DAIMLER_Auf dem Weg zum Klassenbesten

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DAIMLER_Auf dem Weg zum Klassenbesten
22 DAX-KONZERNE UNGESCHMINKT
DIENSTAG, 5. APRIL 2016, NR. 65
DAIMLER 23
DIENSTAG, 5. APRIL 2016, NR. 65
1
1
95,79 €
90
HOCH
16.3.2015
90
Dieter Zetsche
Vorstandschef
seit Januar 2006
80
80
70
70
60
60
Aktienkurs
in Euro
65,50 €
4.4.2016
Foto: J. Alden/Bloomberg
35,26 €
50
50
40
40
30
30
2.1.2005
20
10
An die Spitze zu
kommen ist schwer –
die Spitze zu
Auf dem
Weg zum
Klassenbesten
Der Absatzboom der Autotochter Mercedes
macht Daimler ertragsstark wie nie.
schwerer. Doch
► Mercedes wächst deutlich
schneller als BMW.
genau das ist unser
► Jedes zweite Auto wird von der
eigenen Bank finanziert.
Dieter Zetsche
Vorstandsvorsitzender der Daimler AG
17,44 €
Markus Fasse, Siegfried Hofmann
München, Frankfurt
F
ür die Kunden hat Mercedes einen simplen Slogan gewählt:
„Das Beste oder nichts“. Für seine Aktionäre hat Daimler-Chef
Dieter Zetsche auch eine einfache Botschaft. „Wir werden das Unternehmen auf ein bisher nicht gekanntes Ertragsniveau führen“, versprach er bei der
Vorlage der Zahlen Anfang Februar und
nahm sich dabei persönlich in die Pflicht.
Immerhin hat er sich seinen Vertrag noch
einmal um drei Jahre bis Ende 2019 verlängern lassen. Sein Ziehvater, der 73-jährige
Manfred Bischoff, strebt auf der Hauptversammlung eine Verlängerung des Mandats
als Aufsichtsratschef bis 2020 an.
Mit der Bilanz für das Jahr 2015 kann das
Führungsduo gute Argumente aufweisen:
Umsatz, Absatz und Gewinn liegen auf Rekordniveau. Daimler ist auf dem Weg,
BMW zu überholen und den Titel des
„Klassenbesten“ zurückzugewinnen. Für
die Aktionäre wird die Erfolgsfahrt durch
eine saftige Dividende greifbar. Die steigt
um 33 Prozent auf 3,25 Euro pro Aktie.
Daimler lebt vor allem von der Autosparte (Mercedes-Benz Cars), die mehr als die
Hälfte der Umsätze bestreitet. Ein weiteres
Viertel entfällt auf das Lastwagengeschäft.
Mit zwölf Prozent vom Umsatz folgt die Finanzsparte, Vans und Busse machen zusammen zehn Prozent der Daimler-Erlöse.
Erfreulich aus Konzernsicht: Alle Geschäftsbereiche können deutliche Ergebnisverbesserungen melden.
Die Autosparte steigerte das Ergebnis
vor Zinsen und Steuern (Ebit) um ein Drittel auf fast acht Milliarden Euro und erreichte damit eine Umsatzrendite von 9,5
Prozent – erstmals seit Jahren mehr als
BMW mit 9,2 Prozent. Daimler Trucks
schaffte es, aus einem stagnierenden Absatz 17 Prozent Umsatzsteigerung und ein
Gewinnplus von 37 Prozent zu ziehen.
Selbst im Busgeschäft blieb bei einem Absatzeinbruch von 15 Prozent eine Ergebnisverbesserung von neun Prozent. Auf Konzernebene bleibt damit ein Ebit (inklusive
Beteiligungserträge) von 13,2 Milliarden
Euro, ein Plus von 23 Prozent gegenüber
dem Vorjahr. Der Nettogewinn legte um
ein Fünftel auf 8,7 Milliarden Euro zu.
Die Qualität des Daimler-Gewinns hat sich
dabei sogar noch stärker verbessert. Denn
im Vorjahr profitierte der Stuttgarter Konzern noch von Sondererträgen aus dem
Verkauf von Beteiligungen. 2015 dagegen
überwogen die Belastungen, darunter die
Kosten für einen Austausch von Airbags
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des japanischen Herstellers Takata. Klammert man diese Faktoren aus, verbesserte
sich das bereinigte Ebit sogar um 36 Prozent auf 13,8 Milliarden Euro.
Dass die Gewinne durchweg deutlich
stärker zulegten als der Umsatz, zeugt von
Kostendisziplin. Die Zahl der Beschäftigten stieg lediglich um ein Prozent, der Anteil der Personalkosten am Umsatz
TIEF
2.3.2009
10
Auszüge aus dem Geschäftsbericht
Gewinn- und Verlustrechnung
in Mio. Euro
verteidigen noch
Anspruch.
20
schrumpfte um einen vollen Prozentpunkt
auf nur noch 14 Prozent.
Doch Daimler profitierte auch von sehr
günstigen externen Faktoren: Dazu gehört
der niedrige Ölpreis und die Nullzinspolitik der europäischen Zentralbank, die das
Geschäft mit der Autofinanzierung so billig
macht wie nie zuvor. Der schwache Euro
sorgt für Währungseffekte, die Finanzchef
Bodo Uebber allein auf rund eine Milliarde
Euro im Ergebnis beziffert.
Dessen ungeachtet zeigt die Bilanz, dass
Verkürzte Konzern-Kapitalflussrechnung
2015
2014
in Mio. Euro
2015
2014
9 667
11 053
222
-1 274
-9 722
-2 709
9 631
2 274
138
323
9 936
9 667
Umsatzerlöse
149 467
129 872
Zahlungsmittel am Jahresanfang
Umsatzkosten
-117 670
-101 688
Cashflow aus Geschäftstätigkeit
Bruttoergebnis vom Umsatz
31 797
28 184
Cashflow aus Investitionstätigkeit
Vertriebskosten
-12 147
-11 534
Cashflow aus Finanzierungstätigkeit
Allgemeine Verwaltungskosten
-3 710
-3 329
Einfluss von Wechselkursänderungen
a
Zahlungsmittel
am Jahresende
-6 564
-5 680
Sonstige betriebliche Erträge
2 114
1 759
Sonstige betriebliche Aufwendungen
-555
-1 160
Ergebnis aus At-equity-Finanzinvestitionen
464
897
in Mio. Euro
-27
458
Mercedes-Benz Cars
Forschungs- und Entwicklungskosten
Übriges Finanzergebnis
Sonderfaktoren im Ebit
bit
20
2015
2
2014
2013
---
----
170
145
Rückruf Takata Airbags
-300
-602
-715
Immobilienverkauf USA
87
Ergebnis vor Ertragsteuern
12 744
10 173
Ertragsteuern
-4 033
-2 883
8 711
7 290
Zinserträge
Zinsaufwendungen
Konzernergebnis
Netto-Verschuldung des Daimler-Konzerns
N
Nett
in Mio. Euro
Zahlungsmittel
Verzinsliche Wertpapiere
Liquidität
Finanzierungsverbindlichkeiten
Netto-Verschuldung
31.12.2015
31.12.2014
-83
-111
-174
Personalmaßnahmen
hm
-58
-149
-116
Restrukturierung
eru /Abwertung
-47
-46
Verkauf At
Atlantis Foundries
-61
8 273
6 634
Rüc
Rückruf Takata Airbags
18 209
16 301
Wertaufholung Fujian Benz Automotive
-100 559
-86 419
-82 350
-70 118
2015
014
2014
Cashflow aus Geschäftstätigkeit
11 735
75
539
Cashflow aus Investitionstätigkeit
6
-9 936
2 887
-2
1 897
-195
Free Cashflow des Industriegeschäfts
rieru
Abwertung/Restrukturierung
Daimler Trucks
9 667
in Mio. Euro
Übrige Anpassungen
-121
9 936
Free Cashflow des Industriegeschäfts
ränderung der Wertpa
Veränderung
Wertpapiere
Periodenfremde öffentliche
e Ab
Abgaben
264
1 022
3 960
5 479
Daimler vor allem in der Autosparte operativ deutlich Fortschritte macht. Mercedes
steigert die Verkäufe um 16 Prozent und
verbuchte damit das bei weitem stärkste
Absatzwachstum in der Branche. Erstmals
verkaufte der Konzern mehr als zwei Millionen Autos der Marken Mercedes und
Smart. Der bisherige Branchenprimus in
der Oberklasse BMW schaffte nur ein Plus
von 2,5 Prozent und hat seinen Vorsprung
damit verloren. Seit Ende 2015 liegen
Schwaben und Bayern in ihren Kernmarken praktisch gleichauf.
Bei Daimler werden die Verkäufe vor allem von der Erholung der Konjunktur in
Europa getragen – Spanien, Großbritannien und Italien legten zweistellig zu. In
dem schwachen chinesischen Markt
schaffte Mercedes ein Absatzplus von 41
Prozent. Das ist zum Teil ein Nachholeffekt: Nach BMW und Audi fährt nun auch
Mercedes die Produktion vor Ort hoch, die
wegfallenden Zölle machen die Autos mit
dem Stern konkurrenzfähiger.
Belebt wird der Absatz von neuen Modellen: Die neu eingeführte C-Klasse etwa
fuhr ein Plus von 38 Prozent ein. Ausgezahlt hat sich auch das für 2015 von Daimler ausgerufene „ Jahr des Geländewagens“: Die Stuttgarter haben ihre SUV-Palette runderneuert und mit dem
GLE-Coupé ein neues Modell eingeführt.
Mercedes verkaufte im vergangenen Jahr
27 Prozent mehr Geländewagen, die in der
Regel profitabler sind als Limousinen. Hinzu kommt mit der 2013 neu eingeführten
S-Klasse ein extrem starkes Topmodell, das
mit 106 000 Einheiten zwar rund zehn
Prozent verlor, sich aber immer noch dreimal so gut verkaufte wie der nächststärkere Rivale, der BMW-7er.
Die guten Geschäfte spülen viel Geld in
die Kasse von Daimler und haben so den
operativen Cashflow des Industriegeschäfts um gut vier auf 11,7 Milliarden Euro
gestärkt. Das war mehr als genug, um den
moderaten Anstieg der Sachinvestitionen
und die etwas stärkere Erhöhung der aktivierten Entwicklungskosten abzudecken.
und aktivierten Entwicklungskosten verblieb im Industriegeschäft von Daimler immerhin ein freier operativer Mittelzufluss
von rund 4,5 Milliarden Euro, gut dreimal
so viel wie im Vorjahr. Allerdings leistete
sich der Konzern erstmals seit Jahren wieder eine negative Bilanz in Sachen M&A:
Während man im Vorjahr drei Milliarden
Euro aus Desinvestitionen erlöste, flossen
2015 netto rund 1,2 Milliarden ab unter anderem für die Erweiterung des Joint Ventures in China und den Kauf des digitalen
Kartenanbieters Nokia Here, den Daimler
gemeinsam mit BMW und Audi erwarb.
Bezieht man diese Deals mit ein, sank der
Free Cashflow des Industriegeschäfts von
5,5 Milliarden im Vorjahr auf nur noch
knapp vier Milliarden Euro.
Dagegen war der Free Cashflow des Gesamtkonzerns einschließlich Finanzsparte
– wie bei fast allen Autokonzernen – mit
mehr als sieben Milliarden Euro abermals
SERIE
Bilanzcheck
Stärken und Schwächen
„Dax-Konzerne ungeschminkt“
nimmt die Aktionärstreffen deutscher
Großunternehmen zum Anlass, deren
Jahresabschlüsse kritisch zu durchleuchten. Die nächsten Serienteile:
8. April Henkel
16. April Commerzbank
ede
Mercedes-Benz
Vans
-40
--61
0
-32
-17
g RRPSH
Verkauf Beteiligung
----
1 006
---
Bewertung Put-Option an RRPSH
----
-118
60
-60
Neubewertung Tesla
----
718
---
----
-124
-23
----
-600
---
-643
606
2 811
Restrukturierung
Überleitung
Verkauf Tesla-Anteile
Aufwand EU Kartellverfahre
Kartellverfahren
Gesamt
Handelsblatt | Quellen: Bloomberg, Unternehmen
Geschäftsbericht 2015, Seiten 86, 92, 99 und 103
Relativ zum Umsatz sank die Sachinvestitionsquote auf eher magere 3,4 Prozent
vom Umsatz, nach 3,7 Prozent im Vorjahr.
Ihre Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen erhöhten die Schwaben zwar
von 5,7 auf 6,6 Milliarden Euro, doch die
F&E-Quote stagnierte damit bei 4,4 Prozent. Gemessen an Daimlers Anspruch, in
den Disziplinen Elektroantriebe, Digitalisierung und autonomes Fahren vorn dabei
zu sein, wirken diese Werte eher schwäbisch bescheiden. Rivale BMW weist eine
Investitionsquote von 6,4 und eine
F&E-Quote von 4,6 Prozent aus.
Das Gegenstück der verhaltenen Investitionen zeigt sich in der Finanzierungsrechnung. Nach Investitionen in Sachanlagen
deutlich negativ. Daimler hat das Finanzierungs- und Leasinggeschäft erneut kräftig
erweitert und den Absatzboom bei Mercedes so zu einem erheblichen Teil selbst finanziert. Das Volumen an vermieteten
Fahrzeugen und Forderungen aus Finanzdienstleistungen stieg um fast ein Fünftel
auf stolze 112,5 Milliarden Euro.
Alles in allem hat sich dadurch die Nettoverschuldung um zwölf auf gut 82 Milliarden Euro erhöht. Dass Daimler trotzdem
auch die Eigenkapitalquote noch um 1,5
Prozentpunkte auf 23,6 Prozent verbessern konnte, spricht indessen dafür, dass
der Konzern den kreditfinanzierten Absatzboom gut verdauen kann.
24 DAX-KONZERNE UNGESCHMINKT
DIENSTAG, 5. APRIL 2016, NR. 65
DAIMLER 25
DIENSTAG, 5. APRIL 2016, NR. 65
1
1
KENNZAHLEN
Gewinn im Langfristtrend
Umsatz nach Regionen
Daimler-Konzern, in Mrd. Euro
2015, in Mrd. Euro (Veränderung zu 2014)
15
12,74 Mrd. €
12
Nordamerika
47,7 (+25,3 %)
davon
USA
41,9 (+25,8 %)
Westeuropa
49,6 (+13,4 %)
davon
Deutschland 22,0 (+7,6 %)
Operatives Ergebnis
9
Konzerngewinn
8,71 Mrd. €
6
S-Klasse ist das Maß der Dinge
S
ie ist das größte Modell mit dem
Stern auf der Haube und neuerdings
steuert sie sich selbst. Die S-Klasse
ist mit Funktionen wie dem teil-autonomen Fahren nicht nur der technologische Vorreiter bei Mercedes. Das Spitzenmodell ist vor allem ein Garant für
sprudelnde Gewinne in Stuttgart.
106 000 Stück der S-Klasse verkauften
die Schwaben 2015. Die Kunden sitzen
vor allem in Asien und Amerika. Allein
in China werden pro Monat 500 Modelle
der Maybach-Variante verkauft, die besonders luxuriös ausgestattet ist.
Nun weist Daimler keine Renditekennziffern für einzelne Modelle aus. Stimmen
aber die Berechnungen der Wettbewerber, dann bleiben pro verkauften Auto
bis zu 30 000 Euro in der Daimler-Kasse
hängen. Der Gewinn einer S-Klasse-Limousine würde damit dem Verkaufs-
Starke Modellpalette
Absatz 2015, Veränderung zu 2014 in Prozent
A-/B-Klasse
425 000
+9,8 %
C-Klasse
470 000
+29,6 %
543 000
+27,5 %
E-Klasse
306 000
-7,0 %
S-Klasse
106 000
-7,8 %
Smart
121 000
+31,5 %
SUVs
Handelsblatt
Quelle: Unternehmen
preis eines gut ausgestatteten Wagens
der A- oder B-Klasse entsprechen, von
denen Mercedes im vergangenen Jahr
gut 425 000 Autos absetzte. Insgesamt
dürfte Daimler damit bis zu drei Milliarden Euro mit der S-Klasse verdienen. Betriebswirtschaftlich betrachtet steht also
viel Masse im Kompaktsegment viel Klasse im Luxusbereich gegenüber.
Der Erfolg der S-Klasse ruft die Rivalen
auf den Plan. BMW hat im vergangenen
Herbst die neue 7er-Reihe eingeführt,
die ebenfalls technisch stark aufgerüstet
wurde. Nach 36 000 Stück hoffen die
Münchener in diesem Jahr 60 000 Stück
ihres Spitzenmodells verkaufen zu können. Doch dabei wird es nicht bleiben:
BMW-Chef Harald Krüger plant sein Produktangebot in der Oberklasse kräftig
auszubauen, um gegen die zahlreichen
Varianten der S-Klasse, wie Cabrio und
Coupé, besser zu konkurrieren. Welche
neuen Modelle BMW dabei ins Rennen
schicken wird, ist aber noch unklar.
Bei dem Kampf um die Vorherrschaft in
der automobilen Oberklasse geht es
nicht nur um Prestige. Die Topmodelle
müssen die Renditen abwerfen, die Mercedes und BMW für die Entwicklung alternativer Antriebe brauchen. Zudem
lassen sich in den teuren Topmodellen
aufwendige Neuentwicklungen wie Laserlicht oder Funktionen zum autonomen Fahren besser vermarkten, weil die
Kunden bereitwilliger dafür zahlen. Zu
diesen Kunden hat Mercedes eindeutig
den besten Zugang. Markus Fasse
STÄRKE 2: BANKGESCHÄFT
Finanzsparte liefert Rekordergebnis
B
ilanztechnisch gesehen ist auch
Daimler – ähnlich wie die meisten
großen Autokonzerne – in erster Linie kein Automobilhersteller mehr, sondern eine Bank- und Leasingfirma. Denn
immerhin rund 57 Prozent der Bilanzsumme entfallen auf das Finanzierungsgeschäft, das heißt auf Forderungen aus
Finanzdienstleistungen und den Bestand an vermieteten Fahrzeugen. Etwa
die Hälfte des Absatzes wird inzwischen
von der eigenen Bank finanziert.
Diese Aktivität hat sich für den Konzern
in den vergangenen Jahren als durchaus
rentabel erwiesen. Denn die Ausfallquoten im Finanzgeschäft sind derzeit ebenso niedrig wie die Refinanzierungskosten. Als Konzern mit InvestmentgradeRating kann sich Daimler derzeit zu
Zinsen von weniger als einem Prozent
Geld auf dem Kapitalmarkt beschaffen.
Die Sparte Daimler Financial Services
konnte daher 2015 mit einem operativen
Rekordergebnis von 1,6 Milliarden Euro
abermals mit zur starken Performance
des Konzerns beitragen. Seit 2010 hat
sie ihr operatives Ergebnis verdoppelt
und verbuchte damit den stärksten Ertragszuwachs unter allen Sparten des
Konzerns. Es überrascht insofern wenig,
dass sich die Führung des Autoriesen einen weiteren Ausbau des Finanzierungsgeschäfts vorgenommen hat.
Gegenüber der Konkurrenz besteht in
dieser Hinsicht durchaus noch Aufholbedarf. Firmen wie Ford und BMW sind relativ zu ihrem Umsatz sogar noch stärker in der Absatzfinanzierung engagiert.
Und vor allem der Münchener Konkurrent holt aus seiner Finanzsparte derzeit
auch noch mehr Ertrag heraus.
Der Wermutstropfen des Finanzgeschäfts indessen besteht darin, dass die
Konjunkturanfälligkeit der Autokonzerne dadurch nicht gerade gemildert wird.
Im Gegenteil: In konjunkturellen Schwächephasen steigen tendenziell die Ausfallraten bei den Forderungen und geraten die Restwerte der Fahrzeuge unter
Druck. Wie sich zum Beispiel
2008/2009 zeigte, entwickeln sich die
Finanzerträge im Abschwung ziemlich
parallel zum Autogeschäft.
Aber ein solcher Einbruch ist derzeit
kein Thema bei Daimler. Angesichts der
Zinspolitik der EZB stehen die Chancen
vielmehr gut, dass es weiter nach oben
geht. Siegfried Hofmann
Asien
33,7 (+14,6 %)
davon
China 16,7 (+25,5 %)
Sonstige 18,5 (-1,0 %)
3
0
-3
1999
2001
2003
2005
2007
Umsatz nach Segmenten
2009
2011
2013
Mitarbeiter
Autokonzerne im Vergleich
2015 nach Segmenten
Operative Rendite* 2015 in Prozent
279 972
Ergebnis nach Segmenten
Umsatz 2015 in Mrd. Euro, Veränd. zu 2014
Mercedes-Benz Cars
Ebit 2015 in Mio. Euro, Veränd. zu 2014
Mercedes-Benz Cars
135 553
284 015
136 941
Mercedes-Benz Cars
81,0 +14,2 %
Daimler Trucks
35,6
Mercedes-Benz Vans
11,1
Daimler Buses
4,0
Daimler Financial Services
17,7
+17,5 %
+15,9 %
Mercedes-Benz Vans
880
-2,6 %
+18,8 %
10,4 %
Toyota
10,3 %
8,5 %
6,9 %
Hyundai
7 926 +35,4 %
Daimler Trucks
2 576
BMW
Daimler
Daimler Buses
214
Daimler Financial Services
1 619
Daimler Trucks
+37,2 %
Mercedes-Benz
Vans
+29,0 %
+8,6 %
87 628
86 391
Sonstige
+16,7 %
Ford
5,1 %
Renault
4,7 %
4,6 %
Honda
Daimler Buses
Daimler Financial
Services
6,2 %
Nissan
PSA
21 598
17 473
8 878
2014
22 639
18 147
9 975
2015
GM
Fiat-Chrysler
Volkswagen
Handelsblatt | *Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Beteiligungserträgen in % des Umsatzes, VW auf Basis der Neun-Monats-Zahlen
3,6 %
3,2 %
2,4 %
2,1 %
Quelle: Unternehmen
Die Risikofahrt
mit dem
Selbstzünder
In der Dieselaffäre steht auch Daimler in der
Kritik. Dabei ist der Konzern noch lange auf
konventionelle Antriebe angewiesen.
► Umweltschützer haben eben-
falls Daimler im Verdacht.
► Der Wechsel zur Elektromobili-
tät wird teuer.
Markus Fasse
Stuttgart
A
ls der Sturm über Wolfsburg
aufzieht, da hat Dieter Zetsche
Beruhigendes zu verkünden.
„Bei uns wird nicht betrogen,
bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert“, lautet das Mantra des
Daimler-Chefs. Illegale Abschalteinrichtungen, die Motoren auf Prüfständen sauberer erscheinen lassen, gebe es bei Mercedes nicht. Die Klarstellung ist wichtig.
Volkswagen dürfte die Abgasaffäre einen
zweistelligen Milliardenbetrag und einen
hohen Reputationsschaden kosten.
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Zwar gibt es bislang keinen Nachweis,
dass auch Daimler wie VW vorsätzlich gegen geltendes Recht verstoßen hat. Aber es
gibt lautstarke Vorwürfe. Bestimmte Mercedes-Motoren, so Messungen im Auftrag
der Deutschen Umwelthilfe, produzieren
erheblich mehr Stickoxide, als die Behörden bisher angenommen haben. Und auch
erste Messergebnisse des Kraftfahrt-Bundesamtes, die bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace aufgetaucht sind,
deuten auf Probleme mit dem Kleinwagen
Smart hin. Der offizielle Abschlussbericht
der Behörde, die alle Dieselautos in
Deutschland prüft, steht aber noch aus.
Die Verdachtsmomente machen sich
amerikanische Kläger zu eigen. Seit Mitte
Februar ist eine Sammelklage vor dem Bezirksgericht im US-Bundesstaat Illinois anhängig, in dem Mercedes Verbrauchertäuschung vorgeworfen wird. Daimler hält die
Vorwürfe zwar für unbegründet. Doch die
Klage hat auch die Umweltbehörde EPA
SCHWÄCHE 1: LKW-GESCHÄFT
Nur in Europa noch Wachstum
W
2015
olfgang Bernhard ist Optimist.
„Die beste Zeit des Lkws kommt
noch“, sagt der Chef der Nutzfahrzeugsparte. Schneller als das Sozialprodukt der Welt wächst der Transportbedarf – theoretisch. Doch die Krise in
den Schwellenländern macht Daimler,
Weltmarktführer für schwere Lastwagen, einen Strich durch die Rechnung.
2015 verkauften die Stuttgarter mit ihren
Marken Mercedes, Freightliner, Western
Star und Fuso ein Prozent weniger als
im Vorjahr. Dass die Sparte dennoch den
operativen Gewinn um 37 Prozent steigern konnte, ist vor allem das Ergebnis
eines starken Kostenmanagements.
Indes die Gegenwart ist trist. In den
Schwellenländern laufen die Geschäfte
mies, selbst im bislang boomenden USMarkt fürchtet Bernhard einen Rückgang von zehn Prozent. Bleibt noch das
notorisch kriselnde Europa. „Hier sehen
wir einen leichten Marktzuwachs“, sagt
Bernhard.
Exemplarisch für die Krise steht Brasilien. Das vermeintliche Wirtschaftswunder ist seit Ende 2014 vorbei, im vergangenen Jahr brach der Markt um 49 Prozent ein. Auch Indonesien ging um gut
30 Prozent zurück. Die Folge: Seit Monaten verhandelt Daimler in seinen brasilianischen Werken über einen sozial verträglichen Stellenabbau. 1 500 Jobs wackeln, weiß Betriebsratschef Michael
Brecht, Spartenchef Bernhard will Kündigungen nicht mehr ausschließen.
Doch der Lkw-Chef ist ehrgeizig. Seinem
Vertrieb hat er aufgetragen, Marktanteile zu erobern, um auch 2016 wieder
mehr als 500 000 Lastwagen zu verkaufen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) im Lkw-Geschäft soll mit 2,7
Milliarden Euro stabil bleiben. Beitragen
soll dazu vor allem das Europageschäft.
Spanien und Portugal wachsen wieder,
wenn auch auf bescheidener Basis.
Mehr Lastwagen verkauft Daimler zudem in Osteuropa. Der niedrige Ölpreis
und die niedrigen Zinsen erleichtern
den Spediteuren die Investitionen. Und
es gibt mit Iran einen Hoffnungskandidaten. Nach der Teil-Aufhebung der Sanktionen im Januar arbeiten die Schwaben
intensiv an der Wiederaufnahme der
Lkw-Produktion. Mittelfristig habe das
Land ein Potenzial wie die Türkei, wo
pro Jahr rund 40 000 Lastwagen verkauft werden. Markus Fasse
SCHWÄCHE 2: RENDITEN
Noch ist BMW nicht überrundet
W
S-Klasse Coupé:
2015 wurden 106
00
0 Autos der S-Klas
se-Baureihe verk
auft.
auf den Plan gerufen und die fordert von
Mercedes Testergebnisse und Aufklärung.
Daimler wehrt sich mit allen juristischen
Mitteln gegen den Betrugsvorwurf. Denn
der Dieselmotor ist für Daimler mehr als
nur eine Antriebstechnologie. Siebzig Prozent der in Europa verkauften Autos von
Daimler fahren mit Diesel. Er ist das Herzstück einer Strategie, die dem Konzern das
Geschäft bis weit in das kommende Jahrzehnt sichern soll.
dpa
STÄRKE 1: LUXUSMODELLE
Nur mit den Selbstzündern, die rund ein
Fünftel weniger Kraftstoff verbrauchen als
Ottomotoren, können die Stuttgarter die
ehrgeizigen, für 2021 festgesetzten Verbrauchsziele in der EU einhalten. Daimler
investiert deshalb weiter Milliarden in die
Dieseltechnik. Der bisherige Mercedes
Vierzylinder-Dieselmotor, intern als Ölmotor OM 651 bezeichnet, wird durch den OM
654 ersetzt. Der soll technisch wesentlich
einfacher sauber zu halten sein.
Doch das wird nicht reichen, der Konzern wird wie die Konkurrenz sehr viel
Geld in die Entwicklung alternativer Antriebe stecken müssen. Bis 2017 will Daimler zehn Modelle als Plug-in-Hybride auf
dem Markt haben, ein Antriebszwitter, bei
dem sowohl ein Verbrennungsmotor als
auch eine Batterie mitgeführt werden. Danach braucht Daimler Brennstoffzellen
und Elektrobatterien. Dass es in Deutschland bislang kaum Nachfrage für diese Autos gibt, macht die Aufgabe nicht einfacher. Neben den erhofften staatlichen
Kaufhilfen wird Daimler mit eigenem Geld
den Absatz ankurbeln müssen. „Mittelfristig werden die Plug-in-Modelle genauso zu
unserem Renditeziel beitragen wie unsere
anderen Autos“, sagt Entwicklungschef
Thomas Weber. Der Umkehrschluss ist ernüchternd. Kurzfristig sind die Autos mit
Stecker und Batterie für Daimler eher
Bremsen für den Profit, wenn sie denn
überhaupt zum Gewinn beitragen.
as die operativen Margen angeht, hat Daimler 2015 einen
kräftigen Sprung nach vorn gemacht. Um rund 1,3 Prozentpunkte hat
sich die Ebit-Rendite des Konzerns verbessert. Unter den großen Autokonzernen haben nur Ford und PSA stärkere
Verbesserungen bei den Margen ausgewiesen, allerdings von deutlich niedrigerem Niveau aus. Der Branchenvergleich
indessen zeigt auch: Daimler kann sich
in Sachen Renditen, ungeachtet aller
Fortschritte, noch nicht ganz am Ziel
wähnen. Der Rückstand gegenüber den
Spitzenverdienern BMW und Toyota, die
auf Konzernebene rund zwei Prozentpunkte mehr Ebit-Rendite ausweisen,
lässt vielmehr in Stuttgart noch weiteres
Verbesserungspotenzial vermuten.
Zwar lässt sich ein Teil des Gefälles zweifellos mit den Unterschieden in der Ge-
Klassenschwächster
Wertschöpfung je Mitarbeiter 2015 in Euro
170 970 €
138 077 €
118 385 €
76 148 €
BMW
Handelsblatt
Audi
Daimler
VW
Quellen: Unternehmen, HB-Berechnung
schäftsstruktur erklären. Daimler ist im
Gegensatz zu den Konkurrenten stark
im Lkw- und Transportergeschäft engagiert. Die Mercedes-Sparte allein wies
für 2015 immerhin erstmals eine höhere
Marge aus als die BMW-Autosparte.
Für Reserven in der Kostenstruktur
spricht indessen ein näherer Blick auf
die Erfolgsrechnung: Der deutliche Renditesprung im vergangenen Jahr wurde
interessanterweise offenbar nicht in der
Produktion erwirtschaftet. Die Herstellkosten wuchsen vielmehr noch einen
Tick stärker als die Erlöse, so dass sich
die Bruttomarge (Umsatz minus Herstellkosten) leicht auf 21,3 Prozent verschlechterte.
Entscheidend war vielmehr, dass sich alle übrigen Kostenkategorien durchweg
unterproportional zum Umsatz erhöhten. Das gilt insbesondere für den
F+E-Aufwand und die Vertriebskosten.
Dagegen gelang es Daimler mit Blick auf
die Herstellkosten nicht, den Rückstand
gegenüber BMW zu verringern. Relativ
zum Umsatz arbeitet der Münchener
Konkurrent drei Prozentpunkte günstiger als Daimler.
Ein ähnliches Bild vermittelt der Blick
auf die Wertschöpfung je Mitarbeiter als
Indikator für die Produktivität der Konzerne. Daimler hat sich hier 2015 um 14
Prozent auf gut 118 000 Euro verbessert,
liegt damit aber noch um fast ein Drittel
hinter BMW zurück. Auch das spricht
dafür, dass bei der Effizienz noch Luft
nach oben besteht. Siegfried Hofmann