Formationsflug bei Tempo 200
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Formationsflug bei Tempo 200
26 Landeshauptstadt Kiel / Roman Sonnabend, 29. November 2008 Nr. 281 Formationsflug bei Tempo 200 Hindenburgufer: Debatte um Namen Deutschen Fallschirmspringern gelingt Rekordsprung – und Gerd Demant war als einziger aus dem Land dabei Kiel – Tausende Meter über dem Erdboden, im freien Fall, erlebte Gerd Demant am 14. November 2008 den Höhepunkt seiner sportlichen Leidenschaft. „Da ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt der Elektroniktechniker aus Kiel. Als einziger Teilnehmer aus Schleswig-Holstein hatte sich der drahtige 58-Jährige mit 199 weiteren Männern und Frauen in 6000 Meter Höhe aus dem Flugzeug gestürzt. Von Felix Cornelsen In einem nur eineinhalb Minuten kurzen Zeitfenster gelang den 200 Deutschen um Demant die „weltweit größte Formation, die von Fallschirmspringern aus einer Nation erreicht wurde“, verkündete der Veranstalter, Dädalus Fallschirmsport. Vier Sekunden konnten die Springer die anspruchsvolle Formation halten. „Das Schwierigste an der Aufgabe war, bei Tempo 200 innerhalb kürzester Zeit und starkem Luftwiderstand diese große Formation zu bilden.“ Der Rekord war Ergebnis harter Arbeit und minutiöser Vorbereitung. Bereits in Deutschland mussten sich die Sportler in Wettbewerben qualifizieren. Demant, der 1987 das Fallschirmspringen lernte und sich seitdem über 1900-mal „wegen des unglaublichen Gefühls“ aus einem Flugzeug gestürzt hat, überzeugte. So flog er am 5. November in die USA: Mit Eloy im Bundesstaat Arizona wählten die Organisatoren einen der größten Fallschirmsprungplätze der Welt – vor allem wegen der konstanten Wetterlage. Selbst bei den vielen Testsprüngen vor Ort wurde keine Unsicherheit verziehen. „Beim Kiel – „Totaler Fehltritt“ oder ernstzunehmende Idee? Dass die Grünen beschlossen, einen neuen Namen für das Hindenburgufer zu finden, löste unterschiedliche Reaktionen aus. Das Hindenburgufer gehöre zu Kiel und seiner Geschichte, kritisierte der CDU-Fraktionschef Robert Cordes, wie die Grünen versuchten, der Landeshauptstadt ihren Stempel aufzudrücken. Er zeigte sich überzeugt, dass die Bürger diesem Vorstoß eine Abfuhr erteilen. SPD-Kreischef Rolf Fischer hält den Vorschlag für prüfenswert, denn der Name des Generalfeldmarschalls sei kein Name für eine der schönsten deutschen Wasserkanten. Auch die Debatte, durch Umbenennungen von Straßen und Plätzen an die Novemberrevolution 1918 in Kiel zu erinnern, begrüßt er. Man müsse das öffentliche Bewusstsein für die hohe kulturhistorische und politische Dimension der Ereignisse wecken, kündigt der SPDKreisvorsitzende ein „Revolutionskolloquium“ Anfang 2009 an. Dort sollten mit Partnern neue Wege des Erinnerns gefunden werden. Diebe entwendeten Luxuskarossen Kiel – Von dem Gelände eines Autohauses in der Friedrichsorter Straße sind in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag zwischen 20 und 6 Uhr zwei Pkw der Oberklasse gestohlen worden. Bei den Autos hanVier Sekunden konnten die schwarz-rot-gold gekleideten 200 deutschen Fallschirmspringer die Formation am 14. November halten – delt es sich um einen silbermeneuer deutscher Rekord. Foto Tom Förster tallicfarbenen Audi TT Roadster mit dem amtlichen Kennkleinsten Fehler wurde man Alle Beteiligten seien des- ken in die Tiefe fallen. „Jeder leistung verkündete. „Von zeichen RD-X 163 und einen aussortiert, acht Leute hat es halb angespannt und kon- hatte seinen festen Platz im uns ist eine Zentnerlast ab- gleichfarbigen Audi Q5 mit erwischt.“ Demant jedoch zentriert, aber nicht nervös Flugzeug und wusste genau, gefallen. Es wurde gejubelt, dem Kennzeichen KI-KA 155. war dabei, als der Rekord am gewesen, erzählt Demant. welche Position in welchem und wir sind uns in die Arme Die Schadenshöhe beträgt etvorletzten Tag der Reise ge- „Niemand wollte unser Ziel Sektor der Formation er hat- gefallen.“ Demant wird noch wa 100000 Euro. Zeugen, die durch einen Fehler vermie- te“, sagt Demant. Schon lange von diesem Erfolgser- zur Tatzeit verdächtige Beoblang. Die Männer und Frauen – sen.“ Aus insgesamt neun während des Versuches habe lebnis zehren. „Ich bin stolz. achtungen gemacht haben mit einer Altersspannezwi- Flugzeugen ließen sich die er ein gutes Gefühl gehabt. Vor uns gibt es nur noch den oder Angaben zum Verbleib schen 17 und 73 Jahren – 200 deutschen Springer – je- Die Freude und Erleichte- Weltrekord mit 400 Sprin- der Wagen machen können, standen enorm unter Druck, weils schwarz, rot und gold rung war schließlich groß, als gern. Unsere Leistung hat sollten sich bei der Kripo Kiel zwölf offizielle Fehlsprünge gekleidet – dann am 14. No- jeder heil gelandet war und weltweit unter Fallschirm- unter Tel. 0431/1603333 oder lagen bereits hinter ihnen. vember mit Sauerstoffmas- der Schiedsrichter die Best- springern Aufsehen erregt.“ 110 melden. gsc ROMAN Folge 40 In ihr eigenes wollte sie auf keinen Fall zurückkehren, solange sich ein Fernsehteam darin breitmachte. Und danach erst recht nicht. Sie hätte es nicht ausgehalten, allein mit Donato im selben Raum zu sitzen. Schon der Gedanke daran war ihr unangenehm. Wie konnte Donato nur so völlig gefühllos sein! Was war das für ein Mensch, der aus dem Unglück von Freunden ein Geschäft machte? Und dann noch so tat, als geschähe es ihnen zuliebe! Marisa verstand ihn nicht mehr, und sie wollte ihn auch nicht verstehen. Es war, als sei seit dem Attentat etwas zwischen ihnen zerbrochen, und wenn sie ehrlich war, wusste sie nicht, wie man das noch reparieren sollte. Wahrscheinlich hatten sich vorher schon tiefe Risse durch ihre Beziehung gezogen, die Marisa nur nicht hatte sehen wollen. Das war auch ihr Fehler gewesen. Wohl deswegen fühlte sie sich für Donatos Verhalten in gewisser Weise mitverantwortlich. Trotz aller Missbilligung gelang es ihr einfach nicht, sich davon zu distanzieren und zu denken, dass jeder das Recht habe, sich so zu blamieren, wie er wollte. Nein, Marisa litt unter jedem einzelnen von Donatos Sprüchen, sie schämte sich für die Denkungsart, die in ihnen zum Ausdruck kam, und fühlte sich aufgefordert, dop- pelt und dreifach gutzumachen, was er angerichtet hatte. Viel war ihr dazu allerdings nicht eingefallen. Sie hatte sich ein wenig um Catia gekümmert, nachdem sie aus ihrem besetzten Zuhause geflüchtet war. Im Wesentlichen hatte sie jedoch vor dem Fernseher gesessen, hatte durch die Programme gezappt und alles eingesogen, was mit den Geschehnissen in Montesecco zu tun hatte. Als sie nun an Catias Tür klopfte, antwortete niemand. Marisa drückte die Klinke herab. Es war nicht abgeschlossen. Sie ging ins Wohnzimmer, schaltete gewohnheitsmäßig den Fernseher an und bekam live mit, wie Catia nach dem Schuss des Geiselnehmers fiel und abtransportiert wurde. Nach dem Ende der Sendung ließ Marisa den Fernseher weiterlaufen, stand auf, ging zum Fenster, schaute hinaus, drehte sich wieder um und starrte das Sofa an. Es war ein tiefes, mit weichem braunem Kunstleder bezogenes Stück, aus dem man schwer herauskam, wenn man einmal darin versunken war. Auf ihm hatte sie die letzte Nacht mehr schlecht als recht geschlafen. Dort, auf der linken Seite, hatte Catia gesessen, als sie Stunden über Stunden die Nachrichtensendungen verfolgt hatten. Diesen Abend würde Marisa allein da sitzen. Irgendwann würde sie sich zwei Wolldecken überwerfen und vor dem laufenden Fernseher einschlafen. Catia würde stundenlang operiert werden und – wenn alles gut ging – auf einer Intensivstation liegen. Ihr Bett im oberen Zimmer würde unberührt bleiben. Marisa ging in die Küche und goss sich ein Glas Wasser ein. Die Leere im Haus war fast körperlich zu spüren. Tisch und Stühle strahlten sie aus, die gestapelten Teller im Geschirrschrank, die Kacheln, Wände und die alten Kinderzeichnungen von Minh, die neben dem Fenster hingen. Selbst das unbarmherzige Ticken der alten Uhr über der Tür und der gedämpfte, nicht verständliche Ton des Fernsehers aus dem Salotto konnten daran nichts ändern. Marisa war versucht, sich zu räuspern und sich laut vorzusagen, dass sie sich nicht so anstellen solle, ein leeres Haus war eben ein leeres Haus, doch sie wusste, dass es nichts helfen würde. Selbst wenn sie staubsaugte, Geschirr auf den Fliesen zersplittern ließ oder sonst irgendwie Krach machte, würde das beklemmende Gefühl bleiben, weil es nicht in der Stille seinen Ursprung hatte. Fast schien es Marisa, als wünschten diese Räume, leer zu stehen und langsam zu verfallen. Erst war Minh aus ihnen verschwunden und jetzt Catia. Es war, als hätte dieses Haus, das die beiden eigentlich beherbergen und beschützen sollte, sie böswillig hinausgespien in eine feindliche Welt, der sie hilflos ausgeliefert waren. Aber war es den anderen Bewohnern Monteseccos – wenn auch in harmloserem Ausmaß – nicht ähnlich ergangen? Waren sie nicht Hals über Kopf evakuiert worden? Wurden ihnen nicht von den Reportern die Türen eingerannt? Waren ihnen nicht die blutigen Schatten der Vergangenheit in die innersten Winkel hineingehetzt worden, wo sie noch lange umhergeistern würden? Auch Marisa hätte ihr Zuhause nicht ohne äußeren Anstoß aufgegeben, doch immerhin hatte sie im Gegensatz zu den anderen selbst die Entscheidung getroffen, so nicht weitermachen zu wollen.Jetzt befand sie sich hier, und sie würde sich von der unheimlichen Atmosphäre nicht ängstigen lassen. Sie würde bleiben, gerade weil die Leere sonst überhandnähme. Marisa musste ihr entgegentreten. Das war sie Minh schuldig. Und Catia. Und nicht zuletzt sich selbst. Marisa nahm ihr Glas Wasser mit in den Salotto. Sie setzte sich auf die Seite des Sofas, auf der Catia immer gesessen hatte, sie streifte die Schuhe ab, nahm die Beine hoch und winkelte sie an. Auf Canale 5 lief die hundertundachte Folge von „Tempesta d’amore“. Marisa schaltete durch die anderen Programme, fand aber nirgends eine Sendung über Montesecco. Also kehrte sie zu der Soap zurück, in der ein gewisser Werner in den Besitz eines ihn belastenden Dokuments gelangte. Zusammen mit Laura, die großherzig darauf verzichtete, ihn anzuzeigen, vernichtete er das Beweisstück. Aber natürlich gab es eine Kopie davon, die ebenso natürlich der erbitterten Rivalin Cora zugespielt wurde. Und so weiter. Marisa kannte sich aus. Bevor sie ihren Mann kennen gelernt hatte, hatte sie ein paar Serien regelmäßig verfolgt. Nicht nur, weil Donato sich überhaupt nicht dafür interes- sierte, war ihr die Lust daran vergangen. Es hatte sie geärgert, dass das Strickmuster immer gleich blieb. Von der Mimik der Schauspieler über die Dialoge bis hin zur Entwicklung der Geschichte war trotz der oberflächlichen Dramatik alles vorhersehbar. Vielleicht wirkte es deswegen so falsch, ohne dass Marisa genau hätte sagen können, was nicht stimmte. Es lohnte sich auch gar nicht, sich darüber Gedanken zu machen. So funktionierten diese Telenovelas eben. Egal, was geschah, am Schluss würden sich die kriegen, die das Drehbuch füreinander bestimmt hatte. Nur im Leben gab es keine Drehbücher. Man konnte Pläne schmieden, aber dann lief doch alles ganz anders, als man es sich vorgestellt hatte. Wenn irgendwer Marisa vor ein paar Tagen gesagt hätte, dass sie ausziehen und Donato am liebsten zum Teufel jagen würde, hätte sie laut aufgelacht. Und dass ein Attentäter hier einen Oberstaatsanwalt ermordete, dass er sich in Montesecco verschanzte, um verurteilte Brigadisten freizupressen, dass er neben vier Polizisten auch Minh in seine Gewalt brachte und auf Catia schoss, so etwas hätte sich doch keiner ausdenken können. Fortsetzung folgt Bernhard Jaumann: Die Augen der Medusa. Ein Montesecco-Roman. Aufbau-Verlag, 296 Seiten, 19,95 €