- Deutsches Marine Kompetenznetz – DMKN

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- Deutsches Marine Kompetenznetz – DMKN
왎 ÄUSSERE & ZIVILE SICHERHEIT
Bedrohte Meerenge
(Foto: USN)
Die Straße von Hormus und die Iran-Krise
Dieter Stockfisch
Flugzeugträgerkampfgruppe
USS ABRAHAM LINCOLN auf dem
Marsch in den Persischen Golf
Die Straße von Hormus ist ein strategisch bedeutendes
Nadelöhr für die weltweite Ölversorgung aus dem Persischen
Golf. Die wiederholten Drohungen des Iran, die Meerenge
u.a. wegen der Auseinandersetzungen im Atom-Streit zu
(Grafik: mawibo)
blockieren, wäre für die USA eine Kriegshandlung, die entpre-
D
ie Golf-Region ist eine Krisen- und
Konfliktregion, die immer wieder zu
internationalen Spannungen führt.
In jüngster Vergangenheit wurden dort
drei Kriege geführt:
s Erster Golfkrieg 1980 bis 1988 zwischen Iran und Irak,
s Zweiter Golfkrieg 1990/1991 zwischen
Irak und einer USA-geführten Militärkoalition,
s Dritter Golfkrieg 2003 zwischen Irak
und einer USA-geführten Militärkoalition.
Aktueller Anlass für erneute Spannungen
im Persischen Golf stellte Irans maritimes
Großmanöver „Valayati“ im Januar/Februar dieses Jahres dar, das sich von der Straße
von Hormus über 2.000 km bis zum Golf
von Aden und in den Indischen Ozean erstreckte. Irans Marine hat nie zuvor ein derartiges Großmanöver durchgeführt. Das
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chende militärische Reaktionen im Krisengebiet Persischer
Golf auslösen würde. Die U.S. Navy hat ihre Präsenz im
Persischen Golf beachtlich verstärkt.
Manöver sollte die Schlagkraft und Verteidigungsbereitschaft des Irans in internationalen Gewässern beweisen, neue Raketenund Torpedosysteme testen und vor allem
demonstrieren, dass der Iran jederzeit in
der Lage ist, die vor seiner Haustür liegende Straße von Hormus zu kontrollieren und
ggf. auch zu sperren. Irans Marinechef erklärte, die Straße von Hormus zu sperren
sei für die iranischen Streitkräfte leicht –
„leichter als ein Glas Wasser zu trinken“.
weit auf Schiffen transportierten Öls) aus
Nahost wird durch die Meerenge nach Europa, USA und Fernost, u.a. nach China
und Indien, befördert. Über 20 Supertanker passieren täglich das Nadelöhr. Nicht
nur das ölreiche Saudi-Arabien, sondern
auch die Vereinigten Arabischen Emirate,
Irak, Kuweit und Katar, ja selbst Iran sind
auf den Wasserweg durch das Nadelöhr
angewiesen.
Sperren des Nadelöhrs
Straße von Hormus
Die Straße von Hormus ist eine strategisch
bedeutende Meerenge von nur 50 km Breite und 180 km Länge zwischen der Arabischen Halbinsel und dem Iran. Sie verbindet
den Persischen Golf mit dem Arabischen
Meer bzw. Indischen Ozean. Ein Großteil
der Ölexporte (bis zu 35 Prozent des welt-
Europäische Sicherheit & Technik · April 2012
Die Drohungen des Irans, die Straße von
Hormus mit Leichtigkeit blockieren zu können, sind nicht von der Hand zu weisen. Die
nur ca. 80 m tiefe Wasserstraße ist relativ
leicht zu sperren. Dazu eignen sich vor allem Seeminen, d.h. Ankertauminen oder
Treibminen, die von jedem kleinen Fischerboot aus in einer verdeckten Minenlege-
operation (asymmetrische Kriegführung)
gelegt werden können. Auch Grundminen
(Mantaminen) u.a. gegen U-Boote eignen sich zum Sperren der Seestraße. Irans
Streitkräfte besitzen in ihren Arsenalen ca.
2.000 Seeminen. Minen sind ein wirkungsvolles Mittel, um ein Seegebiet unbefahrbar zu machen. Eine Mine kostet nur ca.
25.000 Dollar, kann aber beispielsweise
einen modernen Zerstörer, der für ca. 700
Mio. Dollar gebaut wurde, außer Gefecht
setzen bzw. versenken. Hinzu kommt, dass
das Räumen von Seeminen eine langwierige und aufwändige Operation darstellt, die
je nach Größe des verminten Seegebietes
bis zu 50 Minenabwehr-Einheiten über einen Zeitraum von sechs bis acht Monaten
in Anspruch nehmen kann.
(Quelle: USN, Grafik: mawibo)
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Seeminen in ihren Einsatztiefen
Irans See- und Seeluftstreitkräfte einschließlich der iranischen Revolutionsgarden besitzen einen Personalumfang von
ca. 25.000 Soldaten. Die Flotte besteht
ten und Kreuzer. Zusätzlich verfügt die 5.
US-Flotte über landgestützte Marineflieger
und einige Minenräumeinheiten. Im Spannungsfall wie angesichts der jüngsten iranischen Drohungen, die Straße von Hormus
frühzeitige militärische Gegenmaßnahmen
verhindern zu können, will die U.S. Navy
im Persischen Golf eine schwimmende
Operationsplattform in Gestalt eines Mutterschiffs errichten. Diese Operationsbasis
(Foto: USN)
Irans Seestreitkräfte
Irans Flotte
4 Fregatten
2 Korvetten
3 U-Boote (KILO-Klasse)
7 U-Boote (Midget, 123 t)
22 Schnellboote
110 Patrouillenboote
12 Landungsboote
7 Hovercraft
12 Tender
45 Flugzeuge/Hubschrauber
vorrangig aus kleineren Einheiten (Schnellund Raketenbooten), die für Operationen
im Küstenvorfeld bzw. im Persischen Golf,
einem flachen Randmeer mit ca. 220.000
km² Fläche, halb so groß wie die Ostsee
und mit durchschnittlichen Wassertiefen
von ca. 50 m, vorgesehen sind. Die zahlreichen kleinen Einheiten eigen sich vor allem
zur asymmetrischen Kriegführung.
U.S. Navy im Golf
Die 5. US-Flotte ist die größte Marine im
Persischen Golf, wo sie permanent stationiert ist. Sie würde im Konfliktfall der
iranischen Flotte gegenüberstehen. Ihr
Hauptquartier ist Manama in Bahrain.
Kernpunkt der 5. US-Flotte bilden eine
Flugzeugträgerkampfgruppe, eine amphibische Gruppe und ca. 20 Zerstörer, Fregat-
Das amphibische Transportschiff USS
PONCE soll in der Nähe der Straße
von Hormus stationiert werden
zu sperren, kann die US-Flottenpräsenz
im Persischen Golf in kurzer Zeit mit Flugzeugträgerkampfgruppen der im Indischen
Ozean operierenden 7. US-Flotte verstärkt
werden. So verlegten die Flugzeugträgerkampfgruppen während des iranischen
Großmanövers „Valayati“ mit den Trägern
USS CARL VINSON begleitet von französischen und britischen Kriegsschiffen und
USS ABRAHAM LINCOLN in Richtung
Persischer Golf. Damit demonstrierten die
USA, dass sie eine Sperrung der Straße von
Hormus nicht tolerieren würden.
Um auf eine mögliche Sperrung der Straße
von Hormus vorbereitet zu sein bzw. durch
Die 1971 in Dienst gestellte PONCE
verdrängt max. 17.244 t, ist 173,80 m lang
und 30,50 m breit;
Antrieb: Dampfkessel/Turbinen mit 18 MW;
Geschwindigkeit: 21 kn,
Reichweite: 7.700 sm/20 kn;
Besatzung: 420 Personen;
Transportkapazität für 930 Marines
mit Ausrüstung und Fahrzeugen;
9 Landungsboote (LCM),
4 Luftkissenboote (LCAC);
Bewaffnung: 2 x Vulcan Phalanx 20 mm;
2 x 25-mm- und 8 x 12,7-mm Maschinenkanonen,
6 x Hubschrauber vom Typ SH-60.
soll bereits im Sommer dieses Jahres einsatzfähig sein. Dazu soll das amphibische
Transportschiff USS PONCE entsprechend
umgebaut und ausgerüstet werden, um
als schwimmende Basis für Schnellboote,
April 2012 · Europäische Sicherheit & Technik
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(Foto: PIZ/Marine)
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Minenabwehrfahrzeuge, Hubschrauber,
Kampfschwimmer (Navy Seals) und Spezialkräfte zur Verfügung zu stehen.
Operation „Südflanke“
Der Persische Golf ist auch für die Deutsche
Marine kein unbekanntes Einsatzgebiet.
Mit der Operation „Südflanke“ war sie im
Zeitraum April 1990 bis Mitte September
1991 mit einem Minenabwehrverband in
der Golfregion engagiert. Die Operation
„Südflanke“ verlief in zwei Phasen, zunächst im Mittelmeer und dann im Persischen Golf. In der ersten Phase galt es,
deutsche Bündnissolidarität während des
Zweiten Golfkrieges zu demonstrieren, und
anschließend ging es um die Räumung der
irakischen Minenfelder im Persischen Golf.
Nach dem Ende der Kampfhandlungen
gegen den Irak im Februar 1991 hatten
die USA Deutschland um Unterstützung
beim Räumen der irakischen Minenfelder
gebeten, in denen u.a. der amerikanische
Hubschrauberträger USS TRIPOLI und der
Kreuzer USS PRINCETON durch Minentreffer erheblich beschädigt worden waren.
Neben US-Minenabwehreinheiten waren
bereits Minenabwehreinheiten aus Belgien, den Niederlanden, Italien, Großbritannien, Frankreich, Japan und Saudi-Arabien
im Persischen Golf im Einsatz. Im März
1991 beschloss die Bundesregierung den
Minenabwehrverband „Südflanke“ aus
dem Mittelmeer in den Persischen Golf zu
verlegen. Die Operation wurde als humanitäre Hilfeleistung für das von irakischer Besatzung befreite Kuwait deklariert. Anfang
April 1991 trafen die deutschen Minenabwehreinheiten in Manama/Bahrain ein.
Der deutsche Verband bestand aus sieben
Minensuchbooten (Hohlstablenkbooten)
mit sechs Minenabwehrdrohnen vom Typ
Seehund (Fernräumsystem Troika), zwei
Versorgungsschiffen, drei Hubschraubern
und zwei Ölüberwachungsflugzeugen
vom Typ Do 28 D2. Die Do-28-Flugzeuge
hatten die Aufgabe, Ölverschmutzungen
im Golf aufzuspüren, die aus der Zerstörung von Förderanlagen während des Krieges entstanden waren.
Vor der Küste Kuweits hatten irakische Seestreitkräfte ein rund 80 Seemeilen langes
und sechs Seemeilen breites Minenfeld
und dahinter ein weiteres Minenfeld mit
Ankertauminen, Treibminen und Mantaminen gelegt. Die Größe des Räumgebietes
betrug rund 3.600 km². Nach irakischen
Angaben waren dort 1.157 Minen, nach
amerikanischen Angaben 1.257 Minen verlegt worden.
Die deutschen Minenräumeinheiten konnten bereits zwei Tage nach Eintreffen im
Räumgebiet beachtliche Minenräumerfol114
Minenabwehrdrohnen vom Typ Seehund
ge verzeichnen. Vor allem das deutsche
Fernräumsystem Troika bewährte sich
bestens beim schwierigen Minenräumen
im Golf. Mit dem System konnten vor allem die modernen Mantaminen geräumt
werden, die von den Minenjagdbooten der
anderen Nationen kaum zu beseitigen waren. Die deutschen Hubschrauber wurden
zur Suche nach Treibminen eingesetzt. Insgesamt räumten die im Golf eingesetzten
Minenabwehreinheiten bis Mitte Juli 1991
über 1.200 Minen.
Irans Drohungen – Gegenmaßnahmen
Die Lage im Nahen Osten einschließlich im
Persischen Golf und im Iran ist zunehmend
gefährlicher geworden. Dabei wird die Gefahr aus Iran größer, je mehr sich Teheran
der Herstellung von Nuklearwaffen nähert.
Israel hat wiederholt mit Präventivschlägen
gegen iranische Atomanlagen gedroht.
Und die USA, die als diplomatische Schutzmacht die Existenz Israels als unabhängiges
Land schützen, werden bei iranischen Raketenangriffen gegen Israel ihrer Schutzfunktion nachkommen.
In dieser aufgeheizten Lage bleibt die Straße von Hormus ein maritimer Brennpunkt
in der spannungsreichen Golf-Region. Die
Drohungen Irans, diesen Weltwasserweg
sperren zu wollen, sind bislang Rhetorik
geblieben, dennoch werden sie vor allem
von den USA sehr ernst genommen. Iran
besitzt die Fähigkeit zur Sperrung und hat
darüber hinaus die Fähigkeit, mit seinen
Mittelstreckenraketen vom Typ Shahab-3
(Reichweite über 2.000 km) die US-Stützpunkte in der gesamten Golfregion einschließlich Israel zu bedrohen. Während
des Seemanövers „Valayati“ hat Iran mehrere Shahab-3-Raketen nahe der Straße
Europäische Sicherheit & Technik · April 2012
von Hormus getestet. Zudem haben die
Landstreitkräfte der iranischen Revolutionsgarden im Februar dieses Jahres ein weiteres Manöver, das Manöver „Hamiyan-e
Velayat“, in der Nähe der Meerenge von
Hormus durchgeführt, in dem sie weitere
Mittelstreckenraketen getestet haben. Die
Revolutionsgarden sind für das iranische
Raketenprogramm verantwortlich.
Die USA reagieren vorsorglich mit Abwehrmaßnahmen. Sie verstärken ihre maritime
Präsenz im Persischen Golf und rüsten
ihre befreundeten Partnerstaaten in der
Golfregion mit modernster Waffentechnik
gegen Irans Drohungen aus. So erhält Saudi-Arabien 84 neue Kampfflugzeuge vom
Typ F-15 und eine Modernisierung von weiteren 70 Kampfflugzeugen. Irak wird mit
Kampfflugzeugen vom Typ F-16, Panzern
und gepanzerten Fahrzeugen beliefert. Die
Vereinigten Arabischen Emirate erhalten
Raketenabwehrsysteme vom Typ THAAD
(Terminal High Altitude Area Defense) mit
96 Abfangraketen gegen Kurz- und Mittelstreckenraketen.
Sollte Iran angesichts zunehmender Eskalation im Atomstreit mit dem Westen seine Drohungen, die Straße von Hormus zu
verminen und damit unbefahrbar zu machen, in die Tat umsetzen, dann kann diese
Seestraße nur durch einen ähnlich großen
Aufwand an Minenräumkräften wie bei
der Minenräumoperation 1991 im Persischen Golf vor Kuweit freigeräumt werden. Das kann viele Monate in Anspruch
nehmen und erfordert den Einsatz von
multinationalen modernen und effektiven
Minenabwehreinheiten. Es ist durchaus
wahrscheinlich, dass in einer solchen Lage
auch die Deutsche Marine wieder gebeten
wird, sich mit ihren effektiven Minenräumsystemen am Freiräumen der Straße von
Hormus zu beteiligen.
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