Gregorianik - Christian-Albrechts

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Gregorianik - Christian-Albrechts
Christian Albrecht Universität zu Kiel
Theologische Fakultät
Hauptseminar: Liturgik
Leitung: Frau Prof. Dr. Sabine Bobert
Wintersemester 20011/12
„Der Gesang der Stille“
Eine praktisch-theologische Ausarbeitung
zum Gregorianischen Choral
Erstellt von:
Johanna Sievers (7. Semester)
Wörthstraße 1
24116 Kiel
[email protected]
Inhaltsverzeichnis
I.
Vorwort
Grenzen werden überschritten ……………………………………………….…1
II.
Vergangenheit und Gegenwart des Chorals
Fortleben im Verborgenen ……………………………………………...……….2
III.
Das Stundengebet der Mönche
Zugleich innerhalb und außerhalb der Zeit ……………………………………3
IV.
Heilsamer Gesang der Stille
Äußerer Gesang und innere Stille ………………………………………………5
V.
Schlussbemerkung
Eine Sehnsucht über die Grenzen hinaus………………………………………..7
VI.
Literaturverzeichnis………………………………………………………………9
I.
Vorwort
Grenzen werden überschritten
Singen und Schweigen, Gesang und Stille - diese Paare scheinen zunächst im
Gegensatz zu einander zu stehen und so verwundert folglich auch die Rede von
einem Gesang der Stille. Eben diese Betitelung ist dem Gregorianischen
Choral jedoch seit Jahrhunderten zu eigen und nach einer eingehenderen
Auseinandersetzung mit dieser Thematik werden auch die Beweggründe für
eine solche Namensgebung deutlich.
Als Kernstück des mönchischen Chorgebets steht der Gregorianische Choral an
einer Schnittstelle von Wort und Schweigen, von äußerem und innerem Gebet,
von Hören und Antworten. All diese Elemente vereinen sich in den
Wechselgesängen des Chorals und machen die Besonderheit dieser Musik aus.
Pater
Wallner
formuliert:
„Das
Gnadenhafte
und
Heilsame
des
Gregorianischen Chorals liegt darin, dass er die Grenzen zwischen Mensch und
Gott, Erde und Himmel, Diesseits und Jenseits übersteigt“1.
Jenes grenzüberschreitende Moment des Chorals möchte ich zum Gegenstand
dieses Essays erklären. Es ist offensichtlich, dass das Thema im Rahmen dieser
Arbeit nicht erschöpfend behandelt werden kann, doch möchte ich die
folgenden Seiten dazu nutzen, einige Autoren zu Wort kommen zu lassen, die
mit der Praxis des Chorals seit vielen Jahren vertraut sind. Mit Hilfe ihrer
Erfahrungen möchte ich versuchen, einen Einblick in die besonderen
Dimensionen dieser Musik zu geben und ich hoffe, dass vor diesem
Hintergrund dann auch das große Interesse, das den Choral in den vergangenen
Jahren in der Öffentlichkeit erfahren hat, noch einmal neu verständlich werden
wird.
Im Folgenden werde ich in einem ersten Schritt kurz auf die Herkunft und
Entwicklung des Chorals eingehen. Dies ist nicht im Sinne einer detaillierten
historischen Darstellung zu verstehen, sondern es ist ausschließlich als eine
pointierte und Orientierung bietende Einführung anzusehen. In den
Abschnitten III. und IV. wird der Schwerpunkt dann auf dem Stundengebet der
Mönche liegen, sowie auf den Erfahrungen, die diese musische Gebetspraxis
zu eröffnen vermag. Zielsetzung der Arbeit ist hierbei keine wissenschaftlich
1
Wallner, Karl, Der Gesang der Mönche. Die Wiederentdeckung des heilsamen
Gregorianischen Chorals aus Stift Heiligenkreuz, München 2009, 7.
1
objektive Gesamtschau zum Gregorianischen Choral, sondern vielmehr eine
Zusammenstellung subjektiver Einblicke. Ich habe mich bewusst dazu
entschieden,
Erfahrungen
verschiedener
christlicher
Autoren
zusammenzutragen und der vorliegende Essay möchte als eine Collage dieser
persönlichen Zeugnisse verstanden werden.
II.
Vergangenheit und Gegenwart des Chorals
Fortleben im Verborgenen
Es handelt sich bei dem Gregorianischen Choral um einen liturgischen Gesang,
der einstimmig und ohne die Begleitung von Instrumenten vorgetragen wird.
Heute fasst man unter diesem Begriff um die dreitausend Gesänge zusammen,2
die zumeist biblische Texte vertonen und die über Jahrhunderte hinweg
entstanden sind. Bei über achtzig Prozent der Gesänge handelt es sich um
Psalmen und die Wurzeln dieser liturgischen Gesänge lassen sich bis in den
jüdischen Sabbatgottesdienst hinein zurückverfolgen. Bereits in vorchristlicher
Zeit pflegte man in der Synagoge solche einstimmigen Psalmengesänge. Eine
Tradition, die dann in den frühen christlichen Gemeinden übernommen wurde
und die ab dem 4. Jahrhundert, Eingang in das Mönchtum Europas fand.
Die heutige Form des Chorals dürfte sich vorwiegend in Frankreich entwickelt
haben, denn dort kam es im 8.Jahrhundert zu einer „Vermischung von
altrömischen Melodien mit gallikanischen Idiomen“3 und dort bemühte man
sich in den folgenden Jahrhunderten auch um eine systematische Sammlung
der Gesänge.
Die Blütezeit des Chorals im allgemeinen kirchlichen Leben, fand allerdings
bereits im 12. und 13. Jahrhundert ihr Ende, bedingt durch die Entwicklung der
mehrstimmigen und instrumentalen Kirchenmusik. Mehrstimmige Motette und
sinfonische Kirchenmusik verdrängten die monotonen gregorianischen
Melodien nach und nach fast vollständig aus dem öffentlichen Bewusstsein. Im
Verborgenen jedoch, im Schutz der Klostermauern, lebt der Choral fort. Über
die Jahrhunderte hinweg blieb er bestehen als der Gesang der Mönche, die ihn
bis heute täglich im Rhythmus der Tageszeiten beten.
2
Vgl. Steindl-Rast, David, Musik der Stille. Die Gregorianischen Gesänge und der Rhythmus
des Lebens, Freiburg im Breisgau 2010, 16.
3
Wallner, Mönche, 118.
2
III.
Das Stundengebet der Mönche
Zugleich innerhalb und außerhalb der Zeit
Die mönchische Beziehung zur Zeit ist in starkem Maße durch das Chorgebet
bestimmt. Dieses Beten im Rhythmus der Zeit folgt in seiner Gliederung den
Stunden des Tages und hat darüber hinaus einen geregelten inneren Ablauf.
Maßstab des mönchischen Lebens ist die biblische Aufforderung „betet ohne
Unterlass“ aus 1.Thess 5,17. Auf Grundlage dieser und andere biblischer
Überlieferungen,4 entwickelte sich die Tradition der sieben Gebetszeiten, der
Horen. Auf die Matutin, die Nachtwachen, folgt die Prim beim ersten
Hahnenschrei, dann die Terz, Sext und Non (zur 3., 6. und 9. Stunde des
jüdischen Tages), und nach der Vesper am Abend schließt die Komplete den
Gebetstag ab.5
Durch diese Ordnung des Gebets ist das mönchische Leben von einer großen
Regelmäßigkeit geprägt und es ist eben dieses regelmäßige Stundengebet, das
eine sehr große Sensibilität gegenüber den Qualitäten der jeweiligen
Tageszeiten hervorruft. Steindl-Rast schildert, dass die Mönche beim Läuten
der Gebetsglocke jedwede Tätigkeit umgehend unterbrechen und dadurch eine
große Empfänglichkeit für den gegenwärtigen Augenblick entwickeln.6
Die Stundengebete machen darauf aufmerksam, dass jeder Stunde im
klösterlichen Tagesablauf eine individuelle Wichtigkeit zukommt. Steindl-Rast
spricht in diesem Zusammenhang von einer Aufforderung jeder Stunde, die
stets eine einmalige Antwort verlangt.7 Es ist diese Struktur von Anrufung und
Antwort, die sich auch in der Gesangsform des Chorals widerspiegelt.
Zwar weist der Ablauf einer jeden Hore neben dem Wechselgesang der
Psalmen auch noch weitere Strukturelemente auf, wie Hymnen, Lesungen und
Gebete,8 doch kommt dem Psalmodieren eine ganz besondere Wichtigkeit zu. 9
In seiner Stellung ist der Gesang der Psalmen der Lesung deutlich vorgeordnet,
4
Hier wäre unter anderem Psalm 119,164 zu nennen, wo das siebenmalie Lob Gottes benannt
wird oder Psalm 134, das das nächtliche Gebet thematisiert.
5
Vgl. Vogel, Ingrid, Die Tageszeitenliturgie, in: Schmidt-Lauber, Hans Christoph u.a.(Hg.),
Handbuch der Liturgik. Liturgiewissenschaft in Theologie und Praxis der Kirche, Göttingen
3
2003, 272.
6
Vgl. Steindl-Rast, Stille, 22.
7
Vgl. Ebd. 23.
8
Vgl. Vogel, Liturgik, 271.
9
Vgl. Ebd., 272.
3
und somit erscheint es mir auch als durchaus angemessen, den Gregorianischen
Choral als das Herzstück des Stundengebets zu bezeichnen.
Da die Worte der Psalmen sowohl für Juden als auch für Christen als von Gott
inspirierte und somit heilige Worte gelten, wohnt diesem gesungenen Lobpreis
eine ganz besondere Intensität inne. Im Singen der Psalmen „singen wir also
Worte an Gott zurück, die er selbst uns gegeben hat“10. Viele, die mit der
Musik des Gregorianischen Chorals vertraut sind, haben versucht, diese
ureigene Tiefendimension der Klänge zu beschreiben. So formuliert zum
Beispiel Steindl-Rast, dass in den Gesängen die Jetzt-Dimension der Zeit
erfahrbar wird, eine Jetzt-Dimension, die in einem Transzendenzverhältnis zur
chronologischen Zeit steht.11 Für ihn spricht der Gregorianische Choral zu den
Herzen der Menschen, indem er sie aufruft „in das Jetzt einzutreten,
innezuhalten, zuzuhören und auf die Botschaft des jetzigen Augenblicks zu
achten“12. Pater Wallner scheint etwas Ähnliches zu beschreiben, wenn er
schreibt, dass „das Singen der Psalmen unserem Geist einen Raum eröffnet, in
dem er wirklich Gott begegnet“13.
Die Gesänge lassen ein neues Verhältnis zur Zeit entstehen, „in dem Zeit wohl
wertvoll, aber nicht knapp ist“14 und während wir unseren Alltag zumeist nach
dem pragmatisch Gesichtspunkt des Nutzens ausrichten, handelt es sich bei
dem Hören oder Singen von Musik um eine Tätigkeit, die keinen praktischen
Zweck erfüllt. Es ist allein Feier, Lobpreis und Freude.
Durch seine Beheimatung im Stundengebet fügt sich der Gregorianische
Choral ganz in den Rhythmus der von Gott gegebenen Zeit ein – er wird Teil
des immer wiederkehrenden Rhythmus‘ von Tag und Nacht. Zugleich jedoch
wohnt diesem Gesang auch ein Moment inne, das die Grenzen der Zeit
überschreitet und das ein Aussteigen aus der vorwärtsdrängenden Zeit des
Alltags ermöglicht. Ich denke, dass dies ein erster entscheidender Grund dafür
ist, dass viele Menschen heute den Choral neu für sich entdecken.
10
Wallner, Mönche, 132.
Vgl. Steindl-Rast, Stille, 19.
12
Ebd., 18.
13
Wallner, Mönche, 138.
14
Steindl-Rast, Stille, 19.
11
4
IV.
Heilsamer Gesang der Stille
Äußerer Gesang und innere Stille
In einem engen Zusammenhang zu dem oben beschriebenen Verhältnis von
Psalmengesang und Zeit steht auch das Verhältnis von Gesang und Stille.
Vielleicht, so denke ich, ist es gerade das Wechselspiel mit der Stille, welches
es dem Choral ermöglicht, die Grenzen der chronologischen Zeit zu
überwinden. In jedem Fall ist festzustellen, dass das Stillwerden und das
Hinhören besonders wichtigste Bestandteile des Gregorianischen Chorals sind.
Stille und Schweigen sind im klösterlichen Alltag allgegenwärtig und werden
als ein hohes Gut angesehen. Eben diese Bedeutsamkeit der Stille gilt auch für
den Gregorianischen Choral. Wichtig ist, dass Stille in diesem klösterlichen
Sinne mehr ist als die bloße Abwesenheit von Geräuschen. „Klösterliche Stille
ist eine bewohnte Stille“15, die durch Gottes Anwesenheit gefüllt ist. Es handelt
sich um eine belebte Stille, die eine persönliche Ausrichtung und Sensibilität
auf Gott hin ermöglicht. Unter dieser Voraussetzung kann das Stillsein dann zu
einer Entlastung werden und Raum zur spirituellen Erbauung bieten.
Spricht man bezüglich des Gregorianischen Chorals also vom Gesang der
Stille, so weist dieses darauf hin, dass der Choral die Stille des Klosters nicht
unterbricht, sondern im Gegenteil ein Weg ist, diese auszudrücken. Pater
Wallner veranschaulicht dies in der sehr treffenden Formulierung: „Der
Gregorianische Choral ist aus dem Schweigen geboren“16. Er ist liturgisch
eingebettet in das stille, innere Gebet und durch die vielen bewussten Pausen
während des Singens, wird die Stille gleichsam Teil des Gesangs. Die Pausen
sind somit ein wichtiger Bestandteil der Psalmodie, denn sie wollen die
Singenden „dazu anleiten, auch während des Singens den Grund der Stille
nicht zu verlassen“17.
Das Stillwerden ist die Voraussetzung für ein waches Hinhören und eben dazu
fordert der Choral auf: er ist „eine Einladung an unsere Seele, den Zynismus
hinter uns zu lassen […] und hinzuhorchen“18. Durch die wechselseitige
Struktur des Chorals, die gemeinsamen Pausen innerhalb jedes Verses und die
15
Wallner, Mönche, 269.
Wallner, Mönche, 271.
17
Grün, Anselm, Chorgebet und Kontemplation (Münsterschwarzacher Kleinschriften Bd. 50),
Münsterschwarzach 1989, 54.
18
Steindl-Rast, Stille, 20.
16
5
häufig sehr heterogene Gruppe der Singenden, ist das konzentrierte Hinhören
und Zuhören für diese Gesänge unabdingbar. Solange alle Beteiligten gut
hinhören, stellt eine bunte Mischung an unterschiedlichen Gesangstalenten und
Stimmfarben kein Problem dar, sondern trägt vielmehr zu der unvergleichbare
Schönheit des Chorals bei. Die Vollkommenheit des Chorals liegt gerade in
seiner Unvollkommenheit.19
Besonders wichtig erscheint mir diesbezüglich die Feststellung, dass das Hören
im Hinblick auf den Gregorianischen Choral in einem doppelten Sinne
verstanden werden muss. Zum einen ist es, wie im Vorherigen bereits
ausgeführt,
ein
Hören
aufeinander,
ein
Hinhören
auf
die
anderen
Mitsängerinnen und Mitsänger. Zum anderen ist es aber auch ein Hören auf
Gott. Grün schriebt hierzu: „indem wir hörend singen und singend hören, wird
unser Herz immer offener für den gegenwärtigen Gott, der im Wort auf uns
zukommt“20. Versteht man die Psalmen nämlich als Gottes Wort, das uns durch
seine Propheten offenbart worden ist, dann handelt es sich beim
Gregorianischen Choral nicht nur um gesungene Gebete, sondern zugleich
auch um gesungenes Wort Gottes. Durch das Singen dieser Worte wird „Gottes
Wirklichkeit […] anwesend, erfahrbar“21 und somit geschieht ein Hinhören auf
Gottes Wort bereits im Singen und kann dann in den Gesangspausen
fortwirken.
Diese verdeutlicht abermals die enge Verbindung von Singen und Schweigen,
von äußerem und innerem Gebet. Beide Ebenen sind in der Psalmodie
miteinander verwoben und stehen sich nicht etwa entgegen, wie kritische
Stimmen es dem Choral vorwerfen.22 Auch Steindl-Rast hebt hervor, dass
kontemplatives Leben immer aus Schau und Handlung zusammengesetzt ist.
„Schau oder Meditation alleine ist nicht wahre Kontemplation.“23
Durch die vielen Worte und Bilder der Psalmen vermag der Geist des
Singenden ganz still zu werden und im Herzen bei Gott anzukommen.24 Die
Gebete der Psalmen, können dann in der Pause im eigenen inneren Gebet
fortgeführt werden. Äußeres und inneres Gebet, Chorgebet und Kontemplation
19
Vgl. Ebd., 34.
Grün, Chorgebet, 50.
21
Ebd., 41.
22
Vgl. Ebd., 9.
23
Steindl-Rast, Stille, 32.
24
Vgl. Grün, Chorgebet, 39.
20
6
bedingen sich auf diese Weise wechselseitig. Der Gregorianische Choral ist
gehalten durch die Spannung von Gesang und Schweigen, Singen und Hören,
Geben und Empfangen. Eben daraus ergibt sich seine unverwechselbare
Dynamik und Ausdruckskraft, eine Kraft, die seit Jahrhunderten Menschen
fasziniert hat und die auch in der heutigen Zeit wieder vermehrt als eine
heilsame Kraft wahrgenommen wird.
V.
Schlussbemerkung
Eine Sehnsucht über die Grenzen hinaus
Tatsächlich lässt sich mit Blick auf die vergangenen Jahre von einem
regelrechten Hype um den Gregorianischen Choral sprechen. So landeten die
Mönche von Stift Heiligenkreuz im Jahre 2008 völlig unerwartet mit ihrer
heiligen Musik in den weltlichen Charts.25 Wie ist ein derartiges Phänomen zu
erklären?
Sicherlich gibt es auf diese Frage nicht eine richtige Antwort. Mein Ziel für
diese
Ausarbeitung
war
es,
das
grenzüberschreitende
Moment
herauszuarbeiten, das einem im Gregorianischen Choral auf zahlreichen
Ebenen begegnet. Für jene, die ihn regelmäßig praktizieren, vermag dieser
Psalmengesang die Grenzen der Zeit, die Grenzen der Stille und die der
menschlichen Worte zu überschreiten und nach meinem Dafürhalten sind es
ganz besonders diese Aspekte, die die Anziehungskraft des Gregorianischen
Chorals ausmachen.
Pater Wallner sieht die Faszinationskraft des Chorals zudem in der
Heilsbedürftigkeit unserer Seele begründet und in unserer Sehnsucht nach
Harmonie und Stille.
26
Er beschreibt den Choral als eine Antwort auf die
Sehnsucht und seelische Unerfülltheit der Menschen, die sich mit ihren
Grenzen
nicht
abfinden
wollen.
Auch
hier
kommt
also
das
Grenzüberschreitende der Gesänge erneut zum Tragen. Laut Pater Wallner,
sind es die suchenden Herzen der Menschen, die „dauernd sehnsüchtig
hinlausch[en], ob da nicht etwas aus dem Raum der Unendlichkeit
25
Für eine detaillierte Darstellung dieser Erfolgsgeschichte siehe: Wallner, Mönche, 17-35;
193-261.
26
Vgl. Wallner, Mönche, 262.
7
herüberklingt“27. Und auch Grün unterstreicht die Bedeutung der Sehnsucht im
Vollzug der Psalmodie. Für ihn gleicht das unablässige Gebet der Psalmen der
ungestillten Sehnsucht in der Seele eines jeden von uns. Es ist die Sehnsucht,
die in uns singt, wenn wir singen und die durch den Gesang in uns anwächst.28
Abschließend
bleibt
festzuhalten,
dass
alle
in
diesem
Essay
zusammengetragenen Gedanken und Erfahrungen zum Gregorianischen Choral
nur ein Bruchteil dessen sind, was man zu diesem Thema eigentlich benennen
müsste. Dennoch hoffe ich, dass es mir auch trotz der begrenzten Auswahl an
Sekundärliteratur geglückt ist, ein kleiner Einblick in diese Thematik zu
ermöglichen. Mein Wunsch ist es, dass durch die Zusammenschau der
unterschiedlichen persönlichen und subjektiven Darstellungen ein Bild
entsteht, welches das Gesamtbild des Psalmengesanges farbenfroher und
greifbarer werden lässt.
27
Ebd., 265.
Vgl. Grün, Chorgebet, 16.
28
8
VI.

Literaturverzeichnis
Grün, Anselm, Chorgebet und Kontemplation (Münsterschwarzacher
Kleinschriften Bd. 50), Münsterschwarzach 1989.

Steindl-Rast, David, Musik der Stille. Die Gregorianischen Gesänge
und der Rhythmus des Lebens, Freiburg im Breisgau 2010.

Vogel, Ingrid, Die Tageszeitenliturgie, in: Schmidt-Lauber, Hans
Christoph u.a.(Hg.), Handbuch der Liturgik. Liturgiewissenschaft in
Theologie und Praxis der Kirche, Göttingen 32003.

Wallner, Karl, Der Gesang der Mönche. Die Wiederentdeckung des
heilsamen Gregorianischen Chorals aus Stift Heiligenkreuz, München
2009.
9