AdVoice 03/2013Dezember 2013

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AdVoice 03/2013Dezember 2013
Anwalt der Anwälte
G 48742
04/13
FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein
Thema:
Krieg
Krieg nach Regeln – Haager Landkriegsordnung
Amnestie um des Friedens willen
Katja Keul: Kriegerin vorm BVerfG
USA finanziert Datengraumarkt
Diversity – mit Vielfalt im Wettbewerb
forum Junge Anwaltschaft
w w w. d a v f o r u m . d e
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Editorial
Zuhören und Verstehen
D Liebe AdVoice-Leserinnen und -leser,
das Zitat „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht
hin“, das dem US-amerikanischen Dichter Carl Sandburg (1878-1967) zugeschrieben wird, wurde vor
allen Dingen von der Friedensbewegung immer
wieder aufgegriffen. Es steht wie kaum ein anderer
Ausspruch für den Wunsch nach dauerhaft friedlichen Verhältnissen – für viele Menschen eine Utopie.
Wie fragil das menschliche Zusammenleben sein
kann und wie wenig selbstverständlich Frieden und
Freiheit sind, das bekommen wir tagtäglich via Fernsehen und Internet ins heimische Wohnzimmer geliefert.
Das Glück, in einer lang andauernden Friedensphase leben zu dürfen, und die Tatsache, dass an
vielen Orten der Erde Krieg herrscht, waren für
AdVoice Grund genug, den Fokus auf den weltweiten Unfrieden zu setzen. Die Redaktion ist
eingetaucht in dunkle Kapitel der Menschheitsgeschichte. Dabei haben wir uns mit der Frage auseinandergesetzt, ob Krieg überhaupt rechtlich begründet werden kann. Die zurückliegenden Kriege
brachten zigfaches Leid über die Menschen. Die
ungeheuren Opferzahlen sprechen für sich und
geben dem Leiden eine kaum fassbare Dimension.
Im 20. Jahrhundert sollen allein durch Kriege 185
Millionen Menschen ihr Leben verloren haben.
Das allein legt den Verdacht nahe, dass Kriegsführung pure, entfesselte und unkontrollierbare Gewalt
ist, die sich jedwedem Regelwerk entzieht. Gleichwohl gibt es inzwischen ein humanitäres Völkerrecht,
eine Entwicklung aus den grausamen Kriegsfolgen,
wonach vieles nicht legal ist, was Koalitionsmächte
aus vermeintlich hehren Motiven anderen antun. Die
vielen Kriegstoten sind auch eine Mahnung, Frieden
zu bewahren und ihn dorthin zu tragen, wo er auf
seine Chance wartet.
der großen Weltkriege und will gleichzeitig Mittler
für den Weltfrieden sein. Um die Erinnerung an Kriege wachzuhalten, wagen sich regelmäßig Filmemacher an diese Thematik. Titel wie „Im Westen
nichts Neues“, „Full Metal Jacket“ oder „Unsere Mütter, unsere Väter“ stehen für ein Genre, an dem auch
die AdVoice-Redaktion nicht vorbeikam und über
das sich zu schreiben lohnt.
Kriegswaffen und Wehretats machen Kriege erst
möglich. Wir haben uns die Mühe gemacht, Zahlen
zu präsentieren, die im zivilen Alltag eher überlesen
werden, aber die sehr plastisch zeigen, welchen
Stellenwert die militärische Präsenz weltweit tatsächlich besitzt. Trotz großer Stabilität im Inland
haben Strafverfolgungsbehörden immer wieder mit
regelrechten Bandenkriegen zu tun. Besonders Motorradclubs sorgten in den vergangenen Jahren immer wieder mit Gewalt nicht nur gegen verfeindete
Clans für Aufsehen. Der Drogen- und Menschenhandel, illegales Glücksspiel und Prostitution sind
Wirtschaftssäulen, mit denen sich Rockerbanden zu
mächtigen Outlaws der Gesellschaft entwickelt haben. Manch Strafverteidigerkollege war bereits in
das ein oder andere Mammutverfahren Hells Angels
versus Bandidos involviert – interessant und berichtenswert.
Und während wir vertieft über Hitlers Angriffskrieg
nachdenken und Amnestiegesetze examinieren,
verlieren wir beinahe die NSA-Datenaffäre aus den
Augen. Gastautorin Sandra Viol erinnert uns Berufsträger daran, dass wir ein hohes Maß an Verantwortung im Umgang mit sensiblen Daten haben
müssen. Aufmerksam und dennoch frohen Mutes
bleiben, auch bei der Lektüre dieser Ausgabe!
Allen Leserinnen und Lesern
ein gutes neues Jahr 2014.
Das ist ein Anliegen des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Er kümmert sich um die Gefallenen
AdVoice
Redaktionsteam
Tobias Sommer
Berlin
Rechtsanwalt
Chefredakteur
Euer Patrick Ruppert
Patrick Ruppert
Köln
Rechtsanwalt
Redakteur und Autor
Stefanie Salzmann
Eschwege
Journalistin
Zentralredaktion
Jens Jenau
Schloß Holte-Stukenbrock
Rechtsanwalt
Bücherforum
Andrea Vollmer
Berlin
Fotografin und
Bildredakteurin
ADVOICE 04/13
1
Inhalt
Thema: Krieg
4
So alt wie die Menschheit
Krieg auf der Suche nach Rechtfertigung
8
Krieg nach Regeln
Die Haager Landkriegsordnung
10
11
14
Nach dem Krieg kommt der Frieden
Die EU ist mehr als Währungs- und
Wirtschaftsunion
Amnestie um des Friedens willen?
Frieden bedeutet mehr als die
Abwesenheit von Krieg
Magazin
18
Der nicht sichtbare Krieg:
Der Tag des Spatzen
Antikriegsfilme
20
Schwere Jungs
Bandenkriege in Deutschland
22
Rocker ohne Kutte
Wie ein Prozess platzt
23
Exportkontrollrecht
Von Waffen bis Tulpenzwiebeln
27
Mehr Information
zu Rüstungsexporten
Katja Keul als Kriegerin vorm BVerfG
Wer soll das bezahlen?
Verteidigungshaushalte im
weltweiten Vergleich
28
17
2
Wider das Vergessen
Kriegsgräberfürsorge als Friedensdienst
ADVOICE 04/13
Befreiung vom
Stigma des Landesverrats
Ausstellung zu Generalstaatsanwalt
Fritz Bauer
31
Ein offenes Geheimnis
USA finanziert Datengraumarkt
34
Anwälte gegen Überwachung
Demo in Berliner Bannmeile
36
Überwachung zerstört Vertrauen
Freie Berufe und behördliches Abhören
37
Gedicht des Monats
Die drei Winkel / Christian Morgenstern
38
Let´s talk about money
Ein Vorschuss hilft
41
Wach und heiter und so weiter!
Ritalin und Co
42
Diversity Management
Mit Vielfalt im Wettbewerb bestehen
44
Gericht des Monats
Landgericht Dresden
46
Suchspiel Recht
Finde Wörter im BAG-Tenor!
47
Partnerschaft mit
beschränkter Haftung
Seit 2013: Die PartGmbB
49
News
Fotos v.l.n.r.: Dietrich Schneider_pixelio.de / BrandtMarke_pixelio.de
Inhalt
Euer FORUM
Bücherforum
56
51
AdVoice braucht euch!
Autoren für die neue Rubrik
Jura News gesucht
Kommunalrecht
Datenschutzrecht in Bund und Ländern
Start in den Anwaltsberuf
Seminar von DAA und FORUM
54
Netzwerk
Vorteile der Mitgliedschaft im Überblick
55
Termine
Notieren, anmelden!
63
Autorenverzeichnis
64
Das letzte Wort
64
Impressum
Schutz bei Gewalt und Nachstellung
Mobile Apps – Rechtsfragen
Tatort www
52
Info + Service
Erfolgreich starten als Rechtsanwalt
RVG + das neue Gebührengesetz
55
Regionalbeauftragte gesucht!
Gebührenkalkulator
Vertrags- und Formularbuch zum
Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht
Wirtschaftsrecht
Recht der Energiewirtschaft
Praxishandbuch Anwaltsmarketing
Anwaltshandbuch Arbeitsrecht
Arbeitsrecht – Handbuch für die Praxis
Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht
Kündigungsschutzgesetz
Mediationsgesetz
Sozialrecht
SGB IX Kommentar
Vertragsbuch Gesellschaftsrecht
Beck´sches Formularbuch
Zwangsvollstreckung
Paul_Evans-kentuckyArmy / Hartmut910_pixelio.de / Andrea Vollmer
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ADVOICE 04/13
3
Thema
So alt wie die Menschheit
Der Krieg auf der Suche nach Rechtfertigung
Kriege sind so alt wie die Menschheit. Und als
hätten wir aus der irdischen Vergangenheit
nichts gelernt, sie gibt es immer noch, kämpferische Auseinandersetzungen, bei denen Menschen massenhaft getötet und verletzt werden.
Betroffen sind hierbei nicht nur Soldaten, Kombattanten, die offiziell für eine Seite kämpfen,
sondern vor allen Zivilisten.
Tatsächlich jedoch erfahren wir tagtäglich, dass die
Realität eine andere ist. Auf die Zivilisten wird
häufig überhaupt keine Rücksicht genommen, erst
recht nicht auf den Erhalt kulturell wichtiger Einrichtungen. Es ist eben Krieg, in dem scheinbar
völlig andere Gesetze zu gelten haben. So erhält in
dem Zusammenhang der „aberratio ictus“, den wir
aus dem Strafrecht als Fehlschlag kennen, und der
nach der herrschenden Meinung zur strafrechtlichen Konsequenzen beim Täter führt, eine Privilegierung im Kriegsfalle. Kollateralschaden lautet
die Vokabel für versehentlich getötete Zivilisten,
obgleich eigentlich ein militärisches Ziel getroffen
werden sollte.
Letztgenannte werden erst in der jüngeren Geschichte mit Einführung des humanitären Völkerrechts als Gruppe erfasst, die besonderen Schutz
genießt. Noch bis in die Neuzeit gehörte es beinahe
zum guten Ton, als Sieger über Besiegte zu herrschen und mit ihnen nach Belieben zu verfahren.
Brandschatzen, Plünderung und Gewalt gegenüber
Frauen und Kindern, besonders nach Abschluss
kriegerischer Handlungen, wurden als das natürliche Recht der Siegreichen verstanden.
Obgleich solche Auswüchse aus heutiger Sicht unzweifelhaft als Kriegsverbrechen eingestuft werden, kommen sie dennoch immer wieder, selbst in
militärischen Konflikten aus jüngster Zeit, vor. Das
gilt auch für die völkerrechtlich verpflichtende Maßgabe während andauernder militärischer Konflikte
die Zivilbevölkerung zu schonen und kulturelle Stätten (Kirchen, Denkmäler, Museen) nicht zu zerstören.
4
ADVOICE 04/13
Foto: thopix_pixelio.de
Thema
Aus dem zweiten Golfkrieg, der dank in Kampftruppen eingebetteter Kriegsreporter erstmals live
in die heimischen Wohnzimmer exportiert wurde,
kennen wir diesen Begriff, der individuelles Leid
beinah zynisch relativiert und die ansonsten geltende Strafbarkeit für Täter ausschließt. Dieses
Konstrukt folgt der Überlegung, dass ein Krieg
juristisch gerechtfertigt sein kann.
Der Islamwissenschaftler Manfred Hutter von der
Universität Bonn hatte im Gespräch gegenüber
Advoice verdeutlicht, dass daher nicht von einem
heiligen Krieg gesprochen werden dürfte, weil sich
dies rein logisch ausschlösse (siehe Interview mit
Manfred Hutter in AdVoice 2/13 S. 6). Es geht in
der Bewertung also stets um das Einsatzmotiv,
sozusagen die Rechtfertigung zur Führung eines
Krieges, die ex post in der Aufarbeitung eines militärischen Schlages von unzähligen Juristen genau
geprüft wird. Noch bevor zu den Waffen gegriffen
wird, wird in der Regel mehr oder weniger intensiv
nach einer plausiblen Begründung gesucht, warum
eine militärische Intervention – ein Begriff der
jüngeren Rechtsgeschichte – infrage kommen soll.
AdVoice hat sich einigen Kriegen aus der lange
zurückliegenden und jüngeren Geschichte zuge wandt, um nach den Begründungen für die jeweiligen Kampfhandlungen zu fahnden. Folgendes kam
bei den Recherchen heraus.
Antike Eroberungsfeldzüge
Man könnte überspitzt formulieren, dass ein Krieg
höheren Rechtszielen zu folgen hat, damit hinter
jenen dann andere, individuelle Rechte zurücktreten. Das kann demnach in letzter Konsequenz also
unmissverständlich bedeuten, dass viele Menschen
ihr Leben lassen müssen – das eben für die eine
„gute Sache“. Der Krieg, der Heil über die Menschen
bringen soll, wäre somit der gerechte, „heilige“
Krieg?
Friedensbewegten Bundesbürgern dürften an
dieser Stelle maximal die Haare zu Berge stehen,
ist doch inländisch kodifiziert und in den Köpfen
der Mehrheit verankert, dass die Todesstrafe als
abgeschafft gilt und das Töten/Verletzen anderer
Menschen verboten ist, so nicht ein unmittelbarer
Angriff auf Leib und Leben abgewehrt werden muss
(Stichwort Notwehr/Nothilfe). Das mit der Heiligkeit
ist ohnehin so eine Sache, bringt Krieg immer eines
mit sich, Unheil über alle, die sich ihm in den Weg
stellen oder ganz schlicht ohne jedwede Beteiligung zu Opfern werden.
„Drei, drei, drei – bei Issos Keilerei“ war noch zu
Schulzeiten ein Lehrsatz, um uns Pennäler Geschichtsverständnis, genauer: die Auseinandersetzung im November 333 v. Chr. zwischen Alexander
dem Großen auf Seiten der Makedonier und Dareios III. auf Seiten der Perser einzubläuen. Die
Schlacht, die Alexander der Große für sich entschied, bildet einen Höhepunkt in den damals zwischen den Griechen und Persern immer wieder aufflammenden Konflikten im Mittelmeerraum. In der
Antike waren Angriffskriege in der führenden Klasse
en vogue. Man nahm sich, was man meinte, sich
nehmen zu müssen. Eroberung und Machtausbau
standen auf der Agenda. Dörfer wurden niederge brannt, die Bevölkerung, so sie nicht umgebracht
wurde, dem neuen Herrscher unterworfen, die al ten Machthaber den Löwen zum Fraß vorgeworfen
oder außer Landes gejagt. Die justiziable wie schlichte Begründung für Issos war Rache für den über
100 Jahre zuvor unternommen, blutigen Angriff der
Perser auf Athen und das Umland. Rache war durchaus legitim und wurde erst in der späten Neuzeit
als inakzeptabel eingestuft. Die „Keilerei“ bei Issos
war, wie alle Kriegsschlachten des Altertums, ein
Gefecht von Mann zu Mann, das mit äußerster
Härte geführt wurde. Schlachtentscheidend waren
nicht nur die Ausrüstung wie Waffen, Schutzaus stattung und Logistik. Kriegswesentlich war vor
allem die Schlachtordnung, die Aufstellung der
unterschiedlichen Landsmannschaften und Truppen.
g
Frühe Religionskriege
Mit der Etablierung des jungen Christentums schien
eine Abkehr von kriegerischer Gewalt in greifbare
Nähe zu rücken. Nach den Maßgaben des Neuen
Testaments war die Lehre von „Aug um Aug“, die
reflexivste Form der Gegengewalt, scheinbar abgeschafft. Das war insofern bemerkenswert, weil die
frühen Christen sich im römischen Reich schlimmsten Verfolgungen ausgesetzt sahen, auf adäquate
Gegenwehr aber weitgehend verzichteten. Die
Kaiser Nero, Trajan und Diokletian, um drei bedeutsame zu nennen, waren besonders grausame Protagonisten der Massenhetzjagd auf die Gruppe der
Gläubigen. Die pazifistische Grundhaltung, die die
ersten religiösen Märtyrer hervorbrachte, sollte jedoch nicht ewig massentauglich bleiben. Mit der
Festlegung des christlichen Glaubens als Staatsreligion rückte Christsein in die Nähe staatlich ausgeübter Gewalt. Kriegerische Handlungen, so sie
als gerecht eingestuft wurden, konnten somit moralisch legitimiert werden. Der „bellum iustum“ konnte
daher gegen Andersgläubige jederzeit geführt werden, erst recht, wenn er die Befreiung eines eroberten Landstriches zum Ziel hatte. Der erste Kreuzzug
zur Befreiung Jerusalems, das seit 638 unter muslimischer Herrschaft stand, wurde als ein solcher
gerechter, ja gottgefälliger (heiliger) Krieg proklamiert. Es kam zu insgesamt sieben Kreuzzüge zwischen 1095 und 1291, die nach groben Schätzungen
drei Millionen Menschen das Leben kosteten.
(Quelle: Necrometrics.com/pre1700a.htm)
Krieg um Vorherrschaft
Dynastische Machtbestrebungen, Kleinstaaterei und
religiöse Disparitäten waren der ideale Nährboden
für den von 1618–1648 währenden, Dreißigjährigen
Krieg. Zwar wird er in vielen Geschichtslehrbüchern
als klassischer Religionskrieg genannt. Im Kern der
zigfachen Konfliktlinien dürfte es jedoch um Hegemonialbestrebungen der involvierten Mächte innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und dem habsburgischen Europa gegangen
sein. Gewiss, Protestantismus und Katholizismus
waren willkommene Rechtfertigungsgründe – im
übrigens ersten großen Flächenkrieg der Geschichte.
Als Kriegsauslöser werden die öffentlichkeitswirksame Aberkennung der zuvor zugesicherten Religionsfreiheit (Augsburger Religionsfrieden vom 25.9.
1555) gesehen. Konkret erkannte in Böhmen Kaiser
Matthias den Ständen die zuvor von seinem Bruder
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Thema
Rudolf II. zugesicherte (protestantische) Religionsfreiheit nicht an. Kaiserliche Legate, bewusst als
Provokateure nach Prag entsandt, traten vehement
als Verfechter der harten kaiserlichen Linie auf.
Wutentbrannt wurden sie von den protestantischen Ständevertretern gepackt und aus dem Fenster des Königspalastes geworfen (16.5.1618). Dem
letztlich erwarteten Prager Fenstersturz folgte die
von Anfang an geplante Vergeltungsaktion des
Kaisers, durch die der Krieg auf dem europäischen
Kontinent initiiert wurde.
Von Böhmen aus wurden die unterschiedlichsten
Allianzen geschmiedet, die sich zunächst in zwei
Hauptlagern, der Katholischen Liga und der Protestantischen Union, gegenüberstanden. Hieraus entwickelte sich in über drei Jahrzehnten ein Flächenbrand, in den nach und nach die Pfalz, die Niederlande, Spanien, Dänemark, Schweden, England,
Pommern, Mecklenburg, Sachsen, Brandenburg und
Frankreich als Kriegsparteien eintraten. Was hat es
gebracht? Die angestrebte Hegemonie des katholischen Kaisers wurde mit der Besiegelung des Westfälischen Friedens und der Aufteilung der Ländereien
auch an die protestantischen Dynastien verhindert.
Der Blutzoll der lange andauernden Kriegshandlungen waren geschätzte 7,5 Mio. Tote, darunter
erstmals viele Zivilisten (Quelle: Necrometrics.com/
pre1700a.htm).
Moderne Angriffskriege
Der Machthunger der Franzosen, genauer der eines
korsischen Generals mit Namen Napoléon Bonaparte, sorgte im kompletten west-, mittel- und osteuropäischen Raum für Angst und Schrecken. Es
erforderte sechs Koalitionskriege zwischen 1792
und 1815, um die französische Aggression endgültig zurückzuschlagen. Dabei waren die Befreiungskriege 1812-1815, zuletzt die Schlacht bei
Waterloo, die entscheidenden Kriege zur Wiederherstellung alter Staatensouveränität.
Die napoleonische Invasion in Europa basierte auf
den Schwächen der damals noch jungen Demokratie, die aus der Französischen Revolution hervorging. Starke repräsentative Parlamente und klar
instruierte, vom Volkswillen getragene Regierungen,
wie sie heute in westlichen Staaten üblich sind, gab
es nicht. Gegenläufige Interessen von Republikanhängern einerseits und aristokratiebewussten Monarchisten andererseits erschwerten ein stabiles
Regieren. Dank der Unterstützung des Revolutionsheeres und aufgrund der Einführung plebiszitärer Elemente in bestimmten staatstragenden
Fragen, hierzu zählt u. a. die Frage der Kaiserernennung, konnte sich Napoleon beinah mühelos
an die Macht bringen. Schwächen im Inneren, so
wusste es Napoleon, können nur durch Stärke nach
außen kompensiert werden. Der starke Nationalismus gab ihm zudem Recht und trug ihn mit seiner
6
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Armee bis nach Russland. In den besetzten Gebieten galt fortan der Code Napoleon (Code civil), der
in Teilen der Bundesrepublik noch bis in die 1970er
Jahre zur Anwendung kam. Fazit der expansiven
Gewaltherrschaft: 3,5 Mio. Tote (Quelle: Der Spiegel,
Ausgabe 48/1966).
Diese Zahl wurde ein Jahrhundert später durch den
Ersten Weltkrieg (1914-1918) mit 15 Mio. Toten und
durch den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) mit 66
Mio. Getöteten um ein Vielfaches übertroffen. Weil
im 20. Jahrhundert die Vorbereitung und Führung
von Angriffskriegen völkerrechtlich ins Abseits
geriet, waren besonders die Nationalsozialisten
bemüht, die Aggression des Deutschen Reichs als
Notwehrhandlung im Sinne eines Defensiv- maximal eines Präventivkrieges darzustellen. Diese
Frage ist unmissverständlich beantwortet. Hitlerdeutschland ist ausschließlich Schuld am Ausbruch
des bislang größten Weltkriegs.
Militärische Intervention
Heutige Waffengänge westlicher Nationen werden
in der Regel nicht als Krieg, sondern als militärische
Intervention deklariert, die keinen aggressiven, sondern defensiven Charakter besitzt. Abgedeckt soll
dies stets durch ein entsprechendes UN-Mandat
sein, um es völkerrechtlich abzusichern. Die jüngste
Vergangenheit hat allerdings deutlich gezeigt, dass
einflussreiche Nationen wie die USA zum Einschreiten nicht zwingend auf ein UN-Mandat warten und auch ohne völkerrechtlich verbindliche
Absegnung durch die Staatengemeinschaft losschlagen. Die Begründung für die Intervention
lautet etwa „Kampf gegen die Achse des Bösen“,
der durch eine Koalition „of the willing“ geführt
wird. Ein völkerrechtlich fragwürdiger Einsatz erhält so jedenfalls noch lange vor einer sauberen
juristischen Aufarbeitung eine moralische Aufwertung. Aktuell werden Truppeneinsätze im Bürgerkriegsland Syrien diskutiert. Bislang konnte sich der
UN-Sicherheitsrat aber noch nicht auf eine einheitliche Linie verständigen.
RA Patrick Ruppert, Köln
Foto: thopix_pixelio.de
Thema
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In keInem Waffengang soll
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Thema
Krieg nach Regeln!?
Die Haager Landkriegsordnung im Überblick
Deutschland (er)lebt die längste Zeit in Frieden.
Der Zweite Weltkrieg, den das Deutsche Reich
auf dem Gipfel der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft mutwillig vom Zaun brach, liegt
inzwischen mehr als 70 Jahre zurück. Die Generation der Protagonisten, die noch aus erster Hand
von den erlebten Gräuel berichten konnte, stirbt
aus. Somit verblasst das letzte Stück lebendig vermittelter Erinnerung. Sie war den unmittelbar
nachfolgenden Geburtenjahrgängen eine stete
Mahnung und Verpflichtung, den Nachkommen
glaubhaft die Notwendigkeit zur Friedfertigkeit
der Nationen zu vermitteln.
Dank der langen Phase des Friedens auf eigenem
Terrain ist die breite Bevölkerungsmehrheit nur am
Rande mit der Thematik des Krieges belastet. Zwar
gab es bis vor Kurzem noch für die Männer den
Pflichtdienst an der Waffe. Der war eine politische
Notwendigkeit des sogenannten kalten Krieges gewesen. Doch den konnte man bereits vor über zehn
Jahren vor seiner Aussetzung mit mehr oder weniger
überschaubarem intellektuellen Aufwand, beinahe
regulär in zivile Arbeit – gleichsam sinnvoll – wandeln.
Militärische Handlungen fanden und finden bis heute
außerhalb der Bundesrepublik statt. Das machte uns
bislang zu distanzierten Beobachtern ferner Konflikte, die im Dschungel Südostasiens, in den Wüsteneien
des Zweistromlandes oder in der karstigen Bergregion
des Hindukusch in der Regel mit „anderen“ tobten.
Unzählige verstörende Bilder wurden uns über die
Nachrichten ins heimische Wohnzimmer geliefert.
Freund und Feind – Wer ist das überhaupt? – setzten
die Medialität stets gezielt ein, um Gefühle zu provozieren und uns auf die eine oder andere Seite der
Konfliktparteien zu ziehen. Letztlich erfuhren wir
hierbei immer nur eins: Krieg ist grausam und in
zivilisierten Zeiten, in denen wir weitestgehend ungestört existieren dürfen, immer unbegreiflicher.
Und weil wir in den westlichen Zivilgesellschaften
territorial wie emotional weiter von großen militärischen Auseinandersetzungen abdriften, schwindet
auch jedwedes Verständnis für Regelhaftes in Kriegen. Das mag wie eine Perversion, ein unvereinbares
Paar klingen: Krieg und Regeln. Sind doch viele
Menschen davon überzeugt, dass im Krieg keinerlei
Normen Gültigkeit besitzen, weil er grausam ist und
niemals gerecht sein kann. Wozu also die Bemühung
von Regeln? Und diese global kritische Haltung
erhält zudem immer dann neue Nahrung, wenn
einmal mehr aktuelle Berichte aus Kriegsregionen
über Massaker die Runde machen.
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ADVOICE 04/13
Doch es gibt sie tatsächlich, Regeln innerhalb eines
Krieges, die völkerrechtlich verbindlich sind. Sie
werden zusammengefasst unter das Kriegsrecht im
engeren Sinne und verpflichten die Konfliktgegner
zur Beachtung bestimmter Verhaltensweisen als
eine Art Minimalkonsens. Diese „bestimmten Verhaltensweisen“ dienen dem Zweck, die Auswirkungen
auf die involvierten Parteien so gering wie möglich
zu halten und die nichtmilitärische Zivilbevölkerung
zu schonen.
Hieraus lässt sich unschwer ableiten, dass etwa strategische Bombardments, bei dem militärische und
zivile Zivile ohne Ausnahme und in der Breite getroffen werden sollen, völkerrechtswidrig sind. Dies
schließt gleichsam die Ächtung besonders grausamer Waffen ein, ohne dass es eigentlich einer
gesonderten, vertraglichen Vereinbarung bedürfte
(so z. B. das Verbot von chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen).
gegner 1
Heute sprechen wir umfassend vom sogenannten
humanitären Völkerrecht, das die „Spielregeln“ im
Krieg eint. Seinen historischen Ursprung nahm die
Entwicklung des humanitären Völkerrechts in der
ersten Genfer Konvention von 1864. Sie zielte vornehmlich auf die Verbesserung der Versorgung verletzter Feldsoldaten nach bestimmten Mindeststandards ab – in einer Zeit, in der Krieg international als
legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung
(nur „mit anderen Mitteln“ *C. von Clausewitz) begriffen wurde.
Die am 24. Juni 1859 im lombardischen Solferino ausgetragene Schlacht zwischen Frankreich/Sardinien
auf der einen und Österreich auf der anderen Seite
mit über 30.000 Toten binnen kurzer Zeit, brachte
einen Gesinnungswandel auf dem europäischen Kon-
tinent, was die Art und Weise der Kriegsführung anbelangt. Es ist vor allem dem schweizerischen Kaufmann Henry Dunant zu danken, der die Grausamkeit
und unzulängliche Sanitätsversorgung in dem Krieg
miterleben musste, dass humanere Verhältnisse auf
den Schlachtfeldern Einzug halten sollte, zunächst
nur was die Behandlung Verwunderter angeht.
Nach den Vorschlägen Dunants sollte eine international tätige Hilfsorganisation gegründet werden,
die einheitlich durch ein unverwechselbares Zeichen für alle Konfliktparteien erkennbar ist. Das
war gleichzeitig die Geburtsstunde des internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) und der
Anstoß zum Aufbau einer ernstzunehmenden Sanitätsversorgung in den Armeen. Zwölf Staaten ratifizierten die erste Genfer Konvention, darunter
Preußen, Hessen, Baden, Württemberg, die Schweiz,
Spanien, Frankreich, Italien, die Niederlande und
Portugal, wenig später Norwegen und Schweden.
Die infolge der Kriegshandlungen des 19. und 20.
Jahrhunderts immer wieder modifizierte, heute noch
geltende Genfer Konvention gliedert sich in aktuell
vier Konventionen (I die Verwundeten und Kranken
im Felddienst, II die Verwundeten, Kranken und
Schiffbrüchigen im Seekrieg, III die Kriegsgefangenen und IV die Zivilbevölkerung in Kriegszeiten).
Durch Zusatzprotokolle wurden ferner die Rolle von
regulären Kämpfern (Kombattanten) als auch innerstaatliche Konflikte (Bürgerkriege) geregelt. Beinah parallel neben der Vereinbarung der ersten
Genfer Konvention gedieh die Idee, den Krieg und
die Vornahme von Kriegshandlungen, so eigentümlich das klingt, „humaner“ zu gestalten. Auf der
Brüsseler Konferenz von 1874 unternahm der russische Zar Alexander II. den Versuch, die 15 teilnehmenden Staaten auf einen von ihm entworfenen
Konventionsentwurf einzuschwören. Doch dieser
Vorstoß misslang. Das Vertragswerk wurde von keinem Land unterzeichnet. Es blieb völkerrechtlich
Makulatur.
Fotos: Andrea Vollmer
Thema
Erst die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und
1907 brachten einen entscheidenden Durchbruch,
an dessen Ende drei Kernpunkte festgehalten wurden. So sollte in keinem Waffengang ein rechtsfreier
Raum überhaupt existieren. Zweitens sollte die Wahl
der Mittel zur Kriegsführung nicht unbeschränkt
sein. Und schließlich drittens sollten Zivilisten und
Nichtkombattanten ebenso wie Zivileinrichtungen
nach Möglichkeit verschont werden. Im Detail
schließlich wurden Gebräuche und die Ordnung der
Kriegsführung festgeschrieben und die Rolle neutraler Staaten definiert. Auch über ein Jahrhundert
später gelten die Vereinbarungen der Haager Landkriegsordnung fort und binden selbst die Staaten
völkergewohnheitsrechtlich, die dem Abkommen
nicht offiziell beigetreten sind. Um einen Eindruck
davon zu erhalten, wie die Regeln im Kampf aussehen, seien einige wichtige Verpflichtungen aus der
Anlage zum IV. Haager Abkommen vom 18. Oktober
1907 vorgestellt.
OFFENE ERKENNBARKEIT
Kämpfende Einheiten müssen klar erkennbar von
einem an der Spitze stehenden Kommandierenden
geführt werden. Dieser Führer muss die Verantwortung für seine Untergebenen übernehmen. Die
Truppen müssen ein aus der Ferne wahrnehmbares
Abzeichen tragen. Waffen sind offen zu führen.
Schließlich haben diese regulären Truppen die Gesetze und Gebräuche der Kriegsführung einzuhalten.
(Artikel 1)
VERPFLICHTUNG ZUR ARBEIT
Kriegsgefangene mit Ausnahme der Offiziere können entsprechend ihrem Dienstgrad und Fähigkeiten
zu Arbeiten herangezogen werden. Diese Arbeiten
dürfen aber nicht übermäßig sein und nicht in Beziehung zu den Kriegsunternehmungen stehen. Diese
Arbeiten sind nach den Sätzen des eigenen Heeres
zu vergüten. (Artikel 6)
VERBOTENE KRIEGSMETHODEN
Verboten ist der Einsatz von Giftwaffen, die meuchlerische Tötung oder Verletzung von Angehörigen des
feindlichen Volkes oder Heeres, die Tötung eines sich
ergebenden oder wehrlosen Gegners, jede Erklärung,
dass kein Pardon gegeben wird, die Verwendung von
Kampfmitteln/Waffen, die unnötige Leiden verursachen
(die Benutzung von „Dum-Dum-Geschossen“), und
der Missbrauch der Parlamentärsflagge. (Artikel 23)
gegner 2
SCHUTZ VON KULTURSTÄTTEN & -GÜTERN
Kirchen, Gebetshäuser, Gebäude der Kunst und Wissenschaft, Krankenhäuser, Verwundetensammelplätze
sind nicht zu beschießen. Diese müssen deutlich von
den Belagerten gekennzeichnet sein. (Artikel 27)
VERBOT DER PLÜNDERUNG
BEHANDLUNG VON KRIEGSGEFANGENEN
Kriegsgefangene sind menschlich zu behandeln. Sie
unterstehen der gegnerischen Regierung, keinesfalls
aber der Person oder Abteilung, der sie gefangen
genommen hat. Sämtliche Gegenstände mit Ausnahmen von Waffen, Pferden und militärischen
Dokumenten bleiben Eigentum des Gefangenen.
(Artikel 4)
Eingenommene Gebiete dürfen nicht der Plünderung freigegeben werden. (Artikel 47)
VERBOT DER KOLLEKTIVBESTRAFUNG
Strafen in Geld oder in anderer Art dürfen wegen
Handlungen einzelner nicht über eine ganze Bevölkerung verhängt werden. (Artikel 50)
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Übertretungen der Regeln des Haager Abkommens
sind klar Kriegsverbrechen. Die praktische Überwachung und die Ahndung jener Taten jedoch
stellte die Staatengemeinschaft bislang immer wieder vor erhebliche Herausforderungen. Bereits bei
der Frage der Errichtung von Kriegstribunalen mussten, wie beispielsweise die Geschichte der Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs IStGH
in Den Haag zeigt, deutliche Kontroversen unter
den Vertragsstaaten festgestellt werden. Bis heute
haben die Vereinigten Staaten von Amerika zwar
das Rom-Statut unterschrieben, Normgrundlage
für den IStGH, eine Ratifizierung jedoch verweigert.
Schon bei den Nürnberger NS-KriegsverbrecherProzessen waren deutliche Spannungen der (damaligen) Weltmächte im Tribunal festzustellen. Die USA
und die damalige UdSSR rückten schon dort inhaltlich auseinander, um sich Jahre später im Kalten Krieg
wiederzufinden. Nicht völlig kritikfrei sind auch die
von der UN eingerichteten Tribunale, etwa der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien durch UN-Resolution 827. So wird zum Teil
vorgebracht, das Tribunal sei völkerrechtswidrig initiiert worden, weil die UN-Charta zu weit ausgelegt
worden sei. Letztlich, so darf aber konstatiert werden, war die Einführung und auch die Umsetzung
von Verhaltensregeln in kriegerischen Auseinandersetzungen ein völkerrechtlicher Meilenstein des 20.
Jahrhunderts.
Die Kriegsverbrecherprozesse gegen Miloševic,´ Karadzic und Mladic wären undenkbar, hätten sich die
Regierenden des späten 19. Jahrhunderts, angetrieben von den ersten Friedensbewegungen, nicht für
eine Humanisierung der Kriege verwendet. Diese
Feststellung mag angesichts der Millionen Toten in
den später folgenden Weltkriegen zunächst zwar
wie blanker Zynismus anmuten. Unter dem Strich
jedoch kann sich heute kein Staatenführer und kein
Befehlshaber mehr hinter nationalen Normen verstecken und zum eigenen Schutz die Einmischung
in „interne Angelegenheiten“ monieren, wenn es um
die Aufarbeitung zigfachen Verbrechens an der fremden oder der eigenen Bevölkerung geht. Sie müssen
im Zweifel mit völkerrechtlich gültigen, international
betriebenen Strafprozessen rechnen, an dessen Ende
auch angemessen hohe Verurteilungen stehen können. Das ist ein klarer, ganz erheblicher Fortschritt
hin zu humaneren Lebensverhältnissen auf der Erde,
selbst wenn das Ziel zu umfassenden Weltfrieden
noch in weiter Ferne liegt.
RA Patrick Ruppert Köln
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Thema
Nach dem Krieg kommt der Frieden
Die Europäische Union ist weit mehr als eine Währungs- und Wirtschaftsunion
„Wenn dieses Europa nichts anderes erreicht
hätte, als den Frieden in Europa zu sichern, dann
müssten wir schon jeden Tag ausschließlich
dafür dankbar sein." Das sagte Volker Kauder,
Vorsitzender CDU/CSU Bundestagsfraktion am
16. November dieses Jahres auf dem Deutschlandtag der Jungen Union Deutschlands.
Auch in den weiteren Kinderschritten der europäischen Gemeinschaft, den Römischen Verträgen,
stand der gemeinschaftliche Wirtschafts- und Industrieraum im Fokus. Errungenschaften aus dieser
Zeit prägen bis zum heutigen Tag das Verständnis
von Europa. Politische Integration durch wirtschaftliche Integration.
Die Zeiten, ein Unionsbürger zu sein, könnten nicht
besser sein, auch wenn nur 31 Prozent Vertrauen in
die Europäische Union haben. Fraglich ist, ob dieser
Zustand ein Ergebnis der Finanz- und Schuldenkrise
ist und die Unsicherheit in die gemeinsame europäische Währung auf das gesamte Konstrukt Europa übertragen wird oder den Mangel einer europäischen Identität sichtbar werden lässt. Müssten
wir nicht dankbar für Einheit und Frieden sein?
Diesem Grundsatz wurde auch in den folgenden
Entwicklungsschritten die Treue gehalten. Denn
auch wenn durch den Unionsvertrag 1992 grundlegende Strukturveränderungen, vor allem institutionelle, erreicht wurden, waren die Zielsetzungen
von wirtschaftlichen Anforderungen geprägt. Der
bereits florierende gemeinsame Binnenmarkt bedurfte einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Daraus folgt wohl, dass der Unionsbürger vor allem an die gemeinsame Währung
denkt, wenn er zur EU befragt wird.
Dankbarkeit nutzt sich jedoch ab. Und die Sonntagsreden der Politik mit Lobeshymnen auf die Errungenschaften der Europäischen Union erreichen
die Bürger nicht. Europa ist fern, kompliziert, zu groß
vielleicht und mit Sicherheit überbürokratisch.
Aber sollte Volker Kauder recht haben und wir müssen dankbar sein? Am besten jeden Tag und vor allem
nicht vergessen: Woher sind wir gekommen und
warum darf unsere Dankbarkeit nicht abbrechen?
1951, der zweite verheerende Krieg innerhalb weniger Jahrzehnte ist vorbei, obwohl seine zerstörerische Kraft noch überall spürbar ist. Wenige
europäische Politiker trauten sich und ihren Nachbarn unter diesen Bedingungen ein langfristiges,
friedliches Zusammenleben zu. Winston Churchills
Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“, die einen
Zusammenschluss der europäischen Ländern beinhaltete, wurde kaum gehört und von den meisten
als utopische Vision abgetan.
Sind wir demnach tatsächlich zu einer Euro-undCent-Union geworden? Wenn man den Bürgern
Glauben schenkt, dann liegt der Fortschritt und der
persönliche Gewinn mit und durch die EU vor allem
in der Freizügigkeit und dem Frieden innerhalb Europas. Wirtschaftliche Entwicklungen folgen nachrangig. Das mag zunächst überraschen, aber der
Unionsbürger schaut offensichtlich zuvörderst auf
die persönlich relevanten Vorzüge der Union und
bewertet erst nachfolgend den Erfolg oder Misserfolg der EU.
Tatsächlich ist Europa so viel mehr. Die Gründungsväter der EU haben in der Nachkriegssituation aus
befeindeten Lagern wirtschaftliche Kooperationen
geschaffen und die Gunst der Stunde genutzt. Sie
haben den Samen für ein friedliches Miteinander
und gegenseitiges Vertrauen gelegt. Wir leben heute
von den Früchten dieser europäischen Pflanze. Sie
gedieh langsam, denn nicht nur die Weltkriege,
sondern auch ein zweigeteiltes Europa während
des Kalten Krieges ließ die europäische Integration
nur schrittweise vorankommen.
Die Tatsache, dass dieser Prozess langwierig war
und bis zum heutigen Tag anhält und der Umstand,
dass wir vor allem von den Früchten leben, die wir
nicht gesät haben, machen Dankbarkeit schwer.
Deswegen müssen die kommenden Generation
ihren Beitrag leisten, die EU voranbringen und das
friedlichen Zusammenleben erhalten.
Der Weg über das Geld hat den Weg für die Politik
freigemacht. Und die Politik muss Hüter des Friedens sein. Denn es erscheint als die wertvollste
Nebenwirkung des europäischen Integrationsprozesses den Frieden gebracht zu haben.
Laura Stoll, Hamburg
In Frieden leben zu können und Vertrauen zu haben,
dass das so bleibt, ist ein besonders hohes persönliches, und auch gesellschaftliches Gut. Spätestens
an diesem Punkt werden sich Europa-kritische Strömungen beim Ringen um die Gunst potenzieller
Wähler die Zähne ausbeißen.
In der historischen Rückschau wirkt es wenig verwunderlich, dass sich die europäischen Staaten zunächst wirtschaftlich annäherten. Dass die politische
Integration nur sukzessive zu realisieren war, wird
durch den Schuhmann-Plan deutlich, der in der
Montanunion gipfelte. Diese diente nicht nur einer
engeren Zusammenarbeit, sondern auch der supranationalen Kontrolle. Der Vertrauensvorschuss, vor
allem für die Deutschen, war innerhalb und auch
außerhalb Europas aufgebraucht.
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Foto: La-Liana_pixelio.de
Thema
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Amnestie um des Friedens willen?
Frieden bedeutet mehr als die Abwesenheit von Krieg
Der Duden definiert Amnestie als durch ein
besonderes Gesetz verfügten Straferlass oder verfügte Strafmilderung für eine Gruppe bestimmter Fälle, insbesondere für politische Vergehen.
Diese Definition erscheint aus juristischer Sicht
nicht ganz zutreffend, denn sie vermischt die
Amnestie mit der Begnadigung. Auch die Begnadigung führt im Ergebnis zu Straffreiheit oder
Strafermäßigung. Sie ist jedoch höchstpersönlich, das heißt auf einen individuellen Einzelfall
beschränkt, während die Amnestie eine unbekannte Anzahl von Fällen betrifft.
Aus juristischer Sicht ist deshalb unter Amnestie
ein allgemeiner, für eine nicht bestimmte Anzahl
von Fällen geltender und meistens auf bestimmte
Vergehen oder Verbrechen bezogener Gesetzesbeschluss zu verstehen, der den Betroffenen Straffreiheit oder Strafermäßigung zukommen lässt. Der
Gesetzgeber verzichtet also darauf, Rechtsnachteile an früheres Verhalten zu knüpfen. Dieser Eingriff in den regulären Ablauf der Rechtspflege kann
in verschiedenen zeitlichen Stadien vorkommen. So
wird in manchen Fällen bereits von der Verfolgung
einer Straftat abgesehen. Alternativ wird nach Verurteilung ganz oder teilweise auf die Vollstreckung
verhängter Strafen verzichtet. Dies kann auch derart geschehen, dass bereits inhaftierte Straftäter
nachträglich aufgrund eines neuen Amnestiegesetzes freigelassen werden.
Tatsächlich gibt es mehrere Arten von Amnestien
und noch mehr Gründe, aus denen entsprechende
Gesetze erlassen werden. Dieser Beitrag behandelt
ausschließlich die Befriedungsamnestie, mit der
versucht wird, den inneren Frieden zu erhalten oder
wiederherzustellen, der durch politische Gegensätze und die Form ihrer Austragung gestört ist. Die
Amnestie kann rechtskonstituierender oder rechtsperpetuierender Natur sein. Erstere soll dort einen
Rahmen schaffen, wo durch andauernde Kriege die
gesamtgesellschaftliche Ordnung zerstört wurde.
Letztere lässt die herrschende Ordnung grundsätzlich bestehen und bringt nur in Teilbereichen Korrekturen an. Eine reformbedürftige Ausnahmesituation, die die politische Führung verändern will,
liegt in beiden Fällen vor. Wie jede rechtspolitische
Entscheidung ist der Erlass von Amnestien umstritten. Die Vor- und Nachteile werden im Folgenden
dargelegt.
Prof. Dr. Maximilian Lanzinner, Direktor des neuen
Zentrums für Historische Friedensforschung der
Philosophischen Fakultät führt aus, dass sich vom
Amnestien sind umstritten. Sie geben Raum für Neuanfang, hinterlassen aber auch Ungerechtigkeit.
16. bis zum 19. Jahrhundert die Unterscheidung
zwischen weltlichem und religiösem Frieden herauskristallisierte. Die noch heute aktuellen Verfahren und Methoden der Friedensschließung und
-sicherung seien damals entwickelt worden. So
waren Amnestie und Verzicht auf Feststellen der
Kriegsursache eine wichtige Grundlage für einen
dauerhaften Frieden. Die Geschichte bietet mannigfaltige Beispiele, bei denen eine Amnestie einem
in Trümmern liegenden Staat zu einem Zustand
verhalf, in dem die grundlegende Geltung des Rechts
gesichert war und auf dem aufgebaut werden konnte. Annähernd alle bis 1918 geschlossenen Friedensverträge beinhalteten Amnestien. Am bekanntesten ist wohl der Westfälische Friede von 1648,
der den Dreißigjährigen Krieg beendete und durch
ein gegenseitiges Vergessen und Vergeben wechselseitig begangener Gräueltaten die Basis für einen
Neuanfang schuf. Auch nach der kantischen Philosophie beruht geschlossener Friede größtenteils
auf Amnestie. Die Leitgedanken dabei müssten Versöhnung, Mäßigung, Ausgleich und gegenseitige
Vergebung sein. Nur so könne man das Ziel errei-
Foto: Rike_pixelio.de
chen, eine neue stabile und tragfähige politische
Ordnung bei Vermeidung von machtpolitischen Exzessen der Siegermächte zu schaffen.
AMNESTIE UND FRIEDENSVERTRAG
Die Verbindung von Amnestie und Friedensvertrag
wurde zum ersten Mal im Versailler Vertrag nach
dem Ersten Weltkrieg gelöst. Die Schuldfrage wurde einseitig beantwortet, Kriegsverbrechen wurden
allein dem deutschen Kaiser vorgehalten. Zugunsten der einseitigen strafenden Gerechtigkeit wurde
das althergebrachte Konzept, dass der Wunsch
nach Gerechtigkeit gegenüber dem Wunsch nach
Frieden und Befriedung zurücktreten müsse, aufgegeben. Bekanntermaßen verfehlte dieser Friede
durch seine aufoktroyierten Bedingungen das Ziel
einer Befriedung völlig. Prof. Dr. Klaus Marxen, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität, Richter
am Kammergericht Berlin a. D. erklärt, dass das
staatliche Gewaltmonopol nur durch die Eindäm-
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Thema
mung von Revanchegelüsten der unterlegenen Partei entstehen kann. Trotzdem werden moderne zwischenstaatliche Friedensverträge fast immer ohne
Amnestie für den unterlegenen Staat geschlossen.
Bei den heutzutage vermehrt auftretenden innerstaatlichen Konflikten werden mitunter stark umstrittene Amnestiegesetze verabschiedet. Diese werden
vor allem mit der Möglichkeit eines nachhaltigen
Friedens begründet. Auch stelle es eine Chance für
die Regierungsopposition im Ausland dar, bei einer
Rückkehr in das Land am Demokratisierungsprozess teilzunehmen, da von einer rechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen abgesehen werden soll.
Beispiele sind unter anderem Afghanistan, Sierra
Leone und Uganda. Auch in Libyen gab es Stimmen, die Gaddafi und seinen Anhängern Straffreiheit und den Gang ins Exil anbieten wollten, um
die Kämpfe zu beenden. Es sei ein probates Mittel
zur Friedenssicherung, einem scheidenden Machthaber den Abgang zu erleichtern. Eine drohende
Inhaftierung und Anklage sei kein Anreiz, sich an
Verhandlungen zu beteiligen.
KEINE AMNESTIE
FÜR KRIEGSVERBRECHEN
Es gibt aber auch bedeutende Argumente gegen
den Erlass von Amnestien. Laut Elise Keppler, Juristin und leitende Beraterin im internationalen
Rechtsprogramm von Human Rights Watch in Washington (DC), sei es sehr wichtig, dass es für Kriegsverbrechen keine Amnestie gäbe. Das verlange nicht
nur das internationale Recht, sondern es sei auch
entscheidend für den Aufbau einer Gesellschaft,
die auf rechtsstaatlichen Prinzipien beruht. Ein
Frieden, der auf eine Amnestie gegründet wird,
könne kaum stabil sein.
Der UNO-Sicherheitsrat tritt dafür ein, dass Menschenrechtsverletzungen nicht straflos bleiben. Amnestien für Menschenrechtsverbrechen sind als
völkerrechtswidrig anzusehen. Eines der wichtigsten Ziele des Völkerstrafrechts ist es, Frieden zu
schaffen. Damit ist zum einen Rechtsfrieden gemeint, also Wahrheitsfindung und Genugtuung für
die Opfer. Andererseits ist damit tatsächlicher Frieden gemeint, der über die Stigmatisierung der Täter
und ihren damit verbundenen politischen und militärischen Machtverlust den Weg für einen Neuanfang ohne Gewalt ebnen kann. Ein nachhaltiger
FALSCHE SIGNALE
Amnestien können außerdem das Signal senden,
dass Verbrechen wie die massenhafte Tötung von
Zivilisten folgenlos bleiben. In seltenen Fällen kann
ein Amnestie-Gesetz dazu führen, dass bestimmte
Foto: Sokaeiko_pixelio.de
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Frieden erscheint schwierig durchzusetzen, ohne
dass Täter, Militärführer, Politiker oder Rebellengruppen vor ein Gericht gestellt werden, das in einem rechtsstaatlichen Verfahren ihre Schuld klärt.
In Algerien wurde 1999 ein Amnestiegesetz auf den
Weg gebracht, dass eine Garantie für den Frieden
darstellen sollte. Die Gesetzesvorlage wurde zwar
mit großer Mehrheit angenommen, allerdings liegt
auf der Hand, dass jeder Algerier den Bürgerkrieg
alsbald beendet wissen wollte und dies als der einzig gangbare Weg erschien. Den bewaffneten Islamisten wurde unter der Voraussetzung, dass sie
innerhalb einer sechsmonatigen Frist die Waffen
niederlegen, Straffreiheit in Aussicht gestellt. Ausgenommen bleiben sollten aber diejenigen, die
persönlich an Massakern, Bombenanschlägen auf
öffentlichen Plätzen, Morden oder Vergewaltigungen teilgenommen hatten. Da das Amnestiegesetz keine Prozesse gegen die Betreffenden vorsah, konnten jedoch nicht ermittelt werden, wer
für welche Taten verantwortlich war. Man opferte
sozusagen die Gerechtigkeit dem Frieden zuliebe,
was nicht erstrebenswert sein kann.
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Thema
zukünftige Verbrechen nicht geahndet werden.
Dann stellt es fast eine Ermutigung dar, mehr derartige Verbrechen in Zukunft zu begehen.
Bei einem scheidenden Despoten mit großem Einfluss garantiert eine Amnestie nicht, dass dieser
sich tatsächlich aus dem politischen Leben zurückzieht. Es besteht die Gefahr, dass er weiterhin ein
Machtfaktor bleibt und mit einer starken Anhängerschaft sowie ausreichenden finanziellen Mitteln
destabilisierend auf das neue System wirkt.
Werden die Hauptverantwortlichen amnestiert, erschwert dies zudem die strafrechtliche Verfolgung
der mittleren Führungsebene. Die daraus folgende
allgemeine Straflosigkeit fördert den Erhalt des
alten Systems. Ein mit Straflosigkeit erkaufter Frieden könne nicht von Dauer sein, wenn er mit Des´ Charles Taylor, Omar
poten wie Slobodan Miloševic,
al-Bashir oder Muammar Gaddafi geschlossen werde, meint. Dr. Leonie v. Braun, Staatsanwältin und
Sprecherin der Themengruppe gegen Straflosigkeit
der deutschen Sektion von Amnesty International.
AMNESTIEN
VERHINDERN AUFARBEITUNG
auf einer Briefmarke der BRD von 1988 zu lesen ist.
Neben dem Text ist eine brennende Synagoge als
Erinnerung an die Reichsprogramnacht zu erkennen. George de Santayana schrieb 1905, dass derjenige, der die Vergangenheit nicht erinnern kann,
ver-urteilt sei, sie zu wiederholen. Auch wenn dem
nicht unbedingt gefolgt werden kann, denn auch
bei Unkenntnis der Geschichte ist es unwahrscheinlich, dass sich diese genauso wiederholt. Unbestritten ist jedoch, dass wir aus der Geschichte lernen
müssen. Dies geht nur, wenn man sich stets vor
Augen führt, welche Untaten geschehen sind und
was dazu geführt hat. Zwar löschen Amnestien keine Erinnerungen, jedoch sind sie geeignet zu verhindern, dass Sachverhalte vollständig und schonungslos aufgeklärt werden und dadurch ins Bewusstsein der Bevölkerung vordringen und dort
haften bleiben. Das nicht unbedingt zweckgebundene Bedürfnis zu erfahren, wie es wirklich war,
kann nicht vollständig befriedigt werden, sofern
die Amnestie das Ermittlungsverfahren verdrängt.
Fraglich ist außerdem, wie die Folgen einer Diktatur zu bekämpfen und nach Möglichkeit zu beheben sind, wenn keine Verurteilung der Schuldigen
erfolgt. Das betrifft Regierungskriminalität, die
Rehabilitierung von politisch Verfolgten, Haftentschädigungen sowie die Rückgabe von widerrecht-
lich enteigneten Gütern. Die angemessene Würdigung der Opfer kann nur stattfinden, wenn klargestellt wird, dass sie tatsächliche Opfer sind.
Frieden bedeutet mehr als die Abwesenheit von
Krieg. Deshalb sollte nicht um jeden Preis zur Beendigung von inner- oder zwischenstaatlichen Konflikten ein Amnestiegesetz verabschiedet werden,
nur um einen Schlussstrich ziehen zu können.
Wichtig ist, dass tatsächliche Bereitschaft zur Versöhnung besteht und die Opfer angemessen gewürdigt sowie entschädigt werden. Generell sind
selbstbegünstigende Anmestien und solche, die
Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Strafe
befreien, abzulehnen.
Referendarin Astrid Bauer, Berlin
Quellen: www.fr-online.de/politik/israel-nahost-netanjahu-streitueber-amnestie,1472596,24804338.html /// www.zeit.de/politik/
ausland/2010-03/afghanistan-karsai-amnestie /// www.zeit.de/
1949/43/amnestie-der-vorvertrag-zum-frieden/seite-1 /// http://
jung.jura.uni-saarland.de/Vertiefung/amnestie.htm /// www.amnesty.de/journal/2011/oktober/kein-frieden-ohne-gerechtigkeit
Amnestien können auch dazu führen, dass allzu
leicht vergessen wird, was passiert ist. Dabei ist
Erinnerung das Geheimnis der Erlösung, wie schon
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Thema
Wer soll das bezahlen?
Verteidigungshaushalte im Vergleich
Wer seine eigene Kanzlei betreibt oder einer Sozietät assoziiert ist, der kennt in der Regel alle Zahlen: Umsatzsteuerpflichtige Betriebseinnahmen
aus der Rechtsberatung, dagegen gerechnet die
Ausgaben für Büromiete, Personal, Büromaterial
und Telekommunikation. Das wär's im Groben.
Berufsstarter jonglieren mit Jahresabschlüssen in
fünf- oder sechsstelligen Größenordnungen und
dürften deshalb kaum den Überblick über die eigene Haushaltslage verlieren.
90,7 Mrd. US-Dollar an dritter Stelle, Großbritannien
mit 60,8 Mrd. US-Dollar an vierter, Japan mit 59,9
Mrd. auf fünfter und Frankreich mit 58,9 Mrd. auf
Rang sechs. Es schließen sich an: Saudi-Arabien (56,7
Mrd. US-Dollar), Indien (46,1 Mrd. US-Dollar) und die
Bundesrepublik Deutschland (45,8 Mrd. US-Dollar).
Insgesamt beliefen sich im Jahre 2012 die weltweiten
Ausgaben für das Militär auf 1,75 Billionen US-Dollar.
(Quelle Stockholm International Peace Research
Institute, Erhebungszeitraum 2012).
Verlassen wir die Niederungen der eigenen Buchhaltung und begeben uns auf die Ebene der Staatshaushalte. Da kann einem ob der großen Zahlen
schon einmal dezent schwindelig werden. Geld hat
man zu haben, so predigt nahezu jedes Schuldrechtslehrbuch, und der Staat beweist, dass da
etwas dran ist. Trotz Schuldenkrise und Kreditklemme dürfen wir getrost festhalten: Die Bundesrepublik besitzt einiges an Geld. Um es einmal sehr klar
zu sagen, es ist viel Geld! Das muss es auch sein,
wenn im Bundeshaushaltsgesetz 2013 inkl. Nachtragshaushalt die Ein- und Ausnahmenseite auf
310 Mrd. Euro festgesetzt wurde.
Für das Haushaltsjahr 2013 veranschlagte Deutschland 33,26 Mrd. Euro, umgerechnet 44,74 Mrd. USDollar (Stand 23.11.2012, Quelle BMVG). In diesem
Betrag machen Betriebsausgaben, nämlich Personalkosten, Liegenschaftsverwaltung, Materialerhaltung u. a. (19,48 Mrd. Euro, 58,6 %) den größten
Anteil aus. 21,4 % des Verteidigungsetats (7,12
Mrd. Euro) entfallen auf verteidigungsintensive
Ausgaben (Forschung, militärische Beschaffung),
15,1 % (5,04 Mrd. Euro) auf die Versorgung von
Angehörigen der Streitkräfte und schließlich 4,9 %
(1,62 Mrd. Euro) auf sog. Betreiberlösungen (Kooperationen/Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit).
Das meiste Geld (38,46 %), und das dürfte niemanden besonders überraschen, fließt in den Bereich
Arbeit und Soziales (119 Mrd. Euro). Auf Platz zwei
folgt dann aber bereits mit einem Budget von 33
Mrd. Euro der Verteidigungshaushalt (10,73 %).
Gemes-sen an dem Bruttoinlandsprodukt Deutschlands von 3,59 Bio. Euro sind das beinahe Peanuts.
Im Ländervergleich liegt Deutschland damit auf
Platz 102. Vor Deutschland liegen das Vereinigte
Königreich – dort fließen 2,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den Wehretat – China (2,6 %),
Kuweit (3,7 %), die USA (4,6 %), Israel (7,4 %), Irak
(8,6 %), Saudi Arabien (9,1 %), Katar (10 %) und
der Oman (11,4 %). Diese Zahlen verführen insoweit zu vorschnellen Ableitungen, weil sie das wahre Ausmaß der Rüstungsausgaben nicht auf den
Punkt bringen, schließlich sind in der Auflistung etliche Staaten, die zwar vor Deutschland rangieren,
aber keine starke Wirtschaft vorweisen können. Afghanistan zum Beispiel besetzt daher Platz 3 mit
10 % des BIP für Verteidigungsausgaben.
Spannend wird es erst, wenn die absoluten Ausgaben für das Militär deutlich werden. Es ist nicht
besonders überraschend, dass hier die großen Wirtschaftsnationen die Rangliste anführen. Einsamer
Spitzenreiter sind die USA mit 682 Mrd. US-Dollar,
gefolgt von China mit 166 Mrd. Russland steht mit
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USA | 682,0
RECHTLICHER EXKURS
Die Legitimation erhält der Wehretat durch den
Deutschen Bundestag, der das Budgetrecht hat
(Art. 110 GG). Der Entwurf des Haushaltsplans, in
den der Verteidigungsetat eingebettet ist, wird
gleichzeitig dem Bundesrat zur ersten Stellungnahme zugeleitet. In drei Lesungen wird der Bundeshaushalt durch den Bundestag verabschiedet,
bevor der beschlossene Haushaltsplan erneut dem
Bundesrat übergeben wird. Ergeben sich zwischen
Bundestag und Bundesrat Widersprüche, ist der
Vermittlungsausschuss (Art. 77 GG) anzurufen. Legt
der Bundesrat Einspruch gegen den beschlossenen
Haushaltsplan ein, kann der Bundestag mit gleicher
Mehrheit, mindestens mit der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, den Bundesrat überstimmen.
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Grafikkonzeption: Andrea Vollmer / Grafik: Gudman Design
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Kriegsgräberstätte Südfriedhof Köln. / Foto: Foto: Patrick Ruppert
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Wider das Vergessen
Kriegsgräberfürsorge als Friedensdienst
Der Totenkult in Deutschland unterliegt dem
Wandel. Mit Abnahme der ursprünglich großteils christlich geprägten Religiosität werden die
traditionellen Vorstellungen der klassischen Erdbestattung allmählich abgelöst von einer deutlich liberaler ausgerichteten Betrauerung. Der
Friedwald, das Urnengrab oder die Bestattung
auf See sind längst keine exotischen Formen
mehr, einem verstorbenen Menschen das letzte
Geleit zu geben. Zu beobachten ist allerdings
auch, dass Trauer in der althergebrachten Form,
sie nämlich an einem bestimmten Tag und an einem bestimmten Ort auszudrücken, in der Generation unter 30 an Zuspruch zu verlieren scheint.
über AdVoice, dass es dem Volksbund besonders
auf die junge Bevölkerungsschicht ankomme: „ Wir
betreiben Jugendarbeit seit 60 Jahren. Das heißt,
wir konfrontieren junge Leute aus ganz Europa mit
Kriegsgräberstätten. Wir bringen sie in den Sommerferien in sogenannte Workcamps, wo sie auf
ganz unterschiedlichen Kriegsgräberstätten arbeiten,
also leichtere Pflegearbeiten verrichten und sich
vor allem mit dem Thema auseinandersetzen.“
Trauerseiten im Internet, oft völlig kostenfrei, dazu
interaktiv, konkurrieren immer erfolgreicher mit
kostenintensiven und fest ortsgebundenen Gräbern auf Friedhöfen. Zu dieser Veränderung passt
auch, dass an den Feiertagen Allerheiligen, Allerseelen, dem Volkstrauertag und dem Totensonntag
das Durchschnittsalter der aktiven Teilhaber jährlich steigt. Dabei ist der traditionelle Gang auf den
Friedhof nicht nur ein Erinnern an liebe Dahingeschiedene, sondern auch eine bildende Reminiszenz
an die eigene Geschichte.
Der Bund beteiligt sich mit ca. 30 Prozent an der
Lastentragung. Den Rest des Budgets muss der
gemeinnützige Verein über Spenden generieren.
Die Gesamteinnahmen beliefen sich im Jahr 2012
auf knapp 43 Mio. Euro. Auf den ersten Blick mag
das üppig erscheinen. Bei nahezu gleich hohen
Ausgaben, die die Pflege der Ruhestätten im Inund Ausland beansprucht, relativiert sich die
Einnahmenseite jedoch deutlich. Bislang wurde die
vom Volksbund geprägte Erinnerungskultur sehr
aus nationaler Perspektive betrachtet. Der neue
Präsident des Volksbundes, Bundesminister a. D.
Markus Meckel, will diese Perspektive in Zukunft
auf eine gesamteuropäische Sichtweise transponieren. Dieser Vorstoß unterstreicht die Bedeutung
des Vereins, der Völkerverständigung und Friedenssicherung aktiv über das Totengedenken hinaus
mitgestalten will.
Einfache oder prunkvoll gestaltete Gräber, gar kleine Tempel oder Mausoleen künden von einer mehr
oder weniger nahen Vergangenheit, die beschwerlich oder pompös ausgestaltet gewesen sein muss.
So findet jede Ruhestätte die richtige Ansprache.
Ganz und gar nicht protzig, sie sind das schiere Gegenteil, stellen sich die in der Bundesrepublik und
dem europäischen Kontinent verteilten, unzähligen
Kriegs-gräber des ersten und zweiten Weltkriegs
dar. Sie fallen durch bewusste Schlichtheit auf, meist
nur ein einfaches Steinkreuz, eine Stele oder Bodenplatte, die auf einen gefallenen Soldaten verweisen. Stumme Uniformität regiert, üblicherweise
symmetrisch angeordnet, als seien die gestorbenen
Ar-meeangehörigen auch auf dem Gräberfeld in
Reih und Glied angetreten.
Das Verständnis für den Erhalt und die Pflege dieser Gräber ist längst kein Selbstläufer mehr. Bis vor
Kurzem war dies noch durch die Zweite-WeltkriegsGeneration erledigt worden. Diese Generation stirbt
nunmehr aus, was die Erinnerungsauffrischung
merklich negativ beeinträchtigt. Die dahinter stehende Geschichte generationsübergreifend wachzuhalten, ist eine der besonderen Aufgaben des
Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
Ihr Pressereferent Fritz Kirchmeier erklärt gegen-
Neben der Aufklärung und Bildung heißt Kriegsgräberfürsorge vor allem Grabpflege und Identifizierung gefallener Soldaten. Das sei mitunter nicht
ganz leicht, da nicht jeder Tote ohne Schwierigkeiten identifizierbar ist. Um die 20 Prozent der
entdeckten Soldaten können zugeordnet und erforderlichenfalls umgebettet werden. Gelegentlich
melden sich politisch fragwürdige Kreise: „Es gibt
im rechtsextremen Bereich Leute, die unter Kriegsgräberfürsorge und Totengedenken etwas anderes
verstehen als wir. Da gibt es immer noch Vorstellungen, die eher unter den Begriff Heldengedenken
subsumiert werden können.“ Kirchmeier hebt hervor, dass notfalls auch gerichtlich gegen rechtsextreme Sympathisanten vorgegangen werden müsste.
Für Revisionisten oder Holocaustleugner ist im
Volksbund kein Platz.
RA Patrick Ruppert Köln
HINTERGRUND
Kirchmeier macht hierbei keinen Hehl daraus, dass
heutzutage die Bindung von Jugendlichen an Vereinsleben ein äußerst schwieriges Unterfangen ist.
„Wenn jemand 25 ist, dann löst er sich meist von
dem Thema. Der hat dann ganz andere Sorgen: berufliche Ausbildung, Familiengründung, berufliche
Etablierung.“
Rechtsgrundlage der Kriegsgräberfürsorge
Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 GG
Kriegsgräberstätten: 832 in 45 Ländern
Zuschuss durch das aus
Auswärtige Amt: 10,88 Mio. Euro
Mitglieder: 119.216
Präsident: seit Oktober 2013 Markus Meckel
(SPD), Bundesminister a. D.
Schirmherrschaft: Bundespräsident
Internet: www.volksbund.de
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Thema
Der nicht sichtbare Krieg: „Der Tag des Spatzen“
Dokumentarfilm folgt dem Krieg in Deutschland – Über (Anti-)Kriegsfilme
Deutschland ist im Krieg. Auch in Deutschland
findet Krieg statt. Es gibt viele Orte, wo die
Spuren von aktuellen Kriegen sichtbar sind. Erst
durch einen engagierten Dokumentarfilm aus
dem Jahr 2010 drang diese Information wieder
in das Bewusstsein. Aber auch sonst sind Kriege
und vor allem Kriegsbilder allgegenwärtig. Unsere eigenen Kriegserfahrungen schöpfen wir
dabei zu großen Teilen aus Filmen, dem Leitmedium unserer Zeit.
In dem preisgekrönten Dokumentarfilm der „Der
Tag des Spatzen“ aus dem Jahr 2010 geht es um die
Frage, ob Deutschland im Krieg ist und wo man
dies sehen kann. Der Autor und Regisseur Philipp
Scheffner hat sich auf die Suche gemacht nach
den Orten, an denen auch in Deutschland der Krieg
im Allgemeinen und der Afghanistan-Einsatz der
Bundeswehr im Besonderen sichtbar sind. Inspiriert
von zwei parallelen Zeitungsmeldungen vom 15.
November 2005 – ein Spatz, der getötet wurde,
weil er 23.000 Dominosteine umwerfen könnte, sowie ein deutscher Soldat, der in Kabul als Folge
eines Selbstmordattentates gestorben ist – nimmt
er dabei die Perspektive eines Vogelbeobachters ein.
Was leicht verschwurbelt klingt, stellt sich im Laufe
des Films als ungewöhnliches, aber überzeugendes
Konzept dar. Denn folgt man den Vögeln und ihren
Fährten, kommt man auch in Deutschland dem
Krieg auf die Spur. Die Flugroute vieler Vögel entlang dem Lauf der Mosel ist gleichzeitig eine beliebte Übungsstreckte für Bundeswehrflieger, denn
sie ähnelt der Landschaft am Hindukusch. In Geltow bei Potsdam wiederum sitzt das Einsatzführungskommando, das die Auslandseinsätze der
Bundeswehr koordiniert. Auffällig oft befinden sich
Wildparks und Naturschutz- und Vogelbeobachtungsgebiete nahe an Militärgeländen.
Die Vögel sitzen in Kanonenrohren, auf Zäunen,
flattern über Wiesen und Felder, in die sich der Krieg
längst eingeschrieben hat. Der Krieg ist nicht neu in
Deutschland, eine ganze Menge Arbeitsplätze hängen dran, sei es bei der Waffenherstellung, der Bundeswehr oder in der Verwaltung. Konsequent wird der
Krieg aber hinter hohe Mauern gesperrt. Gut be-
wachte Bundeswehrtore, die den Charme des kalten
Kriegs haben, schirmen die Schaltzentralen auf deutschem Boden ab. Gefilmt werden darf hier nicht,
Interviews für den Filmemacher gibt es auch nicht.
Obwohl der Krieg auch in Deutschland stattfindet,
ist er für Otto Normalverbraucher nicht sichtbar. Die
Medien werden dadurch kalkulierbar und können
viel einfacher beherrscht werden. Sie müssen für
ihre Geschichten auf Fiktionen ausweichen. Oder
eben auf Vögel.
Im Rahmen dieser dokumentarischen Fiktion befindet sich „Der Tag des Spatzen“ in guter Gesellschaft. Allein 80 Kriege listet Wikipedia unter dem
Stichwort Kriegsfilme auf. Von der Antike über den
2. Weltkrieg, den Kalten Krieg und den Vietnamkrieg bis zum Krieg gegen den Terror finden sich
hunderte Filme, die im weitesten Sinne als Kriegsfilme definiert werden können. Als echte Antikriegsfilme, also solche, die bewusst und mit mahnender
Absicht die Schrecken des Krieges zeigen, werden
gerade einmal 82 genannt. Doch einige der besten Filme des Genres sind ausgesprochene Antikriegsfilme.
Zwei Nachrichten haben den Dokumentarfilmer zu dem Film „Tag des Spatzen" inspiriert: Der Tod eines deutschen Soldaten in Afghanistan und ein Spatz, der getötet wurde, weil er möglicherweise
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Thema
APOCALYPSE NOW
Als einflussreichster Antikriegsfilm gilt „Apocalypse
Now“ von Francis Ford Coppola aus dem Jahr 1979.
Ein amerikanischer Captain soll im Vietnamkrieg
einen anderen amerikanischen Offizier töten, der
ein eigenes Territorium regiert. Die Bilder brennen
sich ins Gedächtnis. Der vietnamesische Dschungel
kann in dem Film fast eingeatmet werden, so intensiv dringt der Film in die Emotionen der Zuschauer ein. Der Film erzeugt eine eigene Faszination, stößt aber auch ab, Bilder werden ebenso
gezeigt wie die Verführungsmacht von inszenierten
Kriegsbildern. In genau diesem Zwiespalt liegt die
Bedeutung für spätere Filme. Die Filmarbeiten zu
dem Antikriegsklassiker sind sogar in einem eigenen Dokumentarfilm aus dem Jahr 1991 mit dem
Titel „Hearts of Darkness: A Filmmaker's Apocalypse“ für die Nachwelt festgehalten. Im Jahr 2001
erschein die um 50 Minuten längere Fassung des
Spielfilms: „Apocalypse Now Redux“.
DIE BRÜCKE
In dem deutschen Film „Die Brücke“ aus dem Jahr
1959 wird die Sinnlosigkeit von Befehlen eindrücklich vorgeführt. Acht minderjährige Jugendliche
erhalten kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs den
Befehl, die Brücke einer Kleinstadt vor den anrückenden amerikanischen Soldaten zu verteidigen.
23.000 Dominosteine gekippt hätte.
Völlig ideologiehörig und viel zu jung, sind sie nicht
in der Lage, die Situation zu hinterfragen und zu
erkennen. Vielmehr wollen sie den Auftrag unbedingt und mit patriotischer Begeisterung erfüllen.
Nur ein Einziger überlebt.
DER SOLDAT JAMES RYAN
Richtig Kasse gemacht hat der (Anti-)Kriegsfilm
„Der Soldat James Ryan“ von Steven Spielberg aus
dem Jahr 1998. Erzählt wird die Geschichte eines
Soldaten, der im Zweiten Weltkrieg von der Front
in der Normandie zurückgeholt werden soll. Er ist
der letzte lebende Sohn einer Frau, die schon drei
Kinder im Krieg verloren hat. Mit fünf Oscars
wurde der Film, der in seiner Eingangssequenz die
Landung der amerikanischen Truppen in der Normandie aus der Sicht der Soldaten zeigt, prämiert.
Die Sequenz, gedreht mit Handkameras, dürfte
einer der packendsten Kriegsszenen sein, die die
Kinogeschichte zu bieten hat. Im Internationalen
Filmlexikon heißt es über den Film: „... die konsequente und erschütternde Rekonstruktion des Krieges als Schreckensbild des kollektiven Todes verleiht dem Film einen hohen humanitären Rang.“
Mit einem Einspielergebnis von weltweit ca. 480
Millionen US-Dollar gilt der Film vor „Pearl Habour"
(USA, 2001, Einspielergbnis: ca. 450 Millionen USDollar) als der international bisher finanziell erfolgreichste (Anti-)Kriegsfilm.
ZERO DARK THIRTY
Inzwischen etabliert sich mit Filmen wie „Zero Dark
Thirty“ aus dem Jahr 2012, wo die Jagd nach Osama Bin Laden fiktionalisiert wird, oder „White House
Down“ sowie „Olympus Has Fallen“ aus dem Jahr
2013 mit Terrorismusfilmen ein eigenes Subgenre
von Kriegsfilmen. Liest man diese Filme als einen
soziologischen Spiegel unserer Zeit, legen sie ganz
konkret den Finger in die Wunde der aktuellsten
kriegerischen Auseinandersetzung, die die westliche Welt erschüttert, den Krieg gegen den Terror.
So wie dieser Krieg kein klassischer Krieg mehr ist,
folgen diese Filme nicht immer dem Muster klassischer Kriegsfilme. Das Ende von „Zero Dark Thirty“
beispielsweise kennen die Zuschauer bereits, wenn
die den Kinosaal betreten. Und trotzdem ist der Film
spannend, die Dramaturgie verlagert sich. Nicht die
Jagd auf den Übeltäter allein, sondern die Person
der Jägerin und ihre Entwicklung halten die Spannung aufrecht.
RA Tobias Sommer, Berlin
> http://dertagdesspatzen.de/de
Fotos: Bernd Meiners und Philip Scheffner
KRIEGS- UND ANTIKRIEGSFILME
„Unsere Mütter, unsere Väter“, Regie: Philipp
Kadelbach, Deutschland 2013 • „Im Westen nichts
Neues“, Regie: Lewis Milesstone, USA 1930 und
1979 von Delbert Mann • „08/15“ Regie: Paul
May, Deutschland 1954 • „Killing fields“, Regie:
Roland Joffé, Großbritannien, 1984 • „Full metal
jacket“, Regie: Stanley Kubrick, 1987 • „Der schmale
Grat“, Regie: Terrence Malick, USA 1988 • „Hamburger Hill“, Regie: John Irvin, USA 1987 • „Die
Brücke von Arnheim“, Regie: Richard Attenborough, USA, UK 1977 • „Das Boot“, Regie: Wolfgang Petersen, Deutschland 1981 • „Der Tag des
Spatzen“, Phillip Scheffner, Deutschland 2010 •
„Platoon“, Regie: Oliver Stone, USA 1986 • „Stalingrad", Regie: Joseph Vilsmaier, Deutschland 1993 •
„Lebanon", Regie: Samuel Maoz, Israel, Deutschland, Frankreich, Libanon 2009 • „Black Hawk
Down", Regie: Ridley Scott, USA 2001 • „Waltz
with Bashir", Regie: Ari Folman, Israel, Frankreich,
Deutschland 2008
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Thema
Schwere Jungs
Bandenkriege in Deutschland
Bandenkriege zwischen Rockerbanden sind immer wieder ein dankbares Thema in den Medien.
Rohe Gewalt, Mord und Totschlag, Outlaws und
oft mehr als ein Prise Sex – besser Prostitution
– verkaufen sich einfach zu gut, um nicht darüber zu berichten. Ob es sich tatsächlich um einen
erklärten Krieg handelt oder nur einen, der in den
Medien stattfindet, weil es um die gleichen kriminellen oder wirtschaftlichen Interessen in gleichen Gebieten geht, ist eine Definitionsfrage.
Auffällig ist jedoch, dass immer häufiger Streitigkeiten zwischen Rockerbanden gibt, die auch juristisch verhandelt werden. Die Begriffe „Rockerkrieg“
und „Bandenkrieg“ sind da schnell zur Hand. Die
Nachrichtenagentur meldete im Februar 2013: „Der
Rockerkrieg ist zurück“. Die Branchen, in denen Rocker
tätig sind, wachsen. Sogar Bücher werden über die
Rockerkriege geschrieben, Sondereinheiten ermitteln.
Das Thema verkauft sich so gut, dass der Titel: „Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer
gefährlicher werden“ von Jörg Diehl, Thomas Heise &
Claas Meyer-Heuer zum Spiegel-Bestseller wurde.
Auf Youtube finden sich gleich mehrere Dokumentationen zum Kampf der Rocker. Die beliebteste ist
ein Magazinbeitrag, in dem sich zwei Rocker auf
offener Straße attackieren, der von wackligen Amateurbildern lebt, in denen auch Warnschüsse fallen.
Da der filmende Zeuge, der die Bilder gleich an die
Bild-Zeitung verkauft hat, jedoch schweigt, hat es
die Justiz schwer. Genauso wie die Rocker für die
Medien ein dankbares Thema sind, sind sie für Strafverteidiger sicherlich ein dankbares Klientel.
Begriffsbestimmung
Die juristische Definition beschreibt den Begriff
Bande als den Zusammenschluss von mindestens
drei Personen, die sich mit dem Willen verbunden
haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere
selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten der im Gesetz genannten Art zu begehen.
Große Banden stellen Subkulturen dar, wobei man
in manchen Fällen davon ausgehen kann, dass es
sich um kriminelle Parallelgesellschaften handelt,
die ihre eigenen Gesetze leben. Wenn sie konkurrierende Absatzmärkte in gleichen geographischen
Gebieten pflegen, sind Bandenkriege nicht selten.
Sie dienen dazu, das Einflussgebiet zu vergrößern.
Je weniger Bandenkonkurrenz pro Deliktsgruppe,
desto größer wird das Monopol einer Bande.
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Der staatsähnliche Charakter von Banden zeigt sich
unter anderem daran, dass umfassende Machtstrukturen aufgebaut werden und eine eigene Terminologie verwendet wird. Regionale, weitgehend
autonome Unterorganisationen werden als Chapter
bezeichnet (bei den Hells Angels als „Charter“). Es
herrscht eine strenge Hierarchie, an deren Spitze
der Präsident steht und die mit dem Supporter (ein
bloßer Unterstützer) endet. Darüber hinaus besitzen die einzelnen Banden jeweils spezifische Ausdrücke, die allein in ihrer Organisation zur Fachsprache gehören. So heißt ein Anwärter auf die
Vollmitgliedschaft bei den Black Jackets „Black
Dog“. In Deutschland treten die organisierten Banden fast ausschließlich als Motorrad- und Rockerclubs auf.
Bedeutende Gruppierungen
HELLS ANGELS
Die Hells Angels sind eine der ältesten Rockerbanden. Sie wurden 1948 von ehemaligen US-Kampfpiloten in Kalifornien gegründet. Derzeit gibt es
Ableger in 32 Ländern. Die Hells Angels MC Germany gibt es seit 1973. 1999 übernahmen die Hells
Angels den bedeutenden Motorradclub Bones MC.
Die in Berlin und Brandenburg stark vertretenen
Red Devils sind eine Untergruppierung der Hells
Angels. Sie sind sowohl in legale als auch illegale
Geschäfte verwickelt. Auf der legalen Seite findet
man Mitglieder der Helles Angels oft als Betreiber
von Tätowierstudios, Gastronomieeinrichtungen,
Türsteher-Dienstleistungen, Kampfsportschulen und
Online-Versendern. Die Hauptschauplätze bei illegalen Aktivitäten befinden sich in den Bereichen
Waffen-, Drogen- und Menschenhandel sowie Erpressung. Bislang wurden einzelne Charter der Hells
Angels verboten. Ein bundesweites Verbot wird
seit 2010 geprüft. Die derzeitigen Brennpunkte von
schwerer Bandenkriminalität und -kämpfen sind
Berlin, Brandenburg, Hannover und Duisburg.
BANDIDOS
Veteranen des Vietnamkriegs gründeten 1966 in
Houston, Texas, die Bandidos. 1989 expandierten
sie nach Europa, und in Deutschland fassten sie
1999 nach Beitritt anderer Gruppen Fuß. Die Geschäftsfelder überschneiden sich größtenteils mit
denen der Hells Angels, welche auch ihre primäre
Konkurrenz darstellen. Im März 2012 waren 71
Chapter in Deutschland polizeilich bekannt. Die
Gruppe ist in zehn europäischen Ländern aktiv.
OUTLAWS MC
1935 in Illinois gegründet, besteht der Club in
Deutschland seit 2001. Die „Outlaws MC Germany“
sind aus dem „Ghost Rider MC Germany“ entstanden, der 1973 von amerikanischen Soldaten im
fränkischen Kitzingen gegründet worden war. Ursprüngliches Ziel war es, die amerikanische Bikerkultur nach Deutschland zu bringen, mit Werten
wie Kameradschaft, Zuverlässigkeit und gemeinsamer Freude am Biken. Mittlerweile sind die Outlaws genauso wie Bandidos und Hells Angels in
internationale Waffen- und Drogengeschäfte verwickelt.
Thema
GREMIUM MC
Der Gremium MC wurde 1972 in Mannheim gegründet. Er ist der letzte große Motorradclub deutschen Ursprungs, der sich keinem internationalen
Club angeschlossen hat. Auch der Gremium MC
wird mit den oben genannten Motorradclubs mit
organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht.
BLACK JACKETS
Die Black Jackets wurden 1985 von Jugendlichen in
Heidenheim gegründet, mittlerweile sind sie auch
im Ausland vertreten. In Deutschland operieren sie
überwiegend in südlichen Regionen. Sie orientieren
sich optisch und organisatorisch an Rockerbanden,
sind aber kein MC sondern eine Streetgang. Ihre
Gewaltbereitschaft ist nicht zu unterschätzen. Insbesondere sind sie mit der Red Legion verfeindet.
RED LEGION
Die rockerähnliche Gruppe Red Legion agierte im
Großraum Stuttgart vor allem im Vergnügungsund Rotlichtgewerbe und wurde im Juni 2013 verboten. Die Mitglieder waren hauptsächlich kurdische Türken, deren Kleidung die für das Türstehergewerbe typischen schwarze Shirts und Kapuzenpullis waren. Dadurch standen sie auch optisch in
direkter Konkurrenz zur Gruppe „Black Jackets“, mit
denen sie sich immer wieder blutige Machtkämpfe
lieferten. Die dazugehörige Jugendorganisation
trug den Namen Red Nation.
MONGOLS
Da es Lateinamerikanern nicht erlaubt war, den Hells
Angels beizutreten, wurde der Mongols MC (bzw.
mongols nation) in Kalifornien gegründet. Es besteht eine alte Freundschaft zu dem Outlaws MC.
Die heute ca. 600 Mann starke Gruppe hat Niederlassungen in Australien und Europa. Auch in Deutschland bildeten sich Gruppen: 2010 in Bremen und
2011 in Berlin, die jedoch jeweils im selben Jahr
wieder aufgelöst haben beziehungsweise verboten
wurden. Darüber hinaus soll es weitere Gruppen
zum Beispiel in Karlsruhe und Köln geben.
Vorfälle
(ausschnittsweise)
April 1973: Ein 20-jähriger Kirchenhelfer wurde
in Hamburg von einem Mitglied der Bloody Devils
erstochen.
1980: Auf der Insel Sylt wurde ein Disco-Besitzer
von einem amerikanischen Hells-Angels-Mitglied
getötet, nachdem er den Mann verprügelt und vor
die Tür gesetzt hatte.
Januar 2004: Die Führungsfigur des Karlsruher
Hells Angels Charters, ein 42-jähriger Bordellbesitzer und stadtbekannte Rotlichtgröße, wurde in
einem Café der Karlsruher Innenstadt am hellichten Tag erschossen.
März 2006: Mitglieder der Hells Angels überfielen
Mitglieder der Bandidos in deren Vereinsheim in
Stuhr-Brinkum, fesselten ihre Opfer, klebten ihnen
die Augen zu und schlugen mit Axtstielen auf sie
ein. Anschließend raubten sie, wohl als Trophäen,
Vereinsembleme und andere Insignien.
Mai 2007: Nach vorangegangenen Auseinandersetzungen zwischen Hells Angels und Bandidos in
Ibbenbüren wurde ein Hells-Angels-Mitglied durch
zwei Bandidos-Mitglieder erschossen.
Februar 2008: Schießerei in Cottbus zwischen
Bandidos und Hells Angels.
Juni 2009: Bei Stetten (Pfalz) wurde im Juni der
Präsident des Outlaws MC Chapters Donnersberg
von Hells-Angels-Mitgliedern erstochen, nachdem
es zuvor in Bad Kreuznach zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der rivalisierenden Clubs gekommen war.
August 2009: In Berlin-Hohenschönhausen wurde
ein ehemaliges Mitglied der Hells Angels auf offener Straße erschossen. Dabei sei es um Geld, verlorene Ehre und um einen angeblichen Wechsel des
Opfers zu den verfeindeten Bandidos gegangen.
September 2009: Der Präsident des inzwischen
aufgelösten Flensburger Charters der Hells Angels
rammte absichtlich nachts auf der Autobahn mit
dem Auto ein motorradfahrendes Mitglied eines
anderen Clubs bei hoher Geschwindigkeit und
verletzte die Person dabei lebensgefährlich.
Oktober 2009: In Duisburg erschoss ein Prospect
der Hells Angels das Bandidos-Mitglied Rudi Heinz
Elten auf offener Straße aus einem Auto heraus.
Schon wenige Stunden nach den Schüssen schleuderten dann Unbekannte einen Brandsatz gegen
die Tür des Hells-Angels-Vereinsheims in Gelsenkirchen.
2010: In Anhausen im Westerwald wurde ein Angehöriger des Spezialeinsatzkommandos Rheinland-Pfalz von einem Mitglied der Hells Angels
getötet. Der Täter schoss zweimal durch die geschlossene Wohnungstür, als das SEK diese zu öffnen versuchte. Der Bundesgerichtshof sprach das
Hells-Angels-Mitglied frei, da es in Putativnotwehr
gehandelt habe. Es hielt die Mitglieder des SEK für
Mitglieder des verfeindeten Rockerclubs Bandidos,
die ihn vorher bedroht hatten.
Mai 2010: Friedensvertrag zwischen Hells Angels
und Bandidos.
2011: Erneutes Aufflammen der gewalttätigen
Auseinandersetzungen zwischen Hells Angels und
Bandidos.
Mai 2011: Der ehemalige Anführer der Berliner
Hells Angels wurde nachts auf seinem Anwesen im
brandenburgischen Altlandsberg mit Schlägen und
Messerstichen angegriffen. Er wurde lebensgefährlich verletzt und trug bleibende Schäden davon,
lehnte aber jegliche Zusammenarbeit mit der Polizei ab. Die Ermittler gehen davon aus, dass der
neue Anführer der Berliner Hells Angels, André
Sommer, hinter dem Überfall steckte. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) führte ihn in dem
Verfahren als Beschuldigten.
Januar 2012: Massenschlägerei zwischen Hells
Angels und Bandidos in Mönchengladbach.
Juni 2012: André Sommer wird vor dem Germanenhof in Berlin Hohenschönhausen mit sieben Schüssen in den Oberkörper niedergeschossen,
überlebt aber. Wahrscheinlich war dies ein Racheakt des ehemaligen Anführers, der im Mai 2011 angegriffen wurde.
Dezember 2012: Mitglieder der Red Legion überfallen in Esslingen Mitglieder der Black Jackets, ein
Mann stirbt durch Stichverletzungen.
Februar 2013 / Duisburg: Massenschlägereien,
Anschläge mit Handgranaten, Schießereien, Messerattacken. Beteiligte sind die Hells Angels und der
Satudarah MC.
Februar 2013 / Oberhausen: Mindestens dreizehn
Schüsse auf den schwarzen BMW eines Hells Angels,
zwei Treffer in den Oberkörper.
Juli 2013: Hells Angels werden von ehemaligen
Red-Legion-Mitgliedern in Stuttgart angegriffen.
August 2013: Schlägerei zwischen rockerähnlichen
Gruppierungen in Stuttgart, vermutlich Mitglieder
der Red Legion und der Black Jackets. Die eingreifenden Polizeibeamten wurden massiv bedroht.
September 2013: Nach dem Mord an einem Türsteher in Berlin, der Mitglied der Red Devils, einem
Unterstützerclub der Hells Angels gewesen sein
soll, fragt die Bild-Zeitung reißerisch: „Droht Berlin
ein neuer Bandenkrieg?“
Oktober 2013: Messerangriff auf 18-Jährigen in
Esslingen, Verbindungen zu Red Legion und Black
Jackets werden vermutet.
Referendarin Astrid Bauer, Brandenburg/H.
> www.wikipedia.org/wiki/rocker
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Thema
Rocker ohne Kutte
Sie haben Erfahrung mit der Obrigkeit – Wie ein Prozess platzt
In der Strafrechtskanzlei einer mitteldeutschen
Großstadt klingelt das Telefon. Eine rauhe Männerstimme verlangt, einen Anwalt zu sprechen.
Die Sekretärin stellt zum Seniorpartner durch.
Das Gespräch zwischen dem Anrufer und Anwalt
ist kurz. „Sind Sie bereit, jemanden aus der Rockerszene zu vertreten?“ Der Anwalt sagt zu.
Kurze Zeit später stehen vier Männer in der Kanzlei. „Eher Schränke als Männer“, beschreibt der
junge Anwalt Felix Jahn (Name von der Redaktion geändert), der seinerzeit in der Kanzlei arbeitet, das Quartett. Einer der Männer ist glatzköpfig, der andere stiernackig und langhaarig.
Die anderen beiden sind Anwälte, die Leute aus
der Motorrad-Club-Szene regelmäßig vertreten.
Doch jetzt ist ein versierter Strafrechtler gefragt.
Denn die beiden Männer gehören der Rockerbande
Bandidos an. Sie hatten sich von der Polizei dabei
erwischen lassen, wie sie das Clubhaus einer anderen Rockertruppe samt seiner Insassen zerlegten.
„Das war ein kleiner Rockerclub, der eher aus Opis
und Lehrern bestand, die zusammen Bier getrunken und Billiard gespielt haben“, erzählt Jahn. Das
war den Bandidos aber ziemlich egal, die LightRocker waren ihnen seit jeher ein Dorn im Auge.
„Vielleicht“, sagt Jahn, „wollten sie auch Geld.“ Jedenfalls rücken die schweren Jungs der Bandidos an
einem Freitagabend dort an und verprügeln die Konkurrenz. Sie zerbrechen Billardqueues und schlagen
damit auf die Männer ein, die weder der Über-
macht noch der Brutalität der Bandidos etwas entgegenzusetzen haben. Das einzige, was einem von
ihnen doch gelingt, ist die Polizei zu alarmieren.
Und die ist im Handumdrehen da und verhaftet ein
Duzend Bandidos. Klingt zunächst nach einer gelungenen Aktion, tatsächlich kündigt sich aber schon
jetzt aus Strafverfolgersicht das Desaster an. Knapp
ein Duzend der Beteiligten werden angeklagt wegen
schwererer Körperverletzung und Bandenbildung.
Die Kanzlei übernimmt die Verteidigung der beiden
Männer, deren Anführer wiederum von einer großen Strafrechtskanzlei vertreten wird.
„Wir bekamen von der Polizei ordnerweise Telefonüberwachungsprotokolle“, sagt Jahn. „Doch die
Jungs sind clever im Umgang mit der Obrigkeit.“
Während sich später im Verfahren herausstellt (das
geht aus den Akten hervor), dass alle Anwälte abgehört wurden, verhalten sich die Kriminellen deutlich schlauer. Besprechungen mit den Anwälten
finden in Kneipen statt, die Jungs bringen hübsche
Prosituierte mit, ihre Handys lassen sie zu Hause.
Für das Gros der Truppe werden sogenannte Konfliktverteidiger eingesetzt. „Die sorgen dafür, dass das
Verfahren früher oder später zum Erliegen kommt“,
sagt Rechtsanwalt Jahn. Und so kommt es dann
auch. Die Anwälte stellen Befangenheitsanträge, dann
wird die Abhörung der Anwälte bekannt und vieles
mehr. Der Prozess wird unterbrochen. Allerdings
länger als drei Monate, und dann wird er fortgesetzt.
Die Unterbrechung des Prozesses hat gereicht, um Zeugen massiv unter Druck zu setzen.
Derweil setzt die Gang, die in einem kleinen Dorf eine
streng abgeschirmte und autarke Kommune betreibt,
ihre Geschäfte weitestgehend unbehelligt fort. Ihre
Geschäftsfelder sind der Drogenhandel, Prostitution
und der Verkauf von Waffen. Die meisten Gangmitglieder haben ein veritables Vorstrafenregister, pro
Kopf mindestens 15 Jahre Knast auf dem Buckel.
Während Polizisten mit MP draußen das Gerichtsgebäude sichern, stellt sich drinnen im Gerichtssaal
eine für die Rocker existentielle Frage: „Dürfen sie
ihre Kutten während der Verhandlung tragen?“ Der
Vorsitzende Richter entscheidet, dass sie dürfen,
aber sie müssen ihre Kutten umdrehen, um das
„Backpatch“ zu verbergen – eine schlimme Demütigung für alle Gangmitglieder.
Die mehr als drei Monate Unterbrechung des Prozesses hat dann in letzter Konsequenz auch den gewünschten Erfolg. Zeugen widerrufen reihenweise
ihre Aussagen, können sich nicht mehr so genau erinnern, alles war doch eigentlich nicht so schlimm.
„Die Zeit hat gut gereicht, um Zeugen unter Druck
zu setzen. Diese sagten dann plötzlich ganz andere
Dinge aus als seinerzeit bei der Polizei“, so Jahn.
Das Ende vom Lied: Der Prozess platzt. Die Bandidos
drehen ihre Kutten wieder auf rechts und gehen
zufrieden nach Hause.
Stefanie Salzmann, Eschwege
Foto: Hartmut910_pixelio.de
KONFLIKTVERTEIDIGUNG
Konfliktverteidigung umschreibt eine von
Strafrichtern wenig geliebte Variation der
Verteidigerstrategie. Im Schwerpunkt geht
es hierbei um die Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Strafprozessordnung mit der
Maßgabe, ein Strafverfahren maximal zu belasten. Dies schlägt sich in erster Linie nieder
in einer langen Verfahrensdauer. Zu den einzelnen grundsätzlich zugelassenen Möglichkeiten zählen Befangenheitsanträge sowie
die Einbringung von vielen, nicht zwingend
zielführenden Beweisanträgen bzw. Sachverständigengutachten. Umstritten ist, ob
Dazwischenreden als Strategie zulässig ist.
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Exportkontrolle – von Waffen bis Tulpenzwiebeln
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) regelt den Handel
Während in Malaysia sogar die Todesstrafe droht,
verhängen die deutschen Behörden meist Ordnungsgelder im fünfstelligen Bereich. Oft geht
es bei der Ausfuhrkontrolle auch um die Vorbeugung bei Menschenrechtsverletzungen oder
kriegerischen Auseinandersetzungen. Verhindert
werden sollen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie die unkontrollierte Verbreitung konventioneller Rüstungsgüter. Auch
die Terrorismusprävention ist inzwischen ein
wichtiger Grund für Exportverbote. Doch wie
funktioniert die Exportkontrolle eigentlich und
wie kann vorgesorgt werden?
Konten werden eingefroren, die Einreise wird verweigert, der Handel wird reguliert. So will es ein
aktueller Beschluss der EU (Az: 2012/642/GASP) für
Weißrussland. Benannt werden 243 Personen und
32 Unternehmen, zahlreiche Politiker und Geschäftsleute, aber auch Richter und Staatsanwälte finden
Foto: Daniel Pittner_pixelio.de
sich namentlich in der Liste. Militärische Geschäfte
mit der weißrussischen Holdinggesellschaft LLC
Triple von Jurij Tschisch sind beispielsweise tabu,
weil sie das Lukaschenko-Regime finanziert. Der
Richter am obersten Wirtschaftsgericht, Dmitri Petrowitsch Aleksandrow, steht auf der Liste, weil er
den unabhängigen Sender „Autoradio“ verboten
hat. Der Rundfunksender hatte das Wahlprogramm
des ehemaligen Oppositionskandidaten Sannikow
übertragen.
heimdienste melden sich in Verdachtsfällen ebenfalls. Ordnungsgelder, Freiheitsstrafen oder ein Eintrag ins Gewerbezentralregister, der die Vergabe
öffentlicher Aufträge erschwert, können die Folge
sein. Zollrechtliche Vereinfachungen wie z. B. den
„zugelassenen Ausführer“, der eine zügige Ausfuhrabwicklung ermöglicht, gibt es nur bei einer geordneten Exportkontrolle.
BEITRAG FÜR EINE SICHERERE WELT
„Es gibt immer noch Unternehmen, die sich gar
nicht bewusst sind, dass sie sich um die Ausfuhrkontrolle kümmern müssen“, sagt Steffen Hertwig,
Leiter Recht bei der Würth Elektronik GmbH & Co.
KG und Referent zum Thema Exportkontrollrecht.
Daher werden immer noch Produkte verkauft, die
eigentlich nicht ohne BAFA-Genehmigung verkauft
werden dürften. Doch das geht nur solange gut,
bis es eine Außenwirtschaftsprüfung gibt. Auch
beim Zoll können solche Produkte auffallen. Ge-
Bei der BAFA, dem Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle mit Sitz in Eschborn, arbeiten etwa 850 Mitarbeiter. Gut ein Drittel der Mitarbeiter
ist für die rechtliche und die technische Seite der
amtlichen Ausfuhrkontrolle zuständig. Die Behörde
wirbt mit dem Slogan: „Ausfuhrkontrolle, unser
Beitrag für eine sichere Welt!“ Laut BAFA-Jahresbericht betrug der Wert des kontrollierten Gütervolumens im Jahr 2011 etwa 25,6 Milliarden Euro.
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Thema
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unser BeItrag
für eIne sIchere
Welt.
6.900 meist mittelständische Unternehmen stellten allein 2011 49.000 Anträge bei der BAFA.
Damit sind etwa 2,4 Prozent des deutschen Außenhandelsvolumens für gewerbliche Güter geprüfte
Ausfuhren. 6.900 meist mittelständische Unternehmen stellten im Jahr 2011 rund 49.000 Anträge
und Anfragen beim BAFA.
Selbst bei fahrlässigen Verstößen gegen das Exportkontrollrecht werden regelmäßig Ordnungsgelder verhängt. „In der Regel sind es dann bis zu
50.000 Euro“, sagt Anwalt und Privatdozent Dr.
Harald Hohmann, der aus seiner Praxis auch von
Freiheitsstrafen zu berichten weiß, „Im Höchstfall
waren es vier Jahre Gefängnis.“ Kommt der Anwalt
ins Spiel, sucht er nach Minderungsgründen, fertigt
freiwillige Selbstanzeigen und sorgt für Transparenz. „So lässt sich in einem Verfahren vor den einschlägigen Behörden oft viel erreichen.“
Für die Lieferung eines besonders gehärteten Aluminiumprofils nach China gab es beispielsweise
eine Gefängnisstrafe für vier Jahre. Gefängnisstrafe?
Die Fakten, die Hohmann zusammengetragen hat,
stellen dieses Urteil zwar infrage, haben letztlich
aber nur das geforderte Strafmaß um drei Jahre
gesenkt. Denn: Die Lieferung war für eine Grenzstadt zu Nordkorea bestimmt und die Staatsanwaltschaft ging von einer Gewerbsmäßigkeit aus, da
es zwei Bestellungen gegeben hatte. Das Problem:
Ein US-Geheimdienst hatte Bedenken angemeldet,
die Profile könnten beim Bau von Gasultrazentrifugen, also militärisch, verwendet werden. Das Auswärtige Amt sah durch die Lieferung die politischen
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Foto: Lichtkunst73_pixelio
Beziehungen zwischen den USA und Deutschland
in Gefahr. Und schon war das Nebenstrafrecht aus
dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren anwendbar. Das Privatgutachten, wonach der Einsatz der Profile für die
Zentrifugen gar nicht möglich ist, half den verantwortlichen Unternehmen ebenso wenig wie der
Fakt, dass letztlich gar nicht geliefert wurde. Schon
der Versuch ist strafbar.
ternehmen vor der Lieferung von Laborgeräten USamerikanischer Herkunft nach Kuba zwar alle denkbaren deutschen Institutionen wie Zoll, BAFA und
Bundeswirtschaftsministerium befragt, jedoch keine einschlägige Warnung erhalten hat. Aus deutscher Sicht war damit alles in Ordnung. Doch aus
den USA folgte ein Verfahren auf dem Fuß. Die
Strafe konnte letztlich um 50 Prozent reduziert
werden, doch die Anwaltskosten summierten sich
auf einen fünfstelligen Betrag.
WAS MACHT EIN
AUSFUHRVERANTWORTLICHER?
„Es ist eine echte Herausforderung, sich der Materie Exportkontrolle zu stellen. Das haben wir Juristen so nie gelernt“, sagt Katja Schoeltzke, Senior
Legal Counsel Latin America bei der Fresenius
Medical Care AG & Co. KGaA. Sie ist zuständig für
Lateinamerika, das Exportkontrollrecht macht nur
einen kleinen Teil ihrer Arbeit aus.
Wer exportiert, hat auf Geschäftsführungsebene
einen Ausfuhrverantwortlichen zu benennen. Wer
alles richtig machen will, bestellt einen Exportverantwortlichen samt Exportkontrollteam und Exportbeauftragten in den jeweiligen Ländern, informiert
regelmäßig seine Mitarbeiter, erfasst die Endverwendungen seiner Produkte, kontrolliert die Kunden
regelmäßig und hält sich auch sonst an die Compliance-Anforderungen des BAFA, wie sie in dem
ICP-Merkblatt zur internen Exportkontrolle zusammengefasst sind.
Besonders problematisch wird es, wenn Waren aus
den USA gehandelt oder in anderen Produkten verbaut werden. Das strenge Güterkontrollrecht der
USA birgt zusätzliche Risiken, die erst auf den
zweiten oder dritten Blick erkennbar sind. Anwalt
Hohmann berichtet von einem Fall, wo ein Un-
Neben dem Ausfuhrverantwortlichen auf der Ebene der Geschäftsführung gibt es noch Exportkontrollbeauftragte, das Zollteam und zahlreiche Ländermanager, welche mit dem Thema befasst sind.
Die Unternehmensjuristin Schoeltzke muss vor allem
gestalten, den Behördendschungel durchschauen,
BAFA-Anträge stellen und fallbezogen die externen
Juristen koordinieren. Bekommt sie einen Nullbescheid für ein Produkt, feiert sie das als Erfolg, da
dann die Verkehrsfähigkeit des Produkts bei überschaubarem Verwaltungsaufwand gewährleistet
ist. Die besondere Herausforderung: Dadurch, dass
Fresenius Medical Care an der New Yorker Börse
Thema
gelistet ist, gelten alle amerikanischen Vorschriften einschließlich der amerikanischen Anti-Terrorund Embargolisten. Sämtliche Kunden werden geprüft „In den vergangene zwölf Jahren hatten wir
insgesamt fünf Treffer.“ Bleiben nach abgeschlossener Prüfung des Kunden weitere Zweifel, werde der
Kundenkontakt eingestellt.
HANDELSBESCHRÄNKUNGEN KANN
ES AUCH FÜR KABELBINDER GEBEN
Kabelbinder, Computerschlösser oder Software –
es gibt zahlreiche Produkte, wo sich nicht auf den
ersten Blick eine Handelsbeschränkung aufdrängt.
Ab einer bestimmten Dicke und Breite könnten
Kabelbinder zum Fesseln und Foltern genutzt werden. Computerschlösser könnten Verschlüsselungstechnologien enthalten und Software ist schlichtweg eine Gattung der zehn Dual-Use-Kategorien
(siehe Infokasten). Zusammen mit der Ausfuhrliste,
einer 428-seitigen Anlage zur Außenwirtschafsverordnung (AWV), ist die Dual-Use-Verordnung der
EU das zentrale Regelwerk für güterbezogene Prüfungen im Rahmen der Exportkontrolle. Doch was
steckt hinter dem Begriff Exportkontrolle? Es geht
um die Einhaltung von länder-, personen-, güterund verwendungsbezogenen Beschränkungen wie
beispielsweise Embargos, Terrorismuslisten, Genehmigungspflichten und Verboten für einzelne Güter,
die sich aus einer Vielzahl von Regelungen - die
wichtigste davon ist das Außenwirtschafsgesetz
(AWG) – ergeben. Die Prüfpflicht liegt beim Unternehmen, es muss recherchieren, ob seine Güter nur
mit Genehmigung ausgeführt werden dürfen. Unverzichtbar dafür ist das Handbuch der Deutschen
Exportkontrolle, kurz HADDEX.
Während die USA Totalembargos verhangen haben,
beispielsweise für Kuba, kennen die Europäer nur
Teil- und Waffenembargos. Mehr als 20 Länder
sind als Embargoländer qualifiziert (siehe Infokasten), wobei jeweils unterschiedliche Regelungen
gelten. Hilfreich ist hier die Länderübersicht auf der
Internetseite der BAFA. Für die Personen- und Länderprüfungen gibt es in der Praxis verschiedene Lösungen. Für kleinere und mittlere Unternehmen
eignet sich eine automatisierte E-Mail-Abfrage, die
Lizenzen hierfür liegen im niedrigen vierstelligen
Bereich. Der potenzielle Kunde kann damit in kurzer
Zeit im Rahmen einer Bestellung überprüft werden.
„Im Zweifel muss man Abstand von einem Geschäft
nehmen“, sagt Steffen Hertwig, welcher den finanziellen Aufwand, eine funktionierende Ausfuhrkontrolle zu etablieren im siebenstelligen Bereich
ansiedelt. Etwa zwei Prozent aller Waren unterliegen bei Würth Elektronik dem Exportkontrollrecht.
Im Unternehmen kümmern sich Außenhandelsfachwirte um die Abwicklung der Exportkontrolle.
Allein im Geschäft mit den Leiterplatten, wo Würth
Eletronik etwa 1.000 seiner insgesamt 6.500 Mit-
arbeiter beschäftigt, ist die Exportkontrollabteilung
mit drei Personen besetzt. „Um das Restrisiko zu
minimieren, beauftragen wir alle zwei Jahre Wirtschaftsprüfer mit einem externen Audit. Firmenintern versenden wir zudem einmal im Monat einen Newsletter mit Rechts- und Außenwirtschaftsthemen. Kunden werden auf das BAFA-Verfahren
hingewiesen und dann regelmäßig informiert.“ Die
meisten Kunden hätten für die längeren Lieferzeiten aufgrund der BAFA-Bearbeitung Verständnis.
„Was gestern falsch war, kann heute richtig sein
und umgekehrt,“ so kommentiert Torsten Roeser,
Direktor für Exportkontrolle bei der Infineon Technologies AG, das Exportkontrollrecht, in dem er seit
vielen Jahren tätig ist. Für Libyen gab es allein im
Jahr 2011 Änderungen der einschlägigen Regelungen im Monatstakt. „Etwa fünf Prozent unserer
Produkte brauchen eine Genehmigung, seien es
Umrichter für Windkraftanlagen oder ABS-Sensoren. In Chips für Reisepässe und Gesundheitskarten
steckt beispielsweise Kryptotechnologie, wodurch
diese Produkte genehmigungspflichtig werden.“
Torsten Roeser leitet in München eine Abteilung
mit insgesamt sechs Beschäftigten. Hinzu kommen
eigens geschulte Mitarbeiter in den jeweiligen Ländern wie beispielsweise Singapur, USA oder Malaysia. „In Malaysia gibt es das Thema erst seit wenigen
Jahren. Dort haben wir derzeit vier Mitarbeiter nur
im Bereich Exportkontrolle. Die härteste Sanktion
bei einem Verstoß ist dort die Todesstrafe“, sagt er.
Probleme im Bereich Exportkontrolle sind lösbar,
man muss nur früh genug damit beginnen. Bei
Würth-Elektronik musste beispielsweise das Problem der Datenaufbereitung für eine Leiterplattenbohrschablone in Indien gelöst werden. „Schon der
Datentransfer stellte ein Problem dar, wenn die
Leiterplatten militärisch nutzbar waren“, so der
Chefsyndikus Steffen Hertwig, der aus diesem Grund
vor unbedachtem E-Mail-Versand warnt. „Wir haben dann nach den möglichen Anwendungen getrennt und nur die Daten für zivile Nutzungen nach
Indien transferiert.“ Alles andere wurde in Deutschland erledigt. Mit der entsprechenden Genehmigung, die inzwischen erteilt wurde, wäre aber auch
das kein Problem mehr. Seine Beobachtung: „Arbeitsfehler werden geduldet, mangelhafte Organisation hingegen finden die Behörden kritisch.“
Diese Länder benennt die BAFA in Ihrer
Übersicht länderbezogener Embargos:
Ägypten | Armenien | Aserbaidschan | China
| Elfenbeinküste | Eritrea | Guinea | GuineaBissau | Haiti | Irak | Iran | Ex- Jugoslawien
/ ICTY | Kongo (DR) | Korea (DVR) – Nordkorea | Libanon | Liberia | Libyen | Moldau |
Myanmar (Birma) | Sierra Leone | Simbabwe
| Somalia | Sudan | Südsudan | Syrien |
Tunesien | Weißrussland
Hinzu kommen Maßnahmen wegen der Ermordung Rafiq Hariris. Nicht berücksichtigt
sind personenbezogenen Embargos zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus
sowie Umgehungsverbote.
Dual-Use-Güter sind in folgende
Kategorien eingeteilt:
Kerntechnische Materialien, Anlagen
und Ausrüstung
Besondere Werkstoffe und Materialien
und Ausrüstung
Werkstoffbearbeitung
Allgemeine Elektronik
Rechner
Telekommunikation und
Informationssicherheit
Sensoren und Laser
Luftfahrtelektronik und Navigation
Meeres- und Schiffstechnik
Luftfahrt, Raumfahrt und Antriebe
„Die Probleme haben die Mittelständler. Viele von
ihnen stehen mit einem Bein im Gefängnis und
wissen es noch nicht einmal“, sagt Anwalt Hohmann. Zwar müsse nicht jeder ein aufwendiges
Verfahren organisieren. Doch selbst harmlose Produkte wie Teebeutel oder Tulpenzwiebeln können
gegen die geltenden Regelungen verstoßen, wenn
es Embargos gibt oder der Kunde auf einer Terrorliste steht.
Jede Kategorie hat folgende Gattungen:
A
B
C
D
E
Systeme, Ausrüstung und Bestandteile
Prüf-, Test- und Herstellungsausrüstung
Werkstoffe und Materialien
Datenverarbeitungsprogramme (Software)
Technologie
RA Tobias Sommer, Berlin
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Thema
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Zu zweiten Mal im Bundestag, die Abgeordnete Katja Keul (Bündnis90/Die Grünen). Sie kämpft gegen die deutschen Rüstungsexporte. / Foto: Tobias Sommer
Thema
Mehr Information zu Rüstungsexporten!
Katja Keul – Als Kriegerin vor dem Bundesverfassungsgericht
Vor gut vier Jahren war Keul als das damals mutmaßlich langjährigste Mitglied noch im FORUM
junge Anwaltschaft aktiv. Inzwischen sitzt sie
zum zweiten Mal für die niedersächsischen Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag (wir
berichteten in AdVoice 4/2009).
AdVoice: Du hast zusammen mit Claudia Roth
und Hans-Christian Ströbele eine Klage zum Bundesverfassungsgericht gegen das Zurückhalten
von Informationen zu Panzerexporten eingereicht.
Wie ist der aktuelle Stand?
Katja Keul: Zuletzt hat das Verfassungsgericht die
Bundesregierung noch zur Beantwortung von Fragen zum Bundessicherheitsrat aufgefordert. Die
Fragen wurden mit Schriftsatz vom 27.9. 2013 beantwortet und die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates beigefügt. Nun heißt es wieder abwarten.
schen Industrie, die bewaffneten Konflikte und
menschenverachtende Regime in aller Welt mit
Waffen zu bedienen.
A: Wie viel verdient die Rüstungsindustrie?
K: 2012 wurden Kriegswaffen im Wert von etwa
eine Milliarde Euro. ausgeführt. Das sind 0,1 % aller
deutschen Exporte. Der genehmigte gesamte Rüstungsexport im weiteren Sinne betrug 2012 einschließlich der Sammelgenehmigungen etwa neun
Milliarden Euro. Brisant sind dabei vor allem die
Exporte außerhalb von NATO und EU in Höhe von
2,6 Mrd. Selbst wenn man also von einem Tag auf
den anderen komplett auf die Ausfuhr in diese
Länder verzichten würde, führte dies nicht zu
einem Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft.
A: Inwiefern geht Eure Klage zum Zurückhalten
von Informationen zu Panzerexporten über den
Rüstungsbericht und sonstige Informationen
hinaus?
K: Der Rüstungsexportbericht enthält nur die in
den jeweiligen Kategorien addierten Umsatzzahlen
und wenige Einzelangaben. Außerdem enthält er
keinerlei Angaben über Vorbescheide. Ebenso wenig enthält der Bericht eine sicherheitspolitische
Begründung für die jeweilige Entscheidung. Nach
den geltenden Grundsätzen sind Kriegswaffen nur
im Ausnahmefall bei besonderen sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik zu genehmigen. Im Regelfall ist die Genehmigung zu versagen. Wir wollen mit unserer Klage sowohl eine
Antwort auf die Frage, ob die Regierung die Voranfrage genehmigt hat, als auch eine Begründung
für diese Entscheidung.
A: Welche Missstände prangert Ihr an?
K: Deutschland ist trotz des Art. 26 GG seit Jahren
der drittgrößte Waffenexporteur der Welt nach den
USA und Russland. Eine restriktive Exportkontrolle
besteht nur auf dem Papier. Und weil die Regierung
weiß, wie unpopulär dieses Thema ist, versteckt sie
sich hinter einer völlig überzogenen und in dieser
Pauschalität nicht zu rechtfertigenden Geheimhaltung. Sie will sich davor drücken, ihre Entscheidungen zu begründen und verhindert damit auch
gleich die verfassungsmäßige parlamentarische
Kontrolle. Als Abgeordnete können wir unserer
Kontrollfunktion nicht gerecht werden, wenn die
Bundesregierung unsere Fragen nicht beantwortet
und ihr exekutives Handeln geheim hält. Damit
werden wir in unseren grundlegenden parlamentarischen Rechten verletzt. Ich gehe fest davon aus,
dass die Regierung sich zu einer restriktiveren Genehmigungspraxis motivieren lässt, wenn sie gezwungen ist, ihre Entscheidung auch öffentlich zu
vertreten.
A: Weshalb ist das Thema wichtig und weshalb
soll das offengelegt werden?
K: Es geht um fundamentale Werte der Bundesrepublik, die im Grundgesetz in Art. 26 verankert
sind und auf den Erfahrungen von zwei verheerenden Weltkriegen beruhen. Nie wieder sollte der
Frieden zwischen den Völkern durch deutsche Waffen gefährdet werden. Genau das passiert aber,
wenn die Überkapazitäten der deutschen Rüstungsindustrie durch Exporte von Kriegswaffen in Spannungsgebiete wie Indien und Pakistan oder an die
autokratischen Regime der arabischen Halbinsel
erhalten werden. Deutschland hat aufgrund seiner
Geschichte eine besondere Verantwortung für den
Weltfrieden. Es ist daher nicht Aufgabe der deut-
A: Wie ist Dein persönliches Fazit nach Deiner
ersten Amtszeit im Bundestag?
K: Ich genieße den Beginn meiner zweiten Legislatur umso mehr, als ich mich noch sehr gut an die
permanente Stresssituation vor vier Jahren erinnern kann. Aber nicht nur für Neue und QuereinsteigerInnen ist das Mandat mit Stress verbunden.
Besonders das ständige Tempo und die Informationsflut sind ein echtes Problem, zumal es im parlamentarischen Betrieb leider keinerlei Fristensystem gibt. Bis zum Beginn der Sitzung werden noch
ständig Entscheidungsvorlagen geändert und versandt. Da sehnt man sich doch gelegentlich nach
einem geordneten Zivilprozess zurück, und Stellungnahmefristen von 14 Tagen bleiben ein Traum.
Eine Weile habe ich noch versucht, für Fristen zu
werben, aber irgendwann habe ich eingesehen,
dass der Bundestag eben keine große Anwaltskanzlei ist und auch nie werden wird. Er ist eine
echte Volksvertretung, und das ist auch gut so. Die
VolksvertreterInnen sind so bunt, so emotional, so
spontan, so gewieft, wie das Volk, das sie vertreten.
Die Sprache der Juristen steht zwar am Ende im
Gesetz, aber die Sprache der Politik ist doch eine
andere. Wie oft habe ich zu hören bekommen: "...
das darfst Du nicht rechtlich – das musst Du politisch sehen!" Nun gut: Der Bundestag gibt mir
noch viel Gelegenheit dazulernen. Von höchster
Stelle habe ich mir schon erläutern lassen: Das ist
hier alles eine Maßnahme der Erwachsenenbildung!
Aber im Ernst: Ich bin dankbar, dass ich die Ehre
habe, das deutsche Volk vertreten zu dürfen und
gebe mir alle Mühe, dieser Aufgabe gerecht zu
werden und für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit
zu streiten. Das ist ein großartige Aufgabe! Besonders schön ist es, wenn es gelingt, als kleines Rad
in einem großen Getriebe zu merken, dass man
etwas bewegen konnte. Und wie in jedem anderen
Job auch gibt es solche und solche Tage. Ganz klar:
Auch als Parlamentarierin bin und bleibe ich durch
und durch Anwältin!
A: Katja, wir danken Dir für Deine Zeit, wünschen Dir weiterhin viel Erfolg im Parlament und
bei Deiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht!
Das Interview führte
RA Tobias Sommer, Berlin
Klage und Klagebegründung gegen das Zurückhalten
von Informationen zu Panzerexporten, die Erwiderung
der Bundesrepublik sowie die Replik sind dokumentiert auf www.katja-keul.de. Einer der Kernpunkte:
Auf die Anfragen der Parlamentarier wurde pauschal
auf die Geheimhaltung für Sitzungen des Bundes-sicherheitsrates hingewiesen. Fragen wie: „Wie rechtfertigt die Bundesregierung Entscheidungen über diese
Kriegswaffenexporte angesichts der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung, nach denen solche
Kriegswaffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien,
in den fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt werden, nicht in Betracht kommen?“, wurden beispielsweise nicht beantwortet. In der Zusammenfassung in der Klageschrift heißt es weiter: „Es
drängt sich der Eindruck auf, die Bundesregierung
versteckt sich hinter dem Argument der Geheimhaltung, um sich nicht festzulegen, Zeit zu gewinnen und
einer Auseinandersetzung mit den konkreten Einzelheiten des Kriegswaffengeschäfts mit Saudi-Arabien
aus dem Weg zu gehen.“
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Thema
Befreiung vom Stigma des Landesverrats
Ausstellung in Berlin erinnert an Generalstaatsanwalt Fritz Bauer
Im Berliner Kammergericht erinnert eine Ausstellung an Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der für eine Rehabilitierung der Attentäter vom 20. Juli 1944 kämpfte.
Der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Hitler-Attentäter, die Männer des 20. Juli 1944, vor den
bundesdeutschen Gerichten der Nachkriegszeit
rehabilitiert wurden, und damit ein wichtiges
Stück Rechtsgeschichte geschrieben. Eine Ausstellung im KG Berlin unter dem Titel „Der Prozess um den 20. Juli 1944 – Generalstaatsanwalt
Dr. Fritz Bauer und die Befreiung vom Stigma des
Landesverrats“, die auf Wanderschaft durch die
deutschen Gerichte gehen soll, erinnert an den
Juristen, das Attentat vom 20. Juli 1944 und
seine Folgen sowie die Legitimierung des Widerstands gegen den NS-Unrechtsstaat im Braunschweiger Prozess von 1952. Dieser Prozess wird
als der bedeutendsten Prozess mit politischem
Hintergrund seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und vor dem Frankfurter Auschwitz-Prozess eingestuft.
Rede des Braunschweiger Professors Dr. h.c. Gerd
Biegel anlässlich der Ausstellungseröffnung am
Kammergericht in Berlin.
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Der am Landgericht in Braunschweig durchgeführte „Remer-Prozess“ vor 61 Jahren, mit dem sich
unsere Ausstellung auseinandersetzt, gilt heute als
eines der wichtigsten juristischen Verfahren mit
politischem Hintergrund in der Geschichte der
frühen Bundesrepublik und war ein Meilenstein im
Kampf um die Würdigung des Widerstandes gegen
den Nationalsozialismus. Der Prozess kennzeichnete einen Paradigmenwechsel in der Erinnerungskultur der jungen Bundesrepublik.
„Jedermann wäre zur Zeit der Naziherrschaft berechtigt gewesen, bedrohten Juden zu helfen ... Ein
Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr.“ Es waren
diese Aussagen, die im Jahre 1952 die Öffentlichkeit nicht gerne hörte, zu deutlich waren diese Sätze,
die in der internationalen Presse großes Echo fanden.
Ausgesprochen hatte die unbequemen Wahrheiten
der damalige Braunschweiger Generalstaatsanwalt
Dr. Fritz Bauer. Das Thema des Widerstandes war ihm
spätestens seit seiner Emigration 1936 zur Lebensaufgabe geworden. Bereits vor 1933 war er als Jurist im Staatsdienst tätig, verlor sein Amt aber nicht
Foto: Andrea Vollmer
wegen seines jüdischen Glaubens, sondern aufgrund
seiner politischen Betätigung. Erst Ende 1933 wieder
aus der Haft entlassen, emigrierte er 1936 nach Dänemark, wo seine Schwester lebte, und floh 1943 ins
Exil nach Schweden. Dort hatte sich Fritz Bauer der
SPD im Exil (SoPaDe) angeschlossen und gründete
gemeinsam mit Willy Brandt und Willy Seifert die
Zeitschrift „Sozialdemokratische Tribüne“. Von 1945
bis 1949 lebte er zu-nächst wieder in Dänemark und
kehrte 1949 nach Deutschland zurück. Er wurde erst
Landgerichtsdirektor, dann Generalstaatsanwalt in
Braunschweig.
Bereits damals sah Fritz Bauer in der politischen
Haltung des Widerstandes die „Basis für die Realisierung einer postdiktatorischen demokratischen
Gesellschaftsordnung in Deutschland“. Die Rückkehr war allerdings überschattet von einer heftigen
Auseinandersetzung innerhalb der Exil-SPD, an der
Spitze Kurt Heinig, der in Schweden die „Einheitssozialisten Brandt und Bauer“ ebenso denunzierte,
wie er Bauer als „hundertzwanzigprozentigen Kommunisten“ verleumdete, was den SPD-Parteivorstand
in Hannover zunächst auf Distanz gegenüber Fritz
Thema
Bauer gehen ließ, da man ihn „als Kommunistenfreund und Einheitsparteiler [...] Moskauer Quisling“
denunzierte und verdächtigte. Erschwerend auch,
und es sollte durchaus Erwähnung finden, dass in
den Denunziationen innerhalb der SPD antisemitische Töne mitschwangen.
Am 1. August 1950 wurde Bauer zum Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht in Braunschweig
ernannt. Es war keine leichte Aufgabe für ihn, der
sich die Aufklärung und Anklage krimineller Verstrickungen in die nationalsozialistischen Verbrechen
zum Ziel setzte. Die Justiz selbst war zu diesem
Zeitpunkt noch zu großen Teilen mit nationalsozialistisch belasteten Vertretern durchsetzt, die
Alliierten und die Politik zunehmend weniger interessiert, und einem politisch aktiven Juristen wie
Bauer stand man in der eigenen Zunft eher distanziert und misstrauisch gegenüber.
Höhepunkt der Braunschweiger Amtszeit Fritz
Bauers war der sogenannte „Remer-Prozess“ vor
61 Jahren, im März 1952. Bei den niedersächsischen
Landtagswahlen im Mai 1951 hatte die neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP) rund elf
Prozent der Stimmen erreicht und war mit 16 Abgeordneten in den Landtag eingezogen. Zwischen
1950 und 1952 war die SRP für eineinhalb Jahre
im Bundestag durch Franz Richter und Fritz Dorls
vertreten, die von anderen Parteien zur SRP übergetreten waren. Im Vorfeld der Wahl von 1951 in
Niedersachsen hatte einer der offensivsten Vertreter neonazistischer Ideologie, Otto Ernst Remer
(1912-1997), bei einer Veranstaltung der SRP im
Braunschweiger Schützenhaus die Attentäter vom
20. Juli 1944 als vom Ausland bezahlte Hoch- und
Landesverräter beschimpft. Remer selbst war am
20. Juli 1944 als Kommandeur des Berliner Wachbataillons „Großdeutschland“ maßgeblich an der
Niederschlagung des Aufstands beteiligt gewesen.
Bundesinnenminister Dr. h. c. Robert Lehr, Mitglied
des Widerstands und aktiver Gegner der Nationalsozialisten sowie Vertreter eines aktuellen Parteiverbots der SRP, stellte wegen der Verleumdung
der Widerstandskämpfer im Juni 1951 Strafantrag
beim Landgericht Braunschweig. Zunächst hatte
der zuständige Braunschweiger Oberstaatsanwalt
Dr. Erich Günther Topf (1904-1983) die Eröffnung
eines Verfahrens abgelehnt und vordergründig die
Antragsberechtigung Lehrs in Frage gestellt. Die
Anwälte Remers zweifelten darüber hinaus die Zugehörigkeit Lehrs zum Widerstand an. Auch Topf
war einer der Juristen, die in der nahtlosen Kontinuität zwischen NS-Amt und Nachkriegstätigkeit
im Justizdienst standen.
Schließlich wies Fritz Bauer gegen amtsinterne Widerstände die Eröffnung des Prozesses an und ließ
Remer nach §186 StGB anklagen. Eigentliches Ziel
für Bauer war es, bei dem vor dem Landgericht
stattfindenden Prozess die „Rehabilitierung der Widerstandskämpfer“ zu erreichen und „sonst nichts!“.
Fritz Bauer machte damit die Legitimation des
Widerstands gegen den Unrechtsstaat zum Gegenstand des Strafverfahrens.
Schon vor der Eröffnung der Verhandlung hatte
Bauer gegenüber der Presse erklärt, der Fall Remer
sei für die Staatsanwaltschaft ein „Anlass, die Geschichte und Problematik des 20. Juli 1944 zu klären“. Ihm ging es um das Widerstandsrecht, das in
der deutschen Rechtslehre und Praxis völlig verkümmert und in das Raritätenkabinett der Rechtsgeschichte verbannt war. Zwei Beispiele sollen diese
Tendenz zur Delegitimierung des Widerstandes
verdeutlichen, denn westdeutsche Gerichte betrachteten Widerstand noch keineswegs als rechtmäßiges Aufbegehren gegen das NS-Regime, sondern als Verrat:
Im Februar 1951 stellte das Landgericht München I
fest, die Widerstandskämpfer Hans von Dohnanyi,
Dietrich Bonhoeffer, Wilhelm Canaris, Hans Oster,
Ludwig Gehre und Karl Sack hätten nach damaligem
Recht Hoch- und Landesverrat begangen.
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg vertrat 1951 die
Auffassung, dass „von der Gruppe des 20. Juli in
umfassendem Masse Landesverrat und Spionage
betrieben worden ist“. Die Todesurteile des NSReichskriegsgerichts gegen die Mitglieder der Roten
Kapelle seien Folge des von den Regimegegnern
begangenen Landesverrats gewesen.
Es war daher ganz im Sinne Bauers, dass die Presse
im Frühjahr 1952 nahezu bundesweit das Verfahren gegen Remer als „Prozess um den 20. Juli ankündigte“. Und das öffentliche Interesse sowie das
Medieninteresse waren groß, wie auch aus den
Bildern in der Ausstellung hervorgeht. Bauer stellte
in seinem einstündigen Schlussplädoyer u. a. fest:
„Ein Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr gemäß § 53 StGB. Jedermann war berechtigt, den
bedrohten Juden oder den bedrohten Intelligenzschichten des Auslands Nothilfe zu gewähren.“ Mit
dieser Beurteilung stand Fritz Bauer in fundamentalem Gegensatz zur Mehrheitsmeinung in Deutschland im Jahr 1952 und leitete mit seiner Prozessstrategie einen historischen Paradigmenwechsel im
Umgang mit dem Widerstand ein. Bauer betonte,
dass man den am 20. Juli Beteiligten nicht vorwerfen könne, sie hätten „den Vorsatz gehabt, Deutschland zu schaden“, ihr Ziel sei es vielmehr gewesen,
„Deutschland zu retten“.
Landgerichtsdirektor am Landgericht Braunschweig
tätig. Generalstaatsanwalt Bauer hatte in seinem
Plädoyer gefragt, ob neben den Männern vom 20.
Juli 1944 „nicht jeder in Deutschland, der die Ungerechtigkeit des Krieges erkannte, berechtigt war,
Widerstand zu leisten?“ Die Frage forderte Richter
Heppe heraus. „Ich muss offen sagen, dass ich in Gewissenskonflikte komme. Ich bin 1943 bei Stalingrad
in russische Gefangenschaft geraten. Ich habe erlebt, wie Generäle sich dem Nationalkomitee Freies
Deutschland anschlossen. Bei aller Berechtigung
zum Widerstand, diese Methode ist mir doch sehr
sehr bedenklich erschienen. Wenn man sich Ihnen
anschließt, Herr Generalstaatsanwalt, müsste man
auch all das decken? Ich sage diese Worte aus tiefster und innerster Gewissensnot, und ich bitte zu
verstehen, in welche Schwierigkeiten ein deutsches
Gericht gelangen muss, wenn es diese Frage zu entscheiden hat.“ In der mündlichen Urteilsbegründung
betonte der Richter schließlich, wie „bitter und hart“
es für ein westdeutsches Gericht sei, das Unrecht
des NS-Staates zu verurteilen und das Widerstandsrecht anzuerkennen.
Die vollständige Rede sowie
weitere Informationen findet Ihr unter:
www.davforum.de/blog.
Dr. hc. Gerd Biegel bei der Ausstellungseröffnung. Foto: privat
Am letzten Prozesstag geschah im Braunschweiger
Schwurgerichtssaal etwas Ungewöhnliches. Nach
dem Plädoyer von Fritz Bauer gab Richter Joachim
Heppe eine persönliche Erklärung ab. Heppe war
als Soldat der Wehrmacht im Februar 1943 bei
Stalingrad in russische Kriegsgefangenschaft geraten. Nach der Entlassung aus der Gefangenschaft
1950, war er bis 1970 als Oberlandesgerichtsrat und
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Magazin
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Das Black Budget der USA beträgt für 2013 50 Milliarden US-Dollar. / Foto: Arno Bachert_pixelio.de
Magazin
Ein offenes Geheimnis
USA finanziert Datengraumarkt mit jährlich 50 Milliarden Dollar
An dem Dauerthema NSA-Affäre kommt auch
die Juristenwelt nicht vorbei. Der Anwaltverein
hat reagiert und Experten zum regen Austausch
versammelt. AdVoice war vor Ort. Naturgemäß
haben wir eine eigene, auch datenschutzrechtliche Sicht auf die Dinge.
Unter Leitung des DAV fand am 2. September 2013
eine Podiumsdiskussion zum Thema „NSA – Datenschutzskandal“ statt. Der Präsident des DAV, Herr
Prof. Dr. Wolfgang Ewer, leitete die Veranstaltung
mit treffenden Worten ein: Man wolle den Besuchern während der Veranstaltung näherbringen, wie
die in jüngster Vergangenheit und gegenwärtig aufschäumende Affäre datenschutzrechtlich nach deutschem, europäischem und Völkerrecht zu bewerten
ist und welche rechtspolitischen Schlüsse zu ziehen
seien. Der Anwalt als Berufsgeheimnisträger müsse
sich auch in Bezug auf den Umgang mit seiner Mandantschaft über die Tragweite der Überwachungsmechanismen im Klaren sein. Ein weiteres Augenmerk läge auf dem Zusammenspiel von nationalem
und internationalem Recht im In- und Ausland und
der Problematik der Sicherheitslücke als Ware. Fraglich sei, inwiefern der Aussage von Bundeskanzlerin
Merkel „auf deutschem Boden gilt deutsches Recht“,
gefolgt werden könne. Beachtung geschenkt wurde
auch der US-amerikanischen Perspektive auf das
Sammeln und Auswerten von Daten in Hinblick auf
das Recht auf Privatheit.
CONSTANZE KURZ,
SPRECHERIN DES CHAOSCOMPUTERCLUB
Die Taktik der Bundesregierung, aber auch die von
Regierungen anderer Staaten sei, so viel geheim zu
halten wie möglich und nur solche Tatsachen zuzugeben, die ohnehin schon öffentlich geworden
seien. Im Mittelpunkt des Redebeitrages standen
nicht die großen Skandale, die ein breites Echo in
den Medien gefunden haben, sondern einzelne
Enthüllungen, die zwar nicht allgemein bekannt,
gleichwohl aber nicht weniger gravierend sind:
/ Am 30. August 2013 teilten die Unternehmen
Microsoft und Google mit, dass sie gemeinsam
gegen die US-Regierung klagen werden. Klagen
mit gleichem Inhalt hatten beide Unternehmen
separat voneinander bereits im Juni dieses Jahres
eingereicht. Die beiden Unternehmen wollen erreichen, mehr Informationen über Nutzerdatenabfragen durch Sicherheitsbehörden veröffentlichen zu dürfen. Dies müsse in einer Form gesche-
hen, die klar erkennbar mache, wie oft die Behörden Nutzerdaten, etwa zu einem E-Mail-Konto,
abgefragt und auch Inhalte wie etwa den Text von
E-Mails angefordert hätten. Zwar kündigte die USRegierung an, dass sie künftig einmal im Jahr die
Zahl aller Anfragen nach Nutzerdaten veröffentlichen wolle. Dies sei aber nach Ansicht der Unternehmen bei Weitem nicht ausreichend, um das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu befriedigen. Die Verfassung garantiere außerdem ein
weitergehendes Recht auf Information.
/ US-Sicherheitsbehörden fragen bei Providern Masterkeys ab, sogenannte Verschlüsselungsschlüssel
für nur scheinbar sichere SSL/TLS-Verbindungen
(erkennbar an https in der, und dem kleinen Vorhängeschloss neben der URL-Leiste im Browser),
die von großen Anbietern wie Google, Facebook,
Yahoo unter anderen genutzt werden. Mit Hilfe des
Schlüssels des Websitebetreibers kann die jeweilige
Sicherheitsbehörde die Kommunikation einbinden
und sämtliche übertragene Daten mitschneiden. Ist
ein Unternehmen nicht zur Kooperation bereit, muss
es mit wirtschaftlichen und politischen Druckmitteln rechnen, die unter Umständen dazu führen
können, dass das entsprechende Unternehmen
seinen Sitz in den USA aufgeben muss.
/ Das sogenannte Black Budget der USA beträgt
mehr als 50 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2013.
Diese Summe wird unter den verschiedenen Sicherheitsbehörden aufgeteilt, wobei entgegen der
allgemeinen Annahme, die CIA den größten Teil
erhält. Mit diesen Geldern wird unter anderem der
„Graue Markt“ finanziert, der es den Sicherheitsbehörden erlaubt, von den Softwareunternehmen
nicht nur Masterkeys, sondern auch allerlei andere
Daten beziehungsweises Wege zur Datenabfrage
zu erhalten. Im Jahr 2013 gab die NSA bereits 25
Mio. US-Dollar für ungepatchte Sicherheitslücken
aus. Ungepatchte Sicherheitslücken sind solche, die
vom Provider zwar als für den User bestehende Gefahr im Programm erkannt, gleichwohl aber nicht
durch ein angebotenes Sicherheitsupgrade repariert
werden können. Dies ist ein bezeichnendes Beispiel
dafür, wie eng die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Silicon Valley und den Sicherheitsbehörden sind.
/ Die offizielle Begründung dieser umfassenden Datenerhebung lautet: Terrorismusgefahr. Gewiss besteht in manchen Bereichen eine derartige Gefahr,
der durch rechtzeitige Information präventiv begegnet werden kann. Fraglich ist jedoch, inwiefern
das Abhören des brasilianischen Präsidenten oder
des französischen Außenministers durch diese Gefahrenlage gerechtfertigt werden kann. Auch der
langfristige, immerhin seit 1987 bestehende, uneingeschränkte Zugriff der DEA (Drug Enforcement Administration) auf bestimmte Telekommunikationsanbieter kann nur schwer mit diesem Zweck in Einklang gebracht werden.
JOHN M. OWENS,
ATTORNEY-AT-LAW UND EHEMALIGER
BUNDESSTAATSANWALT IN DEN USA
Die Einstellung der Bevölkerung zu Privatsphäre
und Datenerfassung in den USA und in Deutschland: Meinungsumfragen ergaben, dass sowohl
europäische als auch US-amerikanische Bürger die
Maßnahmen der Regierung skeptisch betrachten,
die Sichtweisen jedoch leicht unterschiedlich sind.
Während der durchschnittliche Europäer seine
Privatsphäre als ein Menschenrecht ansieht, will
der Amerikaner lediglich von der Regierung in Ruhe
gelassen werden. In Deutschland beschäftigt man
sich vermehrt mit der Frage, wie und in welchem
Umfang Kommunikation global überwacht wird. In
den USA dagegen konzentriert man sich eher auf
innerstaatliche Probleme. 70 Prozent der Amerikaner gehen ohnehin davon aus, dass die gesammelten Informationen auch für Maßnahmen gesammelt
werden, die nichts mit Terrorismus-Bekämpfung zu
tun haben. Damit einher geht, dass ein Großteil der
Bevölkerung annimmt, die Regierung sammle mehr
Daten, als tatsächlich nötig wäre.
Gesetzliche Regelungen in den USA: Datenerfassung zu Zwecken der normalen Strafverfolgung:
Ausreichend für die Suche nach und Beschlagnahme von Daten ist nach dem 4. Zusatz zur Verfassung der USA ein hinreichender Verdacht. Es muss
ein richterlicher Durchsuchungsbefehl vorliegen.
Fehlt dieser, dürfen aufgefundene Beweise nicht
verwertet werden. Darüber hinaus muss die Durchsetzung oder Beschlagnahme angemessen sein.
Durch den Title III Order wurde die Durchführung
von elektronischer Überwachung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
Der Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) von
1978 regelt die Auslandsaufklärung und Spionageabwehr der US-Geheimdienste. Zweck dieses
Gesetzes ist die Prävention von Terrorismus. Zur
Durchsetzung wurde ein eigenes Gericht (Foreign
Intelligence Surveillance Court – FISC) geschaffen,
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Magazin
dessen Verhandlungen nicht öffentlich sind. Die
Organe des FISA überwachen hauptsächlich Personen in den USA, die keine Staatsbürger sind und
keine Green Card besitzen.
Durch den Patriot Act von 2001 wurden neue gesetzliche Regelungen zum Schutz der nationalen
Sicherheit eingeführt und bereits bestehende Gesetze wie FISA erweitert. Das Gesetz soll zur Stärkung und Einigung Amerikas durch Bereitstellung
geeigneter Instrumente, die den Terrorismus aufhalten
und blockieren, beitragen. Er wurde vorerst mit einer zeitlichen Beschränkung bis 2015 erlassen.
National Security Letters sind strafbewehrte Anordnungen von Regierungsbehörden, Dokumente
oder Sachen herauszugeben.
DR. THOMAS PETRI,
BAYERISCHER LANDESBEAUFTRAGTER
FÜR DATENSCHUTZ UND
INFORMATIONSFREIHEIT
Die europäische Lage stelle sich so dar, dass zwar
gemäß Art. 16 AEUV in Verbindung mit EU-V ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Staaten möglich
sei, die gegen das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten verstießen. Einen wirksamen Hebel könne das Datenschutzrecht aber gegenwärtig
nicht bieten, um der Überwachungspraxis beizukommen. Auch in absehbarer Zukunft sei keine Änderung durch eine Gesetzesreform in Sicht.
Gerade bei dem bisher anerkannten System des Safe
Harbour sei eine Reform dringend notwendig, da
kein angemessenes Schutzniveau mehr bestehe.
rung und Wahrung der Grundrechtsstandards sollte
unter der Flut immer neuerer Enthüllungen und
Skandale untergehen.
Generell fände ein Ringtausch mit personenbezogenen Daten unter den Geheimdiensten kooperierender Staaten statt, man spreche hier auch von
einem „Befugnishopping“. So halte sich jeder Geheimdienst an das für ihn unmittelbar geltende innerstaatliche Recht, da er Daten über eigene Staatsbürger nicht selbst erhebe, sondern lediglich von
einem ausländischen Geheimdienst erhalte. Dabei
sei davon auszugehen, dass nicht nur Meta-Daten,
sondern auch Inhaltsdaten erhoben und gespeichert würden.
Verpflichtende Sicherheitsstandards, die die bestmögliche Sicherheit nach dem neuesten Stand der
Technik bereitstellen, sollten die Norm für OnlineAnwendungen sowie auch für Arztpraxen, Kanzleien und staatliche Institutionen sein.
DR. HEIDE SANDKUHL,
VORSITZENDE DES GEFAHRENRECHTSAUSSCHUSSES DES DAV
Die Gefahr umfassender Offenlegung von personenbezogenen Daten gehe nicht in erster Linie vom
Staat aus, sondern vom Bürger selbst, da er zu viele
seiner Daten freiwillig preisgebe. Hier müsse vor allem
im Umgang mit sozialen Netzwerken eine größere
Sensibilität in der Bevölkerung geschaffen werden.
FAZIT
Der gemeinsame Appell der Redner nach mehr Aktionismus, mehr Transparenz bei der Bundesregie-
Enge Beziehungen zwischen Silicon Valley und den Sicherheitsbehörden.
Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass neben
Geheimdiensten private Unternehmen Nutznießer
der gesammelten Daten sind. Die Anbieter der meistgenutzten Onlineplattformen verdienen nahezu ausschließlich am Datenhandel. Durch bewusst verwirrend gestaltete Benutzeroberflächen werden die Nutzer
manipuliert mehr Daten zu teilen, als sie eigentlich
wollen. Das Ausmaß an erhobenen Daten (beispielsweise das Mitschneiden von Klicks) ist nur wenigen
bekannt und die gegenseitige Integration der Plattformen gibt mehr und mehr Daten in eine Hand.
Die Problematik der Sicherheitslücke als Ware birgt
die Gefahr, dass sogenannte „exploit broker“ mit
diesen Sicherheitslücken handeln, die in nicht unerheblichem Maß von Kriminellen erworben werden,
z. B. zum Ausforschen von Kreditkartendaten. Selbst
prestigeträchtige Unternehmen sind derzeit leider
noch nicht bereit, in ausreichendem Maße in die
Sicherheit ihrer Internetpräsenz zu investieren und
setzen damit sensible Nutzerdaten aufs Spiel.
Referendarin Astrid Bauer, Brandenburg/H.
Foto: Arno Bachert_pixelio.de
Links zum Thema
http://www.theguardian.com/world/2013/
sep/05/nsa-gchq-encryption-codes-security
http://www.datenschutzbeauftragter-info.de/
zugriff-von-behoerden-auf-den-ssl-tls
-masterkey/
http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013
-06/ USA-Geheimdienste-Daten-InternetVerizon
http://www.forbes.com/sites/andygreenber/
2012/03/23/shopping-for-zero-days-an
-price-list-for-hackers-secret-software
-exploits/
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ADVOICE 04/13
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In Kooperation mit:
Für die Unterstützung bedanken wir uns bei:
Magazin
D
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ADVOICE 04/13
Fotos: Andrea Vollmer
ANWALTSDEMO GEGEN
PRISM UND CO. IN DER BANNMEILE
UND DAS SAGEN
DIE MANDANTEN IM NETZ
Am 18.11.2013 um 12 Uhr haben sich vor
dem Bundestag etwa 150 Anwältinnen und
Anwälte versammelt, um gegen die Überwachungen von NSA und Co zu demonstrierern. Ziel ist es u. a. die verdachtsunabhängige Massenüberwachung durch
Geheimdienste wirksam zu unterbinden,
Geheimdienste künftig effektiv zu kontrollieren und das Anwaltsgeheimnis zu
schützen. Auch die Forderung nach einem
Untersuchungsausschuss steht auf dem
Programm. Die Forderungen an die Bundesregierung sind in der Hamburger Erklärung zusammengefasst:
Aus Leserkommentaren zu dem Artikel bei
Spiegel Online zur Anwaltsdemonstration
vor dem Bundestag am 18.11.2013
(http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/n
sa-bundestagsdebatte-anwaelte-fordernende-der-ueberwachung-a-934196.html#jsarticle-comments-box-pager)
/ Erklären Sie, dass die anlass- und verdachtsunabhängige Totalüberwachung der deutschen Bevölkerung eine krasse Verletzung von
Grundrechten sowie des deutschen (Straf-)
Rechts darstellt, ganz gleich, wo sie stattfindet. Sie ist mit jeder freiheitlich-demokratischen Ordnung unvereinbar und daher sofort
einzustellen.
/ Bestellen Sie die Botschafter der USA und
­
Großbritanniens förmlich ein, verdeutlichen
Sie diesen diese Haltung und fordern Sie die
sofortige Einstellung der Totalüberwachung.
/ Prüfen Sie alle erdenkl. Maßnahmen auf EUEbene gegen Großbritannien als EU-Mitglied.
/ Setzen Sie die Verhandlungen mit den USA
über ein Freihandelsabkommen aus und kündigen Sie die „Safe-Harbour-Abkommen“ sowie die Verträge zum Austausch von Fluggastdaten, bis die Totalüberwachung seitens der
USA eingestellt wird.
/ Schließen Sie sämtl. Standorte der NSA in
Deutschland, damit die BRD ihre volle Souveränität erhält.
/ Überprüfen Sie Netze und Netzwerkeinrichtungen in Deutschland auf ihre Integrität hin,
um ein „Abzapfen“ von Daten auszuschließen.
/ Veranlassen Sie strengere Kontrollen der
deutschen Nachrichtendienste sowie des
Bundesamts für Verfassungsschutz.
/ Sorgen Sie dafür, dass Berichte vor Kontrollgremien künftig mit Vollständigkeitserklärungen unter Eid erstattet werden müssen.
/ Stoppen Sie die Verwendung von Programmen wie XKeyscore oder stellen Sie diese
zumindest unter eine strenge Prüfung der
verdachtsbezogenen Verwendung.
Danke an die Anwälte
mickt 18.11.2013
für Ihr Engagement, sie verstehen vielleicht
einfacher als der Durchschnittsbürger, was
eine (mögliche oder tatsächliche) Totalüberwachung bedeutet!!! Bitte unterschreibt deren
Petition!
Danke!
ds26 18.11.2013
Meinen Respekt und Dank! Diese Menschen
gehen auf die Straße, weil sie für UNSERE
Rechte kämpfen. Die Bundesregierung verhöhnt sie!
Ist für mich einfach
gog-magog 18.11.2013
Wenn ich mal einen Anwalt brauche, dann
kommt auf jeden Fall nur einer in Frage, der
diese Erklärung unterschrieben hat. Wer nicht
unterschreibt, ist für Totalüberwachung und
damit als Anwalt ungeeignet.
Alle Achtung!
fragel 18.11.2013
In Deutschland gibt es sogar noch Anwälte
mit nem Arsch in der Hose. Solche Anwälte
zeigen dem Volk, noch sind nicht alle gekauft.
und jetzt?
Kompromiss 18.11.2013
finde ich gut! aber wo bleiben die ersten klagen? z. b. gegen die regierung wegen verletzung des amtseids, gegen die geheimdienste
wegen verletzung des postgeheimnis etc. was
ist überhaupt einklagbar und was nicht? SPON
fragt doch mal juristen und tragt meinungen
zusammen ... sind sammelklagen möglich um
kosten gemeinsam aufzufangen?
Zu wenige
Rickie 18.11.2013
Wir brauchen noch mehr, die öffentlich protestieren.
optional
Freidenker10 19.11.2013
Hoppla, dachte, diese Branche ist nur noch
ihrem eigenen Geldbeutel verpflichtet und
jetzt demonstrieren sie gegen die Überwachnung aller ... Weiter so!
ADVOICE 04/13
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Magazin
Überwachung zerstört Vertrauen
Freie Berufe und die Sicherheit vor dem behördlichen Abhören
D Laut Definition bezeichnet Sicherheit (von lat.
securitas) einen Zustand, der frei von unvertretbaren Risiken der Beeinträchtigung ist oder als
gefahrenfrei angesehen wird. Schaut man sich dazu
die jüngste Berichterstattung zu dem Thema „heimliche Ermittlungsmaßnahmen“ an, dann ist es wohl
kein unvertretbares Risiko:
/ wenn Telefonate, die Strafverteidiger mit ihren
Mandanten führen, durch deutsche Ermittler (zum
Teil offenbar über Jahre) abgehört werden,
/ wenn diese Mitschnitte in etlichen Fällen rechtswidrig protokolliert, ausgewertet und zum Teil jahrelang aufbewahrt werden,
/ wenn die Bundesanwaltschaft gegen eine durch
den Bundesgerichtshof als rechtswidrig beurteilte
Überwachungsmaßnahme sofortige Beschwerde
einlegt und
/ wenn der Verfassungsschutz Journalisten und Anwälte ausspioniert, verfolgt und dann seine Maßnahmen und Pannen vertuscht.
Das Abhören verstößt gegen elementaren Rechtsgrundsatz.
Die freien Berufe wie Rechtsanwälte, Journalisten, Ärzte und Pfarrer zählen zur verfassungsrechtlich geschützten Gruppe der Berufsgeheimnisträger. So sieht die Strafprozessordnung vor,
dass Anwälte, Pfarrer und Abgeordnete überhaupt nicht mehr abgehört werden dürfen, wenn
sie nicht selbst verdächtig sind. Daraus folgen
einige unserer rechtsstaatlichen Prinzipien, nämlich die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts und der Schutz auf das vertrauliche Gespräch
zwischen Mandant und Anwalt. Jede Bürgerin und
jeder Bürger muss die Möglichkeit haben, sich
einem Anwalt anvertrauen zu können. Aus Sicht
des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) ist dieser
elementare Rechtsgrundsatz unumstößlich.
Aber gibt es die Sicherheit vor dem behördlichen
Abhören bei Rechtsanwälten de facto?
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ADVOICE 04/13
Eine Überwachung zerstört aber nicht nur das
Vertrauen des Mandanten in die Tätigkeit seines
Anwalts, und es wird nicht nur gegen einen elementaren Rechtsgrundsatz verstoßen. Behördliches
Abhören, Abfangen, Speichern und Auswerten von
Telefonaten und Schriftverkehr geschützter Berufsgruppen kann gleichzeitig immer auch einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte aus § 823 BGB
darstellen, denkt man zum Beispiel an den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Ebenso
könnten eine Verletzung diverser Grundrechte vorliegen und das Datenschutzgesetz betroffen sein.
Die Reichweite der verletzten Rechtsgüter ist folglich viel weiter, als die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts und der Schutz auf
das vertrauliche Gespräch.
Somit kann auch das von den Ermittlungsbehörden
herangezogene Argument, dass es bei bestimmten
abgehörten Gesprächen zwischen Mandant und
Anwalt nicht um relevante Mandatsinhalte gegangen sei, nicht akzeptiert werden. Auch andere mitgehörte nicht relevante Inhalte können selbstverständlich zu sensiblen Daten wie Personaldaten,
finanziellen Daten oder Kontaktdaten gehören. Und
schenkt man verschiedenen Reportagen Glauben,
dann ist selbst bei einer Vermutung von Abhörmaßnahmen und Nachfragen beim Verfassungsschutz nie sichergestellt, ob dieser wahrheitsgemäß
Auskunft erteilt und eventuell rechtswidrig erlangte
(relevante oder irrelevante) Daten wieder löscht.
Was kann man also tun, wenn der gesetzliche und
der aus rechtsstaatlichen Prinzipien abgeleitet Schutz
nicht mehr sicher ist? Selbst schützen!? Schützen,
was so viel bedeutet wie: vor etwas bewahren, hüten
oder verteidigen.
Der Geschäftsführer des IT-Sicherheitsdienstleisters
Uniscon, Dr. Hubert Jäger, meint, Strafverteidiger
und andere Rechtsanwälte müssten schon „selbst
aktiv werden, um sicher zu sein, nicht von deutschen
Ermittlern abgehört“ zu werden und empfiehlt unter
Verweis auf den eigens entwickelten Kommunikationsdienst IDGARD speziell abgesicherte, nicht öffentliche Cloudsysteme für den Austausch mit Mandanten.
Stichwort: Sensibilität für Daten und Datenspeicherung! Wie sensibel oder auch behütet gehen wir
im Zeitalter von Facebook und anderen sozialen Netzwerken überhaupt mit unseren Daten um? Sind wir
uns als Nutzer dieser neuen Social Networks tatsächlich immer über deren Nutzungsbedingungen
bewusst?
Was viele verdrängen oder überlesen: Nutzer vom
Facebook zum Beispiel stimmen mit der Annahme
der Datenschutzbestimmungen automatisch der
Nutzung und Verwendung aller Personendaten von
mit Facebook kooperierenden Partnern zu. Hierzu
gehören – nach Aussage seriöser Pressequellen über
verdeckte Nutzerprofile – auch deutsche und ausländische Polizeibehörden sowie die CIA und staatliche Stellen der USA über den Zugang als Miteigentümer des Netzwerkes.
Fazit: Da weder Sicherheit noch Schutz vor dem
behördlichen Abhören garantiert werden können,
sollte gerade in der heutigen „Welt der neuen Medien“ jeder selbst genau hinschauen, wie er mit
seinen Daten verantwortlich umgeht. Vielleicht wäre
es auch an der Zeit, über eine neue gesetzliche Regelung nachzudenken, die dem Schutz der Privatsphäre wieder mehr Bedeutung verleiht. Anstoß
hierzu könnte ein „Whistleblower-Gesetz“ sein, wie
es jüngst Rechtsanwälte aus dem Bundesgebiet in
einer Demonstration vor dem Reichstag forderten,
und das Enthüller wie den Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden vor möglicher Bestrafung
schützen soll.
Ass. jur. Sandra Viol, Köln
Foto: Bernd-Kaper_pixelio
Magazin
GEDICHT DES MONATS
Die drei Winkel
Drei Winkel klappen ihr Dreieck
Die Wondel - ihr Decorum
Drei Advokaten stammen
zusammen wie ein Gestell
zu wahren - spricht Latein:
aus dieses Weihers Schoß.
und wandern nach Hirschmareieck
Vincula, vinculorum,
Doch zählst du die drei zusammen,
zum Widiwondelquell.
in vinculis Fleisch und Bein!
so sind es zwei rechte bloß.
Dort fahren sie auf der Gondel
Drauf nimmt sie die lockern Braten
hinein in den Quellenwald
und wirft sie in den Teich:
und bitten die Widiwondel
Drei Winkeladvokaten
um menschliche Gestalt.
entsteigen ihm allsogleich.
Foto: Huber_pixelio.de
Christian Morgenstern (1871-1914)
ADVOICE 04/13
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Magazin
Let’s talk about money
Ein Vorschuss hilft, um später sein Honorar nicht gerichtlich einklagen zu müssen
Das Ende des Mandantenverhältnisses ist nicht der rechte Zeitpunkt, um die Rechnung zu stellen.
Eine der ernüchternden Erfahrungen, die der Anwaltsberuf mit sich bringt, ist, dass es gar nicht
mal das soziale Ansehen ist, an dem es fehlt, sondern vielmehr an der allgemeinen Verbreitung
der Einsicht, dass dies ein Beruf ist, der auch dem
Geldverdienen dient, und dass nicht jeder Anwalt
schon in jungen Jahren einen guten Teil seiner
Zeit mit der Verwaltung eines wachsenden Vermögens verbringt – auch wenn der eine oder andere Kollege (und ich benutze hier bewusst das
Maskulinum) mit seinem Auftritt in einem höherklassigen, geleasten Fahrzeug diesen Eindruck
erweckt.
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ADVOICE 04/13
Denn kaum ein Kunde in einem Supermarkt hat die
Chuzpe, dort die Güter des täglichen Lebens in den
Einkaufswagen zu packen, um an der Kasse nach
Angabe des Preises zu versuchen, die Rechnung
um die Hälfte herunterhandeln, dabei darauf zu
verweisen, dass man doch noch seine Familie, seine
Nachbarn und Kollegen zum Einkaufen vorbei schicken will (denen man dann aber doch, bitte schön,
nicht so viel berechnet), und dass man sich die eingepackten Fertiggerichte ja selbst machen könnte,
und natürlich auch viel schmackhafter? Dergleichen, bei REWE, ALDI oder LIDL kaum zu erwarten,
erleben Anwälte, die jovial und honorig bis zum
Foto: uschi dreiucker_pixelio.de
Abschluss ihrer Arbeit mit der Rechnungsstellung
warten, mehr als einmal mit ihren Mandanten, allerdings mit dem Unterschied, dass der Mandant
gewissermaßen den Inhalt des Einkaufswagens
nicht nur schon in sein Auto gepackt, sondern bereits verzehrt, verbraucht und verdaut hat. Mag der
Anwalt auch gegen den (hoffentlich solventen) Mandanten einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch
haben – wer nicht diese Mühen und den Bruch mit
diesem Mandanten riskieren will, findet sich auf
einmal in der undankbaren und unangenehmen
Situation, sich rechtfertigen zu müssen für sein gutes Recht als Anwalt.
Magazin
$
Das Ende des Mandatsverhältnisses ist demnach
erfahrungsgemäß nicht der rechte Zeitpunkt, die
Rechnung zu stellen – und dies ganz unabhängig
davon, ob wir einen Erfolg eingeholt haben oder
nicht.
Aber auch der Vorschuss – wobei § 9 RVG uns einen weiten Spielraum gibt, was ein „angemessener“ Vorschuss ist, kann – wenn ungeschickt bemessen – das Mandatsverhältnis belasten. Es mag zwar
wirtschaftlich optimal sein, bei der ersten Vorschussrechnung vielleicht schon den gesamten abrechenbaren Betrag einzustreichen und zu diesem
Zeitpunkt, wenn der Leidensdruck des Mandanten
vielleicht am höchsten ist, auch meistens durchsetzbar. Aber nachvollziehbarerweise erwartet der
Mandant dann auch schnelle Erfolge, während auf
der Anwaltsseite – seien wir ehrlich – die bereits
bezahlte Arbeit viel von ihrem Reiz verloren hat.
Kein gutes Setting für ein Verhältnis, das sich über
eine lange Zeit hinziehen kann. Und dann gibt es
nun auch Mandanten, die schlichtweg keinen nennenswerten Vorschuss leisten können, und die wir
nicht nur grundsätzlich zu vertreten haben, sondern auch vertreten sollten, und im Übrigen auch
realistisch – jedenfalls bei großstädtischen Verhältnissen – gar nicht allesamt wegschicken können.
Aber stets einen gewissen „angemessenen“ Vorschuss zu nehmen (bis zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe bekanntlich auch bei der armen
Partei möglich – ja, und auch die Beratungshilfegebühr nach Nr. 2501 VV RVG sollte nicht unbedingt erlassen werden), empfiehlt sich aus meiner
Erfahrung, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen,
sondern auch, um ein beidseitiges „Commitment“
in das Mandatsverhältnis einzubringen:
Der Mandant weiß, dass er einerseits nun etwas
erwarten kann, andererseits aber noch weiter seinen Beitrag leisten muss, was zwanglos nicht nur
die weitere Finanzierung, sondern auch die Bereitschaft umfasst, sich zügig auf Rücksprachebitten
zu melden, Unterlagen beizubringen und auch seinerseits den Anwalt über Geschehnisse, die für die
Sache von Bedeutung sein können, mitzuteilen, kurz,
sich nicht nur als passiver Verbraucher zu verhalten
(wozu Rechtsschutzversicherungen bei aller vermeintlicher Bequemlichkeit leider verführen).
Und die Besprechung des Vorschusses führt zwanglos zu dem wegen § 49b Abs. 5 BRAO und dem
Erfordernis einer Vereinbarung über die außergerichtlichen Gebühren wenigstens in Zivilsachen un-
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vermeidbaren Gespräch über die Gesamtvergütung.
Dabei lässt sich bei einem neuen Mandanten nicht
nur ermitteln, wie er finanziell gestellt ist, sondern
auch, wie es um seine Zahlungswilligkeit steht –
vielleicht die letzte Gelegenheit, frühzeitig zu erkennen, dass ein Mandat nur unerfreulich sein wird,
und sich rechtzeitig in Anstand zu trennen. An dieser
Stelle sollte mit dem Mandanten geklärt werden, ob
nach den Vergütungsregeln des RVG oder nach einer
Honorarvereinbarung abgerechnet werden sollte.
Unabhängig davon, welcher Kurs und welcher Finanzrahmen mit dem Mandanten abgesteckt wird,
oder ob erwartet werden kann, dass am Ende vielleicht ein realisierbarer Erstattungsanspruch gegen
den Gegner oder die Staatskasse besteht: Die Vereinbarung stetiger Zahlungen, also ein steter Zahlungsfluss, ist nach meiner Erfahrung die beste
Möglichkeit, bei lange dauernden Rechtsstreitigkeiten das Mandatsverhältnis und die eigenen Finanzen gesund zu halten, und auch vielen, vielleicht nicht gerade „prozessarmen“ aber nicht in
üppigen Verhältnissen lebenden Mandanten (und
dazu zählen auch manche gewerbliche) die Finanzierung eines Rechtsstreites zu ermöglichen. Wenn
nach Stundenhonorar abgerechnet wird, liegt es
nahe, in festen zeitlichen Abständen abzurechnen,
jeweils mit einer Leistungsaufstellung. In den USA
gelangen wohl langsam Apps in den Markt wie
Viewabill, über die der Anwalt täglich seinem Mandanten online mitteilt, was er getan hat, und hierüber Rechnung stellt. Eine reizvolles Konzept, aber
ein monatlicher Zahlungsrhythmus sollte nach den
hiesigen noch etwas gemütlicheren Verhältnissen
ausreichend sein.
Und was ist ein schönerer Abschluss eines Mandatsverhältnisses, als wenn nach der Beitreibung aller
Forderungen die Endabrechnung mit einem Guthaben endet, und der Mandant auf diese Mitteilung sagt: „Ach behalten Sie erst mal das Geld, ich
brauch Sie bestimmt bald wieder.“?
RA Stefan Peveling, Köln
Der DAV-Ratgeber wird vom Deutschen Anwaltverein und dem FORUM Junge Anwaltschaft herausgegeben und ist gegen eine
Schutzgebühr von 5 EUR zu beziehen.
> www.anwaltverein.de/berufsstart/
dav-ratgeber
ADVOICE 04/13
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Magazin
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ADVOICE 04/13
Noch Jahre nach abgelegter Examensklausur träumen Juristen von den Strapazen dieser Zeit. / Foto: Andrea Vollmer
Magazin
Wach und heiter und so weiter!
Ritalin und Co: Was für zappelige Kinder gut ist, kann Juristen nicht schaden
Unbestritten ist, dass die Juristenausbildung kein
Zuckerschlecken ist. Im juristischen Vorbereitungsdienst verdient man nur einen Hungerlohn,
ist vielbeschäftigt in der Praxisausbildung, besucht
Pflicht-AGs und schreibt nebenbei fünfstündige
Klausuren.
Das zweite Staatsexamen toppt diese Belastung aber
noch um ein Vielfaches. Nicht grundlos träumen
erfolgreiche Juristen noch Jahre nach abgelegter
Prüfung von den Strapazen der Klausurenzeit. Dass
man Schreibkrämpfe, Nackenverspannungen, Kopfschmerzen, Magenprobleme und Schlafstörungen
bekommt, ist dabei noch das geringere Übel. Durchgreifender erscheinen die psychischen Belastungen,
die man zwangsläufig ertragen muss. Der Leistungsdruck ist immens, was ohnehin bestehende Versagensängste massiv verstärkt. Trotzdem legen jedes
Jahr hunderte junger Nachwuchsjuristen das zweite
Staatsexamen mehr oder minder erfolgreich ab.
Was ist deren Erfolgsrezept? Wie einem Repetitoren
und wohlmeinende Eltern immer wieder vorgaukeln
wollen, sind die entscheidenden Weichensteller ausreichende Vorbereitung und gutes Zeitmanagement
sowie mentales Training, das einen auf den Umgang
mit außergewöhnlichen Stresssituationen vorbereitet. Außerdem hilfreich seien Regenerationspausen
und ein stabiles soziales Netz, das den nötigen Rückhalt gibt. Dass diese Vorgehensweise tatsächlich
genügt, um mit den Belastungen fertig zu werden,
erscheint jedoch äußerst fraglich. Denn weder fühlt
sich der Durchschnittsreferendar jemals ausreichend
vorbereitet, noch hat er Zeit und Energie für außercurriculare Aktivitäten.
Viel besser wäre es doch, wenn man mit anderweitigen Hilfsmitteln auf die sichere Seite gelangen
könnte.
Auch eine Dosis Ritalin dann und wann ist in Erwägung zu ziehen – denn was für zappelige Kinder
gut ist, kann Juristen nicht schaden. (http://www.zeit.
de/studium/uni-leben/2013-03/ritalin-medikamentstudenten; http://www.spiegel.de/karriere/berufs
leben/hirndoping-kopfarbeiter-greifen-verstaerktzu-modafinil-und-ritalin-a-864956.html)
Ich bin gespannt, was mein Hausarzt sagen wird,
wenn ich dieser Empfehlung nachkomme und demnächst bei ihm vorstellig werde, um mir genanntes
Medikament verschreiben zu lassen. Noch bin ich
nicht sicher, ob es effektiver wäre, entsprechende
Symptome vorzutäuschen oder ihm geradeheraus
zu sagen, was meine Motivation ist.
Jegliche sich aufdrängende Bedenken gesundheitlicher, moralischer oder anderweitiger Art kann
man getrost beiseitelegen, wenn das Wundermittel
auch noch von einer für die Referandarsausbildung
verantwortlichen Richterin empfohlen wird. Es
handelt sich um Cymbalta, ein laut Packungsbeilage verschreibungspflichtiges Medikament zur Behandlung von depressiven Erkrankungen, generalisierter Angststörung (dauerhaftes Gefühl von
Angst oder Nervosität) und Schmerzen bei diabetischer Neuropathie. Häufige bis sehr häufige
Nebenwirkungen sind:
Referendarin Astrid Bauer, Brandenburg/H.
Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Übelkeit, Mundtrockenheit, Appetitverlust, Schlafstörungen, sich aufgeregt fühlen, vermindertes sexuelles Verlangen,
Angst, Schwierigkeiten oder Unvermögen einen
Orgasmus zu bekommen, ungewöhnliche Träume,
Schwindel, sich antriebslos fühlen, Zittern, Taubheitsgefühl, einschließlich Taubheitsgefühl oder
Kribbeln der Haut, verschwommenes Sehen, Tinnitus, Herzklopfen, erhöhter Blutdruck, Erröten, vermehrtes Gähnen, Verstopfung, Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit (Erbrechen), Sodbrennen oder
Verdauungsstörungen, Blähungen, ein vermehrtes
Schwitzen, (juckender) Ausschlag, Muskelschmerzen, Muskelkrämpfe, Schmerzen beim Harn lassen,
Erektionsstörungen, Störungen beim Samenerguss,
Müdigkeit, Gewichtsabnahme.
Nicht der Rede wert also.
Wie wäre es mit einer Prise Weckaminen? Schon
in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
wusste man um die leistungssteigernde Wirkung
dieser Substanzen. Der Spiegel in der Ausgabe 30/
1966 berichtete, dass laut Ärzte-Magazin Selecta
mit Hilfe von bestimmten Weckaminen „ohne inneren Krampf alle Reserven bis zur totalen Erschöpfung verausgabt werden können."
Oder einfach Speed? Schließlich verhalf das auch
deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg zum erforderlichen Durchhaltevermögen (siehe taz-Artikel
„Wach und heiter und so weiter“ (http://www.taz.de/
!84440/).
Nach den Erklärungen der fachkundigen Richterin
solle man nur rechtzeitig vor dem Examen mit der
Einnahme beginnen, damit man sich mit den
vermehrt zu Beginn auftretenden Nebenwirkungen
wie Übelkeit und Schlaflosigkeit zur Klausurzeit
schon arrangiert habe. Um lästige Prüfungsangst
und Panikattacken müsse man sich dann keine
Sorgen mehr machen.
Sie selbst nehme das Medikament schon seit Jahren und komme damit gut durch den Berufsalltag.
Ihrer Tochter gebe sie es auch regelmäßig vor Prüfungssituationen.
FÜR RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN
FRAGEN SIE BITTE ...
Traubenzucker steht nicht auf der Liste der
unerlaubten Mittel im Prüfungsdoping. Gibt
es eine solche Liste überhaupt? Brauchen
wir vielleicht sogar eine eigene Abteilung in
den Justizprüfungsämtern, um des Medikamentenmissbrauchs Herr zu werden? Denn
was haben Anwälte von einer Generation
„Cymsalin“ (Cymbalta, Speed, Rita- bzw.
Weckamin)? Sie zahlen später nicht mehr
ins Versorgungswerk ein, weil sie alle vorher
berufsunfähig werden, und sie kommen nicht
ohne Medikamente durch stressige Fristabläufe. Da steigt die Fehlerquote. Die Dunkelziffer im Juradoping ist vermutlich ziemlich
hoch, kein Wunder also, wenn die Leistungsfähigkeit im Job dann abfällt und wir uns
über manch junge Kolleginnen und Kollegen
wundern. Definitiv sind die Verlockungen
des Prüfungs- und Juradopings ein Persönlichkeitstest: Wer es auch ohne Doping oder
Medikamente durch sämtliche Juraprüfungen schafft, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit
belastbar und wird auch den unabwendbaren Stress im Job aushalten. Also für alle, die
ohne Doping durchs Examen gekommen
sind: Greift zur Robe und werdet Anwälte,
Ihr schafft das! Für alle anderen: Sucht Euch
einen Verwaltungs- oder Jurajob, bei dem ihr
möglichst unangreifbar seid, z. B. Richter(in).
Wenn Ihr dann noch Ausbilder werdet, verschont aber bitte die angehenden Anwälte
mit Euren Dopinggeschichten.
Astrid Bauer
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Magazin
Diversity Management - Nische oder Trend?
Mit Vielfalt im Wettbewerb bestehen
liche Vielfalt und den Umgang damit in ihre Personalpolitik integriert. Das zeigen zum Beispiel LGBTNetzwerke für schwule, lesbische, bi- und transsexuelle Mitarbeitende, wie es sie mittlerweile in so
manchen Großkanzleien gibt.
Ein Blick auf den demografischen Wandel und die
damit verbundenen gesellschaftlichen Verhältnisse
zeigt, dass sich ein Diversity Management für
Kanzleien auszahlt – alleine schon, um nicht den
Anschluss an die gesellschaftliche Realität zu verlieren: Die Bevölkerung Deutschlands wird älter
und durch die Zuwanderung zunehmend internationaler. So sind die Nachkommen von Einwanderinnen und Einwanderern bereits heute eine bedeutende Gruppe, die weiter wachsen wird. Hinzu
kommen sich ändernde Rollenbilder und ein Wertewandel im Berufsverständnis. Der Anteil der berufstätigen Frauen etwa steigt; gleichzeitig strebt
die Mehrheit der Erwerbstätigen eine ausgeglichene Work-Life-Balance an. Dazu gehört, dass der
Arbeitgeber die Familiensituation berücksichtigt,
etwa, wenn Kinder da sind oder Eltern gepflegt
werden. Und schließlich werden auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften, vielfältige Familienmodelle, unterschiedliche weltanschauliche und
religiöse Vorstellungen oder die Inklusion von Menschen mit Behinderung zunehmend wichtige Faktoren in der Arbeitswelt und im Angebot von Dienstleistungen. Das gilt auch für den Rechtsberatungsmarkt. Anwaltskanzleien müssen sich also sowohl
auf eine diversere Mandantschaft einstellen als
auch auf sich ändernde Ansprüche und Bedürfnisse
der Kanzleimitarbeitenden.
ZUR ZEIT BESCHRÄNKT SICH DIVERSITY
MANAGEMENT AUF FRAUENFÖRDERUNG
Eine Anwältin mit Kopftuch gilt hierzulande noch als Exotin.
Mit Diversity Management befassen sich erst
wenige Anwälte und Anwältinnen. Doch ein
professioneller und wertschätzender Umgang
mit Vielfalt und Unterschiedlichkeiten von
Menschen zahlt sich aus – für Einzelanwälte
und -anwältinnen wie auch für Kanzleien. Denn
die Gesellschaft wird diverser, was sich in der
Mandantschaft und in der Personalstruktur widerspiegelt.
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ADVOICE 04/13
Foto: Andrea Vollmer
PAOLA CAREGA
Eine Anwältin mit Kopftuch, die Kanzleimitarbeiterin mit Gebärdensprachkenntnissen oder ein Kanzleipartner, der in Teilzeit arbeitet: Noch gelten sie
bei uns als Exotinnen und Exoten. Doch auch in
Deutschland ist Diversity kein Nischenthema mehr
– insbesondere international tätige Unternehmen
und Rechtsanwaltskanzleien haben die gesellschaft-
Anders als in den USA haben in Deutschland erst
wenige Kanzleien ein Diversity Management, das
sich zudem häufig beschränkt auf Initiativen zur
Frauenförderung und besseren Vereinbarkeit von
Familie und Beruf. Tatsächlich kann von Geschlechtergerechtigkeit in der Anwaltschaft heute nicht
die Rede sein. So nehmen inzwischen zwar mehr
Frauen als Männer ein Jurastudium auf, und es
werden mehr Anwältinnen zugelassen als Anwälte.
Doch zeigt eine Studie des Soldan-Instituts, dass
Frauen sehr viel seltener Partnerin in einer mittelgroßen Sozietät sind und seltener in großen Kanzleien arbeiten. Zudem sind Rechtsanwältinnen häufiger für ein geringeres Jahreseinkommen tätig,
auch bei gleicher Position und Qualifikation. Ent-
Magazin
sprechend ist knapp die Hälfte der Anwältinnen
mit dem Verhältnis von Arbeitseinsatz und wirtschaftlichem Einkommen unzufrieden. Die Folge:
Nach einigen Jahren verlassen viele gut ausgebildete Juristinnen ihre Kanzlei für eine Stelle im
öffentlichen Dienst, in der Justiz oder in Unternehmen – kurz: Sie gehen dahin, wo Job und Familie
besser unter einen Hut zu bringen sind. Kanzleien,
die attraktiv bleiben wollen für gut ausgebildeten
Nachwuchs und qualifizierte Fachkräfte, kommen
deshalb nicht darum herum, Modelle für eine WorkLife-Balance zu entwickeln.
MANDANTEN FORDERN
DIVERSITY-KENNZAHLEN AN
Auch gesetzliche Vorgaben und die Mandantennachfrage zwingen Kanzleien verstärkt zur Auseinandersetzung mit Diversity. Denn global operierende Unternehmen legen zunehmend Wert auf
ein starkes Diversity-Profil der für sie tätigen
Kanzlei. Ein vielfältiges Anwaltsteam und ein tatsächlich gelebtes Bekenntnis zu Diversity können
neben der fachlichen Kompetenz über den Erfolg
eines Pitches entscheiden. Das Unternehmen General Electric etwa fordert von seinen Kanzleien
Diversity-Kennzahlen an, deren Entwicklung der Konzern beobachtet und bewertet. Auch im Zusammenhang mit sich verändernden Vergaberichtlinien kann
es von Vorteil sein, ein Diversity Management vorweisen zu können, insbesondere wenn es um die
Öffentliche Hand als Mandantin geht. So listet das
Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen
unter den Nachhaltigkeitsaspekten in der öffentlichen Auftragsvergabe im Land auch Aspekte der
Frauenförderung auf.
Doch auch für Einzelanwältinnen und –anwälte ist
Diversity- und interkulturelle Kompetenz eine der
Schlüsselqualifikationen – etwa, um eine barriereund diskriminierungsfreie Rechtsberatung leisten zu
können, oder auch, um sich Mandantenkreise aus
unterschiedlichen ethnischen, kulturellen oder religiös-weltanschaulichen Milieus zu erschließen. So
gibt es mittlerweile Kanzleien, die ihre Website in
Gebärdensprache und Leichte Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten übersetzen lassen. Ein
sensibler und wertschätzender Umgang mit Unterschiedlichkeiten von Menschen ist hilfreich, um das
Vertrauen der Mandantschaft zu gewinnen – spätestens dann, wenn aufgrund unterschiedlicher lebensweltlicher Erfahrungen eine Distanz besteht.
Diversity-Kompetenz hilft nicht zuletzt, Kommunikationsbarrieren abzubauen. So benennt die Schlichtungsstelle der Anwaltschaft Kommunikationsdefizite als Hauptursache für Konflikte zwischen Anwaltschaft und Mandantschaft. Anwältinnen und
Anwälte sowie Kanzleien, die zeigen, dass sie Vielfalt
wertschätzen, haben also eindeutig einen Wettbewerbsvorteil – in der Akquise von Mandaten und
auch im Rennen um top ausgebildeten Nachwuchs.
DIVERSITY –
MEHR ALS FRAUEN UND GENDER
Diversity steht für die Wertschätzung und Förderung der Vielfalt menschlicher Identitäten: Alle
Menschen sollen das Recht und die Möglichkeiten
haben, am gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben teilzuhaben und die Chance
erhalten, ihre Potenziale zu entfalten. Im Fokus
stehen dabei die sogenannten Diversity-„Kerndimensionen“ Geschlecht, ethnische Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Lebensalter, sexuelle Identität und soziale
Herkunft. Auch wenn Diversity und Vielfalt keine
fest besetzten Rechtsbegriffe sind, so ist die Wertschätzung der Vielfalt menschlicher Identitäten vor
allem den Diskriminierungsverboten immanent. Im
deutschen Recht finden sich die wesentlichen Diskriminierungsgründe unter anderem im Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Eine Verbindung
zwischen Diversity und Antidiskriminierung ergibt
sich für Kanzleien aus dem Verbot der Diskriminierung im Beschäftigungsbereich und bei dem
Angebot von Gütern und Dienstleistungen sowie
insbesondere auch über die in §5 des AGG verankerten „positiven Maßnahmen“ (affirmative actions),
mit deren Hilfe die Benachteiligungen von bestimmten Gruppen ausgeglichen werden soll – zum
Beispiel, indem bei einer Stellenbesetzung eine
Bewerberin mit Behinderung gleich qualifizierten
Bewerbern vorgezogen wird.
DIVERSITY CHECK
Welche Rolle spielt Diversity in Ihrem Arbeitsalltag
als Anwalt/ Anwältin? Wird Diversity Management
in Ihrer Kanzlei gelebt? Diese Fragen helfen Ihnen,
sich ein Bild über den Ist-Zustand zu machen.
1. Wie vielfältig ist Ihre Mandantschaft? Wie setzt
sie sich zusammen in Bezug auf Geschlecht, Alter,
kulturelle, ethnische oder nationale Herkunft, Religion / Weltanschauung, Behinderung, sexuelle
Orientierung, Ausbildung, Berufssparten und Familienstand?
Geschlecht, Alter, kulturelle, ethnische oder nationale Herkunft, Religion / Weltanschauung, Behinderung, sexuelle Orientierung und Familienstand?
6. Was für Arbeitszeitmodelle gibt es? Ist Teilzeitarbeit möglich? Gibt es Home Office? Wie wird mit
Elternzeit und Wiedereinstieg umgegangen?
(Dieser Check ist ein Auszug aus der Handreichung
„Diversity Management in der Kanzlei“; die Sie demnächst hier herunterladen können: www.institutfuer-menschenrechte.de/projekt-anwaltschaft-fuer
-menschenrechte-und-vielfalt.html)
FORTBILDUNGEN
ZU DIVERSITY-KOMPETENZ
Das Projekt „Anwaltschaft für Menschenrechte und
Vielfalt“ wurde am Deutschen Institut für Menschenrechte entwickelt und bietet Fortbildungen
zu Diversity und Diversity Management. Auch im
kommenden Jahr finden wieder Seminare statt. So
führt ein eintägiges Basisseminar in die Grundlagen der Diversity- und interkulturellen Kompetenz ein und zeigt Anwältinnen und Anwälten, wie
sie ihre Kommunikation und Verhandlungsführung
sowie die rechtliche Beratungs- und Mediationspraxis um Diversity-Aspekte erweitern können. Eine
weitere Fortbildung zu Diversity Management
richtet sich an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie an Mitarbeitende in Kanzleien, die mit
Diversity-relevanten Fragen betraut sind und die
Kanzlei im Hinblick auf die Umsetzung von Diversity überprüfen und Maßnahmen zur Optimierung
entwickeln wollen. Begleitend zu den Seminaren
werden auch Handreichungen entwickelt, die demnächst auf der Website des Projekts heruntergeladen werden können. Das Projekt wird im Rahmen
des XENOS-Programms „Integration und Vielfalt“
durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert
und stützt sich auf Kooperationspartner wie das
Deutsche Anwaltsinstitut, den Deutschen Anwaltverein und die Bundesrechtsanwaltskammer.
Paola Carega, Berlin
2. Wie verständlich und wie zugänglich ist die
Außendarstellung (Internetauftritt, Flyer, Anzeigen
etc.) der anwaltlichen Dienstleistungen? Erreichen
Sie damit unterschiedliche Mandantengruppen?
3. Gibt es Informationsangebote in anderen Sprachen, in Gebärdensprache oder in Leichter Sprache?
4. Für Einzelanwälte und -anwältinnen: Wie vielfältig ist das Netzwerk an Kollegen / Kolleginnen
und an Experten / Expertinnen, mit denen Sie kooperieren?
INFOS
>
http://www.institut-fuer-menschen
rechte.de/de/projekt-anwaltschaft-fuermenschenrechte-und-vielfalt.html
5. Für Kanzleien: Wie vielfältig sind die Mitarbeitenden der Kanzlei zusammengesetzt in Bezug auf
ADVOICE 04/13
43
Magazin
Wenn Gerichte gewissermaßen über die Geschichte des eigenen Landes entscheiden, haben
sie gute Chancen, in den Fokus der Aufmerksamkeit zu geraten. So avanciert in dieser Ausgabe das Landgericht Dresden zum Gericht des
Monats. Die Angehörigen des Königshaus Sachsen werden sehr genau hinschauen beim gerade begonnenen Erbrechtsstreit vor dem LG
zwischen Rüdiger Prinz von Sachsen gegen Er-
ben der 2002 verstorbenen Prinzessin Virginia.
Letztere war ursprünglich bürgerliche Tänzerin
und später die zweite Ehefrau von Prinz ErnstHeinrich (1896-1971). Wie die größte deutsche
Boulevardzeitung meldete, geht es um einen
Nachlass aus Immobilien, Kunstschätzen und
Barvermögen in Höhe von geschätzten 35 Mio.
Euro, die vom Freistaat Sachsen an das Adelshaus seit 1997 transferiert wurden. pat
Gericht des Monats
Landgericht Dresden
44
ADVOICE 04/13
Foto: Patrick Ruppert
Magazin
ADVOICE 04/13
45
Magazin
Suchspiel Recht!
Finde im originalgetreu dargestellten Tenor ...
Worte und Abkürzungen
aus dem juristischen Sprachgebrauchs
AAG (=Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen
für Entgeltfortzahlung) / AWG (Außenwirtschaftsgesetz) / BGB
(Bürgerliches Gesetzbuch) / BGS (Bundesgrenzschutz) / BFH
(Bundesfinanzhof) / DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft)
/ EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) / ESG (Gesetz über die
Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungsund Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft) /
FAG (Finanzausgleichsgesetz) / FFG (Filmfördergesetz) / FPG
(Fallpauschalengesetz) / GDG (Gesundheitsdienstgesetz) / GFG
(Graduiertenförderungsgesetz) / GG (Grundgesetz) / GJG (Gesetz
über die anerkannten jüdischen Gemeinden) / GKG (Gerichtskostengesetz) / HRG (Hochschulrahmengesetz) / IFG (Informationsfreiheitsgesetz) / KG (Kammergericht) / LAG (Landesarbeitsgericht) / LG (Landgericht) / NOG (Erstes Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der
gesetzlichen Krankenversicherung) / POM (Polizeiobermeister) /
RG (Reichsgericht) / SIG (Signaturgesetz) / SKG (Sicherheitskon-
Weitere Fundstellen an die Redaktion senden, sie werden in der kommenden AdVoice veröffentlicht.
46
ADVOICE 04/13
... zu 1 des Beschlusses des BAG vom 13.3.2013,
Az.: 7 ABR 39/11 folgende Worte und kreise diese ein (horizontal, vertikal, vorwärts, rückwärts,
diagonal) Manche Worte kommen mehrfach vor.
Buchstaben können mehrfach eingekreist werden.
trollgesetz 2013) / SG (Sozialgericht) / TSG (Transsexuellengesetz) / UEAG (ÜAG: Überstellungsausführungsgesetz) / WSG
(Wehrsoldgesetz)
Worte des Allgemeinen Sprachgebrauchs
AAL / ARG / AST / BASS / BAR / CHARGE / DAS / ESSE / GAG /
GEN / IMAM / JET / KAHL / LABIL / LASS / LOS / MAG / MAI /
MAMA / MET / NAP / NET / PIG / PUB / PO / SAG / SIE / SPASS
/ ULM / VON / WIN / WO
zusammengestellt von Tobias Sommer
Magazin
Partnerschaft mit beschränkter Haftung
Herzlichen Glückwunsch zur Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung
Lieber Leser, Sie sind Anwalt? Dann sei Ihnen zur
neuen Möglichkeit, seit dem 19. Juli 2013 eine
Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung
(im folgenden PartGmbB) zu gründen, gratuliert.
Sie müssen sich nicht mehr fragen, wie Ihre
Haftung durch die Tätigkeit in einer englischen
Limited Liability Partnership begrenzt werden
kann und was bei Gründung und Betrieb zu beachten ist, sondern Sie können nun ohne vertiefte Englischkenntnisse ein deutsches Pedant
heranziehen.
Über die deutsche Antwort auf die englische Gesellschaftsform wird täglich neu berichtet. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält für Sie einen Antwortkatalog auf die wichtigsten Fragen zur Gründung
und zur Bedeutung bereit. Auf einige Fragen, z. B.
zur Ausgestaltung des Versicherungsinhalts für die
interprofessionelle PartGmbB, zum Versicherungsschutz bei der Ausübung höchst persönlicher Mandate oder einfach nur zur Ausgestaltung der Versicherungsbestätigung sind noch keine abschließenden Antworten gefunden worden. Es bleibt abzuwarten, wie die notwendige Diskussion in Gang
kommt.
Einstweilen lohnt sich der Blick auf den aktuellen
Diskussionsstand zur Versicherung des Vorwurfs
der wissentlichen Pflichtverletzung. Grundsätzlich
ist im Bereich der verkammerten Berufe der Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer der
bewusste Verstoß gegen Beratungspflichten nicht
versichert. Dies wurde (bis dato) als nicht schutzwürdig angesehen. Die RA-GmbH oder eine RAPartGmbB hat mit Inkrafttreten des Gesetzes zur
Einführung der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und zur Änderung des
Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte,
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die entsprechende Deckung.
Der Verstoß gegen die anwaltlichen Beratungspflichten durch diese Gesellschaften ist nur noch
an dem im VVG enthaltenen allgemeinen Vorsatzausschluss zu messen. Gem. § 103 VVG ist der
Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn
der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat.
Die wissentliche Pflichtverletzung wurde quasi in
letzter Sekunde des Gesetzgebungsverfahrens durch
Streichung des Verweises auf § 51 Abs. 3 Nr. 1 BRAO
abgeschafft mit der Vorstellung, den Verbraucher-
Foto: Andrea Vollmer
ADVOICE 04/13
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Magazin
schutz zu stärken. Für die Tätigkeit eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers hat der Gesetzgeber
den bewährten Ausschlusstatbestand der wissentlichen Pflichtverletzung im Übrigen belassen.
Warum diese Regelung für die Anwaltschaft anders
aussieht, ist nur schwer nachzuvollziehen, zumal die
wissentliche Pflichtverletzung im Bereich Vermögensschaden-Haftpflicht im Vergleich zum Vorsatzausschluss überwiegend als das sachgerechte Ausschlusselement angesehen wird. Dies sei an einem
typischen anwaltlichen Haftungsszenario wie der
Aufnahme einer unwirksamen Klausel in einen Vertrag verdeutlicht. Anders als beim Personen- oder
Sachschadenrisiko ist im Zeitpunkt der Aufnahme
der Klausel in den Vertrag oder der Unterschrift unter
denselben noch nicht erkennbar, ob ein Schaden
eintreten wird. Der Schadeneintritt kann sich nach
vielen Jahren realisieren, wenn z. B. durch Erbfall
eine andere Person Partei des Vertrages wird. Ein
Schaden kann aber auch gar nicht eintreten, wenn
z. B. die Klausel in der Praxis keine Relevanz erfährt.
Den Maßstab eines sorgfältig handelnden Rechtsanwalts im Beispiel an den im VVG enthaltenen Vorsatzausschluss zu messen, dürfte mangels Vorliegen
eines Schadens scheitern.
Diese Problemlage hat der Gesetzgeber früh erkannt
und für eine sachgerechte Interessenabwägung zwi-
schen Versicherer und Anwalt gesorgt, indem der
Maßstab allein auf die Pflichtverletzung des Anwalts
abstellt. Die anwaltliche Pflicht muss wissentlich mit
Dolus directus verletzt worden sein, was vorliegt,
wenn die in Rede stehende versicherte Person positive Kenntnis von der Pflichtverletzung hat und sich
bewusst ist, pflichtwidrig gehandelt zu haben.
Der Vorsatzausschluss benötigt zusätzlich neben
der Pflichtverletzung auch ein Wissen und Wollen in
Bezug auf die Herbeiführung des schädigenden Erfolgs. Für beide Voraussetzungen, also Pflichtverletzung und kausaler Schaden, ist Dolus eventualis
ausreichend.
Im Bild der mathematischen Mengenlehre gesprochen, ist die wissentliche Pflichtverletzung zum
Vorsatzausschluss nicht der kleinere Ausschnitt.
Beide überschneiden sich lediglich in großen Teilen.
Das Vorliegen der wissentlichen Pflichtverletzung
ist durch den Dolus directus an engere Voraussetzungen geknüpft als bei der Vorsatztat. Hier reicht
für die Annahme der Pflichtverletzung – wie bereits gesagt – Dolus eventualis, der sich dann aber
auch auf den Schaden beziehen muss.
Versicherungsschutz für bewusst begangene Fehler?
In der Anwaltschaft mehren sich die Stimmen, die
gerade nicht im Rahmen der Versichertengemeinschaft für solche Fehler ihrer Kollegen geradestehen
Die deutsche Antwort auf die englische Gesellschaftform: PartGmbB.
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ADVOICE 04/13
wollen. Bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern
wurde auf eine Stärkung des Verbraucherschutzes
verzichtet. Möglicherweise beruht dies auf der Erfahrung, dass die seit Langem erlaubte Berufsausübung dieser Berufsgruppen in einer GmbH kein
zusätzliches Risiko für den Mandanten darstellt.
Es ist wohl nicht davon auszugehen, dass der Rechtsanwalt im Vergleich zum Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer der schlechtere Berater ist, sodass
sein Mandant hier des zusätzlichen Schutzes bedarf.
Die Diskussion ist in diesem Punkt in vollem Gange.
Abzuwarten bleibt, ob mit der Mitversicherung der
wissentlichen Pflichtverletzung ein Paradigmenwechsel stattfindet, oder ob nicht doch das langjährig bewährte Deckungskonzept, zu der es eine gefestigte Rechtsprechung gibt, wieder bevorzugt wird.
Steffen Eube, HDI Versicherung AG
> www.hdi.de
Foto: Rainer Sturm_pixelio.de
Magazin
NEWS
zusammengestellt von RA Patrick Ruppert, Köln
Vorsicht bei Empfehlungen
Ein 51-jähriger Rechtsanwalt aus Oldenburg hatte
letztlich Glück bei der Empfehlung eines Bilanzbuchhalters. Das Amtsgericht hatte ihm noch Beihilfe zum Titelmissbrauch vorgeworfen und ihn zu
einer Geldstrafe verurteilt. Der Rechtsanwalt, so
war das Amtsgericht überzeugt, hätte einen Bilanzbuchhalter bei einem Unternehmen als „Steuerberater“ empfohlen. Dieser Vorwurf ließ sich jedoch
in der Berufungsinstanz nicht halten. Das Landgericht hob die Entscheidung auf und sprach den
Rechtsanwalt frei. Der, so sah es das Landgericht,
hatte glaubhaft vorgetragen, den Bilanzbuchhalter
als jemand empfohlen hätte, der in steuerlichen
Fragen helfen könne. Die Bezeichnung Steuerberater sei niemals verwendet worden. Bereits zuvor
war das Verfahren gegen den Buchhalter eingestellt worden. Schon allein deshalb, also wegen
mangelnder Haupttat, musste der Freispruch der
vorgehaltenen Beihilfe erfolgen.
Elf Millionen zu viel
Ein Insolvenzverfahren sorgt gegenwärtig für Furore.
In der Abwicklung einer Baufirma aus Wiesmoor im
Kreis Aurich wurde dem eingesetzten vorläufigen
Insolvenzverwalter eine Vergütung von 14,5 Millionen Euro genehmigt. 11 Millionen Euro zu viel,
wie das Landgericht Aurich in einer aktuellen Entscheidung feststellte. Es änderte somit die Betragshöhe ab, die zuvor der zuständige Rechtspfleger
am Amtsgericht festgesetzt hatte. Erhebliche Aufregung rief auch die Vergütung des Gläubigerausschusses hervor. 400.000 Euro pro Person waren
ursprünglich genehmigt worden. Letztlich reduzierte das Landgericht diese Betragshöhe auf Summen
zwischen 1.000 und 4.600 Euro. Inzwischen, so
Presseinformationen, laufen strafrechtliche Ermittlungen gegen den Insolvenzverwalter wegen des
Verdachts der Untreue.
Mit „Montezumas Rache“ entschuldigt
Rechtsanwälte müssen üblicherweise Vorkehrungen
im Büroalltag treffen, wenn sie krankheitsbedingt
ausfallen und das Ausbleiben von vornherein absehbar ist. Denkbar ist das bei längerfristig anstehenden Operationsterminen oder solchen Krankheitsverläufen, die eine persönliche Organisation
vor dem Ausfall ermöglichen. Plötzlich auftretende
Beschwerden können aber ein Entschuldigungs-
grund dann jedenfalls sein, wenn sie völlig unvorhersehbar sind. So sah es auch der Bundesgerichtshof und gab einem Rechtsanwalt Recht, der als
Einzelanwalt in einer Bürogemeinschaft tätig ist
und wegen eines plötzlich aufgetretenen fiebrigen
Magen-Darm-Infekts eine Beschwerdeschrift nicht
persönlich abschicken konnte. Zwar hatte der erkrankte Rechtsanwalt seine Ehefrau mit dem Versand beauftragt, doch die hatte die ihr erteilte Anweisung nicht fehlerfrei zur Fristwahrung umgesetzt.
Dieser Fehler, so der BGH, war entschuldbar und
führte nach § 233 ZPO zur Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand (BGH, Beschluss vom 7.8.2013,
Az. XII ZB 533/10).
Die Wahl des sichersten Weges
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung
vom 13.6.2013, Az. IX ZR 155/11 erneut unterstrichen, dass zu den anwaltlichen Pflichten gehört,
„sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen, den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären
und durch Beschreiten des sichersten Weges einen
Schaden des Mandanten zu verhüten“. Ein Rechtsanwalt hatte in einem Verkehrsunfallprozess die
psychische Vorerkrankung seines Mandanten nicht
ordnungsgemäß aufgeklärt und zeitnah in den
Prozess eingebracht – erster Vortrag am Prozesstag. Verspätet und nicht substantiiert befanden die
Richter der ersten und zweiten Instanz. Im Regressverfahren sah es der BGH als erwiesen an, dass
hierin ein Haftungsfall begründet liege.
(siehe § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO). Für die Entscheidung
spricht indes, dass die Akteneinsicht einem Rechtsanwalt dann zu verweigern ist, wenn „wichtige
Gründe entgegenstehen“ (s. § 147 Abs. 4 StPO).
Hier könnte die Verschwiegenheitspflicht entgegenstehen, an der es außerhalb ordnungsgemäß
geführter Kanzleiräume mangeln dürfte.
Keine Vergütung bei fehlendem Hinweis
Kommen scheidungswillige Eheleute zu einem Rechtsanwalt, um sich gemeinsam von diesem beraten zu
lassen, muss der Rechtsanwalt vor der Beratung
deutlich auf die gebühren- und vertretungsrechtlichen Folgen einer gemeinsamen Beratung hinweisen. Wenn beide Eheleute bei Aufkommen eines
Interessenkonflikts den Rechtsanwalt verlassen und
jeder für sich neue, getrennte anwaltliche Beratung
in Anspruch nimmt, verliert der ursprünglich gemeinsam beratende Rechtsanwalt seinen Honoraranspruch. Der BGH sah in der Gebührenforderung
einen Schadensersatzanspruch aus §§ 311 Abs. 2,
280 Abs. 1 BGB. (BGH, Urteil vom 19.9.2013, Az. IX
ZR 322/12)
Psychiatrie wird Kanzlei?
Dürfen Rechtsanwälte, die in eine geschlossene
psychiatrische Klinik eingewiesen wurden, dort Mandantenakquise betreiben und anwaltliche Dienstleistungen Mitpatienten anbieten? Diese pikante
Frage muss gegenwärtig die Münchner Rechtsanwaltskammer beantworten, da ein Rechtsanwalt
aus Pasing als Patient der Psychiatrie des Haarer
Isar-Amper-Klinikums munter auf Klientenfang
ging. Als er auf einem eigens entworfenen Briefbogen für Patienten Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragte, weigerte diese sich, Akten
in die geschlossene Einrichtung zu schicken. Ob die
Weigerung der Staatsanwaltschaft zulässig ist, wird
kontrovers bewertet. Gegen die Entscheidung spricht,
dass der Rechtsanwalt weiterhin seine Anwaltszulassung besitzt und diese nicht wegen vorübergehender Erkrankung widerrufen werden kann

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ADVOICE 04/13
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ADVOICE 04/13
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Euer FORUM
Start in den Anwaltsberuf
Zu den Themen gehörten Pressearbeit, Berufsrecht, Marketing
Freitagmorgen, es ist trüb und es regnet. Aber
das kann eine Gruppe von insgesamt 146 ReferendarInnen und jungen AnwältInnen nicht davon abhalten, sich am 1.11.2013 im zentral gelegenen Göttingen in einem Hotel einzufinden,
in welchem schon Thomas Gottschalk und viele
andere Showgrößen nächtigten. Doch steht an
diesem Wochenende nicht das Übernachten, sondern das durch den DAA und das FORUM Junge
Anwaltschaft ins Leben gerufene 2-tägige Seminar „Start in den Anwaltsberuf“ im Vordergrund.
Nachdem der Vorsitzende des DAA, Jürgen Widder,
die Veranstaltung eröffnet und ein paar Grußworte
an die Teilnehmerschaft gerichtet hatte, berichteten zwei junge Kollegen über ihre erfolgreichen
Starts in den Anwaltsberuf. Dank der Deutschen
Bahn, die mir eine Verspätung von über einer Stunde
bescherte, war es mir leider nicht vergönnt, diesen
Ausführungen zu lauschen. Für mich begann das
Seminar mit der ersten Pause und einer Cola. In
einem angenehmen Ambiente versammelten sich
die Teilnehmer mit einer Tasse Kaffee oder Tee und
teils noch mit einem Sandwich in der Hand um die
Stehtische, um, so wie ich, die Kollegen kennenzulernen und mit ihnen in Austausch zu treten.
Vor allem in den Pausen habe ich angeregte Gespräche geführt, sowohl mit Kollegen, die ebenfalls
den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben
oder mit diesem Gedanken liebäugeln, als auch mit
angestellten Anwälten, die über ihre Erfahrungen
berichteten. Auch habe ich mich mit kurz vor dem
2. Staatsexamen stehenden Kollegen unterhalten,
die sich durch das Seminar eine Inspiration für den
weiteren beruflichen Werdegang versprachen. Besonders bemerkenswert fand ich die Entspanntheit
eines Kollegen, der in der darauffolgenden Woche
seine mündliche Prüfung zum 2. Staatsexamen zu
bestreiten hatte.
KONVENTIONELLE PRESSEARBEIT
UND SOZIALE NETZWERKE
Nachdem die Pause durch ein Glockenläuten beendet wurde, startete der erste Fachvortrag „Der
Anwalt und die Medien“, der sich mit der Thematik
der Öffentlichkeitsarbeit eines Anwalts beschäftigte und von Herrn Swen Walentowski, Rechtsanwalt und Pressesprecher des DAV, und Herrn Micha
Guttmann, Journalist und Rechtsanwalt, gehalten
wurde. In einem heiteren Zwiegespräch stellten die
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ADVOICE 04/13
Referenten Strategien für eine erfolgreiche Pressearbeit vor. Sie prangerten an, dass der Jurist, warum auch immer, zu ewig langen Schachtelsätzen
neigt und es lieben würde, einen Nebensatz nach
dem anderen zu bilden, obgleich dies bei Presseberichten äußerst schädlich sei. Ihr Credo: Lieber
kurze Sätze bilden und knappe einprägsame Botschaften verwenden! Gepaart mit einigen Reizbegriffen wie „Ebay“, „Hartz IV“ oder Namen prominenter Persönlichkeiten stünde danach einer
erfolgreichen Pressearbeit nichts mehr im Wege. Die
Vortragenden ermutigten zu selbstbewusster Pressearbeit, bei der man auch keine Scheu davor haben
sollte, seinen Namen als Autor eines eigenen Zitates zu nennen. Das Thema „Pressearbeit über die modernen Medien und sozialen Netzwerke“ entfachte
eine hitzige Diskussion über das Für und das Wider.
Letztendlich kamen alle überein, dass diese Form
der Pressearbeit typabhängig ist, jedoch nichts
abschreckender auf einen potentiellen Mandanten
wirkt als eine veraltete Internetseite.
Im Anschluss an das schmackhafte Mittagsbuffet
vermittelte Frau Dr. Herzberg, eine Mitarbeiterin der
krankheitsbedingt abwesenden Referentin, Grundwissen über den anwaltlichen Arbeitsvertrag, das
Versorgungswerk und das Problem der Scheinselbstständigkeit. Sie wies auf einige Klippen im Arbeitsvertrag hin, räumte jedoch auch ein, dass dem jungen
Anwalt naturgemäß kaum ein Verhandlungsspielraum verbleibt. Sie forderte alle Junganwälte auf,
sich die Zeit zu nehmen und beispielsweise an einem
verregneten Herbsttag anhand der Satzung des eigenen Versorgungswerkes zu prüfen, ob der Abschluss einer privaten Zusatzversicherung sinnvoll
erscheint.
WER HAFTET FÜR WEN UND WIE
SIEHT’S AUS MIT MEINEM HONORAR?
Über die vermutlich spannendsten Themen des Tages,
das Honorar und die Haftung, berichtete Edith Kindermann, Rechtsanwältin und Notarin. Mit Witz und
Charme überzeugte sie sowohl fachlich als auch
rhetorisch und zog die gesamte Hörerschaft mit
ihrem anekdotenreichen Vortrag in ihren Bann. Gleich
am Anfang machte sie auf die feinen, aber mitunter entscheidenden Details der Vermögenshaftpflichtversicherung in den Versicherungsbedingungen aufmerksam und wies darauf hin, dass gerade
in einer GbR-Kanzlei Versicherungskonzept und Deckungskonzept nicht immer übereinstimmen, was
im Falle einer Haftung zu weitreichende Konsequen-
zen führen kann. Insoweit mahnte sie zur Vorsicht
bei einem anwaltlichen Zusammenschluss in Form
einer GbR. Für eine solche sollte man sich nur dann
entscheiden, wenn man zu seinen künftigen GbRKollegen uneingeschränktes Vertrauen hat. Die Vortragende warnte zudem eindringlich vor einer zu
engagierten Herangehensweise an ein neues Mandat.
Wichtig sei, gleich zu Beginn mit dem Mandanten
den Umfang des Mandats, d. h. die genauen Tätigkeitsbereiche, abzustecken und ihm eine klare Vorstellung über den finanziellen Aufwand zu geben.
Ganz plastisch verdeutlichte die Referentin die
Notwendigkeit einer angemessenen Anwaltsvergütung, indem sie unter anderem die simple Frage
stellte, warum sich ein Anwalt wohl mit einem
fremden Problem beschäftigten sollte, wenn er
dafür keine Gegenleistung erhält? Richtig, es gibt
keinen anderen Grund! So ist es denn auch ratsam,
sich als AnwältIn stets vor dem ersten Mandantengespräch zu überlegen, wie hoch „mein Preis“ ist.
Am Ende appellierte Frau Kindermann an alle: „Tun
Sie mir bitte einen Gefallen, legen Sie niemals Ihren
gesunden Menschenverstand ab.“
FACHLICHE WORKSHOPS
UND ABENDLICHER AUSKLANG
Der Abend wurde nach einer kurzen Durchschnaufpause durch drei parallel stattfindende Themenworkshops abgerundet. Hierbei konnte der ambitionierte Jungjurist zwischen Sozialrecht, Strafrecht
und Verkehrsrecht wählen. Ich wählte das Verkehrsrecht, eine Entscheidung, die ich nicht bereut
habe. Der Vortragende, Herr Rechtsanwalt Siegert,
gab einen kurzen Überblick über die Materie und
stellte verschiedene Einzelbereiche genauer vor.
Leider konnte aufgrund des Zeitlimits nur ein kleiner Teil der anwaltlichen Tricks und Kniffen diskutiert werden.
Nachdem der fachliche Teil bewältigt war, fand sich
ein Großteil der Teilnehmer und Referenten um
19.30 Uhr zum gemeinsamen Abendessen in der
Hotellobby ein. Es wurde über das Tagesgeschehen
geplaudert und in gemütlicher Runde wurden neue
Kontakte geknüpft.
Obwohl sich der DJ auch zu fortgeschrittener Stunde alle Mühe gab und seine gesamten Partykracher
von „Shakira“ über die „Black eyed peas“ bis hin zu
David Hasselhoff’s „I’ve been looking for freedom“
abspielte, konnte er nur eine kleine Gruppe
tanzwütiger Kollegen auf die Tanzfläche bewegen.
Euer FORUM
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BERUFSRECHT, MARKETING UND
MANDATSBEARBEITUNG FÜR ANFÄNGER
Der nächste Tag startete pünktlich um 9 Uhr mit
dem Vortrag zum anwaltlichen Berufsrecht des
Rechtsanwalts Michael Kleine-Cosack, der durch
seine langjährige Erfahrung zweifelsohne eine
Koryphäe auf diesem Gebiet ist. Mit viel Enthusiasmus erklärte er die Standesregeln des Anwalts
und verdeutlichte die Wichtigkeit von deren Einhaltung. Er begann seinen Vortrag mit den Strafrechtsnormen, die jeder Anwalt kennen sollte: § 356 StGB
Parteiverrat, § 263 StGB Betrug, § 266 StGB Untreue und – den gern übersehenen – § 203 StGB,
Verletzung eines Privatgeheimnisses. Sodann ging
der Referent auf die anwaltlichen Hauptpflichten
nach der BRAO und der BORA ein und verdeutlichte, dass mitunter nur ein schmaler Grad zwischen „richtig“ und „falsch“ im Sinne einer standesrechtlichen Norm liegt und es stets auf eine
exakte Einzelfallprüfung ankommt. Der Vortrag
endete mit Ausführungen zu den Möglichkeiten
von Anwaltswerbung und machte deutlich, dass in
Zweifelsfragen – gerade vor dem Hintergrund der
europarechtlich garantierten Grundfreiheiten –
zugunsten der Freiheit des Berufes entschieden
werden sollte.
Mit der dritten Tasse Tee in der Hand lauschte ich
den Ausführungen von Rechtsanwalt Tim Günter,
der ein kleines Medley an Informationen über die
Mandatsbearbeitung vom ersten Anruf bis hin zur
Zwangsvollstreckung zum Besten gab. Dabei referierte er unter anderem auch über den Nutzen
eines Mandantenanamnesebogens und eines gut
funktionierenden Sekretariats. Auch erinnerte er an
die sorgfältige Eintragung und Überwachung von
Fristen, um einer „lästigen“ und meist schwer zu
erlangenden Wiedereinsetzung in den vorherigen
Stand oder gar einer Anwaltshaftung vorzubeugen.
Nicht zuletzt schärfte er den Zuhörern ein, die Anwaltsrechnungen sorgfältig zu erstellen, um zu vermeiden, dass Gebühren „durch die Lappen“ gehen.
Der letzte Fachvortrag des Seminars wurde von
Wolfgang Schwackenberg, Rechtsanwalt und Notar,
gehalten. Er beschäftigte sich mit Kanzleimarketing
und Gründungsstrategien und machte deutlich,
dass am Anfang einer Kanzleigründung ein durchdachtes und strukturiertes Konzept stehen muss,
das sämtliche maßgebenden Faktoren, z. B. den
Standort, die Zielgruppe und die Finanzierung
beinhaltet.
»… ein Volltreffer.«
RA Dr. Egon Schneider zur 4. Aufl., in: Anwaltgebühren Spezial 8/2010
Beck‘sches Mandatshandbuch
Zivilrechtliche Berufung
#WȩCIG:.++5GKVGP
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ISBN 978-3-406-64308-8
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Erfolgreich in der Berufung
Für den schnellen Zugriff
Das bewährte Werk bietet dem
Rechtsanwalt das nötige juristische
und faktische Handwerkszeug
für die Berufung in Zivilsachen.
Neben Vorbereitung, Einlegung und
Begründung der Berufung sind auch
die Verteidigung des Berufungsbeklagten, die Berufungsverhandlung
und weitere wichtige Einzelheiten
behandelt. Zahlreiche Muster, Formulierungsvorschläge und Tipps
ergänzen die Darstellung.
Enthalten sind ABC-Stichwortreihen und Rechtsprechungsübersichten, ausgewählte Zitate aus der
(insbesondere auch unveröffentlichten) Rechtsprechung sowie ein auf
Vollständigkeit angelegter Belegapparat, der die eigenverantwortliche, differenzierte Argumentation
gegenüber Gericht und Gegner
ermöglicht.
Auf meiner Rückreise nach der Veranstaltung hat
mich die Bahn zum Glück nicht im Stich gelassen.
Mein Fazit: Insgesamt eine sehr gelungene Veranstaltung, die ich jedem Berufsanfänger wärmstens
empfehlen kann.
Erhältlich im Buchhandel oder bei: beck-shop.de | Verlag C.H.BECK oHG ·
80791 München | [email protected] | Preise inkl. MwSt. | 161509
RAin Frauke Zylka, Weimar
ADVOICE 04/13
53
FORUM
Junge
Anwaltschaft
im DAV
Das FORUM ist:
Die Stimme der jungen Anwälte.
Eine der größten Arbeitsgemeinschaften
innerhalb des Deutschen Anwaltvereins
(DAV).
Das FORUM bietet:
Fortbildungen. Netzwerke.
Lobby. Starthilfe.
Antworten und Hilfe
für den Berufsstart und die ersten
Berufsjahre.
Eine Mitgliedschaft zahlt sich aus:
Vorteile für alle Anwälte, Assessoren
und Referendare bis 40 Jahre
(Diese Vorteile bietet nur das FORUM
Junge Anwaltschaft.)
kostenlos
· Anwaltsmagazin AdVoice
mit Schwerpunktthemen und
Erfahrungsberichten
· Unterhaltsames und Wissenswertes
aus der Anwaltschaft, Mitgliederinformationen und natürlich viel Service:
Checklisten, Fachanwaltssteckbriefe,
Steuerinfos, Tipps zur Haftungsvermeidung u. v. m.
· Teilnahme an der Mailingliste,
fachliche Unterstützung durch Kollegen,
Antworten auf fast jede Frage des
Anwaltsalltags, Terminvertretungen,
Fällen von Kollegen
international
· Länderbeauftragte als Ansprechpartner
bei grenzüberschreitenden
Rechtsproblemen
· Kontakte zu internationalen
Organisationen junger Anwälte und
Mitgliedschaft in der European Young
Lawyers Bar Association
günstige Konditionen
· Berufshaftpflichtversicherung,
mit HDI-Gerling besteht ein Abkommen
mit hohem Sparpotenzial exklusiv für
FORUMsmitglieder
· Beck Online
· Marktplatz Recht
· Soldan
· Deutscher Anwaltstag
· Deutscher Anwaltverlag
Fortbildung
· eigene Seminare und günstigere
Konditionen bei anderen Anbietern,
z. B. Mitglieder-Rabatt teilweise bis
zu 50 Prozent bei der Deutschen
AnwaltAkademie
vergünstigte Teilnahme
· an Veranstaltungen, z. B. beim
Deutschen Anwaltstag und
Anwaltstagen der Landesverbände
Netzwerk und Erfahrungsaustausch
· regelmäßige Stammtische in
vielen LG-Bezirken
· Regionalbeauftragte als Ansprechpartner, die Euch gern vor Ort
weiterhelfen
Vertretung der Interessen
· der jungen Anwaltschaft in der
Berufspolitik und der anwaltlichen
Selbstverwaltung
VORTEILE
für alle, die (noch) nicht im DAV sind
kostenlos
· 11x jährlich das Anwaltsblatt
günstige Konditionen des DAV
(http://anwaltverein.de/leistungen/rabatte)
·
·
·
·
·
Auto & Verkehr
Hotels
Fortbildung/Webdienste
Kommunikation
Versicherungen
Rahmenabkommen
· für kostenlose Kreditkarten
NJW-Abo-Ermäßigung
· um 22 Euro jährlich (Referendare
erhalten vom Verlag weitere Rabatte)
VORAUSSETZUNGEN
für eine Mitgliedschaft
· Anwältin/Anwalt unter 40 Jahren,
Referendare und Assessoren
· Jährlicher Mitgliedsbeitrag 50 Euro,
Ermäßigungen auf 25 Euro:
1. bei Eintritt ab Juli eines Jahres
2. für Mitglieder eines dem DAV
angeschlossenen Anwaltvereins
Beitritt online: www.davforum.de/anmeldung
Euer FORUM
Termine
2014
6.–8. Februar 2014 / Stuttgart
6.–8. März 2014 / Hannover
25.–28. Juni 2014 / Stuttgart
Erster Deutscher Akquise-Lernkongress
„Chefsache Mandantenakquisition“
„2. Einführungsseminar Familienrecht“
Das 3-tägige Seminar, veranstaltet von
der ARGE Familienrecht, mit insgesamt
18 Unterrichtsstunden, wird Einsteigern
in das Familienrecht grundlegende
Kenntnisse vermitteln und sie in die Lage
versetzen, familienrechtliche Mandate
gerichtlich und außergerichtlich erfolgreich zu führen.
65. Deutscher Anwaltstag
Anmeldung unter:
[email protected] oder 0228 391 797 0
Die Termine der Stammtische in den
jeweiligen Landgerichtsbezirken findet ihr
unter www.davforum/de.
Anmeldung unter:
www.busmann-training.de
21./22. Februar 2014 /
Timmendorfer Strand, Maritim Seehotel
„Forum – Start in den Anwaltsberuf“
für Junganwälte, Assessoren
und Referendare
26. September 2014 / Frankfurt/M.
Jahrestagung FORUM Junge Anwaltschaft
Regional-Stammtische
Anmeldung unter:
Deutsche Anwaltakademie
Frau Sendatzki
Littenstrasse 11, 10179 Berlin
Tel: 030 726153-182
[email protected]
Regionalbeauftragte gesucht!
Regionalbeauftragte gesucht! An alle FORUMs-Kolleginnen und -Kollegen in den LG-Bezirken
Amberg, Baden-Baden, Bückeburg,
Coburg, Landshut, Rottweil, Schwerin, Stendal,
Waldshut-Tiengen, Weiden, Zwickau.
In diesen Bezirken ist die interessante Position des Regionalbeauftragten nicht oder nur kommissarisch besetzt. Als engagierte FORUMs-Mitglieder könnt Ihr
diese Lücken schließen. Der Regionalbeauftragte ist der Ansprechpartner des FORUM Junge Anwaltschaft vor Ort und organisiert in erster Linie den monatlichen Stammtisch zur Vernetzung der Mitglieder im eigenen Landgerichtsbezirk. Als RB bist Du auch die Schnittstelle zwischen dem Geschäftsführenden
Ausschuss und den Mitgliedern vor Ort und stehst in Kontakt mit den anderen RBs im Bundesgebiet.
Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder, und der Regionalbeauftragte ist ein wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht Spaß und
bringt jede Menge Kontakte mit sich.
Eine Übersicht aller Regionalbeauftragten findet Ihr im Internet unter:
> www.davforum.de/469/
ADVOICE 04/13
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Bücher-FORUM
Kommunalrecht
Datenschutzrecht in Bund und Ländern
Schutz bei Gewalt und Nachstellung
Klaus Lange,
1. Aufl. 2013, 1.347 S., 169,00 EUR,
Verlag Mohr Siebeck
Wolff/Brink (Hrsg.),
1. Aufl. 2013, 1.336 S., 149,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Cirullies/Cirullies,
1. Aufl. 2013, 321 S., 49,00 EUR,
Gieseking Verlag
Der Titel ist Programm: Kommunalrecht hat nicht weniger als das
Kommunalrecht aller Bundesländer (mit Ausnahme der Stadtstaaten) zum Gegenstand. Die Spannweite reicht von der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie über die innere Organisation der
Gemeinden, die kommunalen Aufgabenarten, Satzungen, öffentliche Einrichtungen, das kommunale Wirtschaftsrecht und kommunale Finanzen bis zur Kommunalaufsicht und besondere
Rechtsfragen der Kreise und der interkommunalen Zusammenarbeit. Die einzelnen Kapitel sind jeweils in mehrere gut überschaubare Unterabschnitte gegliedert. So umfasst z. B. das Kapitel
zur inneren Organisation der Gemeinden Unterabschnitte zur
Rechtsstellung der Ratsmitglieder, dem Verfahren des Gemeinderats, seiner Ausschüsse und Fraktionen, den Kompetenzen des
Bürgermeisters und der Mitwirkung der Bürger.
Zu den Neuveröffentlichungen von Kommentaren zum Datenschutzrecht reiht sich die gedruckte Form dieses BDSG-Kommentars aus dem Hause C.H. Beck ein, dessen Umfang zwischen dem
Kurzkommentar von Gola/Schomerus und dem umfangreichen
von Simitis liegt. Dabei handelt es sich um den seit Längerem bei
Beck Online vorliegenden Online-Kommentar BDSG, der durch
diese gedruckte Fassung ergänzt wird – ein zukunftsträchtiges
Konzept. Das Besondere bei diesem Kommentar ist weiterhin, dass
dem Hauptteil in Form der BDSG-Kommentierung ein umfangreicher „Allgemeiner Teil“ vorausgeht, der nicht nur allgemeine
und europarechtliche Grundlagen behandelt, sondern auch
Spezialmaterien wie Behörden- und Sozialdatenschutz.
Häusliche Gewalt und Stalking und der Umgang der Rechtsberufe
damit stellen die zentralen Themen des 38. FamRZ-Buches Schutz
bei Gewalt und Nachstellung dar. Ein Familienrichter und eine
leitende Oberstaatsanwältin erläutern auf über 300 Seiten den
Umgang mit den alltäglichen Problemen von Familien aller
Couleur, wo regelmäßig Streitigkeiten mit Gewalt einhergehen.
Der Autor, Dipl.-Volkswirt und emeritierter Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Justus-Liebig-Universität
Gießen, zeigt in jedem Kapitel die jeweils länderübergreifend
geltenden Grundsätze (z. B. zur Rechtsstellung der Gemeindevertreter) auf, weist aber auch auf hiervon abweichende Besonderheiten in einzelnen Bundesländern hin. Verweise auf weiterführende Literatur finden sich ebenso wie aktuelle Rechtsprechung.
Besonders hilfreich ist, dass jeweils sämtliche landesrechtlichen
Normen „an Ort und Stelle“ als Fußnoten aufgeführt werden, sodass man sofort einen Überblick darüber hat, wo man gegebenenfalls „weitergraben“ muss. Mehr als diesen ersten Überblick
kann (und will) das Buch trotz seiner mehr als 1.000 Seiten aber
nicht leisten.
Obwohl im Kommunalrecht noch stärker als in anderen Rechtsgebieten gilt, dass in einem Bundesland nicht oder unklar geregelte Rechtsfragen häufig durch einen Vergleich mit Regelungen
in anderen Bundesländern bzw. der hierzu vorhandenen Rechtsprechung und Literatur geklärt werden können, musste man eine
länderübergreifende, nicht nur an Studenten gerichtete Zusammenfassung, wie sie mit Kommunalrecht nun vorliegt, bislang
vergebens suchen. Wer seine Kenntnisse zur wirtschaftlichen
Betätigung von Gemeinden auffrischen möchte, wird hier ebenso
fündig wie derjenige, der häufig länderübergreifend in kommunalrechtlichen Fragen berät und einen schnellen Zugriff auf
alle landesrechtlichen Regelungen benötigt.
Fazit: Um sich ohne langes Recherchieren einen ersten Überblick zu den wesentlichen, praxisrelevanten Themenkomplexen zu verschaffen, dürfte Langes Kommunalrecht derzeit
nahezu alternativlos sein.
Auch wenn die Herausgeber betonen, dass die Auswahl der Autoren alle juristischen Bereiche abdecke, fällt auf, dass die Mehrzahl
der Autoren als Professoren oder bei den Aufsichtsbehörden tätig
ist. Das Ziel, „wissenschaftliche Pluralität“ zu gewährleisten, wird
durchaus gewahrt, jedoch fällt bei den Kommentierungen auf, dass
oft nicht überzeugende, restriktive Ansichten gewählt werden
oder vom Behördenwesen ausgegangen wird. So ist z. B. unklar,
weshalb bei der Kommentierung zu Konzernen als verantwortliche Stelle auch Behörden besprochen werden oder warum abweichend von der h. M. auch unselbständige Niederlassungen
teils als verantwortliche Stellen angesehen werden.
Praxisnah und ausführlich wird z. B. die restriktive Zulässigkeit
einer öffentlichen Videoüberwachung aufgezeigt. Die Datenübermittlung ins Ausland und die Auftragsdatenverarbeitung
werden übersichtlich dargestellt, jedoch wird bei der Abgrenzung
zur „Funktionsübertragung“ versäumt, auf die überzeugendere
Vertragstheorie einzugehen.
Bei den Grundlagen zum bereichsspezifischen Datenschutz wird
kompakt und übersichtlich die Rechtslage bei freien Berufen,
insbesondere Anwälten, dargestellt. Gut gelungen ist die Darlegung der Subsidiarität des BDSG zur ihm vorgehenden Verschwiegenheitspflicht und dass der Einsatz externer ITDienstleister derzeit eigentlich nicht möglich ist. Deutlich zu
knapp gerät hingegen der Teil zu TMG und TKG, in dem zwar
überzeugend die Grundlagen in Presserecht und Meinungsfreiheit
veranschaulicht werden, jedoch kaum Platz für die eigentliche
Kommentierung bleibt.
Fazit: Der Beck’sche Kommentar Datenschutzrecht in Bund
und Ländern überzeugt durch eine klare Darstellung des
Datenschutzrechts. Er ist insbesondere für die Beratung in
der öffentlichen Verwaltung zu empfehlen.
In der umfassenden Darstellung werden auch Fragen des
Vollstreckungs- und Kostenrechts, die in der Eile des Verfahrens
durchaus auch einmal vergessen werden können, ausführlich
abgehandelt, so dass das Buch als Leitfaden in Gewaltschutz- und
Stalkingsachen gut geeignet erscheint. Warnhinweise wie der,
dass bei dem häufigen Vergleich vor Familiengerichten der
strafrechtliche Schutz wegfällt, sind gerade bei in Gewaltschutzverfahren noch unerfahrenen Beteiligten notwendig und daher
ein guter Weg, um verfahrensrechtliche Sonderregelungen des
familienrechtlichen Gewaltschutzes bekannt zu machen. Der Hinweis auf die Durchbrechung der Grundgedanken des Gewaltschutzgesetzes durch eine Ausweitung der Mediationsmöglichkeiten gemäß § 36a FamFG auf das Gewaltschutzverfahren ist
hilfreich und zeigt, dass die Autoren auch aktuelle Entwicklungen
berücksichtigt haben.
Unverständlich bleibt eine Übersicht am Ende des Buches, die für
die verschiedenen am Verfahren beteiligten Gruppen (Anwalt auf
Täterseite, Anwalt auf Opferseite, Jugendamt, Gerichtsvollzieher
etc.) erstellt zu sein scheint. Während ein wesentlicher Beteiligter,
nämlich der Familienrichter bzw. die -richterin dort gar nicht
aufgeführt wird, sind auch die dortigen Hinweise bzw. Verweise
nur wenig hilfreich.
Neuere Formen der Nachstellung, etwa das so genannte Cyberstalking, werden als Thema gar nicht oder nur am Rand behandelt
und sollten bei einer Neuauflage unbedingt samt Praxishinweisen
zu der Frage, wie Fangschaltungen erwirkt und Überwachung
mittels Spyware erkannt und bekämpft werden kann, eingearbeitet werden. Erfreulich wäre auch, wenn die Formular- und
Polizeirechtshinweise nicht allein auf Nordrhein-Westfalen
beschränkt blieben und das verwaltungsgerichtliche Rechtschutzverfahren gegen polizeirechtliche Wegweisungsverfügungen
genauer dargestellt würde.
Fazit: Ein Buch wie dieses sollte in jeder familienrechtlich
ausgerichteten Kanzlei vorhanden sein, um in Fällen häuslicher Gewalt mit der dann meist auftretenden Brisanz schnell
reagieren zu können und Aspekte nicht zu vergessen. Dieses
Buch kann dafür in die engere Auswahl genommen werden.
RAin Anna Braun, Berlin
RA Matthias Lachenmann, Paderborn
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ADVOICE 04/13
RAin Juliane Hilbricht,
Fachanwältin für Familienrecht, Solingen
Bücher-FORUM
Mobile Apps - Rechtsfragen
und rechtliche Rahmenbedingungen
Solmecke/Taeger/Feldmann (Hrsg.),
1. Aufl. 2013, 400 S., 99,95 EUR,
De Gruyter Verlag
Software für Smartphones und Tablets ist ein wichtiger Bestandteil der digitalen Dienstleistung. Über Mobile Commerce werden
heutzutage teilweise bemerkenswerte Umsätze generiert. Umso
erstaunlicher, dass sich dieser Wirtschaftszweig aus rechtlicher
Sicht noch ein ziemliches Schattendasein befindet. Vermehrt rücken aber mobile Applikationen in den rechtlichen Fokus: Verbraucherschützer und Mitbewerber haben einen immer stärkeren
Blick auf Apps & Co und die dortigen Stoplerfallen.
Daher ist dieser Bereich wichtig für alle, die im Bereich IT-Recht,
Urheberrecht und Wettbewerbsrecht beraten, denn das Thema
mobile Softwareapplikationen hat viele Schnittstellen, wie das
Buch zeigt. Mobile Apps ist dabei eine wichtige Unterstützung,
auch wenn es sich gar nicht zwingend nur an Rechtsanwälte
richtet. Zielgruppe sind ganz allgemein Personen, die vor allem
beruflich mit Apps zu tun haben, wie beispielsweise Entwickler,
Datenschutzbeauftragte, Marketingleiter, Unternehmer und eben
auch Rechtsanwälte.
Das Buch erhebt selbst den Anspruch, eine „Orientierung über alle
wichtigen und aktuellen rechtlichen Fragestellungen der mobilen
Apps“ zu sein und wird dem meines Erachtens auch gerecht. So
wird zu Beginn zwar relativ allgemein in das Thema eingeführt
(Entwicklung des Mobile Internet, Anwendungsbereiche von Apps,
Besonderheiten von Apps im Vergleich zu anderer Software), aber
im weiteren Verlauf werden alle wichtigen rechtlichen Knackpunkte ausführlich aufbereitet.
Die Kapitel sind thematisch umfassend und decken aus rechtlicher Sicht alles Erforderliche ab. So werden die verschiedenen
Vertragskonstellationen (beispielsweise Entwickler- oder Endkundenverträge) durchleuchtet. Weitere Themen sind AGB-Recht,
Datenschutzrecht, Steuerrecht, Wettbewerbs- und Markenrecht
sowie Jugendschutzrecht.
Fazit: Das Buch richtet sich keineswegs nur an „Experten“,
also Juristen, die schon vertiefend zu mobilen Softwareapplikationen beratend tätig sind. Somit ist der Einstieg in
dieses Rechts- und Themengebiet mit diesem Werk zweifelsfrei möglich. Gleichzeitig bietet das Buch aber auch eine gute
Arbeitsgrundlage für IT-Rechtler. So gibt es durchgängig
Praxistipps und weiterführende Literaturhinweise, die die
Vertiefung ermöglichen.
RA Sebastian Dramburg, LL.M, Berlin
Tatort www
Erfolgreich starten als Rechtsanwalt
Götz Schartner,
1. Aufl. 2013, 223 S., 19,90 EUR,
Plassen Verlag
Dieter Trimborn v. Landenberg (Hrsg.),
5. Aufl. 2013, 672 S., 29,00 EUR,
Deutscher AnwaltVerlag
Das Buch im handlichen DIN-A5-Format gibt anhand von wahren
Fällen in den 6 Kapiteln WLAN, Webcam, Onlinebanking, Identitätsdiebstahl, Smartphone und Handy sowie „Die 10 Gebote der
Computersicherheit“ praxisnahe Anleitungen, wie man sich vor
den Gefahren im World Wide Web schützen kann.
Das von Dieter Trimborn v. Landenberg herausgegebene, 2002
erstmals erschienene und nunmehr in der 5. Auflage vorliegende
Werk ist ein Klassiker. Meines Erachtens bietet kein anderes Buch
ein vergleichbar umfassendes und zugleich praktisch nutzbares
Informationspaket. Als Konkurrent kommt allenfalls der DAVRatgeber für junge Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (aktuell in 13. Auflage) in Betracht, der zwar ein vergleichbares
Themenspektrum behandelt, aber eher wie eine Aufsatzsammlung
anmutet und weniger einheitlich und stringent aufgebaut ist.
Jedes Kapitel beginnt mit einem als Kurzkrimi geschilderten
Beispiel aus der Praxis, das die Gefahren und mögliche dramatische Folgen bewusst machen soll. Anschließend wird kurz erläutert, welche Fehler begangen wurden und wie wahrscheinlich ein
solcher Angriff ist. Im Kapitel Onlinebanking werden z. B. die
verschiedenen Verfahren wie PIN/TAN, iTAN, sms-TAN oder HBCI
bewertet. Es folgen ausführliche Anleitungen für mögliche
Schutzmaßnahmen. Checklisten dienen der Selbstkontrolle,
können aber auch bei Beauftragung externer EDV-Dienstleister
durch Einbeziehung zur Absicherung eingesetzt werden. Nützlich
sind auch die Fristentabellen für wiederkehrende Schutzmaßnahmen wie die Vergabe neuer Passwörter und das Herunterladen
von Updates. Bildschirmabdrucke etwa von Eingabemasken oder
Internetseiten veranschaulichen die Darstellung.
In einem Schlusswort weist der Autor kurz auf weitere Risiken
etwa bei der Nutzung von Facebook, Apps und Online-Tauschbörsen hin und kritisiert die falschen bzw. unzureichenden Maßnahmen des Gesetzgebers sowie die derzeitigen Tendenzen zur
grenzenlosen Überwachung. Ein knapp 8-seitiges Glossar erläutert die wichtigsten Begriffe von Admin-Rechten über Boot-CD,
HBCI, SSL-Zertifikat bis WPA-Verschlüsselung.
Auf der Website www.tatort-www.de kann man mehr über den
Autor und Vorträge von ihm erfahren sowie Videoanleitungen für
jedes Buchkapitel anschauen.
Das Buch von Götz Schartner, einem professionellen Hacker, der
im Auftrag von Unternehmen die Sicherheit von Datennetzen
prüft, ist im September 2013 erschienen und damit auf dem
aktuellen technischen Stand. Für 14,99 EUR ist es auch als E-Book
erhältlich.
Fazit: Das Buch eignet sich durch seine kompakte und lebendige Darstellung hervorragend als Bettlektüre, um zu erfahren, wie man mit wenigen, aber wichtigen Maßnahmen
die Sicherheit im Internet erheblich erhöhen kann. Durch die
Checklisten und das Glossar ist es auch für Leser, die technisch nicht so bewandert sind, bestens geeignet. Gerade vor
dem Hintergrund der zunehmenden Umstellung auf den
elektronischen Rechtsverkehr und die ständige Nutzung des
Internets im privaten Bereich ist dieses Basiswissen – schon
aus Haftungsgründen – nahezu unverzichtbar.
Um als Rechtsanwalt erfolgreich zu sein, braucht man mehr als
„nur“ juristisches Fachwissen. Hier setzt das Werk an. Es wendet
sich an Berufseinsteiger und vermittelt ihnen das Wissen, das –
neben der Rechtskenntnis – unerlässlich ist. Zu nennen sind Themen wie Gründung, Finanzierung, Formen der Zusammenarbeit,
Kanzleiorganisation, Aktenführung, Kanzleiausstattung, Marketing, Honorarabrechnung, Buchführung, Steuern, Zeitmanagement, Versicherungen, Umgang mit Mandanten etc., die das Buch
allesamt aufgreift. Auf die jeweiligen Kapitel kann hier nicht im
Einzelnen eingegangen werden, dennoch sollen einige Abschnitte
kurz hervorgehoben werden.
Die Anleitung zur Erstellung eines Businessplans ist einzigartig.
Jeder Kanzleigründer braucht ein Gründungskonzept. Wer einen
Gründungszuschuss oder Gründerkredit beantragen will, muss
einen überzeugenden Businessplan vorlegen und kommt um das
Buch nicht herum. Muster gibt es viele, nur die hier gebotene
Anleitung ist jedoch speziell auf die Gründung einer Kanzlei
zugeschnitten.
Auch der Abschnitt über Marketing ist sehr gut gelungen.
Angefangen bei Klassikern (Visitenkarte, Briefpapier, Kanzleischild,
Kanzleibroschüre, Anzeigen) über modernere Formen (Internet,
Soziale Netzwerke, Blogging) bis hin zu weniger verbreiteten
Möglichkeiten (Pressearbeit, Sponsoring, Kanzleifeste) gibt das
Buch eine Fülle von Anregungen und zeigt, dass sich diese auch
ohne großes Kapital umsetzen lassen.
Besonders hilfreich ist schließlich auch der Abschnitt über
Steuern und Buchführung. Die Ausführungen sind weniger
theoretisch als vielmehr eine sofort praktisch umsetzbare Schrittfür-Schritt Anleitung. Gleiches gilt für den von Norbert Schneider
verfassten Abschnitt über die Honorarabrechnung.
Fazit: Das Buch ist für jeden Kanzleigründer ein „Must-have“.
RA Henry Naeve, Hamburg
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
ADVOICE 04/13
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Bücher-FORUM
Paket RVG-Reform 2013
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz + Das neue
Gebührenrecht in der anwaltlichen Praxis
2013, 2.115 S., 123,00 EUR,
Nomos Verlag
Die 6. Auflage des HK-RVG war durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRModG) vom 23.7.2013 erforderlich
geworden. Dessen Neuerungen sollen die lange stagnierenden
Anwaltsgebühren allgemein anheben sowie Systembrüche und
Fehlentwicklungen im RVG korrigieren.
Auf 1.580 Seiten erläutern Praktiker das RVG mit Vergütungsverzeichnis. Neben guter Lesbarkeit fallen Praxishinweise, Muster
und Berechnungen auf. Die Streitwertkommentierung des Anhang I reicht vom gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen über
das Arbeits-, Verwaltungs-, Zwangsvollstreckungsrecht bis zu
Gebühren in Verkehrsunfallsachen, bevor Anhang II Gebührentabellen zeigt.
Wegen der Neuerungen war das Werk zu aktualisieren und teils
ganz neu zu kommentieren. Schwerpunkte sind z. B. im Sozialund Verwaltungsrecht. Insbesondere ist in Sozialgerichtsverfahren, in denen Betragsrahmengebühren anfallen, die neue reine
Anrechnungslösung aufgearbeitet. Die Einigungs- und Erledigungsgebühren oder die fiktive Terminsgebühr sind neu zu berechnen. Insgesamt ist die Terminsgebühr breiter anwendbar. Die
Vergütung zahlreicher Verfahren ist neu bewertet und meist angehoben worden. Intensiv arbeiten die Autoren Möglichkeiten
zum Abschluss von Honorarvereinbarungen heraus. Somit ist der
Anhang § 34 mit dem Sonderteil zur Führung von Vergütungsverhandlungen konsequent.
Das neue Gebührenrecht in der anwaltlichen Praxis von Mayer
konzentriert sich auf die strukturellen Änderungen des 2. KostR
ModG und des Gesetz zur Änderung des PKH- und Beratungshilferechts. Er erläutert neue Anwendungsbereiche mit den
gesetzgeberischen Zielen dahinter. Gelungen sind die Ausführungen zu Abschnitt 4. Gegenstandswert und im VV-RVG zu den
sozialrechtlichen Neuerungen; insbesondere zur Anrechnung
statt unterschiedlicher Rahmen bei Vorbefassung, zum erweiterten Anwendungsbereich der Terminsgebühr auf Anhörungstermine sowie zur Berücksichtigung der Tätigkeit im PKH-Verfahren.
Viele Berechnungen zeigen, wie im Familien-, Verwaltungs-,
Straf- und Sozialrecht Einnahmen zu steigern sind, bevor die
Synopse das RVG alt und neu gegenüberstellt.
Fazit: Das Paket RVG-Reform 2013 ist ideal, um sich in die
gesetzlichen Neuerungen und Handlungsspielräume einzuarbeiten. Beide Werke richten sich auf die Chancen der Neuerungen. Der HK-RVG beachtet schon die Änderungen des ab
1.1.2014 geltenden Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts. Mayers Werk ergänzt ihn,
indem es die strukturellen Neuerungen analysiert und mit
Berechnungsbeispielen und der Synopse transparent macht.
Gebührenkalkulator
Hans-Jochem Mayer,
5. Aufl. 2013, 98 S., Rückendraht, 28,00 EUR,
Nomos Verlag
Der Gebührenkalkulator besteht aus drei Teilen: dem Gebührenverzeichnis (Volltext), einem Tabellenheft und dem „Gebührenrad“.
Letzteres ist das Besondere an diesem Werk.
Das rechenschieberähnliche Rad hat auf der Vorder- und Rückseite unterschiedliche Funktionen: Auf der Vorderseite kann man
durch Drehen an dem Rad den Gegenstandswert einstellen (500
bis 200.000 Euro). Anschließend werden drei Kostenrechnungen
angezeigt: (1) vorgerichtliche Anwaltskosten, (2) Verfahren erster
Instanz und (3) Prozessrisiko. Auf der Rückseite des Gebührenrades können verschiedene Gebührensätze (0,1 bis 1,6) eingestellt
werden, sodann lassen sich die Gebühren für alle Gegenstandswerte von 500 bis 750.000 Euro ablesen.
Bei den vorgerichtlichen Anwaltskosten werden die Regelgeschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer
angezeigt. Bei den Kosten der ersten Instanz werden die Verfahrensgebühr, die Terminsgebühr, die Auslagenpauschale und
die Umsatzsteuer sowie die Gerichtskosten und schließlich der
anrechenbare Teil der Geschäftsgebühr angezeigt; jeweils mit
Zwischen- und Gesamtsumme. Damit lässt sich in Standardfällen
mit einem Handgriff eine vollständige Rechnung generieren.
Schade ist allerdings, dass nicht auch die Einigungsgebühr
angezeigt wird.
Bei dem Prozessrisiko (1. und 2. Instanz) wird der jeweilige Gesamtbetrag angezeigt. Zu beachten ist, dass die Kosten einer
etwaigen vorgerichtlichen Vertretung (abzüglich des anrechenbaren Teils der Geschäftsgebühr) hierbei nicht berücksichtigt
werden und gegebenenfalls manuell hinzuzurechnen sind.
Das Heft enthält das Gebührenverzeichnis und zahlreiche weitere
Tabellen für Gebühren und Kosten, die nicht mit dem Gebührenrad berechnet werden können (Einigungsgebühr, Mahnverfahren,
Ehesachen, Strafverfahren, Bußgeldverfahren, Wertgebühren
etc.).
Fazit: Im Internet gibt es frei verfügbare Gebührenrechner
mit größerem Funktionsumfang (frei einstellbarer Gebührensatz, frei einstellbare Auslagen, Einigungsgebühr, Mehrvergleich, mehrere Mandanten, mehrere Anwälte, usw.). Aber:
Das Gebührenrad ist ein kleines handliches Instrument und
macht Spaß. Die Standardgebühren lassen sich sofort und
auf einen Blick ablesen. Man kann es zum Mandantengespräch mitnehmen und hat auch den Text des Gebührenverzeichnisses stets griffbereit. Der Gebührenkalkulator kann
daher trotz digitaler „modernerer“ Möglichkeiten durchaus
zur Anschaffung empfohlen werden.
RA Henry Naeve, Hamburg
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
Vertrags- und Formularbuch zum Handels-,
Gesellschafts- und Bankrecht
Klaus J. Hopt (Hrsg.),
4. Aufl. 2013, 2.034 S., mit CD-ROM, 169,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Das Formularbuch von Hopt behandelt im 1. Teil das Handelsrecht
mit dem Recht der Kaufleute, den Handelsgeschäften und dem
Transportrecht sowie im 2. Teil das Gesellschaftsrecht mit den
verschiedenen Gesellschaftsformen und der Schiedsgerichtsbarkeit. Weitere Teile befassen sich mit dem Bilanzrecht und den
Bankgeschäften einschließlich Börse und Kapitalmarkt. Der
Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf den Gesellschaftsverträgen
und Bankgeschäften, wobei auch das internationale Recht einbezogen ist.
Es finden sich diverse Vertragsmuster, Formulierungsvorschläge für
verschiedene Erklärungen wie Anmeldungen, Vollmachtserteilungen, Beschlüsse, Gründungsberichte und Gesellschafterlisten, Checklisten (etwa im Bereich Unternehmenskauf) und typische Vertragsbedingungen (z. B. Verkaufs- und Lieferbedingungen).
Nach dem jeweiligen Muster werden in ausführlichen Anmerkungen die wesentlichen Rechtsprobleme kurz, präzise und übersichtlich
dargestellt und Praxishinweise gegeben. Dabei wird auch auf
steuerliche Aspekte sowie Kosten und Gebühren eingegangen.
Das Handbuch ist angelehnt an den HGB-Kurzkommentar von
Baumbach/Hopt. Die Gliederung in beiden Werken ist weitgehend
parallel, was das Auffinden der entsprechenden Stelle im jeweils
anderen Werk erleichtert. Es gibt zahlreiche Querverweise auf
andere Muster sowie entsprechende Stellen im Kommentar.
Die beiliegende CD-ROM enthält entsprechend dem Aufbau im
Buch sämtliche Formulare, die sich über die Funktionen „Exportieren“ und „Drucken“ nutzen lassen.
Die 4. Auflage befindet sich auf dem Stand Herbst 2012. Sie ist
völlig neu bearbeitet, neu gegliedert und erheblich erweitert
worden. So wurden insgesamt 31 Vertragsmuster und Formulare
zu den bisher nicht berücksichtigten Rechtsformen der AG, KGaA
und SE aufgenommen. Eingearbeitet sind u. a. bereits die Änderungen durch das ARUG, das BilMoG, den einheitlichen EuroZahlungsverkehrsraum (SEPA), die Neuregelungen im Zuge der
Finanzkrise (etwa die geänderten Bilanzierungsvorschriften für
Banken) und die verbesserte Durchsetzbarkeit von Anleger-Ansprüchen bei Falschberatung.
Der Herausgeber Dr. Hopt (Professor, Direktor des Max-PlanckInstituts Hamburg, Richter am OLG Stuttgart) sowie das Autorenteam aus diversen Rechtsanwälten, Steuerberatern, Notaren,
Wirtschaftsprüfern, Bankjuristen und Syndikusanwälten bürgen
für die nötige Qualität.
Fazit: Das Werk von Hopt ist die perfekte Ergänzung zum
Kurzkommentar von Baumbach/Hopt für Praktiker im Bereich
Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht.
RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart
58
ADVOICE 04/13
Bücher-FORUM
Wirtschaftsstrafrecht
Recht der Energiewirtschaft
Praxishandbuch Anwaltsmarketing
Momsen/Grützner,
1. Aufl. 2013, 1410 S., 179,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Schneider/Theobald (Hrsg.),
4. Aufl. 2013, 1.467 S., 229,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Cosack/Hamatschek,
1. Aufl. 2013, 296 S., 59,00 EUR,
NWB Verlag
Der Aufbau des Buchs orientiert sich an der Struktur der in
Rechtsabteilungen von Unternehmen und Wirtschaftskanzleien
üblichen Aufteilung in Tätigkeitsfelder und Rechtsgebiete. Besonders relevante und praxisbezogene Aspekte werden in den
Mittelpunkt der wissenschaftlich fundierten Darstellung gestellt.
Das Handbuch umfasst das gesamte unternehmensrelevante
Wirtschaftsstrafrecht mit Umweltstrafrecht, strafrechtlicher
Produkthaftung, Außenwirtschaftsstrafrecht und Kriegswaffenkontrollrecht, Insolvenzstrafrecht, Kartellrecht und gewerblichem
Rechtsschutz, Kapitalmarktstrafrecht und Marktmissbrauch.
Mit dem in vierter Auflage erschienenen Praxishandbuch zum
Recht der Energiewirtschaft wird eine Reihe fortgesetzt, die für
Qualität und Übersicht steht. Auf knapp anderthalbtausend Seiten
findet sich alles, was es zum Energiewirtschaftsrecht im weiteren
Sinne nachzuschlagen und zu überlegen gibt. Dabei wird ein
weiter Maßstab angesetzt, behandelt wird also nicht das
Energiewirtschaftsrecht im engeren Sinne, sondern alle Aspekte,
die im Anlagenbau und in -betrieben der Energieerzeugung eine
Rolle spielen können. Und damit werden auch Fragen des
Kommunalrechts und des Wegerechts ebenso behandelt wie des
Umweltrechts und des immer wieder relevanten Kartellrechts.
Der Titel des Buches ist Programm. Die beiden Autorinnen, Expertinnen für das Marketing von Anwalts- und Steuerberaterkanzleien, verfolgen das Ziel, ihre anwaltliche Leserschaft
anzuleiten, sich erfolgreich am Markt zu positionieren und zu
präsentieren, die Beziehungen zu den Mandanten zu vertiefen,
Weiterempfehlungen zu aktivieren und neue Mandanten zu
gewinnen.
Die jeweilige Situation wird aus verschiedenen Blickwinkeln
dargestellt. Hierbei wird vor allem auf die Darstellung von
Unternehmensperspektive, staatsanwaltschaftlicher Ermittlung
und der Verteidigungsstrategien Wert gelegt.
Besondere praxisrelevante Schwerpunkte bilden die Kapitel:
Interne Ermittlungen, Compliance und Korruptionsbekämpfung.
Aber auch die anderen Kapitel sind nicht weniger praxisrelevant.
Jedes Delikt wird schulmäßig erklärt. Sehr positiv fällt auf, dass
jeweils auch auf Strafzumessung und, besonders relevant, auch
auf die zu erwartenden Nebenfolgen hingewiesen wird.
Dr. Carsten Momsen ist Professor an der Universität Hannover
und hat den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und
Wirtschaftsstrafrecht inne. Dr. Thomas Grützner ist Rechtsanwalt
bei Baker & McKenzie Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Solicitors in München.
Fazit: Nach eigenen Angaben ist das Handbuch für Syndici,
Juristen und Compliance-Beauftragte in Unternehmen, für
strafrechtlich orientierte Rechtsanwälte oder für Juristen in
Wirtschaftsverbänden, in Handwerks-, Industrie- und Handelskammern und für Rechtswissenschaftler gedacht. Dies
kann definitiv bestätigt werden. Das Buch ist kein Werk für
wirkliche Anfänger, sondern geht sehr stark in die Tiefe. Teilweise wirkt das Handbuch, vor allem bei den verschiedenen
Delikten eher wie ein Kommentar als ein wirkliches Handbuch.
Doch machen Tipps und Tricks das Buch dennoch zu einem
sehr guten Werk, dass ich nur absolut empfehlen kann.
RAin Christina Worm, Essen
Die schwierige Aufgabe der Darstellung von 16 unterschiedlichen
Länderrechten etwa im Kommunal-, Straßen- oder Baurecht
meistern die drei Autorinnen und 17 Autoren des Praxishandbuchs durchweg gut. Bei der Prüfung einer konkreten Investition
werden so die wesentlichen Prüfungspunkte mithilfe des vorliegenden Buches deutlich. In einzelnen Sachfragen wird man
jedoch nicht umhin kommen, spezielle Literatur z. B. zum kommunalen Gemeindewirtschaftsrecht zur Hand zu nehmen.
Deutlich zu kurz geraten erscheint das in der Anwaltspraxis
boomende Energieumweltrecht in seiner Darstellung im Handbuch. Weder werden die europäischen Entwicklungen zur Förderung erneuerbarer Energien ausreichend dargestellt noch wird
ein vorgerichtliches Schlichtungsverfahren wie die seit 2007
bestehende Clearingstelle EEG mit den verschiedenen dort laufenden Verfahren hinreichend beschrieben.
Das Praxishandbuch wendet sich an viele im Energiewirtschaftsrecht Tätige und kann auch von vielen genutzt werden – so sind
die Darstellungen im Kapitel zum Energielieferungsvertrag durchaus tauglich, um auch verbraucherrechtliche Fragestellungen zu
bearbeiten, etwa Preisanpassungen zu überprüfen oder das anwaltliche Vorgehen bei Insolvenz des Energielieferanten zu planen.
Fazit: Als äußerst hilfreich für die tägliche Arbeit erweisen
sich das sehr feingliedrige Inhaltsverzeichnis und das umfangreiche Stichwortverzeichnis ebenso wie eine im Anhang
befindliche Liste europäischer Richtlinien und Verordnungen
mit Bezug zum Energiewirtschaftsrecht. Die Herausgeber
führen damit eine Tradition fort, die begann, als Europa für
viele noch ein Randthema war, die aber auch in Zeiten der
Europäischen Union und der Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien immer wieder ihre Berechtigung hat.
RAin Juliane Hilbricht, Fachanwältin für Familienrecht,
Solingen
In einem knappen Einführungsabschnitt stellen die Autorinnen
zunächst die vier exemplarischen Kanzleitypen des Existenzgründers, des Einzelanwalts, der kleinen bis mittleren Sozietät
sowie der interdisziplinären Kanzlei vor, deren unterschiedlicher
Beratungsbedarf die Basis der in den Folgeabschnitten entwickelten Lösungsansätze für ein erfolgreiches Kanzleimarketing
darstellt.
Innerhalb der fünf Folgeabschnitte zu den „Handlungsfeldern“
Strategie, Beziehungspflege, aktives Empfehlungsmarketing,
überzeugender Außenauftritt und Marketingplan präsentieren die
Autorinnen dann je mehrere Kapitel mit konkreten „Erfolgshebeln“, die zunächst im Überblick dargestellt und sodann in den
größeren Kontext eingeordnet werden. Im Anschluss werden
konkrete Lösungsansätze benannt und die für ihre Implementierung sprechenden Gründe dargelegt. Sodann werden praktische Umsetzungsbeispiele präsentiert, wobei der Leser durch
Fragebogen und Checklisten zur Selbstanalyse aufgefordert wird;
zur Anregung eigener Ideen dienen insoweit exemplarische
Umsetzungsbeispiele für die vier unterschiedlichen Kanzleitypen.
Abschließend geben die Autorinnen den Lesern in Form von
Maßnahmenkatalogen oder Aktivitätenplänen ausgearbeitete
Hilfestellungen zur praktischen Umsetzung des jeweiligen
Erfolgshebels an die Hand.
Die didaktische Aufbereitung des unterhaltsam geschriebenen
Buches ist gut gelungen, Kernaussagen sind optisch hervorgehoben, Querverweise vermitteln Zusammenhänge zwischen
den Themenblöcken. Das Inhaltsverzeichnis gibt alle Gliederungspunkte wieder, so dass man sich schnell im Buch zurecht findet;
das Stichwortverzeichnis ist dagegen knapp gehalten.
Fazit: Die Autorinnen versetzen ihre Leserschaft in die Lage,
sich selbst aktiv ein ebenso individuelles wie professionelles
Marketingkonzept zu erarbeiten, umzusetzen und - auch im
Austausch mit den Autorinnen u. a. über XING - weiter zu
perfektionieren. Ein Kauf, der sich bezahlt macht!
RA Jens David Runge-Yu, Freiburg i. Br.
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Bücher-FORUM
Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht
Arbeitsrecht – Handbuch für die Praxis
Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht
Ulrich Tschöpe (Hrsg.),
8. Aufl. 2013, 3.035 S., 139,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
Kittner/Zwanziger/Deinert (Hrsg.),
7. Aufl. 2013, 2.892 S., mit Online-Ausgabe,168,00 EUR,
Bund-Verlag
Maschmann/Sieg/Göpfert (Hrsg.),
1. Aufl. 2012, 1.049 S., 119,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Die Neuauflage des Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht mit Rechtsund Gesetzesstand 1.1.2013 ist komplett überarbeitet. Das sich
aus erfahrenen Anwälten und Richtern zusammensetzende 27köpfige Autorenteam richtet sein Handbuch in Umfang und
Themengewichtung an den Bedürfnissen des Praktikers aus.
Daher ist der Aufbau des Buchs an den Ablauf eines anwaltlichen
Mandats angelehnt, in dem die Autoren das gesamte formelle
und materielle Arbeitsrecht zuzüglich der Schnittstellen – etwa
zum Sozialrecht – erläutern.
Die Neuauflage des Arbeitsrecht – Handbuch für die Praxis hat
den Rechts- und Gesetzesstand 1.1.2013. Die 13 Autoren und
Herausgeber – erfahrene Anwälte, Richter und Professoren –
fokussieren das gut strukturierte und umfassende Werk auf
sämtliche arbeitsrechtliche Streitfragen, die in der Praxis eines
Arbeitnehmerberaters auftauchen können samt den darüber
hinausgehenden typischen Schnittstellen zum Sozial- oder
Steuerrecht.
Die 21 Autoren haben das dreigeteilte Werk konzeptionell darauf
angelegt, den Arbeitsrechtspraktiker in die Lage zu versetzen,
bestehende und geplante Vertragsgestaltungen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung kritisch auf ihre Rechtswirksamkeit
prüfen, ihre positiven oder negativen Folgen richtig beurteilen
und sodann im Sinne eines sicheren Wegs ebenso ausgewogene
wie rechtssichere Lösungsvorschläge für den betrieblichen Alltag
finden zu können.
„Der Kittner“ gefällt mit Aktualität und gelungener Schwerpunktsetzung. Neueste Gesetze sind integriert, etwa das Beschäftigungschancengesetz und die Instrumentenreform im SGB III,
die AÜG-Reform, das Mediationsgesetz oder die Neuregelung der
Rechtsbehelfe bei überlangen Verfahren. Intensiv bearbeiten die
Autoren den steigenden Einfluss der Rechtsprechung des EGMR,
etwa zum Whistleblowing oder zur Privatsphäre und zu Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer. Aktuelle BAG-Entscheidungen zur Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz,
zur Tarif(un)fähigkeit der CGZP, zu tariflichen Differenzierungsklauseln oder zur Bildung von Altersgruppen bei der Sozialauswahl sind erörtert.
Der 1. Teil (85 S.) führt in die Grundlagen der Vertragsgestaltung
ein und behandelt dabei in drei Abschnitten die Grundfragen, die
Grenzen und die Technik der Vertragsgestaltung.
Der siebenteilige „Tschöpe“ beginnt in Teil 1 mit der Begründung
von Arbeitsverhältnissen und ihrer vertraglichen Gestaltung und
wendet sich in Teil 2 den Regelungen im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses zu. Es folgen die Änderung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Teil 3 und die Teile 4 und 5
zum kollektiven Arbeitsrecht und zum Arbeitsgerichtsverfahren.
Teil 6 widmet sich dem Arbeitnehmerschutz, bevor Teil 7 zur
Arbeitsförderung und zum Rentenrecht das Werk abrundet.
Erneut besticht das Werk mit Aktualität und Praxistauglichkeit.
Aus der neuen Gesetzgebung sind z. B. das Gesetz zu Änderung
im Bereich der geringfügigen Beschäftigung, die AÜG-Reform,
das Mediationsgesetz, das Transplantationsgesetz, das Familienpflegezeitgesetz oder das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt beachtet. Ferner sind die aktuellen
BAG-Entscheidungen zur Zulässigkeit der Videoüberwachung am
Arbeitsplatz, zur Tariffähigkeit der CGZP, aus dem Kündigungsrecht die Entscheidungen zur Kleinbetriebsklausel und zu Leiharbeitnehmern oder zur Bildung von Altersgruppen bei der Sozialauswahl sowie die EuGH-Entscheidungen zur Wirksamkeit von
Kettenbefristungen, zur zeitlichen Beschränkung des Urlaubsabgeltungsanspruchs oder zum Auskunftsanspruch abgelehnter Bewerber eingearbeitet. Das erweiterte Kündigungs-ABC listet diverse Kündigungsgründe auf. Ein neues Kapitel bündelt die
Themen Elternzeit, Pflegezeit und Familienpflegezeit.
Viele Checklisten, Musterformulierungen und (taktische) Hinweise
dienen der Problemlösung. Optisch hervorgehobene Schlagworte
und das Stichwortverzeichnis verbessern die Handhabung des
Werks.
Fazit: Der „Tschöpe“ ist mit der gelungenen Aufbereitung der
vielfältigen Themen und seiner Aufmachung ein Leuchtturm
in der arbeitsrechtlichen Literatur. Mit ihm lassen sich alle
denkbaren arbeitsrechtlichen Problemstellungen geschickt
lösen. Somit ist dieser Klassiker allen Arbeitsrechtlern unbedingt zu empfehlen.
Das siebenteilige Handbuch zeigt in Teil 1 Grundlagen des Arbeitsrechts. Teil 2 ist der Begründung und dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit Ausführungen zur Anbahnung oder den
Leistungsstörungen gewidmet. Teil 3 beleuchtet das praktisch
wichtigste Thema, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit
Kündigung, Auflösungsvertrag und sozial- und steuerrechtlichen
Folgen. Teil 4 stellt übergreifende Fragen zum Betriebsübergang,
Datenschutz und Insolvenz etc. dar. Bachner analysiert den
sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des § 613a BGB
neben den Auswirkungen des Betriebsübergangs auf das Arbeitsverhältnis, die Betriebsverfassung oder den Tarifvertrag. Teil
5 widmet sich besonderen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen oder Branchen und Berufen. Das überstaatliche Arbeitsrecht ist Teil 6 vorbehalten, bevor Zwanziger in Teil 7 das Arbeitsgerichtsverfahren mit den Grundlagen der Rechtsdurchsetzung,
den Zugang zur Arbeitsgerichtsbarkeit, den Schwerpunkten des
Verfahrens erster Instanz, den Prozessvergleich, den Kosten bis
zum einstweiligen Rechtsschutz erläutert.
Das Stichwortverzeichnis, der aktuelle Fußnotenapparat, die Hervorhebungen und Tabellen mehren neben der neuen OnlineAusgabe mit Rechtsprechung, Gesetzen und Musterformularen
den Nutzwert des Werks.
Fazit: „Der Kittner“ – absolut gewinnbringend in der Arbeitnehmerberatung!
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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Der 2. Teil (140 S.) präsentiert eine Vielzahl gängiger Vertragsund Gestaltungsmuster (Arbeitsverträge und Verträge zur
betrieblichen Berufsbildung, freie Dienstverträge sowie Muster
für Sonderabreden), die auch im Internet (www.masig.beck.de) im
Word-Format abrufbar sind.
Im 3. Teil (794 S.) werden 62 praxisrelevante Vertragsklauseln von
A bis Z nach einem festen Schema eingehend analysiert. Nach
einem Blick auf die Interessenlage der Parteien und auf die
gesetzlichen Vorgaben folgt zu jedem Themenkomplex eine prägnante Erläuterung der verschiedenen Klauselgestaltungen. Auch
Alternativklauseln werden behandelt, und vor nicht empfehlenswerten Klauseln wird gewarnt. Im Anschluss werden wertvolle
Hinweise zur Verhandlungstaktik gegeben sowie gegebenenfalls
zur Mitbestimmung und zu steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekten. Abschließend erfolgt ein Verweis auf weiterführende Literatur.
Die Gliederungssystematik folgt einem stringenten Muster, die
Orientierung im gut verständlichen Text fällt deshalb trotz eines
rudimentären Inhaltsverzeichnisses leicht. Zudem hilft das ausführliche Stichwortverzeichnis, Gesuchtes zu finden. Der Text selbst
ist durch selektiven Fettdruck von Schlüsselwörtern und Hervorhebung von zahlreichen Formulierungsvorschlägen und Beispielen durchgängig didaktisch und optisch ansprechend aufbereitet.
Fazit: Die Neuerscheinung zur arbeitsrechtlichen Vertragsgestaltung überzeugt auf Anhieb durch einen sehr hohen
Gebrauchswert, die all denjenigen, die mit der Gestaltung
oder Überprüfung von Arbeits- und Dienstverträgen befasst
sind, trotz starker Konkurrenzwerke mit vergleichbarem
Ansatz nur wärmstens zum Kauf empfohlen werden kann.
RA Jens David Runge-Yu, Freiburg i. Br.
Bücher-FORUM
Kündigungsschutzgesetz
Kommentar zum Mediationsgesetz
Münchener AnwaltsHandbuch Sozialrecht
v. Hoyningen-Huene/Linck,
15. Aufl. 2013, 2.503 S., 89,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Fritz/Pielsticker (Hrsg.),
1. Aufl. 2012, 1.092 S., inkl. jBook, 69,00 EUR,
Luchterhand Verlag
Hermann Plagemann (Hrsg.),
4. Aufl. 2013, 1.589 S., 129,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Gut jedes dritte Verfahren der jährlich über 600.000 Arbeitsgerichtsprozesse ist eine Kündigungsschutzstreitigkeit. Klar, dass
Rechtsprechung und Literatur in der wichtigsten Arbeitsrechtssparte ständig mehr werden, was sich im Umfang dieses Werks
widerspiegelt.
Am 26. Juli 2012 ist das Mediationsgesetz in Kraft getreten,
welches die Mediation in Deutschland erstmals auf eine breite
gesetzliche Basis stellt. Der Buchmarkt hat recht rasch auf diese
Entwicklung reagiert. Neben zahlreichen Büchern und Leitfäden
gibt es bereits drei Kommentare. Aus dem Hause des Luchterhand
Verlags stammt der von Fritz und Pielsticker herausgegebene
Kommentar zum Mediationsgesetz.
Die 4. Auflage bringt das Münchener AnwaltsHandbuch Sozialrecht auf den Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung von
Januar 2013. Nach drei Jahren war dies erforderlich, da diese
Phase in dem von großer Dynamik geprägten Sozialrecht lebhaft
war. Entscheidend waren jüngst die Urteile des BVerfG zu den
Regelsätzen gemäß SGB II und AsylbewerberleistungsG, wodurch
der Rechtfertigungsdruck auf den Gesetzgeber, die Sozialleistungsträger und die Sozialgerichtsbarkeit stieg. In der Folge verschärfte sich das Bewusstsein für die Grundrechtsrelevanz in der
sozialrechtlichen Praxis aller Leistungsbereiche.
Die Autoren sind mit Gerrick v. Hoyningen-Huene, Rüdiger Link
und Rüdiger Krause führende Arbeitsrechtler im Bereich des
Kündigungsschutzes, die über einen großen Erfahrungsschatz als
Professoren oder BAG-Richter verfügen.
Ziel des Standardkommentars ist ausweislich des Vorworts die
wissenschaftlich fundierte Erläuterung des Kündigungsschutzrechts für die Praxis. Mit Rechtsstand vom 30.9.2012 bieten die
Autoren Anwaltschaft, Justiz und betrieblicher Praxis ein aktuelles
Werk für eine hohe Beratungsqualität.
Das dreiteilige Werk beginnt mit dem Abdruck des Gesetzeswortlauts. Die Einleitung in Teil B. geht auf die Entwicklung,
Zielsetzung, Entstehung, verschiedene gesetzliche Reformen, den
Inhalt des KSchG, sein Verhältnis zum sonstigen Kündigungsschutz bis zu seinem Geltungsbereich ein. In Teil C. folgt die
Kommenterung der Vorschriften. Großer Schwerpunkt sind Krauses 377-seitige Ausführungen zu § 1 KSchG. Selten erhält man
eine so große Erkenntnis bringende Erläuterung der Kündigungsschutzvoraussetzungen, der Sozialwidrigkeit, zu den Gründen in
der Person des Arbeitnehmers (Abs. 2 Satz 1), die Erläuterung
einzelner personenbedingter oder verhaltensbedingter Kündigungsgründe oder zur Sozialauswahl (Abs. 3). Daneben fallen die
Ausführungen zu §§ 2 und 4 auf. Natürlich sind in das Werk die
neuesten Entwicklungen des Kündigungsrechts eingepflegt.
Neben dem Umgang mit Bagatelldelikten, der Bedeutung des
AGG im Kündigungsrecht, der neuen Rechtsprechung zum
Kleinbetrieb, der EGMR-Rechtsprechung zum Whistleblowing
oder der „Junk“-Entscheidung des EuGH zum Umgang mit Massenentlassungen sind die Kündigung von Schwerbehinderten, der
Kündigungsschutz von Datenschutz- und Compliance-Beauftragten, die Zulässigkeit von Altersgruppen bei Sozialauswahl und
die Auswirkungen der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG bearbeitet.
Eine übersichtliche Gestaltung, ausführliche Gliederungen vor
den Kommentierungen und der aktuelle Fußnotenapparat
gewähren schnelle Orientierung im Buch.
Fazit: Die gute thematische Gewichtung mit aktueller Auswertung der gesamten Rechtsprechung und die klare Sprache
machen den Kommentar Kündigungsschutzgesetz zum
souveränen Begleiter in der Bearbeitung kündigungsschutzrechtlicher Verfahren.
Ganze neun Paragraphen umfasst das Mediationsgesetz und im
Vergleich zu manch anderem neuen Gesetz fällt auf, dass sich der
Gesetzgeber bei der Formulierung der einzelnen Paragraphen eher
kurz gehalten hat. Daher fällt beim Kommentar von Fritz und
Pielsticker auch direkt der Umfang ins Auge und die neugierige
Frage: Was mag man denn in ganzen neun Paragraphen an Stoff
finden, um einen solch umfangreichen Kommentar herauszubringen? Die Antwort findet sich gleich im Inhaltsverzeichnis: Der
Kommentar umfasst neben einer Einleitung zur Geschichte der
Mediation auch die Kommentierung zu weiteren relevanten
Vorschriften wie z. B. im BGB oder FamFG. Alle Vorschriften, die
von den Auswirkungen des Mediationsgesetzes betroffen sind,
wie beispielsweise § 253 ZPO mit den Angaben in der Klageschrift,
werden hier ebenfalls kommentiert. Der Kommentar beschränkt
sich jedoch nicht hierauf, sondern geht in weiteren Kapiteln auf
die Methodik und den Anwendungsbereich der Mediation sowie
andere Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ein
und ähnelt in diesem Teil eher einem Lehrbuch. Zahlreiche
Beispiele, Mustervereinbarungen und Formulierungsvorschläge
sind sehr praxistaugliche Hilfen für die tägliche Arbeit im Bereich
der Mediation.
Die acht Bearbeiter des Kommentars setzen sich aus unterschiedlichen, auch nichtjuristischen Berufsgruppen zusammen.
Den Kommentar kann man zusätzlich als jBook online freischalten
und so Online-Zugriff auf alle zitierten Vorschriften erhalten oder
wie in einer Datenbank recherchieren.
Fazit: Der Kommentar von Fritz und Pielsticker bietet neben
der Kommentierung zum Mediationsgesetz zahlreiche weitere
Ausführungen und dadurch einen echten Mehrwert mit
einem umfassenden Blick auf die gesamte Thematik. Mit dem
Kauf dieses Kommentars hat man einen guten praxisorientierten Ratgeber, der den Erwerb von zahlreichen weiteren
Leitfäden eigentlich entbehrlich macht. Der Kommentar ist
in der Anschaffung zwar nicht günstig, aber Umfang und
Qualität rechtfertigen diesen Preis allemal.
Die 30 Autoren um Herausgeber Hermann Plagemann sind erfahrene Anwälte und Richter, die den Sparten des Sozialrechts
besonders zugewandt sind. Ihnen gelingt ein Handbuch mit
fundierter und strukturierter Darstellung der komplexen Materie.
Daneben erfreuen den Leser die verständlichen wie umfassenden
Antworten auf wesentliche sozialrechtliche Fragen, die mit vielen
Praxis- und Beratungstipps, (Prüfungs-)Checklisten, Formulierungen, Mustern, Tabellen und Übersichten gespickt sind.
Das Werk ist in zwölf Teile gegliedert, die selbst in Paragraphen
aufgeteilt sind. Ausgehend vom sozialrechtlichen Mandant (Teil A)
stellt das Handbuch die Versicherungs- und Beitragspflichten, die
Arbeitsförderung (inkl. SGB II), die gesetzliche Kranken-, Rentenund Unfallversicherung, die Rehabilitation, die Pflegeversicherung, das Kindergeld und Elterngeld, die soziale Entschädigung,
die Sozialhilfe und – ausführlich – das Verfahrensrecht (Teil L) dar.
In das komplett überarbeitete Werk fügten die Autoren neue
Kapitel ein, z. B. das betriebliche Eingliederungsmanagement, die
Mediation, den Rechtsschutz bei überlangen Verfahren oder die
Voraussetzungen von Stundung, Niederschlagung, Erlass, § 76
SGB IV. Neben dem Schwerpunkt beim SGB III sind die Kapitel zur
Betriebsprüfung und zum Regress der Sozialleistungsträger, §§
93, 94 SGB XII, 33 SGB II sehr lesenswert. Den Praktiker überzeugt
Teil L mit Tipps zur Analyse eines Rentengutachtens, den Kapiteln
zum Verwaltungsverfahren und vorläufigen Rechtsschutz sowie
die angemessene Bearbeitung des Kosten- und Vergütungsrechts.
Fazit: „Der Plagemann“ bleibt eine Klasse für sich! Er gewährt
mit seiner Informationsfülle einen nahezu unerschöpflichen
Fundus, um komplexe Sachfragen oder Einzelprobleme praxisgerecht zu lösen. Er ist als Begleiter in der Fachanwaltsausbildung und als Nachschlagewerk für den erfahrenen
Sozialrechtler zu empfehlen.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
RA Florian Wörtz, Stuttgart
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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Bücher-FORUM
SGB IX Kommentar
Vertragsbuch Gesellschaftsrecht
Beck’sches Formularbuch Zwangsvollstreckung
Bernhard Knittel,
7. Aufl. 2013, 1.812 S., 139,00 EUR,
Luchterhand Verlag
Hamann/Sigle (Hrsg.),
2. Aufl. 2012, 927 S., 129,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Hasselblatt/Sternal (Hrsg.),
2. Aufl. 2012, 1.836 Seiten, 139,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Das für die anwaltliche Tätigkeit im Sozialrecht wie im Arbeitsrecht gleichermaßen interessante Werk ist in gewohnt hervorragender Qualität in der 7. Auflage erschienen. Neben dem
gesamten SGB IX ist auch das AGG kommentiert.
Wenige Rechtsgebiete sind im Bereich der Vertragsgestaltung so
vielschichtig wie das Gesellschaftsrecht. Angefangen bei den
Vorfragen zur Gründung, beispielsweise der Wahl der richtigen
Unternehmensform, legen die Verfasser des nun in zweiter Auflage vorliegenden Vertragsbuch Gesellschaftsrecht eine praktische
Arbeitshilfe vor, die schematisch den „Werdegang“ eines Unternehmens begleitet. Das Werk befasst sich mit den Vorfragen zur
Gründung (1. Teil), der Gründung der Gesellschaft (2. Teil), deren
Wachstum (3. Teil) und der Übertragung und Nachfolge (4. Teil) in
insgesamt 22 Kapiteln. Das Darstellungsspektrum reicht von den
verschiedenen (auch ausländischen) Gesellschaftsformen über die
Gründung von Tochtergesellschaften und Kooperationen bis hin
zu Problemen im Rahmen des Unternehmertestaments.
Es gibt nicht nur den Unterschied zwischen Recht haben und
Recht bekommen, sondern auch den zwischen einem obsiegenden Urteil und der Befriedigung der Forderung. Die Folgen eines
Forderungsausfalls können für Betroffene existentielle Folgen
haben. Für die Schuldnerseite ist es ebenfalls äußerst bedeutsam,
dass auch in der Phase nach einem verlorenen Rechtsstreit nicht
Hopfen und Malz verloren sein müssen. Umso wichtiger ist die
umsichtige und sachkundige anwaltliche Vertretung in diesem
Stadium.
Aufgrund der jährlichen Erscheinungsweise sind die neuesten
Entwicklungen im Recht der Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen berücksichtigt. Unter der Webadresse
www.behinderungundarbeit.de kann kostenpflichtig auf den
laufend fortgeschriebenen online-Kommentar zugegriffen werden. Interessant ist das kostenfreie Angebot mit Blog, Newsletter,
Downloads sowie Updates.
Der Autor gilt als einer der Kenner des Rehabilitations- und
Schwerbehindertenrechts. Er hat die Einführung des SGB während seiner Tätigkeit im Justizministerium begleitet.
Ihm gelingt es sehr gut, die komplexen juristischen Sachverhalte
im Schwerbehindertenrecht leicht verständlich darzustellen.
Dabei hilfreich ist der Aufbau des Kommentars: Durch die Beibehaltung eines einheitlichen Schemas bei der Kommentierung
der einzelnen Vorschriften ist er übersichtlich gestaltet. Sämtliche
Vorschriften sind nach Bedeutung der Vorschrift, Fassung,
Begründung, Anmerkungen und Literatur untergliedert. Im Bereich „Bedeutung der Vorschrift“ wird ihr Inhalt erklärt, unter dem
Punkt „Fassung“ werden die entsprechenden Gesetzesänderungen aufgeführt. Besonders hervorzuheben sind die Auszüge
aus den BT-Drucksachen zur „Begründung“ der Normen.
Unter der Überschrift „Anmerkungen“ erfolgt die eigentliche
Kommentierung: zum Beispiel § 81 SGB IX – Prüfungspflicht der
Arbeitgeber, ob für einen neu zu besetzenden Arbeitsplatz ein
schwerbehinderter Arbeitnehmer in Frage kommt. Das Prüf- und
Konsultationsverfahren muss bei Leiharbeitnehmern der Entleiher
durchführen. Unerheblich ist die tatsächliche Besetzung des
Arbeitsplatzes mit einem schwerbehinderten Leiharbeitnehmer.
Arbeitsplatzbeschreibung und Anforderungsprofil sind für eine
arbeitsplatzorientierte Beurteilung von Behinderungsauswirkungen im Sinne einer Qualifikationsanalyse festzulegen. Die
festgestellte Qualifikationsstruktur kann ergeben, dass bestimmte
Behinderungen für den Einsatz ausgeschlossen sind. Es ist zu
prüfen, ob eine behindertengerechte Ausgestaltung des Arbeitsplatzes einen besseren Zugang für behinderte Arbeitnehmer
ermöglicht.
Fazit: Auch einem bisher nicht in der Materie bewanderten
Juristen erschließen sich durch die gut verständliche und
vollständige Kommentierung schnell die Zusammenhänge im
Schwerbehindertenrecht.
RAin Ines Müller-Baumgarten,
Fachanwältin für Sozialrecht, Bielefeld
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Als wichtigste Neuerung zur Vorauflage sind die sechs Vertragsmuster, darunter Gesellschafterverträge für die GmbH sowie die
GmbH & Co. KG, zu nennen. Die Muster liegen in deutscher und
englischer Sprache vor. Leider ist eine digitale Fassung nicht im
Lieferumfang enthalten.
Die Darstellung beschränkt sich nicht auf die Thematisierung der
innerhalb des Gesellschaftsrechts auftretenden Vertragstypen,
sondern erlaubt dem Leser einen Einblick in darüber hinausgehende gesellschaftsrechtliche Problematiken. So enthält § 10
beispielsweise Ausführungen zu verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten zur Sicherung und Ermöglichung des eigenen
Fortkommens. So wird sichergestellt, dass dem beratenden
Rechtsanwalt eine Information des Mandanten „über den Tellerrand hinaus“ möglich wird.
Das Vertragsbuch richtet sich in erster Linie an Praktiker und ist
auch von Praktikern verfasst. Gut gefallen in diesem Zusammenhang die zahlreichen, in den Text eingearbeiteten Formulierungsbeispiele sowie die umfassenden Literatur- und Rechtsprechungsnachweise, die eine eigene, vertiefte Auseinandersetzung
mit speziellen Problemen erleichtern.
Fazit: Im Ergebnis stellt das Vertragsbuch Gesellschaftsrecht
ein mit breit aufgestelltem Wissen glänzendes Nachschlagewerk dar, das durch die zahllosen Formulierungsbeispiele die
Vorteile eines Handbuches und eines Formularbuches vereint.
Der zunehmenden Internationalisierung wurde durch die Neuauflage, insbesondere durch das nun eigenständige Kapitel
zur SE und den zweisprachigen Mustern, Rechnung getragen.
RA Tim Wegmann, LL.M., Velbert
Das Beck’sche Formularbuch Zwangsvollstreckung umfasst 600
Muster und Checklisten sowohl zur Mobiliar- als auch zur Immobiliarvollstreckung. Die Mustertexte richten sich mit Anmerkungen
sowohl an den Gläubiger als auch den Schuldnervertreter und
enthalten zahlreiche höchst hilfreiche Praxistipps. Das Formularbuch fängt chronologisch bei der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung an und handelt dort alle relevanten Maßnahmen
ab, die im Vorfeld von Zwangsmaßnahmen ergriffen werden
können. Neben mehr oder weniger bekannten Informationsrecherchen bei Schuldnerkartei, Detekteien oder der Schufa sind
dies auch die Beantragung von PKH oder die Korrespondenz mit
Rechtsschutzversicherungen. In anschließenden Kapiteln werden
die allgemeinen Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung
abgehandelt, bevor die Autoren sehr ausführlich und umfangreich auf die einzelnen Vollstreckungshandlungen ins bewegliche
und unbewegliche Vermögen eingehen. Egal ob die Pfändung des
Kindergeldanspruchs, die Pfändung der Ansprüche eines Gefangenen oder die Pfändung von Sozialleistungen – die Autoren
lassen keinen Lebensbereich aus. In den abschließenden Kapiteln
geht das Formularbuch auch auf die in der Praxis weniger
zahlreich vorkommenden Zwangsvollstreckungen zur Erwirkung
der Herausgabe, bei Abgabe einer Willenserklärung oder das
Verteilungsverfahren ein. Sehr hilfreich sind die abschließenden
Kapitel mit den Rechtsbehelfen oder Vollstreckungsverfahren mit
Auslandsbezug.
Fazit: Das Formularbuch umfasst alles, was das zwangsvollstreckungsrechtliche Herz begehrt. Mit seinen zahlreichen
Mustern und Checklisten ist jeder Anwalt bestens gewappnet
in diesem Stadium nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens.
Es lässt angesichts der Fülle der dargestellten Einzelfälle wohl
keinen Lebensbereich aus, in welchem vollstreckt werden kann.
RA Florian Wörtz, Stuttgart
Autorenverzeichnis
Stefan Peveling
ist Rechtsanwalt in Köln. Sein Studium, zu dem neben Jura auch Anglistik
und Philosophie gehörten, absolvierte er in Würzburg und in Warwick
(England). Als Rechtsanwalt ist er hauptsächlich im Zivilrecht tätig, dort
im Wirtschafts-, Urheber- und Presserecht.
[email protected]
Paola Carega
ist freie Journalistin und arbeitet am Deutschen Institut für Menschenrechte
Berlin. Sie betreut die Öffentlichkeits- und Pressearbeit im Projekt „Anwaltschaft für Menschenrechte und Vielfalt“. Das Projekt entwickelt Fortbildungen
zum menschenrechtsbasierten Diskriminierungsschutz und zu Diversity.
[email protected]
Steffen Eube
ist angestellter Jurist bei HDI Firmen und Privat Versicherung AG und dort
im Zentralen Underwriting Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung
tätig.
[email protected]
Astrid Bauer
studierte Rechtswissenschaften in Rostock und ist derzeit Referendarin
im OLG-Bezirk Brandenburg/Havel. Zwischen Studium und Referendariat
arbeitete sie in einer Unternehmensberatung. Ihr Interessenschwerpunkt
liegt im Datenschutzrecht.
Laura L. Stoll
Mediatorin, Studium der Rechtswissenschaft und Psychologie, Bundesvorstandsmitglied, Medienpolitische Sprecherin und stellv. Vorsitzende
der Internationalen Kommission für Europa-, Außen- und Sicherheitspolitik der Jungen Union Deutschlands, Mitglied der CDU, lebt in Hamburg.
Prof. Dr. h. c. Gerd Biegel
ist Direktor des 2009 gegründeten Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte an der TU Braunschweig und Honorarprofessor für
Ethnomathematik an der TU Braunschweig.
Sandra Viol
ist Justiziarin beim Musikvertrieb Groove Attack in Köln. Die Assessorin
legte im Referendariat ein besonderes Gewicht auf internationale Beziehungen und absolvierte ihre Wahlstage beim Deutschen Entwicklungsdienst DED (heute GIZ).
Frauke Zylka
ist seit 2013 selbständige Rechtsanwältin in Weimar mit den Schwerpunkten Vertragsrecht, Verkehrs- und Familienrecht. In ihrer Freizeit bereist sie gerne fremde Länder und erweitert ihren kulturellen Horizont.
www.ra-zylka.de
b
Werdet AdVoice-Autoren!
Wir suchen Autoren, die Lust haben, mit uns zusammen juristische
Welten auszuleuchten. Wir sind auf Eure Ideen und Anregungen
gespannt und freuen uns auf Eurer Beiträge. Meldet Euch per Mail
bei der Redaktion.
Schickt Eure Vorschläge und Texte an
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Tobias Sommer
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei 24 IP Law Group.
Er war als freier Journalist tätig und ist seit 2006 Chefredakteur der AdVoice.
[email protected]
ADVOICE 04/13
63
Das letzte Wort
Fotos Titelseite:
Alle Tassen im Schrank!?
arkadius neumann_pixelio.de
Gabi Eder_pixelio.de
Anwalt nutzte Züchtigungsszenen für Werbung
Na, ist das nichts, einen heißen Kaffee aus einem
Becher getrunken, auf dem bildlich verbotene körperliche Züchtigung oder ein Suizidversuch abgedruckt sind? Da schmeckt der Latte Macchiato doch
dreimal gut, dachte offenbar ein Rechtsanwaltskollege aus dem Ort Brühl bei Bonn und ließ entsprechende Werbemittel für Mandanten anfertigen.
Doch bevor er den Schritt an die gespannte Öffentlichkeit wagte, informierte er die zuständige Rechtsanwaltskammer Köln von seinem Vorhaben. Diese
machte ihm prompt einen Strich durch die Rechnung und kam zum Ergebnis: unvereinbar mit dem
Standesrecht. Dessen nicht genug rief er den zuständigen Anwaltsgerichtshof an. Dieser entschied
allerdings, dass die Äußerung der Rechtsanwaltskammer eine Belehrung zwar, aber kein Verwaltungsakt sei, der gerichtlich überprüft werden könnte, und
wies seine Vorabbeschwerde zurück. (AGH NRW, Az.
2 AGH 3/13) Damit etwas draus wird, müssten die
Tassen schon in Umlauf gebracht werden. Ob sich
der Brühler Kollege traut?
Unvereinbar mit dem Standesrecht. Kaffeetassen mit Gewaltszenen.
RA Patrick Ruppert, Köln
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Impressum:
Redaktion: Stefanie Salzmann, RA Patrick Ruppert /
Bildredaktion: Andrea Vollmer / Bücherforum: RA Jens Jenau /
V.i.S.d.P.: RA Tobias Sommer (Chefredakteur)
Anschrift wie Herausgeber
Fotos S. 2: Stephan Eichler, Stefan Höderath
Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss
des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin
Littenstraße 11, 10179 Berlin
Tel. 030/7261520
Erscheinungsweise:
vierteljährlich (1./2./3./4. Quartal)
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für 4 Ausgaben / Einzelheft: 14,50 Euro / Für Mitglieder des
FORUMs Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein
ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten.
ISSN 1437-3084
Layout / Satz: gudman design weimar, www.gudman.de
Lektorat: Nora Döring, BILDART
Druck: Buch- & Kunstdruckerei Keßler GmbH, Weimar
Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren
und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des
Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wider.
Redaktionsschluss Heft 1/2014: 21. Februar 2014
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Die Anwaltsausbildung ist lang, aufwändig
und erfordert vor allem ständig Entscheidungen, wohin die Reise beruflich gehen soll.
Die AdVoice beschäftigt sich in ihrer nächsten Ausgabe mit der Frage, welche Tätigkeitsfelder im juristischen Ausbildungspaket schon
mit drin sind und welche man dazukaufen
muss. Wir befassen uns mit Schul- und Hochschulrecht und der möglichen Rechtsbehelfe
während der Ausbildung. Und wer von Euch
was über seinen Prüfer zu erzählen hat, ist
herzlich willkommen, in der AdVoice seine
Geschichte endlich loszuwerden.
Schreibt an [email protected]
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ADVOICE 04/13
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Das FORUM bietet allen m/w Referendaren, Assessoren
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