Die Friedensmacher
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Die Friedensmacher
Produktinformation Seite 1 von 1 Die Friedensmacher Petra Gerster, Michael Gleich ISBN 3-446-40312-4 Leseprobe Weitere Informationen oder Bestellungen unter http://www.hanser.de/3-446-40312-4 sowie im Buchhandel http://www.hanser.de/deckblatt/deckblatt1.asp?isbn=3-446-40312-4&style=Leseprobe 27.09.2005 israel/palästina besuch in bethlehem: abt benedikt lindemann und seine brüder unterstützen ein zentrum, in dem junge palästinenser zu handwerkern ausgebildet werden. ohne ” perspektive bleibt ihnen nur verzweiflung. oder gewalt”, sagt der abt. eine mauer durchs land, durch die herzen: an den checkpoints der israelischen armee führt kein weg vorbei. die deutschen benediktiner werden oft respektlos behandelt, aber immer noch besser als ihre palästinensischen begleiter. schwäche als stärke: christen sind die kleinste glaubensgemeinschaft in israel. im machtpoker zwischen juden und arabern gelten die deutschen benediktiner als unverdächtig. ihr kloster hagia maria zion bieten sie als sicheren raum” für gespräche an. ” gott wohnt zwischen den fronten von michael gleich (text ) und frieder blickle ( fotos ) 18 / Gott wohnt zwischen den Fronten jerusalem, die gespaltene stadt: israelische juden und palästinensische muslime stehen sich als todfeinde gegenüber. deutsche benediktiner öffnen ihr kloster als sicheren raum für friedensbereite beider seiten. getreu ihrem credo ora et labora” sind die mönche auf ” der suche nach gott – und ganz praktischen konfliktlösungen. Bruder Thomas schickt ein paar ziemlich weltliche Flüche gen Himmel. Schon wieder ein Checkpoint! Er bremst vor dem einschüchternden Ensemble aus Stacheldrahtrollen, schussbereiten Maschinengewehren und quäkenden Funkgeräten. Israelische Soldaten mit Bleiwesten und hermetisch verschlossenen Gesichtern umringen den Wagen. Respekt zeigen sie weder vor seinem Alter noch vor dem schwarzen Mönchshabit. „Passport!“, ohne „please“. Noch ruppiger gehen sie mit den beiden Palästinensern im Wagen um: „Ihr dürft nicht durch. Oder habt ihr eine Spezialgenehmigung?“ Daoud fragt: „Wieso braucht man für diesen Weg eine Erlaubnis?“ – „Weil das nicht euer Land ist. Maybe one day. jenseits von eden: das paradise hotel in bethlehem wurde von der armee völlig zerstört (li). abt benedikt meditiert an seinem lieblingsplatz am see genezareth, wo das kloster behinderte kinder beherbergt – palästinensische und israelische gemeinsam. Aber so weit sind wir noch lange nicht“, hämt der junge Soldat, „this land is still mine.“ Nur weil Bruder Thomas flugs gegen das achte Gebot verstößt und ein unverdächtiges Reiseziel erfindet, dürfen alle passieren. Der Allmächtige wird ganz sicher ein Auge zudrücken. Der vierte Mann im Wagen, Abt Benedikt Lindemann, bleibt auffällig ruhig. Er strahlt den israelischen Soldaten an: „Shalom“, Friede. Für die Mitfahrer ist seine Freundlichkeit fast eine Provokation: Da erklärt sich ein 19-Jähriger mittels Maschinengewehr zum Besitzer Palästinas, und der Abt lächelt nur – wie soll man da folgen? „Spürt ihr denn nicht, wie der unter Stress steht, wie verunsichert der ist? Das ist ein ganz armes Würstchen.“ Der Abt wirbt für seine psychiatrische Sicht der Lage: Israel, die hysterische Gesellschaft. Ein Land ist permanent außer sich. Hin- und hergerissen zwischen Verfolgungswahn und der Illusion, 19 mit einer gigantischen Militärmaschinerie Sicherheit erzwingen zu können. Mit all den Zäunen, Checkpoints, Betonmauern, Absperrungen. Sie machen Grenz-Erfahrungen für die Mönche zum Alltag. „Suche den Frieden und jage ihm nach“, hatte der heilige Benedikt seinen Nachfolgern ins Regelbuch geschrieben. In Israel suchen und jagen seine Jünger unter Härtebedingungen. Das Kloster Hagia Maria Sion, in dem Abt Benedikt und seine 20 Brüder zu Gottes Lob und Preis leben, steht direkt an der Jerusalemer Stadtmauer, ein Häuflein deutscher Christen auf der Demarkationslinie zwischen den Juden im Westen und den Muslimen im Osten. Hier prallen Palästina und Israel aufeinander wie tektonische Platten, reiben sich, bauen Spannungen auf, die sich immer wieder in gewaltigen Beben und Verwerfungen entladen. Seit Oktober 2000 kracht es erneut. Als Reaktion auf eine kalkulierte Provokation des israelischen Premiers Ariel Sharon, der mit großem Gefolge zum 20 / Gott wohnt zwischen den Fronten Heiligtum der Muslime, zur Al-Aksa-Moschee marschierte, brach die zweite Intifada aus, der Aufstand der Palästinenser, brutal gekontert vom israelischen Militär. Auf Selbstmordattentate folgen Raketenangriffe der Armee und umgekehrt. Clash of Civilizations, und mittendrin die Benediktiner. Dabei wollen sie nichts anderes als beten und arbeiten, „ora et labora“ zur Ehre Gottes und für eigene Seelenruhe. Seit 100 Jahren schon harren sie auf dem Berg Sion aus. Aber wie finden sie inneren Frieden, während draußen Selbstmordattentäter und Armeebulldozer Angst und Schrecken verbreiten? Wie geht das, Kontemplation trotz Krieg? Fromme Versenkung in Zeiten der Eskalation? „Gerade jetzt“, sagt der Abt bestimmt, „Mönchtum war immer schon ein gelebter Gegenentwurf. Der Zölibat, sechsmal am Tag in die Kirche rennen, komische Kutten. Aber in Krisenzeiten wie diesen ist ein Leben im Gebet eine wertvolle Alternative.“ Vor zehn Jahren haben die Mönche ihn gewählt, im Alter von 37 und damit jünger als die meisten von ihnen. Sein Charisma eroberte ihre Herzen. Wegen der imponierend hohen Gestalt? Der hypnotisierenden Gestik seiner Hände? Der strahlenden Präsenz, mit der er sich jedem voll und ganz zuwendet, mit dem er spricht? Sie können seine Ausstrahlung spüren, erklärbar ist sie nicht. Sechsmal am Tag folgen sie ihm zum Chorgebet in die prächtige Basilika aus sandfarbenem Naturstein. Die Vigil am frühen Morgen, später Laudes, Eucharistiefeier, Mittagshore, Vesper und am späten Abend die Komplet. „Beten ist unser Weg, spirituelle Kraft zu gewinnen“, sagt der Abt. Dabei belassen sie es aber nicht. Geistlich gestärkt, engagieren sich die Benediktiner auch ganz irdisch für Lösun- geistiger beistand, praktische hilfe: die benediktiner unterstützen die opfer von selbstmordattentaten genauso wie palästinenser, die unter übergriffen der armee zu leiden haben. ein bildungszentrum nach granatbeschuss (li), land, das illegale jüdische siedler besetzen wollen (re). gen in dem blutigen Konflikt, den ihre Nachbarn zur Rechten und zur Linken miteinander austragen. Sie laden jeden Sommer behinderte Kinder ein, auf einem Klostergelände am See Genezareth ihre Ferien zu verbringen. Dort baden sie in salzhaltigen Thermalquellen und Pools, und zwar – dieser Tage eine kleine Sensation – Israelis und Palästinenser gemischt. Und einträchtig. Das warme Wasser bricht den Streit. Regelmäßig sammeln die Brüder Lebensmittel, Kleidung und Medikamente und verteilen sie in den besetzten Gebieten. Sie gehen in Dörfer, die durch die ständigen Grenzschließungen von der Versorgung mit dem Nötigsten abgeschnitten werden. Und sie unterstützen friedensbereite Aktivisten auf beiden Seiten nicht nur mit geistlichem Zuspruch, sondern auch mit Bargeld. Heute halten sie ihre schützende Hand über den Weinberg von Daoud und George Nassar. Es ist einer dieser Tage, an denen überall im Land die Nerven 21