66-69 Trudi_Loeffler

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66-69 Trudi_Loeffler
Das Grosse im Kleinen
Bloss eine Fläche von 30 m2 bedeckt Trudi Löfflers Garten.
Dennoch ist er unglaublich vielfältig und steckt voller
Überraschungen. Die Gärtnerin zieht mit Erfolg die Blumen
aus Samen selber heran. «Wenn man Freude an einer
Sache hat», sagt Trudi Löffler, «gelingt eigentlich alles.»
Text und Fotos: Margrit Haller-Bernhard
G
ärten sind rund um die Welt für
unzählige Menschen eine Quelle
der Kreativität, der Freude und
Erholung. Doch Gärten sind
noch viel mehr: Sie machen nachweislich
gesund, und viele Menschen fanden ihre
tiefe Beziehung zur Natur über einen
Garten. So auch Goethe. Sein erstes Gärtchen lag an der Ilm in Weimar und
weckte im Dichter eine leidenschaftliche
Liebe zur Pflanzenwelt. Es gehörte zu ei-
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nem einfachen, mit Schindeln bedeckten
Gartenhaus, worin der junge Gelehrte 6
Jahre lang wohnte. Nach dem Umzug
ins eigene Heim blieb das von Blumen
umgebene Schindelhaus für den Dichter
lebenslang ein Ort der Zuflucht und der
Stille, wo er ungestört denken und arbeiten konnte. In späteren Jahren bekannte
er: «Je älter ich werde, je mehr vertraue
ich auf das Gesetz, wonach die Rose und
die Lilie blüht.»
Jeder Garten ist einmalig in Gestaltung,
Grösse und Aussage. Eine Balkonpflanze
kann für den Stadtbewohner, der sie hegt
und pflegt, so wertvoll sein wie ein Rosengarten. Es kommt nicht so sehr darauf an,
wie gross oder klein ein Garten ist. Vielmehr ist es die liebevolle Betreuung, das
achtsame Betrachten der Entwicklung des
Samens oder Setzlings zur arteigenen
Pflanze, die den beglückenden Dialog mit
der Natur ermöglicht.
Die Gartengestalterin Trudi Löffler in ihrem
Blumenreich, umgeben von Hanseat- und FairyRosen, Flox, Cosmeen, weissem Tabak, Gräserund Malvenarten, Plectranthus, Sumpf- und
chilenischem Salbei, rosa Mohn, Thalictrum,
Pfirsichminze und weiteren Seltenheiten.
Schmetterlinge gaukeln von Blume zu
Blume, und im Vogelbad gesellen sich
zum Frosch ein paar Gefiederte. Zwischen der hellrosa, 3 m hohen Strauchrose Hanseat, dem lila- und rosafarbenen
Flox, dem Aconit, den weissen Cosmeen
und dem duftenden, hellen Tabak hängen
wie zufällig einige Vogelhäuschen. Weiter
links entfalten die rosarote BarnsleyMalve, der helle Sumpf- und der dunkle
chilenische Salbei, das Rosenbäumchen
Fairy, die 4 Sorten des Thalictrum sowie
weitere Pflanzen ihre Blüten. Bei längerem Betrachten entdeckt man inmitten
dieser Farbensymphonie auf erhöhtem
Standort auch eine Taube, die sich unter
dem zarten, rosafarbenen Blütenregen
der Chinesischen Raute niedergelassen
hat. Rund um den Sitzplatz mit Sicht auf
den Garten gibt sich eine Reihe von Gästen aus dem Hühnerhof ein malerisches
Stelldichein, und von Grün umgeben behauptet sich majestätisch der wunderschöne, grosse Tonkrug, von dem man
annehmen könnte, er habe den Weg als
Ausgrabungsstück von Knossos auf Kreta
direkt hierher gefunden.
Blick in eine Märchenwelt
Zu den reizvollsten Kleingärten in der
Deutschschweiz zählt meines Wissens
das Blumenparadies von Trudi Löffler
in Unterengstringen, Kanton Zürich. Bescheiden an Bodenfläche doch von märchenhafter Schönheit blüht und grünt
es vor den Fenstern der 3-Zimmer-Blockwohnung im Hochparterre, in welche die
leidenschaftliche Gärtnerin vor 37 Jahren
mit ihrer Familie eingezogen ist. Seither
breitet sich auf einer Fläche von nur
30 m2 ein bezaubernder Flor aus. Dem
Besucher bietet der kleine Garten einen
Anblick von zarter, lichtvoller Schönheit,
ohne dass er sich über dessen räumliche
Beschränkung bewusst wird. Seitlich rahmen hohe Sträucher das Grundstück ein
und ein paar grüne Büsche fangen den
Blick auf die dahinter liegende Strasse
auf. So wähnt man sich inmitten einer
weiten Blumenoase, die den Anschein
erweckt, soeben vom Himmel gefallen zu
sein. Da erstaunt es auch nicht, wenn einem unerwartet die Schildkröte Epi über
die Füsse klettert. Klar, sie hat den Vortritt, lebt die alte Dame doch bereits seit
Jahrzehnten in ihrem Revier.
Porträt GESELLSCHAFT
Natur und Kunst
Der Kleingarten von Trudi Löffler ist eine
glückliche Symbiose von Natur und
Kunst. Von Kind an fühlte sie sich zu
Gärten und zur Natur hingezogen. Für
sie ist weder die Erschaffung ihres Gartens noch ein anderes ihrer zahlreichen
Talente etwas Aussergewöhnliches. Bescheiden meint sie: «Ich schaue einfach,
dass es bezaubernd aussieht. Wenn man
Freude an einem Garten hat, gelingt eigentlich alles.» Trudi Löffler stammt aus
dem Glarnerland, wo sie in einer Grossfamilie aufwuchs. Bereits in ihrer Jugendzeit spielte der Gemüsegarten, nebst den
Blumen, zur Ernährung der Familie eine
grosse Rolle. Dank dieses Gartens entwickelte Trudi Löffler, das Jüngste von
7 Kindern, von klein auf eine starke Beziehung zur Natur. Wie ihre Geschwister,
so besitzt auch sie künstlerische Begabungen und zudem die Fähigkeit, genau
zu beobachten und die gewonnenen Eindrücke umzusetzen.
Ein glücklicher Zufall führte Trudi
Löffler als junge Frau nach einem 2-jährigen Englandaufenthalt ins Bombachgut,
Das Vogelbad mit dem Frosch ist ein Werk der Künstlerin
und lädt die gefiederten Gartenbewohner zur Erfrischung ein.
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GESELLSCHAFT Porträt
Tipps für Gartenfreunde
Viel Wissenswertes über Gärten und Stauden
bietet die «Gesellschaft Schweizer Staudenfreunde» (siehe auch Seiten 26–31 «Herbstsymphonie», Bericht über Stauden) mit ihren
regionalen Interessengruppen, ihren
regelmässig erscheinenden Broschüren und
der Samen- und Pflanzenbörse. Auskunft
erteilt die Vizepräsidentin des Vereins:
Anne-Käthi Vogt-Barth
Bahnhofstrasse 15
8500 Frauenfeld
Telefon 052 720 14 81
E-Mail: [email protected]
Einige seltene Pflanzen aus Trudi Löfflers
Garten stammen aus der Gärtnerei von
Ewald Hügin. Hier finden sich unbekannte
Schönheiten und alte Pflanzensorten in
reicher Auswahl. Verlangen Sie den Jahreskatalog bei:
Gärtnerei Ewald Hügin
Zähringer-Strasse 28l
D-79108 Freiburg i. Br.
Wertvolle Ratschläge für Anfänger und
Fortgeschrittene bietet das Kosmos-Buch
«Topf- und Kübelpflanzen» von Bettina
Rehm.
einen einstigen Herrensitz mit Stallungen
in Zürich Höngg. In den alten Gebäuden
lebten bereits eine Ballettmeisterin und
mehrere Künstler verschiedener Richtungen ohne jeglichen Komfort. Der Mangel
an Luxus wurde wettgemacht durch ein
harmonisches Zusammenleben der Bewohner und gegenseitige Unterstützung.
Trudi Löffler verdiente sich vorerst ihren
Lebensunterhalt mit dem Bemalen von
Keramik. Zudem übernahm sie die Pflege
des Pferdes der Gemeinschaft, ritt es
jeden Tag aus und hielt sich Katzen, Hühner, Enten und eine zahme Krähe. Zu
ihren freiwilligen Pflichten gehörte auch
die Betreuung des grossen Gemüsegartens, wovon die Künstlergruppe hauptsächlich lebte. Und natürlich gestaltete
die aktive Frau auch einen reizvollen
Blumengarten.
So wie im Garten, gelingt der heute
78-jährigen Seniorin tatsächlich alles,
was sie in ihre geschickten Hände nimmt.
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Neben der Gartengestaltung lebt Trudi
Löffler ihre Kreativität auch beim Töpfern ihrer Hühner, Tauben, Katzen und
Gefässe aus. Den grossen Tonkrug, der im
Garten steht, modellierte sie ohne Töpferscheibe an 5 Abenden. Nach dem Abtrocknen wurde das Gefäss mit einem
kleinen Kran zum Brennofen befördert,
wo es seine heisse «Geburt» makellos
überstand. Für die Künstlerin ging damit
ein grosser Wunsch in Erfüllung, denn
seit ihren Griechenland Reisen wünschte
sie sich einen Krug mit der ausgewogenen Form seiner antiken Vorbilder.
Reisen ist Trudi Löfflers zweite Leidenschaft. In fremden Ländern interessiert sie sich vor allem für deren Pflanzenvielfalt, sammelte hier und dort
Blumensamen von Arten, die sie begeistern, um damit zu Hause zu experimentieren. Die Wand am Gartensitzplatz
schmückt ein Glaskästchen mit Samenständen aus aller Welt, deren Formen
und Farben die Künstlerin beim Arbeiten
mit Ton inspirieren.
Experimente
mit seltenen Pflanzen
Vom frühen Frühling bis zum Spätherbst
kennt der Garten von Trudi Löffler kaum
eine Ruheperiode. Die eine Jahreszeit löst
die andere nahtlos und fast unbemerkt
ab. Während im März und April die
Frühblüher dem Garten den Charme des
Frühlings verleihen, der Frühsommer die
hohe Zeit der Rose ist, setzt ein Garten im
August, will er sich auch jetzt von der
besten Seite zeigen, einige gärtnerische
Anforderungen voraus. Unsere Aufnahmen entstanden letztes Jahr in der Mitte
dieses Monats, nachdem 3 Wochen zuvor
ein Unwetter den Garten teils verwüstet
hatte. Von diesem Schaden war bei unserem Besuch nur noch wenig zu sehen.
Trudi Löfflers Gartenkunst hatte die
Feuerprobe bestanden.
Hinter dem Wohnblock liegt ein 100 m2
grosses Stück Land, das von 6 Parteien
bepflanzt und von der Gärtnerin aus Leidenschaft für die Anzucht ihrer Blumen
Ein Unwetter hat der 3 Meter hohen Chinesischen Raute (Thalictrum)
arg zugesetzt, doch beim Umranken der Tontaube kommt ihr Liebreiz
trotzdem zur Geltung.
Porträt GESELLSCHAFT
genutzt wird. Auf diesem Stück Land
unterhält Trudi Löffler 2 Treibbeete, wo
sie mit Ausnahme der Rosen und einiger
Spezialitäten sämtliche Pflanzen aus Samen selber zieht. Diese Samen brachte sie
teils von Reisen mit; sie wählt sie auch in
speziellen Katalogen aus oder erhält sie
im Austausch mit Gartenfreundinnen.
Die Gartenkünstlerin bevorzugt anmutige Blumen, die mit ihrer zarten Blütenfülle, ihren Pastellfarben und ihrem Duft
im gegenseitigen Zusammenspiel dem
Garten ein luftiges, heiteres Gepräge geben. Dabei liebt sie es, mit seltenen Pflanzen zu experimentieren. Zuerst kommen
die Samen ins Aussaatbeet, später werden
die Keimlinge pikiert, dann in kleine
Töpfchen verpflanzt und nach Art und
Farbe geordnet ins Treibbeet gestellt, um
schliesslich in schwarzen, grossen Plastikkübeln zu voller Grösse und Blüte heranzuwachsen. «In der Regel eignen sich
von 10 seltenen Pflanzenarten nur 2 für
den Garten. Zwar keimen fast alle, aber
letztlich ist nur ein kleiner Prozentsatz
für unser Klima geeignet. Ich bin fasziniert davon, stets neue Erfahrungen mit
seltenen Pflanzen zu sammeln, und oft
freudig überrascht vom Resultat», sagt
die Gärtnerin.
Das Geheimnis des immerblühenden
Gartens liegt in der ständigen Nachzucht
vor allem einjähriger Pflanzen und im
Austausch derselben vom Zucht- zum
Blumengarten. Ist hier nämlich eine Kübelpflanze abgeblüht, so wird sie von
Trudi Löffler durch eine andere aus ihrem
Vorrat ersetzt.
Die grossen Sträucher dagegen, wie
etwa die 30-jährige Hanseat-Rose und
andere, sind im Boden verwurzelt. Dazwischen stehen je nach Jahreszeit 10
bis 15 Kübelpflanzen. Ihre schwarzen
Behälter sind unter den «Standpflanzen»
so gut versteckt, dass man annimmt, die
daraus spriessenden Blumen würden im
Boden wurzeln. «Im Grunde genommen
besitze ich einen Topfgarten», sagt Trudi
Löffler. Als grosse Naturfreundin unterhält sie auf ihrem Grundstück hinter dem
Haus auch Nesseln und weitere Schmetterlingspflanzen, und selbstverständlich
ist für sie eine chemische Schädlingsbekämpfung tabu.
Das Glück des Alters
So klein Trudi Löfflers Garten ist, so sehr
erfordert er Hingabe, Liebe zum Detail,
Erfahrung und viel Zeit. Doch die Gartenkünstlerin kann sich keine schönere
Beschäftigung vorstellen: «Für mich bedeutet es ein Glück, dieses Gärtchen zu
besitzen. So viel Inspiration wie bei der
Beobachtung der sich entfaltenden Pflanzen finde ich sonst nirgends.»
Wenn die Blumen verblüht sind und
der Garten in den Winterschlaf versinkt,
widmet sich die kreative Seniorin ihren
weiteren Interessen. Dann restauriert sie
antike Sascha-Puppen aus Museen oder
Privatbesitz, modelliert ihre Tiere oder
bäckt ihr berühmtes Vollkornbrot und in
der Adventszeit Teigbildchen, die so schön
sind, dass man es nicht übers Herz bringt,
sie zu essen. Unterdessen keimen auf dem
Fensterbrett bereits die ersten Pflanzen
für den Frühlingsgarten.
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Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, im Moment davon
abzusehen, Trudi Löffler brieflich oder telefonisch zu erreichen. Dies mit Rücksicht auf ihre Pflege eines schwer
erkrankten Familienmitgliedes.
Hühner, Katzen und Tauben aus Ton gruppieren sich malerisch um den Gartensitzplatz
und bilden als Gestaltungselemente einen fröhlichen Übergang zum Gartenparadies.
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