DAIMLER_Auf dem Weg zum Klassenbesten
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DAIMLER_Auf dem Weg zum Klassenbesten
22 DAX-KONZERNE UNGESCHMINKT DIENSTAG, 5. APRIL 2016, NR. 65 DAIMLER 23 DIENSTAG, 5. APRIL 2016, NR. 65 1 1 95,79 € 90 HOCH 16.3.2015 90 Dieter Zetsche Vorstandschef seit Januar 2006 80 80 70 70 60 60 Aktienkurs in Euro 65,50 € 4.4.2016 Foto: J. Alden/Bloomberg 35,26 € 50 50 40 40 30 30 2.1.2005 20 10 An die Spitze zu kommen ist schwer – die Spitze zu Auf dem Weg zum Klassenbesten Der Absatzboom der Autotochter Mercedes macht Daimler ertragsstark wie nie. schwerer. Doch ► Mercedes wächst deutlich schneller als BMW. genau das ist unser ► Jedes zweite Auto wird von der eigenen Bank finanziert. Dieter Zetsche Vorstandsvorsitzender der Daimler AG 17,44 € Markus Fasse, Siegfried Hofmann München, Frankfurt F ür die Kunden hat Mercedes einen simplen Slogan gewählt: „Das Beste oder nichts“. Für seine Aktionäre hat Daimler-Chef Dieter Zetsche auch eine einfache Botschaft. „Wir werden das Unternehmen auf ein bisher nicht gekanntes Ertragsniveau führen“, versprach er bei der Vorlage der Zahlen Anfang Februar und nahm sich dabei persönlich in die Pflicht. Immerhin hat er sich seinen Vertrag noch einmal um drei Jahre bis Ende 2019 verlängern lassen. Sein Ziehvater, der 73-jährige Manfred Bischoff, strebt auf der Hauptversammlung eine Verlängerung des Mandats als Aufsichtsratschef bis 2020 an. Mit der Bilanz für das Jahr 2015 kann das Führungsduo gute Argumente aufweisen: Umsatz, Absatz und Gewinn liegen auf Rekordniveau. Daimler ist auf dem Weg, BMW zu überholen und den Titel des „Klassenbesten“ zurückzugewinnen. Für die Aktionäre wird die Erfolgsfahrt durch eine saftige Dividende greifbar. Die steigt um 33 Prozent auf 3,25 Euro pro Aktie. Daimler lebt vor allem von der Autosparte (Mercedes-Benz Cars), die mehr als die Hälfte der Umsätze bestreitet. Ein weiteres Viertel entfällt auf das Lastwagengeschäft. Mit zwölf Prozent vom Umsatz folgt die Finanzsparte, Vans und Busse machen zusammen zehn Prozent der Daimler-Erlöse. Erfreulich aus Konzernsicht: Alle Geschäftsbereiche können deutliche Ergebnisverbesserungen melden. Die Autosparte steigerte das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um ein Drittel auf fast acht Milliarden Euro und erreichte damit eine Umsatzrendite von 9,5 Prozent – erstmals seit Jahren mehr als BMW mit 9,2 Prozent. Daimler Trucks schaffte es, aus einem stagnierenden Absatz 17 Prozent Umsatzsteigerung und ein Gewinnplus von 37 Prozent zu ziehen. Selbst im Busgeschäft blieb bei einem Absatzeinbruch von 15 Prozent eine Ergebnisverbesserung von neun Prozent. Auf Konzernebene bleibt damit ein Ebit (inklusive Beteiligungserträge) von 13,2 Milliarden Euro, ein Plus von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Nettogewinn legte um ein Fünftel auf 8,7 Milliarden Euro zu. Die Qualität des Daimler-Gewinns hat sich dabei sogar noch stärker verbessert. Denn im Vorjahr profitierte der Stuttgarter Konzern noch von Sondererträgen aus dem Verkauf von Beteiligungen. 2015 dagegen überwogen die Belastungen, darunter die Kosten für einen Austausch von Airbags © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. des japanischen Herstellers Takata. Klammert man diese Faktoren aus, verbesserte sich das bereinigte Ebit sogar um 36 Prozent auf 13,8 Milliarden Euro. Dass die Gewinne durchweg deutlich stärker zulegten als der Umsatz, zeugt von Kostendisziplin. Die Zahl der Beschäftigten stieg lediglich um ein Prozent, der Anteil der Personalkosten am Umsatz TIEF 2.3.2009 10 Auszüge aus dem Geschäftsbericht Gewinn- und Verlustrechnung in Mio. Euro verteidigen noch Anspruch. 20 schrumpfte um einen vollen Prozentpunkt auf nur noch 14 Prozent. Doch Daimler profitierte auch von sehr günstigen externen Faktoren: Dazu gehört der niedrige Ölpreis und die Nullzinspolitik der europäischen Zentralbank, die das Geschäft mit der Autofinanzierung so billig macht wie nie zuvor. Der schwache Euro sorgt für Währungseffekte, die Finanzchef Bodo Uebber allein auf rund eine Milliarde Euro im Ergebnis beziffert. Dessen ungeachtet zeigt die Bilanz, dass Verkürzte Konzern-Kapitalflussrechnung 2015 2014 in Mio. Euro 2015 2014 9 667 11 053 222 -1 274 -9 722 -2 709 9 631 2 274 138 323 9 936 9 667 Umsatzerlöse 149 467 129 872 Zahlungsmittel am Jahresanfang Umsatzkosten -117 670 -101 688 Cashflow aus Geschäftstätigkeit Bruttoergebnis vom Umsatz 31 797 28 184 Cashflow aus Investitionstätigkeit Vertriebskosten -12 147 -11 534 Cashflow aus Finanzierungstätigkeit Allgemeine Verwaltungskosten -3 710 -3 329 Einfluss von Wechselkursänderungen a Zahlungsmittel am Jahresende -6 564 -5 680 Sonstige betriebliche Erträge 2 114 1 759 Sonstige betriebliche Aufwendungen -555 -1 160 Ergebnis aus At-equity-Finanzinvestitionen 464 897 in Mio. Euro -27 458 Mercedes-Benz Cars Forschungs- und Entwicklungskosten Übriges Finanzergebnis Sonderfaktoren im Ebit bit 20 2015 2 2014 2013 --- ---- 170 145 Rückruf Takata Airbags -300 -602 -715 Immobilienverkauf USA 87 Ergebnis vor Ertragsteuern 12 744 10 173 Ertragsteuern -4 033 -2 883 8 711 7 290 Zinserträge Zinsaufwendungen Konzernergebnis Netto-Verschuldung des Daimler-Konzerns N Nett in Mio. Euro Zahlungsmittel Verzinsliche Wertpapiere Liquidität Finanzierungsverbindlichkeiten Netto-Verschuldung 31.12.2015 31.12.2014 -83 -111 -174 Personalmaßnahmen hm -58 -149 -116 Restrukturierung eru /Abwertung -47 -46 Verkauf At Atlantis Foundries -61 8 273 6 634 Rüc Rückruf Takata Airbags 18 209 16 301 Wertaufholung Fujian Benz Automotive -100 559 -86 419 -82 350 -70 118 2015 014 2014 Cashflow aus Geschäftstätigkeit 11 735 75 539 Cashflow aus Investitionstätigkeit 6 -9 936 2 887 -2 1 897 -195 Free Cashflow des Industriegeschäfts rieru Abwertung/Restrukturierung Daimler Trucks 9 667 in Mio. Euro Übrige Anpassungen -121 9 936 Free Cashflow des Industriegeschäfts ränderung der Wertpa Veränderung Wertpapiere Periodenfremde öffentliche e Ab Abgaben 264 1 022 3 960 5 479 Daimler vor allem in der Autosparte operativ deutlich Fortschritte macht. Mercedes steigert die Verkäufe um 16 Prozent und verbuchte damit das bei weitem stärkste Absatzwachstum in der Branche. Erstmals verkaufte der Konzern mehr als zwei Millionen Autos der Marken Mercedes und Smart. Der bisherige Branchenprimus in der Oberklasse BMW schaffte nur ein Plus von 2,5 Prozent und hat seinen Vorsprung damit verloren. Seit Ende 2015 liegen Schwaben und Bayern in ihren Kernmarken praktisch gleichauf. Bei Daimler werden die Verkäufe vor allem von der Erholung der Konjunktur in Europa getragen – Spanien, Großbritannien und Italien legten zweistellig zu. In dem schwachen chinesischen Markt schaffte Mercedes ein Absatzplus von 41 Prozent. Das ist zum Teil ein Nachholeffekt: Nach BMW und Audi fährt nun auch Mercedes die Produktion vor Ort hoch, die wegfallenden Zölle machen die Autos mit dem Stern konkurrenzfähiger. Belebt wird der Absatz von neuen Modellen: Die neu eingeführte C-Klasse etwa fuhr ein Plus von 38 Prozent ein. Ausgezahlt hat sich auch das für 2015 von Daimler ausgerufene „ Jahr des Geländewagens“: Die Stuttgarter haben ihre SUV-Palette runderneuert und mit dem GLE-Coupé ein neues Modell eingeführt. Mercedes verkaufte im vergangenen Jahr 27 Prozent mehr Geländewagen, die in der Regel profitabler sind als Limousinen. Hinzu kommt mit der 2013 neu eingeführten S-Klasse ein extrem starkes Topmodell, das mit 106 000 Einheiten zwar rund zehn Prozent verlor, sich aber immer noch dreimal so gut verkaufte wie der nächststärkere Rivale, der BMW-7er. Die guten Geschäfte spülen viel Geld in die Kasse von Daimler und haben so den operativen Cashflow des Industriegeschäfts um gut vier auf 11,7 Milliarden Euro gestärkt. Das war mehr als genug, um den moderaten Anstieg der Sachinvestitionen und die etwas stärkere Erhöhung der aktivierten Entwicklungskosten abzudecken. und aktivierten Entwicklungskosten verblieb im Industriegeschäft von Daimler immerhin ein freier operativer Mittelzufluss von rund 4,5 Milliarden Euro, gut dreimal so viel wie im Vorjahr. Allerdings leistete sich der Konzern erstmals seit Jahren wieder eine negative Bilanz in Sachen M&A: Während man im Vorjahr drei Milliarden Euro aus Desinvestitionen erlöste, flossen 2015 netto rund 1,2 Milliarden ab unter anderem für die Erweiterung des Joint Ventures in China und den Kauf des digitalen Kartenanbieters Nokia Here, den Daimler gemeinsam mit BMW und Audi erwarb. Bezieht man diese Deals mit ein, sank der Free Cashflow des Industriegeschäfts von 5,5 Milliarden im Vorjahr auf nur noch knapp vier Milliarden Euro. Dagegen war der Free Cashflow des Gesamtkonzerns einschließlich Finanzsparte – wie bei fast allen Autokonzernen – mit mehr als sieben Milliarden Euro abermals SERIE Bilanzcheck Stärken und Schwächen „Dax-Konzerne ungeschminkt“ nimmt die Aktionärstreffen deutscher Großunternehmen zum Anlass, deren Jahresabschlüsse kritisch zu durchleuchten. Die nächsten Serienteile: 8. April Henkel 16. April Commerzbank ede Mercedes-Benz Vans -40 --61 0 -32 -17 g RRPSH Verkauf Beteiligung ---- 1 006 --- Bewertung Put-Option an RRPSH ---- -118 60 -60 Neubewertung Tesla ---- 718 --- ---- -124 -23 ---- -600 --- -643 606 2 811 Restrukturierung Überleitung Verkauf Tesla-Anteile Aufwand EU Kartellverfahre Kartellverfahren Gesamt Handelsblatt | Quellen: Bloomberg, Unternehmen Geschäftsbericht 2015, Seiten 86, 92, 99 und 103 Relativ zum Umsatz sank die Sachinvestitionsquote auf eher magere 3,4 Prozent vom Umsatz, nach 3,7 Prozent im Vorjahr. Ihre Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen erhöhten die Schwaben zwar von 5,7 auf 6,6 Milliarden Euro, doch die F&E-Quote stagnierte damit bei 4,4 Prozent. Gemessen an Daimlers Anspruch, in den Disziplinen Elektroantriebe, Digitalisierung und autonomes Fahren vorn dabei zu sein, wirken diese Werte eher schwäbisch bescheiden. Rivale BMW weist eine Investitionsquote von 6,4 und eine F&E-Quote von 4,6 Prozent aus. Das Gegenstück der verhaltenen Investitionen zeigt sich in der Finanzierungsrechnung. Nach Investitionen in Sachanlagen deutlich negativ. Daimler hat das Finanzierungs- und Leasinggeschäft erneut kräftig erweitert und den Absatzboom bei Mercedes so zu einem erheblichen Teil selbst finanziert. Das Volumen an vermieteten Fahrzeugen und Forderungen aus Finanzdienstleistungen stieg um fast ein Fünftel auf stolze 112,5 Milliarden Euro. Alles in allem hat sich dadurch die Nettoverschuldung um zwölf auf gut 82 Milliarden Euro erhöht. Dass Daimler trotzdem auch die Eigenkapitalquote noch um 1,5 Prozentpunkte auf 23,6 Prozent verbessern konnte, spricht indessen dafür, dass der Konzern den kreditfinanzierten Absatzboom gut verdauen kann. 24 DAX-KONZERNE UNGESCHMINKT DIENSTAG, 5. APRIL 2016, NR. 65 DAIMLER 25 DIENSTAG, 5. APRIL 2016, NR. 65 1 1 KENNZAHLEN Gewinn im Langfristtrend Umsatz nach Regionen Daimler-Konzern, in Mrd. Euro 2015, in Mrd. Euro (Veränderung zu 2014) 15 12,74 Mrd. € 12 Nordamerika 47,7 (+25,3 %) davon USA 41,9 (+25,8 %) Westeuropa 49,6 (+13,4 %) davon Deutschland 22,0 (+7,6 %) Operatives Ergebnis 9 Konzerngewinn 8,71 Mrd. € 6 S-Klasse ist das Maß der Dinge S ie ist das größte Modell mit dem Stern auf der Haube und neuerdings steuert sie sich selbst. Die S-Klasse ist mit Funktionen wie dem teil-autonomen Fahren nicht nur der technologische Vorreiter bei Mercedes. Das Spitzenmodell ist vor allem ein Garant für sprudelnde Gewinne in Stuttgart. 106 000 Stück der S-Klasse verkauften die Schwaben 2015. Die Kunden sitzen vor allem in Asien und Amerika. Allein in China werden pro Monat 500 Modelle der Maybach-Variante verkauft, die besonders luxuriös ausgestattet ist. Nun weist Daimler keine Renditekennziffern für einzelne Modelle aus. Stimmen aber die Berechnungen der Wettbewerber, dann bleiben pro verkauften Auto bis zu 30 000 Euro in der Daimler-Kasse hängen. Der Gewinn einer S-Klasse-Limousine würde damit dem Verkaufs- Starke Modellpalette Absatz 2015, Veränderung zu 2014 in Prozent A-/B-Klasse 425 000 +9,8 % C-Klasse 470 000 +29,6 % 543 000 +27,5 % E-Klasse 306 000 -7,0 % S-Klasse 106 000 -7,8 % Smart 121 000 +31,5 % SUVs Handelsblatt Quelle: Unternehmen preis eines gut ausgestatteten Wagens der A- oder B-Klasse entsprechen, von denen Mercedes im vergangenen Jahr gut 425 000 Autos absetzte. Insgesamt dürfte Daimler damit bis zu drei Milliarden Euro mit der S-Klasse verdienen. Betriebswirtschaftlich betrachtet steht also viel Masse im Kompaktsegment viel Klasse im Luxusbereich gegenüber. Der Erfolg der S-Klasse ruft die Rivalen auf den Plan. BMW hat im vergangenen Herbst die neue 7er-Reihe eingeführt, die ebenfalls technisch stark aufgerüstet wurde. Nach 36 000 Stück hoffen die Münchener in diesem Jahr 60 000 Stück ihres Spitzenmodells verkaufen zu können. Doch dabei wird es nicht bleiben: BMW-Chef Harald Krüger plant sein Produktangebot in der Oberklasse kräftig auszubauen, um gegen die zahlreichen Varianten der S-Klasse, wie Cabrio und Coupé, besser zu konkurrieren. Welche neuen Modelle BMW dabei ins Rennen schicken wird, ist aber noch unklar. Bei dem Kampf um die Vorherrschaft in der automobilen Oberklasse geht es nicht nur um Prestige. Die Topmodelle müssen die Renditen abwerfen, die Mercedes und BMW für die Entwicklung alternativer Antriebe brauchen. Zudem lassen sich in den teuren Topmodellen aufwendige Neuentwicklungen wie Laserlicht oder Funktionen zum autonomen Fahren besser vermarkten, weil die Kunden bereitwilliger dafür zahlen. Zu diesen Kunden hat Mercedes eindeutig den besten Zugang. Markus Fasse STÄRKE 2: BANKGESCHÄFT Finanzsparte liefert Rekordergebnis B ilanztechnisch gesehen ist auch Daimler – ähnlich wie die meisten großen Autokonzerne – in erster Linie kein Automobilhersteller mehr, sondern eine Bank- und Leasingfirma. Denn immerhin rund 57 Prozent der Bilanzsumme entfallen auf das Finanzierungsgeschäft, das heißt auf Forderungen aus Finanzdienstleistungen und den Bestand an vermieteten Fahrzeugen. Etwa die Hälfte des Absatzes wird inzwischen von der eigenen Bank finanziert. Diese Aktivität hat sich für den Konzern in den vergangenen Jahren als durchaus rentabel erwiesen. Denn die Ausfallquoten im Finanzgeschäft sind derzeit ebenso niedrig wie die Refinanzierungskosten. Als Konzern mit InvestmentgradeRating kann sich Daimler derzeit zu Zinsen von weniger als einem Prozent Geld auf dem Kapitalmarkt beschaffen. Die Sparte Daimler Financial Services konnte daher 2015 mit einem operativen Rekordergebnis von 1,6 Milliarden Euro abermals mit zur starken Performance des Konzerns beitragen. Seit 2010 hat sie ihr operatives Ergebnis verdoppelt und verbuchte damit den stärksten Ertragszuwachs unter allen Sparten des Konzerns. Es überrascht insofern wenig, dass sich die Führung des Autoriesen einen weiteren Ausbau des Finanzierungsgeschäfts vorgenommen hat. Gegenüber der Konkurrenz besteht in dieser Hinsicht durchaus noch Aufholbedarf. Firmen wie Ford und BMW sind relativ zu ihrem Umsatz sogar noch stärker in der Absatzfinanzierung engagiert. Und vor allem der Münchener Konkurrent holt aus seiner Finanzsparte derzeit auch noch mehr Ertrag heraus. Der Wermutstropfen des Finanzgeschäfts indessen besteht darin, dass die Konjunkturanfälligkeit der Autokonzerne dadurch nicht gerade gemildert wird. Im Gegenteil: In konjunkturellen Schwächephasen steigen tendenziell die Ausfallraten bei den Forderungen und geraten die Restwerte der Fahrzeuge unter Druck. Wie sich zum Beispiel 2008/2009 zeigte, entwickeln sich die Finanzerträge im Abschwung ziemlich parallel zum Autogeschäft. Aber ein solcher Einbruch ist derzeit kein Thema bei Daimler. Angesichts der Zinspolitik der EZB stehen die Chancen vielmehr gut, dass es weiter nach oben geht. Siegfried Hofmann Asien 33,7 (+14,6 %) davon China 16,7 (+25,5 %) Sonstige 18,5 (-1,0 %) 3 0 -3 1999 2001 2003 2005 2007 Umsatz nach Segmenten 2009 2011 2013 Mitarbeiter Autokonzerne im Vergleich 2015 nach Segmenten Operative Rendite* 2015 in Prozent 279 972 Ergebnis nach Segmenten Umsatz 2015 in Mrd. Euro, Veränd. zu 2014 Mercedes-Benz Cars Ebit 2015 in Mio. Euro, Veränd. zu 2014 Mercedes-Benz Cars 135 553 284 015 136 941 Mercedes-Benz Cars 81,0 +14,2 % Daimler Trucks 35,6 Mercedes-Benz Vans 11,1 Daimler Buses 4,0 Daimler Financial Services 17,7 +17,5 % +15,9 % Mercedes-Benz Vans 880 -2,6 % +18,8 % 10,4 % Toyota 10,3 % 8,5 % 6,9 % Hyundai 7 926 +35,4 % Daimler Trucks 2 576 BMW Daimler Daimler Buses 214 Daimler Financial Services 1 619 Daimler Trucks +37,2 % Mercedes-Benz Vans +29,0 % +8,6 % 87 628 86 391 Sonstige +16,7 % Ford 5,1 % Renault 4,7 % 4,6 % Honda Daimler Buses Daimler Financial Services 6,2 % Nissan PSA 21 598 17 473 8 878 2014 22 639 18 147 9 975 2015 GM Fiat-Chrysler Volkswagen Handelsblatt | *Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Beteiligungserträgen in % des Umsatzes, VW auf Basis der Neun-Monats-Zahlen 3,6 % 3,2 % 2,4 % 2,1 % Quelle: Unternehmen Die Risikofahrt mit dem Selbstzünder In der Dieselaffäre steht auch Daimler in der Kritik. Dabei ist der Konzern noch lange auf konventionelle Antriebe angewiesen. ► Umweltschützer haben eben- falls Daimler im Verdacht. ► Der Wechsel zur Elektromobili- tät wird teuer. Markus Fasse Stuttgart A ls der Sturm über Wolfsburg aufzieht, da hat Dieter Zetsche Beruhigendes zu verkünden. „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert“, lautet das Mantra des Daimler-Chefs. Illegale Abschalteinrichtungen, die Motoren auf Prüfständen sauberer erscheinen lassen, gebe es bei Mercedes nicht. Die Klarstellung ist wichtig. Volkswagen dürfte die Abgasaffäre einen zweistelligen Milliardenbetrag und einen hohen Reputationsschaden kosten. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. Zwar gibt es bislang keinen Nachweis, dass auch Daimler wie VW vorsätzlich gegen geltendes Recht verstoßen hat. Aber es gibt lautstarke Vorwürfe. Bestimmte Mercedes-Motoren, so Messungen im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe, produzieren erheblich mehr Stickoxide, als die Behörden bisher angenommen haben. Und auch erste Messergebnisse des Kraftfahrt-Bundesamtes, die bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace aufgetaucht sind, deuten auf Probleme mit dem Kleinwagen Smart hin. Der offizielle Abschlussbericht der Behörde, die alle Dieselautos in Deutschland prüft, steht aber noch aus. Die Verdachtsmomente machen sich amerikanische Kläger zu eigen. Seit Mitte Februar ist eine Sammelklage vor dem Bezirksgericht im US-Bundesstaat Illinois anhängig, in dem Mercedes Verbrauchertäuschung vorgeworfen wird. Daimler hält die Vorwürfe zwar für unbegründet. Doch die Klage hat auch die Umweltbehörde EPA SCHWÄCHE 1: LKW-GESCHÄFT Nur in Europa noch Wachstum W 2015 olfgang Bernhard ist Optimist. „Die beste Zeit des Lkws kommt noch“, sagt der Chef der Nutzfahrzeugsparte. Schneller als das Sozialprodukt der Welt wächst der Transportbedarf – theoretisch. Doch die Krise in den Schwellenländern macht Daimler, Weltmarktführer für schwere Lastwagen, einen Strich durch die Rechnung. 2015 verkauften die Stuttgarter mit ihren Marken Mercedes, Freightliner, Western Star und Fuso ein Prozent weniger als im Vorjahr. Dass die Sparte dennoch den operativen Gewinn um 37 Prozent steigern konnte, ist vor allem das Ergebnis eines starken Kostenmanagements. Indes die Gegenwart ist trist. In den Schwellenländern laufen die Geschäfte mies, selbst im bislang boomenden USMarkt fürchtet Bernhard einen Rückgang von zehn Prozent. Bleibt noch das notorisch kriselnde Europa. „Hier sehen wir einen leichten Marktzuwachs“, sagt Bernhard. Exemplarisch für die Krise steht Brasilien. Das vermeintliche Wirtschaftswunder ist seit Ende 2014 vorbei, im vergangenen Jahr brach der Markt um 49 Prozent ein. Auch Indonesien ging um gut 30 Prozent zurück. Die Folge: Seit Monaten verhandelt Daimler in seinen brasilianischen Werken über einen sozial verträglichen Stellenabbau. 1 500 Jobs wackeln, weiß Betriebsratschef Michael Brecht, Spartenchef Bernhard will Kündigungen nicht mehr ausschließen. Doch der Lkw-Chef ist ehrgeizig. Seinem Vertrieb hat er aufgetragen, Marktanteile zu erobern, um auch 2016 wieder mehr als 500 000 Lastwagen zu verkaufen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) im Lkw-Geschäft soll mit 2,7 Milliarden Euro stabil bleiben. Beitragen soll dazu vor allem das Europageschäft. Spanien und Portugal wachsen wieder, wenn auch auf bescheidener Basis. Mehr Lastwagen verkauft Daimler zudem in Osteuropa. Der niedrige Ölpreis und die niedrigen Zinsen erleichtern den Spediteuren die Investitionen. Und es gibt mit Iran einen Hoffnungskandidaten. Nach der Teil-Aufhebung der Sanktionen im Januar arbeiten die Schwaben intensiv an der Wiederaufnahme der Lkw-Produktion. Mittelfristig habe das Land ein Potenzial wie die Türkei, wo pro Jahr rund 40 000 Lastwagen verkauft werden. Markus Fasse SCHWÄCHE 2: RENDITEN Noch ist BMW nicht überrundet W S-Klasse Coupé: 2015 wurden 106 00 0 Autos der S-Klas se-Baureihe verk auft. auf den Plan gerufen und die fordert von Mercedes Testergebnisse und Aufklärung. Daimler wehrt sich mit allen juristischen Mitteln gegen den Betrugsvorwurf. Denn der Dieselmotor ist für Daimler mehr als nur eine Antriebstechnologie. Siebzig Prozent der in Europa verkauften Autos von Daimler fahren mit Diesel. Er ist das Herzstück einer Strategie, die dem Konzern das Geschäft bis weit in das kommende Jahrzehnt sichern soll. dpa STÄRKE 1: LUXUSMODELLE Nur mit den Selbstzündern, die rund ein Fünftel weniger Kraftstoff verbrauchen als Ottomotoren, können die Stuttgarter die ehrgeizigen, für 2021 festgesetzten Verbrauchsziele in der EU einhalten. Daimler investiert deshalb weiter Milliarden in die Dieseltechnik. Der bisherige Mercedes Vierzylinder-Dieselmotor, intern als Ölmotor OM 651 bezeichnet, wird durch den OM 654 ersetzt. Der soll technisch wesentlich einfacher sauber zu halten sein. Doch das wird nicht reichen, der Konzern wird wie die Konkurrenz sehr viel Geld in die Entwicklung alternativer Antriebe stecken müssen. Bis 2017 will Daimler zehn Modelle als Plug-in-Hybride auf dem Markt haben, ein Antriebszwitter, bei dem sowohl ein Verbrennungsmotor als auch eine Batterie mitgeführt werden. Danach braucht Daimler Brennstoffzellen und Elektrobatterien. Dass es in Deutschland bislang kaum Nachfrage für diese Autos gibt, macht die Aufgabe nicht einfacher. Neben den erhofften staatlichen Kaufhilfen wird Daimler mit eigenem Geld den Absatz ankurbeln müssen. „Mittelfristig werden die Plug-in-Modelle genauso zu unserem Renditeziel beitragen wie unsere anderen Autos“, sagt Entwicklungschef Thomas Weber. Der Umkehrschluss ist ernüchternd. Kurzfristig sind die Autos mit Stecker und Batterie für Daimler eher Bremsen für den Profit, wenn sie denn überhaupt zum Gewinn beitragen. as die operativen Margen angeht, hat Daimler 2015 einen kräftigen Sprung nach vorn gemacht. Um rund 1,3 Prozentpunkte hat sich die Ebit-Rendite des Konzerns verbessert. Unter den großen Autokonzernen haben nur Ford und PSA stärkere Verbesserungen bei den Margen ausgewiesen, allerdings von deutlich niedrigerem Niveau aus. Der Branchenvergleich indessen zeigt auch: Daimler kann sich in Sachen Renditen, ungeachtet aller Fortschritte, noch nicht ganz am Ziel wähnen. Der Rückstand gegenüber den Spitzenverdienern BMW und Toyota, die auf Konzernebene rund zwei Prozentpunkte mehr Ebit-Rendite ausweisen, lässt vielmehr in Stuttgart noch weiteres Verbesserungspotenzial vermuten. Zwar lässt sich ein Teil des Gefälles zweifellos mit den Unterschieden in der Ge- Klassenschwächster Wertschöpfung je Mitarbeiter 2015 in Euro 170 970 € 138 077 € 118 385 € 76 148 € BMW Handelsblatt Audi Daimler VW Quellen: Unternehmen, HB-Berechnung schäftsstruktur erklären. Daimler ist im Gegensatz zu den Konkurrenten stark im Lkw- und Transportergeschäft engagiert. Die Mercedes-Sparte allein wies für 2015 immerhin erstmals eine höhere Marge aus als die BMW-Autosparte. Für Reserven in der Kostenstruktur spricht indessen ein näherer Blick auf die Erfolgsrechnung: Der deutliche Renditesprung im vergangenen Jahr wurde interessanterweise offenbar nicht in der Produktion erwirtschaftet. Die Herstellkosten wuchsen vielmehr noch einen Tick stärker als die Erlöse, so dass sich die Bruttomarge (Umsatz minus Herstellkosten) leicht auf 21,3 Prozent verschlechterte. Entscheidend war vielmehr, dass sich alle übrigen Kostenkategorien durchweg unterproportional zum Umsatz erhöhten. Das gilt insbesondere für den F+E-Aufwand und die Vertriebskosten. Dagegen gelang es Daimler mit Blick auf die Herstellkosten nicht, den Rückstand gegenüber BMW zu verringern. Relativ zum Umsatz arbeitet der Münchener Konkurrent drei Prozentpunkte günstiger als Daimler. Ein ähnliches Bild vermittelt der Blick auf die Wertschöpfung je Mitarbeiter als Indikator für die Produktivität der Konzerne. Daimler hat sich hier 2015 um 14 Prozent auf gut 118 000 Euro verbessert, liegt damit aber noch um fast ein Drittel hinter BMW zurück. Auch das spricht dafür, dass bei der Effizienz noch Luft nach oben besteht. Siegfried Hofmann