Gutachten - Empirische Sozial

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Gutachten - Empirische Sozial
Hans-Jürgen Andreß
Replikative Surveys in den Sozialwissenschaften
Expertise für die Kommission zur Verbesserung der informationellen
Infrastruktur zwischen Wissenschaft und Statistik
Bielefeld
Januar 2001
1 Einleitung und Auftragsgegenstand
Die Analyse der Statik und Dynamik sozialer Phänomene hat eine lange Tradition in den Sozialwissenschaften (Adorno 1970). Empirische Daten waren und sind dabei eine wichtige Voraussetzung,
um die Konstanz und den Wandel des Sozialen beschreiben zu können. Die Sozialwissenschaften verfolgen dabei, ähnlich wie die Naturwissenschaften, im wesentlichen zwei Ziele: Entweder sollen aus der
genauen Beschreibung empirischer Phänomene möglichst raum- und zeitunabhängige Generalisierungen
abgeleitet werden, oder die empirischen Daten sollen dazu benutzt werden, um sozialwissenschaftliche
Theorien anhand der empirischen Wirklichkeit zu überprüfen. Klassische Beispiele sind etwa Durkheims
(1960) Studie über den Selbstmord, in der er u.a. durch die Analyse von Sterberegistern eine Theorie
sozialer Ordnung entwickelt, oder Schumpeters (1961) historische und statistische Analysen von Konjunkturzyklen, die er als Ergebnis periodisch gehäufter "Innovationen" erklärt.
Ähnliche langfristige Fragen beschäftigen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft auch heute: Welche
Folgen haben veränderte Einstellungen zu Ehe und Familie auf die zukünftige demographische Entwicklung der Gesellschaft? Von welchen Faktoren hängt die Erwerbsbeteiligung von Frauen ab, und wie wird
sie sich zukünftig verändern? Was sind grundlegende politische Trennlinien moderner Gesellschaften?
Welche Erklärungskraft haben traditionelle sozialstrukturelle Unterscheidungen etwa für die Bildungsbeteiligung? Wie entwickeln sich die Einstellungen der autochtonen Bevölkerung gegenüber Zuwanderern in
einer Welt mit zunehmenden Migrationsbewegungen? Diese Liste von Fragen ließe sich beliebig verlängern. Ihnen allen ist gemeinsam, daß ihre Beantwortung empirische Informationen voraussetzt, die in
vergleichbarer Form über einen längeren Zeitraum erhoben wurden.
Eine solche Form gesellschaftlicher Dauerbeobachtung ist mittlerweile in allen Industrienationen fest institutionalisiert, etwa in Form nationaler oder übernationaler statistischer Ämter, und die Methoden und
Verfahrensweisen sind Gegenstand ausdifferenzierter sozialwissenschaftlicher Teildisziplinen, etwa der
empirischen Sozialforschung oder der Wirtschafts- und Sozialstatistik. Ein Großteil der in diesem Zusammenhang durchgeführten empirischen Erhebungen beschäftigt sich mit Merkmalen von Individuen.
Dabei geht es zum einen um die Erfassung sozio-demographischer und sozialstruktureller Informationen
(z.B. Alter, Geschlecht, Ausbildung, Erwerbsstatus) und zum anderen um die Erhebung sozialer, politischer und kultureller Einstellungen, Überzeugungen und Orientierungen (z.B. Parteipräferenzen, religiöse
Überzeugungen, Moralvorstellungen).
Daten zur sozio-demographischen Struktur der Bevölkerung werden routinemäßig durch die amtliche
Statistik bereitgestellt. Auf diese Weise sind wir in der Lage, langfristige Trends zu beschreiben, etwa
der Größe von Haushalten, der Familienentwicklung oder der Bildungsbeteiligung. Aber schon bei der
Frage, wie man diese sozio-demographischen Daten dazu benutzen kann, um die Sozialstruktur einer
Gesellschaft, z.B. in Form eines Schichtenmodells, zu beschreiben, gerät man häufig an die Grenzen des
amtlichen statistischen Materials. Das gilt im besonderen Maße für die Untersuchung von Meinungen,
Einstellungen und Überzeugungen, die aus leicht einsehbaren Gründen in demokratisch verfaßten Gesellschaften nicht zum Aufgabengebiet amtlicher Erhebungen gehört. Gleichwohl ist die Analyse sozialstruktureller Merkmale und verhaltensrelevanter Einstellungen eine der zentralen Aufgaben einer empirischen
Sozialwissenschaft. Aus diesem Grund ist außerhalb der amtlichen Statistik eine Fülle von empirischen
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Erhebungen entstanden, die die Fragen abdecken, die nicht oder nur unzureichend durch die amtlichen
Erhebungen abgedeckt werden.
Gegenstand dieser Expertise sind repräsentative Bevölkerungsumfragen, die mit den erhobenen Informationen Aussagen über zeitliche Trends erlauben. Dies ist mit einmaligen Erhebungen nicht möglich. Es
muß sich vielmehr um Umfragen handeln, die mit (teilweise) identischem Fragenprogramm zu verschiedenen Zeitpunkten wiederholt (repliziert) werden. Sie werden daher als replikative Surveys bezeichnet.
Die meisten Erhebungen der amtlichen Statistik, z.B. Volkszählungen, Mikrozensen, Einkommens- und
Verbrauchsstichproben, Arbeitsstättenzählungen usw., sind in diesem Sinne replikative Surveys. Sie sind
jedoch nicht Gegenstand dieses Gutachtens. Die Expertise beschränkt sich auf replikative Surveys in den
Sozialwissenschaften, die durch private oder staatliche (meistens wissenschaftliche) Institutionen in Auftrag gegeben und außerhalb der statistischen Landes- und Bundesbehörden durchgeführt werden (meistens durch privatwirtschaftliche Umfrageinstitute).
Die Expertise besteht aus insgesamt drei Teilen. Zunächst werden replikative Surveys unter methodischen Gesichtspunkten definiert und von anderen Erhebungsformen abgegrenzt. Im Hinblick auf die Frage sozialen Wandels werden typische Untersuchungsfragen und die Vor- und Nachteile gegenüber anderen Längsschnittuntersuchungen, insbesondere Panelerhebungen, herausgearbeitet (Kapitel 2). Dann
werden einzelne replikative Surveys mit ihren Themenschwerpunkten und ihrem methodischen Vorgehen
vorgestellt. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern orientiert sich an der
Bedeutung der jeweiligen Umfrage für die Sozialwissenschaften insgesamt. Es wird lediglich geprüft, ob
für unterschiedliche Themenfelder der Umfrageforschung mindestens ein replikativer Survey zur Verfügung steht. Angesichts der zunehmenden Bedeutung internationaler Vergleiche werden auch Surveys aus
anderen Ländern und international vergleichende Studien berücksichtigt (Kapitel 3). Schließlich werden
die diskutierten Surveys zusammenfassend bewertet und ihre Bedeutung für die Analyse sozialen Wandels in den Sozialwissenschaften herausgearbeitet (Kapitel 4).
2 Replikative Surveys: Ausgangssituation und methodische Probleme
2.1 Definition: Gleiche Fragen, verschiedene Stichproben
Replikative Surveys untersuchen Stichproben unterschiedlicher Personen mit den gleichen Fragen.
Dabei handelt es sich um Stichproben von Personen aus ein- und derselben Grundgesamtheit (z.B. der
wahlberechtigten Bevölkerung), die zu verschiedenen Zeitpunkten nach dem gleichen Auswahlverfahren
ausgewählt werden. Man spricht daher auch von replikativen Querschnitten. Gleiche Definition der
Grundgesamtheit und identische Auswahlverfahren sind notwendige Voraussetzungen, um die Ergebnisse
verschiedener Erhebungszeitpunkte miteinander vergleichen zu können. In einigen Fällen finden die einzelnen Erhebungen in regelmäßigen zeitlichen Abständen statt (z.B. vierteljährlich, jährlich, alle zwei Jahre), in anderen Fällen folgen die Erhebungszeitpunkte keinem einheitlichen Muster. Duncan und Kalton
(1987) bezeichnen erstere daher auch als periodische Surveys. Aufgrund des einheitlichen Erhebungsintervalls ist die Analyse zeitlicher Trends mit periodischen Surveys am einfachsten möglich.
Die Tatsache, daß mehrere Stichproben unterschiedlicher Personen verwendet werden, unterscheidet
replikative Surveys von sogenannten Panelerhebungen, in denen eine Stichprobe derselben Personen
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wiederholt im Zeitablauf zu den gleichen Fragen befragt wird. Betrachtet man alle die Analysen, in denen
vergleichbare Informationen zu mindestens zwei verschiedenen Zeitpunkten erfaßt werden, als Längsschnittuntersuchungen, dann zählen dazu sowohl replikative Surveys als auch Panelerhebungen. Damit
sind längst nicht alle Typen von Längsschnittuntersuchungen abgedeckt (man denke an Kohortenstudien,
Zeitreihenanalysen und ähnliches mehr), der Nutzen und die Probleme replikativer Surveys werden jedoch gerade im Vergleich zu Panels besonders gut deutlich.
2.2 Replikative Surveys versus Panelerhebungen
Tabelle 1 verdeutlicht noch einmal an einem klassischen Beispiel (Parteipräferenzen und Wählerwanderungen) die Analysepotentiale beider Typen von Längsschnittuntersuchungen. Mit Hilfe eines replikativen
Surveys läßt sich feststellen, wieviele Wahlberechtigte zu einem bestimmten Zeitpunkt Partei X wählen
würden, wenn am Sonntag nach der Befragung Bundestagswahlen wären (Sonntagsfrage). In dem fiktiven Datenbeispiel aus Tabelle 1a hat der Stimmenanteil unmerklich von 30 auf 31% abgenommen. Alles
sieht also danach aus, als ob sich das Wählerpotential der Partei nicht wesentlich verändert hat. Ein Blick
in Tabelle 1b zeigt jedoch, daß dies mitnichten der Fall ist. Im Gegenteil: Ein ganz erheblicher Anteil der
früheren Parteisympathisanten ist nun zu den anderen Parteien (und den Nicht-Wählern) gewechselt
(280 von 310 Parteisympathisanten), und die Partei konnte ihren Anteil nur dadurch stabil halten, daß sie
umgekehrt neue Wähler von den anderen Parteien und aus dem Reservoir der Nicht-Wähler hinzugewonnen hat (270 von den 690 restlichen Befragten). Um diesen Vorher-Nachher-Vergleich auf der
individuellen Ebene der einzelnen Wahlberechtigten durchführen zu können, benötigt man mehr als zwei
replikative Querschnitte (Tabelle 1a). Man muß die gleichen Personen wiederholt befragen (also ein
Panel durchführen), um feststellen zu können, wie sich ihre (individuellen) Parteipräferenzen verändern
(Tabelle 1b).
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Tabelle 1: Replikative Surveys und Panelerhebungen
a) Replikativer Survey: zwei Stichproben, zwei Befragungszeitpunkte t1 und t2
t1
t2
Partei X
310
(31%)
300
(30%)
Rest
690
(69%)
700
(70%)
Insgesamt
1000
1000
b) Panelerhebung: eine Stichprobe, zwei Befragungszeitpunkte t1 und t2
t2
t1
Partei X
Rest
Insgesamt
Partei X
30
280
310
(31%)
Rest
270
420
690
(69%)
300
(30%)
700
(70%)
1000
Insgesamt
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Tabelle 1b bezeichnet man auch als Mobilitätstabelle oder Übergangsmatrix. Replikative Surveys geben
nur Auskunft über die Randverteilungen dieser Tabelle. Ein Panel liefert zusätzlich Informationen über die
Inhalte der einzelnen Zellen innerhalb der Tabelle. Replikative Surveys informieren daher nur über den
Nettoeffekt aller Wählerwanderungen, während Panelerhebungen die den Nettoeffekten zugrundeliegenden Wanderungsbewegungen in beide Richtungen, die sogenannten Bruttoeffekte, erkennen lassen.
Eine wichtige Beobachtung ist außerdem, daß sich aus den Häufigkeiten der Tabellenzellen (durch Summierung) die Randhäufigkeiten rekonstruieren lassen, nicht jedoch umgekehrt aus den Randhäufigkeiten
die Häufigkeiten der Tabellenzellen. Diese Beobachtung hat einige Autoren zu der Aussage geführt, daß
man alles das, was man mit replikativen Surveys untersuchen möchte, auch mit Panelerhebungen tun
könne, nicht jedoch umgekehrt (vgl. z.B. Hagenaars 1990: 271).
Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß replikative Surveys gegenüber Panelerhebungen nicht nur
Nachteile, sondern auch Vorteile haben. Umgekehrt stellt sich nämlich die Frage, ob Panelerhebungen
Nettoeffekte angemessen erfassen können. Da einem Panel immer nur eine Stichprobe zugrundeliegt, die
zu einem bestimmten Zeitpunkt t ausgewählt wurde und die dementsprechend einen repräsentativen
Querschnitt der Grundgesamtheit zu diesem Zeitpunkt darstellt, ist nicht gewährleistet, daß diese Stichprobe die Grundgesamheit auch zu späteren Zeitpunkten t+x repräsentiert. Dies gilt insbesondere dann,
wenn der Zeitraum x zwischen den Erhebungswellen sehr lang ist. Bezogen auf das Eingangsbeispiel
erfaßt etwa eine Panelstichprobe, die im Jahr der Bundestagswahl 1980 aus der damals wahlberechtigten Bevölkerung ausgewählt wurde, bei einer Wiederbefragung während der darauf folgenden Bundestagswahl (1983) natürlich nicht die Personen, die in dem dazwischen liegenden Zeitraum (1980-83) das
Wahlalter erreicht haben. Ohne besondere Vorkehrungen besteht also die Gefahr, daß Panelerhebungen
die Grundgesamtheit, die sie repräsentieren sollen, nicht mehr richtig abbilden, weil diese sich im Zeitablauf verändert hat. Durch Kombination der Eigenschaften von Panelerhebungen und replikativen Surveys, etwa in Form rotierender Panels oder durch Verwendung von Panelkomponenten in replikativen
Querschnitten (Duncan / Kalton 1987), versucht man diese Beschränkungen zu umgehen.
Die Problematik der Repräsentation der Grundgesamtheit im Längsschnitt läßt sich auch sehr schön am
Sozio-ökonomischen Panel (SOEP; vgl. Projektgruppe 1995) nachvollziehen. Das SOEP verwendet
bereits eine Weiterentwicklung des klassischen Paneldesigns: Personen, die sich Haushalten der Ausgangsstichprobe anschließen (z.B. durch Heirat), oder Kinder, die von Mitgliedern der Ausgangsstichprobe geboren werden, werden in die Ausgangsstichprobe aufgenommen, obwohl sie zum Auswahlzeitpunkt t noch gar nicht existierten oder außerhalb der Bundesrepublik lebten. Auf diese Weise werden
die natürliche Bevölkerungsbewegung (Geburten) und Wanderungen, soweit sie zu Fusionen mit den
bereits ausgewählten Haushalten führen, erfaßt. Wanderungen, die sich außerhalb der Panelhaushalte
ereignen, bleiben allerdings weiterhin außer Betracht. Angesichts der zahlenmäßig sehr umfangreichen
Wanderungsbewegungen in den neunziger Jahren hat man sich daher im Jahr 1994 dazu entschlossen,
das SOEP durch eine sogenannte Zuwandererstichprobe zu ergänzen, um die dadurch ausgelösten Veränderungen der Bundesbevölkerung noch abbilden zu können (Schupp / Wagner 1995).
Als weiteres Problem von Panelerhebungen wird die Schwierigkeit genannt, die einmal ausgewählten
Personen in den folgenden Panelwellen wieder zu befragen. Einerseits besteht dabei die Gefahr, daß die
Befragten, dadurch daß sie immer wieder mit demselben Erhebungsinstrument konfrontiert werden, be6
sondere Einstellungen und Verhaltensweisen zeigen (der sogenannte Paneleffekt). Andererseits müssen
besondere Vorkehrungen getroffen werden, um die ausgewählten Personen zu späteren Zeitpunkten
überhaupt wieder aufsuchen zu können (Adressermittlung). Dabei muß man damit rechnen, daß nicht alle
zu einer Wiederbefragung bereit sind. In dem Ma ße, in dem es nicht gelingt, die Ausgangsstichprobe
vollständig an den folgenden Panelwellen zu beteiligen, sind natürlich auch die wiederbefragten Substichproben immer weniger repräsentativ für die Ausgangsstichprobe und damit die Grundgesamtheit, über
die man eigentlich Aussagen machen möchte. Die Erhebungspraxis von Panelerhebungen zeigt, daß diese
sogenannte Panelmortalität bei den ersten Wiederbefragungen am höchsten ist, sich danach aber die
Anzahl der Panelteilnehmer stabilisiert (Rendtel 1995). Im Gegensatz zu dem Nonresponse, der bei der
eigentlichen Stichprobenauswahl auftritt (für einen Überblick vgl. Schnell 1997) und unter dem folglich
sowohl replikative Surveys als auch Panel zu leiden haben, läßt sich jedoch die Panelmortalität vergleichsweise einfach (statistisch) kontrollieren, weil man über eine Menge von Zusatzinformationen über
die nicht wiederbefragten Personen aus der Erstbefragung verfügt. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß Panelmortalität zusätzliche Repräsentationsprobleme schafft, die bei replikativen Surveys
nicht existieren. Für das SOEP wurde daher im Jahr 1998 eine Ergänzungsstichprobe gezogen, um Paneleffekte zu kontrollieren und um die Abnahme der Fallzahlen in den Ausgangsstichproben durch die
Panelmortalität auszugleichen (Projektgruppe 1998).
Schließlich wird auch immer wieder darauf hingewiesen, daß replikative Surveys sehr viel einfacher als
Panelerhebungen durchgeführt werden können, wobei der zusätzliche Aufwand, der zur Wiederbefragung der Panelteilnehmer betrieben werden muß (s. oben), eine zentrale Rolle spielt. Da bei replikativen
Surveys aber zu jedem Befragungszeitpunkt eine neue Stichprobe gezogen werden muß, ist anzunehmen, daß die Investionen in eine Panelstichprobe langfristig billiger sind als die Kosten jeweils neuer
Stichprobenauswahlen, vorausgesetzt die eine (Panel)Stichprobe bleibt für die intendierte Grundgesamtheit repräsentativ und muß nicht durch neue (Ergänzungs)Stichproben "aufgefrischt" werden.
Ziel unseres Vergleichs war nicht eine umfassende Diskussion der relativen Vor- und Nachteile von Panelerhebungen und replikativen Surveys. Bei einem solchen umfassenden Vergleich könnten auch noch
weitere Vorteile von Panels erwähnt werden: z.B. eine in der Regel größere Teststärke der Signifikanztests (Hagenaars 1990: 205ff.) oder verbesserte Möglichkeiten der Kontrolle unbeobachteter Heterogenität (Hsiao 1986). Uns ging es jedoch um eine Herausarbeitung der besonderen Stärken und Schwächen replikativer Surveys. Aus dieser Perspektive stellen wir zusammenfassend fest, daß der strategische
Vorteil replikativer Surveys vor allem darin besteht, durch wiederholte Stichprobenauswahlen Veränderungen in der Zusammensetzung der Grundgesamtheit besser abzubilden, als es klassische Panelerhebungen durch wiederholte Befragung einmalig ausgewählter Stichproben tun können. Ihr spezieller Beitrag liegt also vor allem im Bereich der Analyse des mittel- und langfristigen sozialen Wandels.
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2.3 Typische Untersuchungsfragen
Damit replikative Surveys für Längsschnittuntersuchungen genutzt werden können, muß strikte Vergleichbarkeit des Erhebungsdesigns gegeben sein. Auf identische Grundgesamtheiten und Auswahlverfahren wurde bereits hingewiesen. Gleiche Befragungsinhalte wären eine weitere wichtige Voraussetzung.
Hier sind eine Fülle von Details zu berücksichtigen, die im Rahmen dieser Expertise nicht angesprochen
werden können. Es sei nur angedeutet, daß bereits Wechsel des Umfrageinstitutes (trotz identischem
Auswahlverfahren), der Erhebungsmethode (z.B. ein Wechsel zu computergestützten Befragungsmethoden) oder die Veränderung des Kontextes, innerhalb dem eine identisch formulierte Frage gestellt wird,
zu veränderten Untersuchungsergebnissen im Zeitablauf führen können. Solche durch die Erhebungsmethode ausgelösten Veränderungen können nur in Grenzen durch entsprechende statistische Auswertungsverfahren von den eigentlich interessierenden inhaltlichen Veränderungen (sozialer Wandel) getrennt
werden.
Geht man einmal von der Vergleichbarkeit der erhobenen Informationen aus, dann lassen sich mit replikativen Surveys die Nettoveränderungen der erhobenen Merkmale im Zeitablauf untersuchen. Man
spricht in diesem Zusammenhang auch von der Analyse sozialer Trends. Statistische Methoden zur
Analyse replikativer Surveys werden von Firebaugh (1997) für kontinuierliche und von Hagenaars
(1990: 271ff.) für kategoriale Variablen diskutiert. Firebaugh (1997) unterscheidet vier typische Fragestellungen:
1. die deskriptive Analyse der Nettoveränderungen im Zeitablauf für bestimmte Aggregate von Individuen,
2. die näherungsweise Zerlegung dieser Trends in Veränderungen auf Individualebene und Veränderungen der Zusammensetzung der Grundgesamtheit,
3. die Erklärung sozialer Trends durch Veränderungen im Niveau und in den Effekten unabhängiger
Variablen sowie
4. die Modellierung der Veränderungen der Effekte auf der Individualebene.
Am besten läßt sich das Analysepotential replikativer Surveys anhand einiger ausgewählter sozialwissenschaftlicher Publikationen verdeutlichen. Beispielhaft seien hier drei Zeitschriftenbeiträge und eine Monographie mit ihren Fragestellungen und Ergebnissen kurz zusammengefaßt. Die Auswahl ist notwendigerweise selektiv, zeigt jedoch die Bedeutung replikativer Surveys für die empirische Analyse grundlegender
sozialwissenschaftlicher Fragen des sozialen Wandels etwa aus der Bildungssoziologie, der politischen
Soziologie oder der Familiensoziologie.
2.4 Beispielhafte Publikationen
Wolf, Christoph (1996): Konfessionelle versus religiöse Konfliktlinie in der deutschen Wählerschaft. Politische Vierteljahresschrift 37: 713-734
Das unterschiedliche Wahlverhalten deutscher Katholiken und Protestanten gehört unter der Bezeichnung „konfessionelle Konfliktlinie“ zum festen Kanon der Wahlforschung. Seit Mitte der achtziger Jahre
wird jedoch vermutet, die konfessionelle Konfliktlinie würde durch eine religiöse Spannungslinie ergänzt
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oder gar abgelöst. Diese Behauptung wird in der Arbeit von Wolf durch einen Vergleich der relativen
Bedeutung der Konfession und der Religiosität für die Wahlabsicht Anfang der achtziger und Anfang der
neunziger Jahre untersucht. Zu beiden Zeitpunkten ist die Bedeutung der Religiosität deutlich größer. Das
heißt, daß die Ablösung der konfessionellen Spannungslinie im eigentlichen Sinn nie existierte. Wolf zieht
daraus die Schlußfolgerung, daß die Wahlforschung ihre Fixierung auf Katholiken und Protestanten aufgeben und statt dessen den Gegensatz zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen stärker in den Blick nehmen sollte. Die präsentierten Analysen weisen in dieselbe Richtung. Zur Analyse wird die Allgemeine
Bevölkerungsumfrage (ALLBUS, vgl. Abschnitt 3.1.1) aus den Jahren 1982 und 1992 verwendet. Es
werden u.a. die wiederholt gestellten Fragen zur konfessionellen Zugehörigkeit, zu religiösen Überzeugungen und Verhalten sowie zur Wahlabsicht (Sonntagsfrage) verglichen.
Müller, Walter / Haun, Dietmar (1994): Bildungsungleichhheit im sozialen Wandel. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 46: 1-42
Im Unterschied zu der in der Literatur weithin verbreiteten These konstanter Ungleichheiten zeigt dieser
Beitrag, daß seit der Zwischenkriegszeit und den ersten Nachkriegsjahren die Unterschiede zwischen
den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Bildungsbeteiligung und in den erworbenen Bildungsabschlüssen deutlich kleiner geworden sind. Die Analyse sukzessiver Übergänge zwischen den verschiedenen Stufen des Bildungswesens belegt, daß die Ungleichheit insbesondere durch den Abbau der sozialen
Beteiligungsdifferentiale beim Übergang zu den weiterführenden Schulen und beim Erwerb der Mittleren
Reife geringer geworden ist. Als Folge haben aber auch die Ungleichheiten beim Erwerb des Abiturs und
von Hochschulabschlüssen abgenommen. Die Ungleichheitsreduktion ist unterschiedlich stark nach unterschiedlichen Ungleichheitsdimensionen, und sie variiert in unterschiedlichen Phasen der Nachkriegsentwicklung. Aus der Konstellation der Befunde werden spezifische Hypothesen zur Erklärung des Ungleichheitsabbaus diskutiert, die hier im einzelnen nicht erläutert werden sollen. Datenbasis der Analysen
sind die kumulierten ALLBUS-Befragungen der Jahre 1980-92, das Sozio-ökonomische Panel 1986
und der Mikrozensus 1971. Es werden u.a. die wiederholt gestellten Fragen zu den Bildungsabschlüssen
der Befragungsperson und zur beruflichen Stellung und zum Berufsprestige des Vaters verglichen.
Schnell, Rainer / Kohler, Ulrich (1995): Eine empirische Untersuchung einer Individualisierungshypothese am Beispiel der Parteipräferenz von 1953-1992. Kölner Zeitschrift für Soziologie und
Sozialpsychologie 47: 634-657
Die Becksche Individualisierungshypothese wird von Schnell und Kohler dahingehend spezifiziert, daß
eine abnehmende Erklärungskraft sozio-demographischer Merkmale für nicht-ressourcengebundene
Verhaltensmöglichkeiten mit zunehmender gesellschaftlicher Differenzierung erwartet wird. Die Hypothese wird durch eine Untersuchung der Veränderung der Prognosefähigkeit statistischer Modelle zur Erklärung individueller Parteipräferenzen im Zeitraum von 1953 bis 1992 an insgesamt 37 Surveys überprüft. Für verschiedene Operationalisierungen der Parteipräferenz, der Kirchgangshäufigkeit und der
Gewerkschaftsmitgliedschaft kann die Hypothese der abnehmenden Erklärungskraft demographischer
Variablen empirisch vorläufig bestätigt werden. Zu den von Schnell und Kohler verwendeten Datensätzen gehören auch die ALLBUS-Befragungen 1980 bis 1990. Verglichen werden u.a. die wiederholt
gestellten Fragen zu Wahlabsichten, Parteisympathien und -identifikationen, Kirchgangshäufigkeit und
Gewerkschaftsmitgliedschaft. Als sozio-demographische Merkmale werden berufliche Stellung, Konfes9
sion, Geschlecht und Alter verwendet. In einer Reanalyse dieser Daten von Müller (1997) wird den
Ergebnissen von Schnell und Kohler jedoch sowohl aus inhaltlichen als auch aus methodischen Gründen
widersprochen.
Teckenberg, Wolfgang (2000): Wer heiratet wen? Sozialstruktur und Partnerwahl. Opladen: Leske + Budrich
Um zu Aussagen über sozialstrukturelle Stabilität zu kommen, ist das Kriterium "Wer heiratet wen?" ein
brauchbarer Indikator. Das Buch von Teckenberg untersucht auf empirischer Grundlage, ob sich die
These der zunehmenden Individualisierung in bezug auf Heiratsbeziehungen und nicht-eheliche Lebensgemeinschaften verifizieren läßt. Für Familiensoziologen belegen die Analysen die Vermutung, daß der
tatsächliche Wandel gegen Ende der (alten) Bundesrepublik nicht so groß war, wie häufig unterstellt
wurde. Für die Frauenfrage ergibt sich der Befund einer zunehmenden sozialstrukturellen Polarisierung:
etwa zwischen Frauen aus der oberen Dienstklasse und praktisch allen anderen Frauen. Grundlage der
Analysen sind die Daten der Media-Analyse (vgl. Abschnitt 3.1.7) aus den Jahren 1978 bis 1987. Verglichen werden verschiedene Indikatoren zur Klassen- und Schichtzugehörigkeit der Ehepartner (u.a. die
berufliche Stellung).
3 Überblick über einzelne replikative Surveys
In diesem Kapitel werden einzelne replikative Surveys mit ihren Themenschwerpunkten und ihrem methodischen Vorgehen vorgestellt. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, jedoch
wurden alle bedeutenden Umfragen berücksichtigt. Entsprechend der Eingrenzung des Auftragsgegenstandes in der Einleitung bleiben entsprechende Umfragen der amtlichen Statistik hier außer acht. Der
Fokus auf Bevölkerungsumfragen hat zudem zur Folge, daß einige replikative Surveys, die auf die Beschreibung nicht personenbezogener Grundgesamtheiten abzielen, hier nur am Rande erwähnt, aber nicht
eingehender diskutiert werden. Ein Beispiel wären die seit 1949 vom IFO-Institut in München durchgeführten Unternehmensbefragungen, an denen sich zur Zeit rund 12.000 Unternehmen des verarbeitenden und des Baugewerbes sowie des Groß- und Einzelhandels beteiligen. Ziel dieses sogenannten
"Konjunkturtestes" ist es, direkt und schnell von den Unternehmen Auskunft z.B. über die Veränderung
von Urteilen, Plänen und Erwartungen zu bestimmten ökonomischen Größen zu bekommen, die sich als
Indikatoren zur Konjunkturbeurteilung eignen.
Die ausgewählten bundesdeutschen Surveys werden im folgenden nach Themenfeldern sortiert und in
bezug auf folgende Kriterien dargestellt (Abschnitt 3.1):
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•
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•
•
•
Aufgaben und Ziele der Studie,
Fragenprogramm,
Erhebungszeitpunkte,
Auftraggeber, Finanzierung und organisatorischer Rahmen,
Weitergabe der Daten,
wichtige Publikationen,
Öffentlichkeitsarbeit.
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Angesichts der zunehmenden Bedeutung internationaler Vergleiche werden auch Surveys aus anderen
Ländern (Abschnitt 3.2) und international vergleichende Studien berücksichtigt (Abschnitt 3.3).
Grundlage der folgenden Darstellung ist eine Kurzbefragung der jeweiligen Projektverantwortlichen per
e-Mail. Ihre Antworten in bezug auf die o.g. sieben Kriterien wurden für das vorliegende Gutachten
redaktionell überarbeitet. Dabei wurde nicht der Versuch unternommen, die unterschiedlich ausführlichen
Antworten auf eine einheitliche Länge zu kürzen. Falls bis zum Abgabezeitpunkt dieses Gutachtens
(06.01.2001) keine entsprechende Rückantwort eintraf, wurde versucht, durch vorliegende schriftliche
Materialien oder durch Verweise auf entsprechende Dokumentationen im Internet die Informationslücke
zu schließen. Eine vollständige Liste aller Ansprechpartner (mit e-Mail- und Internet-Adressen) ist in
Anhang 1 aufgeführt. Ihnen sei für Ihre Mitarbeit an dieser Stelle nachdrücklich gedankt.
Zentrale Merkmale der einzelnen Surveys sind im übrigen im Anhang 2 zusammengefaßt. Leser und Leserinnen, die nicht an der (ausführlichen) Einzeldarstellung der ausgewählten Surveys interessiert sind,
können daher direkt zu Kapitel 4 springen, in dem die ausgewählten Surveys zusammenfassend diskutiert werden.
3.1 Nationale Erhebungen nach Themenbereichen
3.1.1 Mehrthemenumfragen
1) Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS)
Die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) ist ein Programm zur Erhebung aktueller Daten über Einstellungen, Verhaltensweisen und Sozialstruktur der Bevölkerung in der
Bundesrepublik Deutschland. Seit 1980 wird alle zwei Jahre ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung mit einem teils stetigen, teils variablen Fragenprogramm befragt. Die Daten stehen unmittelbar
nach ihrer benutzergerechten Aufbereitung und Dokumentation allen Interessenten zur Verfügung. Die
multithematische Ausrichtung der Umfrage erlaubt die Untersuchung einer Vielzahl unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Fragestellungen. Durch den Rückgriff auf bewährte Fragen aus früheren sozialwissenschaftlichen Studien bzw. durch den Aufbau ALLBUS-interner Zeitreihen wird die Grundlage für die
Analyse sozialen Wandels in verschiedenen Bereichen geschaffen. Der Umfang ihrer Fragestellungen, die
regelmäßige Wiederholung von Schwerpunktthemen und die ausführliche Dokumentation von Inhalten
und Methoden machen die ALLBUS-Umfrage zu einer der wichtigsten Grundlagen der empirischen
Sozialforschung in Deutschland.
Das Fragenprogramm jeder ALLBUS-Umfrage besteht aus drei Teilen: ein bis zwei inhaltlichen
Schwerpunktthemen; Einzelfragen / kürzeren Itembatterien zu unterschiedlichen Fragestellungen sowie
der ausführlichen Erfassung demographischer Hintergrundinformationen. Schwerpunktthemen werden in
der Regel alle 10 Jahre repliziert, eine Vielzahl von Einzelfragen / kürzeren Itembatterien wird alle zwei
bzw. vier Jahre wiederholt. Die Schwerpunkte der bisherigen Umfragen waren: Einstellungen gegenüber
Behörden, Freundschaftsbeziehungen (1980); Religion und Weltanschauung (1982); Soziale Ungleichheit und Wohlfahrtsstaat (1984); Bildung und Kulturfertigkeiten (1986); Politische Partizipation (1988);
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Sanktion und abweichendes Verhalten, Einstellungen gegenüber Behörden, Freundschaftsbeziehungen
(1990); zusätzliche Studie aus Anlaß der deutschen Vereinigung: kein explizites Schwerpunktthema
(1991); Religion und Weltanschauung (1992); soziale Ungleichheit und Wohlfahrtsstaat (1994); Einstellungen gegenüber ethnischen Gruppen (1996); Politische Partizipation, Mediennutzung, Lebensstile
(1998).
Zu den häufiger replizierten Einzelfragen / kürzeren Itembatterien zählen beispielsweise Einstellungen
gegenüber Ausländern, Einstellungen zu Ehe und Familie, die Bewertung der wirtschaftlichen Lage, Angaben zum Nationalstolz und zu Berufswerten. Die standardmäßig in jeder Umfrage erhobenen demographischen Informationen umfassen u.a. Angaben zu Bildung, Erwerbstätigkeit und Beruf des Befragten,
seines Ehe- bzw. Lebenspartners sowie seines Vaters, Informationen zum Einkommen, zum Familienstand und zur Haushaltszusammensetzung, zu Konfession und Kirchgang sowie zu Partei- und Gewerkschaftsmitgliedschaft.
Organisatorisch ist der ALLBUS ein gemeinsames Vorhaben des Zentrums für Umfragen, Methoden
und Analysen e.V. (ZUMA) und des Zentralarchivs für empirische Sozialforschung (ZA) in der Gesellschaft sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen (GESIS). Ein wissenschaftlicher Beirat, dem
sieben namhafte Professoren angehören, berät die ALLBUS-Abteilung bei ZUMA in allen fachlichen
Fragen und entscheidet über alle grundsätzlichen Aspekte, wie beispielsweise die Themenschwerpunkte
der einzelnen Erhebungen. Die Finanzierung des ALLBUS erfolgt seit dem Jahr 1987 durch den Bund
und die Länder im Rahmen der Gesis.
Die Daten der ALLBUS-Umfrage sind der interessierten Öffentlichkeit jeweils gegen Ende des Erhebungsjahres über das ZA zugänglich. Neben den Einzeldatensätzen steht für die Analyse von Trends ein
kumulierter Datensatz zur Verfügung, der sämtliche Merkmale enthält, die mindestens zweimal im
ALLBUS erhoben wurden. Der Preis für das Hauptvertriebsmedium – die ALLBUS-CD-Rom mit
sämtlichen Daten – beträgt DM 50,-. Die Daten des ALLBUS 1994 und 1996 sind daneben kostenlos
über das Internet verfügbar.
Eine grundlegende Einführung in den ALLBUS gibt die folgende Monographie:
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Porst, R. (2000): Praxis der Umfrageforschung. Stuttgart: Teubner
In der ALLBUS-Buchreihe „Blickpunkt Gesellschaft“ werden seit 1990 Beiträge mit Analysen auf der
Grundlage von ALLBUS-Daten veröffentlicht (http://www.zuma-mannheim.de/data/allbus/blickp.htm).
Bislang sind insgesamt fünf Bände in der Reihe erschienen, zuletzt ein Band zum Thema "Deutsche und
Ausländer: Freunde, Fremde oder Feinde?", hrsg. von Richard Alba, Peter Schmidt und Martina Wasmer im Westdeutschen Verlag (2000). Darüber hinaus existiert eine Vielzahl von Veröffentlichungen, in
denen in- und ausländische Forscher den ALLBUS sekundäranalytisch auswerten. Die aktuelle 16. Fassung der ALLBUS-Bibliographie verzeichnet 766 Veröffentlichungen, in denen ALLBUS-Daten verwendet wurden. (http://www.zuma-mannheim.de/data/allbus/biblio.htm).
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2) Sozialwissenschaftenbus
Der Sozialwissenschaften-Bus war ein von ZUMA gemeinsam mit GFM-GETAS (Hamburg) entwikkeltes Konzept einer sozialwissenschaftlichen Mehrthemenbefragung und wurde von ZUMA und GFMGETAS in Kooperation durchgeführt. Der 1985 eingerichtete Sozialwissenschaften-Bus bot die Möglichkeit, kleinere Forschungsvorhaben mit begrenztem Themenkatalog, bis hin zur Einschaltung von Einzelfragen, mit hohem methodischen Anspruch hinsichtlich der Stichproben- und der Datenqualität zu
realisieren.
Zusammengefaßt hebt sich der Sozialwissenschaften-Bus durch folgende Besonderheiten von den herkömmlichen Mehrthemenumfragen der Umfrageinstitute ab:
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Durch die Beschränkung auf sozialwissenschaftliche Fragestellungen wird eine zu große Fragenheterogenität vermieden.
Als Statistik wird das „Grundmodul“ der ZUMA-Standarddemographie erhoben. Dadurch ist eine
den höheren Anforderungen der Sozialwissenschaften angemessene Auswertung möglich.
Durch wahlweise Erweiterung der Standarddemographie um „Spezialmodule“ kann der Forscher
die ZUMA-Standarddemographie um von ihm zusätzlich benötigte Demographieteile erweitern.
Durch eine Recodierung auf die „Deutschen Demographischen Standards“ (den gemeinsamen demographischen Standards der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute (ASI), des
Arbeitskreises deutscher Marktforschungsinstitute (ADM) und des Statistischen Bundesamtes), zu
denen die ZUMA-Standarddemographie kompatibel ist, ist der nationale Vergleich zu vielen Datensätzen der Sozial- und Marktforschung sowie zur amtlichen Statistik gegeben.
Anders als bei den üblichen Buseinschaltungen findet vor Beginn des Hauptfeldes ein Pretest statt.
Es werden jeweils 20 Interviews in West und Ost durchgeführt.
Der Stichprobenumfang ist disproportional: Es werden normal 2.000 Interviews im Westen und
1.000 Interviews im Osten durchgeführt. Auf Wunsch kann der Umfang der Interviews im Osten
auf 2.000 Interviews erhöht werden.
Für die Durchführung der Feldarbeit gelten dieselben Erhebungsmodalitäten wie für methodisch
anspruchsvolle Exklusiv-Erhebungen.
Durch Feldkontrollen und Datenbereinigung in einem bei Mehrthemenumfragen nicht branchenüblichen Ausmaß wird eine außergewöhnlich hohe Datenqualität gewährleistet.
Der Forscher erhält auf Wunsch eine SPSS-Datei.
Der Sozialwissenschaften-Bus kann auch als Ausgangsstichprobe für Längsschnittstudien oder für
vertiefende schriftliche oder telefonische Folgebefragungen genutzt werden, ebenso als Erhebungsinstrument für längerfristige Trendreihen.
Seit 1995 kann auf Wunsch die Grundgesamtheit von der in Privathaushalten lebenden „wahlberechtigten Bevölkerung“ auf die „Wohnbevölkerung“ erweitert werden. d.h. die Stichprobe wird um
die „ausländische Wohnbevölkerung“ erweitert.
ZUMA hat beim Sozialwissenschaften-Bus in der Vergangenheit sowohl eine Rolle als Auftragnehmer
als auch als Auftraggeber gehabt. In der Rolle als Auftragnehmer hat ZUMA Einschaltungen in den Sozialwissenschaften-Bus akquiriert und Einschalter für eine Umfrage gebündelt. In der Rolle als Auftraggeber hat ZUMA die akquirierten und gebündelten Einschaltungen in der Position eines Maklers an das
13
Kooperationsinstitut vergeben. Hierbei gab es zwei Probleme: 1. Immer dann, wenn das Bündel der
Einschaltungen im Umfang zu gering war, behielt sich das Kooperationsinstitut vor, den Bus nicht zu
starten. 2. Durch ein Ändern der Philosophie und durch Umstrukturierungen in den großen Markt- und
Sozialforschungsinstituten wurde es immer schwieriger, eine gleichbleibende methodische Qualität zu
garantieren. Durch Umstrukturierungen im Kooperationsinstitut ist heute ein Sozialwissenschaften-Bus im
alten Sinn nicht mehr möglich. Der letzte Sozialwissenschaften-Bus wurde 1998 durchgeführt. Die heutige Praxis von ZUMA sieht so aus, daß potentielle Einschalter beraten und ihnen jene Institute benannt
werden, die im Sinne der Fragestellung ein akzeptables Instrument anbieten.
3.1.2 Objektive Lebensbedingungen und subjektives Wohlbefinden
3) Wohlfahrtssurvey
Der Wohlfahrtssurvey ist eine Repräsentativbefragung, die speziell für die Messung der individuellen
Wohlfahrt und Lebensqualität konzipiert wurde. Dieses Befragungsinstrument ist vor allem darauf ausgelegt, für verschiedene Lebensbereiche Dimensionen der objektiven Lebensbedingungen und des subjektiven Wohlbefindens mit geeigneten Indikatoren im Trendverlauf zu beobachten und in ihrem Zusammenhang zu analysieren. Der Wohlfahrtssurvey bietet damit zugleich auch eine Datenbasis, die in besonderem Maße für die Analyse der Wohlfahrtsdisparitäten und die Beobachtung der Prozesse der Angleichung der Lebensverhältnisse in West- und Ostdeutschland geeignet ist. Der Wohlfahrtssurvey wurde im
Rahmen des Sonderforschungsbereichs 3 "Mikroanalytische Grundlagen der Gesellschaftspolitik" der
Universitäten Frankfurt und Mannheim entwickelt. Seit 1978 wurde der Wohlfahrtssurvey insgesamt
sieben mal - 1978, 1980, 1984, 1988, 1990 (Ost), 1993 und 1998 - durchgeführt. Die Grundgesamtheit des Wohlfahrtssurveys bilden jeweils alle Personen der deutschen Wohnbevölkerung, die in Privathaushalten leben und das 18. Lebensjahr vollendet haben. Im Erhebungsjahr 1998 wurden erstmals
ausländische Staatsangehörige in die Befragung mit einbezogen und die Umfrage als CAPI-Erhebung
durchgeführt.
Der Aufbau der einzelnen Wohlfahrtssurveys folgt jeweils einer identischen Struktur und Logik. Als feste
Teile werden objektive und subjektive Indikatoren zu verschiedenen öffentlichen und privaten Lebensbereichen – von Wohnen über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit, Ehe und Familie,
Netzwerke bis hin zu gesellschaftlicher Beteiligung und Umwelt -, globale Maße subjektiven Wohlbefindens, Fragen zu Einstellungen und Werten sowie zur Demographie erhoben. Angesprochen werden jeweils objektive Aspekte der Lebenslage und die darauf bezogenen subjektiven Einstellungen und Bewertungen. Die dabei thematisierten Lebens- und Problembereiche umfassen Einkommen, Wohnen,
Ausbildung und Erwerbstätigkeit, Ehe, Familie und Haushalt, Sozialkontakte, gesellschaftliche Beteiligung, Freizeit, Gesundheit sowie öffentliche Aufgabenbereiche. Dieses Lebensbereichsprinzip wird in
den einzelnen Umfragen um weitere objektive und subjektive Merkmale der Lebenslage mit jeweils unterschiedlichem Gewicht erweitert, z.B. Fragen nach der allgemeinen Wertorientierung (z.B. Inglehart-Index, Innovationsbereitschaft, politisches Interesse), Kompetenz, Prioritäten (innerhalb und zwischen Lebensbereichen), allgemeine Lebenszufriedenheit, Glück, Einsamkeit, Lebensereignisse und
-projekte. Neben diesem feststehenden Teil umfassen die Wohlfahrtssurveys unter anderem Fragen zu
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Lebensereignissen (1978, 1984), alternative Maße subjektiven Wohlbefindens (1980), Haushaltsproduktion (1980, 1984), Netzwerkhilfe (1980), berufliche Plazierung (1980), Projekte und Versagungen
(1980, 1988), Technikausstattung und Nutzung (1984), Öffentliche und private Ausgaben (1984,
1988), alternative Wertekonzepte (1988) sowie Zugangschancen zu gesellschaftlichen Bereichen
(1988). Nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands hat die Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung im Oktober/November 1990 auf
dem Gebiet der ehemaligen DDR den Wohlfahrtssurvey-Ost durchgeführt. Die Zielsetzung bestand darin, dem Erhebungsprogramm des Wohlfahrtssurveys entsprechende und für die alten Bundesländer vergleichbare Baseline-Informationen für die neuen Bundesländer unmittelbar nach der Wiedervereinigung
zu erheben. Mit dem Wohlfahrtssurvey 1993 wurde erstmals der Bereich „Öffentliche Sicherheit und
Kriminalität“ mit verschiedenen Fragen abgedeckt und 1998 repliziert. Befragte, die 1993 jünger als 60
Jahre alt waren, beantworteten eine umfangreiche Fragenbatterie zu Lebensstilen. Ein letzter variabler
Teil umfaßt die Probleme der Transformation und der Vereinigung. Dem Innovationsprinzip folgend
wurden 1998 Fragebatterien zu neu diskutierten Wohlfahrtskonzepten, die sich auf Exklusions- und Integrationsprozesse und die Qualität der Gesellschaft beziehen, aufgenommen.
Bis 1988 wurden die Wohlfahrtssurveys im Rahmen des von der DFG geförderten Sonderforschungsbereichs 3 "Mikroanalytische Grundlagen der Gesellschaftspolitik" durchgeführt; die Wohlfahrtssurveys 1993 und 1998 wurden als Gemeinschaftsprojekte der Abteilung Sozialstruktur und Sozialberichterstattung des WZB sowie der Abteilung Soziale Indikatoren des ZUMA durchgeführt (Antragsteller: Prof. Dr. Wolfgang Zapf; Dr. Roland Habich -WZB- ; Dr. Heinz-Herbert Noll -ZUMA- ) und als
Einzelprojekte von der DFG gefördert. Die Wohlfahrtssurveys 1978 - 1993 stehen über das Zentralarchiv für empirische Sozialforschung in Köln - auch als kumulierter Datenfile - zur Verfügung. Der Wohlfahrtssurvey 1998 wird nach Ablauf des DFG-Projekts zur Verfügung stehen. Wichtige Publikationen
sind:
•
•
•
•
Habich, R., Noll, H.-H., Zapf, W., 1999: Subjektives Wohlbefinden in Ostdeutschland nähert sich
westdeutschem Niveau. In: Informationsdienst Soziale Indikatoren, Nr. 22, S. 1-6.
Glatzer, W./Zapf, W. (Hg.), 1984: Lebensqualität in der Bundesrepublik,. Frankfurt a. M. and New
York: Campus, S. 13-26.
Statistisches Bundesamt (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit WZB und ZUMA, 2000: Datenreport 1999.
Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentale für politische Bildung.
Zapf, W., Habich, R. (Hg.), 1996: Wohlfahrtsentwicklung im vereinten Deutschland. Berlin: Edition
Sigma.
Fragebögen und eine umfangreiche Zusammenstellung von Zeitreiheninformationen (bisher 1978-1993,
in Kürze 1978-1998) der Wohlfahrtssurveys werden in Tabellenform unter folgender Internet-Adresse
zur Verfügung gestellt: http://www.zuma-mannheim.de/data/social-indicators/wseinf.htm
15
4) Leben in Ostdeutschland
Die Untersuchung diente erstens der Behebung des Datendefizits, das gleichbedeutend war mit einer
weitgehenden Unkenntnis der Befindlichkeiten der DDR-Bevölkerung. Zweitens ging es um die Dokumentation des Transformationsprozesses in Ostdeutschland. Es sollten erstens Informationen über jene
gesellschaftlichen Bereiche gewonnen werden, die besonders im Mittelpunkt der Krise in der DDR am
Ende der 80er Jahre standen. Zweitens haben die subjektiven Reflexionen der Menschen in Hinblick auf
diese Lebensbereiche interessiert.
Das Frageprogramm orientiert sich an den folgenden Lebensbereichen, von denen Ende 1989 angenommen werden konnte, dass in ihnen der soziale Wandel in Ostdeutschland besonders spürbar würde:
Erhaltung der natürlichen Umwelt, Gewährung der sozialen Sicherheit, Freizeit, Arbeit, Gesundheit, Familie, Leben mit Kindern, Qualifikation und die Bereitschaft zur Weiterbildung, Wohnen, Entlohnung.
Idee des Untersuchungsdesigns war, für diese Lebensbereiche jeweils die folgenden Dimensionen subjektiver Reflexionen zu betrachten: die subjektiv empfundene Wichtigkeit, die Zufriedenheit, die retrospektive Zufriedenheit als Vergleich der jeweils aktuellen Zufriedenheit mit der zu Beginn des Transformationsprozesses (1990), die Informiertheit, die in der sozialen Umgebung wahrgenommenen Erwartungen an das eigene Handeln, die antizipierten individuellen Erwartungen über die Entwicklung in den verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen; der Grad an Optimismus bzw. Pessimismus und die Stärke
der Verhaltensbemühungen. Inhaltliche Schwerpunkte der einzelnen Erhebungen waren Ehe und Familie
sowie das Demokratieverständnis (1990), das Umweltverhalten (1991), die Ausländerproblematik
(1992), die Arbeitslosigkeit und das Vertrauen in Institutionen (1993) sowie lokalen Vernetzungen, kulturellen Problemen, Werthaltungen und politisches Engagement (1996). Die Erhebung erfolgte zu folgenden Zeitpunkten: 1990, 1991, 1992, 1993 und 1996.
Die Verantwortung für die Konzeption der gesamten Untersuchungsreihe sowie für die ersten beiden
Erhebungen (1990 und 1991) lag beim Institut für Soziologie und Sozialpolitik (ISS) an der Akademie
der Wissenschaften der DDR in Berlin. Das nach der Abwicklung des ISS neu gegründete Sozialwissenschaftliche Forschungszentrum Berlin/Brandenburg (SFZ) e.V. übernahm 1992 und 1993 die Verantwortung für die Weiterführung der Untersuchungsreihe, die vom ZUMA inhaltlich und methodisch betreut wird. Die Untersuchung 1996 wurde von der DFG finanziert. Hauptantragsteller war Michael Häder (ZUMA-Mannheim), weiterhin waren an der Antragstellung beteiligt: Karl-Dieter Opp (Universität
Leipzig), Peter Ph. Mohler (ZUMA-Mannheim), Karl-Siegbert Rehberg (TU Dresden) und Heinz Sahner (Uni Halle). Ähnliche Erhebungen wurden in den Jahren 1994 und 1995 durch die Empirischmethodische Arbeitsgruppe am Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg durchgeführt.
Die Untersuchungen können vom Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung in Köln bezogen werden.
Wichtige Publikationen sind:
•
•
Häder, M. (Hrsg.), 1991: Denken und Handeln in der Krise. Die DDR nach der „Wende“. Akademie Verlag Berlin.
Häder, M.; Häder, S., 1995: Turbulenzen im Transformationsprozeß - Die individuelle Bewältigung
des sozialen Wandels in Ostdeutschland 1990-1992. Westdeut. Verlag Opladen.
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•
Häder, M.; Häder, S., 1998 (Hrsg.): Sozialer Wandel in Ostdeutschland. Theoretische und methodische Beiträge zur Analyse der Situation seit 1990. Westdeut. Verlag Opladen.
3.1.3 Jugend
5) Jugendsurvey des Deutschen Jugendinstituts
Der DJI-Jugendsurvey will die Lebenslagen sowie gesellschaftliche und politische Orientierungen von
Jugendlichen und jungen Erwachsenen (im Alter von 16 bis 29 Jahren) in den alten und neuen Bundesländern untersuchen. Er ermöglicht durch seine umfangreiche Anlage eine differenzierte Darstellung und
Analyse der angesprochenen Aspekte, insbesondere differenzierte Vergleiche alte Bundesländer – neue
Bundesländer. Die replikative Anlage erlaubt eine Beschreibung von Tendenzen sozialen Wandels bei
Jugendlichen. Das Fragenprogramm umfaßt folgende Themenbereiche:
politische Partizipation
Mitgliedschaften in Organisationen / Teilnahme an Aktivitäten
Aktivitäten in informellen Gruppierungen
Handlungsbereitschaften politischer Partizipation
ausgeübte Handlungsformen
politische Orientierungen
Kompetenz und Interesse an Politik
Einstellungen gegenüber der Demokratie
Einstellungen zum Sozialismus
Einstellungen gegenüber Parteien
Links-Rechts-Skala
Institutionenvertrauen
Einstellungen zu gesellschaftlichen Themen
nationale Identität
Nationalismus (nur 1992)
Fremdenfeindlichkeit (ausführlicher 1997)
West- und Ostdeutsche / deutsche Vereinigung
soziale Gerechtigkeit (ausführlicher 1997)
soziale Benachteiligung (nur 1997)
Umweltbewußtsein (nur 1997)
Wertorientierungen und subjektive Bewertung der Lebenssituation
Werte und Geschlechtsrollenorientierungen
Zufriedenheiten mit Lebensbereichen
Wichtigkeit von Lebensbereichen
Orientierungsunsicherheit
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Normlosigkeit (nur 1992)
soziodemographische Merkmale
Geschlecht, Alter
Bildung / Ausbildung / Erwerbsstatus
Einkommenssituation (nur 1997)
Familienstand
Status der Eltern
subjektiver Altersstatus
Der DJI-Jugendsurvey ist eines der großen replikativen Forschungsvorhaben, das im Rahmen der Sozialberichterstattung des Deutschen Jugendinstituts (DJI), München, durchgeführt wird. Die bisherigen
Erhebungszeitpunkte waren Herbst 1992 und Herbst 1997; geplant ist eine dritte Welle. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt diese Forschungen im Rahmen der Finanzierung des DJI.
Die Datensätze sind beim Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung an der Universität zu Köln erhältlich, der Datensatz für 1992 unter der ZA-Nummer 2527, der Datensatz für 1997 wird im Oktober
2000 dort eingereicht. Wichtige Publikationen sind:
•
Hoffmann-Lange, Ursula (Hrsg.) 1995: Jugend und Demokratie in Deutschland, DJI - Jugendsurvey
1, Opladen: Leske + Budrich.
•
Gille, Martina/Krüger, Winfried (Hrsg.) 2000: Unzufriedene Demokraten. Politische Orientierungen
der 16- bis 29jährigen im vereinigten Deutschland. DJI-Jugendsurvey 2. Opladen: Leske+Budrich.
6) Shell Jugendstudie
Seit fast 50 Jahren beauftragt das Jugendwerk der Deutschen Shell führende Forschungsinstitute mit der
Erstellung von Jugendstudien. Shell Jugendstudien genießen in der Fachwelt große Anerkennung. Sie
zählen heute zu den Standardwerken der Jugendforschung in Deutschland.
Die 12. Shell Jugendstudie (Jugend ’97: Zukunftsperspektiven, Gesellschaftliches Engagement, Politische
Orientierungen) wurde am 13. Mai 1998 in Anwesenheit der damaligen Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, Claudia Nolte, in Berlin der Presse vorgestellt. Dieser zweiten gesamtdeutschen Bestandsaufnahme jugendlicher Lebenseinstellungen und Werterhaltungen liegen 2.100 mündliche Befragungen zum gesellschaftlichen und politischen Engagement der 12-24jährigen Jugendlichen in
Deutschland zugrunde.
Am 27. März 2000 ist die 13. Shell Jugendstudie erschienen. Die neue Studie hat die Diskussionen um
die letzten Shell Studien aufgenommen und ist folgenden Themen nachgegangen:
18
•
•
Wie sehen die Lebensplanung, die biografischen Entwürfe, die Zukunftsperspektiven Jugendlicher
an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend aus?
Wie erleben ausländische Jugendliche in Deutschland ihre Lebenssituation, wie sehen ihre Vorstellungen, Wünsche, Forderungen und Hoffnungen aus?
Die Studie hat die bewährten Methoden der letzten Shell Jugendstudien beibehalten, basiert allerdings
auf der bisher größten Stichprobe aller Shell Studien. Die Hauptstichprobe für die Fragebogenerhebung
umfaßt ca. 4.000 Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren, repräsentativ für die Bundesrepublik. Sie
wurde als Quotenstichprobe nach der amtlichen Statistik organisiert. Die Zusatzstichprobe von 300 400 ausländischen Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren ist ebenfalls als Quotenstichprobe nach der
amtlichen Statistik organisiert worden. Sie diente dazu, den Anteil ausländischer Jugendlicher in der
Hauptstichprobe - etwa 500 Befragte - aufzustocken und in Untergruppen differenziert auswertbar zu
machen.
Die 12. Shell Jugendstudie wurde vom Institut Psydata, Frankfurt/Main, erarbeitetet, in einem Band
(464 Seiten) vom Verlag Leske + Budrich veröffentlicht und ist im Buchhandel erhältlich. Leitfäden zur
Durchführung qualitativer Interviews und Tabellendateien können unter http://www.shell-jugend2000.de
heruntergeladen werden.
•
„Jugend ’97 - Zukunftsperspektiven - Gesellschaftliches Engagement - Politische Orientierung“,
Herausgeber: Deutsche Shell, Gesamtkonzeption und Koordination: Arthur Fischer und Richard
Münchmeier, Verlag Leske + Budrich, Opladen.
Die 13. Shell Jugendstudie (2 Bände, 3. Band ist in Vorbereitung) kann ebenfalls über den Verlag Leske
+ Budrich, Opladen, bestellt werden (auch online: www.leske-budrich.de). Weitere Informationen sh.
http://www.psydata.de/shell.html .
3.1.4 Familie
7) Familiensurvey
Im Rahmen seiner Sozialberichterstattung über Familien in Deutschland führt das Deutsche Jugendinstitut
im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wiederholte Befragungen
an repräsentativen Personenstichproben durch.
Die erste und zweite Welle des Familiensurveys (1988, 1994) bezogen sich auf Fragen des Wandels
und der Entwicklung familialer Lebensformen. Insbesondere wurden Schwerpunkte gelegt auf die Fragen nach der Struktur des familialen Netzwerkes, nach den biographischen Veränderungen im Bereich
Partnerschaften, Kinder und Erwerbsbeteiligung und darüberhinaus Wohnumwelt und Einkommenssituation. Die dritte Welle hat im Frühjahr 2000 mit der Feldphase begonnen. Schwerpunkte liegen zum einen
in der Replikation der Ergebnisse der ersten Welle sowie zum anderen in der Ergänzung der bisherigen
Schwerpunkte durch aktuelle Fragestellungen.
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Die Daten wurden dokumentiert und im Informationssystem des DJI aufbereitet, sie stehen über das
Zentralarchiv in Köln allen Interessierten für Reanalysen zur Verfügung. Die Ergebnisse der ersten und
zweiten Welle des Familiensurvey in West- und Ostdeutschland sind in der Reihe DJI-Familiensurvey
des Verlags Leske und Budrich veröffentlicht worden. Bisher sind sieben Bände erschienen. Weitere
Informationen finden sich unter folgender Internet-Adresse: http://www.dji.de/2_familiensurvey.
3.1.5 Ältere
8) Alterssicherung in Deutschland (ASID)
Ziel des Forschungsprojekts Alterssicherung in Deutschland ist die Bereitstellung von aktuellen, repräsentativen und nach vielfältigen sozio-demographischen Gruppen gegliederten Daten zur Einkommenssituation der Bevölkerung ab 55 Jahren auf der Personen-, Ehepartner- und (mit Abstrichen) der Haushaltsebene in den neuen und alten Bundesländern.
Die breite Anlage der Studie soll die Beantwortung vielfältiger sozialpolitischer Fragestellungen ermöglichen. Insbesondere geht es um die Frage des Umfangs und der Kumulation von eigenen und abgeleiteten
Leistungen aus einem einzelnen System der Alterssicherung und/oder Bezügen aus anderen Alterssicherungseinrichtungen sowie die Höhe der daraus resultierenden Brutto- und Nettogesamteinkommen. Derartige Informationen sind in den Statistiken der jeweiligen Leistungsträger nicht enthalten. Auch werden
in der Regel keine ergänzenden sozio-demographischen Merkmale nachgewiesen.
Das Erhebungsprogramm ist in den bisher vorliegenden Studien weitgehend identisch geblieben. Die
wichtigsten Erhebungsmerkmale der ASID sind die Angaben zu 20 verschiedenen Einkommensgrößen,
ggf. differenziert nach Brutto- und Nettowerten, in DM pro Monat. Dieses Programm wird ergänzt
durch Informationen zum Erwerbsverlauf sowie zur aktuellen Lebenssituation. Bei Ehepaaren werden
relevante Angaben für Ehemann und -frau, bei Witwen auch für den verstorbenen Ehemann erhoben.
Mittels eines von Infratest entwickelten Einkommensteuer- und Sozialversicherungsbeitragsmodells werden schließlich die Brutto- in Nettoeinkommen umgerechnet.
Die erste Erhebung des Forschungsprojekts Alterssicherung in Deutschland fand 1986 im damaligen
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland statt. Seit 1992 ist die Befragung auch auf die neuen Bundesländer ausgedehnt worden. Weitere Erhebungszeitpunkte sind 1995 und 1999. Auftraggeber der Untersuchung ist das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Durchführendes Institut ist Infratest
Burke Sozialforschung (München). Die Daten der ASID ’86 sind über das Zentralarchiv in Köln zugänglich. Die Weitergabe der Daten der ASID ‘92 und ASID ’95 wird zur Zeit geprüft. Wichtige Publikationen sind:
•
Kortmann, K.: Alterssicherung in Deutschland 1992 (ASID '92) Bd. I: Strukturdaten zur Einkommenssituation von Personen und Ehepaaren ab 55 Jahren. Forschungsbericht Bd. 244. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn 1994.
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•
•
Kortmann, K., Kneißl, G.: Alterssicherung in Deutschland 1995 (ASID ’95) - Methodenbericht.
Forschungsbericht Bd. 264-M. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn 1997
Kortmann, K., Kneißl, G.: Alterssicherung in Deutschland 1995 (ASID ’95). Die Einkommen von
Personen und Ehepaaren ab 55 Jahren. Forschungsbericht Bd. 264/I. Bundesministerium für Arbeit
und Sozialordnung, Bonn. 1999
Die Berichtsbände der ASID sind in der Reihe „Forschungsberichte“ des Bundesministeriums für Arbeit
und Sozialordnung veröffentlicht (ASID ’86: Band 200, ASID ’92: Band 244, ASID ’95: Band 264).
9) Alterssurvey
Der deutsche Alters-Survey ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zu soziologischen und psychologischen Fragen des Alterns. Objektive Lebensbedingungen und subjektive Selbst- und Lebenskonzepte
der gegenwärtigen und zukünftigen Älteren wurden im Sommer 1996 anhand einer repräsentativen
Stichprobe von knapp 5.000 Personen im Alter von 40 bis 85 Jahren in der Bundesrepublik (Ost und
West) untersucht. Die Stichprobenziehung und Datenerhebung wurde von infas-Sozialforschung (Bonn)
durchgeführt. Die Untersuchung fand im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend statt und wurde wissenschaftlich von der Forschungsgruppe Altern und Lebenslauf an der
Freien Universität Berlin und der Forschungsgruppe Psychogerontologie an der Universität Nijmegen
verantwortet.
Im soziologischen Teil des Fragebogens werden die Lebenszusammenhänge in den Bereichen Familie
und soziale Netzwerke, Erwerbstätigkeit und Ruhestand, Tätigkeiten und Partizipationen, Gesundheit,
Wohnen, Einkommenssituation sowie intergenerationelle Beziehungen und Transfers untersucht. Der
psychologische Teil des Fragebogens basiert auf einem Satzergänzungsverfahren mit 28 Induktoren und
standardisierten psychologischen Skalen.
Der Alters-Survey wird hier mit aufgeführt, weil für das Jahr 2001 eine zweite Erhebungswelle vorgesehen ist. Die Daten der Erhebungswelle 1996 sind mittlerweile über das Zentralarchiv für empirische Sozialforschung (Köln) verfügbar. Die Hauptergebnisse des Alters-Surveys sind in folgenden Bänden
publiziert:
•
•
•
Kohli, Martin/Kühnemund, Harald (Hrsg.) (2000): Die zweite Lebenshälfte. Gesellschaftliche Lage
und Partizipation im Spiegel des Alters-Survey. Opladen: Leske + Budrich
Kohli, Martin u.a. (2000): Grunddaten zur Lebenssituation der 40-85jährigen deutschen Bevölkerung. Ergebnisse des Alters-Survey. Berlin: Weißensee
Dittmann-Kohli, Freya u.a. (Hrsg.) (2000): Die zweite Lebenshälfte - Psychologische Perspektiven.
Stuttgart: Kohlhammer
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3.1.6 Aus- und Weiterbildung
10) Rangliste der deutschen Hochschulen
Die "Rangliste der deutschen Hochschulen" wurde 1989 erstmalig auf der Basis einer Befragung von
Hauptfachstudenten im 5. bis 10. Semester erstellt, die an einer westdeutschen Hochschule mindestens
ein Semester studiert hatten. Per Zufallsauswahl wurden jeweils 12 Studierende aus den 15 meist studierten Fächern an den Universitäten der (alten) Bundesrepublik ausgewählt. Ziel war die Erfassung der
Studiensituation aus Sicht der Studierenden. 1993 und 1999 wurde diese Untersuchung repliziert, wobei
die neuen Bundesländer mitberücksichtigt wurden. Primärforscher waren jeweils Prof. Dr. F. Neidhardt
(Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) und der Spiegel-Verlag (Hamburg). Die Datenerhebung wurde von EMNID (Bielefeld) durchgeführt. Die Ergebnisse wurden u.a. in folgenden Veröffentlichungen publiziert:
•
•
SPIEGEL (1990): Studieren heute: Welche Uni ist die beste? Hamburg: Spiegel-Verlag, SPIEGEL
Spezial
SPIEGEL (1993): Welche Uni ist die beste? Hamburg: Spiegel-Verlag, SPIEGEL Spezial 3
11) Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks
Seit 1951 veranlaßt das Deutsche Studentenwerk im 3-Jahres-Rhythmus Erhebungen zur Erfassung der
wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Deutschland. Hauptanliegen der Sozialerhebung
ist es, das soziale Umfeld und insbesondere die wirtschaftliche Situation der deutschen Studierenden
umfassend beschreiben zu können.
Das Fragenprogramm unterscheidet nach Fragen, mit denen Informationen zu Standardthemen, wie wirtschaftliche Lage (Einnahmen/Ausgaben), Wohnsituation, studentische Erwerbstätigkeit, Ernährungsgewohnheiten - insbesondere Mensanutzung, Verkehrsmittelwahl u.a.m., ermittelt werden. Darüber hinaus
werden von Sozialerhebung zu Sozialerhebung wechselnd Fragen zu aktuell interessierenden Themenbereichen, wie beispielsweise Interesse am Auslandsstudium, Nutzung des Computers/der neuen Medien, aufgenommen.
Die Sozialerhebung wird alle drei Jahre, jeweils im Sommersemester durchgeführt. Die Stichprobe umfaßt derzeit rd. 60.000 Studierende an fast allen Hochschulen in Deutschland.
Seit 1982 wird die Erhebung von der HIS GmbH, Hannover, im Auftrag des Deutschen Studentenwerks mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführt.
Eine Weitergabe der Originaldaten wird bisher nicht praktiziert. Allerdings werden Datenanforderungen
Dritter - so weit möglich - durch die Lieferung von Sonderauswertungen erfüllt.
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Der Untersuchungsbericht wird jeweils vom BMBF unter dem Titel "Das soziale Bild der Studentenschaft in der Bundesrepublik Deutschland" herausgegeben. Darüber hinaus werden weitere Veröffentlichungen zu Sonderthemen bereitgestellt. Weitere Informationen finden sich unter folgender InternetAdresse: http://www.his.de/doku/abereich/studium/proj/pro97702.htm.
12) Studierendensurvey
Das Konzept des Studierendensurveys geht auf zwei Quellen zurück: zum einen auf Ansätze zur Erstellung sozialer Indikatoren und zur gesellschaftlichen Dauerbeobachtung, zum anderen auf Forschungen zur
Hochschulsozialisation und zur Qualifikation von Hochschulabsolventen, zum Teil im internationalen Vergleich. Mit dem Studierendensurvey wird ein Informationsinstrumentarium bereitgestellt, das sich
schwerpunktmäßig auf die Studiensituation, die Motive und Verhaltensweisen der Studierenden sowie
auf deren studienbezogene, berufliche und gesellschaftlich-politische Orientierungen bezieht. Die Langzeitstudie über "Studiensituation und studentische Orientierungen" an Universitäten und Fachhochschulen
besteht seit dem Wintersemester 1982/83 und wird im Abstand von 2 bis 3 Jahren durchgeführt. Für die
alten Länder liegen bisher sieben, für die neuen drei Erhebungen vor. Im WS 2000/01 wird die 8. Erhebung durchgeführt.
Das Fragenprogramm unterteilt sich in zwölf Bereiche, die sich neben demographischen Angaben mit
Studienwahl, -dauer, -qualität, Prüfungen, sozialen Kontakten, Schwierigkeiten, beruflichen Orientierungen und politischen Beteiligungen befaßt. Der Kern des Erhebungsinstrumentes ist von Anfang an stabil
geblieben. Seit dem WS 97/98 werden die Themen "Neue Medien und Internet" und "Selbständigkeit
und Existenzgründung" neu behandelt.
In Ermangelung einer allgemeinen Studierendendatei, die für eine direkte Zufallsauswahl genutzt werden
kann, wird die Auswahl in zwei Schritten vorgenommen: 1. Auswahl der Universitäten und Fachhochschulen (jeder Hochschultyp und alle Bundesländer sollten vertreten sein) und 2. der Studierenden an
diesen Hochschulen. Bei jeder Erhebung werden etwa 20.000 Studierende angeschrieben. Der Rücklauf
betrug in den ersten sechs Erhebungen ca. 41-45% und ist in der letzten Erhebung auf 37% abgesunken.
Durchgeführt werden die Studierendensurveys von der Arbeitsgruppe Hochschulforschung an der Universität Konstanz mit finanzieller Förderung hauptsächlich vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, Bonn), teilweise auch vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Baden Württemberg (MWK, Stuttgart) und zu speziellen Fragen den Arbeitsmarkt betreffend von der Bundesanstalt für
Arbeit (Nürnberg). Dem Projekt ist ein wissenschaftlicher Beirat mit Experten der Hochschul- und empirischen Sozialforschung zugeordnet.
Die Dateien stehen für Sekundäranalysen in den Programmen KOSTAS, SPSS und SAS zur Verfügung
und können über das Zentralarchiv in Köln bezogen werden. Die Nutzung ist jeweils kostenlos.
Es besteht ein ausführliches Publikationsverzeichnis. Drei Publikationen daraus sind:
23
•
Bargel, T./Multrus F./Ramm M.: Studium und Studierende in den 90er Jahren. Entwicklung an Universitäten und Fachhochschulen in den alten und neuen Bundesländern. Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (Hg.), Bonn 1996 (Langfassung 232 S.).
•
Ramm, M./Bargel, T.: Berufs- und Arbeitsmarktorientierungen der Studierenden (BeitrAB 212).
Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, 1997.
•
Bargel, T./Ramm, M./Multrus, F.: Studiensituation und studentische Orientierungen. 7. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen. Kurzfassung. Bundesministerium für Bildung und
Forschung, Bonn 1999.
Die Berichterstattung besteht aus Tabellaten und Datenalmanachen, Hauptberichten in Lang- und Kurzfassung, Fachmonographien, thematischen Schwerpunktberichten sowie Heften zur Bildungs- und Hochschulforschung von der AG Hochschulforschung (ISSN 1616-0398). Weitere Informationen finden sich
unter der folgenden Internet-Adresse: http://www.uni-konstanz.de/FuF/SozWiss/fg-soz/ag-hoc/home.htm.
3.1.7 Arbeit und Beruf
13) Berufliche Qualifikation und Erwerbsarbeit
Die gemeinsam vom Bundesinstitut für Berufsbildung (Bonn) und dem Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (Nürnberg) getragenen Erhebungen zu Qualifikation und
Erwerbssituation in Deutschland („BIBB/IAB-Erhebungen“) sollen ein repräsentatives Bild von Erwerb
und Verwertung beruflicher Qualifikationen von Erwerbstätigen liefern. Sie bilden eine Brücke zwischen
den globalen statistischen Großerhebungen (insbesondere Beschäftigtenstatistik und Mikrozensus) und
kleineren Erhebungen und Fallstudien, die sich auf spezielle Sektoren, Berufe oder Regionen beziehen.
Die BIBB/IAB-Erhebungen können inzwischen auf eine zwanzigjährige Tradition zurückblicken. 1979
wurde zum ersten Mal eine repräsentative Erhebung bei rund 30.000 deutschen Erwerbspersonen
(0,1%-Stichprobe) durchgeführt, um detaillierte Informationen über das Qualifikationsprofil und den
beruflichen Werdegang der Erwerbsbevölkerung und gleichzeitig über die organisatorischen, technologischen und qualifikatorischen Rahmenbedingungen und Anforderungen ihrer Arbeitsplätze zu bekommen.
Diese Erhebung wurde 1985/86 erstmals (allerdings eingeschränkt auf deutsche Erwerbstätige) wiederholt. Der thematische Schwerpunkt wurde hier auf die Verbreitung der computergestützten neuen Technologien gelegt. Bei der dritten, 1991/92 durchgeführten Erhebung stand der Vergleich zwischen der
alten Bundesrepublik und den neuen Ländern im Mittelpunkt des Interesses. Bei dieser Erhebung waren
erstmals auch deutschsprechende Ausländer mit einbezogen, während 1979 und 1985 nur Deutsche
befragt wurden. In den alten Bundesländern wurden wiederum nur Erwerbstätige befragt, während sich
die Erhebung in den neuen Ländern an Erwerbspersonen wandte, also auch Arbeitslose und Personen in
Fortbildung und Umschulung einbezog. Thematischer Schwerpunkt der jüngsten, 1998/99 durchgeführten Erhebung war der strukturelle Wandel der Arbeitswelt und seine Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsbelastungen und auf das individuelle Mobilitätsverhalten.
24
Die Daten der BIBB/IAB-Erhebungen 1979, 1985/86 sowie 1991/92 können beim Zentralarchiv für
empirische Sozialforschung der Universität Köln bezogen werden. Die Daten der jüngsten Erhebung
(1998/99) stehen der Öffentlichkeit voraussichtlich erst ab Ende 2001 zur Verfügung (Bezug dann wiederum über das Zentralarchiv). Wichtige Publikationen sind:
•
Dostal, Werner/Jansen, Rolf/Parmentier, Klaus (2000), Hg., Wandel der Erwerbsarbeit: Arbeitssituation, Informatisierung, berufliche Mobilität und Weiterbildung, Beiträge zur Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung 231, Nürnberg
•
Parmentier, Klaus u.a. (1993), Berufs- und Erwerbsstrukturen West- und Ostdeutschlands im Vergleich. Ergebnisse aus der BIBB/IAB-Erhebung 1991/92, Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 176, Nürnberg
•
Jansen, Rolf/Stooß, Friedemann (1993), Qualifikation und Erwerbssituation im geeinten Deutschland. Ein Überblick über die Ergebnisse der BIBB/IAB-Erhebung 1991/92, Berlin und Bonn
3.1.8 Konsum und Freizeit
14) Media-Analyse
Das Kernstück der Media-Analyse ist die Erforschung des Medienverhaltens. Neben der Nutzung verschiedener Medien (Pressemedien, Kino, Fernsehen, Hörfunk) wird in der Media-Analyse eine Vielzahl
soziodemographischer Merkmale für die deutsche Wohnbevölkerung ab 14 Jahren veröffentlicht. Auch
Indikatormerkmale, mit denen sich Verhaltenskomplexe beschreiben lassen, z.B. Haushaltsausstattung,
Einkaufsverhalten, Reisen, Freizeittätigkeiten etc., werden in der Media-Analyse erhoben und veröffentlicht.
Die Media-Analyse wird jährlich durchgeführt (1954 bis 1970 als Leser-Analyse, ab 1971 als MediaAnalyse). Seit der Media-Analyse 1987 stammen die Daten aus verschiedenen Quellen, während bis
dahin eine Erhebung mit einem Fragebogen durchgeführt worden war. Das Modell, das verschiedene
Erhebungsverfahren miteinander verknüpft, wird von der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. als
sog. Partnerschaftsmodell bezeichnet. Die Erhebung der Pressemedien erfolgt dabei in Face-to-FaceInterviews, die Erhebung der Funkmedien erfolgt per Telefoninterviews. Die Fernsehergebnisse stammen
aus dem GfK-Meter-Panel der Gesellschaft für Konsumforschung (Nürnberg), weil das Meter-System
für die Senderermittlung die Objektidentifikation garantiert und die Einschaltvorgänge sekundengenau
bemißt. Die Kinonutzung wird im Pressemedien-Fragebogen erhoben.
Die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. und die Tochtergesellschaft Media-Micro-Census GmbH
sind mit der Durchführung der Media-Analyse im Auftrag der Mitglieder des Vereins befaßt. Die Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft besteht darin, mit der Media-Analyse ein geeignetes und akzeptiertes Maß
von hohem fachlichem Standard zum Media-Konsum zu liefern, so daß damit Media-Planung vorge25
nommen werden kann, und zwar mit Daten, die für möglichst viele Medien vergleichbar sind. Die Daten
stehen vor allem den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. zur Verfügung. Mit einbis zweijähriger Verspätung sind sie aber auch über das Zentralarchiv für empirische Sozialforschung
(Köln) der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich. Veröffentlichungen existieren lediglich in einer
internen Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft, in der in unregelmäßigen Abständen Bücher zu fachbezogenen Problemen publiziert werden.
15) Soll und Haben
Ende der 70er Jahre entwickelten Infratest, München, und der SPIEGEL-Verlag gemeinsam das Konzept der Untersuchungsreihe „Soll und Haben“. Ziel der Untersuchung ist die Analyse von Einstellungen
zu Geld und zum Verhalten bei der Anlage von Geld und Vermögen. Die bisher letzte, fünfte Untersuchung wurde 2000 durchgeführt. Sie schließt in Methode und Inhalt an die Studien von 1980, 1984,
1989 und 1996 an. Damit decken die Ergebnisse der fünf Erhebungen einen Zeitraum von 20 Jahren ab,
so daß Veränderungen in den Märkten für Finanzdienstleistungen sichtbar werden.
Spätestens mit Beginn der 90er Jahre zeichneten sich veränderte Marktgegebenheiten in Deutschland ab.
Die Wiedervereinigung und die Ausbreitung neuer Techniken sind dabei die herausragenden Entwicklungen. Von daher war eine grundlegende Überarbeitung und Erweiterung des Untersuchungskonzeptes
geboten. Dies geschah im Winter 1994/95 mit einer qualitativen Leitstudie. Diese wichtige Vorarbeit lag
in den Händen des Sinus-Instituts, Heidelberg. In das Konzept sind zahlreiche Anregungen von Werbetreibenden, Verbänden, Werbeagenturen und Beratern eingeflossen. Im Jahr 2000 wurden die Daten
erstmals per CAPI (persönliches, computergestütztes Interview) erhoben.
Die Analyse der Einstellungsmuster der westdeutschen Bevölkerung sowie die Verdichtung zu sechs
Kundentypen zeigt strategisch bedeutsame Verbrauchersegmente auf, die hinsichtlich des Angebots von
Finanzdienstleistungen jeweils unterschiedliche Motive und Präferenzen aufweisen. Sie spiegeln die
Mentalitäten der Bevölkerung im Umgang mit Geld und den verschiedenen Finanzdienstleistungen wider.
Zur vertiefenden Charakterisierung dieser Kundentypen dient auch deren lebensweltliche Beschreibung
mit Hilfe der Sinus Milieus.
16) Reiseanalyse
Die Reiseanalyse ist eine bevölkerungsrepräsentative Befragung zur Erfassung und Beschreibung des
Urlaubs- und Reiseverhaltens der Deutschen und ihrer Urlaubsmotive und -interessen. Die Untersuchung
beschäftigt sich mit Urlaubsreisen ab 5 Tagen Dauer und Kurzurlaubsreisen von 2 bis 4 Tagen. Die Reiseanalyse wird seit 1970 kontinuierlich durchgeführt.
Der Fragebogen unterscheidet einen Block von Grundfragen, verschiedene Schwerpunktthemen sowie
Exklusivfragen, die von einzelnen Nutzern in Auftrag gegeben und von diesen exklusiv genutzt werden
können. Das Grundfragenprogramm umfaßt Zielgruppendaten, das konkrete Reiseverhalten im jeweili-
26
gen Erhebungsjahr sowie Zukunftsdaten über Reiseabsichten im Folgejahr und über Interessen an spezifischen Urlaubszielen und -formen in den nächsten drei Jahren.
Die Untersuchung wird seit 1970 kontinuierlich (jährlich) mit gleichbleibendem Grundfragenprogramm
durchgeführt. Träger ist die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (F.U.R), bei der es sich um
eine neutrale Interessengemeinschaft der in- und ausländischen Nutzer von Tourismusforschung in
Deutschland handelt. F.U.R reinvestiert Überschüsse in die Forschung. Nutzer der Reiseanalyse ist ein
breites Spektrum von Unternehmen und Verbänden der Reisebranche. IPSOS Deutschland (Hamburg)
übernimmt die Feldarbeit, das Institut für Tourismus und Bäderforschung (Kiel) betreut die Reiseanalyse
organisatorisch und wissenschaftlich und ist zusammen mit Dr. Peter Aderhold (Kopenhagen) für die
Auswertungsarbeiten zuständig. Daten früherer Reiseanalysen sind über das Zentralarchiv für empirische
Sozialforschung (Köln) erhältlich. Aktuelle Ergebnisse werden in einem Newsletter „Reiseanalyse aktuell“ publiziert, der von F.U.R. herausgegeben wird.
17) Typologie der Wünsche
1974 wurde erstmals die Untersuchung „Typologie der Wünsche“ durchgeführt, getragen von dem
Wunsch, eine Gesellschaft, die in Bewegung geraten war, besser zu verstehen und in ihren differenzierten
Medien- und Konsumgewohnheiten zu beschreiben. Der damals neuartige Weg, hierzu Typologien (der
„Lebenswünsche“) einzusetzen, war der Startpunkt zur Entwicklung des Markt-Media-Klassikers TdW.
Diese Untersuchung wird seit 1986 jährlich durchgeführt (seit 1993 unter dem Titel „Typologie der
Wünsche Intermedia“, TdWI).
Die TdWI wird im wesentlichen von Medienanbietern und Unternehmen genutzt, die damit marketingorientiert und intermedial planen, Kommunikationsstrategien erarbeiten, Zielgruppen qualitativ und quantitativ definieren, Marktpotentiale bestimmen, gesellschaftlichen Wandel und Wettbewerbssituationen differenziert analysieren können. Dabei werden der Kauf bzw. die Verwendung von über 1.500 Marken aus
über 400 Produktbereichen über farbige Produktabbildungen oder Markenschriftzüge erfaßt. Analog zur
Mediaanalyse wird die Nutzung einer Vielzahl von Zeitschriften und Tageszeitungen, Fernsehsendungen,
Online-Angeboten, Videotextangeboten sowie die Hörfunk- und Buchnutzung erfaßt. Darüber hinaus
werden demografische Indikatoren für die befragten Personen und den Haupteinkommensbezieher des
Haushaltes erhoben. Verbunden mit Einstellungsfragen (z.B. zu Familien- und individueller Lebensführung, zu Urlaub, zur Ernährung, etc.) sind sie die Basis für Klassifikationen von Zielgruppen (beispielsweise Sinus-Milieus). Methodisch orientiert sich die TdWI sehr eng an der Media-Analyse der AG.MA
(z.B. Adress Random-Stichprobe, Zusammenarbeit mit sechs ADM-Instituten, Anpassung der Medienwerte). Aktuelle Information ist zu finden unter: http://www.tdwi.com.
Auftraggeber der TdWI ist die TdWI Intermedia GmbH & Co. KG sowie das BAC Burda Advertising
Center (Offenburg). Forschungsprojekte können direkt mit der TdWI GmbH & Co. KG abgestimmt
werden. Die Daten sind bis 1995 auch über das Zentralarchiv für empirische Sozialforschung verfügbar.
Eine Zählmaschine bietet die Möglichkeit, online Analysen mit den Daten durchzuführen.
27
3.1.9 Politik und Wahlen
18) Wahlstudien
“Wahlstudien” zu Bundestagswahlen bilden einen Schwerpunkt der Bestände des Zentralarchivs. Die
Datenbasis besteht aus Einzelstudien, Panel-Studien und aus kumulierten Studien. Sie umfaßt repräsentative Umfragen zu allen Bundestagswahlen zwischen 1949 und 1998. Für die Bundestagswahl 1957
sind bisher keine Daten verfügbar gewesen. Diese Lücke wurde jüngst durch die Bereitstellung der Daten der Wahlstudie des Instituts für Demoskopie Allensbach geschlossen. Darüber hinaus finden sich
Landtagswahlstudien in den Beständen des ZA (siehe ZA Datenbestandskatalog http://www.za.unikoeln.de/data/data-collections/index.htm).
Im Rahmen des “German Election Data Project” (GED) wurden in den Jahren zwischen 1973 und 1978
die “Wahlstudien” von 1953 bis 1976 im Zentralarchiv - in Kooperation mit ZUMA (Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim) und dem ICPSR (Inter-university Consortium for Political
and Social Research, Ann Arbor, USA) - aufbereitet und mit englischen und deutschen maschinenlesbaren Codebüchern versehen. Parallel zu diesen Arbeiten entstand die Variablenübersicht “Variables
Over Time: Continuity Guide to the German Election Data Project 1953-1976”, die 1978 im Zentralarchiv erschien. Zu diesem Zeitpunkt gehörten 10 Studien zur Datenbasis mit insgesamt 18.220 befragten
Personen und 3500 Variablen. Das Zentralarchiv hat diese Arbeiten kontinuierlich weitergeführt. 1989
erschien der Bericht von Rolf Uher: “Continuity Guide to the German Election Data Project 19531987“: als relationale Datenbank realisiert, ZA-Information 24, Mai 1989, S. 19-26.
Inzwischen ist die Datenbasis auf 30 Wahlstudien aus den Jahren 1949 bis 1998 und über 9000 Variablen angewachsen, deren Name, Label sowie Frage- und Antworttext in eine erweiterte relationale Datenbank aufgenommen worden sind. Diese Variablen konnten in ca. 2000 verschiedenen thematischen
Kategorien zusammengefaßt werden, die mehr oder weniger häufig über den Zeitraum von 50 Jahren
erhoben wurden. Der Zugriff erfolgt über den im ZA - EUROLAB entwickelten ZA CodebookExplorer.
Anwender können im ZA CodebookExplorer zunächst mit den vom Zentralarchiv erstellten Originalkategorien und -zuordnungen arbeiten. Sie haben jedoch auch die Möglichkeit, eine eigene benutzerdefinierte Zuordnung der Variablen zu Kategorien zu erstellen. In einem weiteren Schritt können sie das
vorgegebene Kategorienschema erweitern oder verändern bzw. ein ganz eigenes Kategorienschema
erstellen. Eine Zuweisung von Variablen zu Trends wurde vom Zentralarchiv vorgenommen.
19) Politbarometer
Bei den Politbarometern handelt es sich um eine seit 1977 etwa monatlich durchgeführte Umfragenkollektion. Primärforscher ist die Forschungsgruppe Wahlen e.V., finanzierende Stelle das Zweite Deutsche
Fernsehen. Die Themen der Umfragen ergeben sich zum größten Teil aus aktuellen politischen Debatten
28
und Ereignissen in der Gesellschaft, wobei Fragen zum Wahlverhalten und zur Beurteilung von Parteien
und Politikern zum Standard gehören. In den Jahren 1980, 1983, 1987, 1990, 1994 und 1998 sind die
Politbarometer Teil des Wahlstudien-Angebots durch das Zentralarchiv. Das Untersuchungsgebiet waren anfänglich die alten Bundesländer ohne Berlin und ab 1990 einschließlich Berlin. Für die Jahre 1990
bis 1995 gibt es getrennte Ost-West-Befragungen, ab 1996 eine gemeinsame gesamtdeutsche Stichprobe. Eine Besonderheit ist auch der Wechsel von mündlicher face-to-face zu telefonischer Befragung.
Das Zentralarchiv für empirische Sozialforschung bietet für jeden Jahrgang der Politbarometer einen
kumulierten Datensatz an, der alle im jeweiligen Jahr erhobenen Variablen enthält. Außerdem steht den
Benutzern eine lange Zeitreihe (1977-1999) zur Verfügung, die 79 ausgewählte Variablen für das Untersuchungsgebiet West (alte Bundesländer) abbildet. Die gesamte Kollektion ist auf einer CD-ROM zusammengefaßt. Ein mitgeliefertes Retrievalsystem erleichtert die Informationsrückgewinnung.
Ausgewählte Publikationen von Mitarbeitern der Forschungsgruppe Wahlen finden sich unter
http://www.forschungsgruppewahlen.de. Hier einige Beispiele:
•
•
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•
Thomas Emmert/Dieter Roth, Zur wahlsoziologischen Bedeutung eines Modells sozial-strukturell
verankerter Konfliktlinien im vereinten Deutschland, in: Historical Social Research Special Issue 2,
1995, S. 119-160.
Matthias Jung/Dieter Roth, Wer zu spät geht, den bestraft der Wähler. Eine Analyse der Bundestagswahl 1998, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 52/98, S. 3-18.
Dieter Roth, Empirische Wahlforschung, Opladen 1998.
Wolfgang Schulte, Telefon- und face-to-face-Umfragen und ihre Stichproben, in: Siegfried
Gabler/Jürgen Hoffmeyer-Zlotnik (Hrsg.): Stichproben in der Umfragepraxis, Opladen 1977, S.
196-206.
Weitere Informationen s. http://www.za.uni-koeln.de/data/politbarometer/index.htm.
3.2 Ausgewählte Erhebungen aus anderen Ländern
20) General Social Survey (USA)
Der General Social Survey (GSS) ist eine jährliche Mehrthemenumfrage in den Vereinigten Staaten. Das
Ziel des GSS ist es, aktuelle, qualitativ hochwertige und wissenschaftlich bedeutsame Daten für die Sozialwissenschaften bereitzustellen. Die Themen der Befragung werden unter Begleitung eines wissenschaftlichen Beirates hervorragender Sozialwissenschaftler ausgewählt. Hauptziel des GSS ist die Replikation
„bewährter“ Fragen. Darüber hinaus ist der GSS seit Anfang der 80er Jahre auch durch Kooperationen
im Rahmen des internationalen Social Survey Programms (ISSP) und mit anderen nationalen Social Surveys (z.B. ALLBUS, BSA) ländervergleichend angelegt. Über alle Jahre hinweg hat der GSS versucht,
die jeweils besten Methoden der Umfrageforschung anzuwenden.
29
Der GSS wird seit 1972 (mit Ausnahme der Jahre 1979, 1981 und 1992) im jährlichen und seit 1994 im
zweijährigen Abstand durchgeführt. Verantwortlich ist das National Opinion Research Center (NORC)
mit James A. Davis und Tom W. Smith als verantwortlichen Projektleitern. Finanziert wird der GSS
durch die National Science Foundation bzw. durch kleinere Beiträge anderer Forschungsförderorganisationen und des NORC. Die Daten sind über das US-amerikanische Datenarchiv an der Universität Michigan verfügbar. Die Monographie von Davis und Smith (1992) gibt eine Einführung in den GSS:
•
Davis, J.A./ Smith, T.W. (1992): The NORC general social survey. A user's guide. Newbury Park:
Sage
Ähnlich wie beim ALLBUS ist auf der Homepage des GSS ein Verzeichnis aller bisher mit Daten des
GSS entstandenen Veröffentlichungen abrufbar.
21) British Social Attitudes Survey (GB)
Der British Social Attitudes Survey (BSA) liefert jährliche Messungen über Einstellungsveränderungen,
die die Informationen aus den bevölkerungsrepräsentativen amtlichen Erhebungen, wie z.B. dem General
Household Survey und dem Labor Force Survey, ergänzen sollen. Eine seiner Hauptaufgaben ist das
Monitoring von Mustern sozialer Kontinuität und sozialen Wandels sowie die Bestimmung der Veränderungsraten von Einstellungen zu unterschiedlichen sozialen Themenfeldern.
Der Fragebogen besteht aus zwei Teilen: einem Face-to-Face-Interview und einem Selbstausfüller. Jedes Jahr enthält der Fragebogen mehrere Hauptfragen. Diese decken unterschiedliche Themenbereiche
ab, wie z.B. das Verteidigungssystem, das Wirtschaftssystem, die Arbeitsmarktbeteiligung der Individuen und den Wohlfahrtsstaat. Die Mehrheit dieser Fragen wird im jährlichen Abstand repliziert. Der Rest
des Fragebogens besteht aus verschiedenen Fragemodulen über eine breite Palette von sozialen, ökonomischen, politischen und moralischen Themen, von denen einige regelmäßig wiederholt werden, andere jedoch nicht.
Der BSA wurde erstmalig in 1983 durchgeführt und seitdem im jährlichen Abstand (außer in den Jahren
1988 und 1992) wiederholt. Die Finanzierung erfolgt über eine Reihe von Quellen (u.a. verschiedene
Ministerien, Economic and Social Research Council, Forschungsförderorganisationen). Die Verantwortung für die erhobenen Themenbereiche und die konkrete Ausgestaltung des Fragebogens liegt beim
National Center for Social Research (früher Social and Community Planning Research).
Die Daten sind über das britische Datenarchiv in Essex verfügbar. Ausgewählte Ergebnisse werden in
einem jährlich erscheinenden Sammelband publiziert, zuletzt:
•
Jowell, R. et al. (eds.) (1998): British - and European - Social Attitudes: The 15th Report - How
Britain differs. Aldershot: Ashgate.
30
3.3 International vergleichende Erhebungen
22) International Social Survey Programme (ISSP)
Das International Social Survey Programme (ISSP) ist ein internationaler Forschungsverbund, der das
Ziel hat, der Sozialforschung international vergleichende Umfragedaten zur Verfügung zu stellen. Dazu
erheben die Mitglieder des ISSP seit 1985 jährlich eine thematisch konzentrierte Umfrage von etwa
zwanzig Minuten Dauer. Eine Standarddemographie ist ein obligatorischer Teil der Umfrage. Der Verbund wurde 1984 von Forschungsinstituten in den USA (NORC, Chicago), Großbritannien (SCPR,
London), Australien (ANU, Canberra) und Deutschland (ZUMA) gegründet. Zur Zeit gehören ihm 38
Länder – darunter viele europäische – aus allen fünf Kontinenten an. Themenschwerpunkte der bisherigen Umfragen waren u.a. „Einstellung zu Staat und Regierung“, „Soziale Netzwerke“, „Soziale Ungleichheit“ und „Familie und sich ändernde Geschlechterrollen“. Die einzelnen Fragemodule werden von international und interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppen entwickelt und in regelmäßigen Abständen wiederholt. Beim ISSP handelt es sich um ein internationales Projekt, das in seiner Zusammensetzung und Kontinuität sowie hinsichtlich der abgedeckten Themenvielfalt und der Studiendokumentation
bislang einmalig ist. In der ISSP-Bibliographie sind zur Zeit ca. 900 Publikationen zu vergleichenden
Analysen erfaßt, in denen ISSP-Daten verwendet wurden (vgl. www.issp.org/public.htm). Aufgrund der
Sprachvielfalt der beteiligten Länder ist dabei von einer hohen Dunkelziffer an nicht bekannten Veröffentlichungen auszugehen. Publikationen, die sich mit einem Land befassen, sind hier nicht aufgeführt.
Das ISSP-Programm besteht aus thematischen Modulen, die in regelmäßigen Abständen repliziert werden. Bei jeder Replikation des Themas können bis zu 1/3 der Items ausgetauscht, um sowohl neuen
gesellschaftlichen Entwicklungen als auch methodischen Standards zu entsprechen. Folgende Module
wurden bis 2000 erhoben: Role of Government I (1985), Social Networks (1986), Social Inequality I
(1987), Family & Changing Gender Roles I (1988), Work Orientations I (1989), Role of Government
II (1990), Religion (1991), Social Inequality II (1992), Environment I (1993), Family & Changing Gender Roles II (1994), National Identity (1995), Role of Government III (1996), Work Orientations II
(1997), Religion II (1998), Social Inequality III (1999), Enviroment II (2000), geplant sind: Social Networks II (2001), Family and Changing Gender Roles III (2002). Eine obligatorische Standarddemographie umfaßt u.a. Angaben zu Bildung, Erwerbstätigkeit und Beruf des Befragten, seines Ehe- bzw. Lebenspartners sowie Informationen zum Einkommen, zum Familienstand und zur Haushaltszusammensetzung, zu Konfession und Kirchgang sowie zu Partei- und Gewerkschaftsmitgliedschaft (vgl. www.za.unikoeln.de/data/en/issp/rules.htm#Background).
Es wird jedes Jahr ein Modul auf Englisch fertiggestellt. Die meisten Mitgliedsländer führen die ISSPStudie auch in dem betreffenden Jahr durch. Kostengründe haben dazu geführt, daß manche Länder, z.
B. die USA und Polen, alle zwei Jahre ins Feld gehen, und zwar in Verbindung mit dem jeweiligen
"GSS". Deutschland wird voraussichtlich ab 2000 - nicht nur aus Kostengründen - das gleiche tun.
Organisatorisch ist das deutsche ISSP ein gemeinsames Vorhaben von ZUMA und Zentralarchiv in der
GESIS. Die Modulentwicklung wird bei ZUMA durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgt durch ein
kommerzielles Institut. Das Archiv archiviert alle ISSP-Daten. Die Finanzierung des deutschen ISSP
31
erfolgt seit 1987 durch den Bund und die Länder im Rahmen der Gesellschaft sozialwissenschaftlicher
Infrastruktureinrichtungen (GESIS).
Die Daten des ISSP sind der interessierten Öffentlichkeit jeweils gegen Ende des Erhebungsjahres über
das ZA zugänglich. Der Preis für das Hauptvertriebsmedium – die ISSP CD-Rom – beträgt DM 50
(jeweils alle Länder und alle Module von 1985 bis zur aktuellsten Erhebung). Wichtige Publikationen
sind:
•
•
•
Toš, N./Mohler, P.Ph./Malnar, B. (Hrsg.): Modern Society and Values; a Comparative Analysis
based on ISSP Project, FFS, University of Ljublijana and ZUMA, Mannheim 1999.
Jowell, R. et al. (Hrsg.): British and European Social Attitudes, the 15th report, How Britain Differs,
Ashgate Publishing Limited, Aldershot, Brookfield USA, Singapore, Sydney 1998.
Alwin, D.F. et al. (Hrsg.): Attitudes to Inequality and the Role of Government, Sociaal en Cultureel
Planbureau, Alphen aan den Rijn, Samsom, Rijswijk 1990.
Zur Zeit existieren ein ISSP listserver (von ZUMA organisiert), eine ISSP website (www.issp.org; von
ZUMA kreiert, jetzt „gepflegt“ durch das derzeitige Sekretariat) und eine von NORC jährlich aktualisiert
Bibliographie. ISSP Research Sessions finden in Zusammenhang mit dem jährlichen General Assembly
des ISSP statt. Hier tragen Forscher aus den ISSP Mitgliederreihen Forschungsergebnisse vor. Diese
Papiere erscheinen dann in internationalen und nationalen Zeitschriften und Bücherreihen. Unterschiedliche Länder haben Newsletter – z. B. Neuseeland, Italien und Polen - in denen ISSP Daten in Kurzform
dargestellt werden. Eine spezielle ISSP-Bücherreihe gibt es nicht.
23) Eurobarometer
Standard Eurobarometer Meinungsumfragen werden im Auftrag der Europäischen Kommission mindestens zweimal pro Jahr in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchgeführt. Seit Anfang der
70er Jahre ermöglichen sie eine regelmäßige Berichterstattung über soziale und politische Einstellungen in
der europäischen Öffentlichkeit. Von besonderem Interesse sind dabei das öffentliche Bewußtsein und
die Einstellungen gegenüber dem europäischen Einigungsprozeß, den EU-Institutionen und ihrer Politik.
Zusätzlich werden regelmäßig eine Reihe von Fragen zu soziokulturellen und soziopolitischen Orientierungen gestellt: zum Beispiel allgemeine Lebenszufriedenheit, Zufriedenheit mit der Demokratie, politische
Beteiligung oder Präferenzen bezüglich nationaler Politikziele. Der demographische Teil der Umfrage
enthält Fragen zur Links-Rechts-Orientierung, Parteipräferenzen und Wahlverhalten, Haushaltseinkommen, Haushaltsgröße, Wohnortgröße, Wohnort, berufliche Tätigkeit, Alter, Geschlecht, Ausbildung und
Konfession (vgl. http://www.za.uni-koeln.de/data/en/eurobarometer/ebtrends.htm) . In unregelmäßigen Abständen werden darüber hinaus Spezialthemen untersucht: zum Beispiel Landwirtschaft, Biotechnologie,
Energie, Umwelt, Geschlechterbeziehungen, Gesundheitsfragen, Immigration, Armut, regionale Identität,
Wissenschaft und Technik, Arbeitsbedingungen, öffentlicher Nahverkehr usw. Bei einigen Zusatzstudien
wurden spezielle Stichproben für Jüngere oder Ältere gezogen (vgl. http://www.za.unikoeln.de/data/en/eurobarometer/topics.htm) .
32
Seit Anfang der 70er Jahre werden nationale repräsentative Stichproben gleichzeitig in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Europäischen Gemeinschaft) jeweils im Frühjahr und im Herbst interviewt. Beginnend mit dem Eurobarometer 34.1 (Herbst 1990) sind separate Zusatzstudien über Spezialthemen fast mit jedem Eurobarometer durchgeführt worden. Das traditionelle StandardEurobarometer wurde erstmals in 1974 durchgeführt (mit Vorstudien seit 1970).
Die Eurobarometer-Meinungsumfragen werden im Auftrag der Europäischen Kommission (Directorate
General Education and Culture, Citizens' centre - Analysis of public opinion (vorher DG X, Public
Opinion Surveys and Research Unit) durchgeführt, seit Januar 2000 unter der Leitung von Harald Hartung. Vertiefende Untersuchungen werden für verschiedene Abteilungen der DG Education and Culture
(in deren Auftrag und für deren Rechnung) durchgeführt, ebenso für jede andere DG der Kommission
und für andere EU-Institutionen (wenn sie dies wünschen, wie es z.B. beim Europäischen Parlament
regelmäßig der Fall ist).
Die Feldarbeit wird durch nationale Institute durchgeführt, die allesamt Mitglieder von INRA (International Research Associates) EUROPA sind. Ein europäisches Koordinationsbüro existiert in Brüssel seit
Herbst 1989 (Eurobarometer 32). INRA ist auch für die Koordination und die Produktion der integrierten Datensätze verantwortlich. Alle teilnehmenden Institute sind Mitglieder der Europäischen Gesellschaft für Markt- und Meinungsforschung (ESOMAR) und befolgen ihre Standards.
Die Eurobarometer-Daten werden über die sozialwissenschaftlichen Datenarchive im CESSDA (Council
of European Social Science Data Archives) bzw. IFDO (International Federation for Data Organizations) Verbund für Sekundäranalysen weltweit zur Verfügung gestellt. Sie werden beim Inter-University
Consortium for Political and Social Research (ICPSR) und beim Zentralarchiv für empirische Sozialforschung (ZA) in Köln archiviert sowie arbeitsteilig aufbereitet und dokumentiert (vgl. http://www.za.unikoeln.de/data/en/eurobarometer/index.htm) . Die Daten für die Standardfragen sind für Sekundäranalysen
verfügbar, nachdem der offizielle Eurobarometer-Bericht durch die Europäische Kommission veröffentlicht wurde. Bei entsprechenden Vorgaben der Primärforscher können bestimmte Daten über Spezialthemen Embargobestimmungen unterliegen, und zwar maximal für zwei Jahre oder bis zur entsprechenden Veröffentlichung. Die ZA Benutzungsgebühren für die vollständige Reihe der EurobarometerStandardumfragen auf zwei CD-ROM betragen DM 100,--. Zusätzlich ist eine Codebuch- und Fragebogen-Volltext-Retrieval CD-ROM zum Preis von DM 50,-- erhältlich.
Das ZA hat eine Eurobarometer-Bibliographie zusammengestellt, die regelmäßig erweitert wird (vgl.
http://www.za.uni-koeln.de/data/en/eurobarometer/publications.htm) . Wichtige Publikationen sind u.a.:
•
•
•
Karlheinz Reif, Ronald Inglehart: EUROBAROMETER. The Dynamics of European Public Opinion. Essays in Honour of Jacques-René Rabier. London 1991.
Oskar Niedermayer, Richard Sinnott (eds.): Public Opinion and Internationalized Governance. Beliefs in Government volume two. Oxford. 1995.
Willem E. Saris, Max Kaase (eds.): Eurobarometer - Measurement Instruments for Opinions in
Europe. ZUMA Nachrichten Spezial. Band 2. Mannheim 1997.
Die Hauptergebnisse jedes Standard-Eurobarometers werden regelmäßig in dem zweimal pro Jahr erscheinenden Eurobarometer-Bericht der Europäischen Kommission veröffentlicht. Internet- oder PDF33
Versionen dieser Standard-Berichte sind seit dem Eurobarometer 44 verfügbar. Berichte über Spezialthemen erscheinen in unregelmäßiger Folge unter einem getrennten Titel.
24) International Social Justice Project
Das International Social Justice Project (ISJP) ist ein internationaler Forschungsverbund, in dem sich
Sozialwissenschaftler aus 12 Ländern zusammengeschlossen haben, um Einstellungen und Überzeugungen der Bevölkerung über soziale, ökonomische und politische Gerechtigkeit zu untersuchen. Zwei große
Bevölkerungsumfragen wurden 1991 in 12 Ländern und 1996 in 6 Ländern durchgeführt. Die Umfrage
aus dem Jahr 1991 wurde in Rußland, Estland, Polen, Ungarn, Tschechoslowakei, Bulgarien, Slowenien, Deutschland (Ost und West), USA, Großbritannien, Niederlande und in Japan durchgeführt. Teilnehmer der Umfrage aus dem Jahr 1996, in der die meisten Fragen der 1991er Umfrage repliziert wurden, waren Rußland, Estland, Ungarn, Tschechoslowakei, Bulgarien und Deutschland. Im Jahr 2000
wird in Deutschland eine zweite Replikation durchgeführt, in der ein Teil der Stichprobe als erste Welle
eines 3-Wellen-Panels (im jeweils einjährigen Abstand) benutzt wird, um die Stabilität von Gerechtigkeitsüberzeugungen im Zeitablauf zu überprüfen.
Die Ergebnisse der 1991er Befragung wurden in der folgenden Monographie 1999 publiziert:
•
James Klügel, David S. Mason and Bernd Wegener (eds.) (1995): Social Justice and Political
Change. Public Opinion in Capitalist and Post-Communist States. New York: Aldine/de
Gruyter.
Trendanalysen mit den Daten aus den Jahren 1991 und 1996 sind in folgenden Arbeiten veröffentlicht:
•
•
David S. Mason and James R. Kluegel (eds.) with Ludmila Khakhulina, Petr Mateju, Antal Orkeny, Alexander Stoyanov, Bernd Wegener, Marketing Democracy: Changing Opinion About Inequality and Politics in East Central Europe. Lanham, MD: Rowman and Littlefield, 2000
Bernd Wegener (ed.), Social Justice Beliefs in Transition: Eastern and Central Europe 1991-1996,
a Special Issue of Social Justice Research, vol. 13, 2000.
Der Datensatz der Umfrage aus dem Jahre 1991 ist beim Inter-University Consortium for Political and
Social Research (ICPSR) an der Universität Michigan archiviert, kann aber auch über das Zentralarchiv
in Köln bezogen werden. Die Methodendokumentation und das Codebook für die Umfrage aus dem
Jahr 1996 ist bei der Universität Illinois verfügbar. Die Trenddaten der Jahre 1991 bis 1996 werden
Ende 2000 der Öffentlichkeit verfügbar gemacht.
Das ISJP wird von verschiedenen Forschungsförderorganisationen finanziell unterstützt, darunter z.B.
das National Council for Soviet and East European Research, The National Science Foundation, das
Open Society Institute und Förderorganisationen aus jedem der beteiligten Länder. Der deutsche Teil
der Untersuchung wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Projektleiter ist Prof. Dr.
Bernd Wegener, der an der Universität Humboldt eine interdisziplinäre Forschungsgruppe „Soziale Gerechtigkeit“ etabliert hat (vgl. die ISJP-Homepage unter http://www2.hu-berlin.de/isjp/).
34
25) European Value Survey
Die European Values Study (EVS) ist ein bevölkerungsrepräsentatives, ländervergleichendes und längsschnittorientiertes Umfrageforschungsprogramm über basale menschliche Werte und wurde von der
European Values System Study Group (EVSSG), einem informellen Zusammenschluß von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, Ende der 70er Jahre initiiert. Zur Zeit wird sie im Rahmen einer
Stiftung durchgeführt, die den gleichen Namen wie das Studienprogramm (European Values Study) hat.
Ziel war und ist es, eine große empirische Studie der moralischen und sozialen Werte durchzuführen, die
den sozialen und politischen Institutionen Europas zugrunde liegen. Dabei ging es u.a. um folgende Fragen: Teilen die Europäer gemeinsame Werte? Verändern sich diese Werte in Europa und, wenn ja, in
welche Richtung? Sind es weiterhin christliche Werte, die das europäische Leben und die europäische
Kultur bestimmen? Gibt es ein kohärentes alternatives Wertesystem, das die christlichen Werte ersetzt?
Schließlich: Was sind die Implikationen für die Europäische Vereinigung?
Dieses Forschungsprojekt ist nicht nur in Europa, sondern auch in vielen anderen Ländern in Nord- und
Südamerika, dem Mittleren und Fernen Osten, Australien und Südafrika auf Interesse gestoßen. In dem
World Value Survey (WVS), der 1990 unter der Leitung von Ron Inglehart durchgeführt wurde, waren
Länder aus allen Erdteilen vertreten. Da eine weltweite Erhebung die speziellen Werte einzelner Kulturen
weitgehend vernachlässigen muß, hat sich die EVSSG entschlossen, 1999 eine eigene, europäische
Wertestudie durchzuführen. Das Zentralarchiv in Köln wirkt im Steering Committee und in der Methodologiegruppe des neuen EVS mit. Gemeinsam mit den niederländischen Datenarchiven ist es an der
Aufbereitung der Studie beteiligt. Daneben wird der World Value Survey 2000 in jenen Ländern durchgeführt, die nicht am EVS beteiligt sind. Es ist geplant, die überlappenden Teile aus dem EVS 1999 und
dem WVS 2000 in einem kumulierten Datenfile zusammenzuführen.
Auf diese Weise entstand für das Jahr 1981 ein Datensatz, der insgesamt 26 Nationen abdeckte. Diese
zweite Welle im Jahr 1990 wurde in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft sowie in der
Schweiz, Österreich, in den Ländern Zentral- und Osteuropas sowie den USA und Kanada durchgeführt. Eine weitere Replikation ist, wie beschrieben, für die Jahre 1999 bzw. 2000 vorgesehen. Diese
dritte Replikation wird von der Universität Tilburg koordiniert.
26) European Social Survey
Aufgrund der Erfahrungen im Rahmen des Forschungsprojektes „Beliefs in Government“ hat das Standing Committee for the Social Sciences (SCSS) der European Science Foundation (ESF) entschieden,
eine europaweit vergleichbare Datenquelle ähnlich den nationalen Social Surveys zu schaffen. Zu diesem
Zweck wurde eine Steuerungsgruppe international ausgewiesener Umfrageforscher der Sozialwissenschaften und ein Komitee von Methodenexperten ins Leben gerufen, um einen entsprechenden Projektvorschlag auszuarbeiten. Dieser liegt der European Science Foundation seit dem Juni 1999 zur Entscheidung vor:
35
•
European Science Foundation (1999): The European Social Survey (ESS) – a research instrument
for the social sciences in Europe. Report prepared for the Standing Committee for the Social Sciences (SCSS) of the European Science Foundation. Strasbourg
Ziel des ESS ist es, über die nationalen Social Surveys oder die Eurobarometer-Erhebungen hinauszugehen, die entweder nur lose über das internationale Social Survey Programm (ISSP) miteinander verknüpft sind oder - wie im Falle des Eurobarometers - als Auftragsforschungen nur eine lose Bindung an
die akademische Wissenschaft haben. Ein Schwerpunkt des ESS wird daher die Entwicklung von Erhebungsinstrumenten sein, die in verschiedenen nationalen Kontexten als funktional äquivalent betrachtet
werden können. Ansonsten ist der ESS ähnlich wie die Social Surveys in der Bundesrepublik, Großbritannien oder den Vereinigten Staaten als Mehrthemenumfrage konzipiert, die unterschiedliche sozialwissenschaftliche Disziplinen bedienen soll: Politikwissenschaft, Soziologie, Sozialpsychologie, Kommunikationswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Sozialanthropologie und Geschichtswissenschaft.
Die erste Erhebungswelle ist für das Jahr 2002 geplant. Weitere Erhebungwellen sollen im zweijährigen
Abstand folgen. Die konkrete Zeitplanung kann jedoch erst dann verabschiedet werden, wenn die endgültige Finanzierung des EFS gesichert ist. Dann wird ebenfalls feststehen, welche Länder sich an dem
ESS beteiligen werden. Zunächst sind alle ESF-Mitgliedsstaaten ins Auge gefaßt. Die Umfrage steht
jedoch weiteren interessierten Ländern offen. Die Struktur des Fragebogens entspricht im wesentlichen
dem Vorgehen beim ALLBUS. Das heißt, es gibt eine ausführliche Erfassung soziodemographischer
Hintergrundinformationen, ein Basismodul von Fragen, um Kontinuität und Wandel zentraler Einstellungen zu erfassen, sowie spezifische Zusatzmodule, die sich einzelnen Schwerpunktthemen widmen. Der
zentrale Sitz der Arbeitsgruppe ist das National Research Centre in London (Prof. Roger Jowell); beteiligt sind ferner Kollegen aus Norwegen (NDS in Bergen als Archiv), Niederlande (Prof. W. Saris,
Cultural Planning Bureau) und Deutschland (ZUMA e.V., Mannheim). Ziel ist, die Daten so schnell wie
möglich und im wesentlichen kostenlos für die Nutzer wohldokumentiert und geprüft zur Verfügung zu
stellen. Die Details dieses Teils des Arrangements liegen aber noch nicht definitiv fest.
Die Projektbetreuung liegt in den Händen des von der European Science Foundation ins Leben gerufenen Steering Committee, dem Max Kaase, International University Bremen, vorsteht und das je einen
ausgewiesenen Sozialwissenschaftler aus jedem der teilnehmenden Länder umfaßt, sowie bezüglich aller
Methodenfragen in den Händen eines Methodology Committee unter dem Vorsitz von Roger Jowell.
4 Zusammenfassende Bewertung
Anhang 2 faßt noch einmal wesentliche Daten der ausgewählten replikativen Surveys zusammen. Die
meisten Umfragen richten sich an die erwachsene Bevölkerung oder an spezifische Subgruppen derselben (z.B. die Älteren). Einige Umfragen, insbesondere aus dem Bereich Konsum und Freizeit, beziehen
auch Jugendliche in ihre Untersuchung ein. Insgesamt überwiegen Zufallsauswahlen, lediglich in Ausnahmefällen wird auf Quotenstichproben zurückgegiffen. Bis auf Einzelfälle stehen die Daten der interessierten Öffentlichkeit für eigene Analysen zur Verfügung. Die Datenweitergabe erfolgt dabei in vielen Fällen
gegen eine geringe Benutzungsgebühr über das Zentralarchiv für empirische Sozialforschung an der Uni-
36
versität Köln. Dieses hat teilweise die Daten aus verschiedenen Jahren bereits auf einem Datenträger
zusammengeführt, so daß die notwendigen Informationen für Trendanalysen direkt zur Verfügung stehen.
Tabelle 2 zeigt die Erhebungszeitpunkte der ausgewählten replikativen Surveys in einer Übersicht nach
Themenfeldern. Aus der Tabelle ist zu erkennen, für welche Zeiträume und zu welchen Themen Fragen
des sozialen Wandels mit diesem Datenfundus untersucht werden können. Replikative Surveys aus dem
akademischen Umfeld (ALLBUS, GSS, BSA, ISSP, ESS) sind in der Regel als Mehrthemenumfragen
konzipiert. Bestimmte Themenschwerpunkte werden allerdings in mehrjährigen Abständen wiederholt.
Entscheidungen über Inhalte und Periodizität der einzelnen Themen werden durch wissenschaftliche
Beiräte gesteuert. Die konkrete Planung und Durchführung der Erhebungen ist bei den führenden Forschungsinstituten des jeweiligen Landes angesiedelt. Alles das garantiert einen hohen wissenschaftlichen
Standard. Laut Tabelle 2 decken sie für die Bundesrepublik den Zeitraum ab Anfang der achtziger Jahre
ab, die ausländischen Studien beginnen zum Teil bereits Anfang der siebziger Jahre.
37
Tabelle 2: Replikative Surveys nach Erhebungszeitpunkten (Stand: 31.12.2000)
Replikativer Survey
1
9
4
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9
5
0
1
9
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1
1
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2
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1
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1
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1
1
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2
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6
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1
9
6
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1
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1
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1
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6
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1
1
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1
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7
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7
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7
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1
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0
1
9
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1
1
9
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2
1
9
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3
1
9
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1
9
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5
1
9
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6
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9
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9
8
1
9
9
9
2
0
0
0
2
0
0
1
2
0
0
2
1) Allgemeine Bevölkerungsumfrage
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2) Sozialwissenschaftenbus
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
3) Wohlfahrtssurvey
¦
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¦
¦
4) Leben Ostdeutschland
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
5) Jugendsurvey
¦
¦
6) Shell-Jugendstudie
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¦
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¦
¦
¦
7) Familiensurvey
¦
¦
¦
¦
8) Alterssicherung Deutschland
¦
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¦
9) Alterssurvey
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¦
10) Rangliste Hochschulen
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¦
¦
11) Sozialerhebung Studentenwerk
¦
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¦
¦
¦
¦
12) Studierendensurvey
¦
¦
¦
¦
¦
¦
¦
¦
13) Berufliche Qualifikation
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¦
¦
¦
14) Media Analyse
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
15) Soll und Haben
¦
¦
¦
¦
16) Reiseanalyse
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
17) Typologie der Wünsche
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
18) Wahlstudien
¦
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19) Politbarometer
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
20) General Social Survey
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
¦
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
¦ ¦
¦
¦
¦
21) British Social Attitudes
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
22) International Social Survey Programme
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
23) Eurobarometer
¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦
24) International Social Justice Project
¦
¦
¦
25) European Value Survey
¦
¦
¦
26) European Social Survey
¦
Anmerkungen: Erhebungszeitpunkte bis 2000 berücksichtigt (soweit bekannt). Geplante Erhebungszeitpunkte nach 2000 nur insoweit berücksichtigt, als sie für die Aufnahme des jeweiligen Surveys in diese Expertise notwendig waren.
Quelle: eigene Darstellung
38
Ähnliche wissenschaftliche Standards kann man bei den replikativen Surveys voraussetzen, die dem
Bereich "Objektive Lebensbedingungen und subjektives Wohlbefinden" zugerechnet wurden. Aufgrund
der Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft sind sie einem wissenschaftlichen Begutachtungsprozeß unterzogen worden. Im Gegensatz zum ALLBUS oder ähnlichen Surveys in anderen
Ländern sind sie nicht als Mehrthemenumfragen konzipiert, sondern – in einem Fall sogar explizit – einem bestimmten theoretischen Ansatz (empirische Wohlfahrtsforschung) verpflichtet. Liegt der Schwerpunkt von ALLBUS et al. neben standarddemographischen Angaben auf der Erhebung von Einstellungen, so konzentrieren sich der Wohlfahrtssurvey und die Umfrage "Leben in Ostdeutschland" auf die
klassischen Themen der Sozialberichterstattung, exemplarisch vorgeführt in den Daten- und Sozialreports für die Bundesrepublik oder die neuen Bundesländer (vgl. z.B. Statistisches Bundesamt 2000,
Winkler 1999). Beide Surveys decken den Zeitraum seit Ende der siebziger Jahre bzw. seit der Wiedervereinigung ab.
Weiter zurück reichen eigentlich nur einige replikative Surveys privater Institute, die entweder dem Bereich Konsum und Freizeit (z.B. Media-Analyse, Reiseanalyse, Typologie der Wünsche) oder dem Bereich Politik und Wahlen (z.B. Polit- und Eurobarometer) zuzuordnen sind. Auffallend ist bei diesen Studien auch die Regelmäßigkeit, mit der sie durchgeführt werden, was u.a. eine wichtige Voraussetzung
dafür ist, daß längerfristige Zeitreihen der interessierenden Zielvariablen erstellt werden können. Zugespitzt könnte man sagen, daß die Analyse langfristiger sozialer Trends für die Bundesrepublik mit den
hier ausgewählten replikativen Surveys vor allem für Indikatoren aus dem Bereich der politischen Soziologie und der Konsumforschung möglich ist. Man beachte allerdings, daß Daten der amtlichen Statistik,
aus denen sich längere Zeitreihen, auch zu anderen Themenfeldern, generieren lassen, nicht Gegenstand
dieser Expertise waren, so daß sich Trendanalysen im allgemeinen nicht auf Fragen der politischen Soziologie und der Konsumforschung beschränken müssen.
Die restlichen replikativen Surveys unserer Übersicht beziehen sich auf spezifische Themenfelder
und/oder bestimmte Bevölkerungsgruppen. In diesen Bereichen sind sie jeweils ein wichtiges Element
der gesellschaftlichen Dauerberichterstattung. Im Gegensatz zu den zuvor besprochenen Surveys ist die
Anzahl ihrer Replikationen jedoch geringer. Auch sind kaum Vernetzungen untereinander erkennbar,
obwohl diese Surveys zum Teil von den gleichen Institutionen durchgeführt oder finanziert werden. In der
Summe decken diese Surveys jedoch sehr gut unterschiedliche Phasen im Leben der Bundesbürger ab
(Kindheit und Jugend, Ausbildung und Berufseintritt, Familie, Ruhestand). Auffallend ist das Fehlen replikativer Surveys, die sich spezifisch mit der Erwerbsphase beschäftigen. Dies erklärt sich jedoch daraus, daß die entsprechenden Informationen bereits ausführlich durch die amtliche Statistik (z.B. Mikrozensus) oder das Sozio-ökonomische Panel erfaßt werden, ganz abgesehen davon, daß Erwerbsstatus
und Merkmale des Berufs zur Standarddemographie fast aller replikativen Surveys gehören.
Die wiederholte Durchführung der jeweiligen Umfrage in verschiedenen Jahren, wie sie Tabelle 2 darstellt, garantiert jedoch noch nicht, daß für das jeweils interessierende Merkmal auch tatsächlich Informationen aus jedem Erhebungsjahr vorliegen und diese zudem im Zeitablauf vergleichbar sind. Hier
müßte geprüft werden, ob die entsprechende Variable auch tatsächlich in jedem Jahr erhoben wurde und
dies zudem in identischer Form, was angesichts der Vielzahl denkbarer Fragestellungen den Rahmen
dieser Expertise sprengen würde. Die praktische Erfahrung mit entsprechenden Trendanalysen zeigt
jedoch, daß die notwendige Konstanz des Fragenprogramms im Einzelfall nicht immer gegeben ist und
39
man immer wieder mit Erhebungslücken und veränderten Frageformulierungen rechnen muß, die – neben
eventuellen Veränderungen im Erhebungsdesign – die Vergleichbarkeit der erhobenen Informationen
beeinträchtigen.
Die Konstanz der Befragungsstimuli, der Erhebungsmethode, des Auswahlverfahrens und der Definition
der Grundgesamtheit sind daher wichtige Voraussetzungen, damit replikative Surveys ihr besonderes
Analysepotential entfalten können. Ist die Vergleichbarkeit nicht gegeben, sind sie nichts anderes als
unabhängig voneinander durchgeführte Querschnittserhebungen aus verschiedenen Jahren. Bemühungen,
zu einer gewissen Vereinheitlichung zumindest der standardemographischen Angaben zu kommen, auch
in Absprache mit der amtlichen Statistik, sind daher nachdrücklich zu unterstützen (vgl. z.B. Ehling et al.
1992). Replikative Surveys, die durch eine langfristig orientierte Befragungsorganisation oder durch wissenschaftliche Beiräte die Konstanz ihres Erhebungsdesigns garantieren, bedürfen ebenso einer besonderen Unterstützung. Das hat natürlich eine gewisse Resistenz gegenüber neuen Befragungsthemen zur
Folge. Daher wird es zukünftig immer einen Bedarf an einzelnen Querschnittserhebungen geben, was im
übrigen für replikative Surveys nicht von Schaden sein muß, denn im Rahmen solcher einmaliger Erhebungen lassen sich neue Instrumente erproben, die dann in das Erhebungsprogramm längerfristig angelegter replikativer Surveys als "bewährte" Instrumente übernommen werden können.
Zusammengefaßt stellen wir fest, daß die betrachteten replikativen Surveys ein wichtiges Element der
gesellschaftlichen Dauerberichterstattung sind, insbesondere in Themenbereichen, die das Erhebungsprogramm der amtlichen Statistik nicht abdeckt. Ihr spezieller Beitrag liegt vor allem im Bereich der Analyse
des mittel- und langfristigen sozialen Wandels. Hier haben sie Vorteile gegenüber dem klassischen Paneldesign, da die langfristige Repräsentation der jeweiligen Grundgesamtheit durch einmalig ausgewählte
Panelstichproben kritisch ist. Voraussetzung ist allerdings die Konstanz der Befragungsstimuli, der Erhebungsmethode, des Auswahlverfahrens und der Definition der Grundgesamtheit. Ist diese gegeben, dann
sind replikative Surveys um so informativer, je mehr Replikationen vorliegen. Anders ausgedrückt: Die
Investition in einen replikativen Survey zahlt sich um so mehr aus, je häufiger er wiederholt wird. Von
daher ist vor Änderungen des Erhebungsprogramms oder gar der Einstellung eines entsprechenden Surveys sehr genau zu prüfen, ob dadurch nicht bis dato getätigte Investitionen entwertet werden.
Diese Feststellung ist insofern von Bedeutung, als die obige Übersicht gewisse Überschneidungen zwischen den einzelnen Erhebungen verdeutlicht, die Möglichkeiten der Koordinierung und Rationalisierung
eröffnet. So entstehen im Rahmen der Ressortforschung der Bundesministerien eine Fülle replikativer
Surveys (Familien-, Jugend-, Altensurveys), die angesichts ähnlicher methodischer Problemlagen und
Erhebungsthemen stärker vernetzt werden könnten. Erfreulicherweise ist die Mehrzahl dieser Umfragen
der Wissenschaft zugänglich. Dies gilt bedauerlicherweise nicht für die vom BMBF finanzierte Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks und für einige Erhebungen des BMA, die nur sehr schwer zugänglich sind. Hier sind die Zugangsmöglichkeiten für die Wissenschaft noch zu verbessern.
Eine gewisse Doppelung ist im Bereich der allgemeinen Bevölkerungsumfragen mit dem European Social
Survey (ESS) absehbar. Angesichts des europäischen Einigungsprozesses werden jedoch vergleichbare Informationen über Einstellungen und Verhaltensweisen der Bürger Europas immer notwendiger, die
in nur unzureichender Form durch die reine Addition nationaler Umfragen erfaßt werden können. Notwendig ist eine integrierte Erhebungsmethode. Der ESS ist daher nachdrücklich zu unterstützen. Ob er
40
sich langfristig durchsetzen wird, muß die Praxis zeigen. Die Erfahrungen mit ähnlichen Projekten, wie
z.B. dem Europäischen Haushaltspanel, legen eine gewisse Skepsis nahe.
Dieses Plädoyer für den ESS bedeutet jedoch nicht, daß nationale allgemeine Bevölkerungsumfragen,
wie z.B. der ALLBUS, langfristig obsolet werden. Gerade weil der ALLBUS – oder auch der GSS
oder der BSA – eine lange Zeitreihe relevanter Einstellungs- und Verhaltensmerkmale bereitstellen, ist es
sinnvoll, diese Erhebungen fortzuführen, da ansonsten die getätigten Investitionen nicht mehr als historische Sozialforschung sind. Ganz abgesehen davon wird es auch in Zukunft notwendig sein, neben "supranationalen" (europäischen) Erhebungen auch entsprechende Untersuchungen in tieferer regionaler
Gliederung (z.B. auf nationaler Ebene) zur Verfügung zu haben. Die entsprechenden Steuerungsgremien
der angesprochenen Surveys, die zum Teil mit den gleichen Personen besetzt sind, sind daher dazu angehalten, die verschiedenen allgemeinen Bevölkerungsumfragen miteinander zu vernetzen. Auf diese
Weise ergeben sich eine Fülle von positiven Synergieeffekten. So wäre beispielsweise darüber nachzudenken, ob der ESS und der ALLBUS, jeweils mit Replikationen alle zwei Jahre, nicht alternierend in
Deutschland durchgeführt werden sollten. In diesem Zusammenhang ist es nicht vorteilhaft, wenn der
ESS sein Erhebungsprogramm im Jahr 2002 beginnt, in dem auch ein regulärer ALLBUS vorgesehen ist.
Eine schwierige Frage ist die institutionelle Einbindung des Wohlfahrtssurveys, der bis dato am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und an der Abteilung Soziale Indikatoren im Zentrum
für Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim (ZUMA) durchgeführt wird. Beide Forschergruppen
haben in den letzten Jahren ebenfalls eine Europäisierung dieses Forschungsansatzes betrieben. Eine
Fortführung dieses Projektes sollte davon abhängig gemacht werden, ob der theoretische Ansatz, der
dem Wohlfahrtssurvey zugrundeliegt, in den beiden Forschergruppen auch zukünftig weiter gepflegt
wird. Hier ist der Ausgang des entsprechenden Besetzungsverfahrens am WZB (Nachfolge Prof. Dr.
Zapf) abzuwarten. Zu prüfen wäre auch, ob nicht die wesentlichen Elemente des Wohlfahrtssurveys in
das Sozio-ökonomische Panel integriert werden können.
Schließlich sind die führenden Methoden- und Erhebungsinstitute und hier zu allererst ZUMA aufgerufen,
unabhängigen Forscher/inne/n einen Zugang mit eigenen Befragungsthemen zu methodisch hochwertigen
Umfragen zu ermöglichen. Das beinhaltet zum einen die Entwicklung von Beteiligungsformen für bereits
laufende (allgemeine und spezielle) replikative Surveys und zum anderen die Bereitstellung von Einstiegsmöglichkeiten in (Neu)Erhebungen, die gewissen Mindeststandards der akademischen Sozialforschung genügen.
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Durkheim, E. (1960) [1987]: Le suicide. Etude de sociologie. Paris: Presses Universitaires de France.
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Ehling, M. / von der Heyde, C. / Hoffmeyer-Zlotnik, J.H.P./ Quitt, H. (1992): Eine deutsche Standarddemographie.
ZUMA-Nachrichten 31: 29-46.
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Projektgruppe Das Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) (1995): Das Sozio-oekonomische Panel im Jahre 1994. Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 64, Heft 1: 5-13.
Projektgruppe Das Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) (1998): Funktion und Design einer Ergänzungsstichprobe für
das Sozio-oekonomische Panel. DIW-Diskussionspapier Nr. 163.
Rendtel, U. (1995): Lebenslagen im Wandel: Panelausfälle und Panelselektivität. Frankfurt/Main: Campus.
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Schumpeter, J.A. (1961): Konjunkturzyklen. Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses. Göttingen.
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Statistisches Bundesamt (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und
dem Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim (2000): Datenreport 2000. Zahlen und Fakten über
die Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Band 365 der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung.
Winkler, G. (Hrsg.) (1999): Sozialreport 1999. Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern.
Berlin: Verlag am Turm.
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