé-Perlen werden Halbperlen von ungewöhnlicher Form verstanden. Flügelperlen sind lang und dünn. Die Barock-Perle ist von unregelmäßiger Form. Formen des historischen Perlenschmucks Die Barock-Perle erfreute sich großer Beliebtheit im 16. bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts und wurde in aufwendige Schmuck- und Kunstkammerstücke integriert und mit Gold, Email und Edelsteinen kombiniert. Häufig wurde sie als Körper bei kleinen figürlichen Arbeiten verwendet und diente als zentraler Bestandteil bei der Konzeption von phantasievollen Meereswesen, Musikanten oder Groteskfiguren. In München war der aus Trient stammende Goldschmied Giovanni Battista Scolari zwischen 1567 und 1583 ansässig, der für Albrecht V. aufwendige Schmuckanhänger mit figürlichen Szenen in Email, Edelsteinen und Perlen ausführte. Am Hofe Rudolfs II. in Prag war Erasmus Hornick (gest. 1582) tätig. Er fertigte Ornamententwürfe und aufwendige Schmuckstücke aus verschiedenen Materialien unter Verwendung von Perlen an. Auch in den Sammlungen Augusts des Starken im Grünen Gewölbe in Dresden haben sich solche figürlichen Arbeiten erhalten. Sie dokumentieren das Interesse des Barock am Seltsamen und Bizarren sowie die hohe Wertschätzung von kostbaren Materialien und ihrer kunstfertigen Verarbeitung von höchster handwerklicher Qualität. Ein entsprechender Einsatz der Perle und eine ähnlich phantasievolle und evokative Kombination mit anderen Materialien lässt sich dann erst wieder in der Art Nouveau bei Schmuckkünstlern wie René Lalique, Georges Fouquet oder Philippe Wolfers finden. Hier ging es darum, in der Kombination wertvoller und einfacher Materialien ein Naturobjekt oder eine Naturstimmung wirkungsvoll nachzuahmen und umzusetzen. Das Material wurde dabei wegen seines Suggestionswertes, nicht wegen seines Materialwertes ausgesucht. Seite 5 Dabei wurden Barockperlen gerne mit Motiven aus dem Wasserbereich und mit Nymphen kombiniert, während runde Perlen Mistelbeeren nachahmen konnten. Lalique kombinierte den Lüster der Perlen gerne mit Blautönen. Perlen wurden häufig als frei hängender unterer Abschluss eines Anhängers bzw. einer Brosche verwendet. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erfreuten sich Garnituren aus „seed pearls“ (Saat- oder Staubperlen) – kleine, in der Regel etwas unregelmäßig geformte Perlen – großer Beliebtheit. Diese preiswerten, zumeist aus China oder Indien importierten Perlen wurden mit Seidenfäden oder Pferdehaar zu aufwendigen Schmuckstücken verarbeitet. Die Rahmen für die Ketten und Broschen von oftmals spitzenartigem Ornament waren aus Metalldrähten, Messing- und Perlmuttplatten gebildet. Die Perlen sind in dichtem Neben- und Übereinander angeordnet. Künstliche Perlen Es wurde schon früh wegen Kostbarkeit und ästhetischem Reiz versucht, Perlen zu imitieren, wobei verschiedene Verfahren verwendet und erprobt wurden. Hierzu zählen Wachsperlen und vegetabilische Perlen. Bei den Wachsperlen besteht das Äußere aus kleinen hohlen Glaskugeln, die innen mit Farbstoff (Fischsilberpräparate, leichtflüssige Legierungen oder mit gummi arabicum gebundene Farbstoffe) beschichtet und dann mit Wachs gefüllt wurden. Diese Technik entwickelte im 17. Jahrhundert der Pariser Rosenkranzhersteller Jaquin. Besonders ähnlich gerieten die Fischsilberperlen. Hier wurden auf der Außenseite der Glasperle gemahlene Fischschuppen aufgetragen oder die Innenseite mit einer Mischung aus Fischsilber und Leim ausgekleidet und dann mit Wachs gefüllt. Ein Zentrum für die Herstellung dieser Fischsilberperlen war neben Paris und Venedig auch Schwäbisch Gmünd. Vegetabilische Perlen stammen zum Beispiel aus Indien. Sie finden sich frei liegend in den Höhlungen von Kokosnüssen und ähneln in Glanz und Oberflächenwirkung den „echten“ Perlen. Perlen wurden zudem aus anderen weißlichen Materialien wie Koralle, den Zähnen des Dugong (Gabelschwanzseekuh oder Seeschwein), den Nüssen der Steinnuss, aus Alabaster, Gips und Perlmutt hergestellt. Bei den Perlmuttperlen sind verschiedene Arten zu unterscheiden: gedrechselte und polierte Perlmuttkugeln (Kompositperlen), gedrechselte Perlmuttkugeln mit bräunlichem oder bläulichem Lüster (Antillenperlen), Perlen aus pulverisiertem, gepresstem Perlmutt (Perles des Indes). Seite 6 Photorechte: Simon Bielander, David Bielander David Bielander Ironie und Witz zeigt David Bielanders (geb. 1968 Basel) Perlenschwein. Ein profanes Alltagsmotiv, ein Tier, das traditionell mit keinerlei edler Assoziation belegt ist, sondern eher dem Gegenteil, wird in kostbaren und eleganten Perlen, einem großbürgerlichen Statussymbol, ausgeführt. Die rosige Haut des Tieres wird durch den rosafarbenen Lüster der Perlen suggeriert. Graue Perlen bilden die Augen. Die Perlen sind auf ein feines Goldgerüst gesetzt, so dass sich der Kopf als Brosche plastisch abhebt und das Gegenüber des Trägers anzuschauen scheint. David Bielanders Perlenschwein und seine Perlenschnecke passen sich in eine Reihe von Werken ein, in denen er sich mit der Tier- und Pflanzenwelt beschäftigt, wobei die Materialwahl nach dem doppelten Anliegen des Trompe l’œils und des Erstaunen erfolgt. Sowohl Träger als auch Betrachter werden bewegt, auf die in Schmuck verwandelte Natur zu reagieren, da der Kontext des natürlichen Gegenstands sich geändert hat und dadurch die Beziehung zwischen Träger und Objekt zunächst fremd erscheint. David Bielanders Nadeln „Was glotzt du so?“, bei denen er aus Plastikschnullern maskenartige Köpfe bildet, welchen er Augen aus Perlen einsetzt, scheinen den Effekt seiner Arbeiten zusammenzufassen. Der Betrachter schaut erstaunt auf die lebendigen Wesen, die sich am Körper befinden und lässt sich durch den einfallsreich-ironischen Umgang mit den Materialien und die die üblichen Schmuckkonventionen vernachlässigende profane Motivik täuschen und irritieren. Damit stehen David Bielanders Arbeiten im besten Sinne in der Tradition der großen Meister des niederländischen Trompe l’œils des 17. Jahrhunderts, die ebenfalls die Sehgewohnheiten herausforderten, den Betrachter auf nachdenkliche und humorvolle Weise zugleich verwunderten. Ausbildung 1989-1993 1993-1995 1995-2001 2002 Seit 2006 Goldschmiedelehre bei Kurt Degen, Basel Tätigkeit als Goldschmied bei Georg Spreng, Schwäbisch Gmünd Studium an der Akademie der Bildenden Künste München, Klasse für Schmuck und Gerät unter Prof. Otto Künzli. Seit 1999 Meisterschüler bei Prof. Otto Künzli Diplom Künstlerischer Mitarbeiter von Prof. Daniel Kruger, Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design, Halle Verschiedene Stipendien, zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, darunter die Sonderschau „Schmuck“ auf der Internationalen Handwerksmesse München 2001, 2009 und 2010 Seite 7 sowie 2008 „Des Wahnsinns fette Beute“ in der Neuen Sammlung/Pinakothek der Moderne München sowie Einzelausstellungen in der Galerie Biró in München (2003, 2006) und der Galerie Louise Smit in Amsterdam (2004, 2006, 2009). Beteiligung an zahlreichen Gruppenausstellungen. David Bielanders Arbeiten befinden sich in internationalen Sammlungen, darunter die Danner Stiftung, die Neue Sammlung/Pinakothek der Moderne München und die Hiko Mizuno Collection in Tokio. Er unterrichtete an der Konstfack, Stockholm, und hielt Vorträge an bedeutenden internationalen Schmuckschulen. Preise 2009 Förderpreis für angewandte Kunst der Stadt München 2010 Herbert-Hofmann-Preis, München Seite 8 Laura Deakin Auf der Auseinandersetzung mit der klassischen Perlenkette beruht Laura Deakins (geb. 1979 Kew, Australien) Projekt „Dishonest Pearls“ von 2006. Den Ausgangspunkt bildete die klassische und konventionelle Perlenkette – ein konservatives Statussymbol, mit dem zugleich ein bestimmtes Frauenbild assoziiert ist. Deakin übernahm die Idee der Aneinanderreihung gleichartiger Perlen durch eine Bandverknüpfung. Für ihre Perlen verwendet sie Polyesterfeinspachtel, Seide und Perlmutter. Grundlage bilden handelsübliche Perlenimitate aus Glas und künstlichem Perlmutt. Neu sind nun jedoch die Perlen: Deakin schneidet sie durch und klebt sie mit Spachtel wieder zusammen. Dabei variiert der Spachtel in seiner Farbigkeit abhängig zu derjenigen der Perle. Der Spachtel kann auch als Farbkontrast eingesetzt werden. Die vollendete regelmäßige Wölbung der Perlen steht in Widerspruch zu der unregelmäßigen Oberfläche des Spachtels, der aus den Perlen herauszuquellen scheint. Bei ihren „Filled Pearls“ von 2007 drückt Deakin die Perlen in die Spachtelmasse hinein. Beim Herauslösen der Kette aus dem Kitt bleibt die Perlmuttbeschichtung der Perle in der durch das Eindrücken gebildeten Vertiefung haften. So bestehen ihre Ketten nicht aus den Perlen, sondern aus dem Abguss, dem Abdruck der Perle, von der als „Erinnerung“ der Perlmutt auf der Innenseite des Abdrucks sichtbar bleibt. Die „Naked Pearls“ bestehen aus den „Resten“, aus den Glasperlen, bei denen der Perlmuttmantel entfernt wurde. Bei den „Hidden Pearls“ bleiben die Perlen im Kitt ruhen und scheinen aus ihm herauszubrechen. Die unregelmäßige gräuliche Oberfläche des Spachtels lässt Muscheln und damit das natürliche Entstehungsumfeld der echten Perle assoziieren. Laura Deakin beschäftigt sich in ihren Perlenketten auf eine neuartige und innovative Weise mit dem klassischen Thema der Perlenkette. Die bekannte Perlenkette bleibt als Bezugsrahmen bestehen, doch die ästhetische Gestaltung verfolgt neue Ziele, und die Unregelmäßigkeit, das Motiv des Herausquellens oder Hervorbrechens, vermittelt der Perlenkette, die eher Ruhe und Perfektion ausstrahlt, eine neue Dynamik und Lebendigkeit. Aus Bekanntem entsteht somit etwas ganz Neues und Ungewohntes. Seite 9 Ausbildung 1998-1999 2002 2000-2002 Seit 2004 2010 Royal Melbourne Institute of Technology, Diplom Kookmin University, Süd Korea, bei Jong Ill Jon Monash University, Melbourne, bei Marian Hosking. B.A. für Schmuck und Gerät Akademie der Bildenden Künste München, Klasse für Schmuck und Gerät bei Prof. Otto Künzli Diplom Preise 2007 BKV-Preis Laura Deakins Arbeiten waren auf zahlreichen internationalen Ausstellungen zu sehen, darunter auch auf der Sonderschau „Schmuck“ auf der Internationalen Handwerksmesse München 2009, „Des Wahnsinns fette Beute“ 2009 in der Neuen Sammlung/Pinakothek der Moderne München sowie bei „Talente“ auf der Internationalen Handwerksmesse in München 2004. Seite 10 Sam Tho Duong Sam Tho Duong (geb. 1969 Bien Hoa, Vietnam) verwendet in seinen Ketten aus der Serie „Frozen“ und den Broschen aus der Serie „Look“ oxidiertes Silber und weiße Süßwasserreiskornperlen. Diese arrangiert er zu dichten Trauben, die an den zweigartigen Kettengliedern befestigt werden oder mit diesen abwechseln. Die Eleganz und der Sinn für Proportionen, die Sam Tho Duongs Arbeiten auszeichnen, erinnern an die Darstellung von Pflanzen in ostasiatischen Tuschzeichnungen und Holzschnitten. Auch die äußerste Zurückhaltung, formale Reduktion, die feinen Nuancierungen, die Arbeit mit Assoziationen – d. h. die floralen Restformen, die durch die Phantasie des Betrachters ergänzt werden können – scheinen auf die ostasiatische Kunst zurückzugehen. Die Arbeit mit oxidiertem Silber, dessen Oberfläche unregelmäßig gefärbt ist, gibt den Werken zugleich einen Anschein von Vergänglichkeit. Die Pflanzen scheinen den Einwirkungen des Wetters und der Jahreszeiten ausgesetzt und durch diese bedroht. Die Schönheit, die die Perlentrauben vermitteln, wirkt somit gefährdet und fragil. Die Broschen kontrastieren gehämmerte Silberflächen und solche, die dicht mit Perlen besetzt sind, sowie Öffnungen und Ausstülpungen. Sie lassen eher an geheimnisvolle Unterwasserlebewesen denken, deren Oberfläche durch das Wasser bewegt wird und die auf Steinen wachsen, wechle sich zu Höhlen öffnen. Ausbildung 1987-1989 1989-1992 1992-1993 1994-1998 1998-2002 Seit 2002 Berufsfachschule Pforzheim Berufskolleg für Design, Schmuck und Gerät, Pforzheim Goldschmiedelehre bei Dr. Wellendorff GmbH, Pforzheim Goldschmiedeangestellter bei Dr. Wellendorff GmbH, Pforzheim Hochschule für Gestaltung Pforzheim, Diplom-Design (Fachhochschule) selbständig Preise (Auswahl) 2009 Herbert-Hofmann-Preis Seite 11 Line Garlind Bei Line Garlind (geb. 1966 Oslo) kommt es zum Spiel mit den Formen: Sie kombiniert die Perlen mit Materialien, die eine ähnliche Form besitzen – mit Erbsen. Perlen und Erbsen bilden in dem Kontrast von glatter, schimmernder und unregelmäßiger, matter Oberfläche einen interessanten Kontrast. Das Kostbare und Einfache, das Besondere und der Alltag gehen in ihren Ketten eine stimmige, ästhetisch ansprechende, doch auch provozierende Mischung ein. Die Perlen-Erbsen-Kette ist von feiner Zierlichkeit, da sich die Perlen nach hinten hin verkleinern und in ein feines Band münden. Die Kette wird mit einer Schleife geschlossen. Diese informale, „lässige“ Art des Verschlusses mildert die Festlichkeit und Eleganz der Perlen ins Spielerische und Natürliche. Die Arbeit mit Oberflächenkontrasten bestimmt auch die anderen Werke Line Garlinds. Die strukturierte, matte Oberfläche des Holzes steht dem Schimmer des Quarzsteines gegenüber, das glänzende Silber dem Strahlen des Diamanten. Die Kugelform der Quarzperlen wird in dem Halsschmuck in der Kreisform des Holzanhängers aufgegriffen, dessen aufgelegtes Silberquadrat als weiteres Kontrastelement fungiert. Ausbildung 1987-1988 1990-1991 1991-1994 1994-1995 1995-1997 Oslo Drawing and Painting School Goldschmiedeausbildung, Elvebakken High School, Oslo Oslo National Academy of the Arts, B.A. Abschluss Gerrit Rietveld Akademie, Amsterdam Oslo National Academy of the Arts, M.A. Abschluss 1998, 2003 und 2008 mehrjährige Stipendien Lehrtätigkeit an der Elvebakken High School, Oslo, und der Oslo National Academy of the Arts. Zahlreiche Ausstellungen in Norwegen und anderen Ländern, darunter „Schmuck 2001“ auf der Internationalen Handwerksmesse in München. 2007 Einzelausstellung im Akershus Kunstnersenter. 2010 Einzelausstellung beim Kunstnerforbundet. Seite 12 Carmen Hauser Carmen Hauser (geb. 1977 Wiesbaden) stellt Neufassungen der klassischen Perlenkette vor, indem sie die Perlen mit Elementen aus der Kleidung kombiniert. So setzen die Perlenketten direkt an einem Kragen an und bilden gemeinsam mit diesem ein mehrsträngiges Collier oder aber Kragen und Krawatte werden aus den Perlen selbst gebildet. Neben Perlenketten verarbeitet Carmen Hauser die Perlen auch in feinen Strickgeweben. Hierdurch wird die Nähe zwischen Schmuck und Kleidung nochmals betont und ergibt sich ein anderes Zusammenspiel zwischen den Elementen von Schmuck und Kleidung. Die Perlen bewegen sich anders als bei den Ketten und haben eine andere Art von Bezug zueinander. Carmen Hauser verweist stets auf die Einheit von Kleidung und Schmuck – beides wird gemeinsam getragen – und hinterfragt in der Kombination von Kragen und Perlencolliers nicht nur die Diskrepanz von Alltags-/Arbeitskleidung und Schmuck, sondern zugleich von männlichen und weiblichen Sphären. Seit ihrem Studium beschäftigt sich Carmen Hauser mit Kleidung. Sie reduziert Kleidungsstücke auf ihre Konturen oder erarbeitet neue Kombinationen, wodurch z. Bsp. die Krawatte ganz neue Erscheinungsformen und Konnotationen erhält. Die Experimente mit Kleidung werden dabei zugleich zu Reflexionen über Tragegewohnheiten und Konventionen, zu gesellschaftlichen Einstellungen zur Kleidung, ihrem Symbolcharakter. Durch Reduktion und Transfer erhalten die Kleider einen anderen Charakter und stellen diese Gewohnheiten in Frage bzw. laden zum Nachdenken darüber ein. Ausbildung 1997-2000 2001-2006 2006 Goldschmiedelehre, Idar-Oberstein Fachhochschule Trier, Edelstein- und Schmuckdesign, Idar-Oberstein Werkstatt in Idar-Oberstein Preise 2000 2006 2008 Landessiegerin der Gesellenstücke Rheinland-Pfalz Marzee Graduation Prize, Galerie Marzee, Nijmegen Preisträgerin des Wettbewerbs „Krawatte und Krawattennadel“, Handwerksmuseum Deggendorf 2009 Grassipreis 2009, Leipzig Zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen im In- und Ausland. Seite 13 Susan Hoge Susan Hoge (geb. 1963) aus den USA verwendet in den Broschen ihrer „Chordata___Serie“ Süsswasserreiskornperlen, die sie auf Silikonkörpern zu Broschen arrangiert, welche wie Knochen oder knorpelige Äste geformt sind. Ihr geht es um den Kontrast von Luxus und Schönheit in Material und Oberflächen und dem Banalen, das in den Formen erscheint. Die Schönheit der Oberfläche, das Spiel des Lichts auf den Perlen, wird kontrastiert mit den seltsamen, organisch anmutenden Formen und der ungewöhnlichen weichen Haptik beim Berühren der Arbeiten, wodurch ein leichtes Unbehagen hervorgerufen wird. Die Broschen thematisieren darin das Verhältnis von Schönheit und Ekel. Susan Hoge arbeitet seit mehreren Jahren im Bereich der „couture jewellery“ und kreiert aus Perlen und Halbedelsteinen Schmuck, der durch die Farbigkeit und die Oberflächenqualitäten der verwendeten Perlen bestimmt ist. Ihre „Chordata___Serie“ ist gegenüber diesen Arbeiten durch einen experimentell-skulpturalen Ansatz geprägt, der Aspekte der Tragbarkeit vernachlässigt. Ausbildung 1981-1986 1989-1991 1992-1993 2005-2008 University of Michigan, Ann Arbor, Bachelor of Arts University of New Mexico, Albuquerque, Bachelor of Fine Arts Fashion Institute of Technology, State University of New York, Jewellery Studio Cranbrook Academy of Art, Bloomfield Hills, Metal work, Master of Fine Arts Preise 1991 2006-2008 University of New Mexico, Albuquerque: Charles Mattox Prize for Sculpture Cranbrook Academy of Art, Bloomfield Hills: Albert and Peggy de Salle-Stipendium Seite 14 Annelies Planteijdt Die Ketten von Annelies Planteijdt (geb. 1956 Rotterdam) sind auf vielfältige Weisen tragbar. Mit den Strängen aus unterschiedlichen Materialien lässt sich experimentieren. Sie können von der Trägerin auf immer neue Weise arrangiert werden. Zugleich besitzen die Arbeiten eine graphische Qualität: In der Fläche lassen sie sich zu verschiedenen geometrischen Mustern zusammenstellen, in denen sich runde und rechteckige Formen ergänzen. Sie erinnern manchmal in ihren klaren markanten Formen und klaren Farbbereichen an Arbeiten der niederländischen De Stijl-Gruppe oder des Minimalismus. In den jüngsten Arbeiten zeigt Annelies Planteijdt eine fast barocke Freude an üppigen Perlenarrangements und deren Form- und Farbspiel. So können runde und Barockperlen, Perlen von verschiedener Größe und unterschiedlichen Farbtönen zusammengestellt werden. Die runden Perlformen kontrastieren mit den für Annelies Planteijdts Werk charakteristischen Strängen aus schlanken farbigen Metallplättchen aus Gold, Titan oder Tantal – das Weiche und Gerundete stehen dem Strengen, eckig Gebrochenem gegenüber. Das Monumentale und Prächtige wird durch eine gewisse Rigidität, Klarheit und Nüchternheit gegengesteuert und ausgeglichen. Bei anderen Ketten kann die gerundete Perlenform durch ovale Kettenglieder unterschiedlicher Stärke ergänzt werden. Plastische und zeichnerische Elemente scheinen sich dabei zu verbinden. In der Ausstellung sind Arbeiten aus ihren Serien „Windows“ und „Wings“ vertreten. Sie gehören der Werkgruppe „Mooie Stadt“, schöne Stadt, an. Bei den „Windows“ werden die Metallglieder so angeordnet, dass sich liegend zwei Quadratformen ergeben. Die kleinere Quadratform, der Anhänger, ist mit Perlen geschmückt, die so eingefügt sind, dass sie ein „Fensterkreuz“ ergeben. Wird die Kette getragen, fällt das kleinere Quadrat wie ein Dreieck und das Fensterkreuz wird zu vier kurzen Perlenschnüren. Bei den „Wings“ besteht in der liegenden Präsentation die Mitte – „the figure“ – aus schmalen länglichen Metallplättchen, die sich zu geometrischen Formen und unterschiedlichen Rhombenformen zusammenfügen lassen. Daran schließen sich als „wings“ in flügelartigen Halbkreisen oder Kreissegmenten Perlenstränge an. Der klar gegliederte „Grundriss“ der liegenden Kette verwandelt sich durch das Tragen zu einem lebendigen, abwechslungsreichen Arrangement. Annelies Planteijdts Vorliebe gilt dabei den farbigen Perlen, die sie in unterschiedlichen Nuancen miteinander kombiniert. Sie verwendet in ihren Ketten grüne Tahitiperlen, weiße und gelbe Südseeperlen, rosa Barockperlen. Die Einfärbung der Metallplättchen oder die Wahl des verwendeten Metalls erfolgt auf eine solche Weise, dass die Farbtöne der Perlen aufgegriffen werden. Zugleich ergibt sich durch die unterschiedlichen Oberflächen eine elegante Spannung. Seite 15 Perlen aus roter Koralle und rot eingefärbte Goldstäbe kombiniert sie in der Kette „Roter Fluss“. die lang herabhängend oder mehrfach um den Hals geschlungen tragbar ist. Bei allen Ketten besteht getragen eine Seite aus Perlen, die andere aus den Metallstäben. Dabei erhalten gerade die jüngsten Arbeiten durch die Verwendung großer Perlen und durch die für Annelies Planteijdt charakteristische Verbindung der Metallplättchen durch Ösen, durch das Übereinanderlegen der Stränge Dynamik und Dreidimensionalität. Annemarie Planteijdts Ketten sind zugleich Schmuckstück und abstraktes Kunstwerk. Ausbildung 1974-1978 1978-1983 Vakschool voor Edelsmeden en Juweliers, Schoonhoven Gerrit Rietveld Akademie, Amsterdam Preise (Auswahl) 1990 Emmy van Leersum Preis für die Künste, Amsterdam 2000 FEJA (First European Jewellery Award), Wien 2004 Marzee-Preis, Galerie Marzee, Nijmegen 2006 Herbert-Hofmann-Preis, München 2004 Lehrauftrag am Royal College of Art, London Annelies Planteijdt war mit ihren Arbeiten in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten. Ihre Arbeiten befinden sich in den Sammlungen renommierter internationaler Museen und bedeutender Privatsammlungen. Photography©by Jean Beining Seite 16 Katja Prins Katja Prins’ (geb. 1970 Haarlem) „Knobbel“-Ringe bestehen aus Silber, Polyurethan und Perlen. Die Perlen sind auf die Innenseite des Rings gesetzt. Durch das Tragen werden sie in den Kunststoff gedrückt und bilden eine an der Außenseite sichtbare Ausbeulung. Die kostbare Perle wird allein in ihrem Abdruck erfahrbar. Nur der Träger sieht sie beim An- und Abnehmen des Rings. Katja Prins’ Collier kombiniert Latex und Perlen, wobei die Perlen Ausbeulungen hinterlassen, die zum Betasten und Fühlen einladen. Die ungewöhnliche Materialkombination, die Verwendung von Latex, die nur im Abdruck existierenden Perlen lassen einen eher erotischen Bereich assoziieren, der sich von der eleganten Kostbarkeit der Perle markant unterscheidet. Statt großbürgerlichem Statussymbol wird bei Katja Prins eher der Bereich von Sexualität, Tabus und zurückgedrängten Begierden angedeutet. Zugleich geht es in ihrem Schmuck um Emotionen, die zwischen Neugier und Unangenehmen changieren – der Druck der Perlen auf den Fingern, das Betasten der Verdickungen im Collier. Die verwendeten Materialien bauen somit ein Spannungsfeld von unterschiedlichen Assoziationen auf, das neue Positionen für den Schmuck mit Perlen eröffnet. Ausbildung 1989-1993 1993-1997 M.T.S. Vakschool, Schoonhoven Gerrit Rietveld Akademie, Amsterdam Katja Prins hatte und hat Lehraufträge inne für die Gerrit Rietveld Akademie in Amsterdam, die Alchimia in Florenz, die Fachhochschule in Idar-Oberstein sowie am Ädellab an der Konstfack in Stockholm. Preise (Auswahl) 2007 Artist in Residence Idar-Oberstein 2008, 2009 Mondrian Foundation 2009 Darling Publications Jeweller of the Year Award 2009 Verschiedene Stipendien Katja Prins zeigte ihre Arbeiten in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen. Ihre Werke sind in den Sammlungen renommierter internationaler Museen und bedeutender Privatsammlungen vertreten. Seite 17 Danni Schwaag Besonders eng dem ursprünglichen Entstehungsumfeld der Perle verbunden sind die Arbeiten von Danni Schwaag (geb. 1981 Dülmen). Aus dem Perlmutt arbeitet sie runde Formen heraus, so dass bei ihren Ringen, Broschen und Ohrringen der Eindruck entsteht, die Perlen würden sich aus dem Perlmutt herausbilden und sich von diesem lösen. Bei den Ringen steigen Perlformen wellenartig empor, breiten sich aus oder bilden steile Strudel. Durch die unregelmäßige Form des Perlmutts und dessen Wölbungen erhält ihr Schmuck ein ungewöhnliches dynamisches Moment. Der Schwung des Perlmuttblatts übersetzt das Wellenmotiv und verweist auf den ursprünglichen Entstehungsraum der Perle. Das Perlmutt wird mit Gold und Email auf Kupfer kombiniert, wobei die Farbwahl sich entweder dem Perlmutt anpassen oder einen Kontrast setzen kann. Ausbildung 1998-2002 2004-2008 2006 2006 2007 2007 Ausbildung zur Goldschmiedin in Münster bei Goldschmiede Reifig Studium an der Fachhochschule Trier, Edelstein- und Schmuckdesign, Idar-Oberstein Studium an der Escola Massana, Barcelona, unter Ramón Puig Cuyàs Schmucksymposium Turnov Workshop Exchange Bratislava Mitarbeit Tasso Mattar, Artá, Mollarca Preise 2008 Nachwuchsförderwettbewerb – Schmuck und Gerät 2008, Gesellschaft für Goldschmiedekunst e. V. – Bertha Heraeus und Katharina Platzhoff Stiftung Teilnahme an zahlreichen Gruppenausstellungen im In- und Ausland, darunter „Schmuck 2009“ auf der Internationalen Handwerksmesse München Seite 18 Karin Seufert Karin Seufert (geb. 1966 Mannheim) beschäftigt sich in ihren neuen Arbeiten mit dem Thema der textilen Umfassung der Perle. Ihre Ketten aus schwarzer transparenter Seide bestehen aus Schläuchen, die im rechten Winkel aneinandergenäht und mit unregelmäßig geformten Perlen gefüllt sind. Die Ketten schmücken nicht nur die Brust, sondern auch den Rücken. Sie können ein langgestrecktes Rechteck ausbilden, in eine H-Form auslaufen oder an beiden Enden beutelartige Behältnisse aufweisen. Je nachdem wie die Kette über den Schultern angeordnet wird, wie sich die Trägerin bewegt, so bewegen sich auch die Perlen und wandern in den Schläuchen. Karin Seufert verbindet in den Ketten Reduktion und Ruhe, Pracht und Dynamik. Die Arbeit mit zwei „Anhängern“ erinnert an ägyptische Schmuckstücke und Halskrägen, bei denen als Gewichtsausgleich oder zusätzlicher Schmuck ebenfalls ein Anhänger auf dem Rücken getragen wurde. Daneben werden Arbeiten gezeigt, in denen Karin Seufert Glasperlen zu großen opulenten Werken zusammenstellt und historische Vorbilder oder Naturformen variiert. Bei ihrer Halskette werden Glasperlen zu spitzovalen Formen arrangiert, wobei bunte und weiße Elemente abwechseln. In jeder Form werden unterschiedliche Perlen zu anderen Mustern verarbeitet, so dass ein abwechslungsreiches Nacheinander entsteht. Erinnerungen an kostbaren alten und an Modeschmuck der 1950er Jahren mischen sich. Die farbigen Elemente wurden von der holländischen Schmuckkünstlerin Marion Herbst gefertigt, die ihre Perlen Karin Seufert vermachte, welche wiederum damit die weißen Ovalformen gestaltete. Die farbige Unterscheidung weist somit auf die Entstehungsgeschichte der Kette hin und lässt die eigene Arbeit als Reminiszenz, als Verbundenheit gegenüber dem Werk der älteren Künstlerin erscheinen. Seite 19 Karin Seuferts Arbeiten faszinieren durch den Umgang mit ungewöhnlichen Materialien und durch die reizvollen Oberflächeneffekte. Sie laden zugleich durch die Verwendung von Motiven oder Formen, die Teil der alltäglichen Wahrnehmung oder der Vergangenheit sind und mit bestimmten Assoziationen und Wertvorstellungen verbunden sind, zur Reflektion ein, wie zum Bsp. ihre „Goldenen Vlies“Ordensbroschen aus PVC-Plättchen. Die Werke, die Fundstücke und Coca-Cola-Blech verarbeiten, zeigen eine andere Weise, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen und diese in neue Formen umzubilden. Ausbildung 1985-1989 1990-1995 M.T.S., Schoonhoven Gerrit Rietveld Akademie, Amsterdam Preise 2003 Award of the Gallery of Art in Legnica 2004 1. Preis der International Jewellery Competition, Frankfurt a. M. Beteiligung an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen, darunter auch die Sonderschau „Schmuck“ auf den Internationalen Handwerksmesse in München von 1997, 2004 und 2006 und die Ausstellung „Gift“ des „Think Tank“ sowie „Kitsch, Camp of Design“ im Design Museum Gent. 2007 Einzelausstellung im Museum für angewandte Kunst, Frankfurt a.M. 2009 Einzelausstellung in der Galerie Marzee, Nijmegen Seite 20 Etsuko Sonobe Etsuko Sonobe (geb. 1955 Tokio) kombiniert Perlen mit Metallelementen. Ihr dient das Metall als Rahmen, als Einfassung für die Perlen, der ihnen eine gewisse Strenge und übergreifende, ordnende Struktur verleiht. Die Perlen wiederum bilden das „Innenleben“ des Metallgerüsts, das sie mildern und schmücken. So können die Perlen in nach innen geöffnete rechteckige Kästchen eingefügt werden, wobei dem strengen Äußeren der Goldkette die weiche Rundung der inneren Perlenkette entgegen steht, oder die Perlen können eckige gebrochene Kettenglieder füllen. Hier wechseln sich auf Grund der Gliederverbindung Gold und Perle jeweils ab. Nicht nur der Formenkontrast von runden Perlen und eckiger Einfassung, sondern auch das Gegeneinander der unterschiedlichen Oberflächenqualitäten von Perle und Gold verleihen den Arbeiten einen elegant zurückhaltenden, raffinierten ästhetischen Reiz. Weiterhin kombiniert Etsuko Sonobe Perlen und graphische Elemente in Form runder Kettenglieder oder Goldscheiben. Die Perlen werden dabei zwischen die Glieder oder Scheiben geschoben, so dass ein interessanter dreidimensionaler Effekt entsteht – fast scheint es so, als ob drei Ketten übereinander gelegt seien. Bei anderen Ketten sind die Perlen zwischen leicht gewölbte Goldschalen gefügt. Wie bei einer Muschel sind die Perlen in diesen Schalen sichtbar. Die Entwicklung ungewöhnlicher Verbindungen und die Konzentration auf das Wesentliche sind Kennzeichen dieser Werke. In der Ausstellung zeigt Etsuko Sonobe Arbeiten, in denen die Perlen in feine Metalldrahtgespinste eingebettet sind. Die Farbe des Drahtes greift den Schimmer der Perlen auf, verfremdet diesen jedoch zugleich. Die Perlen scheinen wie von einem Nebel umschlossen, aus dem sie stellenweise heraus schimmern. Stets gelingen Etsuko Sonobe neue Lösungen für das alte Thema der Perlenkette, die in der reduzierten Eleganz modernen Bedürfnissen angemessen erscheinen. Ihre Perlenketten strahlen den Charakter einer erwachsenen selbstbewussten Eleganz aus, der sich von den oftmals mädchenhaften Assoziationen der Perlenkette deutlich abhebt. Ausbildung 1974-1975 Studium des Schmuckdesigns an der Musashino Art University in Tokio Preise 1983 2009 Diamonds International Award, Preise in japanischen Schmuckwettbewerben Marzee Prize, Nijmegen Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in Japan und im Ausland Seite 21 Mirei Takeuchi Mirei Takeuchis (geb. 1969 Porz-Wahn, Japan) Lösungen für Perlenketten sind modern, fragil und zart. Sie hüllt die Perlen in farbige Seidenstrumpfhosen. Die Perlen schimmern verhalten durch das Gewebenetz hindurch, stoßen an einigen Stellen aus diesem heraus und setzen einen asymmetrischen Akzent oder brechen aus, um Schlaufen zu bilden. Der Gewebestrang erhält durch die Verwendung von verschieden großen Perlen eine leicht unregelmäßige Kontur und lässt die feine Rhythmisierung der Perlenkette erahnen. Bei roten Strümpfen können die verhüllten Perlen auch mit einem kurzen Nebenstrang von Korallen kombiniert werden. Der Vorgang des Verhüllens lässt Bescheidenheit, Vermeiden von Ostentation und ein Enthüllen auf den zweiten Blick erahnen, welche an japanische Traditionen erinnern. So werden erst bei genauem Hinsehen nicht nur die Schönheit und der Glanz der Perlen deutlich, sondern auch, dass die Anordnung der Perlen nicht beliebig ist, sondern einem bestimmten Rhythmus folgt. Der Charakter der Ketten wechselt je nach Farbigkeit der Strumpfhose. Das Verhüllen unterstreicht die mit der Perle verbundene Reinheit, während die Strumpfhose ein gewisses erotisches Moment hinzufügt. Die Perlen-Strumpfketten sind von äußerster Zurückhaltung und von Understatement geprägt, zugleich geben sie der Perlenkette Jugendlichkeit und Frische zurück. „Ich erinnere mich immer noch an die Worte meiner Großmutter. Du bist doch ein liebes und hübsches Mädchen. Aber du sollst im Sinn behalten, so zu leben, als ob du von einem dünnen Seidenstoff eingewickelt wärest. Durch ihn könnte man meinen, dass du noch schöner und zärtlicher funkelst. An diese Worte erinnere ich mich immer noch.“ Ausbildung 1987-1991 1991-1995 1995-2000 2000-2001 2002-2009 2010 Studium an der Kyoritsu Joshi University, Tokio, Fachbereich Produkt- und Ausstellungsdesign Innenarchitektin in Tokio Assistentin an der Kyoritsu Joshi University, Tokio Gaststudentin an der Fachhochschule Hildesheim, Fachbereich Metallgestaltung Studium an der Akademie der Bildenden Künste München, Klasse für Schmuck und Gerät bei Prof. Otto Künzli, seit 2007 Meisterschülerin Diplom Seite 22 Preise 2005 2005/07 2009 th Grand Prix bei „Deconstruction-Reconstruction”, 14 International Silverart Competition, Galeria Sztuki, Legnica, Polen Jurypreis bei Jewellery, International Craft Exhibition, Museum of Arts & Crafts, Itami, Japan Goldmedaille bei Jewellery, International Craft Exhibition, Museum of Arts & Crafts, Itami, Japan Beteiligung an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland, darunter „Schmuck 2005“, „Schmuck 2008“ und „Schmuck 2009“ auf der Internationalen Handwerksmesse München 2008 Des Wahnsinns fette Beute, Die Neue Sammlung/Pinakothek der Moderne München Seite 23 Glasperlen Einen besonderen Formenreichtum weisen Glas- und Keramikperlen auf. Sie wurden schon im frühen China, in Ägypten, im Zweistromland, in Griechenland und Rom verwendet. In Ägypten wurden farbige Keramik- oder Glasperlen zu breiten Halskrägen verarbeitet, die in ihrer Farbigkeit und der Formgebung Blumengirlanden nachahmten und weit verbreitet waren. Die Kostbarkeit und der Reichtum in der Ausführung zeigten den sozialen Status des Trägers an. Von den Phöniziern haben sich aufwendige Glasperlen (Karthago) erhalten, die in Form von Tier- und Menschköpfen gehalten sein sowie eine reiche Dekoration aus aufgesetzten Streifen und Kugeln besitzen können. Bereits in der Antike wurden Glasperlen verwendet, um kostbarere Perlen aus Edel- oder Halbedelsteinen nachzuahmen. Gewickelte Perlen Ein berühmtes Zentrum für Glasperlen war neben Amsterdam (seit Ende des 16. Jahrhunderts) Murano bei Venedig (seit 1291). In Murano wurden Perlen zunächst einzeln und über offener Flamme gearbeitet. Ein Glasstab wird durch die Lötlampe bis zum Schmelzen erhitzt und dann um einen Metallstab gewickelt, solange bis die gewünschte Form durch Bearbeitung mit unterschiedlichen Werkzeugen gebildet ist. Diese Perlen können durch Aufschmelzen anderer Farben, von dünnen Glasfäden oder Glasscheibchen noch weiter bearbeitet und verziert werden. Die Perle muss abschließend langsam abgekühlt werden, bevor sie von der Stange genommen werden kann. Die Stange bildet zugleich das für die Perle kennzeichnende Loch aus. Diese Perlen werden auf Grund der Technik auch als Wickel- und Lampenperlen bezeichnet. Ebenfalls zur Gruppe der Wickelperlen sind solche Perlen zu rechnen, bei denen ein Eisenstab mit dem konischen Ende in einen Hafen mit flüssigem Glas getaucht und dann so bewegt und um die eigene Achse gedreht wird, dass sich aus dem Glas eine Perle bildet, die wieder mit verschiedenen Werkzeugen bearbeitet werden kann. Früher wurden die Perlen durch Schütteln mit Sand geschliffen und durch Schütteln mit Kleie poliert. Hohlglasperlen, die vor der Lampe geblasen werden, sind in Venedig aus dem 16. Jahrhundert überliefert. Die Lampenarbeit entwickelte sich zu einer beliebten Heimarbeit in Venedig. Das Glas wurde in den Glaswerkstätten hergestellt und dann zur Formgebung, Verfeinerung und Oberflächendekoration an die Heimarbeiter weitergegeben. Diese verwendeten eine Öl- oder Spiritusflamme, um das Glas zu erhitzen, so dass die Dekorationselemente aus Glas aufgetragen werden konnten. Das von der Stange abgeschnittene Glasstück wurde auf Draht gesteckt und erhitzt, so dass es weiterverarbeitet werden konnte und haften blieb. Böhmische Glasperlen Auch im Fichtelgebirge und in Böhmen wurden Glasperlen gearbeitet. Die Produktion ist in Böhmen vom Anfang des 18. Jahrhunderts überliefert. Ein bedeutendes Zentrum für Glasperlen aller Art war Gablonz (heute: Jablonec nad Nisou in der Tschechischen Republik), wo 1880 die Glasfachschule gegründet wurde. In Gablonz entstanden in Heim- und Fabrikarbeit Perlen von unterschiedlichem Erscheinungsbild für verschiedene Einsatzmöglichkeiten: Schmuck, Dekoration und Besatz, Stickerei und Webarbeit. 1947 wurde in Kaufbeuren-Neugablonz die Berufsfachschule für Glas und Schmuck gegründet. Seite 24 Viele der Perlen entstanden zunächst als Ersatz für Perlen aus Halbedelsteinen und anderen Materialien, die teurer als die Glaskopien waren. Grundlage der Gablonzer Perlen war die sog. „Composition“, eine leichtflüssige, bleihaltige Glasmasse, die die gewünschte edelsteinartige Färbung erhielt. Die Vielfalt der Glasperlen wird nach verschiedenen Kriterien geordnet, nach Farbe, Form, Technik, Funktion, Oberflächenbehandlung, wobei in der Terminologie wenig Einheitlichkeit herrscht. Grundsätzlich werden Glasperlen danach unterschieden, ob es sich um Hohlperlen (geblasen) oder massive Perlen (geschmolzen) bzw. um Lampen- oder Druckperlen handelt. Gustav E. Pazaurek unterteilte in seinem wegweisenden Buch von 1911, „Glasperlen und PerlenArbeiten in alter und neuer Zeit“ (Darmstadt), zum einen nach der Herstellung zwischen der gewickelten, gedruckten, gezogenen oder gehackten Perle und der Hohlperle, zum anderen nach der Verarbeitung: Auffädeln, Benähen und Sticken, Flechten und Weben, Stricken und Häkeln, An- und Einketten sowie Metallfassung. Wurden die frühen Perlen noch bemalt, so ging man dazu über, die Oberflächenwirkung entweder durch das „Glasieren“ mit Schmelzfarbe, das Färben der Innenwandung (Einmalen oder Einziehen), durch Vergolden und Versilbern (Verspiegeln), durch Irisieren und Lüstrieren zu steigern. Das Glasziehen Die Perlen entstanden durch das Ziehen des Glases zu massiven Stangen oder hohlen Röhren. Dieses geschah zunächst vor der Glasbläserlampe per Hand an der Ziehbank, später durch Treten oder elektrisch betriebene Wägen und im 20. Jahrhundert schließlich maschinell. Die Stangen konnten einen Durchmesser von 25-35 mm und eine Länge von 0,15-1,50 m erreichen. Nach dem Ausziehen wurden sie in Scheiben geschnitten bzw. von der Stange abgehackt. Als „Sprengperle“ sollten nur solche Perlen bezeichnet werden, die tatsächlich von der Stange oder Röhre abgesprengt werden. Beim Absprengen werden die Glasstangen mit einer Feile oder Diamantspitze angeritzt, so dass sie sich beim Abkneifen mit einer Zange oder bei Erhitzen mit anschließendem Abkühlen ablösen. Das Sprengen erfolgte im Laufe der Zeit maschinell. Anschließend wurden die Perlen in heißen Sand gegeben, um die Kanten zu schleifen. Der Ziehprozess ist bereits in Denis Diderots „Encylopédie“ (Bd. 10, Taf. XXI) überliefert und im späten 18. Jahrhundert für die Glasperlenherstellung in Böhmen und Venedig dokumentiert. Der für die Perlen benötigte Hohlraum wurde durch Einblasen von Luft oder das Eindrücken eines Metallzylinders erlangt. In Venedig sind wohl sogar schon am Ende des 15. Jahrhunderts gezogene Perlen entstanden, bei denen die Glasblase zu einem langen Rohr gezogen wurde, aus dem dann die Perlen herausgearbeitet wurden. Da die Brandgefahr in der Stadt zu groß war, wurde die Glasherstellung auf die Laguneninsel Murano verlagert. Die Technik des Glasziehens war weit verbreitet und lässt sich bereits früh in Indien (2. Jahrhundert v. Chr.), so in Arekamedu bei Pondicherry und Karaikadu bei Cudalore, nachweisen (indisch-pazifische Perlen). Auch in China entstanden bereits früh – so in der Zhou und Han-Dynastie – Glasperlen. Zentren der Glasherstellung befanden sich sowohl im Süden (Guangzhou, Suzhou, Quanzhou) als auch im Norden Chinas (Yantai, Beijing, Zhangzhou). Es wurden rubinrote, gewickelte und aufwendige Perlen mit ausgezogenem marmorartigen Linienmuster sowie blaue fässchenförmige Perlen hergestellt. Wie Forschungen ergaben, herrschte in Asien ein lebhafter Perlenhandel und Austausch. Unterschiedliche Regionen in China und Indien produzierten Perlen, die im ganzen Bereich des mittleren Ostens, in Süd-, Ost- und Südostasien vertrieben wurden. Seite 25 Dekorationstechniken für Glasperlen Die Farbe der Glasperle kann durch Massefärbung, Farbeinzug, Ätzungen der Oberfläche oder durch Lackierung entstehen. Die Stangen, aus denen die Perlen hervorgingen, konnten durch verschiedene Dekorationstechniken verziert oder ihre Oberflächen durch Schleifen und Schneiden bearbeitet werden. So finden sich Überfangglas, bei dem der Glaskörper innen oder außen mit einer oder mehreren Glasschichten überfangen wird, sowie Streifen-, Netz- und Filigranglas. Hierbei wird Glas in Streifen auf einen Glaskörper aufgetragen. Beim Streifenglas stehen diese Streifen parallel nebeneinander, beim Netzglas überkreuzen sie sich zu einem netzartigen Muster, und beim Filigranglas bilden die Fäden kompliziertere und feinteilige Strukturen in zumeist milchig weißem Glas aus. Auch das Millefiori- oder Mosaikglas, das schon in der Antike bekannt war und zu einer Blüte in Venedig gelangte, war eine für Glasperlen beliebte Technik. Hierfür wurden verschiedenfarbige Glasstäbe so miteinander verschmolzen, dass sie, wenn sie in Scheiben geschnitten wurden, bunte vielteilige mosaikartige Muster ergaben. Bereits aus der Antike haben sich außergewöhnlich aufwendige solcher Glasperlen erhalten, die Gesichter, Tiere, Blumen sowie geometrische Muster zeigen und kombinieren. Verschiedene Sonderformen von Glasperlen In Gablonz wurden zunehmend Druckperlen hergestellt. Dieses erlaubte einen uneingeschränkten Formenreichtum und eine einfachere, schnelle Fertigung der vorgefertigten Glasstangen. Die Perlen mussten noch gelocht und die überstehenden Ränder abgeschnitten werden. Dieses konnte in Werkstattarbeit mit Zangen (Drucken und Quetschen) oder aber maschinell (Pressen) erfolgen. Im thüringischen Glaszentrum Lauscha wurden ebenfalls geblasene und gedruckte Perlen hergestellt, darunter auch Fischsilberperlen. In Glas wurden neben anderen Steinen besonders Gagat- oder Jetperlen nachgeahmt, die im 19. Jahrhundert wegen ihrer schwarzen Farbe als Trauerschmuck beliebt waren. Bei Jet handelt es sich um versteinerte Kohle, die leicht zu schneiden ist und hochpoliert werden kann. Die Jet-Imitationen entstanden in Pyrolusit-Glas, das gepresst und geschnitten wurde. Es lassen sich einige Sonderformen von Perlen unterscheiden: Als eine wichtige Grundform ist die Chevron-, Rossetta- oder Sternperle zu nennen. Diese wurde um 1500 in Venedig entwickelt und besteht aus mehreren Glasschichten. Die Glasstäbe werden gezogen und in eine konische Form gepresst oder geblasen. Die Perlen weisen an den Enden ein sternförmiges Muster auf. Für den Export nach Westafrika und Amerika wurden Perlen mit rotem, blauem und weißem Muster bevorzugt. Die Perle mit Glaskörnchen erhält ihr charakteristisch fleckiges Erscheinungsbild aus dem Rollen der noch weichen Perle über bunte Glassplitter. Die Zwischengoldperle basiert auf einer alten Glasbläsertechnik und war schon in ägyptischer und römischer Zeit bekannt: Hierbei wird Goldfolie zwischen zwei durchsichtigen Glasschichten eingeschlossen. Die Iris-Perle wiederum wird mit Silber oder Zinnober bedampft, wodurch sich ein regenbogenartiger Schimmer auf der Oberfläche ablagert. Die Satinperle ist durch einen seidenen Schimmer der Oberfläche bestimmt. Bei der Glasgranate handelt es sich um eine facettierte Perle. Seite 26 Perlenstickereien und -häkelarbeiten Perlen wurden nicht nur für Schmuckstücke und Goldschmiedearbeiten verwendet, sondern auch für Stickereien sowie für Häkel- und Strickarbeiten eingesetzt. Frühe Perlenstickereien haben sich aus dem 9. Jahrhundert in Sizilien erhalten, und zu einer der bekanntesten frühen Arbeiten zählt der Krönungsmantel von Palermo von 1133. Perlenstickereien wurden zunächst vornehmlich im religiösen Bereich eingesetzt. Im 18. und besonders im 19. Jahrhundert erfreuten sich Perlenhäkel- bzw. Perlenstrickarbeiten großer Popularität. Im 19. Jahrhundert war es bereits möglich, solche Arbeiten auf der Jacquardmaschine zu produzieren. Während der Biedermeier-Zeit entstanden aufwendige Perlenarbeiten in Form von Beuteln, Tascheln, Gürteln und Schuhen mit hauptsächlich floralen Motiven. Einen weiteren Höhepunkt erfuhr die Perlendekoration am Anfang des 20. Jahrhunderts, als diese Technik von den Künstlern der Wiener Werkstätte wieder aufgegriffen wurde. In Bezug auf Wiener Biedermeier-Traditionen entstanden nun Schmuckstücke mit geometrischen Mustern von oftmals intensiver Farbigkeit. Immer noch werden aufwendige Perlstickereien gefertigt, z. Bsp. für die Gewänder der Haute Couture durch die Stickerinnen des Studios von François Lesage in Paris. Für Perlenstickereien wurden kleine zumeist opake Perlen verwendet, die als Rocaille-Perlen bezeichnet werden. Diese zunächst in Murano gefertigten Perlen entstanden durch das Abschlagen von Stücken mit einem Hammer, später mit einer Art Schere von der gezogenen Glasröhre. Die Perlen wurden dann in mehreren Gängen nachbehandelt. Sie wurden zunächst rondiert, indem sie entweder zusammen mit Sand in eine heiße Pfanne oder ab 1817 in eine Trommel (Verfahren von Luigi Pusinich) gegeben und über dem Feuer erhitzt wurden. Die Löcher der Perlen wurden vorher als Schutz mit einer Mischung aus Kalk und Kohlestaub gefüllt. Zum Abkühlen wurden die Perlen in einen Metallbehälter gegeben und dann in einem Sieb von dem Sand getrennt. Durch das Schütteln löste sich zugleich die Mischung in den Löchern. Anschließend wurden die Perlen durch Siebe nach Größen sortiert. Im 19. Jahrhundert wurde die Technik des Rondierens vereinfacht und in verschiedenen patentierten Verfahren vervollkommnet. Seite 27 Célio Braga Das Interesse des heute in Amsterdam und São Paulo lebenden Brasilianers galt schon früh den Glasperlen, da diese mit der kulturellen Geschichte seines Heimatlandes verbunden sind: Die durch das Lichterspiel und den Farbreichtum der Glasperlen faszinierten brasilianischen Indianer tauschten mit den Spaniern Glasperlen gegen Gold, Edelsteine und Federn ein. Zugleich geben die Perlen Célio Braga die Möglichkeit, seine Neigung zum Barocken, Grotesken, Extravaganten, zum Drama und der Bewegung auszudrücken. Vergänglichkeit und Fragilität, Verlust und Tod kontrastieren mit Lebendigkeit, Bewegung, Reichtum, Schönheit. Célio Bragas (geb. 1965 Guimarânia, Brasilien) Arbeiten der Serie „Rubros“ sind durch freiliegende Organe, Fleisch und Blut inspiriert. Sie sind aus handgemachtem Filz, Seide und Baumwolle gearbeitet und mit vielen kleinen roten Glasperlen bestickt. Die gerundeten Stofformen aus Seide, die mit Filz ausgestopft werden, erinnern an innere Organe, zumal das Gewebe von feinen Nähten und Linien überzogen ist, die Adern assoziieren lassen. Die roten Perlen dagegen, auf deren unregelmäßiger Oberfläche sich das Licht spiegelt, lassen in ihren unterschiedlichen Nuancen und Größen an gerinnendes und frisches Blut denken. Célio Braga transformiert jedoch diese rohe, latent unappetitliche Ebene in äußerst feine ästhetische Objekte. Ein ähnliches Herangehen weist die Serie „Brancos“ auf. Hier werden nun Perlen in Grau, Weiß und Rosatönen verwendet. Die Arbeiten vermitteln einen sehr eleganten Eindruck, lassen aber zugleich an Fleisch, Därme und offene Wunden denken. Célio Braga arbeitet somit in seinen Werken mit Kontrasten: Schönheit und Ekel sind in seinen Entwürfen zu spannungsvollen Objekten vereint. Er beschäftigt sich in seinen Arbeiten stets mit der Vergänglichkeit des Körpers und dem menschlichen Streben dieser entgegenzuwirken. Bei seinen Arbeiten mit schwarzen Perlen, den „Negros“, fügt er Haare mit ein. Sie erinnern an feuchten Teer, aber auch an bewachsene Unterwasserböden. Durch das Verwenden von Perlen, die sich in Größe, Form, Nuance unterscheiden, erreicht er stark belebte Oberflächen, die er durch das Einfügen einzelner großer oder andersfarbiger Perlen noch steigert. Diese setzen Akzente und lassen im Falle der „Negros“ auch Blut und Feuchtigkeit assoziieren. Ausbildung 1988-1990 1996-2000 School of the Museum of Fine Arts, Boston, Mass., USA Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Célio Braga arbeitet auch als Künstler in anderen Medien. Seite 28 Petr Dvořák Petr Dvořák (geb. 1954 Český Krumlov, Tschechische Republik) kombiniert seine Granat-Glaskugeln mit Metallklammern. Bei den Granat-Glaskugeln werden kleine rundgeschliffene böhmische Granate in Lampenwickelperlen eingeschlossen. Hierbei handelt es sich um eine Besonderheit im Bereich der Lampenwickelperle, denn der Granat verträgt als einziger Naturstein die hohen Temperaturen, ohne seine Farbe zu verändern. Petr Dvořák arbeitet für die Perlen mit Ludmila Dorstová (geb. 1949) zusammen, die ihre Ausbildung in Gablonz absolvierte. Die Transparenz und Eleganz der Kugeln mit ihren roten Granat-Einschlüssen, die durch Silberfolieneinschlüsse ergänzt werden können, erhalten durch die Metallelemente eine technische Anmutung, wobei die hervorstehenden Enden der Klammern zugleich an Stacheln denken lassen und den Ketten etwas Bedrohliches und Agressives verleihen. Dieses bildet einen interessanten Kontrast zu der Klarheit und Leichtigkeit der Perlen. Die Glaskugeln verschränken die Klammern: Sie können entweder in den Bögen untergebracht sein, die Klammern am Ende abschließen oder zwei Klammern miteinander verbinden. Petr Dvořák gibt damit dem traditionellen Thema der Glasperle eine neuartige Dynamik und Aktualität. Ihm ist in seinen Arbeiten stets an der Harmonie seiner Maximen von Form, Funktion und Farbe gelegen. Er sucht nach Klarheit, rationalem Aufbau und Verständlichkeit. Andere Ketten reihen die Perlen im Sinne einer klassischen Perlenkette hintereinander und faszinieren durch das Farbspiel, den Formenrhythmus und die ungewöhnlichen Verschlüsse wie Titian- und Corian-Magnetschließen oder betonen den Kontrast von runden und eckigen Elementen durch das Auffädeln der Perlen auf Stangen, so dass sich eine ungewöhnliche, durch rechteckige und winklig gebrochene Motive bestimmte Kette ergibt. Ausbildung 1969-1972 1973-1976 1976-1980 Seit 1980 Lehre als Metallgraveur Studium an der Kunstgewerbeschule in Turnov mit Schwerpunkt Schmuckdesign als Schmuckdesigner in Prag tätig Atelier in Wien Zu Ludmilla Dorstová 1963-1966 Fachlehre für Glas Bijouterie 1966-1986 Tätigkeit im Bereich der Lampenwickelperle bei der Firma „Liglas Lisny“ 1990-1993 Fachlehrkraft bei „Liglas Liisny“ Seit 1993 selbständige Tätigkeit im Bereich der Lampenwickelperle Petr Dvořák zeigte seine Arbeiten auf zahlreichen internationalen Ausstellungen, darunter 2009 „Glass in Czech Jewelry“. Sein Werk wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. Seite 29 Stephan Hampala Stephan Hampala (geb. 1962) verarbeitet in seinen Ketten böhmische und venezianische Glasperlen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert über formgebenden Körpern. Seine Anregungen bezog Stephan Hampala nicht nur von Arbeiten der amerikanischen Indianer, der afrikanischen Stämme und aus Südostasien, sondern auch durch Entwürfe der Wiener Werkstätten. Mit Fäden verbindet er die einzeln gefaßten Perlen zu klaren, geometrischen Mustern von erlesener Farbigkeit. Die Perlen werden im textilen Verbund über Kugeln oder spitzovalen Formen angeordnet. Der Zusammenhalt der unterschiedlichen Muster erfolgt über die verbindende Farbigkeit, die Stephan Hampala genau abwägt, so dass eine gelungene Mischung aus Harmonie und Abwechslung entsteht. Genau überlegt sind das Nacheinander und Gegenüber der jeweiligen Perlen. Hieraus entstehen reizvolle Entsprechungen oder spannende Kontraste in Hinblick auf Farbe und Muster. Stephan Hampalas Anliegen ist es, aus einer Vielzahl von Einzelelementen – den Perlen – klare und präzise Arrangements und Formen zu schaffen, aus einem antiken Material zeitgemäße Gegenstände entstehen zu lassen. „Ich verstehe meine Arbeit als einen Akt des Übersetzens: - Umwandlung ungeordneter winziger Einzelteile in eine klare Struktur - Umsetzung einer textilen Technik in den Kontext von Schmuckgestaltung - Überführung eines jahrhundertealten Materials in eine zeitgemäße Form - Übersetzung der Geschichte, die Fundstücken innewohnt, in eigene Entwürfe Das Material steckt dabei enge Grenzen. Die Feinheit und die Dünnwandigkeit der Perlen ergeben zwar eine besonders regelmäßige Struktur, die längst in Vergessenheit geratenen Techniken zur Oberflächenbehandlung lassen Licht besonders stark wirken und erlauben, ohnehin subtile Farben durch Vorbehandlung des Untergrunds und die Wahl des Fadens noch weiter zu schattieren, sie machen das Material aber auch sehr zerbrechlich und empfindlich gegen Spannung und Druck. In meinen Entwürfen diese Grenzen so weit auszureizen, wie es die Materialeigenschaften gerade noch zulassen, eine klare Linie zu finden, und dabei trotzdem die Feinheit des Materials sichtbar zu machen, den textilen Charakter des Schmucks so stark wie möglich zu betonen und ihm die Metallteile unterzuordnen, ohne dadurch technische Standards und Tragequalität zu vernachlässigen, die Perlen ihrer Seltenheit und Qualität entsprechend zu verarbeiten, aber in einen neuen Kontext zu stellen, das macht für mich den Reiz meiner Arbeit aus.“ Ausbildung Zunächst Studium der Theaterwissenschaften in Wien. Während dieser Zeit beschäftigte er sich mit historischen Kostümen und Schmuck. Seit 1989 ist er als Schmuckkünstler tätig. Beteiligung an zahlreichen internationalen Ausstellungen. Seite 30 Kateřina Handlová Kateřina Handlová (geb. 1988 Prag) läßt in ihren Perlenketten Anregungen durch afrikanischen Schmuck und die Natur einfließen. Aus den bandartigen Ketten lösen sich Perlenbündel und einzelne Fäden, die je nach Farbigkeit an Beeren, exotische Blüten oder Korallen und andere Unterwasserlebewesen denken lassen. Das Perlband der Kette ist in Mustern bestickt. Die Farbigkeit der Kette und der Fransen, der Geflechte und Verknotungen entspricht einander, so dass die glatten Flächenmuster und plastischen Dekorationen miteinander verbunden werden und ein sehr harmonisches Gefüge entsteht. Kateřina Handlová kombiniert in ihren Arbeiten Rocaille-Perlen und Lampenwickelperlen. Ausbildung 2003-2007 2007-2008 Seit 2008 Glasfachschule in Železný Brod, Schwerpunkt Schmuckgestaltung J. E. Puryně-Universität, Ústí nad Labem, Glas Kunsthochschule Prag, Glas-Abteilung Beteiligung an internationalen Ausstellungen, darunter 2009 „Glass in Czech Jewelry“, Wien. Verschiedene Glaspreise. Seite 31 Wolli Lieglein Ein humorvolles Moment prägt die Arbeiten von „Grandpa Wooley“ alias Wolli Lieglein (geb. 1957). Seine fröhlichen Mäuse bestehen aus Garnen und Stoff, der mit Glasperlen bestickt ist. Sie gehen in den ungewöhnlichen an Mickey Mäuse erinnernden Formen, der Wahl wertloser alltäglicher Materialien auf Anregungen durch die Pop Art und deren Ziele zurück, verwenden ähnliche Strategien wie die Arbeiten von Jeff Koons oder Mike Kelley, basieren auf Ironie und Verfremdung. Ausbildung 1980-1982 1982-1984 1985-1989 1989 1999-2000 2001 Preise 1989 Goldschmiedelehre Studium an der Freien Kunstschule, Nürtingen Fachhochschule für Gestaltung Pforzheim Diplom Dozent an der Fachhochschule für Gestaltung Pforzheim Dozent an der Fachhochschule Düsseldorf und der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg Herbert Hofmann Preis. Beteiligung an zahlreichen internationalen Ausstellungen, darunter „Schmuck 2007“ auf der Internationalen Handwerksmesse München Seite 32 Jacqueline Irène Lillie Jacqueline Lillies (geb. 1941 Marseille) Colliers und Armbänder kombinieren Glasperlen und moderne, technische Elemente wie Magnet-, Stahl-, Bajonet- und Corianverschlüsse sowie Stahlseile. Die feinen, auf alten Traditionen basierenden Perlenarbeiten erhalten dadurch ein zeitgemässes Erscheinungsbild. Die Kleinteiligkeit der Perlen und ihrer feinen Muster gewinnen durch die großen Verschlüsse ein dekoratives und formales Gegengewicht. Die klaren Konturen der Verschlüsse und die einfachen Perlenschnüre oder -schläuche ergänzen sich zu einem modernen Ensemble, Jacqueline Lillies Interesse für Perlenschmuck wurde in den 1970er Jahren durch eine Hutschachtel voller böhmischer Glasperlen geweckt, die sie in einem Wiener Trödelladen fand. Im Rahmen der Einarbeitung in das Perlenmetier beschäftigte sie sich mit Wiener Perlenarbeiten des Biedermeiers und der Wiener Werkstätten, aber auch mit afrikanischen Werken wie denjenigen der Massai und der Yoruba. Weitere Inspirationen wurden durch Bastarbeiten der Kuba und Textilien aus Mali sowie durch Mosaiken der Renaissance in toskanischen Kirchen vermittelt. Jacqueline Lillie ordnet die Perlen zu Gitter-, Streifen- und Punktmustern an bzw. kombiniert diese miteinander zu spannungsvollen Arrangements. Als Anregung für die deutlichen geometrischen Muster und klaren Farbkontraste läßt sich auch ihr Interesse für das Bauhaus, die holländischen und russischen Konstruktivisten nennen. Jacqueline Lillie knotet jede Perle einzeln mit einem Seidenfaden und einer von ihr entwickelten Kupfernadel und verknüpft sie erst dann mit der nächsten Perle, wodurch die Ketten belastbar, sehr geschmeidig und flexibel werden und zudem leicht zu reparieren sind, da sich höchstens einzelne Perlen lösen, aber niemals die ganze Kette. Gerade die Geschmeidigkeit ist für Jacqueline Lillie neben den traditionelleren Grundlagen von Form und Funktion ein wichtiges Anliegen, da Schmuck sich dem Charakter des Trägers anpassen und seinen Bedürfnissen folgen sollte. Deswegen gibt es auch unterschiedliche Arten, ihre Ketten zu tragen. Verwendung finden nur alte böhmische Glasperlen, die sich gegenüber modernen Perlen durch bessere Färbung, ein größeres Farbspektrum und leichte Unregelmäßigkeiten auszeichnen, die ein interessantes Spiel des Lichtes erlauben. Ausbildung 1962-1965 Akademie für Angewandte Kunst, Wien Meisterklasse für Metallarbeiten unter Professor Hagenauer Zahlreiche internationale Einzel- und Gruppenausstellungen. Jacqueline Lillies Arbeiten sind in bedeutenden Sammlungen wie dem Cooper-Hewitt Museum, dem Corning Museum of Glass, dem Metropolitan Museum of Art (alle in New York), dem Österreichischen Museum für Angewandte Kunst in Wien und dem Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart vertreten. Sie stellte ihre Arbeiten auch durch Vorträge in den USA und Kanada vor. Seite 33 Julie Mollenhauer Julie Mollenhauer (geb. 1960 Kassel) verwendet neben echten Perlen solche aus Halbedelsteinen und Glas, aber auch aus Bernstein und Lava. Sie verfremdet klassische Schmuckformen durch die Zusammenstellung der Einzelelemente und modernisiert sie dadurch zugleich. So kombiniert sie Armbänder mit kettenpanzerartigen Verbindungen und nagelförmigen Steckverschlüssen aus Stahl mit kostbaren schwarzen und weißen Perlen, die frei und unregelmäßig dem Kettenpanzer aufsitzen, oder arbeitet durch den Einsatz verschiedenfarbiger und -förmiger Perlen Muster in die sich aus mehreren Strängen zusammensetzenden Armbänder ein. Hierbei kann es sich um Kreismuster oder Tattoo-Motive wie Totenköpfe und Anker handeln. Material und Motiv stehen gerade in diesen Arbeiten in einem spannungsvollen Kontrast zueinander. Da die Motive sich über mehrere Stränge des Armbands verteilen, geraten sie in Bewegung und verändern ihre Erscheinung. So verziehen sich die Kreise zu herzförmigen oder elipsenartigen Gebilden. Erst beim Ablegen und genauen Hinschauen lassen sich die tatsächlichen Motive erkennen. Durch die Verwendung unterschiedlicher Materialen entstehen interessante Oberflächeneffekte – durchsichtige und opake Perlen, matte und glänzende Perlen werden zu reizvollen Kombinationen zusammengestellt. Ausbildung 1978-1984 1984-1989 2007 Goldschmiedelehre in Göttingen Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam Artist in Residence, Idar Oberstein, Bengel-Stiftung Ihre Arbeiten sind in verschiedenen internationalen Sammlungen vertreten und wurden in internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen präsentiert, so auch auf den „Schmuck“-Ausstellungen 2000 und 2005 in München. Seite 34 Kasimir Oppermann Kasimir Oppermann (geb. 1949) zeigt Perlenarbeiten, die zwischen Schmuck und Objekt changieren. Die Perlenstränge münden in unregelmäßig geformte Bereiche von weicher, gerundeter Kontur, in Perlenfransen oder plastische Formen mit figürlicher Silhouette. Durch die Farbigkeit können die Formen an innere Organe, Extremitäten oder Tänzer und Akrobaten erinnern: Tänzer oder Akrobaten scheinen sich übereinander zu stapeln und an Seilen zu turnen, Herzmuskel und Aderngeflechte aus dem Körper entfernt und fetischartig an Halsbändern befestigt, stilisierte Arme und Beine in komplexe Spiralgebilde integriert. Muster und Farbenwahl verweisen dabei entweder auf die Welt des Zirkus oder auf Afrika. Flecken, Schuppen und Streifen lassen je nach Farbigkeit an Schlangen oder exotische Raubtiere wie Geparden und Leoparden denken. Andere Arbeiten sind etwas zurückhaltender. Hier sind Kugeln, astartige Ausläufer, geometrische Grundformen an Kettensträngen befestigt. Durch Knoten und Schlingen ist dieser Halsschmuck auf unterschiedliche Weise zu tragen. Kennzeichnend für Kasimir Oppermanns Arbeiten sind die lebhafte Farbigkeit und Musterfülle, die Dynamik, welche sich aus dem Wechsel zwischen glatten, breiteren Stängen, dünnen, eingedrehten, spiralig gewundenen Partien, Perlenfransen und plastischen Bereichen mit kurvig ausschwingender Kontur ergibt. Sie verleihen jedem Halsschmuck einen ganz eigenen Rhythmus. Die Formensprache wird durch die Verwendung von Materialien wie Plastik, Moosgummi, Styropor und Textil ermöglicht. Seite 35 Bei Kasimir Oppermanns Ketten handelt es sich um Schmuck von skulpturaler Qualität, bei dem aus dem Zusammenspiel von Muster, Farbigkeit und Form ein jeweils ungewöhnliches Werk von eigenem Charakter entsteht. Ausbildung 1968-1975 1973 1970-1975 1975-1978 1978 Seit 2002 Düsseldorfer Kunstakademie unter den Professoren Josef Beuys und Rolf Sackenheim sowie unter der Dozentin Teunissen van Manen Meisterschüler Studium der Philosophie, Universität Düsseldorf Beteiligung an archäologischen Ausgrabungen in Copàn, Mexiko eigene Werkstatt in Hannover Glasperlenarbeiten: Hängende und ruhende Skulpturen. Kasimir Oppermanns Arbeiten sind in zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten, u.a. bei „Schmuck 2009“ auf der Internationalen Handwerksmesse in München. Seite 36 Barbara Paganin Barbara Paganins (geb. 1961 Venedig) Broschen und Ketten mit venezianischen Glasperlen oder winzigen Saatperlen auf oxidiertem Silber oder Gold erinnern an Seeigel und Korallen. Wie an Stacheln oder Fühlern ragen die Perlen von ovalen oder runden kissenartigen Formen in den Raum und bilden eine unregelmäßige Oberfläche oder sie sitzen korallenartigen Ästen auf. Die Unterwasserlebewesen-Assoziationen können durch die Farbwahl – Weiß oder Rot – bzw. durch aderartige Musterungen, die an Seeböden erinnern, unterstrichen werden. Andere Werke sind von schotenartiger Form oder sind als aufgeschnittener Zucchini gehalten, in deren Inneren Süsswasser- und venezianische Glasperlen sichtbar werden. Die Inspiration durch die Natur bildet die Grundlage von Barbara Paganins Arbeit. Die Perlen sind immer so montiert, daß sie keine geschlossene Fläche bilden, sondern in den Raum hineinragen und dadurch eine lebendige, bewegliche, haptische Reize aussendende Oberfläche bilden. Die schlichten Grundformen lassen diese Reize und die Qualität der Perlen in den Vordergrund treten. Ausbildung 1974-1980 1976 1982 1980-1984 1984 1982-1987 1988-2007 2002 Studium der Metall- und Golschmiedekunst am Istituto Statale d’Arte, Venedig Diplom di Maestro d’Arte Diplom di Maturità di Arti Applicate Studium der Bildhauerkunst an der Accademia di Belle Arti, Venedig Diplom Abhalten von Schmuck-Kursen am Istituto Statale d’Arte, Venedig Lehrtätigkeit im Bereich Metallkunst und Goldschmieden am Istituto Statale d’Arte, Venedig Lehrtätigkeit am Royal College of Art, London Vertreten auf zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen, so auf der Sonderschau „Schmuck” auf der Internationalen Handwerksmesse in München in den Jahren 1987, 1994, 1999 und 2003. 2009 war sie an der Ausstellung „Schmuck aus Padua. Gioielli d’autore. Padova e la Scuola dell’oro” in der Galerie Handwerk in München beteiligt. Ihre Arbeiten befinden sich in den Sammlungen bedeutender Museen wie dem Copper Hewitt Museum und dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Musée des Arts Décoratifs in Paris, dem Museum Boymans van Beuningen in Rotterdam und dem Victoria & Albert Museum in London. Seite 37 Helga Seimel Helga Seimel (geb. 1949 Augsburg) kreiert aufwendige selbst gewickelte Glasperlen von unterschiedlichster Form, die sie zu Colliers aneinanderreiht. Sie deckt eine große Breite an Formen ab. So finden sich durchsichtige Perlen mit farbigen Einschlüssen, durchbrochene gitterartige Perlen, lange Perlen mit spiralig gedrehter Umfassung, scheiben- und tellerförmige Perlen, lange gedrehte Perlen, blattoder federartige Perlen, Perlen mit plastisch herausragenden Elementen, Perlen mit aufgelegten Glasfäden. Helga Seimels gewickelte und geschreckte Hohlperlen sind durch eine unregelmäßige Oberfläche, leichte Wülste, Unregelmäßigkeiten der Form und Spuren des Drehprozesses bestimmt, die durch die plötzliche Abkühlung entstehen. Ausbildung 1974 Beginn mit Glasarbeiten vor der Lampe 1988 Werkstatt in Landsberg am Lech Teilnahme an zahlreichen internationalen Ausstellungen zum Thema Glas und Schmuck. Seite 38 Metallperlen In den Gräbern von Ur aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. haben sich Goldperlen erhalten, die belegen, dass die noch heute geläufigen Techniken des Granulierens, der Filigranarbeit und des Emails schon bei den Sumerern bekannt waren. Goldperlen mit Granulierung in feiner Qualität sind auch aus dem Iran überliefert. In Ägypten und Syrien wurden im Mittelalter feine Goldperlen in offener Filigranarbeit hergestellt, die eine klare, oftmals geometrische Form mit feinen Liniengefügen aus stilisiertem Rankenwerk kombinieren. Für Perlen aus dem Jemen blieben feine Granulierungen über Jahrhunderte charakteristisch. In Europa waren Metallperlen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beliebt. Archäologische Funde in Italien, England und Troja bildeten die Vorlagen für diese aufwendigen Arbeiten, in denen granulierte Metallperlen gerne mit Perlen aus Halbedelsteinen kombiniert wurden. Neben Glasperlen finden sich besonders in Westafrika Gold- und Bronzeperlen mit Spiral- und Tiermustern, die im Wachsausschmelzverfahren hergestellt wurden, so bei den Ashanti und Akanvölkern. Die Metallperlen fanden in Ghana im Kontext von Zeremonien Verwendung, die verschiedene Abschnitte im Leben einleiteten. Bei den Baoule von der Elfenbeinküste zeigte die Wahl des Metalls den gesellschaftlichen Rang des Trägers an. Gold war der königlichen Familie vorbehalten, Bronze dagegen allgemein zugänglich. Bei den Somali in Ostafrika trugen verheiratete Frauen aufwendigen Schmuck, der ihren Status und Reichtum anzeigte und zugleich auch schützende Funktionen übernehmen sollte. Hier finden sich Ketten in Silber mit Achat, Bernstein und Elfenbein, die mit einem zylinderförmigen Anhänger versehen sind, in den Korantexte eingelegt sind (xirsi). Seite 39 Peter Bauhuis Peter Bauhuis’ (geb. 1965 Friedrichshafen) Werk umfasst neben monumentalen Gefäßen, die etwas vom Charakter chinesischer Bronzen besitzen, und ungewöhnlichen ironischen Schmuckstücken, in denen er sich mit Sehgewohnheiten und Wertvorstellungen beim Schmuck beschäftigt und paradoxerweise gerade über das Winzige die Aufmerksamkeit gezielt auf den Schmuck lenkt, auch „klassische Perlenketten“ in Gold, Kupfer, Bronze und Silber. Sein Interesse gilt dem Zusammenhang von Material, Technik und Form. Durch Gießverfahren, Legierungen und Herstellungsprozesse gibt er seinen Metallarbeiten ein ungewöhnlich breites Spektrum an Färbungen und Nuancen und reizt die Möglichkeiten des Materials aus. Wie bunte Kieselsteine reihen sich die Perlen von leicht unregelmäßiger Form und unterschiedlicher Größe aneinander bzw. scheint eine Kette auf den ersten Blick aus Perlen zu bestehen, die sich dann aber als Gold- und Silberkugeln mit weißlich schimmernder Patina erweisen. Auf polierten Glanz wird verzichtet, sondern die Perlen faszinieren durch den matten, feinen Schimmer und ihre abwechslungsreiche, bei jeder Perle individuellen Oberflächenstruktur. Die Perlen von Peter Bauhuis benötigen Zeit, da eigentlich jede von ihnen betrachtet und erkundet sein möchte. Es muss sich auch gar nicht um Perlen im engeren Sinne, also um gerundete geschlossene Elemente handeln, sondern sie können hinten abgeflacht und geöffnet sein. Diese Rückseiten machen einen großen Reiz im Werke Peter Bauhuis’ aus, da sie die Gießstege zeigen und somit etwas über die Entstehung der Werke erzählen. Diese Herstellungserinnerungen fungieren zugleich als eine Art feines plastisches Linienornament. Auch bei den Perlen kommt letztlich wieder Peter Bauhuis’ ironisches Moment zum Tragen, da sie, basierend auf großer Materialkenntnis und -erfahrung, aus anderen Materialien, seien es Steine oder Perlen, gearbeitet zu sein scheinen. Die Werke täuschen etwas vor; das Echte kann nur durch genaue Betrachtung entdeckt werden. Wieder wird an die Notwendigkeit des genauen Hinschauens appelliert. Ausbildung 1986-1990 1990 1993-1999 2000 Staatliche Zeichenakademie Hanau, Ausbildung zum Goldschmied Carl Duisberg Stipendium, London Akademie der Bildenden Künste, Klasse für Schmuck und Gerät unter Prof. Otto Künzli, seit 1998 Meisterschüler Diplom Seite 40 „Peas and Beas“ „Informal Chat“ Lucy Sarneel Lucy Sarneel (geb. 1961 Maastricht) arbeitet seit langem mit Zink. Das unedle, für den Bereich des Schmucks eher ungewöhnliche Material, das Zinkbadewannen assoziieren lässt, verwendet sie für Perlen, die sie aneinanderreiht und zu blütenartigen Formen aneinanderfügt. Dabei verbindet sie persönliche Erinnerungen und Anspielungen an holländische Traditionen zu originellen Schmuckstücken von skulpturaler Qualität. Bei der Kette „Informal Chat“ zum Beispiel liegen die Blüten wie bei einem Kropfband der niederländischen Tracht eng am Hals an, wobei Lucy Sarneel besonders durch die Trachten der Insel Markem bei Amsterdam fasziniert ist. In dieser Arbeit kontrastiert die matte graue Oberfläche des Zinks, die ihren Arbeiten einen besonderen, etwas rauen Reiz verleiht und Technik und Alltag assoziieren lässt, mit den Blumenmotiven, die aus der Welt der Natur entlehnt und stark stilisiert sind. In der neuen Arbeit „Peas and Beas“ spielt Lucy Sarneel mit den Formvorstellungen von Perlen und Erbsen. Die zylinderförmigen Perlen der Kette vermitteln zwischen größeren Kugelformen, die durch ihre Reihung und die Grünfärbung an Erbsen erinnern, und schlanken Zylindern und Stäbchen, die neben Gittern und aus Stegen gebildeten Ovalen als Anhänger von reich variierter lebendiger Kontur fungieren. Die Gesamtheit der Formen besitzt einen stillebenartigen Charakter, wobei die in stilisierte Schoten gehüllten grünen Erbsen einen lebhaften Farbakzent setzen. Die Kette wird am Hals gebunden, und zwei Zylinderformen bilden ein Gegengewicht auf dem Rücken. In den Formen, der Verwendung von plastischen und flachen Elementen, einem unterschiedlichen Stilisierungsgrad spielt Lucy Sarneel mit den Motiven. Die Kette mutet wie eine Collage an, doch stammen alle Formen von der Künstlerin selbst und wurden nach ihren Vorstellungen „überarbeitet“. Sie schweben somit auf durchaus charakteristische und faszinierende Weise zwischen Naturvorbild und Abstraktion. Ursprünglich verwendete Lucy Sarneel Zink, das sie auf besondere Weise bearbeitet, wegen der damit verbundenen Aspekte von Schutz – sei es als Material für Isolierungen und Dächer als auch als Spurenelement für den menschlichen Stoffwechsel. Heute schätzt sie besonders seine Neutralität und Atmosphäre und schätzt, dass das etwas düster wirkende Material den Grauton des holländischen Himmels und des Meeres aufgreift. „To me a jewel represents a place in the world in which one can loose oneself like in the sparkling of a diamond or the careful observation of little plants or moss. A piece of jewellery invites to contemplate and evokes thoughts and emotions. The basic ideas for my pieces of jeSeite 41 wellery derives from daily life experiences, thoughts and wonder in which the notion of time plays an important role. We all try to deal with personal lifetime, historic time and universal time. I’m challenged by the field of tension between the restricted material space and the unlimited mental and spiritual space of a jewel. Nature is an important point of reference; the question about the naturalness or artificiality of nature fascinates me and results in forms that remind us of flowers, plants or twigs.” Die ausgestellte Arbeit versinnbildlicht exemplarisch Lucy Sarneels Verbindung von Alltag, Geschichte und Reflektionen zum Wesen von Schmuck – zu seiner sozialen und symbolischen Funktion, zu Pracht und Wertigkeit. Bei Lucy Sarneel entsteht eine gewisse monumentale Pracht nicht aus der Verwendung kostbarer Materialien, sondern durch Stilisierung und Vereinfachen. Andere Arbeiten erweitern das Konzept durch spannende Materialkombinationen, die den Schmuckstücken den Charakter von Assemblagen verleihen. Alte Stoffe verweisen auf die vom Vergessen bedrohte holländische Tracht und ihre ehemalige Bedeutung innerhalb der Gesellschaft. Sie können mit Zinkblumen, Perlen und Muscheln kombiniert werden. Ausbildung 1982-1985 1985-1989 1990 2000 2002 Stadsacademie, Masstricht: Schmuckkunst Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam, bei Onno Boekhout Encouragement Prize Applied Arts, Amsterdam Foundation for the Arts Emmy van Leersum Prijs Applied Arts, Amsterdam Foundation for the Arts Galerie Marzee Pries, Nijmegen Halsschmuck „Ashore“, 2003 Mehrere Stipendien der Netherlandish Foudation for Fine Arts, Amsterdam. Lucy Sarneels Arbeiten waren auf zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen. Ihre Arbeiten wurden von renommierten Museen und Sammlungen erworben. Seite 42 Perlen aus Halbedelsteinen, Steinen, Samen und Bohnen, aus Textil, Holz, Kunststoff, Porzellan und anderen Materialien Schon im Paläolithikum wurden zum Beispiel in China Perlen aus Knochen, Tierzähnen, Muscheln oder Steinen hergestellt. Aus dem Neolithikum haben sich Jade-Perlen erhalten. In Afrika entstanden Perlen aus Samen, Nüssen, Muscheln, Knochen, Korallen, Karneol, Steinen – so die Granitperlen aus Mali –, und aus Stoßzähnen. Achat- und Korallenperlen stammen aus Benin (Nigeria) und bildeten einen wesentlichen Teil der Hoftracht. Perlen wurden in Halsringe und Haarnetze verarbeitet, wie sie sich auf erhaltenen Bronzen finden lassen. Achat-, Karneol- und Jaspisperlen wurden in Ilorin in Nigeria verwendet. Noch heute bilden verschiedene Perlen aus Korallen und Bernstein zusammen mit Silberperlen einen Bestandteil der reichen Tracht der Berberfrauen in Nordafrika. Ihnen wird schützende Macht zugesprochen. Perlen aus Edel- und Halbedelsteinen wie Achat, Karneol oder Lapislazuli und aus Korallen wurden in China in der Quing-Zeit (1644-1911) verwendet; solche aus Halbedelsteinen, Bergkristall, Alabaster, Muschelkalk und Metall waren in Ägypten, dem Zweistromland und in griechischer sowie römischer Zeit beliebt. Die Steine wurden durch Reiben und Abschleifen zu Perlen von verschiedener Form verarbeitet. Die Feinarbeit und das Polieren erfolgten durch Feuersteine und Sand. Im heutigen Iran wurden Perlen aus Karneol gefunden, in die feine geometrische Muster durch das Auftragen von Natron und anschließendes Erhitzen geätzt wurden. Einige dieser Perlen können in Form von Gegenständen gehalten sein und damit schützende Funktion besitzen. Auch Motiven, die auf Gottheiten verweisen, wurde eine solche Unheil abwehrende Fähigkeit zugesprochen. In Südindien gab es eine lange Tradition der Steinbearbeitung. Hier entstanden Perlen aus Bergkristall, Amethyst, Beryll, Granat, Amaryl, Edelsteinen und Diamanten. Die Funde belegen, dass schon sehr früh ein intensiver und weit reichender Handel mit Perlen stattfand. Zu römischer Zeit herrschte ein besonderer Reichtum auf dem Gebiet der Perle. Durch die Ausdehnung des römischen Reiches gelangten Perlen aus vielen Teilen der Welt nach Rom bzw. zahlreiche Materialien, aus denen dann Perlen hergestellt wurden. Neben Glas und Halbedelsteinen handelte es sich dabei um Bergkristall, Jet, Bernstein und Edelsteine wie Saphire, Rubine, Opale, Diamanten und Smaragde. Umgekehrt gelangten diese vielfältigen Perlen von einem Teil des römischen Reiches in einen anderen, z. T. weit entlegenen. So haben sich z. Bsp. Glasperlen in keltischen Gräbern und in Wikingergräbern in Dänemark gefunden. Sie belegen die weit reichenden Handelsbeziehungen. Im byzantinischen Reich wurde diese Vielfalt der Perlen fortgeführt, wobei nun unterschiedliche Tendenzen miteinander kombiniert wurden: das griechisch-römische Erbe und die Einflüsse durch den Orient. Beispiele byzantinischen Perlenschmucks lassen sich heute noch auf den Mosaiken in Ravenna finden. Bedeutende Handelszentren für Perlen aller Art waren im 10. bis zum 14. Jahrhundert die Städte Kairo und Mecca. Hier trafen Perlen aus Afrika und dem Osten aufeinander. Einzelne Materialien wie Lapislazuli und Karneol waren wegen der ihnen zugeschriebenen Schutz- und Heilkraft besonders begehrt. Im 19. Jahrhundert wurde Idar-Oberstein zu einem Zentrum für Achat- und Karneolperlen. Perlen wurden auch aus Bernstein, Elfenbein und Türkisen hergestellt. Bernstein bildet sich aus fossilem Harz von mehreren Millionen Jahre alten Bäumen und kann eine goldgelbe, orangefarbene oder braune, seltener auch grünliche oder bläuliche Färbung besitzen. Heute werden aus nahezu allen Materialien Perlen gefertigt, wobei nach wie vor Halbedelsteine wegen ihrer reichen Farbigkeit besonders beliebt sind. Seite 43 Perlen aus Halbedelsteinen Alexandra Bahlmann Alexandra Bahlmann (geb. 1961 Düsseldorf) gestaltet ihre Arbeiten nach den drei Grundsätzen von Beweglichkeit, Dreidimensionalität und Üppigkeit. Ihre Ketten und Ohrringe sind aus feinen kleinteiligen Metallbändern mit runden Öffnungen zusammengesetzt, die beweglich und flexibel miteinander verbunden sind. Die kleinen Perlen aus Edelsteinen oder Halbedelsteinen werden übereinander auf diesen Elementen plastisch sich abhebend montiert. Amethyst, Aquamarin und Perlen, Citrin, Rhodolith bzw. Karneol und Koralle oder Granat und rosa Turmalin werden miteinander kombiniert. Die runde Form der Perlen und ihre Schichtung, ihr Übereinander auf den linearen Schwüngen der Metallträger erfüllt Alexandra Bahlmanns Grundsatz der Dreidimensionalität. Die sich wiederholenden und aneinandergereihten Einzelteile von zumeist kurvig geschwungener Form, die in 18k Gold oder in oxidiertem Silber gearbeitet sind, passen sich dem Hals harmonisch an oder begleiten ihn in elegantem Schwung. Sie erinnern sowohl an RocailleElemente als auch an orientalische Ornamente, besonders an Paisley-Motive, oder florale Formen. Durch diese Assoziationen als auch durch die Feinheit und Dichte der aufgesetzten Perlen erreicht Alexandra Bahlmann ihr Ziel der Üppigkeit. Ihre Arbeiten wirken jedoch aufgrund der filigranen, fein durchbrochenen Metallträger, die unter den Perlen sichtbar bleiben und deren äußerer Rand die Perlen wie eine zierliche Spitze begleitet, stets leicht und fein. Durch die Zierlichkeit von Durchbrechung und Perlenbesatz, den Tragekomfort und die zurückhaltende, doch besondere Eleganz sind die Arbeiten vielfältig tragbar. Sie besitzen eine gewisse Nähe zum Modeschmuck, die von der Künstlerin durchaus angestrebt ist. In der Konstruktionsart, der Verwendung winziger Perlen und dem spitzenartigen Charakter der Arbeiten scheint Alexandra Bahlmann Inspirationen durch den „seed pearls“-Schmuck aus der Zeit um 1850 aufzugreifen und in etwas Modernes und Zeitgemäßes zu verwandeln. In ihren jüngeren Arbeiten arrangiert sie Perlen in DNS-artigen Schwüngen und Spiralen oder kombiniert aufgereihte Perlen mit schlichten beweglichen Gliederelementen, die in ihrem Verlauf denjenigen der Perlenfolge fortsetzen. Andere Arbeiten verbinden Perlen mit dreidimensionalen geometrischen Einheiten, die von zumeist dreieckiger oder kegelförmiger Grundform sind und durch kleine Kettenglieder aneinandergefügt werden, oder kontrastieren eine zierliche und feinteilige Perlenkette mit einer Seite 44 Metallkette, die sich aus klaren geometrischen Linien zusammensetzt und eine kragenartige Begleitung der Perlenkette bildet. Die Zierlichkeit wird hier durch eine gewisse Strenge ergänzt. Ausbildung Goldschmiedelehre in Düsseldorf bei Peter und Marte Hassenpfennig 1984-1987 Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam 1987-1990 Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Hermann Jünger 1994 Gastdozentin an der Fachhochschule Pforzheim 1997 Gastdozentin and der Rhode Island School of Design, Providence Preise 1990 1992 1994 1997 Herbert-Hofmann-Preis München Bayerischer Staatspreis Förderpreis der Stadt München Bayerischer Staatsförderpreis für junge Künstler München Hessischer Staatspreis für das Kunsthandwerk, Frankfurt a.M. Zahlreiche internationale Einzel- und Gruppenausstellungen. Seite 45 Diana Dudek Diana Dudek (geb. 1972 München) verbindet in ihren jüngsten Arbeiten Perlen aus mattiertem Bergkristall mit gehäkelten Schläuchen oder Kordeln. Als Akzente werden entweder farbige Garne oder Porzellanabgüsse von Tulpenblättern verwendet, die nicht nur Blätter, sondern auch Muscheln assoziieren lassen und damit das florale Motiv abstrahieren. Andere Ketten bestehen aus unregelmäßig geformten Platten aus in Porzellan abgegossener Spitze, die mit kleinen Saatperlen besetzt sind. Die Arbeiten besitzen in der hellen Farbgebung und der Motivik aus Spitzen und Blumen einen fröhlichen und sommerlichen Charakter. Als Kennzeichen der Arbeiten Diana Dudeks können die unregelmäßig angeordneten Perlenketten gelten, die Knoten und Schlaufen bilden, bei denen Enden lose herabhängen. Sie gewinnen dadurch eine spontane und lockere Note. In früheren Arbeiten kombinierte Diana Dudek Perlen aus Hämatit oder Bergkristall mit Textil und geprägtem Silber. Das Textil verbindet die Perlen mit ornamentierten Silberröhren oder flachgedrückten Trichterformen. Diese Arbeiten besitzen eine etwas düstere Anmutung und assoziieren in der Farbgebung Trauerschmuck. Gerade die Hämatit-Perlenkette, die in Textilstulpen mündet, welche an einer ornamentierten Silberröhre ansetzen, lässt in der Formgebung auch an Gebetskränze, Rosenkränze, islamische Perlenarbeiten denken. Diana Dudek sieht ihre Arbeiten bestimmt durch Ernst und Spiel, wobei die Arbeit am Schmuck zugleich auch eine psychologische Note besitzt: Der Schmuck entsteht im inneren Dialog mit sich selbst. Leichtigkeit und Humor sind dabei stets an Nachdenklichkeit, Ernst, Melancholie gebunden. Für Diana Dudek ist Schmuck mobiles Kunstwerk, persönliche Äußerung und besitzt Amulett-Funktion. Ausbildung 1995-1998 1999-2000 Seit 2000 2001-2004 2004 Goldschmiedelehre bei Detlef Volckmann in München Gaststudium an der Ecola Massana bei Ramon Puig Cuyàs Werkstatt in München Haute Ecole d’arts appliqués, Genf, bei Esther Brinckmann Diplom Diana Dudeks Arbeiten wurden auf zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert, darunter auch 2006 und 2010 auf der „Schmuck“-Schau auf der Internationalen Handwerksmesse in München. Seite 46 Isabell Schaupp Isabell Schaupp (geb. 1969 Augsburg) kombiniert Perlen aus Onyx, weißem Achat und Schaumkorallen mit Trichter- und Kegelformen, Metallstegen, Textil und Geflecht zu skulpturalen Gebilden, die zwischen Architektur- und Naturassoziationen wechseln. Sie setzt dabei die unterschiedlichen Oberflächenreize effektvoll gegeneinander: das Glatte des Metalls, das Unregelmäßige und Durchlässige der Flechtbereiche, die Struktur der Steine, das Übereinander der Perlen. Kompakte, geschlossene Bereiche wechseln mit fragilen und feinen Teilen. Für Isabell Schaupp bildet der Trichter eine Art Vermittlungszone zwischen dem Träger des Schmucks und der äußeren Welt. Das Trichtermotiv wiederholt sich auf Photos, die auf die weiß emaillierten Flächen aufgebracht werden. Waren ihre bisherigen Arbeiten durch eine Vielzahl von filigranen Trichtern bestimmt, die auch als flachgedrückte Formen erscheinen konnten und damit das Spiel von Zwei- und Dreidimensionalität in ihrem Schmuck betonten, wobei eher florale Assoziationen hervorgerufen wurden, an Blüten, Zweige oder Strauchwerk erinnert wurde, so zeigen die ausgestellten Arbeiten eine Konzentration auf wenige Trichterformen, die mit klaren Konturen, glatten emaillierten Flächen und dichten Perlenanhäufungen kombiniert werden. Die Feinheit und Transparenz der Trichterformen wird durch eine ruhigere Kompaktheit abgelöst, die das Augenmerk auf die Zusammenstellung und das Miteinander der verschiedenen Materialien richtet. Ausbildung 1990-1993 1993-1996 2003-2007 2008 2008 2007 Ausbildung zur Tischlerin Reisen Studium an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, HAWK Hildesheim, Fachbereich Gestaltung unter Prof. Georg Dobler und Prof. Werner Bünck Grassi-Preis der Galerie Slavik Innovationspreis, Inhorgenta München 3fg award (Diplom), Förderpreis des Freundeskreises der HAWK Hildesheim Isabell Schaupp hat ihre Arbeiten auf zahlreichen Ausstellungen gezeigt, u. a. im Grassi Museum Leipzig, der Inhorgenta München und dem Bayerischen Kunstgewerbeverein München. 2010 wurden ihre Arbeiten auf der Sonderschau „Schmuck“ auf der Internationalen Handwerksmesse in München präsentiert. Seite 47 Steinperlen Ulla Ahola Ulla Ahola (geb. 1984 Lappeenranta, Finnland) beschäftigt sich in ihren Schmuckarbeiten mit der Geschichte der Schmuckkunst und den Formen des historischen und aktuellen Schmucks sowie ihren Zusammenhängen. Sie artikuliert diese Reflektion, indem sie sich traditioneller Formen und Techniken bedient, diese jedoch auf eine moderne Weise variiert. So erinnern die ovale Form ihrer Anhänger und die Anordnung der Perlenreihen an historische Vorbilder, doch wirkt die Verwendung von Marmor und die reduzierte, monumentale Formensprache in diesem Zusammenhang modern. Ihre Perlen sind zwar weiß bzw. grau, doch nicht rund, sondern weisen durch die sichtbargelassene Steinbearbeitung eckige Brechungen auf. Die Verbindung der Marmorperlen folgt mit dem fein geknoteten Band dem Vorbild der traditionellen Perlenkette. Die Art der Anordnung – eine Kette aus größeren Perlen, an der kurze Stränge aus kleinen Perlen befestigt sind – gibt ihnen eine fast barocke Anmutung. Die üppige Pracht wird durch den leicht archaisch anmutenden Charakter, den die Perlbearbeitung assoziieren lässt, gegengesteuert. Die Kombination von Vergangenheit und Aktualität verleiht den Arbeiten Ulla Aholas ebenso wie die zurückhaltende, aber reizvolle Wirkung der verwendeten Materialien eine besondere Note. Ausbildung 2004-2008 South Karelia University of Applied Sciences, Lappeenranta, Finnland B.A. in Schmuck und Steinschneidekunst 2008 Solo-Ausstellung in Helsinki (Galerie Norsu), Teilnahme an verschiedenen internationalen Gruppenausstellungen, darunter „Talente 2009“ auf der Internationalen Handwerksmesse in München und mit der Finish Jewellery Art Association auf der Internationalen Handwerksmesse in München 2010. Seite 48 Tarja Tuupanen Tarja Tuupanens (geb. 1973 Lieksa, Finnland) Marmorketten sind von äußerster Reduktion. Sie abstrahieren die Perlen zu glatten Scheiben mit seitlich umlaufender Rille, durch die die verbindende Perlenseide geführt wird. Nicht nur Material und Form wandeln sich von Perle und Kugel zu Marmor und Scheibe, sondern auch die Tragweise: Aus der Kette wird eine Brosche. In diesen Arbeiten wird über Sehgewohnheiten, Tragekonventionen und kulturelle Überlieferungen reflektiert. Die klassische Perlenkette wird in ein modernes Accessoire überführt. Ausbildung 1995 Studium der Schmuck- und Steinschneidekunst, Lappeenranta College of Crafts and Design, Finnland 1998 Pädagogoisches Studium, Open University of Joensuu, Finnland 1998 Praktikum bei Wilhelm Tasso Mattar, Artá, Mallorca 1999 Diplom, South Carelia Vocational College, Department of Crafts and Design, Lappeenranta, Finnland 2003 The Specialized Program of Jewellery Art, South Carelia Polytechnic, Lappeenranta, Finnland Lehrtätigkeit am South Carelia Vocational College and Polytechnic, Lappeenranta, Finnland. Verschiedene Stipendien und zahlreiche internationale Einzel- und Gruppenausstellungen, darunter auch „Talente 2000“ auf der Internationalen Handwerksmesse in München sowie die Sonderschau „Schmuck“ 2004 und 2006 in München und dem Museum of Arts and Design, New York. Photo: Kimmo Heikkilä Seite 49 Perlen aus Samen, Bohnen und anderen Materialien Isabelle Azaïs Isabelle Azaïs (geb. 1965 Toulouse) präsentiert in München Arbeiten aus zwei verschiedenen Serien: Die „Colliers Fertiles“ bestehen aus exotischen mehrsträngigen Ketten aus farbigen Samen, Kernen, getrockneten Früchten und Bohnen. Dieses „grüne Gold“ wird zu blütenartigen Formen angeordnet. Die Künstlerin spricht in der Wahl ihrer Materialien zwei Aspekte an: zum einen die bessere Alltagstauglichkeit dieser Materialien im Vergleich mit Edelmetallen und wertvollen Steinen, zum anderen die Bedeutung und den Wert, den solche Nahrungsmittelgrundformen in der Zukunft unter den drohenden ökologischen Veränderungen besitzen könnten. Sie verweist darauf, dass sie dann tatsächlich zu wertvollen Materialien werden könnten. Die zweite Serie „Bollywood“ besteht aus ebenfalls mehrsträngigen Ketten, deren Einzelformen – wie die Paisleys – und Farbigkeit auf indischen Einflüssen beruhen. Auch hier verweist die Künstlerin auf das Umweltthema, indem sie nun verschiedene Materialien recycelt, darunter Weihnachtsbaumschmuck, Elektroteile, Zuckerperlen und Plastiktüten. Aus diesen alltäglichen, eigentlich wertlosen Materialien entstehen üppige phantasievolle Colliers, die einen äußerst prächtigen Eindruck vermitteln. Ausbildung 1985-1990 1991-1992 2003 2006 Académie des Beaux-Arts de Toulouse Master Class, Académie des Beaux Arts de Nantes erste eigene Kollektion Eröffnung der eigenen Galerie „La Vitrine” in Brüssel Seite 50 Textil Maki Kawawa Aus Textilien fertigt Maki Kawawa (geb. 1986 Japan) lange Ketten aus floralen Formen. Sie erinnern je nach Farbgebung und Arrangement an fröhliche bunte Blumengirlanden oder kostbare barocke Colliers. In beiden Fällen irritiert die ungewöhnliche Oberfläche, die den Assoziationen nicht entspricht. Die Blumen werden zu Rosetten stilisiert, wobei die runden Blütenblätter sich als Perlen in anderen Ketten wiederholen bzw. mit den komplexeren Rosetten kombiniert werden. Die barock anmutenden Ketten weisen größere Perlen auf, die eine erhabene Mitte besitzen, welche von einem mehrfach abgestuften Rand eingefasst wird. Dieses lässt an gefasste Edelsteine denken und vermittelt einen prachtvollen Eindruck. Die einzelnen Perlen sind farblich sehr nuanciert aufgebaut – wie überhaupt die gesamte farbliche Komposition der Ketten Maki Kawawas feines Farbgefühl deutlich werden lässt. Ausbildung 2005-2008 2009 Hiko Mizuno College, Tokio Assistentin am Hiko Mizuno College, Tokio Maki Kawawas Arbeiten wurden auf verschiedenen internationalen Ausstellungen gezeigt. In München präsentierte sie ihre Arbeiten 2009 beim Bayerischen Kunstgewerbeverein und in „Schmuck 2009“ auf der Internationalen Handwerksmesse. Seite 51 Holz und Kunststoff Florence Lehmann Die großen Perlen aus Kunststoff oder Holz in Florence Lehmanns Colliers (geb. 1964 Frankreich) schmiegen sich eng an den Hals an und stehen damit in einem unmittelbaren Kontakt zum Körper. Sie reagieren auf die Wölbungen und Kurven des Halses und der Brust, füllen und folgen diesen. Sie verwirren in ihren riesigen Kugelformen oder Konturen, die an Knochen und Kegel erinnern. Die Größe verleiht ihnen eine gewisse Rigidität und Strenge, lässt sie fast wie Halskrausen der spanischen Hofmode erscheinen. Wie bei den Halskrausen scheint die Beweglichkeit des Trägers durch den Halsschmuck beeinträchtigt. Der Träger wird sich bei dieser Art von Schmuck seines Körpers bewusst, da dieser auf der Vermessung des Körpers zu beruhen scheint. So bildet die Kette aus knochenartigen Perlformen den Querschnitt durch einen Kopf mit Nase ab. Der Titel der Serie „Naissance bien Tournée“ verweist auf einen ganz anderen Bereich – den der Geburt: Die Formen der Perlen, ihr Verhältnis zum Körper sind nun in diesem Sinne zu deuten. Die „Rückseiten“ der Perlen von Florence Lehmann können auch mit Abbildungen geschmückt sein. Das Weiß der Perlen erweist sich hier als „beschrieben“ und „gelebt“. Das Neutrale des Weiß wird von der Mutter und dem Kind durch das gemeinsame Erleben überdeckt. Weiß meint stets das Reine, das Unbeschriebene, dasjenige, das erst noch gefüllt werden muss. Zugleich ist der Akt des Anlegens von Schmuck als ein Akt der Geburt zu interpretieren: Es wird dadurch nicht nur ein Neubeginn in der Beziehung zwischen Objekt und Träger etabliert, sondern auch in der Selbstdarstellung und -erfahrung des Trägers – das Objekt erhält in dieser Beziehung eine Geschichte. Ausbildung 1982-1988 1987 ESAD (École supérieure des arts décoratifs), Straßburg Contemporary Jewellery Glass techniques, Leicester Polytechnic Post-qualification an der ESAD (École supérieure des arts décoratifs), Straßburg Florence Lehmann unterrichtet mit Sophie Hanagarth an der ESAD in Straßburg. Ihre Arbeiten wurden auf vielen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Seite 52 Uli Rapp Uli Rapp (geb. 1971 Ludwigsburg) wählt Gummi als Material ihrer „Perlenketten“. Die Perle erscheint bei diesen flachen Gebilden nicht als Form, sondern als Motiv. Uli Rapps Arbeiten sind durch ein spielerisches Element geprägt. So bilden die „Trompe l’oeil“-Ketten auf dem Gummigrund eine Perlenkette im Siebdruckverfahren ab. Es kann sich dabei um schlichte mehrsträngige Ketten oder um prächtigere, aufwendige und vielgliedrige Beispiele handeln. Beide Arten von Ketten variieren Vorbilder aus dem 16. Jahrhundert nach Porträts der elisabethanischen Epoche. Königin Elisabeth I. favorisierte reichen Perlenschmuck, der einen wichtigen Bestandteil ihrer Herrscherikonographie bildete. Er versinnbildlichte nicht nur die Reinheit der jungfräulichen Königin, sondern stand auch stellvertretend für den Reichtum Englands. Die Broschen Uli Rapps variieren in ihrer prächtigen Form mit den großen Anhängern Vorbilder aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Durch die Technik und die Farbigkeit werden die üppigen Schmuckstücke in etwas ungemein Tragbares und durchaus Alltagstaugliches verwandelt. Uli Rapp spielt mit Vorstellungen von Schmuck und Kostbarkeit auf eine witzige und moderne Weise. Ausbildung 1998-2001 2001-2003 Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam: Produktdesign Sandberg Instituut, Amsterdam: Meisterkurs Angewandte Künste Uli Rapps Arbeiten wurden auf zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Seite 53 Verschiedene Materialien Stephanie Jendis Stephanie Jendis’ (geb. 1971 Göttingen) Ketten kombinieren Perlen aus Halbedelsteinen und Kristall mit solchen aus Holz, Horn und Kunststoff zu Arbeiten von einer gewissen Monumentalität, die Modernität, Glamour und auch eine gewisse rustikale Note verbinden. Die Perlen werden nach Formen und Farben arrangiert, wobei die Arbeit mit unterschiedlichen Assoziationen besonders wichtig ist – so das Gegenüber des Geheimnisvollen und Festlichen der Edelsteine mit der Bodenständigkeit des Holzes und Horns. Hieraus ergeben sich ungewöhnliche Effekte, die eine bestimmte Stimmung hervorrufen. Stephanie Jendis arbeitet gerne mit facettierten Perlen, die sie entweder zu bzw. in rechteckigen Feldern zusammenstellt oder asymmetrisch in traubenartigen Arrangements verbindet. Bei diesen Ketten wird das Plastisch-Unregelmäßige der Perlen durch flache, eckige Silberplättchen gegengesteuert. Sie verhindern, dass das organische Erscheinungsbild des Arrangements zu lieblich wirkt und geben ihm eine moderne zeitgemäße Optik. Im Falle des Perlencolliers von Stephanie Jendis verbinden sich die unterschiedlichen Perlen und das etikettartig wirkende Silberplättchen zu einem reichen Spektrum an Grau-Silber-Nuancen, wird die runde mit der eckigen Form kontrastiert. Die Art der Perlenverknüfung ist ebenfalls ungewöhnlich, da die Perlseide z. T. außen um die Perle herum geführt wird und damit der gedrehte Seidenfaden als Material zur Geltung kommt. In ihren neuen Arbeiten verwendet Stephanie Jendis gerne Horn zu einer extravaganten opulenten Alternative des traditionellen „Jägerschmucks“. Sie nutzt dabei die reizvollen Oberflächenstrukturen des Horns und der Steine. Ausbildung 1991-1994 1994-1999 1999-2000 2005-2007 2007 Berufskolleg für Formgebung Schmuck und Gerät an der Goldschmiedeschule Pforzheim. Abschluss als staatlich geprüfte Designerin für Schmuck und Gerät Studium an der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim, Fachbereich Schmuck und Gerätedesign, Diplom Stipendium des DAAD für ein Studium in den Niederlanden Stipendium des Fonds voor Beeldende Kunsten, Amsterdam Gründung des Ladenateliers „Einzelstück“ Lehrtätigkeit an der Fachhochschule Trier, Fachbereich Schmuck- und Edelsteindesign, IdarOberstein. Stephanie Jendis’ Arbeiten wurden auf einer Vielzahl internationaler Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt. Sie war auch 2002 und 2009 auf der Ausstellung „Schmuck“ in München vertreten. Seite 54 Evert Nijland Eine Vielfalt von Materialien kombiniert Evert Nijland (geb. 1971 Oldenzaal, Niederlande) zu ungewöhnlichen Perlen und Colliers. So werden eiförmige Perlen aus Nußholz mit Platten aus mustergeprägtem Porzellan belegt, die durch kleine Goldperlen befestigt sind. Bei den Platten handelt es sich um Fragmente, die zu größeren Porzellanperlen zu gehören scheinen, welche zerbrochen sind und durch die Goldstifte auf einem Holzkorpus angebracht wurden. Die Kette „Wolkenlucht“ aus der Serie „Naturae“ (2009) trägt durch diese „Restaurierungsspuren“ eine eigene Geschichte. Bei einer anderen Kette („Pompei 1“ aus der Serie „Naturae“, 2009) bilden grüne und transparente Glasperlen dichte Trauben, die auf astförmigen silberfarbenen Gliedern aus Glas ansetzen. Scheibenförmige Perlen aus Ebenholz werden zu einem skulpturalen Halsschmuck arrangiert („Venezia“, 2006). Die Ketten reflektieren in ihren Formen, Mustern, der Wahl der verwendeten Materialien Einflüsse durch die Natur, durch Italien, Holland, deren jeweilige Traditionen und Kunstgeschichte. Bei der Serie „Naturae“ beschäftigt sich Evert Nijland mit auf Naturformen basierenden Ornamentmotiven aus verschiedenen historischen Epochen. Der Rückgriff auf Naturformen erlaubte dem Ornament Bewegung und Dynamik und vermittelte eine harmonische Einheit. Evert Nijland beschäftigt sich in seinem Halsschmuck mit den Möglichkeiten der Komposition und der Verbindung von Einzelelementen auf Basis von Naturformen und bricht diese durch Hinzufügung von Zersplitterungen, Dornen, Aufbrechungen und kontrastierenden Oberflächenstrukturen. Das Harmonische der Natur kann sich dadurch in etwas latent Gefährliches oder Bedrohtes verwandeln. Bei der Serie „Venezia“ galt sein Hauptinteresse der Perle als Form, die er von dem klassischen Rund oder Oval entfernte und zu einer Vielzahl ungewöhnlicher Formen variierte. Er experimentierte außerdem mit neuartigen Verbindungsmöglichkeiten für Perlen. Beide Elemente – die Perle und der historische Schmuck – prägen Evert Nijlands Œuvre und bestimmen auch seine früheren Serien. So zeigte er in seiner Serie „A Tribute to Cranach“ (2002) enganliegende Halsketten, die auf solchen in Lukas Cranachs Gemälden basieren, wobei er große Steine aus unterschiedlichem Material auf groben Leinengrund setzte und durch dichte feinteilige Perleneinfassungen rahmte, welche zugleich die einzelnen Schmucksteine miteinander verbinden. Bei „Fragments“ (2000) ließ er sich durch die italienische Renaissancemalerei inspirieren. Besonderes faszinierte ihn das Spiel des Lichtes auf verschiedenen Materialien wie Seidensamt, Metallfäden, Metall Seite 55 und Perlen. Die Lichtbrechung auf unterschiedlichen Materialien steigerte er durch das effektvolle Übereinanderlegen. Ausbildung 1989-1995 1996-1997 Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam Sandberg Instituut, Amsterdam Evert Nijlands Arbeiten wurden in vielen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt und von bedeutenden Sammlungen wie dem Schmuckmuseum in Pforzheim, dem Victoria & Albert Museum in London oder dem Museum of Art and Design in New York erworben. Er präsentierte seine Arbeiten 2001, 2006 und 2009 auf der „Schmuck“-Schau auf der Internationalen Handwerksmesse in München. Lehrtätigkeiten verbinden ihn mit der Gerrit Rietveld Academie und dem Sandberg Instituut in Amsterdam sowie dem Royal College of Art in London und St. Lucas in Antwerpen. Seite 56 Katja Schlegel Katja Schlegels (geb. 1970 Frankfurt a. M.) Schmuck verbindet klare graphische Formen in überlegter, ausgewogener Anordnung mit farbigen Flächen und Perlen. Die Rundung der Perlen mildert die Strenge der rahmenden Stege und verleiht dem Schmuck eine weichere Note. Diese Mischung von Weiblichkeit und Reduktion macht ihren Schmuck sehr tragbar, modern und „alltagstauglich“. Interessant sind ihre langen Ketten, die Wandelketten, in denen sich Glieder und Perlen aus verschiedenen Materialien abwechseln und an denen wie bei Ketten des 19. Jahrhunderts oder Chatelaines, die am Gürtel getragen wurden, verschiedene Anhänger befestigt sind. In der Gesamtheit der Formen und Farben ergibt sich ein harmonisches, reich variiertes Gesamtbild. Die aus Kugelgliedern bestehenden Ketten kombinieren in den Anhängern verschiedene Materialien: gefasste ovale Acrylglasscheiben oder Steine, größere Perlen verschiedener Materialien und Form. Das eine Ende der Kette kann durch einen Haken auf unterschiedlicher Höhe befestigt werden, so dass die Halsnähe oder –ferne durch die Trägerin selbst bestimmt und verändert werden kann. Die Ketten können auch mehrfach um den Hals geschlungen werden, Anhänger oder Schlußstücke können als Rückenschmuck dienen, eines der Materialien kann durch die Art des Arrangements in den Vordergrund gestellt werden. Ebenso kann die Anzahl der Anhänger von der Trägerin bestimmt werden. Dadurch passen sich die Ketten der Stimmung, der Kleidung und der Gelegenheit an. Die Wahl der Kugelkette verleiht den Arbeiten eine gewisse Informalität und eine sportliche Note, die durch die Eleganz der Anhänger und Schönheit der Materialien aufgefangen wird. Je nach Größe der Kugeln und gewähltem Material tritt das sportlich-lässige Element mal stärker und mal weniger in den Vordergrund. Die Zusammenstellung von Perlen verschiedener Materialien macht den Reiz der Arbeiten aus: Gold, Silber, oxidiertes Silber, Koralle, Onyx, verschiedene Perlenarten, Elfenbein, Achat werden auf elegante Weise kombiniert. Ausbildung 1990-1993 Seit 1994 2001-2002 Ausbildung zur Goldschmiedin, staatliche Berufsfachschule für Glas und Schmuck, Neugablonz selbständig als Goldschmiedin Lehrtätigkeit, Fachoberschule München Beteiligung an zahlreichen internationalen Ausstellungen und Messen. Seite 57 Francis Willemstijn Francis Willemstijn (geb. 1973 Hoorn, Niederlande) verwendet in ihren Armbändern facettierte Granatperlen und Mooreichen-Stücke. Der etwas altmodische Charakter der Perlen erhält durch die rechteckig zusammengefügten Mooreichenstege eine architektonische Einfassung. Traditionelle Elemente erfahren eine Wendung ins Moderne; Pracht und Strenge gleichen einander aus. Die Farbkombination ist etwas düster, aber sehr stimmungsvoll. In ihren Ketten kombiniert Francis Willemstijn auf reizvolle Weise Granate, Silber und Kupfer, die zierliche Blüten, Farne oder Federn nachbilden, bzw. Granate, Jet und Holz, wobei sie mit dem Kontrast zwischen Materialien mit glänzender und matter Oberfläche spielt. Sie beschäftigt sich in ihren Schmuckstücken mit der holländischen Geschichte und wählte dabei die Themen Seefahrt, Malerei, traditionelle Kleidung und Schmuck. Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, das Lebendighalten der Tradition und Geschichte wird nicht nur in den Formen und den Motiven, sondern auch in der Wahl der Materialien deutlich: Ebenholz, Granate, Silber, Haar, Plastik – also alte und neue Materialgruppen. Die gezeigten Arbeiten sind der Serie „Gejaagd door de Wind“ („Vom Winde verweht“) verbunden, die auf einer Ausstellung gleichen Titels im Zuiderzeemuseum in Enskhuizen gezeigt wurden, deren Thema die Beschäftigung mit den holländischen Traditionen in Kleidung und Accessoires war. Frühere Serien wie „Jerephages“ belegen ihre Auseinandersetzung mit dem Mythos der Fliegenden Holländers: Hier erscheinen Motive des Geisterschiffes, von Blüten und Geflecht. Bestimmendes Material ist Silber, das zu feinen Silhouetten ausgeschnitten wird; Verbindungsnähte werden durch Metallstifte und Nägel in einem anderen Metall betont. Bei der Serie „Heritage“ verbanden sich Anregungen durch traditionelle holländische Trachten und Schmuck, Blüten und historische Ornamente, die mit schweren geradlinigen Holzelementen kombiniert wurden. Ausbildung 1996-2000 2001-2004 2009 2010 Hogeschool van Amsterdam, Ausbildung zur Lehrerin Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam Basisstipendium, Stichting Foundation voor de Beeldende Kunsten Artist in Residence, Fachhochschule Trier, Jakob-Bengel-Stiftung, Idar-Oberstein Francis Willemstijns Arbeiten wurden auf zahlreichen internationalen Ausstellungen präsentiert. Seite 58 Perlen in Objekten, Bildern und Installationen „Letzte Nacht hatte ich einen Traum in meines Freundes Bett“, 2008 Shige Fujishiro Shige Fujishiro (geb. 1976 Hiroshima) setzt seine Träume in Blumenarrangements um, die aus Perlen, Sicherheitsnadeln und Draht gearbeitet sind. Sie bilden mit ihrer naturalistischen Erscheinung und dem künstlichen Material eine Mischung, die der irreal doch zugleich realen Welt der Träume nahekommt. Diese Mischung wird noch dadurch gesteigert, dass die einzelnen Blumenstiele in Töpfe unterschiedlicher Größe gesteckt werden. Die Blüten selbst und die Bodennähe lassen eher die Natur erahnen, die Präsentationsform im Topf jedoch ein häusliches Umfeld. Hieraus ergibt sich ein Kontrast, den Shige Fujishiro noch durch Kombination mit entsprechend gearbeiteten Kissen, Decken und Kuchenstücken auf Platten verstärken kann. Hier ist nun gänzlich unklar, ob die Traumsituation in einem Innenraum oder einem Außenbereich angesiedelt ist. Der Ausschnittbereich des Traumes wird durch den mit Zucker bestreuten Boden angezeigt. Die Blumen scheinen auf dem weißen, körnigen Grund zu schweben und heben sich von der Realität des Raumes ab, so als ob eine Traumblase in den Raum hineingesetzt ist – ein Vorgehen, das entfernt an Raffaels Darstellung der Traumsequenzen in der Josephsgeschichte in seinen Fresken in den Loggien des Vatikan erinnert (um 1515/1518). Ausbildung 2000 Hiroshima City University, Department of Fine Arts and Art Theory unter den Professoren Kenji Ohi und Tastuo Ebisawa Bachelorabschluss 2000 Austauschprogramm, Fachhochschule Hannover unter den Professoren Makoto Fujiwara und Peter Redeker 2002 Hiroshima City University, Department of Fine Arts and Art Theory unter den Professoren Kenji Ohi und Tastuo Ebisawa Masterabschluss 2005 Hiroshima City University Department of Fine Arts and Art Theory unter den Professoren Kenji Ohi und Tastuo Ebisawa Doktorabschluss Preise: 2003 8th Art Competition, Art of Hiroshima, Hiroshima City Museum of Contemporary Art, Japan Shige Fujishiros Arbeiten wurden auf zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen besonders in Deutschland und Japan gezeigt. Seite 59 Karen Gilbert Arbeiten, die über den Schmuckbereich in denjenigen der Installation hinausgehen, stammen von Karen Gilbert (geb. 1971 Oregon). Ihre Wandbroschen erinnern mit ihren langen Drähten und astartigen Ausläufern an Mikroorganismen oder Unterwasserlebewesen, die sich die Wände hochbewegen. Zugleich lassen sie mit ihren üppigen Perlenarrangements, der Farbigkeit und den ausladenden Proportionen auch an amerikanischen Modeschmuck aus den 1950er Jahren denken. Die Arbeiten, die sie in der Ausstellung zeigt, sind von eher geschlossener, nestartiger Form. In der Mitte des feinen Drahtgeflechts sitzen die farbigen Perlen in einem dichten Arrangement. Hieraus entwickelt sich ein reizvoller Kontrast aus fragilem linearen Netzwerk und kompakten dreidimensionalen Formen. Karen Gilbert verwendet vor der Lampe bearbeitetes Pyrex-Glas, Silber, Email, Halbedelsteine und Stahl. “I see my work from two sides. One is the exploration of materials; the other is the content of my ideas. The functional forms in nature and science, put together, are those we find familiar. I see these most primal forms as roadmaps for everything we think and feel. The smallest can be a visual representation of the larger complexity. What is underneath the surface is what I choose to explore. I try to question ideas about where comfort and beauty are found. The objects I make are my expressions of a new narrative. I found myself attracted to silver and glass because of their working response and beauty. I grew to love the way they counterbalance one another. I almost always oxidize (blacken) the silver and use transparent glass to balance the bold forms. Over time I went deeper into the form, texture and movement trying to progress the language of my process. The work has moved from bold shapes to multi leveled textured shapes. I am trying to give my work life. The content has also developed over the years. My early work was influenced by objects that humans created for practical use. I was drawn to objects and materials that historically were not labeled as beautiful. Objects that were “damaged” create there own unique narrative through nature, the human hand and the onset of time. The evolution of these Ideas moved more into the realm of science. I think working on such small objects moved my area of interest toward the microscopic world. As I focused on the details of my work I began to think more about what made up forms and how they functioned. It went into how the human body works to how all organisms in nature develop and function. I love the functional forms in nature and science that put together are the shapes we find familiar. What is underneath the surface is what I choose to explore.” Seite 60 Ausbildung 1989-1990 1991-1993 1996, 1999 University of San Francisco California College of Arts Pilchuck Glass School Preise 1998 2003, 2007 Artist Trust, Washington State Arts Commission fellowship Award of Achievement, American Craft Council Karen Gilberts Arbeiten befinden sich in den Sammlungen amerikanischer Museen und wurden auf internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert. Seite 61 Jens Gussek Jens Gusseks (geb. 1964 Glauchau) Installation aus weißen Glasperlen „Pearl Harbour“ übersetzt visuell den Namen der Stadt auf O’ahu, Hawai, vor der die amerikanische Pazifikflotte vor Anker lag. Der überraschende Luftangriff durch Japan im Dezember 1941 war der Auslöser für den Kriegseintritt der USA. Perlen bilden eine Kette um ein Schiff. Sie können zugleich den Hafen als auch das schutzlose Ausgeliefertsein meinen. Die Wahl des Materials Glas verweist zudem auf die Zerbrechlichkeit von Harmonie und Ausgewogenheit, den plötzlichen Verlust der scheinbaren Sicherheit. Unabhängig von historischen Assoziationen kann durch Perlen und Schiff ein exotisches Ambiente und die Sehnsucht danach angesprochen werden. Die Perlen markieren einen Hafen, einen Weltausschnitt und das Schiff die Reise dorthin. Das Schiff bleibt jedoch in dem Kreis aus Perlen gefangen. Die Perlenkette begrenzt seinen Horizont und seine Bewegungsmöglichkeiten. Der Aufbruch in die Ferne, das Ungewisse erweist sich als eine Illusion; das Schiff bleibt in seinen Grenzen gefangen. Diese Bedeutungsspanne stattet die Arbeit von Jens Gussek mit einer spannungsvollen Ambivalenz aus. Ausbildung 1986-1992 1992 1994-2000 seit 2003 Studium an der Hochschule für Kunst und Design Halle – Burg Giebichenstein Diplom Assistant Professor für Glaskunst und Malerei an der Hochschule für Kunst und Design Halle – Burg Giebichenstein Lehrer für Glaskunst und Malerei an der Hochschule für Kunst und Design Halle – Burg Giebichenstein Jens Gusseks Arbeiten wurden auf zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Seite 62 Outi Martikainen Outi Martikainens (geb. 1964 Jyväskylä, Finnland) Perlenkette besteht aus Gliedern, die aus Reinigungszetteln zusammengestellt sind. Die Künstlerin schafft hiermit einen ungewöhnlichen Oberflächeneffekt, arbeitet mit besonderen Strukturen. Die Kette steht in dem weiteren Kontext von Werken, in denen sie sich mit ihrer Arbeit als Designerin und mit der Frage beschäftigt, wie die Abfälle, bei denen es sich auch um „Designprodukte“ handelt, genutzt werden können. Wie ihre Arbeiten aus Brottütenverschlüssen verweisen auch die Ketten aus Reinigungszetteln auf ihre eigene Person, sei es in ihrer Tätigkeit als Textildesignerin oder ihrer Herkunft aus Finnland. „Tag für Tag: Den Sommer 2004 habe ich in einer Künstlerresidenz auf Suomenlinna verbracht, eine Insel, von der Helsinki mit der Fähre in 15 Minuten zu erreichen ist. Wäsche und Handtücher wurden von der Residenz bereitgestellt und von der Reinigung organisiert. Handtücher und Wäsche waren mit kleinen Stücken von gewebtem Stoff markiert, auf denen Zahlen und Buchstaben eingetragen waren. Die verblichenen Farben dieser Zettel haben mich inspiriert. Zugleich fand ich etwas über die Logistik von Reinigungen heraus: Die Farben markieren den Tag, an dem die Wäsche bei der Reinigung eingeht; Zahlen und Buchstaben bezeichnen den Eigentümer der Wäschestücke. Als eine neue Markierungsmaschine eingeführt wurde, habe ich von den Damen, die in der Reinigung arbeiten, die alten Zettel erhalten. Ich war zu der Zeit nicht in Finnland und habe die Damen in meine Arbeit einbezogen, da sie die alten Zettel vom Stoff entfernten. Ich denke, dass ich dadurch einen Teil unserer textilen Geschichte bewahrt habe. Zur gleichen Zeit habe ich mit verschiedenen Arten von PerIen gearbeitet (project Digiprint) – ein Werk für eine Wand im Hafen von Suomenlinna, eine Arbeit mit leeren Plastikflaschen. „Tag für Tag“ entstand durch das Aufnähen der Zettel auf Perlen, die ich aus gestärktem Textil in einer Form bildete. „Tag für Tag“ ist ein Beispiel für die Informationen, die Textilien besitzen und tragen können. Farben, abgenutzt und verblichen, versinnbildlichen die vergehende Zeit. Während ich mit den Perlen arbeitete, entstand eine Art von Gebetskranz.“ Ausbildung 1985-1987 Vihti School of Arts and Crafts 1995 Hochschule der Künste, Berlin: Erasmus Programm 1996 Koningklijke Academie van Beeldende Kunst, Den Haag 1999 University of Art and Design, Helsinki: Textilkunst und -design; MA-Abschluss Outi Martikainens Arbeiten waren auf mehreren Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen. Sie führte verschiedene Projekte für öffentliche Gebäude in Finnland aus. Seite 63 Dorothee Neumann Dorothee Neumann (geb. 1969 München) verwendet in ihren Bildern Perlen zusammen mit Stickerei. Die stark abstrahieren alltäglichen Motive wie Tische oder Stühle werden überlegt auf dem Textil- oder Papiergrund angeordnet und sind durch ihr Oberflächenrelief von unterschiedlicher Qualität bestimmt. Die Stickerei übernimmt dabei den Part der Zeichnung, während die unterschiedlich geformten Glasperlen entsprechend zur Malerei den Motiven plastische Wirkung verleihen. Die Tische Dorothee Neumanns werden in Aufsicht mit ausgeklappten Tischbeinen oder in „naiver“ perspektivischer Ansicht ohne die beiden hinteren Tischbeine abgebildet. Die zu runden Arrangements auf der Tischplatte angeordneten Perlen lassen Früchte oder Platten assoziieren. Sie heben sich reizvoll plastisch von der feinen linearen Stickerei und dem strukturierten Papiergrund ab. Ausbildung 1993 1994 1995-1996 1996 1996-1998 1988-2000 Erlernen des Glasperlen-Wickelns bei Helga Seimel in Landsberg-am-Lech Heißglaskurs bei Peter Novotny, Bildwerk Frauenau Glass Techniques and Technology, International Glass Centre, Brierley Hill Interdisziplinärer Kurs bei Lise Autogena, Dick Weiss und Robert Carlson, Bildwerk Frauenau Surrey Institute of Art and Design, Farnham, Three Dimensional Design in Glass: Bachelor of Art Royal College of Art, London, Ceramics and Glass: MA-Abschluss Dorothee Neumann zeigte ihre Arbeiten auf zahlreichen internationalen Ausstellungen. Seite 64 Pearl Map Unit Memory String 3 Memory String 2 Michael Petry Michael Petry (geb. 1960 USA) präsentiert in der Ausstellung Installationen, die Perlen vertikal arrangieren. Dabei handelt es sich im Charakter um sehr unterschiedliche Werke: Eine Perlenkette hängt senkrecht über dem Boden. Sie ist zugleich eine skulpturale Arbeit als auch – ausgestattet mit einem funktionierenden Verschluss – ein tragbares Schmuckstück. Je nach Raumsituation und Lichtverhältnissen scheint sie im Raum zu schweben oder sich in diesem aufzulösen. Andere Arbeiten, die große bunte Glasperlen an Seilen zeigen, an denen sie durch Knoten befestigt sind, lassen eher Venedig und die See assoziieren. Sie erinnern an die Fischerkugeln, die von Fischern zur Markierung ihrer Netze verwendet wurden. Auch diese Arbeiten reagieren auf den umgebenden Raum in Proportionen und Farbwirkung. Michael Petrys Glaskugeln sind harmonisch in der Farbwahl aufeinander abgestimmt. Durch plastisch sich abhebende Rillen und farbige Spirallinien erhalten die Kugeln Dynamik und treten in Bezug zu den gerade herabhängenden Seilen, die ebenfalls eine spiralige Drehung aufweisen. Durch das Material des farbigen Glases heben sie sich vom Raum ab, lassen diesen aber weiterhin durch sich hindurch sichtbar werden. Die Idee der Transparenz, die bei der Perlenkette durch den Eindruck des Schwebens und Auflösens entsteht, wird hier durch das Material umgesetzt. Michael Petry verwendet Perlen unterschiedlicher Materialien, um mit dem Raum zu arbeiten. Je nach räumlicher Situierung, aber auch je nach Beleuchtungs- und Wettersituation entstehen dabei immer neue Eindrücke. Ausbildung 1981 Rice University, Houston, Texas: BA-Abschluss 1999 London Guildhall University, London: MA-Abschluss 2004 Middlesex University, London Michael Petry ist Direktor des Museum of Contemporary Art (MOCA) in London. Er hat Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst kuratiert. 2010 ist er „Artist in Residence“ im Sir John Soane’s Museum in London. Seine Werke wurden auf zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt und befinden sich in u. a. in den Sammlungen des British Museum in London, des Museums Bellerive in Zürich, des Museum of Fine Arts in Houston, des Museum of Arts & Design in New York. Seite 65 Anhang zur Ausstellung „Es perlt...“ Glasperlen in Afrika Seit dem 15. Jahrhundert dienten Glasperlen als Tauschware im Handel mit den afrikanischen und asiatischen Ländern. Mit Glasperlen aus Venedig, Böhmen oder den Niederlanden wurden für Europa so kostbare Güter wie Gewürze, Edelmetall, Seiden und Elfenbein erworben. Sie wurden auch in den Nahen Osten importiert. Das Spektrum dieser Handelsperlen („Trade beads“) war durch die gemachten Erfahrungen reich differenziert, und ihr Angebot richtete sich nach bereister Region oder gewünschtem Tauschgut. Auch innerhalb Afrikas dienten Perlen als Zahlungsmittel. In Afrika und anderen Kulturen, so auch im alten Rom, hatten viele Perlen einen unheilabwehrenden, schützenden Charakter und fungierten als Amulett, so zum Beispiel die Augenperlen. In Südafrika wurden schon früh eigene Glasperlen produziert, wie durch Ausgrabungen in nördlichen Transvaal belegt ist, wenn auch später weitgehend europäische Perlen verarbeitet wurden. Einzelne afrikanische Länder sind durch die Verwendung besonderer Perlen bestimmt. So gibt es Kiffa-Perlen – bunte, oft kegelförmige Perlen aus Mauretanien –, Bodom- und Krobo-Perlen aus Ghana, Kano- oder Hebron-Perlen in Gelb, Grün und Türkis. Die Kiffa-Perlen werden aus pulverisiertem Glas hergestellt. Europäische Glasperlen und Glasflaschen werden hierfür verwendet. Das Glaspulver wird mit Bindemitteln vermischt und sowohl für die Form als auch für die Dekoration verwendet. Die Perlen werden in kleine Behältnisse gegeben, z. Bsp. Keramikformen oder Sardinendosen – und über dem offenen Feuer geschmolzen. Die Formen reichen von rund, oval, zylinder- und kegelförmig bis zur Rhombenform. Es wird vermutet, dass die Arbeiten einzelner Familien durch bestimmte Kennzeichen zu unterscheiden sind und dass die Perlen neben ihrer Amulettfunktion verschiedene Bedeutungen besaßen. Bei Bodom-Perlen ist Gelb die vorherrschende Farbe mit dunklem Zentrum. Ihnen wurden magische und heilende Kräfte zugesprochen. Die Verwendung von Perlen in Afrika ist äußerst weit verbreitet und von großer Vielfalt geprägt. Zwischen den verschiedenen Stämmen und Clans kommt es zu unterschiedlichen Ausprägungen, die Gestaltung, Bedeutung und Funktion betreffen. In der Regel dienen die Perlen dazu, das Geschlecht, den Rang, den sozialen Status oder die Funktion des Trägers innerhalb der Gemeinschaft und den jeweiligen Lebensabschnitt zu markieren. Sie können auch als eine nonverbale Form der Mitteilung verwendet werden. Im Folgenden soll an einzelnen Beispielen versucht werden, einen kleinen Eindruck von dieser Vielfalt zu vermitteln. Für die Xhosa- und Zulu-Stämme in Südafrika, die über keine religiöse Bildkunst verfügten und für die die Perlen zugleich eine Brücke zu den Geistern der Ahnen herstellten, fungierten Perlenarbeiten durch Farben- und Formenwahl als Hinweis auf Herkunft, Geschlecht, Alter, Reichtum, Status und Rang des Trägers. Perlen besaßen nicht nur eine symbolische Bedeutung, sondern dienten zugleich zur Übermittlung von Botschaften, wobei diese in unterschiedlichen „Dialekten“ gehalten waren und die Art dieser Mitteilungen durch die über die Kolonialisierung eingeführte Schriftsprache weitreichende Änderungen erfuhr. Die Botschaften erfolgten zumeist in Zusammenhang mit Liebe und Werbung. Die Bedeutung der Perle war dabei von ihrer Stellung zwischen anderen Perlen abhängig. Seite 66 Weiße Perlen versinnbildlichten bei den Xhosa Reinheit und Meditation, waren eine Gabe an die Götter; angeschwemmte Perlen galten als Geschenk der Ahnen. Rote Perlen waren zunächst für Mitglieder der Königsfamilie vorgesehen. Gelbe Perlen symbolisierten Fruchtbarkeit, grüne Perlen neues Leben. Durchsichtige und opake Perlen waren mit unterschiedlicher Bedeutung belegt. Einzelne Motive repräsentierten bestimmte Gegenstände bzw. ein Wort: ein Zickzackband bedeutete den Fluss, das Schachbrett oder die Diagonale einen Baum, die Rhombe einen Stern. Bei den Zulus wurde Weiß mit den Ahnen und Erleuchtung verbunden, aber auch mit Liebe und Reinheit, Rot mit Blut und Fruchtbarkeit der Frauen. Schwarz dagegen war mit sehr unterschiedlicher Bedeutung versehen, denn es konnte Dunkelheit, Tod und das Böse, zugleich aber auch Leben symbolisieren – letzteres in Hinblick auf die dunklen Regenwolken. Die verschiedenen Stämme und FamilienClans hatten jeweils eigene Farb- und Musterkombinationen, welche durch Wanderungen, Einflüsse und Änderungen in der Perlenproduktion variiert und verändert werden konnten. So ist der „Isilomi”Stil der Mabaso durch die Folge von Dunkelblau, Türkis, Grün, Weiß, opakem Rot und Schwarz gekennzeichnet, bei dem „Isiphalafini“-Stil dagegen fehlt das Türkis. Die Arbeiten der Mthembu wiederum sind durch die Folge von Grün, Gelb, Rot, Schwarz und Türkis geprägt. Die Reihenfolge der Farben war im Sinne von bestimmten Streifenkombinationen festgelegt. Dabei galt der mittlere Streifen als „Feld” (isiqaba), eingefasst von Grenzbereichen (iminqamulo). Die Bezeichnungen verweisen auf ihre Herkunft aus dem Ackerbaubereich. Bei den Zulu bildeten Perlen einen wichtigen Teil der Bekleidung, die nach Alter und Status stark differenziert war. Kinder trugen eine einfache Perlenschnur (ucu), junge Mädchen einen perlenbestickten Gürtel (umutsha). Abhängig vom Alter ist dieser ergänzt durch einen vorderen Schurzteil: isigege (ein rechteckiges besticktes Stoffteil), umayidi ka (aus Perlenschnüren), isiheshe oder udildla (eine Art Rock aus Perlenschnüren). Verheiratete Frauen tragen auch perlenbestickte oder mit Dornen verzierte Hüte sowie flache Halskrägen (imibhijo oder ulimi), Bräute und schwangere Frauen wiederum einen mit Metall oder Perlen verzierten Brustlatz aus Hirschleder. Auch andere Bereiche der Kleidung variierten im Laufe des Lebens einer Frau. Beim Thembu-Volk in Südafrika sind perlenbestickte Kleidungsstücke Teil zeremonieller Verfahren und bezeichnen Alter und Status. Bestickte Tabaksbeutel (ingxowa/ikhubalo) zum Beispiel, die von Männern bei zeremoniellen Tänzen getragen werden, können in der Kombination von Schwarz und Weiß auf ihren verheirateten Status verweisen. Gürtel mit weißen Perlen, die mit einzelnen schwarzen, türkis- und rosafarbenen Perlen kombiniert wurden, waren angemessen für junge Frauen. Die Thembu-Frauen trugen auch bestickte Schurze (Inkciyo). Thembu-Schurze ähneln in den Verzierungen durch weiße und schwarze Perlen in geometrischen Mustern denjenigen der Xhousa. Berühmte Perlenarbeiten stammen von den Ndebele (Südafrika). Perlenbestickte Reifen wurden hier als Hals-, Arm- und Beinschmuck getragen. Dieser Schmuck (isigolwani) war aus Grashalmen gearbeitet, die zu einem Wulst geflochten und mit Perlen bestickt wurden. Als „imibhijo“ wird Perlenschmuck bezeichnet, der von jungen heiratsfähigen Frauen getragen wird. Perlenstickereien waren Teil der Frauenkleidung und markierten bestimmte Phasen in ihrem Leben. Die Perlen wurden auf Schafleder aufgetragen, das zu Schurzen und Decken verarbeitet wurde. Zunächst wurden die Stickereien mit weißen Perlen ausgeführt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts erweiterte sich jedoch die Farbpalette. Die Mädchen trugen je nach Alter einen Schurz (ghabi) und eine Schürze (pepetu). Seite 67 Zur Hochzeit erhielten die Bräute einen Brautschurz (jocolo), der durch eine Brautdecke (nguba), die über die Schulter gelegt wurde und im Laufe des Lebens weitere Stickereien erhielt, sowie durch einen schleppenartigen Streifen (nyoga) ergänzt wurde. Bei dem Schurz sind an den Ecken zwei breite rechteckige Streifen befestigt, zwischen denen Perlfransen hängen. Zur Hochzeit erhielt die Braut auch einen Korb, ein Fässchen, einen Stab und eine Fruchtbarkeits-Puppe, die alle mit Perlen bestickt waren. Nach der Geburt des ersten Kindes stand der jungen Frau ein ebenfalls bestickter steifer Schurz mit fünf unten abgerundeten Streifen zu. Verheiratete Frauen trugen zudem eine Kopfbedeckung, die von einem einfachen perlenbestickten Stirnband bis zu aufwendigem Kopfschmuck (amacubi) reichen konnte. Sie zeigte den Respekt gegenüber dem Ehemann. Das Kuba-Volk im Kongo wiederum besaß reich mit Kaurimuscheln und Glasperlen bestickte Gürtel (yeemy mambolmshet) aus gewebtem Raffia. Länge und Stickereien bezeichneten den Status des Trägers. Die Gürtel wurden bei Zeremonien und Begräbnissen von hochgestellten Personen getragen. Als wichtigstes Motiv gilt „imbol”. Hier kreuzt sich eine Linie zweifach, so dass ein knotenartiges Motiv entsteht. Auch die Gürtel sind geknotet, wobei es als besondere Schwierigkeit galt, den Knoten mit Perlen zu versehen. Auch die mit Muscheln und Glasperlen bestickten flachen Hüte wurden bei solchen Zeremonien getragen. Für die Frauen aus dem Umkreis des Königs waren ebenfalls im Begräbniskontext Hüte vorgesehen (mpaan). Auf diesem flachen Hut wurde ein bestickter konischer Hut aufgesetzt (kupash). Die Hüte waren mit unterschiedlichen Mustern verziert, darunter „lakwoon“ mit Dreiecksmotiven oder „myeeng“ (Fischschuppen). Bei den Dinka im südlichen Sudan dienten Körpermalerei, Perlenketten und -halskrägen sowie eine miederartige Taillenbekleidung besonders bei den Männern als Medium der Dekoration und Vermittlung von Informationen mittels Farbigkeit und Motiven. Diese bezogen sich weitgehend auf Angaben zu Status und Alter. Auch bei den Dinka finden sich Ketten aus verschiedenen Materialien – aus Perlen, Muscheln und Wirbeln von Schlangen. Bei dem Nomadenvolk der Turkana in Kenia wurden Perlen in aufwendigen hohen Krägen als Zeichen des Reichtums getragen. Perlenbestickte Schurze zeigen bei Mädchen und Frauen durch Stickerei und Form den Status und das Alter an. Gürtel aus Metallperlen wiederum waren ein Zeichen für die Familienzugehörigkeit ihres Mannes. Die Wahl des Metalls richtete sich dabei nach der jeweiligen Familie. Perlen dienten auch bei dem kenianischen Nomadenvolk der Samburu als Zeichen von Reichtum und Anerkennung. Junge Frauen trugen sie, um ihre Schönheit zu unterstreichen und wurden mit Perlenketten als Teil der Brautwerbung beschenkt. Die Ketten wurden zu breiten, hohen Halskrägen arrangiert. Die Farben verweisen dabei auf die Umgebung und die lebensbedingenden Kräfte des Stammes. Bei den Yoruba in Nigeria wiederum tragen die Könige, die ihre Linie bis zum mystischen Gründer Ododua zurückverfolgen können, aufwendige, mit Perlen bestickte und mit einem Perlenschleier versehene Kronen (ade ileke). Diese Krone (ade) wurde selbst als eine der zahlreichen Gottheiten (orisha) der Yoruba verstanden. In der Krone werden schützende Medikamente aufbewahrt. Das Gesicht des Königs wird durch einen langen Perlenschleier (iboju) verhüllt und betont damit die Macht der Krone selbst und die Kontinuität des Königtums. Seite 68 Die die Krone schmückenden Vögel verweisen auf den königlichen Vogel okin. Solche Vögel wiederholen sich auch in den Perlenarbeiten an Gesichtsmasken und Stiefeln. Die Priester der Yoruba waren durch Perlenstickerei ausgezeichnet, die ihre Ausrüstung aus Kopfbedeckung, Beutel und Stab verzierte. Andere Kronen wie die „orikogbofo” waren Königen und Mächtigen vorbehalten und mit medizinischem Schutz versehen. Auch Farben und Motive dienen dem Schutz des Trägers. Die Perlenstickerei kann in den Farben und den Gesichtern auf vorbildliche Götter und die Vorfahren verweisen. Manche dieser Kopfbedeckungen zeigen in der Fez-Form und den Flechtmotiven den islamischen Einfluss in Afrika. Islamische Einflüsse prägen auch den Schmuck der Inseln vor der Ostafrikanischen Küste. Hier finden sich Ketten mit Glas- und Bernsteinperlen, denen ein Metallhalsschmuck mit Filigranarbeit angeschlossen ist. Bei einigen afrikanischen Stämmen erscheinen Perlen in besonderen Zusammenhängen, die durch die gesellschaftliche Struktur und die Lebensweise des Stammes bestimmt werden. Bei den Bamileke in Westkamerun trugen ausgewählte Männer bei rituellen Tänzen Masken in Form eines stilisierten Elefanten und lange Paneele, die mit Perlen bestickt waren. Symbolisierte der Elefant Stärke und Kraft, so zeigten die Perlen den Reichtum des Trägers an. Das San-Volk in Südafrika (Namibia und Botswana) gehört zu den Jägern und Sammlern. Sie stellen wie auch die Turkana Perlen aus Straußeneierschalen her und verwendeten diese neben Glasperlen. Die Muster waren zunächst sehr zurückhaltend und beziehen sich wohl auf die Umgebung, auf Unterkünfte und Wege von Tieren bzw. auf Visionen der Zauberer. Die Schalen von Straußeneiern wurden durch Brechen, Bohren und Schleifen zu Perlen verarbeitet. Bei den Massai in Kenia trugen verheiratete Frauen mit Perlen bestickten Ohrschmuck. Dieser verwies auf die engere Zugehörigkeit der Trägerin. Auch wenn die Ohrenklappen als Paar konzipiert wurden, so zeigen sie doch leichte Asymmetrien. Ansonsten finden sich bei den Massai perlenverzierte Ohrklammern, Perlenketten und breite Perlenkrägen. Seite 69 Perlen im Orient, in Indien und im Fernen Osten Im Fernen Osten erscheinen Perlen zumeist in anderem Zusammenhang als in Europa oder Afrika, da sie nicht als Schmuck, sondern eher als Teil der Gewandung getragen wurden. Aus China stammen Ketten, die von den mandschurischen Kaisern und ihrem Hof getragen wurden und eine gewisse Verwandtschaft zu tibetanischen Gebetsperlenkränzen zeigen. Durch Luxusgesetze war genau geregelt, wer welche Perlen tragen durfte. Die Perlen und ihre Anordnung besaßen zudem symbolische Aussage. Für diese zu zeremoniellen Anlässen getragenen Schmuckstücke wurden echte Perlen sowie Perlen aus Korallen, Bernstein, Lapislazuli, Türkisen, Jade, Elfenbein oder Glas sowie aus seltenen duftenden Hölzern verwendet. Funde in königlichen Grabstätten belegen, dass schon in vorchristlicher Zeit Perlen Kronen, Ketten und Gürtel in Korea zierten und dass in Japan und China Glasperlen von hoher Qualität mit aufwendigen Mustern vermutlich nach phönizischen und römischen Vorbildern hergestellt wurden. Andere frühe Perlen sind in Metall, Elfenbein, Keramik und Jade gearbeitet. In Korea und Japan waren die kokkok- bzw. magatama-Perlen (jap.) in Halbmondform geläufig. In Blau und Rot standen zwei solcher Perlen aus Jade, Lapislazuli, Karneol oder Glas für Yin und Yan, während das Zeichen in Japan eines der kaiserlichen Symbole bildete. In Japan erscheinen Perlen zumeist in Zusammenhang mit der Gürtelzierde. Die Verschlussperlen „ojime“ können aus einer Vielzahl von Materialien gearbeitet sein und eine Vielfalt von Formen annehmen. Berühmte Meister gestalteten in dem kleinen Maßstab feine Schnitz- und Metallarbeiten in Form von Figuren, Tieren und Objekten, die sich oftmals auf mythologische und literarische Stoffe beziehen. Sie wurden zusammen mit dem kleinen Behältnis (inro) und einem Gegengewicht (netsuke) von Männern für die Aufnahme von Gegenständen am Obi getragen. In der Nara-Periode finden sich Glasperlen besonders im Begräbniszusammenhang oder als Dekoration von Möbeln, Schwertschmuck und Kleidung. In Indien spielte der Perlenschmuck schon früh eine bedeutende Rolle. Im Hindu-Glauben sind bestimmte Schmuckarten mit einzelnen Ereignissen verbunden, und Schmuck ist Teil der Mitgift der Braut. Einzelne Perlen werden mit bestimmten Gottheiten assoziiert. So bevorzugen Anhänger des Gottes Shiva Perlen aus Blüten des Rudraksha-Baumes. Neben Holzperlen wurden auch Keramikund Steinperlen aus religiösen Gründen getragen. Den Perlen wurden heilende und schützende Kräfte zugesprochen. Unter den muslimischen Mogul-Herrschern (seit 1485) wurden Perlen aus großen kostbaren Edelsteinen getragen. Perlen waren hier vornehmlich ein Anzeichen für Reichtum und Status. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ließen die Maharajas indische Smaragde, andere Edelsteine und Perlen von französischen Juwelieren wie Cartier und Van Cleef & Arpels verarbeiten und kreierten damit wiederum einen Modetrend. Im Buddhismus erscheinen Perlen aus Bernstein, Lapislazuli und Korallen als Ketten und Gebetskränze. Die Perlen können durch Silber gefasst und mit Einlegearbeiten aus Türkis versehen sein. Perlen fungierten als Amulette, und bestimmte Materialien wie Koralle und Türkise wurden mit schützenden Kräften verbunden. Sie wurden mit den „dZi“-Perlen kombiniert. Hierbei handelt es sich um AchatPerlen aus Tibet mit eingeschnittenen geometrischen Mustern, deren Herkunft als geheimnisvoll galt und zu der verschiedene Versionen überliefert sind. Sie wurden als nicht von menschlicher Hand hergestellt erachtet, sondern als Überreste von Göttern oder Tieren. Die eingeschnittenen Muster weisen eine gewisse Ähnlichkeit zu Karneolperlen aus Mesopotamien auf. Seite 70 Eine Vielfalt an Perlen findet sich auch in Südostasien und im südpazifischen Raum, nicht zuletzt bedingt durch die Handelsrouten, darunter die roten Mutisalah-Glasperlen aus Südindien und venezianische Glasperlen. Auch Karneol, Koralle und Achat fanden Verwendung als Perlen. Neben verschiedenen Formen des Hals- und Brustschmucks gibt es aufwendige Perlenstickereien an Kleidungsstücken und Behältnissen z. B. in Indonesien, auf Borneo, Neuguinea oder bei den Bagabo auf den Philippinen. Häufig finden sich Muschelperlen in verschiedenen Farben, die zu geometrischen Mustern gewebt wurden. Auch bei diesen Kulturen dienten Perlen als Schmuck, zum Anzeichen von Reichtum, Rang und Geschlecht und konnten eine religiöse oder schützende Bedeutung besitzen. Perlen in Amerika Steinperlen spielen eine wichtige Rolle bei den frühen Hochkulturen in Südamerika. Hier waren Perlen Teil des religiösen und sozialen Lebens. Jade gibt es bei den Maya, den Azteken und den Olmeken. Der Grünton der Jade, die weitgehend aus dem heutigen Guatemala bezogen wurde, symbolisierte Wasser und Wachstum. Gold und Silber galten bei den Azteken und Inkas als heilige Materialien, und Gold wurde mit dem Sonnengott verbunden. Bei den Mixteken wiederum standen Türkise im Zentrum des Interesses, deren Blau an Wasser und Himmel erinnerte. Muschelperlen wurden von der Peruanischen Chimu-Kultur zu aufwendigen Stickereien verarbeitet. Bei den nordamerikanischen Indianern finden sich Türkise, Korallen, Muscheln, Glasperlen als Halsund Armschmuck. Die Glasperlen gelangten mit Columbus 1492 nach Amerika. Daneben haben sich Perlenwebereien in Gürtelform aus Muschelperlen (wampum) erhalten, die als Erinnerung und als Besiegelung von Vertragsabschlüssen dienten. Farben und stilisierte Motive hatten eine festgelegte symbolische Bedeutung. Jede nordamerikanische Kultur besaß eine charakteristische Art der Perlenstickerei oder -weberei. Diese ersetzten die zeitaufwendigere Dekoration durch eingefärbte Borsten des Stacheltieres, waren aber unter optischen Gesichtspunkten sehr ähnlich. Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene und unterschiedlich aufwendige Arten der Verarbeitung. Durch Handel und Wechsel der Jagdgründe kam es zu einem Austausch von Mustern. Ebenso wurden aus Europa stammende Ornamente wie z. B. Muster nach den von den Siedlern eingeführten persischen Teppichen in das Vokabular aufgenommen. Der Charakter und die Motive der Stickereien wechseln in Abhängigkeit zur umgebenden Landschaft der jeweiligen Stämme, danach, ob die Stämme in den großen Ebenen, im Waldland, bei den großen Seen beheimatet sind. Einen besonderen Reichtum konnte auch die Reitausstattung für Pferde erhalten. Gerade in Kanada und im Nord- und Südosten der USA entstanden aufwendige florale Perlenstickereien. Die nordamerikanischen und kanadischen Indianer bedienten sich verschiedener Verfahren, Kleidungsstücke, Taschen und Reitzubehör mit Perlen zu dekorieren. Grundsätzlich wird zwischen Stickerei und Weberei unterschieden. Bei dem „Lazy Stitch“ (auch „Lane Stitch“) werden Perlen auf Schnüren aufgereiht und der Faden jeweils an den Enden befestigt. Dieser Stich eignet sich für geometrische Muster, bei denen die Perlen in Reihen arrangiert werden, und findet sich deswegen besonders bei Arbeiten der Stämme der großen Ebenen. Bei dem „Overlay Stitch“ („Spot Stitch“) wird mit einem zweiten Faden gearbeitet, durch den die Perlenschnüre zusätzlich befestigt und dem Musterverlauf entsprechend angeordnet werden. Seite 71 Durch den zweiten Faden ist es nun auch möglich, Stickereien mit gerundeten Formen und floralen Mustern zu arbeiten. Bei den Webarbeiten wurden die Perlen auf Fäden aufgefädelt, die dann auf unterschiedliche Weise an den verschieden aufgespannten Kettfäden befestigt werden können. Eine weitere Methode war das Netzknüpfen. Knüpfen und Weben wurden auch in anderen Kulturkreisen bei der Arbeit mit Perlen eingesetzt. Weiterführende Literatur - Brakel, Koos van: The Bead goes on. The Sample Card Collection with Trade Beads from the Company of J. F. Sick & Co. in the Tropenmuseum Amsterdam, Amsterdam 2006 Crabtree, Caroline / Stallebrass, Pam: Beadwork. A World Guide, London 2002 Douibilet, David: Perlen. Von den Mythen zur modernen Perlenzucht, Schoeffel Pearl Culture, Köln 1996 Dubin, Lois Sherr: History of Beads: From 30,000 BC to the Present, London 2006 (1. Aufl. 1987) Francis, Peter, Jr.: Asia’s maritime bead trade 300 B.C. to the present, Honolulu 2002 Neuwirth, Waltraut: Perlen aus Gablonz. Beads from Gablonz. Historismus, Jugendstil, Wien 1994 Oei, L.: Pracht en kraal: van Madonna tot de Masai, Ausst. kat. Tropenmuseum Amsterdam 2008 Phillips, Clare: Jewels and Jewellery, Victoria & Albert Museum, London 2000 Reger, Karl Heinz: Perlen aus bayerischen Gewässern, München 1981 Roussel Versini, Anne: Aust. kat. Pearls. A Natural History, The American Museum of Natural History, New York & The Field Museum Chicago, New York 2007 Van Wyck, Gary: Illuminated signs: style and meaning in the beadwork of the Xhosa and Zuluspeaking peoples, African Arts, Herbst 2003 http://findarticles.com/p/articles/mi_m0438/is_3_36/ai_113455194/?tag=content;col1 Seite 72 Adressverzeichnis Ulla Ahola Koulukatu 38a 4 53100 Lappeenranta Finnland Tel. 00358 503048974 [email protected] www.paxastop.net/ullaahola Isabelle Azaïs 1 Rue de la filature 1060 Brüssel Belgien Tel. 0032 25387825 [email protected] www.azais.be Alexandra Bahlmann Türkenstr. 96 80799 München Deutschland Tel. 089 283833 [email protected] Peter Bauhuis Schleissheimerstr. 18 80333 München Deutschland Tel. 089 5421 2495 [email protected] www.artfree.de David Bielander Westendstr. 19 Rgb 80339 München Deutschland Tel. 1792128445 [email protected] Célio Braga Vinkenstraat 154 HR 1013 jw Amsterdam Niederlande Tel. 0031 650470996 [email protected] www.celiobraga.net Laura Deakin Schellingstr. 93 80799 München Deutschland Tel. 0176 21976515 [email protected] Diana Dudek Wörthstr. 23 81667 München Deutschland Tel. 089 44141897 [email protected] Sam Tho Duong Goethestr. 24 75173 Pforzheim Deutschland Tel. 0173 6932523 [email protected] www.gogotho.de Petr Dvorak Zolagasse 20 1140 Wien Österreich Tel. 0043 699 81372129 [email protected] Shige Fujishiro Ungerstr. 13 30451 Hannover Deutschland Tel. 0511 210 90 45 [email protected] Line Garlind Nebbejordet 91 1266 Oslo Norwegen Tel. 0047 922 19 361 [email protected] Karen Gilbert 5915 Vine Hill Rd. Sebastopol California 95472 Vereinigte Staaten von Amerika Tel. 001 707 8248788 [email protected] www.karengilbert.com Stephanie Jendis Hufelandstr. 5 10407 Berlin Deutschland Tel. 030 26320080 [email protected] www.einzelstueck-berlin.de Jens Gussek Händelstr. 24 06114 Halle Deutschland Tel. 0345 5507654 [email protected] www.jens-gussek.de Maki Kawawa 99 Simoyugi Hachiojishi 192-0372 Tokio Japan Tel. 0081 90 3222 5986 [email protected] Stephan Hampala Rosenkranzgasse 6/2/7 8020 Graz Österreich Tel. 0043 699 1111 2209 [email protected] Kateřina Handlová Polevsko 99 47116 Polevsko Tschechische Republik Tel. 00420 777 037 678 [email protected] Carmen Hauser Hauptstr. 283 55743 Idar-Oberstein Deutschland Tel. 06781 70741 [email protected] www.carmenhauser.de Susan Hoge 3727 John R. Road Rochester Michigan 48307 Vereinigte Staaten von Amerika Tel. 001 248 844 5451 [email protected] Florence Lehmann 14 Rue Geiler 67000 Straßburg Frankreich Tel. 00333 88 363218 [email protected] Wolli Lieglein Reuterstr. 11 12053 Berlin Deutschland Tel. 030 - 62 48 298 [email protected] Jacqueline I. Lillie Operngasse 18/25 1040 Wien Österreich Tel. 0043 1 971 6072 [email protected] Outi Martikainen Rauhankatu 7 E 35a 00170 Helsinki Finnland Tel. 3,5845638362e+011 [email protected] www.outi.in Julie Mollenhauer Vierwindenstraat 113 1013 LA Amsterdam Niederlande Tel. 0031 20 6150 390 [email protected] Dorothee Neumann Karl-Gayer-Str. 11 80997 München Deutschland Tel. 089 5700 4588 [email protected] Evert Nijland Vinkenstraat 57 1013 JM Amsterdam Niederlande Tel. 0031 647236594 [email protected] www.evertnijland.nl Kasimir Oppermann Cellerstr. 80 30161 Hannover Deutschland Tel. 0162 6851974 Barbara Paganin Via este 18 30034 Oriago di Mira (VE) Italien Tel. 0039 041 428064 [email protected] Michael Petry 113 Bellenden Road London SE15 4QY Großbritannien Tel. 0044 207 771 9778 [email protected] Annelies Planteijdt Marktplein 18 4421 JP Kapelle Niederlande Tel. 0031 113 343 836 [email protected] Katja Prins Galgenstraat 16 1013 LT Amsterdam Niederlande Tel. 0031 627537211 [email protected] www.katjaprins.com Uli Rapp Nieuwendammerdijk 526 H1 1023 BX Amsterdam Niederlande Tel. 0031 614 356 688 [email protected] www.uli.nu Lucy Sarneel Pesthuislaan 11 1054 RH Amsterdam Niederlande Tel. 0031 20 6165925 [email protected] Isabell Schaupp Steuerwalderstr. 5 31137 Hildesheim Deutschland Tel. 05121 9997546 [email protected] www.isabell-schaupp.de Katja Schlegel Nordendstr. 7A/Eingang Adalbertstr. 80799 München Deutschland Tel. 089 2710071 [email protected] www.schlegelschmuck.de Danni Schwaag Stader Str. 170 28205 Bremen Deutschland Tel. 0179 8797145 [email protected] www.dannischwaag.de Helga Seimel Hofgraben 489 86899 Landsberg am Lech Deutschland Tel. 08191 46299 [email protected] Karin Seufert Karlsgartenstr. 19 12049 Berlin Deutschland Tel. 030 420 14595 [email protected] www.karinseufert.de Etsuko Sonobe 2-2-10 Shimotakaido Suginami-ku 168-0073 Tokio Japan Tel. 0081 3 6411 0288 [email protected] Mirei Takeuchi Ganghoferstr. 21 80339 München Deutschland Tel. 089 500 72963 [email protected] Tarja Tuupanen Piiluvankatu 35 C 22 53950 Lappeenranta Finnland Tel. 00358 41 4324973 [email protected] Francis Willemstijn Kirchstr. 4 54584 Feusdorf Deutschland Tel. 0031 6288808834 [email protected] www.willemstijn.com