Nachahmungen nicht registrierter textiler Muster und Modelle – die

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Nachahmungen nicht registrierter textiler Muster und Modelle – die
Recht
Nachahmungen nicht registrierter textiler Muster
und Modelle – die Bekämpfung mit dem nicht ein­getragenen
Gemeinschaftsgeschmacksmuster
////////////////////////////////////////////// Thomas Seifried
Was gefällt, verkauft sich besser. Ansprechende und
neuartige Dessins sind gerade bei Textilien und Bekleidungen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Wo
gutes Design den Umsatz steigert, ist das Plagiat oft nicht
weit. Kopieren ist eben billiger als selbst entwickeln.
Gerade saisonal begrenzte Dessins werden aber wegen ihrer
kurzen Lebensdauer und der mit der Registrierung ver­
bundenen „Bürokratie“ oft nicht angemeldet. Wie also
können nicht registrierte textile Muster und Modelle gegen
Nachahmung verteidigt werden?
Ein Fall aus der Praxis:
Ein Textildesigner gab ein von ihm entwickeltes Dessin
mit dem Auftrag zur Schablonierung und zum Druck an
eine Firma in der Türkei. Diese erledigte den Auftrag wie
besprochen, bedruckte aber nicht wie vereinbart 10 000
Meter Stoff, sondern offensichtlich erheblich mehr.
Diese nicht genehmigte Überproduktion verkaufte der
türkische Auftragnehmer an einen Zwischenhändler in
Belgien, der von der nicht genehmigten Musternutzung
nichts wusste. Von dort gelangte die Ware, inzwischen
konfektioniert, an den Betreiber eines Onlineshops in
Deutschland. Auch dieser ahnte nichts von der Herkunft
des Dessins. Einige Monate nach Auftragserteilung
entdeckte der Textildesigner zufällig in diesem Onlineshop ein Damenkleid mit seinem Muster. Das Muster
war weder als nationales, noch als europäisches
(Gemeinschafts-)geschmacks­muster registriert.
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1. Urheberrecht
Urheberrechtlicher Schutz für textile Muster und Modelle
scheidet so gut wie immer aus. Von seltenen und nicht zu
verallgemeinernden erstinstanzlichen Urteilen abgesehen
(LG Leipzig GRUR 2002, 424 – Hirschgewand) wird es fast
immer an der sog. „Schöpfungshöhe“ fehlen: Textile
Designs sind „angewandte Kunst“. Hier fordert die Rechtsprechung eine besonders hohe Individualität und Originalität. Nur wenn das textile Design selbst als Kunst und
nicht etwa nur als besonders gelungen oder schön angesehen wird, ist es urheberrechtsfähig. An dieser hohen Hürde
scheitert praktisch fast immer ein Schutz nach dem
Urheber­rechtsgesetz.
2. Wettbewerbsrecht / Lauter­keitsrecht
Sind Verletzer und Nachahmer Konkurrenten, hilft bei
nicht eingetragenen Mustern gelegentlich das Lauterkeitsrecht. Im Wesentlichen gibt es hier zwei Instrumente, um
gegen Nachahmungen vorzugehen: Der Schutz von Modeneuheiten und der ergänzende wettbewerbsrechtliche
Leistungsschutz.
Schutz von Modeneuheiten
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Schutz
von Modeneuheiten hatte im Wesentlichen auf zwei
Merkmale abgestellt, die in Wechselwirkung zueinander
standen: Die Nachahmungsintensität und die „wettbewerbliche Eigenart“ des Dessins. Bei ersterer geht es um die
Ähnlichkeit von Originaldessin und Plagiat, bei der
„wettbewerblichen Eigenart“ geht es um die Individualität
und Ästhetik des Dessins an sich. Ist das Dessin überdurchschnittlich ästhetisch und gelungen, konnte dieses als
„Modeneuheit“ gegen den Anbieter der Nachahmung
verteidigt werden. Es musste sich um eine überdurch-
Foto: www.echtgefaelscht.de
schnittlich herausragende modische Neuerscheinung
handeln. Die Rechtsprechung behandelte die Fälle des
Modeneuheitenschutzes als Behinderungen im Wettbewerb.
Besonders bekannt musste das Muster nicht sein (BGH
GRUR 1984, 453 – Hemdblusenkleid). Der Schutz wurde
maximal für zwei Saisons gewährt. Der Schutz von Modeneuheiten stammt allerdings aus einer Zeit, in der für den
Schutz eines Musters grundsätzlich dessen Eintragung als
Geschmacksmuster nötig war. Das nicht eingetragene
Gemeinschaftsgeschmacksmuster existierte noch nicht.
Man wollte also eine Schutzlücke schließen. Die Modeneuheitenrechtsprechung ist daher heute mit Vorsicht zu
genießen. Eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts aus der Zeit nach Einführung des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters (OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 94 – Gipürspitze) dürfte kaum
verallgemeinerungsfähig sein.
Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz
Die aktuelle Rechtsprechung zum wettbewerbsrechtlichen
Nachahmungsschutz fordert als weiteren Bestandteil neben
der wettbewerblichen Eigenart eine „vermeidbare Herkunftstäuschung“: Das Dessin darf kein „Allerweltsdessin“ sein. Es
muss vielmehr so überdurchschnittlich individuell sein, dass
ein Betrachter davon ausgehen muss, es könne nur aus
einem ganz bestimmten Unternehmen stammen. Das Dessin
muss darüber hinaus auch bekannt sein, indem es beispielsweise beworben wurde. Denn mit unbekannten Dessins wird
man kaum die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen assoziieren. Das Muster muss also letztendlich „markenähnlich“ sein. Eine solche Bekanntheit werden textile
Designs aber nur selten haben. Entscheidungen, in denen die
Gerichte den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leis­
tungsschutz gewähren, sind dementsprechend Raritäten.
„Die besonderen Umstände“ der Nachahmung
Geht der Nachahmer besonders dreist vor, hat die Rechtsprechung gelegentlich auch bei einem geringeren Maß an
Übereinstimmung mit dem Originaldessin eine Wettbewerbsverletzung angenommen: Nach der Rechtsprechung
können besondere unlautere Begleitumstände auch bei nur
nahezu identischen Nachahmungen wettbewerbswidrig
sein, etwa wenn dem Nachahmer das Muster bei Vertragsverhandlungen anvertraut wurde (BGH GRUR 1983, 377 –
Brombeer-Muster). Besondere Dreistigkeit bei dem Zustandekommen der Kopie kann also bisweilen über eine
geringere Ähnlichkeit der Muster hinweghelfen.
Im Beispielsfall war das Dessin weder urheberrechtsfähig,
noch waren Designer und Anbieter der Nachahmung
Wettbewerber. Damit blieb dem Designer nur noch das
Geschmacksmusterrecht.
3. Geschmacksmusterrecht –
Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster
Das wichtigste und immer noch fast unbekannte Recht bei
kurzlebigen Dessins ist das „nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster“. Es schützt seit Inkrafttreten im
Jahr 2002 jedes Muster, das neu und eigenartig – also
einigermaßen individuell und originell ist und in der
Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht („offenbart“)
wurde. Das heißt, das Muster muss im Gemeinschaftsgebiet
veröffentlicht worden sein. Das gilt auch dann, wenn das
Muster zwar außerhalb des Gemeinschaftsgebiets veröffentlicht, aber innerhalb der Gemeinschaft bekannt geworden
ist. (BGH GRUR 2009, 79 – Gebäckpresse). Neu ist das
Muster, wenn weltweit bei Veröffentlichung weder identische Muster, noch Muster mit nur unwesentlichen
Unterschieden existiert haben. Gleichzeitig führt jedes auch
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außerhalb der Europäischen Gemeinschaft veröffentlichte
identische oder nahezu identische Muster dazu, dass ein
Muster nicht mehr als neu gilt.
Markteinführungen und Produktpräsentationen außerhalb der Gemeinschaft – etwa
auf Messen – können daher die Neuheit des
eigenen (!) Musters zerstören. Das Muster
ist dann als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht mehr
schutzfähig. Hier hilft in aller Regel nur der
Schutz des Musters in dem jeweiligen
außergemeinschaftlichen Land der Markteinführung durch Registrierung bei dem
jeweils zuständigen Amt.
Veröffentlicht ist ein Muster, wenn es die in der Gemeinschaft tätigen Fachkreise wahrnehmen konnten, etwa wenn
es auf einer Messe ausgestellt, in einem Katalog abgebildet
oder in der Werbung verwendet wurde. Auch die Bekanntmachung eines eingetragenen Geschmacksmusters im
deutschen Geschmacksmusterblatt lässt ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster entstehen. Eine
zwölfmonatige Neuheitsschonfrist wie bei dem eingetragenen Geschmacksmuster gibt es beim nicht eingetragenen
Gemeinschaftsgeschmacksmuster naturgemäß nicht.
Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster
schützt drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Offenbarung gegen
vorsätzliche Nachahmung. Im Ausgangsfall hatte der
Designer den Katalog, in dem das Dessin das erste Mal
abgebildet war, aufbewahrt. Er konnte damit nachweisen,
dass sein Dessin vor dem erstmaligen Angebot in dem
Onlineshop offenbart worden war.
Tipp:
Erste Veröffentlichungen eines Mu­sters,
auch unter dem Schutz einer Vertraulichkeitsvereinbarung, sollten wohlüberlegt
sein. Denn auch der Verstoß gegen eine
Vertraulichkeitsvereinbarung kann dennoch
eine Offenbarung zur Folge haben (BGH
GRUR 1993, 466 – Reprint-Versendung).
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Schutzumfang des nicht eingetragenen
Gemeinschaftsgeschmacksmusters
Der Verletzer muss also in einem Prozess grundsätzlich
vortragen, dass der Nachahmer das verletzte Dessin gekannt
hat. Dabei helfen ihm aber die Regeln des deutschen
Zivilprozessrechts über den Anscheinsbeweis: Eine hohe
Übereinstimmung der sich gegenüberstehenden Muster
wird in aller Regel zu einem Anscheinsbeweis für eine
Nachahmung führen. Letztendlich muss also dann der
Nachahmer darlegen und beweisen, wie und wann das
nachgeahmte Dessin entstanden ist (vgl. BGH GRUR 1967,
375 – Kronleuchter).
Tipp:
Um im Verletzungsprozess nicht in
Beweisschwierigkeiten zu geraten, sollte
der Entwicklungsprozess eines Dessins
genau mit Zeitangaben dokumentiert
werden. Im Gegensatz zum eingetragenen
Geschmacksmuster schützt das nicht
eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster aber nicht gegen unabhängig
geschaffene Parallelentwürfe.
Ansprüche des Rechtsinhabers gegen den
Verletzer und gegen Dritte
Der Rechtsinhaber kann von dem Verletzer Unterlassung
weiterer Verletzungen, Schadenersatz und Auskunft
fordern. Besonders unangenehm für den Verletzer ist in der
Praxis oft der Auskunftsanspruch. Dieser soll es dem
Verletzten ermöglichen, seinen Schaden zu berechnen,
nachdem Auskunft erteilt wurde. Der Verletzer muss aber
beispielsweise auch angeben, zu welchen Preisen er die
rechtsverletzenden Waren eingekauft und auch verkauft hat.
Er muss darüber hinaus seine gewerblichen Abnehmer
und seine Vorlieferanten angeben.
Der Verletzte kann sich also – zumindest theoretisch –
über den Auskunftsanspruch Schritt für Schritt zu dem
Hersteller des Plagiats vorarbeiten und den jeweils nächsten
in der Lieferantenkette als Verletzer in Anspruch nehmen.
Seit dem 1. Oktober 2009 gibt es die sog. „Drittauskunft“.
Auskunftspflichtig sind bei offensichtlicher Rechtsverletzung oder nach Klageerhebung dann unter Umständen
auch beispielsweise Spediteure, Lagerhalter oder die
Betreiber von Onlineauktionsplattformen. Ist die Auskunft
des Verletzers falsch, kann die Abgabe einer eidesstattlichen
Versicherung erzwungen werden. Eine neuerliche Falschauskunft wäre dann strafbar. Falsche Drittauskünfte
machen unter Umständen den Dritten schadensersatzpflichtig. Zu ersetzen wäre der durch die falsche Auskunft
entstandene Schaden.
Ebenfalls seit diesem Datum stehen dem Verletzer zur
Sicherung seiner Ansprüche Hilfsansprüche auf Vorlage und
Besichtigung und – bei Nachahmungen im gewerblichen
Ausmaß – explizit auch auf Vorlage von Bank-, Finanz- und
Handelsunterlagen zur Verfügung. Im Ausgangsfall wurde
der Verletzer abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert.
In dieser wurde unter anderem auch Auskunft verlangt über
den Vorlieferanten. Nachdem sich die Verhandlungen über
die Schadenersatzhöhe hinzogen, wurde auch der Vorlieferant abgemahnt. Das war dem Onlineshop offensichtlich
besonders unangenehm. Man einigte sich daraufhin auf eine
nachträgliche Lizenzierung des Geschmacksmusters. Der
Designer erhielt zusätzlich Schadenersatz für die Dauer der
nicht lizenzierten Benutzung.
Fazit:
Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster bietet damit oft gerade für
kurzlebige Dessins einen Basisschutz gegen
Nachahmung. Wer längeren und umfassenderen Schutz haben möchte, kann sein
Muster bei den jeweiligen Ämtern hinter­
legen lassen. Ein zunächst nicht eingetragenes Muster lässt sich aber nur begrenzt
verstärken. Zum einen muss es spätestens
zwölf Monate nach der Erstveröffentlichung
angemeldet werden. Zum anderen kann es
dann aber für eine Nachanmeldung im
Ausland bereits an der Neuheit fehlen,
wenn die ausländische Rechtsordnung eine
Neuheitsschonfrist nicht kennt.
Die 1972 gegründete Schutzgemeinschaft Muster
und Modelle – Musterschutz – e. V. hat die Aufgabe,
die Interessen der Mitglieder am Schutz textiler Muster
und Modelle vor unbefugter Nachahmung wahr­­zu­
nehmen und die Mitglieder entsprechend zu beraten.
Die Schutzgemeinschaft hat derzeit ca. 40 Mitglieder,
bestehend aus textilen Verbänden und Unternehmen
der Textilindustrie. Der Beitritt steht jedem Unter­
nehmen der Branche offen.
Seit 1. April ist Thomas Seifried, Rechts- und
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz,
Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft. Zu seinen
Hauptaufgaben zählen: Erstberatungen im konkreten
Verletzungsfall, Beratungen bei der Anmeldung
zum Geschmacksmusterschutz, Abmahnungen
durch die Schutzgemeinschaft bei Verletzungen sowie
die Durchführung praxisorientierter Seminare.
Weitere Informationen unter:
Schutzgemeinschaft Muster und
Modelle – Musterschutz e. V.
Böhmerstraße 12
60322 Frankfurt am Main
Telefon +49 69 915076 - 21
Telefax +49 69 915076 - 22
[email protected]
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