Entwicklung von Managementkonzepten und Managementsystemen

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Entwicklung von Managementkonzepten und Managementsystemen
Prof. Dr. phil. Jürg Meier
Titularprofessor für Zoologie und Lehrbeauftragter für Qualitätsmanagement, Universität Basel
Entwicklung von
Managementkonzepten und
Managementsystemen –
Qualitätsmanagement als Basis für
gute Führungsarbeit 1
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Teile dieses Manuskripts entstammen dem Buch: Jürg Meier: Chefsache Qualitätsmanagement. Books on Demand.
Erscheint im November 2006
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Prof. Dr. phil. Jürg Meier
Es wird aufgezeigt, dass richtig verstandenes und gut implementiertes Qualitätsmanagement die organisatorische
Grundlage für gute Führungsarbeit bildet. Nach einem kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Qualitätsgedankens werden die wichtigsten Modelle für integrierte (Qualitäts-)Managementsysteme vorgestellt.
1. Qualität – ein Thema, das jede(r) versteht?
In unseren Breitengraden meint jede(r) zu wissen, was Qualität ist. Stellt man die Frage konkret, wird man mit
einer Fülle von Antworten konfrontiert. Ohne klare Definition wird unter dem Begriff Qualität Unterschiedliches
verstanden. Weil aber schon die grundlegenden Begriffe oft nicht geklärt werden, darf man sich nicht wundern, dass
die Themen Qualität und Qualitätsmanagement in der Wirtschaftswelt da und dort zum Antithema geworden sind.
Laut Deutscher Industrienorm ist «Qualität … die Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte
und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen» (DIN 55350, Teil 11).
Die ISO 9000:2000 («Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe») definiert Qualität als den «Grad,
in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt».
Zugegeben, dieses Norm-Deutsch ist schwer verständlich. Viel griffiger ist die nachstehende Definition:
Qualität ist die permanente Erfüllung vorgegebener und vereinbarter Anforderungen.
Es geht also darum, Anforderungen zu vereinbaren, die anschließend permanent über den vereinbarten Zeitraum
erfüllt werden. Anforderungen können (z.B. in Form gesetzlicher Bestimmungen) vorgegeben sein und müssen dann
ebenfalls permanent erfüllt werden. Überall dort, wo vereinbarte und vorgegebene Anforderungen permanent erfüllt
werden, entsteht Qualität.
2. Entwicklung des Qualitätswesens
Schon die alten Ägypter beschäftigten sich mit dem Thema Qualität, galt es doch beim Bau der Pyramiden im wahrsten Sinn des Wortes «Maßstäbe» anzulegen. Im Mittelalter waren es die Zünfte, die Normen und Regeln ausstellten,
also Anforderungen vereinbarten.
Mit der Industrialisierung und der damit verbundenen Arbeitsteilung Ende des 19. Jahrhunderts wurde es zunehmend wichtiger, Anforderungen zu vereinbaren bzw. vorzugeben. Um sicherzustellen, dass Vereinbarungen auch
eingehalten wurden, mussten Kontrollen durchgeführt und das Resultat der Arbeitstätigkeit überprüft werden: Die
Qualitätsprüfung und die Qualitätskontrolle waren geboren. Wurden solche Kontrollen zunächst rigoros durchgeführt, war ein nächster Schritt die Einführung von Stichprobenkontrollen. Bereits damals merkte man, dass eine
«totale» Qualitätsprüfung unwirtschaftlich war. Wenn Arbeitsprozesse gut definiert und die ausgeführten Arbeiten
gut dokumentiert wurden, konnte man die Qualitätskontrollen auf Stichproben beschränken.
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Nachhaltigkeit
In den 70er-Jahren nahm das Konzept «Qualität kann nicht geprüft, Qualität muss produziert werden» an Bedeutung zu. Nach diesem Konzept wird Qualitätssicherung über beherrschte Arbeitsprozesse, Fehlerverhütung,
Verbesserungen, Vorbeugemaßnahmen erreicht. Im Rahmen der Globalisierung wurden seit den 80er-Jahren
Systemnormen und firmenübergreifende, integrierte Managementsysteme zum Thema guter Unternehmensführung (Bild 1). Leider werden solche Konzepte dann in der Geschäftswelt oft als «Moden» erlebt, nicht richtig verstanden, entsprechend suboptimal umgesetzt und zum Albtraum der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ganzheitliches Qualitätsmanagement
Mitarbeiterorientierte Qualitätssicherung
Statistische Qualitätssicherung
Bild 1
Entwicklung des
modernen Qualitätsmanagements
Qualitätskontrolle
1910
1920
1960
1980
Zeit
Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass richtig verstandenes Qualitätsmanagement eine hervorragende organisatorische Grundlage darstellt, die das Know-how in der Organisation weitgehend unabhängig von den Mitarbeitenden
bewahren hilft, die Transparenz im Unternehmen erst ermöglicht und die Führungsarbeit in allen Organisationseinheiten erleichtern hilft.
3. Die wichtigsten (Qualitäts-)Managementmodelle
Managementmodelle sollen die drei Aspekte «Standardisierung», «Verbesserung» und «Bewertung» möglichst ausgeglichen berücksichtigen, um einen optimalen Beitrag zu «Total Quality Management» bzw. «Business Excellence»
leisten zu können (Bild 2).
Verbesserung
Bild 2
Qualitätsmanagement als Summe
von «Messen» –
«Standardisieren»
und «Verbessern»
Standard
Messen
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Unter «Messen» verstehen wir alle Massnahmen, die zur Prüfung und Bewertung der verschiedenen Aktivitäten im
Unternehmen verwendet werden. «Standardisierung» wird durch klare Festlegungen (Prozessdefinitionen, Dokumentation, Systemtransparenz) erreicht, mit denen wir bewährte und erfolgsgeprüfte Massnahmen im Unternehmen dauerhaft verankern. Mit «Verbesserung» wird sichergestellt, dass festgestellte Schwächen proaktiv angegangen
werden und über den kontinuierlichen Verbesserungsprozess in die «Standardisierung» Eingang finden.
Aus der Vielzahl möglicher Konzepte und beschriebener Modelle zum Qualitätsmanagement sind heute vier Ansätze
in der Praxis vorherrschend (Tab. 1).
Ansatz
Kundenorientiert
Prozessorientiert
Mitarbeiterorientiert
Finanzorientiert
Umweltorientiert
Six Sigma
X
X
ISO 9001/(9004)
X
X
(X)
(X)
(X)
EFQM
X
X
X
X
X
BSC
X
X
X
X
X
1
Tab. 1
Die gängigen Ansätze
im Qualitätsmanagement und ihr Hauptfokus
Diese vier Ansätze berücksichtigen die drei Aspekte «Standardisierung», «Messung» und «Verbesserung» in unterschiedlichem Masse (Tab. 2).
Ansatz
Standardisierung
Six Sigma
X
X
X
X
X
EFQM
X
X
X
X
(X)
Von der BSC als Qualitätsmanagementmodell zu sprechen, ist eigentlich falsch. Sie wird aber oft im gleichen Atemzug
mit den anderen Modellen genannt und deshalb hier mitbehandelt.
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Verbesserung
ISO 9001/(9004)
BSC 1
1
Messung
Tab. 2
Die gängigen Ansätze
im Qualitätsmanagement und ihre unterschiedliche Berücksichtigung von Standardisierung, Messung
und Verbesserung
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3.1 ISO 9001:2000
Die Qualitätsnorm ISO 9001:2000 legt als «gut genug»-Modell Anforderungen an das (Qualitäts-)Managementsystem eines Unternehmens fest. Hierbei handelt es sich um Minimalanforderungen, die erfüllt werden müssen.
Diese können im Rahmen eines Zertifizierungsaudits von einer staatlich autorisierten («akkreditierten») Zertifizierungsfirma überprüft werden. Sind diese Anforderungen erfüllt, erhält das Unternehmen ein Zertifikat, das die
Normerfüllung bestätigt.
Die prozessorientierte ISO 9001:2000 (Bild 3) ist mit den früheren ISO-9000-Modellen eigentlich nicht mehr zu vergleichen. Im Vergleich zu anderen ISO-Normen handelt es sich hierbei auch um einen so genannten «Metastandard»,
der die Frage «Was ist gut genug?» beantwortet. Das Wie der Umsetzung bleibt dem einzelnen Unternehmen überlassen. Damit beinhaltet die Norm ein Modell, das für Unternehmen aller Branchen und aller Größen als Grundlage
für ein modernes Qualitätsmanagement gleichermaßen gut geeignet ist.
Ständige Verbesserung des Managementsystems
Interessierte
Parteien
Verantwortung
der Leitung
Kunden
Kunden
Management
von Ressourcen
Bild 3
Das Managementmodell nach
ISO 9001:2000 und
nach ISO 9004:2000
Anforderungen
Interessierte
Parteien
Messung, Analyse
und Verbesserung
Zufriedenheit
Produktrealisierung
Die Stärke der ISO 9001:2000 besteht in klaren und umfassenden Forderungen zur Dokumentierung und Standardisierung (Bild 6). Das Unternehmen wird gezwungen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und bewährte
Praktiken festzulegen. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen hat die Auseinandersetzung mit der Normenreihe ISO 9000 in den letzten zwei Jahrzehnten dazu geführt, dass man das Unternehmen als System begreift und
überhaupt systematische Führungssysteme aufgebaut hat. Die Normenreihe ISO 9000 ist in mehr als 150 Ländern
ohne Änderungen in Kraft. Damit besteht zum Modell ISO 9001:2000 bezüglich globaler Akzeptanz keine nur annähernd gleichwertige Alternative.
Als Schwächen der ISO 9001:2000 sind zu nennen:
•
•
•
•
Der Schwerpunkt auf Standardisierung kann zu einem Mangel an «Verbesserungsfreudigkeit» führen.
Der externe Druck nach einer Zertifizierung hat bei vielen Unternehmen zu «aufgepfropften» ISO-Systemen
geführt. Das der Norm zugrunde liegende Qualitätsverständnis kann im Unternehmen weitgehend fehlen.
Falsch verstandenes Qualitätsmanagement kann zu einer Bürokratisierung, zu Flexibilitätsverlusten und zur
Frustration beteiligter Mitarbeiter führen.
Der Messansatz bleibt auf die Dimensionen «Kunden» und «Prozesse» beschränkt.
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Das Modell ISO 9001:2000 (Bild 4) ist kompatibel zu den «immer besser»-Modellen ISO 9004:2000 (Bild 5) und
EFQM. Es eignet sich deshalb ausgezeichnet als erster Schritt hin zu «Total Quality Management» und «Business
Excellence».
Verbesserung
Verbesserung
Bild 4
ISO 9001:2000, Lage
(links)
Standardisierung
Messung
Standardisierung
Messung
Bild 5
ISO 9004:2000(+ 9001),
Lage
(rechts)
Ende 2002 waren weltweit mehr als 500 000 Unternehmen nach ISO 9001:2000 zertifiziert. Als Führungskraft sollten
sie deshalb in der Lage sein, jemandem erklären zu können, was ein nach ISO 9001:2000 zertifiziertes Managementsystem bedeutet.
Wir tun das, indem wir gleichzeitig den von W. Deming eingeführten Deming-Kreis benützen (Bild 6). Mit
diesem «4-Punkte-Programm» treffen wir gleichsam den Kern des Qualitätsmanagements, lassen sich doch alle
Bemühungen nach diesem Schema Plan (Planen) – Do (Umsetzen) – Check (Prüfen) – Act (Anpassen) sinnvoll
angehen.
… und bei Bedarf dem
Verbesserungsprozess
zugeführt
Prozesse werden
definiert und schriftlich
festgelegt …
4 Act 1 Plan
3 Check 2 Do
… diese werden
gemessen, beurteilt,
bewertet …
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… nach diesen Festlegungen wird konsequent
gehandelt …
Bild 6
Was ein Zertifikat
nach ISO 9001:2000
aussagt (und was
Qualitätsmanagement
bedeutet)
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3.2 ISO 9004:2000
Die ISO 9004:2000 ergänzt als «immer besser»-Modell die ISO 9001:2000 ideal (Bild 4, Bild 5). Vertiefend werden die
unternehmerischen Aspekte im Hinblick auf eine eigentliche «Verbesserungskultur» einbezogen. Auch erfolgt eine
«Verbreiterung» auf alle Anspruchsgruppen (Mitarbeiter, Investoren, Lieferanten, Partner, Gesellschaft).
Es ist heute möglich, im Rahmen eines Audits durch eine Zertifizierungsfirma neben der ISO 9001:2000 auch eine
Bewertung nach der ISO 9004:2000 vornehmen zu lassen. Damit kann der Fortschritt des Managementsystems
gleichsam «validiert» werden. Festzuhalten ist allerdings, dass auf der Basis von ISO 9004:2000 keine Zertifikate
ausgestellt werden dürfen. Entsprechende Bestätigungen haben – im Gegensatz zum Zertifikat ISO 9001:2000 – also
keinen verbindlichen Charakter.
3.3 Das EFQM-Excellence-Modell
Die «European Foundation for Quality Management» (EFQM) hat ein Unternehmensführungsmodell geschaffen, das
alle Aufgaben der Unternehmensführung einschliesst. Das Modell ist in neun Kriterien gegliedert. Fünf Kriterien,
die «Befähiger», beziehen sich auf die Unternehmenspotenziale und vier Kriterien auf die Unternehmensergebnisse
(Bild 7).
Der Qualitätsansatz ist im EFQM-Modell am weitesten gefasst (Bild 8). Die Stärke des Ansatzes liegt im Aspekt
der Messung, wobei nicht nur eine Messung in den Ergebnisperspektiven, sondern auch die Vorgehensweise
(Befähiger-Kriterien) geprüft und bewertet wird. Auch eine Verknüpfung aller Tätigkeiten mit der Unternehmenspolitik und -strategie ist gefordert. Die Ausbildung von Assessoren und die Durchführung von Selbstbewertungen
(«Assessments») schaffen eine hohe Akzeptanz für identifizierbare Verbesserungen im Unternehmen.
Ergebnisse
Befähiger
Mitarbeiterbezogene
Ergebnisse
Mitarbeiter
Führung
Bild 7
Das EFQMExcellence-Modell
und seine
neun Kriterien
Politik &
Strategie
Partnerschaften &
Ressourcen
Prozesse
Kundenbezogene
Ergebnisse
Ergebnisse
der Organisation
Gesellschaftsbez.
Ergebnisse
Innovation und Lernen
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Als Schwächen des EFQM-Excellence-Modells sind zu nennen:
•
•
Es enthält kaum Hinweise zur Standardisierung.
Es wird nicht aufgezeigt, wie die in den Assessments identifizierten Verbesserungsmöglichkeiten umzusetzen sind.
Verbesserung
Standardisierung
Messung
Das EFQM-Excellence-Modell ist, wie der «Malcolm Baldridge Award» in den USA, ein «Award»-Modell. Assessments,
die auf der Basis dieses Modells durchgeführt werden, dienen jährlich zur Vergabe folgender «Qualitätspreise»:
•
•
•
•
«The European Quality Award»
«Ludwig-Erhard-Preis» (Deutschland)
«Austrian Quality Award» (Österreich)
«ESPRIX – Schweizer Qualitätspreis für Business Excellence».
Über den Wert solcher Qualitätsauszeichnungen, die mit einem Pokalgewinn im Fußball verglichen werden können,
lässt sich streiten.
Seine Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg muss ein Unternehmen im Markt beweisen und erarbeiten. Auch schützt
ein solcher Preis keineswegs davor, dass ein Unternehmen in eine Krise gerät. Mit Sicherheit lässt sich eine entsprechende Auszeichnung im Rahmen von Werbung und Public Relations ausnützen.
Qualitätspreise wollen für die Unternehmen zusätzliche Anreize bilden, in ihren Qualitätsbemühungen nicht müde
zu werden und sich einem strengen Vergleich zu stellen. Ob sich der erhebliche Aufwand lohnt, der mit einer Teilnahme an einem solchen Wettbewerb verbunden ist, liegt wiederum in der Führungsverantwortung der Unternehmensleitungen. Diese wird zu entscheiden haben, ob die Teilnahme an einem Wettbewerb dazu geeignet ist, alle
Führungskräfte und Mitarbeiter auf ein hohes Verbesserungsziel auszurichten.
Worin liegt der Unterschied zwischen ISO 9001:2000 und dem EFQM-Modell?
Sieht man von den Aspekten «Ergebnisorientierung» und «soziale Verantwortung» die explizit im EFQM-Modell
genannt werden, ab, liegt beiden Modellen dieselbe Philosophie zugrunde (Tab. 3).
Allerdings stellt das EFQM-Modell an die Bewertenden (Assessoren) höhere Anforderungen, als es das ISO-9001:2000Modell an die Auditoren stellt. Es darf bezweifelt werden, ob ein Assessor, der nicht selbst Erfahrung aus dem Topmanagement mitbringt, wirklich in der Lage ist, die im EFQM-Modell geforderte Ergebnisorientierung in einem
Unternehmen kompetent zu beurteilen.
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Bild 8
EFQM-Modell
(+ ISO 9001:2000),
Lage
Entwicklung von Managementkonzepten und Managementsystemen
EFQM-Modell
Tab. 3
Vergleich zwischen
EFQM-Modell und
ISO 9001:2000
ISO 9001:2000
Ausrichtung auf den Kunden
Kundenorientierung
Führung und Zielkonsequenz
Führung
Mitarbeiterentwicklung und
Mitarbeiterbeteiligung
Einbeziehung der Personen
(Mitarbeiterorientierung)
Management mittels Prozessen
und Fakten
Prozessorientierter Ansatz
Ergebnisorientiert
Sachbezogener Ansatz zur
Entscheidungsfindung
Kontinuierliches Lernen,
Innovation und Verbesserung
Ständige Verbesserung
Entwicklung von Partnerschaften
Lieferantenbeziehung zum
gegenseitigen Nutzen
Soziale Verantwortung
Systemorientierter
Managementansatz
3.4 Der Six-Sigma-Ansatz (6 s)
Der auf dem mathematischen Modell der Gauß’schen Normalverteilung beruhende Six-Sigma-Ansatz setzt sich zum
Ziel, möglichst geringe Fehlerraten im ppm-Bereich («ppm» = «parts per million») zu erreichen. Wer denkt, mit
Fehlerraten im Prozent- oder Promillebereich gut zu liegen, hat gemäß Gauß’scher Normalverteilung erst drei bis
vier Sigma erreicht (Bild 9).
Zu geringen Fehlerhäufigkeiten im Six-Sigma-Bereich kommt man nur über eine außerordentlich gute Prozessbeherrschung. Unter den im Modell gewählten Randbedingungen kommt es bei Produkten, die einen Sollwert von
Six Sigma unterschreiten, maximal zu 3,4 Fehlern auf eine Million Fehlermöglichkeiten.
Six Sigma wurde erstmals von Motorola angewendet. Motorola will seit der Einführung dieses Modells mehr als
14 Milliarden US$ an Fehlerkosten eingespart haben.
q= 68%
q= 95%
q= 99,9997%
Bild 9
Six-Sigma-Modell:
sechs Standardabweichungen (Six Sigma, 6s)
umfassen 99,9997 %
aller möglichen Werte
1s
2s
6s
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Die Stärke des Six-Sigma-Qualitätsansatzes liegt in der dauerhaften Verankerung der kontinuierlichen Verbesserung
(Bild 10). Es handelt sich um ein «immer besser»-Modell, das keinen Endpunkt definiert, sondern eine Reise ohne
Ende in Richtung «Total Quality Management» oder «Excellence» bedeutet.
Der Six-Sigma-Ansatz beinhaltet aber auch die folgenden Schwächen:
•
•
•
•
•
Die bedingungslose Ergebnisorientierung führt zu kurzfristigen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen.
Deshalb sind die angestrebten Verbesserungen nicht notwendigerweise strategiefokussiert.
Umfassende Überlegungen hinsichtlich Führung, Mitarbeiterorientierung und Strategie fehlen.
Die Standardisierung der Prozesse wird kaum thematisiert.
Es werden vornehmlich statistische Werkzeuge zur Messung benutzt. Die mathematisch nicht geschulte
Führungskraft hängt vom Computer ab.
Six Sigma ist nicht ohne weiteres verständlich. Es braucht im Unternehmen deshalb «Promotoren»,
die ein striktes Ausbildungsprogramm durchlaufen haben. Der Ausbildungsbedarf ist also sehr hoch.
Heute wird das Six-Sigma-Modell noch sehr stark auf die Großindustrie beschränkt angewendet. Kleine und mittlere
Unternehmen bringen die Voraussetzungen (noch) nicht mit, um Six Sigma wirklich nutzbringend anwenden zu
können.
Verbesserung
Standardisierung
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Messung
Bild 10
Six Sigma
(+ISO 9001:2000),
Lage
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3.5 Balanced Scorecard (BSC)
In den 90er-Jahren wurde die Balanced Scorecard als Strategieumsetzungshilfe entwickelt. Basierend auf der Tatsache, dass kein Geschäftsführer sein Unternehmen anhand von Hunderten Kennzahlen führen kann. Die Balanced
Scorecard soll dem Topmanagement ähnlich den Instrumenten im Cockpit eines Flugzeuges die Möglichkeit geben,
mit wenigen relevanten Kennzahlen die Lage des Unternehmens permanent zu überwachen. Aus der Erkenntnis
heraus, dass «Finanzen», «Kunden», «Prozesse» und «Entwicklung / Mitarbeiter» miteinander in enger Wechselwirkung stehen, enthält das Cockpit Kennzahlen zu diesen vier Perspektiven (Bild 11).
Finanzperspektive
Kundenperspektive
Vision und
Strategie
Bild 11
Balanced Scorecard,
Modell
Prozessperspektive
Potenzialperspektive
Die Stärke der Balanced Scorecard liegt in der klaren Ableitung relevanter Kennzahlen aus der Unternehmensstrategie. Verbesserungspotenziale werden an der aktuellen Strategie abgeleitet (Bild 12).
An Schwächen der Balanced Scorecard sind zu nennen:
•
•
•
•
Es ist nicht geklärt, wie die relevanten Prozesse zu identifizieren sind.
Die Balanced Scorecard thematisiert den Aspekt der «Standardisierung» kaum.
Eine Balanced Scorecard zu pflegen, verlangt einen verhältnismässig grossen Aufwand.
Als die grösste Schwäche der Balanced Scorecard kann man aber gerade ihre Stärke erachten. Sie ist vollumfänglich auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet. Da jedoch kaum mehr als ein Viertel aller formulierten
Unternehmensstrategien (manche Autoren sprechen von weniger als 10 Prozent ...) umgesetzt werden, stellt sich
die Frage, ob die Balanced Scorecard in der Praxis den Nutzen bringt, den man ihr in der Literatur unterstellt.
Es stellt sich deshalb die Frage: Ist die Balanced Scorecard nicht vor allem der Versuch, formulierten Strategien
den Weg in die Realität zu erleichtern?
Obwohl die Balanced Scorecard da und dort als eigenständiges «Managementmodell» verwendet wird, findet sie
heute aus der oben gestellten Frage heraus doch ihre breiteste Anwendung als Methode zur Überwachung der strategischen Umsetzung.
Verbesserung
Bild 12
Balanced Scorecard
(+ ISO 9001:2000),
Lage
Standardisierung
Messung
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3.6 Wie führt man ein (Qualitäts-)Managementsystem ein?
Den einzig richtigen Ansatz zur Einführung des Qualitätsmanagements gibt es nicht. Meine Erfahrung zeigt aber,
dass es in jedem Fall sinnvoll ist, mit dem Aufbau eines Managementsystems nach ISO 9001:2000 zu beginnen.
Folgende Gründe sprechen dafür:
1.
Grundvoraussetzung für das Gelingen jeden Bemühens um Qualitätsmanagement ist, dass wir unsere Prozesse
definieren und dokumentieren. ISO 9001:2000 zwingt uns dazu.
2.
Die ISO 9001:2000 ist die einzige internationale Anforderung, die überprüfbare Mindestkriterien zum Qualitätsmanagementsystem einer Organisation festlegt. Bei allen anderen Modellen ist der Bewertungsspielraum durch
die Assessoren grösser und weniger fassbar. Ausserdem verlangt etwa ein EFQM-Assessment eine umfassende
Beurteilung der Ergebnisse einer Organisation. Dies verlangt eigentlich, dass die Assessoren über Erfahrung als
Unternehmensleiter verfügen. Diese können aber die wenigsten Assessoren vorweisen.
3.
Die ISO 9001:2000 bildet die ideale Grundlage für jedes Weiterschreiten in Richtung «Total Quality Management». Es gibt überdies ernstzunehmende Insider, die behaupten, dass man mit der konsequenten Umsetzung
der Normen ISO 9001:2000 und ISO 9004:2000 auf Anhieb 80 % der möglichen Punktezahlen des EFQM-Modells
erreichen könne.
Ein paar kritische Worte sollen abschliessend nicht fehlen: Mit der Beurteilung von Modellen zum Qualitätsmanagement hat sich eine neue Branche entwickelt. Diese hat ein Interesse daran, sich mit neuen Produkten erfolgreich
weiterzuentwickeln. Manche der inzwischen angebotenen Qualitäts-Labels und Qualitäts-Preise gehören hingegen
in den Bereich von PR-Gags und bringen die Unternehmen im Hinblick auf Qualitätsverbesserung nicht weiter.
Man nimmt auch mit Erstaunen zur Kenntnis, wie viele so genannte «Branchen-Modelle» mittlerweile auf dem
Markt sind: Es gibt «Spezialsysteme» etwa für das Gastgewerbe, für das Gesundheitswesen, für Nonprofitorganisationen, für Universitäten usw. Den Vorstellungen, «etwas Besonderes» zu sein, liegen zum einen falsche
Vorstellungen von Qualitätsmanagement (Bsp. falsch verstandene Kunden-Lieferanten-Beziehungen im Bildungswesen) zugrunde. Zum anderen ist es oft auch das Unvermögen, sich klaren Anforderungen unterwerfen zu müssen
(Bsp. Gesundheitswesen).
4. Das (Qualitäts-)Managementsystem als Basis für gute Führungsarbeit
Wer sich mit Qualitätsmanagement einerseits und mit Menschenführung andererseits beschäftigt, stellt fest, dass es
in beiden Fällen letztlich um das permanente Erfüllen vereinbarter Anforderungen bzw. vereinbarter Ziele geht. In
beiden Fällen gilt:
1) Wir legen fest, wie wir arbeiten wollen (Soll).
2) Wir arbeiten, wie wir es festgelegt haben (Ist).
3) Wir überprüfen, ob Soll = Ist.
4) Wir verbessern, wo dies nötig ist.
Ein (Qualitäts-)Managementsystem mit definierten und dokumentierten Prozessen und einem sinnvoll aufgebauten
Kennzahlensystem, das den unterschiedlichen Risiken Rechnung trägt, wird so zur organisatorischen Basis für die
Führungsarbeit. Werden zudem die Zielsetzungen im Qualitätsmanagement konsequent auf die einzelnen Mitarbeitenden umgelagert, wird Führung im Unternehmen extrem vereinfacht.
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