Im Schatten der Spiele - Rosa-Luxemburg

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Im Schatten der Spiele - Rosa-Luxemburg
LN-Dossier 9 // September/Oktober 2013
IM SCHATTEN DER SPIELE //
FUSSBALL, VERTREIBUNG UND WIDERSTAND
IN BRASILIEN
Impressum
HERAUSGEBER: LATEINAMERIKA NACHRICHTEN e.V.
Erscheint als Dossier Nr. 9 innerhalb der LN 471/472 (September/Oktober 2013) sowie als separate
Themenbroschüre.
Redaktion: Redaktionskollektiv der Lateinamerika Nachrichten
V.i.S.d.P.: Christian Russau
Gefördert von der Rosa Luxemburg Stiftung
Die Rosa Luxemburg Stiftung führt nicht nur eigene Veranstaltungen in São Paulo und Deutschland durch,
die die sportlichen Großereignisse der WM 2014 und Olympischen Sommerspiele 2016 in Brasilien kritisch
begleiten. Sie unterstützt auch ganz konkret die Arbeit von zum Teil langjährigen ProjektpartnerInnen, die vor
Ort Kampagnen im Rahmen der mega-eventos unterstützen, die von Vertreibung betroffene oder bedrohte
Bevölkerung begleitet und auf die vielseitigen, leider überwiegend negativen Folgen für die Menschen vor
Ort aufmerksam machen. Zu diesen PartnerInnen gehören CAMTRA (Casa da Mulher Trabalhadora) www.
camtra.org.br, NPC (Núcleo Piratininga de Comunicação) www.piratininga.org.br, PACS (Políticas Alternativas para el Cono Sur) www.pacs.org.br und FASE (Federação dos Órgãos para Assistência Social e
Educacional) www.fase.org.br. FASE ist sowohl in Recife als auch in Rio Mitglied der Comitês Populares de
COPA; seit Jahren setzen sie sich für das Recht auf Stadt als verbrieftes Menschenrecht ein und fungieren
dabei als wichtiger Vermittler zwischen Stadtregierung und Zivilgesellschaft.
LATEINAMERIKA NACHRICHTEN
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Tel: 030 / 694 61 00, Fax: 030 / 692 65 90
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Titelfoto: Tânia Rêgo / Agência Brasil / CC BY 3.0 BR
Arbeiter auf dem Dach des Maracanã-Stadions
IM SCHATTEN DER SPIELE
Foto: Antonio Cruz / Agência Brasil / CC by 3.0
FUSSBALL, VERTREIBUNG UND WIDERSTAND IN BRASILIEN
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Im Schatten der Spiele // Fußball, Vertreibung
und Widerstand in Brasilien
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Proteste auf Fifa-Niveau // Unbehagen und
Empörung treiben in Brasilien die Menschen auf
die Straße
Die Stadt als Beute des Kapitals // Interview
mit Professorin Ermínia Maricato über Stadtumstrukturierungen im Schatten der Mega-Events
und die neue Generation der Protestierenden
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„Das Recht funktioniert nur für die Reichen“
// Sieben Testimonios über Räumungen und
Rechtsbrüche, Reiche und Revolte
„50 Jahre Wachstum in nur 4 Jahren“ //
Eine Reportage aus Cuiabá – ein Jahr vor dem
Anpfiff
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„Wo sollen wir hin,wenn sie uns hier vertreiben?“ // Sexarbeiter_innen sollen an den
WM-Austragungsorten aus dem öffentlichen
Raum verschwinden
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„Welle an Zwangsräumungen“ // Interview
mit Professor Carlos Vainer über die sportlichen
Groß-Events und die Folgen in Rio de Janeiro
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Als der Papst schlief // Tränengas und Taser,
Pfefferspray und Prügel auf den Demonstrationen in Rio de Janeiro
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Blatter und die Strolche // Brasiliens Fußballfunktionäre sind tief in Korruptionsaffären
verstrickt
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Vier Wummen gegen Rio // Brasilien trainiert
für Olympia – mit Drohnen, Luftabwehrpanzern,
Kleinkalibern und Wasserwerfern, auch aus
Deutschland und Österreich
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Ein anderer Fußball ist möglich // Vor dreißig
Jahren führte mitten in der brasilianischen Militärdiktur der Fußballklub Corinthians Basisdemokratie ein: die Democracia Corinthiana
IM SCHATTEN DER SPIELE
Foto: CatComm / Rio on Watch / CC BY-NC-SA 2.0
FUSSBALL, VERTREIBUNG UND WIDERSTAND IN BRASILIEN
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Fußballweltmeiterschaft der Männer 2014 in Brasilien! Mehrere hundert Millionen Zuschauer_innen weltweit werden das Spektakel verfolgen,
wenn 32 Teams um den Titel spielen. Die Fans
werden sich die Spiele in den Stadien oder auf
Fanmeilen, in Bars oder Biergärten, bei Freund_
innen oder daheim auf der Couch anschauen. In
Brasilien aber werden nicht alle die Spiele von
zu Hause aus sehen können, selbst wenn sie
das wollten. Denn im Land der Fußball-WM 2014
droht Tausenden Menschen die Zwangsräumung:
für die Bauvorhaben, die mit der Weltmeiterschaft
oder den Olympischen Sommerspielen, die 2016
in Rio de Janeiro stattfinden werden, im Zusammenhang stehen.
Die lokalen Basiskomitees, die sich in Brasilien
zur WM gegründet haben und die die sozialen
Folgen der Groß-Events kritisieren, haben erschreckende Zahlen ermittelt. Allein in den zwölf
Ausrichterstädten der WM (einschliesslich Rio als
Austragungsort der Olympischen Spiele) wurden
demnach bereits über 250.000 Menschen aus
ihren Häusern geräumt oder sind von Räumung
bedroht. Stadion- und Straßenbauten, Schnellbuslinien und Trams, Parkhäuser und Hotels, UBahnen und Autobahnzubringer – die vorgebrachten Gründe für Räumung und Vertreibung sind
vielfältig.
Dabei gehen die Behörden nicht zimperlich mit
den Bewohner_innen um. Mal werden Bulldozer
und Abrißbirne ohne Vorankündigung aufgefahren,
mal wird den Bewohner_innen ein Räumungsbescheid mit einer Frist von „null Tagen“ zugestellt,
mal will es kein Amtstäger gewesen sein, der die
Anweisung zur Räumung gab, mal ist auf dem
Amt keinerlei Auskunft zu erlangen.
Die Betroffenen beklagen, dass die Entschädigungen zu gering seien und dass sie nicht angemessen in Kenntnis gesetzt wurden. Auch die vom
Staat angebotenen Ersatzleistungen würden zu
spät, gar nicht oder unzureichend angeboten. Ersatzwohnungen befinden sich oft in katastrophalem Zustand bei inakzeptabler Lage. So sind sie
häufig in Neubaugebieten sozialen Wohnungsbaus, ohne Bus- oder Zuganbindung, Schule oder
medizinische Einrichtungen in erreichbarer Nähe.
Heimspiel ohne Haus
Die Städte machen sich
schick – aber die Einwohner_innen müssen gehen
Hinzu kommt, dass nicht wenige der Städte, in
denen die WM im nächsten Jahr ausgerichtet
werden wird, einen Immobilienboom sondersgleichen erleben. Die Grundstückspreise und
Mieten in den Ballungszentrem von São Paulo
und Rio de Janeiro explodieren, haben sich von
2011 bis 2013 teilweise veranderthalbfacht. Und
auch vor den Morros, den Favelas in der Südzone von Rio de Janeiro, hat dieser Boom nicht halt
gemacht. Infolge der „Befriedung“ dieser Hügel
durch die Militär- und Polizeieinheiten in den vergangenen Jahren sind diese Favelas nun nicht
nur bei wohlhabenden cariocas, sondern auch bei
Tourist_innen äußerst beliebt. Sie befinden sich
in perfekter Lage mit Blick auf die Traumstrände
am Zuckerhut. Vor allem in Rio de Janeiro, aber
auch in anderen Städten, ist dieser Prozess der
Gentrifizierung massiv – und vertreibt viele der
Anwohner_innen.
In Rio de Janeiro ziehen die Vertriebenen meist
in die West-Zone der Stadt, wo Wohnraum noch
erschwinglich ist, aber die Fahrtzeit zur Arbeitsstelle im Zentrum der Stadt auch weit über zwei
Stunden dauern kann. Diese Prozesse der Verdrängung und Inwertsetzung zeigen sich in allen
WM-Städten in Brasiliens, wenn auch in einigen,
wie beispielsweise in Cuiabá, deutlich geringer.
Doch nirgends in Brasilien haben sich die Brasilianer_innen mit dem Gebaren der Fifa abgefunden. Den von Funktionär_innen des Weltfußballverbands angesprochenen „Tritt in den Hintern“,
den Brasilien nach Fifa-Ansicht brauche, um den
Zeitplan für die WM-Vorbereitungen einzuhalten,
hat in Brasilien niemand vergessen. Dass Brasilien Milliarden ausgibt für WM-Bauten, die dem
„Fifa-Standard“ entsprechen müssen, aber das
öffentliche Bildungs-, Gesundheit- und Transportwesen im Lande gravierende Defizite aufweist,
hat die Brasilianer_innen auf die Straßen getrieben. Entsprechend laut waren im Juni die Pfiffe
beim Eröffnungsspiel des Confederations Cups
gegen den im Stadion anwesenden Fifa-Boss
Sepp Blatter und Präsidentin Dilma Rousseff. Die
Brasilianer_innen zeigten Blatter und den im Land
Regierenden, was ein richtiger Tritt in den Hintern
sein könnte: Sie gingen zu Hunderttausenden
auf die Straßen, protestierten und trieben den
WM-Verantwortlichen bei Fifa und Regierung die
Schweißperlen auf die Stirn.
Zu viele der schön projizierten Projekte wie
„Wunderbarer Hafen“ in Rio, privat geführtes
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Grafik: image-shift.net
Maracanã-Stadion, Seilbahnen oder Autobahnzubringer kontrastieren die Realität der abwesenden Abwasserversorgung, der Wartezeiten bei
medizinischer Behandlung oder der schulischen
Bildungsmisere.
Besonders wütend wurde die Bevölkerung, als es
um den WM-konformen Umbau der Stadien ging.
Denn die Fifa-Regeln untersagen Stehtribünen –
Sitzplätze und VIP-Lounges lassen sich eben besser vermarkten. Das Maracanã, neben Wembley
und Camp Nou nach Ansicht vieler eine der drei
Gralsstätten des Fußballs, sollte mit öffentlichen
Mitteln modernisiert – und dann privat verhökert
werden.
Doch die Proteste des Juni haben Wirkung gezeigt. Nicht alles lassen sich die Brasilianer_innen
von Fifa und Regierung gefallen: Die Privatisierung
des Maracanã soll rückgängig gemacht werden,
angrenzende Sportstätten und ein von Indigenen
besetztes Gebäude, die Aldeia Maracanã, sollen
nun ebenso bleiben wie die comunidade der Vila
Autódromo, die seit Jahren für den zu errichtenden Olympia-Park hätte geräumt werden sollen.
Selbst bei den Vermarktungs- und Sponsorenschutzrechten haben die Brasilianer_innen der
Fifa gezeigt, was ein Tritt in den Hintern wirklich
sein kann: In Bahia ließen die Straßenverkäufer_innen der acarajé – kleine, scharf gewürzte,
gefüllte und frittierte Bohnenbällchen – nicht locker, als bekannt wurde, dass sie ihre traditionellen Gerichte in Stadionnähe auf Fifa-Wunsch nicht
verkaufen dürften. Die Fifa knickte ein. Und die
Taxifahrer_innen Salvadors blockierten beim Confederations Cup kurzerhand alle Straßen um das
Stadion, weil ihnen das versprochene Extra-Geschäft komplett durch die Lappen ging, da private
Fahrdienste eingesetzt wurden. Nach dem Spiel
mussten dann die Nationalspieler_innen zu Fuß
zum Hotel gehen.
Widerstand lohnt sich also doch. Und nach den
Erfahrungen der Massenproteste im Juni dieses
Jahres dürfte allen Fifa-Funktionär_innen und Regierenden in Brasília klar geworden sein, dass die
Brasilianer_innen spätestens mit Anpfiff der Fußballweltmeisterschaft am 12. Juni 2014 wieder in
Massen auf den Straßen sein werden – und für
ihre Rechte demonstrieren werden. Denn um
Rechte geht es in erster Linie – nicht um Tore.
Das wissen die Brasilianer_innen ganz genau.
// LN und Rosa-Luxemburg-Stiftung
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PROTESTE AUF FIFA-NIVEAU
UNBEHAGEN UND EMPÖRUNG TREIBEN IN BRASILIEN DIE MENSCHEN AUF DIE STRASSE
Als Brasilien 2007 zum Austragungsland der
Fußball-Weltmeisterschaft gewählt wurde,
war der Jubel in der Bevölkerung groß. Ebenso zwei Jahre später, als feststand, dass die
Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de
Janeiro stattfinden würden. Heute hat sich
die Stimmung gedreht. Es dominiert ein tiefsitzendes Unbehagen, ja Empörung über das
urbane System und die Polizeigewalt, die
Zwangsumsiedlungen, die Korruption und
die Ausbeutung des Landes durch die Fifa.
Millionen Brasilianer_innen sind im Juni auf die
Straße gegangen. Während der Fußball-WM
2014 und den Olympischen Sommerspielen 2016
ist mit weiteren Protesten zu rechnen. Seit Jahren haben Akademiker_innen sowie Mitglieder
diverser sozialer Bewegungen, Nichtregierungsorganisationen und Parteien auf die unvermeidlichen Auswirkungen dieser Mega-Events in einer
zutiefst ungleichen Gesellschaft wie der brasilianischen hingewiesen, wo zudem immer brutaler gegen Dissident_innen vorgegangen wird.
Von Anfang an ging es in dieser Debatte um die
Zwangsumsiedlungen zehntausender, meist armer Menschen, die der Immobilienspekulation
weichen müssen. Gestritten wurde um massive
Investitionen in Bereiche, die – wie die WM – eigentlich keine staatliche Priorität verdienen, während die Lage in Sachen Gesundheit und Bildung
für das Gros der Brasilianer_innen dramatisch
bleibt. Debattiert wurde auch über die Privatisierung öffentlicher Räume, über die Korruption, die
Kriminalisierung sozialer Bewegungen oder über
prekäre Arbeitsverhältnisse auf den WM-Baustellen sowie über Ausnahmegesetze und Militarisierung.
Dennoch war im Juni die Überraschung bei den
Regierenden, in den Medien und bei der Fifa
groß: Die Kritik kam nun nicht mehr nur aus den
sozialen Bewegungen, sondern sie beherrschte
auf einmal die Straßen und den Alltag fast der
gesamten Gesellschaft. Bei nahezu allen Spie8
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len des Confederation Cup, dem WM-Probelauf
in sechs Städten, gab es in der Umgebung der
Stadien große Demonstrationen. Fußballfunktionär_innen dachten sogar laut darüber nach, die
Veranstaltung abzublasen. Auf den Kundgebungen und in den Medien machten unzählige, spontan entstandene Parolen und Slogans die Runde:
„Wenn mein Kind krank ist, bringe ich es in ein
Stadion“, „Ich kann ohne WM auskommen: Ich
will Gesundheit, Arbeit und Bildung“, „Politiker, ihr
habt jetzt nichts mehr zu lachen“, „Pelé und Ronaldo: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Die
Illusion, die Brasilianer_innen seien ausnahmslos
stolz und zufrieden darüber, diese Sportspektakel
in ihrem Land beherbergen zu dürfen, ist nicht
mehr aufrechtzuerhalten.
Die Mobilisierungen im Juni stellen in vielerlei
Hinsicht einen Wendepunkt in der brasilianischen
Politik statt. Selbst wenn es nicht leicht fällt, die
Ablehnung der Institutionen und der politischen
Parteien, die Vielzahl von Forderungen und Agenden, die vielfältigen Formen direkter Aktion oder
anderer Proteste, die in den unterschiedlichsten
Teilen des Landes zum Ausdruck kamen, unter
einen Hut zu bringen: Heute gibt es eben keine
einzige Organisationsform oder gar eine gemeinsame Sache mehr.
Die Regierenden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene beeilten sich, alte Vorschläge aus
den Schubladen zu holen, um „Antworten“ auf
die Straße – und ihre rapide sinkenden Popularitätswerte – zu geben. In der Tat: Die Proteste sind
abgeflaut, doch wenig spricht dafür, dass der Antrieb für die Demonstrationen und die Auflehnung
völlig abgekühlt ist. Zahlreiche politische Gruppen
sind während der Prozesse der letzten Monate in
ihren Organisations- und Vernetzungsformen vorangekommen und haben eine neue Sichtbarkeit
erlangt. Bei der Interaktion dieser neuen, autonomen Kollektive haben die sozialen Netzwerke
eine zentrale Rolle gespielt – dies ist die wohl
größte Gemeinsamkeit des „brasilianischen Frühlings“ mit Massenbewegungen in anderen Teilen
Foto: CatComm / Rio on watch / CC by NC-SA 2.0
Im Namen des Fußballs Zerstörung der comunidades in Rio de Janeiro und andernorts
der Welt. Jederzeit kann es zu neuen Explosionen
der Unzufriedenheit kommen, und einiges spricht
dafür, dass das große Stelldichein bei der WM
2014 stattfinden könnte. Und dass die meisten
der traditionellen Bewegungen eher ratlos auf die
Proteste reagierten, ist auch durch ihre Nähe zu
den linken Regierungsparteien PT (Arbeiterpartei)
und PCdoB (Kommunistische Partei Brasiliens,
die das Sportministerium beherrscht) zu erklären
– sind es jedoch gerade diese staatstragenden
Kräfte, die zusammen mit ihren konservativen
Koalitionspartnern der Fifa in allen zentralen Punkten nachgegeben haben. Durch das „Allgemeine
WM-Gesetz“ hat der brasilianische Staat in mehreren Bereichen seine Souveränität zugunsten
der unheiligen Allianz von Fifa und transnationalen Konzernen aufgegeben.
Von ihrer früheren Aufmüpfigkeit sind diese Parteien, ebenso wie die Gewerkschaften, weit entfernt.
Der Versuch der klassischen Bewegungen, sich die
Proteste für ihre berechtigten Forderungen nach
Verringerung der Arbeitszeit, gegen weitere Präkarisierung oder nach gesicherten Renten nutzbar zu
machen, endete ziemlich pathetisch. Ihren Aufrufen zum „Generalstreik“ am 11. Juli und zu Massenprotesten am 30. August folgten nur wenige.
Nach den ersten Protesten gegen die Art und
Weise, die Mega-Events vorzubereiten, haben
sich in den zwölf Austragungsorten Aktivist_innen
aus verschiedensten Traditionen sozialer Kämpfe,
Gruppen und Zusammenhängen in den lokalen
Basiskomitees zur WM zusammengeschlossen.
Diese Komitees spielen eine wichtige Rolle dabei,
über diverse Aktivitäten die Debatte aufrecht zu
erhalten: Straßenkampagnen, Flugblätter, Broschüren, Webseiten oder Debatten inner- und
außerhalb der Universitäten. Auf landesweiter
Ebene sind sie durch ein Netzwerk miteinander
verbunden.
Auch wenn auf einem Großteil der Demonstrationen im Juni die sportlichen Großereignisse direkt
oder indirekt thematisiert wurden, gingen die
Proteste doch weit über das hinaus, was in den
Komitees diskutiert wird. Es zeigte sich, dass die
Unzufriedenheit mit den diversen Aspekten dieser Mega-Events viel diffuser, aber auch weitreichender ist als etwa von den Mainstream-Medien
oder der institutionellen Politik angenommen.
Die WM wird doppelt so viele Austragungsorte
haben wie der Confederations Cup. Ihre Auswirkungen auf die von Zwangsumsiedlung bedrohte
Bevölkerung oder auf die Straßen- und andere unabhängige Händler_innen, die aufgrund der Ausnahmegesetze massiv eingeschränkt werden,
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nehmen zu. Deshalb dürfte der Begriff „Demonstrations Cup“ („Copa das Manifestações“), der
bereits in diesem Jahr verwendet wurde, auch
auf 2014 zutreffen. Zudem wird die brutale, entfesselte brasilianische Polizei gerade dazu ausgerüstet und abgerichtet, mit Härte zu handeln. Es
ist also mit massiver Repression zu rechnen, was
wiederum zu größerer Empörung führen und die
Proteste befeuern dürfte, ähnlich, wie bereits im
Juni geschehen. „Das Volk ist aufgewacht“, war
ein vielgehörter Spruch auf den Demonstrationen, und dass es gerade jetzt wieder einschläft,
ist kaum zu erwarten.
Die Protestkundgebungen im Juni wurden aber
nicht nur durch den Unmut über die korrupte Fußballmafia ausgelöst, sondern vor allem durch den
Kampf gegen die Tariferhöhungen im öffentlichen
Nahverkehr, der in Brasilien von miserabler Qualität ist und vorwiegend durch die Interessen der
großen Busunternehmen bestimmt wird.
Seither ist in São Paulo eine große Bestechungsaffäre bekannt geworden: Beim Verkauf von
S- und U-Bahnzügen organisierten die Multis
Siemens, Alstom, Mitsui und CAF jahrelang Preisabsprachen. Mit Billigung hoher Politiker_innen
und Funktionär_innen der von der rechtsliberalen
Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB) angeführten Landesregierung kassierten die Multis
bis zu 30 Prozent mehr als nötig. Die Aktivist_innen der Bewegung für Freie Fahrt im öffentlichen
Nahverkehr (MPL) durften sich bestätigt fühlen.
Ihre Forderung nach dem Nulltarif funktionierte
auch als Auslöser dafür, dass jetzt viel breiter über
das Recht auf Stadt und die Merkantilisierung
des Alltags diskutiert wird – daher die ungeheure
Macht, die das Thema erlangt hat.
Mit den Mega-Events passiert gerade etwas Ähnliches: Es wird nicht nur direkt gegen sie protestiert, sondern sie werfen auch Schlaglichter auf
eine Gesellschaft, die immer weiter militarisiert
wird, in der weder die Menschenrechte noch die
Umwelt respektiert werden. In den Worten des
Philosophen Paulo Arantes: „Der Knalleffekt der
Tarifdebatte weist über die wichtige Bewegung
der von den Mega-Events Betroffenen hinaus
und hat die kollektive Phantasie der unglücklichen
Massen erreicht, die zum Drehkreuz (in den Bussen) verurteilt ist.“ Die Menschen wollten einen
„Nahverkehr auf Fifa-Niveau“, so Arantes. Ebenso
auch Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten
von hoher Qualität.
Doch damit nicht genug: Diese Welle wird auch
mit dem Ende der WM noch nicht vorbei sein,
denn dann stehen ja die Olympischen Spiele an,
und São Paulo bewirbt sich auch noch um die Expo
2020, die drittgrößte Veranstaltung der Welt, die
– sollte es dazu kommen – die öffentliche Hand
weitere Milliarden kosten und die Gentrifizierung
vorantreiben wird. Die Vertreibungen werden anhalten – und immer mehr Bürgerrechte geopfert
werden. Aber die sozialen Bewegungen arbeiten
bereits daran, dass die zukünftigen Proteste wieder auf Fifa-Niveau stattfinden werden.
// Júlio Delmanto
Übersetzung: Gerhard Dilger
Foto: Fernando Frazão / Agência Brasil / CC by 3.0
Die da drinnen, die da draußen „Weg mit Gouverneur Cabral! Untersuchungskommission zur WM!“
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„DAS RECHT FUNKTIONIERT
NUR FÜR DIE REICHEN“
Foto: Renato Cosentino / Justiça Global
SIEBEN TESTIMONIOS ÜBER RÄUMUNGEN UND RECHTSBRÜCHE, REICHE UND REVOLTE
Nach der Räumung In Brasilien sind wegen der Mega-Events über 250.000 Menschen von Räumung bedroht
Die Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien und die Olympischen Spiele 2016 in Rio de
Janeiro werfen ihre Schatten voraus.
In ganz Brasilien sind wegen der Baumaßnahmen
für die Mega-Events über 250.000 Menschen von
Räumungen aus ihren Häusern bedroht. Dies ergeben Berechnungen der lokalen Basiskomitees
zu WM und Olympia, die sich in den zwölf WMStädten gegründet haben, um die Auswirkungen
der Spiele zu monitorieren.
Und WM und Olympia dienen den Regierenden
dabei nicht selten als Vorwand, um großangeleg-
te Stadtumstrukturierungen in Gang zu setzen
– und so massive Gewinne für einige mit Immobilienspekulation und Gentrifizierung zu ermöglichen.
So hatte der Bürgermeister von Rio de Janeiro,
Eduardo Paes, bereits Anfang 2012 im einem Interview mit der BBC frank und frei erklärt, „die
Olympischen Spiele sind ein phantastischer Vorwand, um Rio zu ändern“.
Wir dokumentieren hier sieben Testimonios von
Betroffenen, die schildern, wie es ihnen erging.
// LN und Rosa-Luxemburg-Stiftung
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„HÖFLICHST – DAS KOMMT
GAR NICHT IN DIE TÜTE!“
OBERDAM, COQUE, RECIFE: ERHIELT IM AUGUST 2013 DIE RÄUMUNGSANKÜNDIGUNG
40.000 Menschen wohnen im Stadtteil Coque
in Recife, nahe des Hafens. Die in den Medien
gerne als verrufen dargestellte Gegend ist
wegen der Lage seit Jahren Ziel von Immobilienspekulation. Nun sollen für „Mobilitätsprojekte“ zur WM dort 58 Familien geräumt
werden, damit der Metro-und Busbahnhof
Joana Bezerra erweiterte Zufahrten erhält.
Oberdam wohnt seit langem im Coque – und
nun soll er von dort verschwinden.
„Ein Rundschreiben vom Amt: ‚Name der Person.
Werter Herr. Höflichst grüßend...‘ Höflichst! Das
Wort gibt es nicht... Höflichst! – das kommt gar
nicht in die Tüte! ‚Ich lade Sie ein, auf dem Amt
so und so zu erscheinen. Am 12. August 2013
um 9 Uhr, zwecks Durchführung der Verhandlung
über das Grundstück zum Terminal Joana Bezerra,
basierend auf den ermittelten Werten infolge Begutachtung desselben. Das Grundstück befindet
sich auf zur Enteignung vorgesehenem Gelände.‘
Mit anderen Worten: nach ich weiß nicht wie vielen Jahrzehnten fällt ihnen das auf einmal auf!
Die wollen uns für dumm und dämlich verkaufen!
Mehrere Jahrzehnte. 50 Jahre – und jetzt fiel ihnen das auf? Das kauf‘ ich denen nicht ab! Ich
fühle mich direkt angegriffen. Dies umschreibt es
am ehesten. Weil, was sie da vorschlagen, das ist
nicht richtig. Diese WM da, die kommt nach Brasilien – das ist wie verflucht. Das ist ein Fluch. Ich
bin mehr als empört. Und gleichzeitig könnte ich
weinen vor lauter Wut, jeden Tag diese Absurditäten zu sehen.“
// coque vive.
Gekürzte Übersetzung: Felipe Bley Folly
und Christian Russau
„BEI REGEN BLEIB‘ ICH DRAUSSEN“
JUSSARA BECKER, VILA CRUZEIRO, PORTO ALEGRE: STEHT DEM AUSBAU EINER
ENTLASTUNGSSTRASSE IM WEG
Die zweispurige Avenida Tronco in Porto
Alegre soll zu einer vierspurigen Entlastungsstraße ausgebaut werden. Die Maßnahme ist
Teil der Baumaßnahmen für die WM. Wer in
den Häusern dort wohnt, wird „umgesiedelt“. Dies betrifft rund 1.520 Familien. Das
Testimonio erfolgte im Juli 2013.
„Mein Haus steht zwischen zweien, die schon
weg sind. Und was passiert? Als sie die wegmachten, mit ihren Maschinen, da senkte sich
mein Dach. Heute, bei Regen, da bleib‘ ich lieber
draußen als da drinnen. Seit Monaten warte ich,
dass mir irgendwer was sagt. Jedesmal, wenn du
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auf‘s Amt gehst, redest du mit fünf Leuten, jeder
sagt dir was anderes. Das ist so eine Mißachtung
von uns, die wir da schon so lange leben! Und
wer sagt mir, wann ich raus muss? Zuerst verlieren sie das Papier, und dann weiß keiner, in welcher Abteilung genau sie gerade sind. Seit vier
Monaten arbeiten sie an einem Entwurf.
Niemand respektiert uns Bewohner, das ist die
Wahrheit. Da gibt es Ratten, Abwässer dringen
in meine Zimmer ein. Ich habe kein Wohnzimmer
mehr, keine Küche. Mein Haus ist ein Saustall!“
// coletivo catarse.
Gekürzte Übersetzung: Felipe Bley Folly
und Christian Russau
EINFACH DAS HAUS ABGERISSEN
FRANCISCA DE PINHO MELO, COMUNIDADE RESTINGA, IM STADTTEIL RECREIO DOS
BANDEIRANTES, RIO DE JANEIRO: MUSSTE EINER BUSSPUR WEICHEN
Francisca de Pinho Melo, 46 Jahre, lebte und
arbeitete in der comunidade Restinga. 2010
wurden dort 153 Familien geräumt. Ohne
vorherige Ankündigung kamen die Bulldozer,
und Beamte der Stadtbehörde und rissen die
Häuser und Geschäfte der Familien ein. Die
Behörde argumentierte, dass dort die Avenida das Américas für die Schnellbuslinie BRT
Transoeste erweitert werden müsse. Das
Testimonio erfolgte am 17. Dezember 2010.
„Ich sah, wie die Maschine mein Tor zertrümmerte. Ich wollte da reingehen, aber ein junger Mann
hielt mich zurück. Ich versuchte nochmal, aber er
ließ mich nicht. Ich wollte da rein, um mich vor
die Tür zu stellen und zu sehen, ob ich sie nicht
stoppen könnte. So naiv war ich...
Ganz spontan griff ich nach der Vorhängekette, um
abzuschließen, ich dachte, vielleicht hören sie auf
und reden mit mir und den anderen Bewohnern.
Vielleicht so den Abriss zu stoppen... von unseren
Häusern, den Geschäften, von all dem. Aber meine Schwester und meine Tochter schrien, ich solle
da weggehen. Und dann kamen sie und fingen an,
alles abzureissen. Da wußte ich nicht mehr, was
tun? Meine Tochter hielt mich zurück. Ich wollte
ins Haus, die Tür hinter mir abschließen und dort
alleine bleiben. Als ich die Verzweiflung meiner
Tochter und meiner Schwester sah, gab ich auf.
Ich bin dann nur kurz rein, hab‘ ein paar Unterlagen geholt und wir gingen zum Haus meines
Bruders. Ich stand unter Schock. Warum nehmen
sie den Leuten ihr Haus weg, für das sie so lange
sich aufgeopfert hatten? Seit sechs, sieben Jahren
hatten wir die Schreinerei. Ich, meine Schwester,
meine Tochter und noch einige weitere Verwandte arbeiteten dort. Unser Einkommen war gut, wir
kamen über die Runden. Aber nachdem das mit
dem Abriss geschehen war, haben wir drei Monate gar nichts mehr verdient. Wir wohnten dann
zur Miete. Das Schwierigste, das sind die Kinder.
Es ist schwer, dein Kind zu sehen, wie es dich um
etwas bittet. Meine Freunde, Verwandten, Nachbarn spendeten uns eine Tür, eine Veranda – und
nun verkaufe ich da was zum Essen, Sandwiches,
Erfrischungsgetränke. Ich arbeite jetzt 18 Stunden
am Tag. Ich habe alles verloren, mein Haus, meine
Arbeit, die Einkommensquelle meiner Familie.“
// A Pública.
Gekürzte Übersetzung: Christian Russau
Foto: A Pública
Nun verläuft hier eine Busspur Ohne Vorwarnung wurde Franciscas Haus zertrümmert
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„HIER VERTREIBT MICH NIEMAND!“
DONA ALZENIR, COMUNIDADE JOÃO XXIII, FORTALEZA: SOLL DER NEUEN TRAM WEICHEN
„Ich lebe hier seit Februar 1975. Hier gab es
nichts. Nur Gestrüpp, Mücken und der vorbeifahrende Zug ab und an. Hier kam nicht mal ein Leiterwagen vorbei, nur herumstreunende Tiere.
Ich bin seit damals hier und hier gehe ich nicht
weg. Ich habe das Land gekauft.
Ich habe das Dokument, das zeigt, wie lang, wie
breit das Grundstück ist, wer der Nachbar rechts,
wer der von links ist, wer der da hinten ist. Alles
auf Papier.
Wir haben bezahlt und dafür das Dokument erhalten. Mit all unserer Schufterei haben wir das
Haus hier gebaut. Da gab es kein Bad, kein gar
nichts. Und jetzt kommen da diese Firmen her,
wie so aus dem Nichts. Bringen die Apparate zum
Filme und Messen mit.
Sie sagen, das sei Anweisung der Regierung,
das müssten wir befolgen. Das haben wir auch,
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ohne zu wissen, worum es überhaupt geht. Sie
kamen alle auf einmal, an einem Samstag. Da
brachten sie diese Maschine und fragten nach
meinen Papieren. Dann notierten sie alles und
filmten hier rum.
Ich will hier nicht weg. Mir gefällt es hier. Als ich
hier ankam, und es hier nichts gab, schon da gefiel mir das. Und jetzt haben wir hier alles.
Wer hier zuerst war, das waren wir.“
// comunidades do trilho.
Gekürzte Übersetzung: Felipe Bley Folly
und Christian Russau
Leben an der Schiene Tram in Fortaleza bedroht die
angestammten Bewohner_innen
Foto: Marcão da Costa
Die alte Bahnlinie Parangaba – Mucuripe
verbindet den Stadtrand mit dem Hafen von
Fortaleza. Seit Jahren verkehrt einmal täglich ein Güterzug auf der etwa 15 Kilometer
langen Strecke, die dabei 22 comunidades
durchkreuzt. Eng an den Gleisen wohnen
seit Jahrzehnten mehrere tausend Menschen. Nun soll für die WM dort eine neue
Tramlinie gebaut werden (siehe LN 441).
Schätzungen zufolge sind bis zu 15.000 Menschen von Räumung bedroht. Doch Widerstand regt sich. Die Anwohner_innen haben
eine Kampagne unter dem Slogan „Von hier
gehe ich nicht weg! Hier vertreibt mich niemand!“ gestartet. Elf Monate vor Beginn der
Spiele ist der Bau zu einem Drittel fertig. Einige Räumungen fanden bereits statt, doch
der Widerstand der Bevölkerung hat Landesund Stadtregierung entzweit, wer für die
Räumungen zuständig sein muss. Und die
Bewohner_innen setzen sich noch immer zur
Wehr. Anfang September hat die Staatsanwaltschaft vor Gericht Einspruch gegen die
Räumungspläne der Regierung erhoben.
WEG WEGEN FLUGHAFENAUSBAU
GUNTHER OSCAR BANACH UND ROSELI APARECIDA REINALDI, VILA NOVA COSTEIRA, SÃO
JOSÉ DOS PINHAIS, CURITIBA: SIND DER DRITTEN LANDEPISTE DES FLUGHAFENS IM WEG
Vor mehr als 20 Jahren erhielten Gunther Oscar Banach und Roseli Aparecida Reinaldi von
den örtlichen Behörden das Wohnrecht. Nun
sollen die Anwohner_innen dem Bau der dritten Landebahn des Flughafens Afonso Pena
des WM-Austragungsort Curitiba weichen. In
dem Haus des Ehepaars wohnen zusammen
zehn Personen. Sie wissen nicht, wann sie
geräumt werden und nicht wohin. Das Testimonio erfolgte im Mai 2013.
Gunther: „Wir erfahren nichts Genaues. Wir wissen nicht, ob wir umgesiedelt werden, und wenn
ja, wohin? Wohin werden sie uns verfrachten? Die
Flugaufsicht Infraero sagte, da muss eine Straße
weg. Aber schaut man sich das genauer an, dann
muss da ein ganzer Stadtteil weg.“
Roseli: „Ich halte hier in meinen Händen das Dokument vom damaligen Bürgermeister, das uns
den Grundbesitz hier bestätigt. Er gab uns das,
unterzeichnet, 1992. Seither sind wir hier und nun
mit all diesem Irrsinn der dritten Flugpiste, wissen wir nicht, wohin, was geschehen wird, ob sie
uns in Geld auszahlen? Oder einen anderen Ort
geben? Woanders was bezahlen, nur damit wir
dort ein Loch vorfinden, nein, das geht nicht!“
Gunther: „All das hier haben wir gemacht. Sogar
die Bürgersteigkante. Und den Asphalt selbst.
Die Leitungsrohre. Die Behörden haben hier gar
nichts gemacht. Wenn sie uns vertreiben, dann
müssen sie uns entschädigen.“
// Comitê Popular da Copa Curitiba.
Gekürzte Übersetzung: Felipe Bley Folly
und Christian Russau
„WIR WOLLEN UNSERE WÜRDE“
ANDRÉ, 31 JAHRE, FAVELA DA PAZ, IN DER NÄHE DES WM-STADIONS IM STADTTEIL ITAQUERA, OSTZONE VON SÃO PAULO: SOLL SEIN HAUS VERLASSEN
André wohnt seit 1996 in der Favela da Paz
im Stadtteil Itaquera. Seit er herzog, lebt er
mit der Angst, aus seinem Haus geräumt zu
werden. Denn für die Stadtverwaltung steht
sein Haus in einer Risikozone und zudem auf
öffentlichem Grund. Seit aber die Fußballweltmeisterschaft immer näher rückt, nimmt
der Druck auf die Bewohner_innen zu – denn
sie wohnen in direkter Nachbarschaft zum
neuen WM-Stadion Itaquerão. Das Testimonio erfolgte im August 2013.
„Seit 1996 wohne ich in der Favela da Paz. Die
ersten Familien zogen 1993 dort hin. Gleich danach begannen die ersten Prozesse um Räumung
und Rückgabe des Landes an den ursprünglichen
Eigentümer, aber die Leute von der Stadt kamen
und sagten, die comunidade müsse sich keine
Sorgen machen und dass sie einen Wohnplan für
uns hätten. Das beruhigte die Leute, aber schläferte sie auch ein. Wir haben uns also erfassen
lassen – und hinterher haben wir nie mehr was
gehört.
Aber als klar wurde, die WM kommt nach Brasilien und hierher zu uns, da gerieten wir unter
Druck. Dann erfuhren wir ganz zufällig, dass unsere Räumung für den 26. April 2013 angesetzt
war. Wir haben sofort eine einstweilige Verfügung
eingereicht, und die Staatsanwaltschaft wies
auch darauf hin, dass es so nicht ginge, weil es eine Vereinbarung mit der Wohnungsbehörde gab,
dass es Räumungen nur geben dürfe, wenn auch
LN-Dossier 9
15
Foto: Marcelo Camargo / Agência Brasil / CC by 3.0
Gouverneur vor neuem Stadtplan In São Paulo sollen Arme aus der nun schicken Stadiongegend weichen
Alternativen da wären. Wir haben dann selbst den
Alternativplan für die Favela da Paz erarbeitet.
Das Gelände ist groß und daneben gibt es noch
eins, das ist auch von der Stadt, und wir schlugen
vor, dahin umzuziehen: so wäre das Problem der
Risikozone umgangen worden und das Gelände
könnte Anschluss an die Kanalisation, Strom und
Verkehrswege erhalten. Der Bürgermeister selbst
sagt, er wolle der Bevölkerung von Itaquera eine
nette Erbschaft hinterlassen, aber so geht das
nicht, uns einfach von hier zu vertreiben. Für mich
und meine Kinder ist es wichtig, dass unser Haus
dort in der Nähe steht, um in Würde zu leben, mit
Lebensqualität, Anschluss an die Kanalisation, an
Infrastuktur...
Bis heute haben noch immer keine Antwort erhalten. Der Presse sagen sie, sie hätten ein Projekt, aber niemand sagt, wie, was, wo es gerade
steht. Und dann fängt dieses üble Spiel an, immer
hängt alles von der anderen Behördenstelle ab,
dann vom Bürgermeister, dann von irgendeinem
Bauvorhaben, von Finanzmitteln... Was sie für uns
tun, ist einzig, dass sie durch dieses Wirrwarr den
Räumungsprozess etwas verzögern.
Der Stadteil Itaquera ist sehr beliebt bei Immobilienspekulanten, weil sich wegen des Stadions
hier alles verteuert. Vorher lag hier eine Miete bei
unter 500 Reais, heute zahlst du im Durchschnitt
850 Reais, und da ist das Hausgeld, die anderen
Kosten noch nicht mal mit drin. Und die Stadt bietet Wohnungsgeldhilfe in Höhe von 300 Reais an,
das ist lächerlich.
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LN-Dossier 9
Wir haben eine Stadtteilvereinigung der Anwohner. Die Familien stehen sich nahe, sie fragen einander, sie kümmern sich umeinander. Die Infrastruktur hier ist prekär. Wasser kommt nur nach
Mitternacht. Strom ist auch furchtbar, den gibt es
nur, weil die Bewohner das selbst installiert haben. Und die da oben? Die lassen sich dauernd
neue Ausreden einfallen. Wir bezahlen unsere
Rechnungen, das ist nicht das Problem. Aber wir
wollen unsere Würde. Wir sagen ganz klar: wir
wollen nichts geschenkt, wir sind Arbeiter, wir
wohnen da nicht, nur weil wir das so wollen. Unglücklicherweise bietet die Regierung der Bevölkerung gar nichts.
Und mit der WM, da wird es brenzliger. Die Stadt
sagte: im Dezember ist der äußerste Termin. Termin für was? Dass sie die Kavallerie rufen? Pfefferspray einsetzen? Werden sie alle vertreiben?
Oder werden sie unser Problem mit einem Wohnungsbauprogramm hier in der Nähe lösen?
Ich begreif‘ nicht, wie sie reinen Gewissens das
mit 300 Familien machen können. Wir alle schlafen nicht mehr richtig, wir können auch nichts
mehr zur Verbesserung unserer Lebensumstände
hier vor Ort machen, weil wer setzt hier schon irgendwas instand, wenn es am nächsten Tag heißen kann: ‚Packt eure Sachen auf den Pritschenwagen und fahrt weiß Gott wohin‘. Ich frage mich,
wird die Militärpolizei heute kommen, um uns zu
enteignen? Das geht allen hier so.”
// Júlio Delmanto.
Gekürzte Übersetzung: Christian Russau
BEINAHE ZUM DRITTEN MAL
IM LEBEN GERÄUMT
DAS HAUS VON ALTAIR ANTUNES GUIMARÃES, COMUNIDADE VILA AUTÓDROMO, STADTTEIL
JACAREPAGUÁ, RIO DE JANEIRO: SOLLTE DEM OLYMPIAPARK IM WEGE STEHEN
Altair ist 60 Jahre alt und seit 2003 Sprecher
von 900 Familien der Vila Autódromo, Rio de
Janeiro. Altair wurde bereits 1965 geräumt.
1995 stand dann sein Haus in der Cidade de
Deus einer Schnellstraße im Weg. Und die
Vila Autódromo sollte wegen Baumaßnahmen für die Olympischen Spiele 2016 in Rio
de Janeiro zwangsumgesiedelt werden. Das
Testimonio von Altair erfolgte im April 2011.
Nach jahrelangem Kampf erhielt die Vila Autódromo im August 2013 vom Bürgermeister
letztlich das Bleiberecht zugestanden. Widerstand lohnt sich offenbar doch.
„Ich wuchs auf in der comunidade Ilha dos Caiçaras, da an der Lagune Rodrigo de Freitas. 1965
war die Regierung von Carlos Lacerda. Der Vorwand war, dass wir die Lagune verschmutzten.
Alles Lüge! Heute ist das der schickste Ort von
Rio. Es war Immobilienspekulation. Es war Diktatur. Eine etwas andere Zeit, wo niemand sich beschwerte, aber so wie ich das sehe, war das gar
nicht so anders. Weil heute, da hast du mehr Freiheiten, aber du darfst auch nicht schreien. Wenn
du schreist, bekommst du sofort Pfefferspray ins
Gesicht oder Prügel in dem Stil ‚Halt‘s Maul, dass
du es kapierst‘.
Meine Familie wurde in einem Müllwagen geräumt. Als wir ausgeladen wurden, waren wir
in einem Stadtteil, den niemand kannte und von
dem wir noch nie gehört hatten. Ein Ort ohne
Strom, Wasser, Schule, inmitten von Nichts. Da
gab es nur Gestrüpp, lehmige Erde und Staub.
Das war der Stadtteil Cidade de Deus. Ich fühlte
mich verloren, ohne Freunde, ohne Boden, alleine. Ich war ohne Heimat.
Was sie mit mir gemacht hatten, das verstand ich
erst 30 Jahre später, als mein Haus der Schnellstraße Linha Amarela, die das Zentrum der Stadt
mit der Westzone Rios verbindet, im Wege stand.
Die Häuser, in denen wir untergebracht wurden,
waren so Maisonette-Häuschen. Die waren nicht
nur klein, sondern die wollten uns nur das Skelett des Hauses geben. Nur den Boden und die
Wände. Das Oben sollten wir Bewohner alles
selber machen. Absurd. Damals fing mein Kampf
an. Mein politisches Bewußtsein. Mit Widerstand
und vielem Disput mit der Präfektur schafften wir
es, dass die alle anfallenden Kosten übernahmen,
so wie es sein sollte.
Dann zog ich weg aus der Cidade de Deus. Ich
fing ein neues Leben an und entschied mich für
die comunidade Vila Autódromo. Das war vor 16
Jahren. Ein ruhiger Ort, sehr grün, meine jetzige
Frau ist von dort. Der Gouverneur Brizola vergab
1992 das Nutzungsrecht für 40 Jahre. Dann gab
uns der Gouverneur Marcelo Alencar weitere 99
Jahre. Aber der jetzige Bürgermeister Eduardo
Paes will die Vila Autódromo räumen. Dauernd
läßt er sich was Neues einfallen. Mal sind wir Verschmutzer, Zerstörer, Unruhestifter, Eindringlinge,
mal sollen hier die Unterkünfte der Athleten, mal
ein Medienzentrum hinkommen, mal sind wir
ein Rechenfehler oder wir werden Sicherheitszone der Olympischen Spiele – und jetzt gerade
werden wir wieder zum Naturschutzgebiet, was
gleichbedeutend ist mit, wir seien Zerstörer. Wir
sind umzingelt von Luxus- und Mittelklassehäusern, aber Reiche verschmutzen ja nicht.
Mein Leben ist eine Geschichte von Kampf und
Leid, von Streit mit den Regierungen, die dauernd
meinen, dass sie die Armen einfach so nehmen
und von einem Ort zum anderen schmeißen können.
Ich glaube nicht an das Recht für die Armen, für
die Schwarzen und die Prostituierten. In diesem
Land hier, da funktioniert das Recht nur für die
Reichen.“
// Tatiana Lima, desInformémomos.org.
Gekürzte Übersetzung: Christian Russau
LN-Dossier 9
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„WELLE AN ZWANGSRÄUMUNGEN“
INTERVIEW MIT PROFESSOR CARLOS VAINER ÜBER DIE SPORTLICHEN GROSSEVENTS UND
DIE FOLGEN IN RIO DE JANEIRO
Carlos Vainer erläutert die Hintergründe und
Folgen der Stadtumstrukturierung Rio de Janeiros im Zuge der Vorbereitung auf die Fußballweltmeisterschaft und die Olympischen
Sommerspiele.
Professor Vainer, Sie haben den Begriff der
„Stadt im Ausnahmezustand“. entwickelt. Was
meinen Sie damit?
Carlos Vainer: Die Stadt im Ausnahmezustand ist
eine Tendenz der neoliberalen Stadt. Neoliberales
Denken basiert auf der Annahme, dass der Markt
immer die beste Form ist, um gesellschaftliche
Ressourcen einzusetzen. Dies jedoch ohne jedwede Beeinträchtigung durch nicht-marktkonformes
Handeln, da es sonst zu Marktverzerrungen, Ineffizienzen und Ungleichgewichten käme. In diesem
Sinne soll der Staat nur den Rahmen schaffen, um
das freie Agieren des Marktes nicht zu behindern.
Die Stadt wird demnach betrachtet, als sei sie eine
Firma, die mit anderen Städten in Konkurrenz steht.
Und was kauft man in einem Markt der Städte? Die
Lage. Als Stadt konkurriere ich mit anderen Städten, um meine Standorte an Kapitalisten, Touristen,
an Mega-Events zu verkaufen. Um diesen Verkauf
zu ermöglichen, muss die Stadt demnach flexibel
sein – und in diesem Zusammenhang rede ich von
Ausnahmezustand. Anstelle einer Stadt mit Normen und universellen Regeln, die für alle gelten,
wird sie zu einer Stadt, in der jeder städtebauliche
Vorgang oder Eingriff, jedes Firmenprojekt von Fall
zu Fall entschieden wird. Die Ausnahme wird zur
Regel. Und dieses Regime der Stadt dient der, wie
ich es nenne, direkten Demokratie des Kapitals.
Denn wer verhandelt? Konzerne mit städtebaulichen Projekten verhandeln direkt mit dem Staat.
Wie sehen Sie die Rolle der Mega-Events?
Die Großevents verschärfen, beschleunigen und
verstärken die Dimensionen der Stadt im Ausnahmezustand und die direkte Demokratie des
Kapitals. Durch die Olympischen Spiele und die
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LN-Dossier 9
CARLOS VAINER
ist Professor für Urbanistik des Instituts für Stadtund Regionalplanung Ippur der Bundesuniversität
von Rio de Janeiro und Mitglied des lokalen Basiskomitees Rio de Janeiro zur Fußballweltmeisterschaft und den Olympischen Spielen.
WM wird dem Bürger ein mythisches Klima der
erfolgreichen Weltstadt vermittelt. Man geht
davon aus, dass die Bürger so eher bereit sein
werden, den Ausnahmezustand und all dessen
Folgen unter dem Verweis auf die nahenden Spiele zu akzeptieren. Hier findet eine Erpressung
der Bürger statt: Sie nehmen Dinge hin, gegen
die sie sich unter normalen Umständen zur Wehr
setzen würden. Eine davon untrennbare Komponente ist der Autoritarismus. Dieses Aushandeln
von Geschäften ist keine Demokratie. So werden
die Entscheidungsstrukturen aus den demokratischen Strukturen – Parlament, politische Parteien
– auf die Korridore der Paläste verlegt, wo die pure Macht der Konzerne alles aushandelt.
Was hatte das für Auswirkungen im Fall von
Rio de Janeiro?
Die Olympischen Spiele und die WM machen
das unternehmerfreundliche Projekt der Stadtumstrukturierung zu einem großen Geschäft und
verstärken die diesem Modell innewohnenden
Gegensätze: Verschärfung der Ungleichheit in der
Stadt, Verschiebung der öffentlichen Macht hin
zu einer Vertretung von Unternehmerinteressen,
Verteilung öffentlicher Mittel im Sinne von Unternehmenslogiken, Ausrichtung der Stadt auf den
Markt, Übertragung der Filetstücke der Stadt an
Konzerne. In Rio wurde die Hafenzone, mit einer
Fläche größer als der Stadtteil Copacabana, an
Investoren abgegeben. Wir reden hier von der
absoluten Privatisierung, von der verschärften
Sie sprechen auch von einer massiven Verschärfung der Repression...
Es gibt derzeit ein Gesetzesvorhaben, mit dem
terroristische Verbrechen bekämpft werden sollen. Brasiliens Gesetzgebung kennt diese juristische Figur der Terrorbekämpfung nicht. Das ist
insofern dramatisch, als es eines der Erbstücke
der WM für uns sein wird. Im Justizministerium
wurde ein Sondersekretariat zur Sicherheit der
Mega-Events eingerichtet – aber öffentliche Sicherheit ist in Brasilien Ländersache, nicht Sache
des Bundes. Was dahintersteckt ist der Versuch,
eine autoritäre Gesetzesgrundlage für vereinfachte Militärinterventionen im Inneren zu schaffen.
Auf dieser Grundlage bot der Justizminister den
Gouverneuren und Bürgermeistern nach den ersten Massendemos vom Juni dieses Jahres im
Fernsehen die Unterstützung des Heeres an.
Was wären denn weitere Konsequenzen der
Mega-Events für Rio?
Zunächst eine enorme öffentliche Verschuldung
von Stadt und Land. Die Schulden der Olympischen Spiele von 1976 hat Montreal erst 2011
abzahlen können – und Rio ist ein Bundesland,
in dem 40 Prozent der Munizipien keine Abwasserversorgung haben. Bereits jetzt rechnet Rio
für WM und Olympische Spiele mit Kosten von
umgerechnet zehn bis zwölf Milliarden Euro. Aber
das wird steigen. Die Panamerikanischen Spiele sollten 400 Millionen Reais kosten, am Ende
zahlten wir viereinhalb Milliarden, das Zehnfache.
Niemand hat derzeit den genauen Überblick darüber, was die Spiele kosten werden – und dabei
reden wir noch nicht einmal von den gewährten
Steuervergünstigungen für die FIFA beispielsweise, die ja auch Kosten darstellen.
Grafiken: image-shift.net
Spaltung des öffentlichen Raumes. Das heißt
dann auch, dass überall dort, wo es für einen Zentimeter Stadt ein Konzerninteresse gibt, alle Normen aufgehoben werden, nur damit sich dieses
Interesse durchsetzt. Und all diejenigen, die das
Pech haben, diesen Konzerninteressen im Wege
zu stehen, müssen von dort vertrieben, ja, regelrecht verbannt werden. Und dies erklärt die Welle
an Zwangsräumungen in der Stadt. Niemals in der
Geschichte von Rio de Janeiro seit der Militärdiktatur kam es zu so vielen Vertreibungen. Rio befindet sich in einem Prozess der sozio-ethnischen
Säuberung. Und die geht einher mit Formen der
sozialen, polizeilichen und militärischen Kontrolle.
LN-Dossier 9
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Und jenseits der öffentlichen Finanzen?
Die zweite Hinterlassenschaft wird eine gespaltenere, eine ungleichere Stadt sein. Es wird ein
Rio sein, in dem die Nachbarschaft einer Favela zu
einer Mittelklassewohngegend seltener wird. Und
wir werden eine fortschreitende Privatisierung des
öffentlichen Raumes sehen. Dies geschieht schon
seit Jahren, beispielsweise wenn die Behörden
ihre Politik der Null-Toleranz durchsetzen. Diese
Intoleranz ist aber nicht allgemein, sie richtet sich
gegen die fliegenden Straßenhändler, gegen die
Straßensambas, gegen diejenigen, die nach dem
Wochenmarkt dort noch beim Biertrinken verweilen. Es ist eine Art der Urbanität, die nur kompatibel ist mit der Lebensrealität der neureichen Bourgeoisie. So wird die kulturelle, lebendige Vielheit,
das Lebenselixier der pulsierenden Stadt zerstört
und die öffentlichen Räume werden für Privatzwecke enteignet. So wird die Stadt ungleicher, ärmer, weniger öffentlich und mehr privatisiert. Und
die Stadt wird umgeformt in eine Anhäufung von
Festungen: die Festungen der Reichen, die gated
communities, die Shopping-Center, die BusinessCenter. Und auf der anderen Seite die Festungen
der Armen, die urbanen Ghettos, umzingelt von
der Polizei. Das sind Ghettos, die militärisch be-
20
LN-Dossier 9
setzt werden, da die arbeitende Bevölkerung gefährlich und deshalb die soziale, polizeiliche und
militärische Kontrolle nötig sei.
Und als drittes Erbstück, so sagen die Politiker,
wird es neue Mobilität geben. Aber wohin führen
denn die neuen öffentlichen Verkehrslinien? Hin
zu den Gebieten, die durch den Immobilienboom
erschlossen werden, in Barra da Tijuca oder Recreio im Westen der Stadt zum Beispiel. Da wird
das öffentliche Verkehrsnetz hin zu leeren Gebieten ausgebaut, während 80 Prozent der Nachfrage nach Transport in den Vororten der Baixada Fluminense und im Großraum Niterói besteht.
Die Stadt und die Regierenden brauchen einen
Vorwand, um all das zu rechtfertigen. Als Vorwand geben sie die vermeintlichen Hinterlassenschaften der Events an. Aber: ist Mobilität
eine Folge von Groß-Events? Muss die Stadt die
Olympischen Spiele ausrichten, um den öffentlichen Transport zu verbessern? Wir brauchen nicht
die Spiele, um den öffentlichen Transport und die
Abwasserentsorgung zu verbessern!
Und das „Erbe“ beim Fußball selbst?
Schauen Sie sich das Maracanã an. Das wurde
privatisiert, das Volk von Rio wurde enteignet, um
dort VIP-Lounges zu installieren. Dort, wo zuvor
200.000 Zuschauer und davon 40.000 Stehplätze
waren, wo alle Leute zu günstigen Preisen reinkonnten! Das Maracanã war der Ort der einfachen
Leute von Rio de Janeiro. Heute wurde es auf
80.000 Plätze reduziert, von denen sind 40.000
VIPs. Man darf keine Fahnen mehr mitnehmen,
Musik darf man auch nicht mehr spielen. Sie unterdrücken die Vielfalt, die Spontaneität, die Lebendigkeit und die Kultur. Das ist obendrein auch
noch entsetzlich dummes Marketing. Warum zieht
Rio de Janeiro jemanden an, was hat es Besonderes? Wenn unsere Stadien alle so aussehen, wie
die in Europa, wenn unsere Städte, unsere Plätze
so werden wie der Jardin du Luxembourg, warum
sollte jemand nach Rio kommen? Der bleibt da!
Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die jüngsten Proteste?
Zum Confederations Cup wollte Brasilien der
Welt das Bild eines glücklichen und friedvollen
Landes präsentieren. Deshalb wollten sie jegliche
Demonstration verhindern. Und wie macht man
das? Mittels brutaler Repression. Nur geschah
genau das Gegenteil des Erwarteten: Die brutale
Repression traf auf die Vielfältigkeit dynamischer
Proteste, unterschiedlichster Ausdrucks- und Widerstandsformen sozialer Kämpfe. Statt den Funken zu löschen, heizten sie ihn an – und das ganze
Haus brannte lichterloh. Ich pflege zu scherzen,
dass selbst der genialste Stratege, der die Regierungspläne hätte durchkreuzen wollen, nicht
auf einen solch schlauen Vorschlag hätte kommen können, die ersten Demonstrationen gleich
derart brutal niederzuschlagen. Das alles traf auf
den Kontext der Mega-Events, begleitet durch
das gestiegene Gefühl der Bevölkerung, dass eine Unmenge an öffentlichen Mitteln für unnütze
Bauvorhaben ausgegeben wird.
Was bedeuten die Proteste für die Fußballweltmeisterschaft nächstes Jahr?
Der Journalist Andrew Jennings fragte mich unlängst, ob die WM in Gefahr sei. Ich sage: Die WM
wird stattfinden. Aber die brasilianische Bevölkerung erteilt den Regierenden gerade eine ganz
außergewöhnliche Lehre, wenn sie sagt: „Ich will
die WM, aber ich will nicht, dass die WM gegen
mich benutzt wird. Ich mag Fußball und ich will ins
Stadion gehen“. Also gehen die Leute ins Stadion
– und pfeifen. Sie sind nicht gegen Fußball, sie sind
gegen das, was da mit dem Fußball gemacht wird.
Also pfeifen sie die Regierenden aus. Und zeigen,
dass sie nicht gegen WM und die Olympischen
Spiele sind, sondern gegen die Art und Weise, wie
diese Events gegen sie benutzt werden. Und diese Lehre ist außergewöhnlich! Diese aber ist für
die Herrschenden schwer zu begreifen: Während
die Politiker den Sport nur als Machtinstrument,
als großes Geschäft sehen, ist er für die Leute
was ganz anderes. Eine Leidenschaft.
Sehen Sie denn irgendetwas Positives, das die
Groß-Events bringen?
Die Demonstrationen der Bevölkerung. Denn
die Spiele, die Groß-Events, zusammen mit dem
Stadtprojekt der Regierenden, laufen auf den Versuch hinaus, den öffentlichen Raum und hierbei
zuallererst den Raum der Stadt als polis, im griechischen Wortsinne, zu zerstören. Aber anders
als von ihnen erwartet, erleben wir gegenwärtig
genau das Gegenteil: die außergewöhnliche Politisierung der Stadt. Die Stadt selbst ist nun Gegenstand des politischen Disputs. Politik und Wirtschaft wollten das Politische aus dem öffentlichen
Raum der Stadt verdrängen, und nun erhebt sich
genau dieses Politische im öffentlichen Raum. Die
Stadt erfindet sich neu als Ort der Politik, verstanden als öffentliche Sphäre, in der die Bürger in die
Öffentlichkeit treten, politische Projekte diskutieren und sich fragen: „Was wollen wir mit unserer
Stadt?“ Das ist die Stadt als polis. Die Herrschenden aber wollen die Stadt als city. Und sie wollen
die polis der city unterordnen. Aber die polis erhebt sich und sagt: Nein! Wer hier das Wort führt,
das ist das Politische, hier spricht der öffentliche
Raum. Die Demonstrationen sind genau das: Die
Stadt geht auf die Straße. Während die Logik der
Stadt im Ausnahmezustand die direkte Demokratie des Kapitals, den Wettbewerb der Städte
untereinander und die Privatisierung des urbanen
Raums meint, ist die Logik der Demonstrationen
die Wiedergewinnung des öffentlichen Raums.
Während sie die bürgerliche Ordnung einer ihrer
Lebendigkeit beraubten Urbanität wollen, explodiert nun die Lebendigkeit und Vielseitigkeit der
Stadt auf der Straße. Und das ist eine so außergewöhnliche Erfahrung, dass ich sehr hoffe, dass
sie weitergehen wird.
// Interview: Lucie Matting
Übersetzung: Lucie Matting,
Felipe Bley Folly und Christian Russau
LN-Dossier 9
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ALS DER PAPST SCHLI
TRÄNENGAS UND TASER, PFEFFERSPRAY UND PRÜGEL AUF DEN DEMONSTRATIONEN IN RIO DE
22
LN-Dossier 9
JANEIRO
Foto: Fernando Frazão / Agência Brasil / CC by 3.0
IEF
Angesichts gefälschter Beweise und Polizeigewalt während der Demonstrationen anlässlich des
Papstbesuchs in Rio de Janeiro werden die Forderungen nach Demilitarisierung der Militärpolizei
stärker.
Es ist Nacht. Der Papst schläft. Die Menschenmenge
harrt aus und hält Nachtwache. Keine Gebete, sondern
Sprechchöre sind zu hören. Lautstark fordern sie die
Freilassung der Verhafteten. 200 Personen haben sich
versammelt, aber ihre Nachtwache gilt der Polizeidienststelle von Catete, hier im südlichen Stadtteil Rio de Janeiros, rund zwölf Kilometer vom Domizil der Apostolischen Residenz zu Sumaré in Rio de Janeiro entfernt,
wo nun der Papst nächtigt.
Denn hier sind die neun Personen hin verbracht worden,
die die Militärpolizei auf der Demonstration am frühen
Abend verhaftet hat. Sie und 1.500 weitere Demonstrant_innen hatten versucht, zum Gouverneurspalast
Palácio Guanabara zu gelangen, wo Papst Francisco von
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff, vom Gouverneur
und dem Bürgermeister empfangen wurde. 650 weitere Gäste waren dorthin geladen zu einem „einfachen
Buffet, bestehend aus Wasser, Kaffee und Keksen“, wie
die Regierung vorab in einer Note hatte erklären lassen.
In der Presse war dennoch die Frage gestellt worden,
wie solch ein bescheidenes Buffet 850.000 Reais, umgerechnet 270.000 Euro, kosten könne.
Der Protest der überwiegend jungen Leute richtet sich
gegen diese exorbitanten Kosten für den Papstbesuch
und fordern lautstark einen endlich laizistischen Staat.
Sie protestieren gegen Kosten und Folgen der FußballWM und der Olympischen Spiele. Fordern ein Ende der
Räumungen und Vertreibungen. Sie verlangen ein besseres Gesundheits- und Bildungswesen.
Vor dem Gouverneurspalast stehen den anderthalbtausend Protestierenden an diesem 22. Juli ebenso viele
Militärpolizist_innen gegenüber. Um 20 Uhr schlagen
diese dann zu.
Die Strassenbeleuchtung geht aus, Helikopter kreisen,
bei jedem Überflug noch tiefer. Die Einheiten, die ihre Erkennungszeichen entfernt hatten, werfen zuerst
Rauchbomben in die protestierende Menge, dann das
Tränengas. Wer der Polizei zu nahe kommt, bekommt
Pfefferspray, den Knüppel oder den Elektro-Taser zu
spüren.
So auch Bruno Ferreira Telles. Der Student aus Duque
Kein Weihrauch
Rios Militärpolizei außer Rand
und Band
LN-Dossier 9
23
de Caxias, in der Baixada Fluminense außerhalb
von Rios Stadtgebiet gelegen, wollte mit anderen
für bessere Bildung und Gesundheit im Land demonstrieren. Als die Militärpolizei das Tränengas
in die Menge schoss, rannte auch Bruno. Bis sie
ihn erwischten.
Am Tag danach sind die sozialen Netzwerke voll
mit Meldungen, Kommentaren und vor allem Videoaufnahmen von der Festnahme Brunos. Der
25-Jährige rennt in der Rua Pinheiro Machado vor
Polizist_innen weg, da explodiert kurz vor ihm
Um 20 Uhr schlagen die Militärpolizisten dann zu.
ein Geschoß, die Druckwelle reißt ihn zu Boden.
Woher das Geschoß kam, ist nicht auszumachen.
Ein Polizist erreicht ihn – und setzt seinen Elektrotaser auf der Brust des offensichtlich bereits
bewußtlosen Bruno an. Einmal, zweimal. Dann
kommen weitere Militärpolizisten. Zuerst schleifen zwei von ihnen Bruno über den Aspahlt, dann
kommen noch andere und sie tragen den ohnmächtigen Bruno an Händen und Füßen weg.
Bruno ist verhaftet.
Vor und auf der Polizeidienststelle, wohin die Verhafteten verbracht werden, herrschen Tumulte.
Polizisten sperren die Straße, Knüppel und Pfefferspray werden eingesetzt. Pyrotechnik ist die
Antwort. Die Polizei setzt Tränengas gegen die
Demonstrant_innen auf der Straße ein. Diese fordern noch immer die Freilassung der Verhafteteten. Auf der Polizeidienststelle sind mittlerweile
auch die Anwält_innen der Rechtsanwaltsvereinigung OAB von Rio de Janeiro eingetroffen und
legen Rechtsmittel gegen die Verhaftungen ein.
Zwischen zehn Uhr am Abend und zwei Uhr am
Morgen wird jede/r einzelne Freigelassene begeistert gefeiert. Einer der ersten, die aufgrund
der juristischen Einspruchs der Anwält_innen
freikommen, musste aber dennoch 1.000 Reais,
316 Euro, Kaution hinterlegen. Er war auf der
Demonstration allein unterwegs gewesen, als er
verhaftet wurde. Die Polizei verhaftete ihn wegen:
„Bandenbildung“.
Ein anderer, Roberto Melo, 53 Jahre, wollte gar
nicht demonstrieren gehen. Melo berichtet, wie
er sich dann angesichts solchen Polizeiaufgebots
auf den Strassen entschied, auch zu protestieren.
24
LN-Dossier 9
„Die schienen sich auf Krieg vorzubereiten“, berichtet er. „Da ging ich zu den Polizeikräften und
zeigte ihnen mein T-Shirt, auf dem Unsere Heilige
Jungfrau abgebildet ist und sagte ihnen, sie werde ihnen das nicht durchgehen lassen.“ Dann fielen die Polizisten über ihn her. „Sie warfen mich
zu Boden und nahmen mich fest“, sagt Melo, der
selbst Angestellter des Öffentlichen Dienstes ist.
Im Eingangsbereich der Polizeidienststelle sitzt
die Arzthelferin Maria de Lurdes. Seit zwei Stunden wartet sie dort, ihre Augen brennen, denn die
Reizgaswolken von draußen dringen bis ins Gebäude. Dann aber kann sie die Tränen nicht mehr
zurückhalten. Ein Wachtmeister teilt ihr mit, ihr
Sohn, Bruno Ferreira Telles, werde nicht freigelassen. Die Anklage laute auf Besitz „explosiven Materials“, deshalb habe der Richter die Festsetzung
einer Kaution verneint. „Ich wollte nicht, dass er
auf diese Demos geht. Ich habe Angst. Ich bat
ihn, nicht zu gehen, da gibt es Tumulte, mit so viel
Polizei“, erzählt Maria de Lurdes. Früher habe sich
Bruno in so etwas nicht eingemischt, berichtet die
49-Jährige. „Ich weiß nicht, warum er da jetzt hingeht. Ich habe ihn gefragt: ‚Bruno, was für eine
Revolte ist das?‘. Und er antwortete, dass es ein
Kampf um Rechte sei.“ Sie kämpft mit den Tränen.
Und ist verängstigt und wütend. Auf die Polizei –
und auf Bruno. „Ich bin wütend auf ihn, er war immer so ruhig. Und jetzt das“, sagt sie unter Tränen.
Zuerst habe sie auch den Wunsch zu demonstrieren verspürt. Aber auf diesen Demonstrationen,
das habe sie im Fernsehen gesehen, „herrscht
schreckliche Gewalt. Aber Bruno, der ist jung und
hat keine Angst“, meint Lurdes. „Er sagte, dass alles so richtig sei, aber nun ist das, was eigentlich
richtig war, das Falsche.“ Bruno ist in Haft.
Ein Polizist kommt auf uns zu. „Was machen Sie
hier?“, herrscht er mich an. Arbeiten, ist meine
Antwort. „Arbeiten? Und mit was arbeiten Sie
hier?“, bellt er in mein Gesicht. Mit meinen Augen, meinem Stift und Notizblock. „Reporterin“,
kläre ich ihn auf. Er glaubt mir nicht, will mich
des Saales verweisen. „Wer sagt denn, dass Sie
hier nicht ‚nen Mollie reinwerfen?“, versucht er es
ironisch zu begründen. Mein Presseausweis und
die kritischen Blicke des Rechtsanwaltes der OAB
scheinen ihn aber weniger selbstherrlich werden
zu lassen. Er zieht sich zurück.
Der Anwalt, der hier Rechtsbeistand für die Verhafteten leistet, hat gerade ein paar Minuten.
„Gustavo Proença, von der Menschnerechtskom-
Foto: Fabio Rodrigues Pozzebom / Agência Brasil / CC by 3.0
mission der Anwaltsvereinigung von Rio, OAB“,
stellt er sich vor. „Wir können hier den zu Unrecht
Verhafteten helfen, denen, die willkürlich und mittels illegalen Vorgehens seitens der Polizei in Haft
genommen wurden“, erklärt er. „Wenn wir das
belegen können, dann können wir die Freilassung
erlangen.“ Das ist aber nicht immer einfach.
Bruno ist derweil noch immer hier in der Polizeidienststelle. Aber er soll in die gefürchtete Haftanstalt Bangú verlegt werden, heißt es. Der Vorwurf der Polizei: Bruno habe versucht, Polizisten
zu töten. Ausführen wolle er dies mittels der 20
Molotowcocktails, die die Polizei in seinem Rucksack fand. Mindestens einen habe er geworfen.
Es ist nicht mehr nur das Tränengas, das Maria de
Lurdes die Tränen in die Augen treibt.
Bruno bleibt in Haft – aber hier auf dieser Wache
in Catete, erfährt Brunos Mutter später. Die letzte, die in dieser Nacht gegen zwei Uhr freigelassen wird, ist Aurislândia Monteiro. Die 29-Jährige
hat medizinische Praxis, so hilft sie auf den Demos beim Verarzten der leichteren Verletzungen.
Sie und eine Freundin behandelten auf der Straße
einen Jungen, der im Gesicht von einem Splitter einer Tränengaskartusche getroffen worden
war. Um sie herum kam es zum Tumult – und sie
wurde verhaftet. „Ich wurde nicht direkt auf die
Polizeiwache gebracht, sondern zunächst vor Ort
festgehalten“, berichtet sie. „Ein Polizeikommandant kam auf mich zu, schrie mich an und schlug
mir meinen Rucksack ins Gesicht. Er nannte mich
Schlampe und dass ich einen Ständer nötig hätte
– und er hätte einen, den er mir geben könne.“
Aurislândia wurde wegen des Besitzes „verdächtigen Materials“ verhaftet und weil sie sich nicht
ausweisen konnte. „Das verdächtige Material“,
berichtet sie, „das sind Pomaden, Kremes und
Sprays, um den auf der Demo Verletzten Erste
Hilfe zu leisten“.
Die Polizeigewalt macht Aurislândia wütend. „Viele verstehen nicht, warum es auch Gewalt gegen
die Polizei gibt, aber wir haben zuerst was abbekommen“, empört sie sich. Die Demonstrierenden
dürften jetzt nicht nachgeben, denn das sei es,
was die Polizei und die Regierenden wollen. „Einer der Polizisten sagte mir, ich sei verhaftet, eben
weil ich auf der Demo war. Habe ich dazu nicht
das Recht? Das spornt mich nur an, noch mehr für
ein gerechteres Land zu kämpfen“, sagt sie.
Die Gewalt der Polizei ist dabei aber oft zielgerichtet. So sieht es Renato Belo, der auf dem Morro
Militär im Inlandseinsatz Kritiker_innen sehen die
Verfassung gebrochen
Santa Marta wohnt, Favela in der Südzone von Rio
de Janeiro. Renato ist 23 Jahre alt und seine Hautfarbe macht ihn für die Polizei verdächtig. Allein in
dieser Nacht, berichtet er, wurde er von Polizisten
drei Mal angehalten und auf Waffen oder Drogen
untersucht. „Einer der Polizisten nahm seine Waffe und richtete sie auf mich, so, als wolle er abdrücken. Er schaute sich um, ob uns wer sehen
würde und schaute mir dann direkt ins Gesicht“,
schildert Renato das Erlebnis. „Der war ganz übel
drauf. Gottseidank kamen dann Leute vorbei.“ Der
Polizist ließ ab von ihm und ging seiner Wege. „Ich
nehme keinen Rucksack mehr auf die Straße mit,
das bringt nur Probleme. Den wühlen sie als erstes durch“, erklärt er. Kurz zuvor war Renato auf
der Demo gewesen, von Copacabana zu Fuß bis
ins zehn Kilometer entfernte Lapa, um gegen den
Papstbesuch zu demonstrieren. Es ware eine besondere Prozession, angesichts der Millionen an
gläubigen Pilgern in der Stadt, die den Papst sehen wollten. Denn erstere glauben auch an etwas,
trotz ihres Protestes gegen den Papstbesuch. „Wir
kämpfen für eine bessere Polizei“, erklärt Renato.
„Sie verhaften die Leute und stecken ihnen dann
Illegales zu, fälschen Beweise. Wenn wir jetzt nicht
schreien, wer dann?!“ Wer, wenn nicht wir, wann,
LN-Dossier 9
25
Foto: Tomaz Silva / Agência Brasil / CC by 3.0
„Stoppt die Räumungen und die Militärkontrolle über die Favelas“
wenn nicht jetzt, fragt Renato, der weiß, dass er
wegen seiner Hautfarbe für die Polizist_innen ein
leichtes Ziel ist. Denn zwischen 2002 und 2010
wurden in Brasilien 272.422 Brasilianer_innen
schwarzer Hautfarbe erschossen. Wurden 2002
noch 65,4 Prozent mehr Afrobrasilianer_innen als
Weiße erschossen, so gab es 2010 bereits 132
Prozent mehr erschossene Afrobrasilian_innen als
weiße Opfer. Dies sind die neuesten Zahlen der
Karte der Gewalt, die der Wissenschaftler Júlio
Jacobo Waiselfisz jährlich erstellt. Und nicht wenige der Erschossenen gehen auf das Konto der
Militärpolizei.
Soziale Bewegungen, Menschenrechtsgruppen
und Favelaorganisationen beklagen seit Jahren
die Gewalt von Polizei und Spezialkräften. Erst am
24. Juni dieses Jahres wurden in Rio de Janeiro
dreizehn Bewohner_innen des Armenviertels Nova Holanda im Stadtteil Maré von Einsatzkräften
der Spezialeinheit BOPE erschossen.
Menschenrechtsgruppen kritisierten, dass es in
den Medien einen Aufschrei über die Gummigeschosse der Militärpolizei auf die Demonstrationen gegeben habe, die überwiegend von Angehörigen der brasilianischen Mittelschicht besucht
wurden, während die Verwendung scharfer Munition in den Favelas von den gleichen Medien
weitaus weniger kritisch betrachtet wird. Gizele
Martins ist Journalistin und lebt in der Maré. „Die
Polizei, die auf den Straßen mit Gummigeschossen auf Demonstranten schießt, ist die gleiche
Polizei, die in der Favela tötet“, stellt sie klar. Deshalb sei die Demilitarisierung der Militärpolizei eine der akutesten Forderungen, die die Menschen26
LN-Dossier 9
rechtsgruppen in Rio de Janeiro derzeit erheben.
Denn Rio hatte schon lange nicht ein solches Maße an Polizeikräften auf der Straße gesehen, wie
in jenen Tagen, als der Papst in der Stadt war. Um
die Sicherheit des Papstes, seiner Entourage sowie der bis zu drei Millionen Pilger in der Stadt zu
gewährleisten, hatte das Verteidigungsministerium 20.000 Sicherheitskräfte zusätzlich geschickt.
Kräfte des Heeres, der Marine, der Luftwaffe sowie Polizeieinheiten von Bund und Land wurden
am Zuckerhut zusammengezogen. So konnte der
Papst ruhig in seiner Apostolischen Residenz zu
Sumaré schlafen.
Und Bruno? Es sollte eine ganze Woche dauern,
bis Maria de Lurdes Gewißheit über das weitere
Fortgehen ihres Sohnes Bruno erlangte. Gleich
am ersten Tag nach dem Vorfall stürzten sich
Presse und Fernsehen auf den Fall der „20 Molotowcocktails“. Aber auch die Aktivist_innen der
unabhängigen Medien agierten schnell. Es dauerte nicht lange, bis die aktive Netzgemeinde die
Polizei der gezielten Lüge überführen konnte. Waren es zunächst Zweifel und Fachdebatten, wie
groß ein Rucksack mit 20 Molotowcocktails sein
müsse, so belegten mehrere Videoaufnahmen im
Netz ein neues Detail: Bruno trug zu keinem Zeitpunkt einen Rucksack. Der entsprechende Rucksack war offenkundig von als agents provocateurs
eingeschleusten Zivilpolizisten platziert worden.
Die Anklage gegen Bruno wurde am 29. Juli, eine
Woche nach dem Vorfall vor dem Gouverneurspalast, fallengelassen.
// Gilka Resende
Übersetzung: Christian Russau
VIER WUMMEN GEGEN RIO
BRASILIEN TRAINIERT FÜR OLYMPIA – MIT DROHNEN, LUFTABWEHRPANZERN,
KLEINKALIBERN UND WASSERWERFERN, AUCH AUS DEUTSCHLAND UND ÖSTERREICH
Brasilien erwirbt neue Ausrüstung, um gewappnet zu sein für potentielle Terrorabwehr
– und die Masse an Demonstrierenden. Kritiker_innen warnen vor Militarisierung im Innern. Zudem kommt der Vorwurf, die sicherheitstechnische Aufrüstung sei aufgrund von
FIFA-Auflagen erfolgt.
Er ist groß. Schwarz lackiert. Seine Kennung lautet 27-0002. Seit Ende Juni ist er im Land – und
wird auf den Straßen eingesetzt. Vom Gefechtssitz oben auf dem Fahrzeug wird der Wasserstrahl auf sein Ziel ausgerichtet. Wer in diesen
Strahl kommt, wird von der Straße gespült. Verletzungen sind nicht ausgeschlossen. Sein Strahl
ist hart. Dies sieht selbst Brasiliens größte Tageszeitung Globo so. „Die Militärpolizei von Rio
setzt auf eine neue Waffe, um Demonstrationen
auseinander zu treiben: einen Wasserwerfer mit
Hochdruckwasserstrahl. Wer an diesem Samstag
im Zentrum der Stadt war, konnte das Fahrzeug
sehen, eskortiert von vier Motorrädern, als es in
Richtung des Sitzes des Batalhão de Choque im
[Stadtteil] Cidade Nova fuhr.“ So berichtete die
Globo-Tochter Extra Ende Juni, damals, auf dem
vorläufigen Höhepunkt der Massendemonstrationen, die Brasilien erfasst hatten. Extra Globo verweist in dem Beitrag darauf, dass „die Türken, die
in Istanbul auf die Straßen gingen, die Kraft dieses Wasserstrahls sehr gut kennen“. Und auf dem
abgebildeten Photo des Wasserwerfers, deutlich
zu erkennen, prangen zwei der fünf letzten Buchstaben des Alphabets, aufeinander, eingefasst im
Kreise – das Logo von Deutschlands größtem Autobauer, Volkswagen.
Programm- und Szenenwechsel zu den livestreams im world wide web: Bilder aus Istanbul,
Taksim-Platz. Demonstrant_innen im Tränengas-
Foto: Fernando Frazão / Agência Brasil / CC by 3.0
An der Kennung identifiziert VW-Wasserwerfer im Einsatz auf Rios Straßen
LN-Dossier 9
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nebel. Auf den leergeschossenen Patronen leuchten die brasilianische Fahne und der Satz „Made
in Brazil“. Condor Tecnologias Não-Letais S.A., also
als Hersteller nicht-tödlicher Waffen, bezeichnet
sich die Firma mit Sitz in Rio de Janeiro. Sie zählt zu
den weltgrößten Tränengasherstellern überhaupt.
Nach dem massenhaften Verbreiten der Photos
der leeren Tränengaskartuschen vom Taksim-Platz
in den sozialen Netzwerken bestätigte Condor Tecnologias, der Lieferant zu sein. „Die Türkei ist eines der Länder, in welche Condor exportiert, doch
kauft die türkische Polizei diese Art von Ausrüstung auch bei anderen Lieferanten, unter anderem
US-amerikanischen und südkoreanischen”, hieß es
in einer Mitteilung.Während in Rio deutsche Fahrzeugtechnik für Panik bei den Demonstrant_innen
sorgt, fliehen sie auf dem Taksim-Platz in Istanbul
vor brasilianischem Tränengas. Die neue Art der internationalen Arbeitsteilung.
In Brasilien laufen derweil die Vorbereitungen für
die kommenden sportlichen Großereignisse – die
Fußballweltmeisterschaft der Männer 2014 und
die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro.
Da sich für Ende Juli auch noch der Papst für den
Weltjugendtag am Zuckerhut angekündigt hatte,
lag für die Militärs und Regierenden im Lande
nichts näher, als weltweit massiv Rüstungsgüter
einzukaufen. In Deutschland, Österreich, Israel
und den USA bestellte die brasilianische Regierung in den vergangenen Monaten unbemannte
Aufklärungs- und Verteidigungssysteme zur Über-
Deutscher Wasserwerfer in Rio und brasilianisches Tränengas in Istanbul: die
neue internationale Arbeitsteilung.
wachung der Großevents. Allein für die jetzt angeschaffte Technik wird Brasilien mindestens 70
Millionen US-Dollar ausgeben. Die Militärtechnik
sollte beim Confederations Cup 2013 des Weltfußballverbandes (FIFA) erprobt werden. Und dann
kamen die Massendemonstrationen des Juni.
Dort wurden unbemannte Drohnen erstmalig in
Brasiliens Geschichte eingesetzt. Zur Luftüberwachung der Demonstrationen. Über den Erfolg
haben die Behörden keine Aussagen getroffen.
Brasilien hatte Presseberichten zufolge vier Drohnen des Typs Hermes 450 von einem israelischen
Hersteller gekauft, um den Luftraum über den
28
LN-Dossier 9
Sportereignissen zu überwachen. Die unbewaffneten Flugkörper können nach Angaben des israelischen Herstellers bis zu 20 Stunden in der Luft
bleiben. Insgesamt habe Brasilien 25 Millionen
US-Dollar für diese Drohnen gezahlt. Israel ist
mit einem Gesamtumsatz von 4,6 Milliarden USDollar der weltweit wichtigste Exporteur von militärischen Drohnen. Der Hersteller Elbit Systems
mit Sitz in der israelischen Hafenstadt Haifa spielt
etwa zehn Prozent der Gewinne an allen israelischen Rüstungsexporten ein.
In Deutschland bestellte Brasilien 34 gebrauchte
Exemplare des Flugabwehrpanzers Gepard 1A2.
Der Panzer kann auch ferngesteuert betrieben
werden. Die ersten Exemplare trafen bereits im
Mai in Brasilien ein und wurden erstmals zum
Besuch des Papstes auf dem katholischen Weltjugendtag in Rio de Janeiro eingesetzt. „Wir benötigen die Panzer, um bei Großereignissen die
Menschen in den Stadien zu schützen“, argumentierte der General der Luftwaffe Marcio Roland
Heise. Der Panzer verfügt über zwei 35-mm-Geschütze und soll Flugobjekte auf kürzere Distanz
abschießen können. Der Gesamtpreis für die von
Krauss-Maffei, Blohm + Voss und Siemens gefertigte Panzerflotte soll bei knapp 40 Millionen USDollar liegen.
Von den Sportereignissen in Brasilien soll auch der
österreichische Kleinwaffenhersteller Glock profitieren. Laut Informationen der Tageszeitung Gazeta do Povo haben die Bundespolizei sowie die
Militärpolizei des Staates Rio de Janeiro mit dem
Rüstungsunternehmen einen Exklusivvertrag für
die Bewaffnung ihrer Polizeieinheiten während
der 2016 in Rio de Janeiro stattfindenden Olympischen Spiele abgeschlossen. Die Gazeta do Povo
berichtet, dass brasilianische Militärs und Polizisten nach Wien reisen durften – bezahlt durch die
„berühmte österreichische Firma“.
Bei der US-Firma iRobot orderte Brasilien schließlich 30 Roboter vom Typ Packbot 510. Die für das
Militär entwickelten Automaten werden bisher
hauptsächlich in Afghanistan und dem Irak eingesetzt. Die kettengetriebenen Geräte können mit
Kameras oder Chemie-Detektoren ausgerüstet
und etwa zur Bombenräumung verwendet werden. Spezialeinheiten benutzen sie hauptsächlich,
um unzugängliche Gelände oder Gebäude auszukundschaften. Die ferngesteuerten Roboter kosten je nach Ausstattung bis zu 200.000 US-Dollar.
Insgesamt wird dieser Posten den brasilianischen
Zudem gefährde die Schaffung eines besonderen Sekretariats für Öffentliche Sicherheit von
Großveranstaltungen das föderale Prinzip Brasiliens und damit die demokratische Ordnung
des Landes. „Diese technischen Innovationen
im Namen des Fußballs werden dauerhaft antidemokratische und verfassungswidrige Veränderungen hinterlassen“, befürchtet der Professor. Diese Sorge teilen offensichtlich auch viele
soziale Organisationen und Bürger_innenbewe-
Foto: Marcello Casal / Agência Brasil / CC by 3.0
Steuerzahler noch einmal fünf Millionen US-Dollar
kosten. „Brasilien stellt einen wichtigen Markt für
unbemannte Bodenfahrzeuge dar“, erläuterte der
Vize-Präsident von iRobot, Frank Wilson.
Zumindest die Anschaffung der deutschen Panzer
– so ein Bericht der Tageszeitung Folha de São
Paulo – geht ausdrücklich auf eine Anforderung
der FIFA zurück. Auch Kritiker wie der Soziologe
und Stadtplaner Professor Carlos Vainer weisen
darauf hin, dass die Aufrüstung von internatio-
Kein Vermummungsverbot für diese hier Militär und Polizei werden aufgerüstet
nalen Organisationen wie dem Weltverband des
Fußballs verlangt wurde. „Die FIFA wandte sich
als militärischer Berater an unsere Streitkräfte
und bestimmte, welche Art von Waffen sie kaufen
sollten. Das ist eine komplette Verhöhnung der
nationalen Souveränität.“ Mit den bevorstehenden Mega-Events gewinne die Militarisierung der
öffentlichen Sicherheit, die Professor Vainer als
das „hartnäckigste Erbe der Militärdiktatur“ bezeichnet, neue Impulse.
gungen Brasiliens. Sie warnen seit Jahren vor
der Militarisierung des öffentlichen Raums. Angesichts der nun bekannt gewordenen Waffenkäufe durch den Staat wächst ihre Sorge, dass
Rio de Janeiro bis zu den Olympischen Spielen
2016 „komplett militarisiert“ wird, heißt es in
einer ausführlichen Analyse des Basiskomitees
zur Olympiade und der Weltmeisterschaft in Rio
de Janeiro.
// Christian Russau und Malte Daniljuk
LN-Dossier 9
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DIE STADT ALS BEUTE DES KAPITALS
INTERVIEW MIT PROFESSORIN ERMÍNIA MARICATO ÜBER STADTUMSTRUKTURIERUNGEN
IM SCHATTEN DER MEGA-EVENTS UND DIE NEUE GENERATION DER PROTESTIERENDEN
Seit den 1980er Jahren erfolgt der Zugriff des
Kapitals auf die Städte – und die Regierenden
vernachlässigten die Fragen aktiver Politik
für die Städte. Doch angesichts des Ausverkaufs der Städte ergreifen in Brasilien nun
neue Akteure die Initiative und gehen auf die
Straße. Die Stadt ist für soziale Kämpfe der
Raum par excellence, meint die Urbanistin
Ermínia Maricato.
Ist die urbane Frage im Juni 2013 in den Städten explodiert?
Ich denke, dass die urbane Frage in dem besagten
Szenarium aus verschiedenen Gründen eine sehr
entscheidende Aufgabe hat. So ist die Stadtfrage
seit Jahrzehnten links liegen gelassen worden.
Die Stadt war ein bedeutender Raum im Kontext
der Klassenfrage. Die Stadt war beispielsweise
der Raum, der den Boden für Arbeiterstreiks Ende der 1970er Jahre lieferte. Es haben sich in der
Zeit neue Parteien, wesentliche Gewerkschaften
und soziale Bewegungen gegründet, währenddessen die internationale Bewegung Rücklauf
nahm – Brasilien gewann in den 1980er Jahren
dahingehend reichhaltig an Raum. Nachdem wir
dann die Militärdiktatur besiegt hatten, da gab es
dann diese neue Politik der und für die Stadt. Aber
dieser bedeutende Zeitraum städtischer Politik
flachte ab, und zwar an dem Punkt, wo die Städte
vom Kapital überfallen worden sind. Was sich in
Brasilien ab den 1980er Jahren entwickelte war
ein riesen Agrargeschäft – die Globalisierung überrollte in Brasilien von da ab an ländliche Gebiete.
Das Land wurde so zugerichtet, um die Rohstoffe
und Agrargüter zu produzieren. Die Städte aber
noch nicht, im Gegenteil, sie wurden erst ab den
1980er Jahren zur Beute des Kapitals.
Wird jetzt die Zeche bezahlt?
Die Probleme von früher sind auch jetzt noch
da. Es gibt eine Diskussion in Brasilien, beispielsweise im gewerkschaftlichen Sektor, der
30
LN-Dossier 9
es nicht gelingt, die Stadt wie einen Raum des
Klassenkampfes zu erkennen. Klassenkampf für
sie bedeutet ausschließlich: Kapital versus Arbeit,
im Kontext der Fabrikarbeit. Aber der spanische
Stadtsoziologe Manuel Castells wies darauf hin,
dass die Stadt die Reproduktion von Arbeitskraft
ist und deswegen der Raum par excellence für
soziale Bewegungen ist. Jetzt sieht man deutlich:
ein Tunnel, den der ehemalige Bürgermeister von
São Paulo ausschreiben ließ und in dem nunmehr
keine Busse, sondern allein Autos fahren dürfen,
dieser Tunnel kostet drei Milliarden Reais. Das ist
die Hälfte des Stadthaushalts für Gesundheit!
Entweder der Tunnel oder die Gesundheit!
Aber man wird sagen: ‚Gut, aber das ist doch
kein Kampf von Kapital und Arbeit‘. Aber das ist
es doch. Denn der Lohnanstieg bringt nicht automatisch für jedermann kollektive Gesundheit,
auch keine grundlegende Kanalisation mit sich.
Denn die Infrastruktur einer Stadt, als auch deren
öffentlichen Dienste, die stellen eine Art Lohnzusatzleistung dar. Die Reproduktion der Arbeitskraft
wird dadurch auf weitere Füße gestellt. Wenn ich
Einkommen und höhere Löhne verteilen kann,
dann bedeutet das noch nicht, dass das Problem
der öffentlichen Kanalisation, die jedermann benötigt, gelöst wurde, noch dass man das Wasser,
das jederman trinken muss, auch trinken kann.
Und die Juniproteste haben diese Fragen auf
die Agenda gebracht?
Seit Juni haben wir Dinge erreicht, die mich perplex machen. Ich hätte nie gedacht, dass so viel
in so wenig Zeit möglich sein könnte. Allein beim
öffentlichen Transport in São Paulo haben wir die
Rücknahme der Tariferhöhung von 20 Centavos
erreicht., Eine parlamentarische Untersuchungskommission wurde zum Transportwesen eingesetzt und öffentliche Ausschreibungen wie dieser
kriminelle Tunnel für Autos, der nichts mit der
städtischen Mobilität, sondern ausschließlich mit
der Finanzierung von Wahlkampagnen zu tun hat,
Foto: Valter Campanato / Agência Brasil / CC by 3.0
Staat ist für den derzeitigen Prozess der Gentrifizierung verantwortlich: In Rio de Janeiro werden
beispielsweise mehr als 100.000 Personen vom
Zentrum in periphere Regionen verdrängt.
ERMÍNIA MARICATO
ist Professorin der Fakultät für Architektur und
Urbanismus der Universität in SP und der Universität in Campinas. Sie ist Urbanistin und Expertin
zum Thema urbaner Reformen in Brasilien. Zwischen 2003 und 2005 war sie stellvertretenden
Ministerin für Stadtwesen, in den ersten Jahren
der Regierung unter dem damaligen Präsident
Luiz Inácio Lula da Silva.
wurden gestoppt. Zudem wird es eine internationale Evaluierung über die Bustarife geben. Und
der Ausbau der Busspuren wird ausgebaut.
In Rio de Janeiro hatten wir zwei phantastische
Erfolge: Wer hätte vor einigen Monaten geahnt,
dass dies möglich sei? Die Privatisierung vom
Maracanã bedeutet nicht nur die Privatisierung
des Stadions, sondern auch den Abriss zweier
Sportparks, die den Anwohnern der Umgebung
mit mittlerem und niedrigerem Einkommen zur
Verfügung standen. Diese sollten einfach abgerissen werden – aber die Regierenden mussten
ihre Pläne ändern. Dies ist von enormer Bedeutung. Und zuletzt das Beispiel der „Vila Autódromo“: Da demaskierte sich die Regierung selbst
als die wahren Vandalen – aber sie hat letztlich
auf die Räumung der Anwohner verzichtet. Der
Wie sehen Sie diese jüngsten Entwicklungen?
Ich bin einfach nur beeindruckt von dem, was sich
da gerade abspielt. Nachdem jahrelang der Ausverkauf der Stadt und deren Kontrolle sich verschärft
hatten, sieht man jetzt auf einmal solch phantastische Erfolge. Da wurde der Kommandant der Befriedungspolizeieinheit (UPP) ausgetauscht. Aber:
In welche Richtung sich alles weiterentwickeln
wird, ich weiß es nicht. Es ist normal, dass es auch
Rückschritte gibt, aber vorerst ist keiner zu erkennen, denn diese neuen Akteure werden nicht aufhören. Es ist eine ganz andere Jugend, als ich sie
aus meiner Generation kenne. Meine Generation
dachte komplett holistisch: große Reformen, die
sozialistische Revolution, die Apokalypse. Diese
Jugend ist anders: sie wählt sich punktuelle Dinge
aus, die aber eben nicht punktuell sind – und die
Auswirkungen dann sind einfach gigantisch.
In Bezug auf die Groß-Events hier in Brasilien:
Am Ende des Ganzen werden allein Stadien
und Militarisierung als Erbe bleiben?
So sieht es aus, aber nicht nur. Man hat Gentrifizierung in der Umgebung des Itaquerão, des neuen
Stadions in São Paulo. Das ist fürchterlich, was dort
derzeit geschieht. Denn immerhin handelt es sich
um öffentliche Gelder, die in ein Projekt investiert
werden, wo alle dachten, dass es sich um Privatinvestitionen handeln würde. Dort in der Gegend
explodieren die Kosten für Wohnraum. Das führt
dann zur Vertreibung der Leute von dort. Und da
hängen sie alle mit drin: diejenigen, die die Großprojekte und Infrastruktur bauen, das Immobilienkapital, Zulieferer für die Bauprojekte, einfach alle.
In Ihrem Text in dem gerade erschienenen
Buch Rebellische Städte (Cidades Rebeldes)
beschreiben Sie die Rolle der Groß-Events als
den des ins Feuer geworfenen Holzscheits.
Es gibt viele, die machen die WM für alles verantwortlich. In Wahrheit ist es so, dass der Patient
bereits krank ist. Und diese Großevents treiben
das Fieber weiter hoch.
// Interview: Júlio Delmanto
Übersetzung: Lucie Matting und
Christian Russau
LN-Dossier 9
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„50 JAHRE WACHSTUM IN
NUR 4 JAHREN“
EINE REPORTAGE AUS CUIABÁ – EIN JAHR VOR DEM ANPFIFF
Die Landeshauptstadt des Sojastaates Mato
Grosso bereitet sich auf die Fußball-Weltmeisterschaft vor.
Heiß ist es in Cuiabá, heiß und staubig. Bei nur 15
Prozent Luftfeuchtigkeit und 33 Grad verwandelt
sich das Rollfeld, über das die Passagiere bis zu
dem kleinen Flughafengebäude zu Fuß gehen, in
einen Backofen. Staubig wird es nur wenige Minuten später. Denn unmittelbar neben dem Flughafengebäude liegt sie, die erste Baustelle für die
WM. Hier wird die Zufahrtsstraße zum Flughafen
für die 2014 anreisenden Gäste verbreitert und
das Schienenbett für die neue Straßenbahn gelegt. Durch die Bauarbeiten hat sich die Straße
aber erstmal in ein Nadelöhr verwandelt, das für
kilometerlange Staus sorgt. Es ist Freitag am frühen Abend und auf der Baustelle wird trotz des
nahenden Wochenendes noch gearbeitet. Fast
alle Baumaßnahmen für die WM liegen in Cuiabá
zeitlich deutlich hinter den Planungsvorgaben. Bei
vielen ist fraglich, ob sie überhaupt bis zum Anpfiff fertig gestellt werden können.
Cuiabá ist eine dieser Schachbrettstädte, in der
alle Wege in der Anzahl der „Blöcke“ bemessen
werden. Die Landeshauptstadt des Bundesstaates Mato Grosso ist das geographische Zentrum
Südamerikas, wie sie hier gerne betonen. Rund
eintausend Kilometer westlich von Brasiliens
Hauptstadt Brasília gelegen, ist die bolivianische
Grenze nur 200 Kilometer entfernt. Damit liegt
Cuiabá weit abseits der Zentralen der brasilianischen Macht, gilt als provinziell und rückständig.
„50 Jahre Wachstum in nur 4 Jahren“ wurde der
Bevölkerung vor der WM versprochen. Bisher
sorgen die Baumaßnahmen aber nur für eine Verschlechterung der Lebensqualität. Ständig wird der
Verkehr über immer andere Straßen umgeleitet.
Doch die Asphaltdecke der Nebenstraßen in Cuiabá
ist so dünn, dass schon wenige Tage starken Verkehrs ausreichen, um sie in holprige Pisten zu ver32
LN-Dossier 9
wandeln. 50 Jahre werde es dauern, bis alle Schlaglöcher ausgebessert sind, witzelt der Volksmund.
Wie in allen anderen Austragungsorten der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 hat sich auch in Cuiabá
ein Comitê Popular da Copa – ein lokales Basiskomitee zur WM – gegründet. Die Gruppe nahm im
Mai in São Paulo an einem brasilienweiten Treffen
aller Komitees teil, bei dem die Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen für die kommenden sechs Monate geplant wurden. Während des Confederation
Cups im Juni überrollte Brasilien dann plötzlich eine
Protestwelle, wie es sie seit zwanzig Jahren nicht
gegeben hat. Im 500.000 Einwohner_innen zählenden Cuiabá demonstrierten 40.000 Menschen
gegen Fahrpreiserhöhungen, Korruption und die
„exorbitante Geldverschwendung“ für die WM.
„Wir haben diese Proteste nicht organisiert“, stellt
Camilo vom Basiskomitee in Cuiabá klar: „Es waren vor allem Studenten, die sich über die sozialen
Netzwerke organisiert haben. Aber wir waren gut
vorbereitet und konnten viele Argumente liefern.“
In der Hotellobby sitzen am Montagnachmittag
drei der Mitglieder des lokalen Komitees: Camilo,
Caio und Mariana. Alle studieren noch und arbeiten
gleichzeitig als Journalist_innen in verschiedenen
Institutionen. Die Ausrichtung der Weltmeisterschaft ist für sie eine politische Fehlentscheidung,
„Die WM hätte niemals nach Cuiabá
kommen dürfen, nicht mal nach Brasilien!“, kritisiert Camilo.
die in Cuiabá vor allem eines hinterlassen wird:
Schulden in Milliardenhöhe. „Für mich besteht
der größte Skandal der WM-Vorbereitungen darin,
dass hier Milliarden Reais ‚umgeleitet’ werden,
also in eine Infrastruktur fließen, die der Bevölkerung nicht zugute kommt“, stellt Mariana fest.
Und Camilo ergänzt: „Es gibt horrende Ausgaben,
Fotos: Claudia Fix
„WM für wen?“ Auch in Cuiabá macht die Fußballweltmeisterschaft der Männer Ärger
aber an der Fußballweltmeisterschaft wird nur ein
ganz kleiner Teil der Bevölkerung teilhaben.“
Die drei haben ein Auto dabei und beschließen,
zunächst zum „alten Stadion“ zu fahren, das zurzeit auch das einzige ist, das in Cuiabá funktioniert. In den fünfziger Jahren gebaut, verursachte
das Stadion Presidente Eurico Gaspar Dutra nach
seiner Fertigstellung einen solchen Skandal, dass
der Präsident und General, dessen Namen es
trägt, vor der Einweihung wieder abreiste. Das
„Dutrinha“, wie es in Cuiabá genannt wird, hatte
als Vorbild das legendäre Maracanã-Stadion in Rio
de Janeiro, es sollte eine große Sportstätte für
die ganze Region werden. Doch letztlich wurde
es, vermutlich aufgrund von Korruption, viel kleiner und anders gebaut als geplant.
Erst 1976 erhielt Cuiabá ein großes Stadion, das
„Verdão“, das – voll funktionsfähig – 2010 abgerissen wurde, um die Arena Pantanal für die WM zu
bauen. „Sie haben damit ein historisches Monument gesprengt“, empört sich Camilo noch immer. „Die Bevölkerung hatte zu diesem Bau beigetragen, die Stuhlreihen trugen die Namen der
Stifter. Mit dem Verdão haben wir auch ein Stück
unserer Identität verloren!“
Cuiabás bessere Zeiten im Fußball liegen weit
zurück. Seit dem Beginn der 1990er Jahren spielen die beiden lokalen Fußballvereine, der Mixto
Esporte Clube und der Operário Futebol Clube,
in der dritten Liga. Selbst beim großen lokalen
Derby – Mixto gegen Operário – kommen bestenfalls 4.000 Zuschauer, die bequem in das Dutrinha mit seinen 7.000 Plätzen passen, erzählt Caio,
der regelmäßig ins Stadion geht. Auch die Preise
sind überschaubar: 20 Reais kostet der volle Eintritt, ermäßigt die Hälfte. Das sind rund 7,40 Euro, beziehungsweise 3,70 Euro für die ermäßigten Karte. Eine ganz andere Dimension hat das
WM-Stadion: 43.000 Zuschauer_innen werden
in der Arena Pantanal Platz haben. 240 und 120
Reais werden die Eintrittskarten für die Spiele der
Weltmeisterschaft kosten. Wie wird das Stadion
in Zukunft genutzt werden? „Was den Fußball
angeht, wird die Arena Pantanal ein ‚weißer Elefant’ werden“, kritisiert Camilo: „Es gibt hier nicht
genügend Publikum, um so ein Stadion, wie sie
es jetzt bauen, zu füllen. Der offizielle Diskurs ist,
dass es anschließend für kulturelle Events genutzt werden soll, für Shows und so weiter.“
Als wir am späten Nachmittag an der Baustelle ankommen, sind die Arbeiten noch in vollem Gange.
Baumaschinen bewegen Erdmassen vor dem Rohbau, ein Lkw befeuchtet den trockenen Boden mit
Wasser. „Hier wurde in drei Schichten gearbeitet,
auch nachts. Das erste für den Bau verantwortliche
Unternehmen musste deshalb Konkurs anmelden.
Sie konnten die Überstunden nicht bezahlen und
die höheren Löhne für die Nachtarbeit.“, berichtet
Caio. Dann gab es einen Streik, Konflikte im Unternehmen und schließlich den Konkurs, sagt er.
Während des Stillstands auf der Baustelle habe
es dann ständig Gerüchte gegeben, dass die WM
in Cuiabá jetzt nicht mehr stattfinden könne. Doch
dann, auf einmal die Lösung: „Schließlich verkündete Mauro Mendes Ferreira, selbst Unternehmer
und einer der reichsten Bürgermeister Brasiliens,
dass ein neues Konsortium gefunden wurde. Wir
vermuten, dass dieses Konsortium mit seinem
LN-Dossier 9
33
Unternehmen irgendwie verbunden ist. Er konnte
sich so als ‚Retter’ der WM für Cuiabá präsentieren“, resümiert Caio. Die Arena Pantanal liegt am
Rand der Innenstadt und da hier bereits ein Stadion
seinen Standort hatte, mussten keine Häuser weichen, um für die WM zu bauen. „Das ist ein großer Unterschied zu anderen Austragungsorten der
WM. Die Baumaßnahmen führen in Cuiabá nicht
notwendigerweise zu Vertreibungen“, stellt Camilo
fest. Doch das gilt nicht für alle Teile der Stadt.
Auf dem Weg zu einem der Viertel, in dem Häuser abrissen werden sollen, um einer neuen Entlastungsstraße Platz zu machen, liegt ein kleiner
Bach inmitten tropischer Vegetation, der Córrego
Barbado. Der Gestank ist kaum zu ertragen. Ohne
städtische Abwasserentsorgung haben sich die
29 Bäche und Zuflüsse zum Cuiabá-Fluss mit der
wachsenden Stadt in Abwasserkanäle verwandelt. 19 von ihnen gelten bereits als „tot“, wie die
Tageszeitung Diario de Cuiabá 2013 meldete. Und
auch hier baut die SECOPA, das Sonder-Sekretariat für WM-Aufgaben. Doch es geht nicht darum,
den Bach zu schützen und die Wasserqualität zu
verbessern. Der Córrego Barbado soll vollständig
kanalisiert werden, um entstehende Freifläche für
die Entlastungsstraße zu nutzen.
Zwanzig weitere Minuten durch dichten Verkehr stehen wir dort, wo die neue Avenida Parque do Barbado die bestehende Hauptstraße kreuzen soll. Sie
wird über dem Corrégo Barbado mitten durch ein
ärmeres Stadtviertel mit kleinen Häusern führen.
„Es wurde angekündigt, dass 900 Familien aus vier
Stadtteilen ‚umgesiedelt’ werden“, berichtet Caio.
Aber dieses Projekt wurde schon dreimal geändert,
es gab Versammlungen mit den Bewohner_innen,
öffentliche Anhörungen und Proteste. Das hat gewirkt, wenn auch nur teilweise. „Heute gehen wir
davon aus, dass weniger als 100 Familien ihre Häuser verlassen müssen“, berichtet Caio. „Vor drei Monaten traf es acht Familien, die Geld erhielten und
einen städtischen Lkw für den Umzug benutzen
konnten.“ Ein neues Haus aber, das bekommen sie
nicht. Der Grund für diese „Umsiedelung“ ist der
Bau der neuen Straßenbahn, der VLT.
Der VLT, wie die neuen städtischen Bahnen genannt werden – ist hier das teuerste aller WMProjekte: 1,47 Milliarden Reais, knapp 470 Millionen Euro also, werden in Cuiabá für 22 Kilometer
Straßenbahn ausgegeben, die den Flughafen mit
der Innenstadt verbinden soll. Dabei kämpfen die
Ingenieur_innen vor allem mit der Technik. Im Juni
2013 wurde bekannt, dass die Niveau-Abweichungen im Untergrund zum Teil 40 Zentimeter betragen – zwei Zentimeter sind aber bereits ausreichend, um die Bahnen entgleisen zu lassen. Noch
ist völlig offen, ob die Fertigstellung der Bahnlinie
bis zur Eröffnung der Weltmeisterschaft gelingen
wird. Das Basiskomitee in Cuiabá bezweifelt es,
hält es für möglich, dass der VLT gar nicht in Betrieb genommen wird. „Ich sehe das so, dass die
WM niemals nach Cuiabá hätte kommen dürfen,
nicht mal nach Brasilien“, fasst Camilo seine Kritik zusammen: „Das Land braucht Dinge, die viel
wichtiger sind, vor allem ein gutes Gesundheitsund Bildungssystem.“
// Claudia Fix
Weißer Elefant Milliarden-Neubau für 4.000 Zuschauer_innen
„WO SOLLEN WIR HIN,
WENN SIE UNS HIER VERTREIBEN?“
SEXARBEITER_INNEN SOLLEN AN DEN WM-AUSTRAGUNGSORTEN AUS DEM ÖFFENTLICHEN
RAUM VERSCHWINDEN
Im Vorfeld der in Brasilien anstehenden Spiele werden Prostituierte entweder als Täter_
innen stigmatisiert oder sie werden als Opfer
dargestellt, die von Menschenhandel betroffen sind und geschützt werden müssen. Gegen diese Pauschalisierungen setzen sich die
Sexarbeiter_innen nun zur Wehr.
Rio de Janeiro, Zentrum, bei dem Hotel Paris stehen die Fenster offen. Früher nahmen in diesem
stadtbekannten Etablissement Prostituierte ihre
Kunden mit auf die Zimmer. Seit drei Jahren steht
das ehemalige fünfstöckige Stundenhotel im Belle Époque-Stil leer. Zwei Franzosen haben es für
den Schnäppchenpreis von 500.000 Euro gekauft.
Diese planen dort das erste Fünf-Sterne Luxushotel in der Altstadt Rios zu eröffnen, unweit der
beliebten Ausgehmeile von Lapa.
Den Unternehmern gehören bereits zwei Luxusvillenunterkünfte in der Südzone Rio de Janeiros
mit Übernachtungspreisen für 300 Euro, nun wollen sie in der Innenstadt weitere Möglichkeiten
für wohlhabende Tourist_innen schaffen.
Seit Jahren werden die Straßenzüge um das Hotel am Praça Tiradentes saniert. Genauso lange
engagiert sich die Prostituiertenorganisation Davida (siehe LN 279/280 und 377), die ihren Sitz im
Hotel Paris hatte, gegen die „Revitalisierung“ des
Stadtteils und die Verdrängung der Prostituierten.
Mit dem Anbringen der ersten Überwachungskameras bei einer Bankfiliale, die auch die Kneipen
der traditionellen Rotlichtstraße filmt, verschwinden Prostituierte und Kunden zunehmend aus
der einstigen Mischung aus Studenten_innen
und Partygänger_innen. Trotz der Kulturoffensive
mit eigener Karnevalsgruppe, den Modenschauen
des Prostituiertenmodelabels Daspu und Ausstellungen von Grafittikünstler_innen in den Stundenhotels, setzt sich die Gentrifizierung wie in anderen Altstadtzentren brasilianischer Städte durch.
Seit dem Zuschlag der Männer-Fußballweltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Spiele 2016
für Rio de Janeiro, möchte sich die Stadt von ihrer
organisierten Seite zeigen. In diesem Zusammenhang können die zahlreichen „Hygienisierungs“Maßnahmen gesehen werden. Wollte der Bürgermeister Eduardo Paes noch letztes Jahr den
Verkauf der Kokosnüsse am Strand verbieten,
was ihm aufgrund des Widerstandes der Bevölkerung nicht gelang, widmet er sich nun der Vertreibung von Sexarbeiter_innen aus dem öffentlichen
Raum.
Im Zusammenspiel mit den Medien wird in der
Öffentlichkeit die negative Stimmungsmache
gegen Prostituierte angeheizt. Die Themen Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Kindern
und Prostitution werden nicht differenziert, sondern in einen Topf geworfen. Entweder werden
Sexarbeiter_innen als Täterinnen stigmatisiert,
die ihre Kunden mit K.O.-Tropfen betäuben und
ausrauben oder sie werden als Opfer dargestellt,
die von Menschenhandel betroffen sind und geschützt werden müssen. Bei Razzien lässt sich
die Polizei von Fernsehfilmteams begleiten, die
alle Anwesenden abfilmen. Die Aufnahmen der
Polizeirazzien, die im Fernsehen gezeigt werden,
dienen zur öffentlichen Ächtung der Frauen. Dabei wird gegen die Wahrung der Persönlichkeitsrechte verstoßen, denn viele haben Kinder, die
sie vor Vorurteilen und Diskriminierung schützen
möchten.
Wenn der Schutz im Vordergrund stehen würde, drängt sich die Frage auf, warum die alteingesessene Diskothek Help an der Copacabana
geschlossen wurde. Im Januar 2010 wurde die
Disco von Rios Gouverneur, Sergio Cabral, enteignet und geschlossen, um dort das Museum
für Bild und Ton zu errichten. Nun steht dort seit
über drei Jahren ein mit Graffiti bemalter Bauzaun. Es gibt keine Anzeichen irgendeiner beginLN-Dossier 9
35
nenden Bautätigkeit. Hier war der Treffpunkt von
Sexarbeiter_innen mit Tourist_innen aus anderen Ländern. Die Sexarbeiter_innen waren dort
selbstständig tätig und konnten sich ihre Kunden
aussuchen. Für alle galt das gleiche Eintrittsgeld,
die Frauen konnten unabhängig mit ihren Kunden verhandeln und behielten den gesamten
Verdienst für sich.
In Folge der Schließung beeilten sich umliegende Restaurants, Maßnahmen zu ergreifen, um
nicht als Kontaktplatz zu dienen. „Die Restaurants stellen Pflanzentöpfe um ihre Tische auf
dem Bürgersteig auf, damit wir potentielle Kunden nicht ansprechen. Und dann wurden Sicherheitsleute angestellt, die uns daran hinderten,
die Restaurants zu betreten“, beklagt sich eine
Sexarbeiterin.
Foto: Friederike Strack
Hotel Paris Wandbemalung im Stundenhotel
36
LN-Dossier 9
Viele der Sexarbeiter_innen sind zum anderen
Ende der Copacabana an den Praça Lido gezogen. Insbesondere das Café Balcony bekam Zuwachs, da hier Prostituierte die Kontrolle über ihre
Arbeitsbedingungen haben, wie eine der Frauen
hervorhebt: „Ich habe Männer abgelehnt, die
mich haben wollten, aber mit denen ich nicht gehen wollte. Wenn ich nicht arbeite, kann ich mit
Freunden reden.“
Auch der Umbau des Hafenviertels durch das
Großprojekt „Porto Maravilha“ ist ein weiteres
Prestigeobjekt, bei dem die Prostituierten nicht
integriert wurden. Schon wieder stehen sie dem
Bau eines Museums im Wege. Das Museum der
Zukunft soll auf die Hafenpier am Praça Mauá
gebaut werden. Mit der kommerziellen Stadtumstrukturierung haben hier nach und nach die
Nachtklubs, die früher von den Matrosen frequentiert wurden, geschlossen. Nur der Club Kalesa
existiert noch als hipper Partyclub, allerdings jetzt
für ein anderes Klientel.
Urbane Umstrukturierungen für sportlichen Großereignisse werden auch an anderen Austragungsorten der Fußball-WM in Brasilien durchgeführt.
Anfang August wurden in Manaus 16 Stundenhotels in der Altstadt von 200 Militärpolizisten, die
mit Maschinengewehren die Zimmer stürmten,
durchsucht. Die Polizeioperation „Sicheres Zentrum“ versiegelte alle Lokale. Die Stadtregierung
hat die Enteignung der Hotels angekündigt, um
die Stadt von dem „sozialen Makel“ der Prostitution zu befreien und die Sanierung der Innenstadt
voranzutreiben.
Gleiches ist in Recife geplant. Laut Nanci Feijó,
von der Sexarbeiterinnenorganisation Pernambucos APPS, gab es dort im März eine öffentliche
Anhörung über den Vorschlag, Straßenbewohner_innen und Prostituierte aus dem öffentlichen
Raum zu entfernen. Daher bieten die Frauen von
APPS Aufklärungsarbeit unter den Kolleg_innen
an und planen, Polizeiaktionen zu dokumentieren
und anzuzeigen, wenn es zu Verletzungen ihrer
Rechte kommen sollte.
In Belo Horizonte dagegen wurden die Vertreterinnen von Aprosmig, der Prostituiertenorganisation des Bundesstaates Minas Gerais, nicht in die
Gespräche einbezogen. Sie befürchten durch den
Bau eines neuen Hotels, dass sie von ihren anliegenden Arbeitsplätzen vertrieben werden. „Wo
sollen wir hin, wenn sie uns hier vertreiben?“, fragt
die Aprosmig-Vorsitzende Cida Vieira. „Wir kämp-
fen für das Recht, hierzubleiben und respektiert
zu werden“, empört sie sich und fügt hinzu: „Wir
haben schon den Vorschlag einer öffentlichen Anhörung gemacht, zusammen mit der Bewegung
von anderen, die durch die WM ausgeschlossen
werden.“
Die Sexarbeiterinnen aber gingen in die Offensive. Sie beschlossen, sich auch ein Stück von dem
WM-Kuchen abzuschneiden: Kostenlose Englisch, Französisch- und Spanischkurse werden den Kolleginnen angeboten, die nun die Schulbank drücken, um auch den spezifischen Wortschatz für
ihr Gewerbe zu lernen. „Täglich haben wir Kontakt
zu Ausländern auf der Straße und in den Clubs“,
betont Cida Vieira die Bedeutung der Professionalisierung durch den Spracherwerb. „Wir wollen
uns fortbilden, um eine bessere Dienstleistung
anzubieten.“
Allerdings zeigen die Erfahrungen der WM in
Deutschland und in Südafrika, dass der erhoffte
Anstieg von Kunden und damit ein größerer Verdienst oft nicht eintrifft. Die Fußballfans von heute besuchen seltener Bordelle, wie verschiedene
Studien zeigten. In Brasilien sollen nun die Tourist_innen schon bei der Einreise in Brasilien verschreckt werden. An der Migrationskontrolle der
Flughäfen in Recife und Salvador hängen die Plakate der Staatsanwaltschaft für Arbeit, die einen
Mann hinter Gittern zeigen. Den ankommenden
Tourist_innen wird gleich verdeutlicht, dass die brasilianische Gastfreundschaft Grenzen hat: „Wenn
Du nach Sextourismus Ausschau hältst, haben wir
bereits das beste Zimmer der Stadt reserviert“, ist
die aufgedruckte Botschaft. Die Zielsetzung der
Kampagne, Kinder vor sexueller Ausbeutung zu
schützen, steht nur im Kleingedruckten. Stattdessen wird der Anschein erweckt, dass Prostitution
in Brasilien illegal sei. Dies ist nicht der Fall.
Aber die Regierung stuft Sextourismus als Gefahr
für die öffentliche Sicherheit ein. Im August dieses Jahres wurde im offiziellen Amtsblatt erklärt,
wie unter anderem um „harmonische und friedliche Spiele“ zu garantieren seien. Die Lösung: mit
Hilfe des brasilianischen Geheimdienstes ABIN
wird der Sextourismus als Gefahrenrisiko analysiert – und mit Terrorismus und Organisierter Kriminalität gleichgestellt.
Da kommt der Gesetzesentwurf des Parlamentsabgeordneten Jean Wyllys von der linken Partei
PSOL zur Regulierung der Prostitution, den er
2012 im Parlament eingereicht hat, rechtzeitig,
um die Debatte vor der WM anzustoßen. Mit
Beratung durch das Brasilianische Prostituiertennetzwerkes wird hier definiert, dass Sexarbeiter_innen nach 25 Jahren Tätigkeit die Rente
beantragen können und die Arbeitsstätten legalisiert werden. Wyllys erinnert daran, dass die
Prostitution bei der WM 2006 in Deutschland
zuvor als Beruf anerkannt wurde und dies zu keiner Erhöhung des Menschenhandels geführt hat,
wie selbst Polizei-Studien ergeben haben. Auch
in Südafrika wurde über eine Legalisierung diskutiert, aber nicht umgesetzt.
„Wir wollen eine bewusste WM machen und den
Moment nutzen, um eine Diskussion über die
Rechte von Sexarbeiterinnen zu nutzen“, bekräftigt die Aktivistin Cida Vieira. Jedoch befindet sich
der Gesetzesentwurf zur Begutachtung in der
Menschenrechtskommission unter Vorsitz des
evangelikalen Abgeordneten Marco Feliciano (siehe LN 466 und 469/470).
Dieser Gesetzesentwurf war auch Thema bei der
Untersuchungskommission über Menschenhandel am 13. August in Brasília. Es wurde berichtet,
wie Frauen in ihrer Bewegungsfreiheit gehindert
wurden, als sie nach Angola reisen wollten. Allein
der Verdacht, dass sie Opfer von Menschenhandel werden könnten, reichte aus, sie nicht ausreisen zu lassen.
Dies erinnert an den Versuch des EU-Kommissars für Justiz, Freiheit und Sicherheit, Franco
Frattini, der zur Weltmeisterschaft 2006 Frauen
aus Ländern, die des Menschenhandels verdächtigt wurden, nicht einreisen zu lassen, um den
Menschenhandel zu verhindern. Dass derartige
Präventivmaßnahmen die Bürgerrechte beschneiden, wird auch von der Organisation Global Alliance against Traffic in Women (GATTW) in ihrem
Bericht „Was sind die Kosten eines Gerüchtes“
über Mythen und Fakten von Sportereignissen
und Menschenhandel bestätigt.
Sowohl bei der Weltmeisterschaft in Deutschland,
wie auch bei der in Südafrika, tauchte die These
auf, dass zur WM 40.000 Frauen aus dem Ausland als Opfer von Menschenhandel „importiert“
würden, was von den Medien regelmäßig wiederholt wurde.
Bleibt die Frage offen, wann in Brasilien nun die
Zahl 40.000 auftaucht, vor denen dann die renovierten Türen des Hotel Paris geschlossen werden müssen.
// Friederike Strack
LN-Dossier 9
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BLATTER UND DIE STROLCHE
BRASILIENS FUSSBALLFUNKTIONÄRE SIND TIEF IN KORRUPTIONSAFFÄREN VERSTRICKT
Treffsicherheit war sein Markenzeichen: Romário,
Brasiliens überragender Spieler und Toptorjäger
beim WM-Triumph 1994. Nach eigener Rechnung
hat er in seiner Laufbahn insgesamt 1.000 Tore geschossen. Der Weltfußballverband FIFA schreibt
ihm offiziell „nur“ 902 zu. Treffsicher ist auch sein
Humor: Als Reaktion auf seine Nichtnominierung
für die WM 1998 ließ er in einem Café in Rio, dessen Mitbesitzer er war, an die WC-Tür eine Karikatur anbringen. Darauf abgebildet: Der damalige
Nationaltrainer Mario Zagallo, der auf einer Toilette
sitzt. Daneben die Fußballlegende Zico, Technischer
Treffsicher
Fußball-Crack heute im
Parlament
Direktor des 98er Teams, dienstbar mit einer Klopapierrolle in der Hand. Beide waren not amused, Zagallo erwog gar eine Klage. Angesichts dieser Treffsicherheit muss sich Brasiliens Verbandspräsident
José Maria Marín durchaus Gedanken machen, ob
er nicht zum nächsten Opfer des 47-Jährigen wird.
Denn Romário sitzt inzwischen für die Sozialistische
Partei im Parlament und hat sich dort dem Kampf
gegen Korruption verschrieben. Zudem ist Romário
das Zugpferd der Kampagne „Weg mit Marín!“, die
Anfang Mai auf Initiative des Fußballfanverbands
Frente dos Torcedores (Fan-Front) in Rio de Janeiro gestartet wurde. Und das aus gutem Grund.
Maríns Vita mit schillernd zu beschreiben, wäre
beschönigend. Unbestritten ist, dass er seine politische Karriere während der Militärdiktatur (1964
–1985) gemacht hat. Unbestritten und durch 2012
ans Tageslicht gekommene Parlamentsprotokolle
belegt, ist, dass er im Oktober 1975 als Abgeordneter der Arena-Partei, die gemeinsam mit den
Militärs regierte, ein Vorgehen gegen die kritische
Presse von São Paulo forderte. Diese Forderung
blieb nicht folgenlos. Wenige Tage später wurde der TV-Journalist Vladimir Herzog im Zuge der
Operation „Bandeirantes“ gefoltert und in der Haft
ermordet – vom Militärregime als Selbstmord ver-
Foto: José Cruz / Agência Brasil / CC by 3.0
Die Brasilianer_innen sind bekanntermaßen
fußballbegeistert. Doch das hielt sie während
des Confederations Cups diesen Sommer
nicht davon ab, ihrem Unmut über den desaströsen Zustand der öffentlichen Infrastruktur
und die allseits verbreitete Korruption freien
Lauf zu lassen. Korruption, die auch vor dem
brasilianischen Fußballverband CBF nicht
Halt macht. Ricardo Teixeira musste deswegen 2012 den Platz an der Verbandsspitze räumen. Ob sein Nachfolger, José María
Marín, die WM noch im Amt erleben wird, ist
zweifelhaft.
Foto: Marcelo Camargo / Agência Brasil / CC by 3.0
kauft. Zumindest geistige Brandstifterschaft muss
Marín sich vorwerfen lassen. „Ein Funktionär, der
für Willkür, Folter und Mord zu Diktaturzeiten steht,
darf nicht den brasilianischen Fußball repräsentieren“, erklärte Alessandro Moron, Bundesabgeordneter der regierenden Arbeiterpartei PT. Morons
Meinung steht stellvertretend für die Unterstützer_innen der Kampagne, der auch Ivo Herzog, der
Sohn des Ermordeten angehört. Ivo Herzog hat mit
Unterstützung von Menschenrechtsgruppen bereits 55 000 Unterschriften zur Absetzung Maríns
gesammelt. Die wurden samt der Petition „Weg
mit Marín!“ von Romário und Ivo Herzog dem brasilianischen Fußballverband CBF überreicht. „Das
Leben von José Maria Marín ist verbunden mit denjenigen, die die Diktatur in Brasilien gestützt haben.
Wir können nicht zulassen, dass Marín den Ruhm
erlebt, dem größten Event in unserer Geschichte
(der Fußball-WM 2014, d. Red.) vorzustehen“, heißt
es in der Petition. Sie wurde auch den 20 ErstligaClubs sowie den 27 Landesverbänden, die im kommenden Jahr den neuen CBF-Präsidenten wählen,
überreicht. Auch die Wahrheitskommission, die vor
einem Jahr zur Aufklärung der Diktaturverbrechen
eingesetzt wurde, kündigte an, Marín zur Vernehmung vorzuladen.
Der 80-jährige Marín, der nicht nur Chef des brasilianischen Fußballverbandes ist, sondern auch des
lokalen Organisationskomitees für die WM 2014,
steht spürbar unter Druck. Im August kündigte er
an, 2015 nicht mehr für die Verbandsspitze zu kandidieren. Dieses Zugeständnis dürfte seine immer
zahlreicher werdenden Gegner_innen allerdings
nicht besänftigen. Der schottische BBC-Journalist
Andrew Jennings geht davon aus, dass Marín bald
zurücktritt. „Die FIFA möchte ihn loswerden, weil
sie nicht dauernd an seine dreckige Vergangenheit
erinnert werden will. Für Sepp Blatter ist er nutzlos geworden, er wird ihm nicht mehr öffentlich
die Hand reichen“, sagte der renommierte und der
FIFA verhasste Enthüllungsjournalist in einem Interview gegenüber der Wiener Zeitung.
Wenn Marín zurücktritt, befände er sich in wohlbekannter, schlechter Gesellschaft. Blatters Intimus
und Vorgänger an der Spitze der FIFA, João Havelange, musste Ende April als Ehrenvorsitzender der
FIFA wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten.
Das mag den 97-Jährigen finanziell nicht treffen
und auch strafrechtlich wird er nicht mehr belangt
werden, doch seine Reputation ist am Tiefpunkt.
Von 1974 bis 1998 hatte der Brasilianer den Welt-
Freund der Militärs Verbandschef José Maria Marín
fußballverband geführt und aus Fußball ein extrem
lukratives Geschäft gemacht, zur Seite stand ihm
als Generalsekretär ab 1981 Joseph „Sepp“ Blatter.
Ein Duo des Kommerzes par excellence, das auch
die eigenen Taschen ins Kalkül einbezog. Havelange zählte zu den Hauptbegünstigten des größten
bekannten Korruptionssystems der Sportgeschichte: Die mit der FIFA verbandelte Sportrechtefirma
ISL, einst von Adidas Gründer Horst Dassler aus
der Taufe gehoben, ging 2001 in Konkurs. Im anschließenden Strafverfahren wurde strafgerichtlich
festgestellt, dass die ISL in der Zeit von 1989 bis
1999 insgesamt 160 Millionen Schweizer Franken
Schmiergeld an zahlreiche Sportfunktionäre gezahlt hatte, darunter Havelange, jedoch nicht Blatter. Doch letzterer wusste Bescheid, wie die Korruptionsermittlungen der Staatsanwaltschaft Zug
in der Schweiz gerichtsfest feststellten. Chef der
ISL war Jean-Marie Weber, ein langjähriger Freund
und Geschäftspartner Blatters. Bisher hat es der
Schweizer Blatter noch immer geschafft, sich aus
der unmittelbaren Gefahrenzone zu bringen, wenn
beim Stochern im Korruptionssumpf sein Name
auftauchte. Dafür opfert er auch langjährige Weggefährten wie Havelange.
Aus Brasilien zumindest muss Blatter keine Konkurrenz für künftige FIFA-Wahlen fürchten. Auch nicht
mehr von Ricardo Teixeira, dem Vorgänger Maríns
an der Spitze des CBF und ehemaligen Schwiegersohns Havelange, mit dem ihn auch lukrative
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Foto: A Pública / CC by 3.0
Das Kind fast beim Namen nennen Andrew Jennings
Geschäftsbeziehungen verbanden. Havelange und
Teixeira hatten die Taschen am weitesten offen, als
es darum ging, von der ISL Schmiergelder zu kassieren. Die Staatsanwaltschaft in Zug hat Teixeira
den Empfang von über 12 Millionen Franken nachgewiesen. Auch an Havelange flossen mindestens
1,5 Millionen Franken. Bei weiteren fünf Millionen
Franken, die an eine Tarnfirma flossen, vermutet
die Staatsanwaltschaft, dass Teixeira neben Havelange der zweite Empfänger war.
Teixeira, der 2007 zumindest aus seiner Sicht die
Weltmeisterschaft 2014 nach Brasilien geholt hat,
war angesichts immer neuer Korruptionsvorwürfe
nicht mehr zu halten. Im März 2012 trat er zuerst
aus „gesundheitlichen Gründen“ von seinem Amt
als CBF-Präsident zurück und übergab an Marín.
Wenige Tage später legte er auch sein Amt als
Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees nieder, was
gut in Blatters offizielle Anti-Korruptionskampagne
passte: künftig nur noch Ehrenmänner und keine
Strolche. In der FIFA-Ethik-Kommission wurden
sowohl Havelange als auch Teixeira offiziell der
Korruption bezichtigt.
Andrew Jennings ist aber davon überzeugt, dass
Teixeira aus dem Exil in Miami weiter die Fäden in
der Hand hält: „Er war und ist die bestimmende
Figur, was die Korruption rund um die WM betrifft.
Teixeira kassiert über Bauvergaben, politische Seilschaften und andere Sachen.“ Andere Sachen, wie
der jüngst publik gewordene Deal in Bezug auf die
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LN-Dossier 9
Freundschaftsspiele der brasilianischen Nationalmannschaft, der Seleção. Laut der Zeitung Estado
do São Paulo wurden und werden Teile der Einnahmen für die Auftritte der brasilianischen Auswahl
seit 2006 nicht mehr an den Verband CBF, sondern
an eine im US-amerikanischen New Jersey ansässige Privatfirma überwiesen. An eine Agentur
namens Uptrend Development LLC, die dem Präsidenten des FC Barcelona, Sandro Rosell, gehört.
Die Gelder fließen dem Bericht zufolge vom Rechtehalter an den Seleção-Spielen, einer Agentur namens International Sports Events (ISE), in die USA.
Die ISE residiert auf den Cayman-Inseln. Wer also
den fünfmaligen Weltmeister zum Testspiel bewegen will, muss das Finanzielle über die ISE regeln,
nicht mit dem Verband CBF. Und das obwohl diese
Spiele für den Verband die Haupteinnahmequelle
sind. Doch Teixeira hatte im März 2013, bevor er
alle Ämter abgab und sich auf sein Luxusanwesen nach Miami davonmachte, noch schnell im
Alleingang die Testspiel-Rechte der Seleção bis
2022 verhökert: an die ISE. Dabei wird er sich in
gewohnter Manier schadlos gehalten haben. Laut
Estado do São Paulo liegt dem Vertrag ein Schema der Unterschlagung zugrunde. Demnach fließen pro Freundschaftsspiel knapp 1,6 Millionen
US-Dollar Antrittsgage an die ISE. Davon werden
nur 1,1 Millionen an den CBF weitergereicht, rund
450.000 Dollar aber wanderten auf die Konten der
US-Firma, die in Rosells Besitz ist. Ein Jahr vor der
WM versinkt Brasiliens Fußball so immer tiefer in
der Korruption. Auch zum Verdruss der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff, die sich selbst
schon während des Confed-Cups im Beisein korrupter Fußballfunktionäre schrillen Pfeifkonzerten
ausgesetzt sah. Mehrfach deutete Rousseff ihre
Unzufriedenheit über die Leitung des Verbands an.
Staatsunternehmen wurden angewiesen, keine
Werbeverträge mit dem CBF abzuschließen.
Ein Hoffnungsschimmer ist eine Gesetzesinitiative zur Demokratisierung des brasilianischen
Fußballwesens. Darin wird Fußball als Kulturgut
definiert und der Verwaltung durch eine Gruppe selbstherrlicher Funktionäre und einer privatrechtlichen Organisation wie dem CBF eine
Absage erteilt. Gefordert wird eine öffentliche
Kontrolle, Transparenz und die Einbeziehung der
Fans. Eine Steilvorlage für den einstigen Torjäger
Romário. Bei der Verwandlung ist er allerdings auf
Rousseffs Unterstützung angewiesen.
// Martin Ling
EIN ANDERER FUSSBALL
IST MÖGLICH
VOR DREISSIG JAHREN FÜHRTE MITTEN IN DER BRASILIANISCHEN MILITÄRDIKTUR DER
FUSSBALLKLUB CORINTHIANS BASISDEMOKRATIE EIN: DIE DEMOCRACIA CORINTHIANA
Die Zeiten waren unruhig in Brasilien. 1982
steuerte die Militärdiktatur auf ihr Ende zu,
es waren Zeiten des Aufbruchs, politisch wie
kulturell. Dass solche Zeiten auch den Fußball erfassen, ist keineswegs selbstverständlich. Aber in Brasilien, in São Paulo, bahnte
sich eines der größten Wunder der Fußballgeschichte an.
Das Entstehen von etwas Neuem ist meistens
mit einer Krise des Alten verbunden. Der Sport
Club Corinthians Paulista, den alle nur kurz Corinthians rufen, ist einer der populärsten Vereine
des Landes. Aber 1981 läuft es sportlich nicht gut.
Dies begünstigt die wachsende Unzufriedenheit
mit dem autoritären Clubpräsidenten, Vicente
Mateus, einem erklärten Freund der Miltärdiktatur. Die Wahl eines neuen Präsidenten soll die Gemüter beruhigen. Der alte Trick: eine Änderung,
um Kontinuität zu garantieren. Aber sportliche Erfolglosigkeit und der wachsende Druck der Fans
bewegen den neuen Präsidenten Waldemar Pires
zu einer größeren Offenheit. Aber der große Umschwung beginnt, als er 1982 den bärtigen Soziologen Adílson Alves – Sohn eines ehemaligen Vereinspräsidenten – zum Chef der Fußballabteilung
ernennt. Damit beginnt eine demokratische Öffnung im Club, die Democracia Corinthiana.
Adilson hört die Spieler an und diskutiert mit ihnen
die Zukunft des Clubs. Diese partizipative Kultur
erreicht ihren Höhepunkt, als 1983 die Spieler für
ihren Kollegen Zé Maria als Trainer plädieren – und
erhört werden.
Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira
de Oliveira, von allen nur Sócrates oder Doutor
– Doktor – genannt, einer der Hauptfiguren der
Democracia Corinthiana, beschreibt diese Zeit:
„Wir haben jede Entscheidung kollektiv getroffen
und uns an der gesamten Clubführung mitbeteiligt.“ Und dabei stets auf absolutes Gleichheitsni-
veau geachtet: „Der einfachste Angestellte hatte
das gleiche Gewicht wie der Repräsentant des
Unternehmens, seine Stimme hatte den gleichen
Wert. Es war alles sehr demokratisch,“ berichtete
Sócrates im Nachhinein. „Diese Zeit war wunderbar und hat uns alle verändert“, schwärmte der
langaufgeschossene Mittelfeldspieler. „Die Personen, die in dieser Mikrogesellschaft involviert
waren, haben ständig kommuniziert, jeder hat
teilgenommen und mit entschieden. Die Neuen
waren am Anfang wirklich verzweifelt: »Warum
spricht hier niemand über Fußball?«“
Ein solche Entwicklung ist nur denkbar in besonderen Zeiten. Die Politisierung der Gesellschaft
erfasste damals alle Bereiche. Die Gesellschaft
war in Aufbruch und Aufruhr, heute würde man
von einem brasilianischen Frühling reden – der
aber nicht so schnell verblühte. „Corinthians war
die perfekte Metapher für die Situation des Landes. Der Club kam von einer autoritären Führung,
befand sich in einer Krise und die Spieler wollten
mehr Partizipation – wie das ganze Land.“ Dennoch – die Entwicklung bei Corinthians blieb einmalig im Lande, sie war nicht Teil eines generellen
Aufbruchs im brasilianischen Fußball, sondern eine besondere, einmalige Episode.
Hinzu kam: Die Zeiten trafen auf außergewöhnliche Persönlichkeiten – nur so ist die Episode
der Democracia Corinthiana erklärbar. Meistens
werden die Spieler Sócrates, Casagrande, Zenon,
Juninho, Wladimir und Biro-Biro als Protagonisten
des Aufbruchs genannt. Aber trotz allen kollektiven Geistes kommt Sócrates dabei aber eine
überragende Rolle zu. Er ist ein erklärter Linker,
er politisiert den fußballerischen Aufbruch und
ist gleichzeitig ein genialer und äußerst beliebter Fußballspieler. 1983 und 1984 engagiert sich
Sócrates aktiv in der Kampagne für Direktwahlen,
diretas já!, die das Land mobilisiert und Demokratie fordert.
LN-Dossier 9
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Foto: wikipedia / CC by 2.0
Momente und Bewegungen brauchen auch eine
gute Kommunikation. Und hier ist eine weitere
Person erwähnenswert. Als der junge Werbefachman Washington Olivetto von den Entwicklungen bei Corinthians hört, erfindet er den Namen
Democracia Corinthiana, ein perfektes branding.
Auch der Slogan „Meisterschaft ist nur ein Detail“,
der Sócrates zusgesprochen wird, erweist sich
bis heute als eine geniale Synthese des damaligen Zeitgeistes.
Aber trotz diese Slogans war es gerade der Erfolg, der die Democracia Corinthiana zu mehr als
einer tragischen oder kuriosen Fußnote in der
Geschichte des Fußballs macht. Das verrückte
demokratische Team wird 1982 Meister von São
Paulo. Siegen mag nur ein Detail gewesen sein,
aber es war ein fundamentales Detail. Gerade der
Erfolg macht aus der Episode ein wichtiges Lehrstück für den Fußball. Es geht eben auch ganz
anders! Ein anderer Fußball ist möglich und kann
sogar erfolgreich sein.
Auch wenn der Sieg nur ein Detail war – der Fußball war es nicht. Mit der überragenden Gestalt
Sócrates‘ steht die Democracia Corinthiana auch
für einen Spaß betonten Fußball. Dies verbindet
sie mit einer wichtigen und tragischen Epoche
des brasilianischen Fußballs. Sócrates und natürlich Zico waren die Heroen der WM-Teams von
1982 und 1986 – das zwar hervorragend spielte,
aber unglücklich an Italien (1982) und Frankreich
(1986) scheiterte. Dennoch steht für viele Brasilianer_innen der Fußball der Achtziger weit über
den späteren Erfolgen. Aber auch die Democracia
Corinthiana musste auf halbem Wege stehenbleiben, zu einer Episode werden, die aber immerhin
die Utopie eines anderen Fußballs aufblitzen ließ.
Sócrates ging 1984 nach Italien, auch enttäuscht
von dem Scheitern der Kampagne für Direktwahlen. Er hatte sein Bleiben in Brasilien von
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LN-Dossier 9
Mitten in der Diktatur
Vereinsrat
entscheidet
über alles gemeinsam
dem Erfolg der Kampagne abhängig gemacht.
Nach seinem Weggang kehrte langsam wieder
die Normalität bei Corinthians ein. Mit der Präsidentschaft von Alberto Dualib 1993 erreichte
diese traurige Tiefpunkte. Dualib schloss 2004
einen Vertrag mit MSI, einer Investmentgruppe,
die mit dem russischen Oligarchen Boris Berezovsky in Verbindung gebracht wurde. Corinthians wurde praktisch Eigentum der MSI. 2007
endete diese Heirat als Fall für die Polizei, die
brasilianische Justiz beendete die Kooperation
mit dem MSI wegen Korruption und Unterschlagung. Immerhin hatte sich unter den Fans von
Corinthians eine Bewegung „Weg mit Dualib!“
gebildet und starken Einfluss in Öffentlichkeit
und Verein erlangt.
Sócrates starb 2011. Er bleib bis zum Ende seines Lebens ein bekennender Linker – mit einer
Vision. „Die Mobilisierung des Volkes ist fundamental. Wir haben zwei große politische Gruppen: die organisierten Fußballfans und die Bewegung der Landlosen (MST)“, offenbarte er in
einem seiner letzten Interviews. „Die Bourgeoisie fürchtet, dass diese Gruppen noch stärker
werden. Stell dir mal vor – die größten Fangruppen in einer gemeinsamen Aktion, etwa gegen
die Erhöhung der Eintrittspreise. Der Grad der
Politisierung dieser Organisationen wird unsere
Zukunft bestimmen.“
Wenige Stunden nach dem Tod Sócrates‘ am 4.
Dezember 2011 wird Corinthians brasilianischer
Meister (siehe LN 451). Wie sein Leben ist das
timing der Fußballgött_innen voller Ambiguitäten.
Wollten sie ihn für den Spruch „Meisterschaft ist
nur ein Detail“ bestrafen? Wollten Sie noch einmal die fußballerische Tragik seines Lebens evozieren? Wie dem auch sei, Sócrates und die Democracia Corinthiana werden es überleben.
// Thomas Fatheuer
Tipps zum Weiterlesen
Hintergrund-Dossiers:
KoBra-Dossier Juli 2011 // „Menschenrechtsverletzungen durch die Vorbereitung sportlicher
Großereignisse in Brasilien“
http://www.kooperation-brasilien.org/de/kick-for-one-world/hintergrundmaterial/
dossiers /dossier-juli-2011-menschenrechtsverletzungen- durch- die -vorbereitungsportlicher-grossereignisse-in-brasilien/view
KoBra-Dossier März 2012 // „Lei Geral da Copa (PL 2330/11)“
http://www.kooperation-brasilien.org/de/kick-for-one-world/hintergrundmaterial/
dossiers/dossier-maerz-2012-lei-geral-da-copa/view
KoBra-Dossier September 2012 // „Urbanisierung in Brasilien – Was heißt eigentlich ‚Recht
auf Stadt‘?“
http://www.kooperation-brasilien.org/de/kick-for-one-world/hintergrundmaterial/
dossiers/dossier-september-2012-urbanisierung-in-brasilien-recht-auf-stadt/view
KoBra-Dossier März 2013 // „Brasilianische Medienlandschaft auf dem Weg zur Weltmeisterschaft“
http://www.kooperation-brasilien.org/de/kick-for-one-world/hintergrundmaterial/
dossiers/dossier-maerz-2013-sportliche-grossereignisse-in-brasilien/view
Dossier // „Großevents und Menschenrechtsverletzungen in Brasilien“
Herausgeberin der deutschsprachigen Übersetzung: Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin November 2012.
http://www.boell.de/publikationen/publikationen-grossevents-undmenschenrechtsverletzungen-in-brasilien-16133.html
Filme und Medien:
Video // „World Cup 2014: Who wins the match? - Copa 2014: Quem ganha com esse jogo?“
Video der ANCOP – Articulação nacional da Copa. Portugiesisch mit engl. UT, 10:30 min. Veröffentlicht am 24.Mai 2013.
http://www.youtube.com/watch?v=aAX0zSfrJK4
Video // „Domínio Público“ – „Public Domain“
Video von Paêbirú Realizações über WM und Olympia in Rio und die Folgen.
Portugiesischsprachige Version mit englischen UT.
http://vimeo.com/50479054
Webseiten:
KoBra // Laufend aktualisierte Texte finden sich auf der Projekt-Webseite der KoBra – Kooperation Brasilien (deutschsprachig)
http://www.kooperation-brasilien.org/de/kick-for-one-world/aktuelles
Infos aus erster Hand:
Comitês Populares da Copa (portugiesischsprachig)
Mehr Informationen von und über die Bürgerkomitees in den WM-Städten Belo Horizonte, Brasília,
Cuiabá, Curitiba, Fortaleza, Manaus, Natal, Porto Alegre, Recife, Rio de Janeiro, Salvador und São Paulo
http://portalpopulardacopa.org.br/
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Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Lateinamerika
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet in Lateinamerika mit AkteurInnen der historisch gewachsenen sozialen Bewegungen, VertreterInnen politischer Parteien und Institutionen
zusammen. Dabei spielen die Analyse des rohstofforientierten Entwicklungsmodells der
Region, die Verteidigung natürlicher Ressourcen, sowie die Entwicklung von Alternativen
eine wesentliche Rolle. Der zweite Schwerpunkt der Arbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung
ist die Demokratisierung der Partizipation.
Regionalbüros in Lateinamerika
| São Paulo: www.rls.org.br
| Mexiko-Stadt: www.rosalux.org.mx
| Quito: www.rosalux.org.ec
Die Regionalbüros erstellen zudem Analysen über die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation in den Ländern. Die Publikationen finden sich unter
http://www.rosalux.de/weltweit/lateinamerika/publikationen.html
Diese und weitere Informationen zur Arbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Lateinamerika
finden Sie auf Spanisch und Portugiesisch auf den Internetseiten der Regionalbüros sowie
auf Deutsch unter www.rosalux.de
Lateinamerika in der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Die Zentrale der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin koordiniert einen Arbeitskreis (AKLA),
an dem alternative Medien, VertreterInnen aus dem Stiftungsverbund, der Partei und Fraktion und kritische WissenschaftlerInnen teilnehmen sowie Veranstaltungen und Veröffentlichungen.
Der unregelmäßig erscheinende deutschsprachige E-Mail-Newsletter kann unter folgendem Link abonniert werden:
http://lists. rosaluxemburgstiftung.de/mailman/listinfo/lateinamerika-info

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