Erfahrungsbericht – Leben in Guadalajara, Mexiko

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Erfahrungsbericht – Leben in Guadalajara, Mexiko
Erfahrungsbericht –
Leben in Guadalajara, Mexiko
Raphael Herm, Sommer 2011
Einleitung
In den Semesterferien habe ich ein Auslandspraktikum in Mexiko absolviert. Die Motivation zu diesem Aufenthalt entsprang
der Neugierde eine fremde Kultur und Sprache kennenzulernen. Mit dem Praktikum konnte ich Schönes mit Nützlichem
verbinden. Ich habe viel gearbeitet, aber in meiner leider knappen freien Zeit auch das mexikanische Leben genossen. Glücklicherweise habe ich schnell Kontakte finden können, sodass ich
mich wohl gefühlt und viel erlebt habe.
Ich bin Teil einer Generation, für die es nicht mehr ungewöhnlich ist, im Laufe ihres Arbeits- oder Studentenlebens sich im
Ausland aufzuhalten. Um diese Entwicklung zu unterstützen
und einen Aufenthalt für zukünftige Personen zu erleichtern,
habe ich meine Erfahrungen in diesem Bericht zusammengefasst.
Die Karte von Mexiko. Guadalajara ist rot eingekreist.
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Arbeit
Das Praktikum habe ich bei einer Tochterfirma des deutschen Automobilzulieferers Hella absolviert. Hella besitzt in Mexiko drei Werke zur Produktion von Fahrzeugbeleuchtungen. Die Produktion und die Organisation des Unternehmens sind der in Deutschland sehr ähnlich. Es wird
nach internationalen Sicherheits- und Qualitätsstandards gearbeitet. Der deutsche Maschinenbau ist dort ebenfalls zu Hause. Meine Aufgabe war es, gemeinsam mit anderen Ingenieuren
und Trainees eine Scheinwerfer-Produktionslinie zu installieren. Entgegen vieler Klischees wurde zuverlässig, pünktlich und diszipliniert gearbeitet.
Meine Arbeitskollegen und ich.
Die Arbeit war gut, aber auch anstrengend, da ich mich zugleich auf Klausuren vorbereitet habe. Es ist empfehlenswert Klausuren um ein Semester zu verschieben, beziehungsweise, den
Arbeitszeitraum günstiger zu wählen. So dass man ein wenig Freizeit genießen kann, am besten
im Anschluss dort sogar Urlaub macht.
Über ein deutsches Unternehmen in Mexiko zu arbeiten ist eine einfache und unbürokratische
Möglichkeit für einen Auslandaufenthalt. Allerdings lernt man so eher eine deutsche Arbeitskultur in Mexiko kennen, als eine mexikanische Arbeitsumgebung.
Sicherheit
Die Besorgnis um die Sicherheit ist die zentrale Frage bei der Entscheidung zu einem Aufenthalt
in Mexiko. Denn Mexiko gilt – und das leider häufig zu Recht – als gefährliches Land. Vor allem
der Drogenkrieg an der Grenze zur USA verursacht viele Schlagzeilen. Durch eine traurige Kombination von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umständen befindet sich der Norden in
einem Zustand, der einem Bürgerkrieg ähnelt.
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Guadalajara ist von diesem Krieg
nicht direkt betroffen und viele
Bewohner interessieren sich
erstaunlich wenig dafür. Die
Polizei gilt im ganzen Land als
unzuverlässig und korrupt. Es
wird geraten, ihr nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen.
Somit ist Mexiko in großen Teilen eine rechtsfreie Zone. Ich Ein typischer Polizeiwagen in Guadalajara
selbst aber habe Kriminalität
nicht erlebt und mich auch nicht unsicher gefühlt. Das lag auch an meinen Umständen. Denn
ich bin mit einem Bus des Unternehmens zur Arbeit gefahren und nur selten nachts unterwegs
gewesen. Wenn ich doch unterwegs war, bin ich im Auto bei Freunden mitgefahren oder habe
eines der günstigen Taxis genommen.
Des Weiteren ist das Sicherheitsbewusstsein nicht so stark ausgeprägt wie in Deutschland. Zum
Beispiel werden Anschnallgurte im Auto und Bus nur gelegentlich benutzt, Baustellen sind
schlecht abgesichert und Alkohol am Steuer wird akzeptiert. In vielen Geschäften, Banken und
offiziellen Gebäuden gibt es viele private Sicherheitskräfte, die teilweise bewaffnet sind.
Infrastruktur
Eine Verkehrskreuzung nahe meiner Unterkunft. Auf der linken Seite sind die blau-weißen Linienbusse zu sehen, die das Verkehrsbild prägen.
Bei der Infrastruktur muss man zwischen den Dörfern (eher schlecht) und den Städten (ganz ok)
unterscheiden. Sie liegt weit unter dem deutschen Niveau. In den Bergen soll es noch Naturvölker geben, in die es weder Strom noch fließend Wasser und asphaltierte Straßen gibt. Landwirtschaft wird bei ihnen nur mit Tieren betrieben.
Die Stromversorgung und das Internet sind zuverlässig, sodass ich meinen Laptop problemlos
betreiben konnte, obwohl der Akku kaputt war. Die Steckdosen entsprechen dem amerikanischen Standard, die Nennspannung beträgt 110 V. Heizung sowie Isolierung der Häuser gibt es
weniger. Das Leitungswasser ist stark gechlort und ungenießbar. Trinkwasser wird in 20-LiterFlaschen verkauft, für die es ein Mehrwegsystem gibt. Ähnlich wie einige nordamerikanische
Städte ist das Verkehrssystem fast ausschließlich für Autos und LKWs ausgelegt. Fahrradfahren
ist aus verschiedenen Gründen nicht ratsam und das Schienennetz der U-Bahn beträgt lächerliche 24 Kilometer. Durch das Schachbrettmuster der breiten Straßen ist der Verkehr einigermaßen flüssig, aber langsam.
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Die Mexikaner benutzen meistens alte
Fahrzeuge, die sich in
unzähligen Werkstätten reparieren lassen.
Während
sich
deutsche Autofahrer
eher
pragmatisch
nach Verkehrsregeln
richten und sekundär
nach der Straßentopologie, ist es bei Mexikanern genau anders Außerhalb der Stadt verschlechtert sich die Straßenqualität.
herum. Man fährt so
wie es gerade passt, und Regeln spielen eine untergeordnete Rolle. Der Verkehr ist gefährlich.
Weil er aber nicht schnell ist, verlaufen Unfälle vermutlich (und hoffentlich) selten tödlich. Umgangssprachliche Namen wie "Avenida de los Cráters" suggerieren auch für Personen, die kein
Spanisch sprechen, dass der Straßenzustand verbesserungswürdig ist und man Stoßdämpfer
wahrscheinlich auf Vorrat kaufen kann.
Um den Verkehr, die Geduld und die Umwelt zu entlasten gibt es ein ausgereiftes Bussystem.
Den Bus zu benutzen ist einfach, praktisch
und billig. Das System ist jedoch für
Deutsche ungewöhnlich. Haltestellen sind
schwer zu finden und es gibt keine Fahrpläne (, obwohl die Busse nach welchen fahren). Die Routen kann man über Internetseiten oder Pläne, die in verschiedenen Geschäften erhältlich sind, in Erfahrung zu
bringen. Am einfachsten ist es aber entlang
einer Straße Richtung Ziel zu marschieren
und an einer Haltestelle oder gegebenenfalls einer Ampel zu warten. Busse müssen
(auffällig) heran gewunken werden. Dann
steigt
man ein, zahlt die Fahrkarte (Geld
Ein Bus von innen. Leider ist es oft dreckig.
passend bereit halten) und bleibt so lange
im Bus, bis er die Richtung wechselt. Durch
Aufstehen (während der Fahrt) und drücken eines Knopfes signalisiert man, dass
man aussteigen möchte. Dies geschieht in
der Regel an der nächsten Haltestelle oder
roten Ampel. Danach beginnt das Spiel von
Neuem. Eine Fahrkarte kostet 6 Pesos. Es
gibt auch Busse für 10 Pesos. Diese besitzen allerhand Annehmlichkeiten, wie gepolsterte und gefederte Sitze, weniger
Manchmal sind die Haltestellen auch nur auf
Dreck und eine Klimaanlage.
der Straße aufgemalt.
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Klima
Mexiko ist ein klimatisch vielgestaltiges Land, das sowohl über subtropisches und alpines Klima,
als auch über Wüstenklima verfügt. In Guadalajara ist das Klima sehr angenehm. Im Frühjahr ist
es sehr heiß und im Sommer kommt die Regenzeit. Dann wird die Stadt alle paar Tage durch
kurze, kräftige Regenschauer abgekühlt. Weil außerdem Klimaanlagen verbreitet sind, wird
man nicht stark unter Hitze leiden. Nachts ist es ein wenig kühler, dennoch benötigt man in der
Regel weder Jacke noch Pullover.
Kleidung
Die Kleidung ist ähnlich wie in Europa. In der Regel tragen die Mexikaner Jeans mit T-Shirt, in
der Freizeit auch manchmal kurze Hosen. Hemden werden etwas seltener getragen. Eine modische Besonderheit ist es die Haare nach hinten zu kämen und mit (sehr viel) Haargel zu fixieren.
Essen
Die mexikanische Küche besitzt so manche Eigenheiten. Viele Gerichte erscheinen jedoch nicht völlig fremd, da sie von der internationalen Küche beeinflusst sind. Das Hauptnahrungsmittel sind Tortilla, eine Art Mais-Pfannkuchen, in denen zum Beispiel Reis, Fleisch oder Gemüse eingewickelt werden. Die Tortillas werden häufig separat serviert
und dann mit einer Gabel gefüllt. So wie es in
Deutschland üblich ist, in einem Restaurant Salz
und Pfeffer anzubieten, gibt es hier Chili, verschiedene Soßen, Salz und Zitronen, die mit der Hand
über dem Essen ausgepresst werden. Manchmal Ein Gericht in der Werkskantine
gibt es Chips mit einer Chilisoße als Beilage. Das
Essen enthält im Allgemeinen viel Zucker und Öl.
Darum ist es zum einen lecker, aber auch relativ
ungesund. Die Probleme mit Übergewicht sind fast
so groß wie in den USA und viele Kinder sehen aus
wie Michelin-Männchen.
Gerade wenn die Namen für viele einheimische
Gerichte noch nicht geläufig sind, führen Bestellungen oft in die Irre beziehungsweise zu Kalorienbomben. Es gibt aber auch Gegenströmungen. Zum
Beispiel werden Fruchtsalate, sogenannte Bionicos
verkauft. Das warme Klima (und fehlende Hygienevorschriften) erlauben es, Essen auf den Straßen zu
verkaufen. Früchte und gezuckertes Brot kann man Auf den Straßen kann man sich Kokosoft problemlos essen. Von anderem Essen, insbe- nüsse zubereiten lassen.
sondere Fleisch ist abzuraten. Zweimal habe ich
diese Warnung ignoriert und wurde einmal mit Verdauungsproblemen und Fieber bestraft.
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Wenn man das traditionelle Essen nicht mag, muss die Ernährung nicht umgestellt werden. Im
Supermarkt werden ähnliche Produkte angeboten wie in Deutschland und es sind auch viele
uns bekannte Fastfood-Ketten vertreten.
Ein Großteil der Mexikaner hungert. Auf der einen Seite haben viele arme Menschen nicht genug Geld, um sich ausreichend Essen
zu kaufen. Auf der anderen Seite versuchen insbesondere Frauen der Mittel- und Oberschicht einem (zu)
schlanken Schönheitsideal zu entsprechen. Sie hangeln sie sich von einer
Diät zur nächsten und essen sehr wenig.
Im Allgemeinen kosten einige Spezialitäten Überwindung. Dazu gehörten
Gemüse oder Chips mit Chilisauce.
Ebenfalls beliebt ist beispielsweise der
Michelada. Dies ist ein Biergemisch,
welches unter anderem mit Gemüseund Tomatensaftsaft zubereitet wird. Ein Essensstand auf der Straße
Geld
Die Landeswährung ist der Mexikanische Peso (MXN). Preise werden mit einem $-Zeichen gekennzeichnet. Das Bargeld, insbesondere die Scheine sind nicht so fälschungssicher wie der
Euro. Deswegen werden manchmal keine 500 und im Bus sogar keine 200 Peso-Scheine angenommen. An den Kassen reiben Verkäufer die Scheine häufig über Papier um zu schauen, ob sie
abfärben. Wenn man eine größere Summe Geld abhebt, erhält man einen Stapel Scheine von
einer Größe, wie sie sonst nur aus Gangster-Filmen bekannt sind.
Mit Bargeld zu bezahlen ist einfach und übersichtlich, aber natürlich sollte man auch das 10 mal
5 Zentimeter große Survival-Pak
dabei haben. In der Regel werden Master-, Visa-, Maestround noch einige andere Karten
akzeptiert. Geldautomaten erheben für die Benutzung eine
zusätzliche Gebühr von etwa
zwei Euro. Darüber hinaus habe
ich noch 3,5 % des abgehobenen Betrages für die Kreditkarte
gezahlt und mich darüber geärgert. Es gibt noch eine zweite
Möglichkeit: Bargeld direkt
wechseln. Man kann schon in
Deutschland Euro in die Landeswährung wechseln. Dies ist
Zweimal im Monat ist „Zahltag“ und es bilden sich Schlan- sehr teuer und aufwändig, weil
die Banken das Geld häufig nicht
gen vor den Geldautomaten.
auf Vorrat haben. Etwas einfa6
cher ist es, sich Euro mitzubringen und dort zu wechseln. (Geldmenge der Sicherheitslage anpassen). Zwar kann man nicht immer mit Euro bezahlen (außer in Touristikzentren), aber man
wird damit zunächst irgendwie weiter kommen. US-Dollar sind aufgrund der Nähe zur den Staaten bekannt und werden häufig akzeptiert. In einer Bank kann man das Geld wahrscheinlich am
sichersten wechseln. Der Wechselkurs ist so lala, man muss in einer Schlange warten und oft
wird unnötige Bürokratie wie das Vorzeigen des originalen Reisepasses verlangt. Darum habe
ich, trotz aller Warnungen, Wechselstuben aufgesucht. Es ging schnell, unkompliziert und der
Wechselkurs hätte besser nicht sein können.
Das Preisniveau ist etwa halb so hoch wie in Deutschland. Vor allem Dienstleistungen wie Besuche in Restaurants oder Bars und Taxifahrten sind sehr günstig. Das gleiche gilt für Mieten und
Kleidung, aber zum Beispiel nicht für technische Produkte. Es lohnt sich mit leeren Koffern anzureisen.
Ein Studium ist dort empfehlenswert. Es gibt viele private Universitäten, die einen guten Ruf
haben. Die hohen Kosten der Universität werden durch die geringen Lebenshaltungskosten
ausgeglichen.
Sprache
Neben einigen indigenen Sprachen wird in Mexiko hauptsächlich die Amtssprache Spanisch
gesprochen. Man sollte diese Sprache einigermaßen gut beherrschen. Das trägt zu einer guten
Integration in die Gesellschaft bei. Der Akzent und viele umgangssprachliche Begriffe unterscheiden sich von dem Spanisch, welches in Spanien gesprochen wird. So werden Filme gelegentlich in das spanische und das lateinamerikanische Spanisch übersetzt. Das Schulspanisch
reicht aber zunächst aus.
Die Motivation der Mexikaner andere Sprachen (insbesondere Englisch) zu lernen, ist hoch. So
ziemlich jeder Mexikaner träumt davon, die USA, Kanada oder Europa zu bereisen oder dort zu
arbeiten. In der Wirtschaft scheint Englisch ebenfalls eine große Rolle zu spielen. Die Schulbildung ist etwas niedriger, aber über die ganze Stadt sind Sprachschulen verteilt, die nach der
Arbeit oder der Schule besucht werden. Die Englischkenntnisse sind etwa so gut wie in Deutschland.
Die Sprache habe ich größtenteils alleine gelernt und damit gute Erfahrung gemacht. Durch das
Internet ist das Erlernen einer Sprache so einfach wie nie zuvor. Mit klassischen Schulbüchern
habe ich begonnen und mich dann gesteigert, bis ich einigermaßen sprechen konnte. Bei den
Schulbüchern gilt: Je älter, desto besser. In den letzten Jahren hat sich eine Lernpädagogik
durchgesetzt, die versucht auf einer spielerischen Art eine Sprache zu erlernen. Aber gerade
das Interaktive macht das Lernen verklemmt und weniger erfolgreich. Anfangs muss man sich
durch die "harte" Phase quälen und sehr viele Vokabeln lernen. Der Grammatik sollte man zunächst nicht allzu viel Beachtung schenken. Auch mit dem Auswendiglernen von Konjunktionen
braucht man sich nicht zu quälen. Dies ist nicht notwendig, da man zum Beispiel durch das Lesen von Texten gerade die unregelmäßigen, häufig vorkommenden Verben automatisch lernt.
Es gibt aber einige Bücher, die Grammatik in einem linguistischen Kontext erklären. Dadurch
entwickelt man ein Verständnis der Grammatik ohne Regeln auswendig zu lernen.
Empfehlenswert sind die Sprachzeitschrift „Ecos“, sowie das Online-Magazin
„http://www.veintemundos.com/“. Auf der Internetseite „lomastv.com“ kann man sich viele
fremdsprachige Videos mit Untertiteln anschauen. Über die Webseite „glovico.org“ kann man
über Skype Sprachstunden mit Muttersprachlern buchen. Diese Investitionen lohnen sich.
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Sprache lernt man durch Sprechen - so wird im Allgemeinen empfohlen. Schließlich haben wir
als Kinder unsere Muttersprache mit Leichtigkeit gelernt, empfinden aber in der Schule das Erlernen einer Sprache oft als Qual. Doch wenn man zu früh mit dem Sprechen und Schreiben
beginnt, wird der Ausdruck sowohl für den Sprecher/Schreiber anstrengend und für den Hörer/Leser langweilig. Es lohnt sich erst mit dem Sprechen zu beginnen, nachdem man einige
Grundkenntnisse erlangt hat.
Ich bin sogar froh in der Schule kein Spanisch gelernt zu haben, weil ich während meiner Schulzeit Sprachunterricht als langweilig empfunden habe. Außerdem halte ich es nicht für notwendig in der Schule viel Sprachunterricht zu haben. Wenn man später mit einer Sprache Kontakt
haben wird, gibt es immer noch genug Zeit sie zu lernen.
Nachtleben
An den Wochenenden gehen die Mexikaner natürlich gerne auf private und öffentliche Partys
(sofern sie nicht arbeiten müssen). In Guadalajara gibt es auch eine Partymeile. Sie wird Chapultepec genannt.
Gruppenbild auf
einem Geburtstag
eines Arbeitskollegen.
Ein öffentliches Konzert auf der Straße Chapultepec.
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Gesundheit
In der Stadt gibt es sehr
viele Farmacias. Sie sind
eine Mischung aus Apotheke, Drogerie und Lebensmittelgeschäft. Dort sind
auch zahlreiche Medikamente inklusive Beratung
verfügbar, sodass man gegen kleine Wehwehchen
gut gerüstet ist. Für
ernsthafte
Erkrankungen
gibt es eine private Gesundheitsversorgung (gut
und teuer) und eine staatli- Auf der linken Seite befindet sich eine Arztpraxis, auf der rechten
che (weniger gut, für Mexi- eine Farmacia.
kaner umsonst). Neben der
Schulmedizin sind verschiedenste Behandlungen mit Homöopathie verbreitet. Europäer sind
anfällig für Verdauungsprobleme.
Religion
In Mexiko ist neben ein paar Naturreligionen der christliche katholische Glaube verbreitet, der
einen hohen Stellenwert hat.
In einer Gemeinde außerhalb von Guadalajara werden nach dem Gottesdienst noch Aktivitäten für Jugendliche und Kinder angeboten. Die Jugendlichen sind uniformiert und machen
zusammen Sport, musizieren oder bekommen Katechese. Diese Art des Gemeindelebens ist
aber selbst in Mexiko ungewöhnlich.
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Historie/ Ethnische Besonderheiten
In der präkolumbianischen Zeit
war Mexiko von Indigenen Völkern
besiedelt. Die bekanntesten unter
ihnen, die Maya und Azteken, haben beachtliche Zivilisationen aufgebaut. Nach der Entdeckung Amerikas wurde Lateinamerika, und
somit auch Mexiko, von spanischen und portugiesischen Konquistadoren
ausgeraubt
und
schließlich kolonialisiert. Heute
leben die Nachfahren der indigenen Völker und der Spanier zusammen in Mexiko. Dabei bilden
die Nachfahren der Spanier die
Mehrheit, weil sich die Population Ein Restaurant in einem Touristikzentrum, in dem die
….
der indigenen Völker weniger ver- mexikanische Kultur mit ihren Klischees repräsentiert
mehrt hat. Diese verschiedenen wird.
Bevölkerungsgruppen haben sich
kaum vermischt. Die typischen Mexikaner sind damit von ihrem Erscheinungsbild den Spaniern sehr
ähnlich. Sie haben dunklere Haut,
immer schwarze Haare und braune
Augen.
Ein
schwarzhaariger
Deutscher fällt in Mexiko nicht auf,
blonde Menschen mit blauen Augen hingegen sehr wohl.
Nachfahren der indigenen Völker verkaufen oft Schmuck
auf der Straße. Teilweise wird er aufwendig aus Naturprodukten hergestellt, manchmal entstammt er auch nur
billiger Plastikproduktion.
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Internationale Beziehungen
Mexiko besitzt zwar europäische Wurzeln, aber durch die
geographische Isolation hat sich eine eigene Kultur mit eigenen Traditionen entwickelt. Diese ist wiederrum auch
durch den nordamerikanischen Einfluss geprägt. Viele Produkte, Marken und ein Teil der Kultur haben ihren Ursprung
in den USA oder Kanada. Dies liegt zum einen an der geographischen Nähe und zum anderen an der Partnerschaft mit
der NAFTA (Nordamerikanischer Wirtschaftsverbund). Die
Kultur der USA ist durch dominante Medien und beliebte
Filmen aus Hollywood bekannt.
Die nordamerikanische Dominanz zeigt sich auch darin, dass
selbst für Kinder die nordamerikanischen Ureinwohner (Indianer) bekannt sind. Über die Ureinwohner Mittel- und
Südamerikas existiert nur Grundwissen, obwohl sie wesentlich weiter entwickelt waren, als die indigenen Völker des
Nordens.
Den Mexikanern ist ihr geringer Einflusses bewusst und sie
wünschen sich nicht nur den höheren Lebensstandard der Diese Werbung für FotoausdrüUSA, Europa oder Japan anzupassen, sondern auch in der cke kommt von einem mexikanischen Unternehmen und zeigt
Weltpolitik eine größere Bedeutung zu haben.
eine blonde Frau, obwohl die
Haarfarbe blond bei Mexikanern äußerst selten ist. Nordeuropäer und –amerikaner sind
ein Schönheitsideal.
Ökonomische Situation
Mexiko ist ein typisches Schwellenland. Es existiert Wohlstand und
gelegentlich Reichtum. Das bedeutet aber nicht, dass daran alle Mexikaner teilhaben können. Es gibt
soziale Klassen, die sich durch ihre
Bildung, ihre Macht, ihr Einkommen und noch stärker durch ihren
Besitz unterscheiden. Auf der einen
Seite gibt es viele Menschen, die
sich die nötigsten Bedürfnisse nicht
erfüllen können. Auf der anderen
Seite gibt es Bevölkerungsschichten, die ein sorgenfreies Leben in
Wohlstand und Sicherheit führen.
Sie können sich Häuser, Autos und Das Einkaufszentrum Andares Comercio & Vida im reiGesundheitsmaßnahmen leisten, chen Stadtteil Zapopan ist sehr luxuriös.
fahren in den Urlaub, kaufen ihre
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Kleidung in Boutiquen der Stadt und schicken ihre Kinder auf private Kindergarten, Schulen und
Universitäten, damit sie ähnliche Chancen haben. Bemerkenswerterweise lebt der zwischenzeitlich reichste Mensch der Welt, Carlos Slim Helú in Mexiko.
Die Einkommen sind in Mexiko ebenfalls wesentlich geringer. Bei qualifizierten Fachkräften ist
der Unterschied zu Deutschland nicht ganz so groß. Wohl aber bei der einfachen ungelernten
Arbeitskraft.
Die Gesellschaft ist materialistisch geprägt. Armut
bedeutet nicht nur auf Konsumgüter zu verzichten,
sondern oft auch aus bestimmten gesellschaftlichen Schichten oder sogar der gesamten Gesellschaft ausgeschlossen zu sein. Wer in Armut aufwächst verfängt sich oft wieder in einem Teufelskreis, der immer wieder in Armut und Perspektivlosigkeit endet.
Diese gesellschaftlichen Verhältnisse sind wahrscheinlich keine mexikanische Besonderheit, sondern bilden den Regelfall auf der ganzen Welt. Nur
Deutschland bildet in dieser Hinsicht durch unser
Sozialsystem eine Ausnahme.
Nach Aussage vieler Bekannter haben nur wenige
Familien Ersparnisse. Die Kreditbereitschaft ist
ebenfalls sehr hoch. In vielen Kaufhäusern ist im
obersten Stock eine Art Bank, in der man Verträge
für die Ratenzahlung des Einkaufs abschließen
kann.
Ich selbst habe meistens nur Kontakt zu Personen
Ein Lebensmittelladen gegenüber meider Mittel- und Oberschicht gehabt. Dies hat sich
ner Wohnung
dadurch ergeben, da ich die meisten Menschen
über Arbeitskollegen kennen gelernt habe. Sie haben oft auf einer privaten Universität studiert
und stammten daher eher aus einer gehobenen Schicht.
Durch die Konfrontation mit den ungleichen Verhältnissen habe ich mein Verhältnis zu Geld
und die Verantwortung, die man als „reicher“ Mensch tragen sollte, überdacht. Die Ungleichheit macht das Leben härter, da immer
die Gefahr besteht, durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit in Armut abzustürzen.
Dabei hat Mexiko eigentlich das Potenzial, einen wesentlich höheren Wohlstand für alle Menschen zu entwickeln.
Das Land befindet sich in einer freien
Demokratie, es gibt zahlreiche Bodenschätze, potenzielle Urlaubsziele und
ein Klima, welches Landwirtschaft ermöglicht. Außerdem ist die Instandhaltung und Bau von Gebäuden einfach,
weil weniger Isolierungen beziehung- In der ganzen Stadt gibt es Straßenhändler und Schuhsweise Heizungen nötig sind.
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Mentalität
Mexikaner sind im Prinzip dieselben Personen wie wir, die in einer anderen Umgebung aufwachsen. Sie haben ähnliche Wünsche und Ziele, die sie aber auf Grund ihrer Fähigkeiten und
Möglichkeiten anders umsetzen. Auf einer Party brachte ein Gast die Klischees auf den Punkt:
Mexikaner denken mit dem
Herzen und Deutsche mit
dem Kopf. Aufgrund unseres
Vorsprungs in verschiedenen Technologien und unserer Affinität zu Ordnung und
Struktur,
wirken wir
Deutsche tatsächlich wie ein
Volk, welches sich eher von
rationalen Entscheidungen
als von Gefühlen leiten
lässt.
Die Realität sieht eher anders aus. Wegen der wirtschaftlichen Armut müssen
Mexikaner viel mehr rationale Entscheidung treffen.
In Deutschland gibt es hin- Am Unabhängigkeitstag, dem 16. September in einem Dorf
gegen aufgrund des Wohl- nahe Guadalajara. Es wurden Umzüge veranstaltet und das
standes und Überschusses traditionelle Leben zur Schau gestellt.
die Möglichkeit ideelle Ziele .
zu verwirklichen.
Besonders aufgefallen ist mir die fehlende Organisation. Der Einfluss der Regierung und damit
die Ordnung des öffentlichen Lebens ist schlecht. Supermärkte beschäftigen bei gleicher Arbeit
etwa zwei- bis dreimal so viel Personal wie in Deutschland. Außerdem gibt es noch keinen starken Internethandel. Teilweise leben die Menschen „in den Tag hinein“. Es existiert zwar Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz, aber es gibt wenig Ehrgeiz mit Ressourcen wie
Öl und Strom sparsam umzugehen. Zudem wird der Wert der individuellen Freiheit nicht so
hoch geschätzt.
Die Bevölkerung ist den vergangen Jahrzehnten stark gewachsen. Mittlerweile liegt die Geburtenrate bei etwas mehr als zwei Kindern pro Frau und wird wahrscheinlich ähnlich wie in den
Industriestaaten in Zukunft sinken. Die Situation veranschaulichten mir Freunde so: Die Großeltern der jungen Erwachsenen haben mit weniger als 20 Jahren geheiratet und viele Kinder bekommen. Die Eltern haben im Alter zwischen 20 und 30 Jahren geheiratet und zwischen zwei
und fünf Kinder bekommen. Sie selbst heiraten in einem Alter um die 30 oder gar nicht. Somit
bekommen sie auch nur wenige oder keine Kinder. Die Bereitschaft unter Jugendlichen sich an
einen Partner zu binden, ist aber dennoch hoch.
Ursprünglich war die Gesellschaft sehr patriarchalisch geprägt. Dies hat sich ein wenig geändert. Zum Einen studieren Frauen oft und nehmen zum Beispiel in den Unternehmen ebenfalls
hohe Positionen ein. Zum Anderen ist bei Männern ein Macho-Verhalten verbreitet. Es wird
teilweise noch Wert auf Moral- und Wertvorstellungen gelegt, die für uns nur noch aus der Zeit
unserer Großeltern oder aus Filmen bekannt sind.
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Fazit:
Mir hat das Leben und Arbeiten in Mexiko sehr gut gefallen, und ich habe mich wohl gefühlt.
Dennoch ist so ein Aufenthalt mit Risiken verbunden und ich habe viel Glück gehabt. Die Region, in der ich gelebt habe, war nur geringfügig von Kriminalität betroffen und das Klima war
sehr angenehm. Darüber hinaus habe ich bei der Arbeit und in meiner Freizeit schnell Freunde
gefunden.
Der Kontakt zu vielen verschiedenen Menschen, dem Kennenlernen von so vielen verschieden
Ansichten, Lebenseinstellungen und Meinungen prägen und verändern die persönliche Meinung. Es ist der zentrale Aspekt, der unsere Bildung ausmacht. Die klassische Schul- und Universitätsbildung machen nur einen kleinen Teil unserer Bildung aus. Den Großteil erlangen wir
durch Gespräche mit anderen Personen und durch Erlebnisse. In Mexiko wird leider allzu oft
beklagt, dass die Menschen einen niedrigen Bildungsstand haben. Ich bin zu der Ansicht gekommen, dass dies ist nicht nur auf die mangelnde Organisation und Möglichkeiten des klassischen Bildungssystems zurückzuführen ist, sondern auch auf die geringere Mobilität. Die Menschen kommen selten „raus“. Sie arbeiten wesentlich mehr und haben weder Zeit noch Geld
zum Reisen. Die Kinder ziehen erst sehr spät aus. Damit verändert sich das soziale Umfeld selten. Diese Änderungen sind aber für gegenseitige Inspiration und Innovationen notwendig.
Für den Aufenthalt sollte man von Fernweh und ein wenig Abenteuerlust getrieben sein und
bereit sein, sich an andere Lebensstandards und Menschen anzupassen. Sonst wird man in Mexiko nicht glücklich werden.
Es war nicht nur eine persönliche Bereicherung, sondern auch eine wirtschaftliche. Nachdem in
den letzten Jahren Outsourcing von Produktionsanlagen in andere Länder betrieben wurde, um
von den günstigen Arbeitslöhnen zu profitieren, zeichnet sich eine zweite Welle der globalen
Zusammenarbeit ab. Es entsteht – begünstigt durch die Informationstechnologie- ein Outsourcing von Informationen und Dienstleistungen. Um in Zukunft beruflich erfolgreich zu sein, wird
man neue Formen von globalen Vernetzungen nutzen. Im Zuge von Arbeitsteilung und Spezialisierung wird man stärker über Ländergrenzen hinweg arbeiten. Dafür sollte man so viele Erfahrung mit anderen Menschen und Kulturen wie möglich machen.
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