- 1 - Abb. 1: Einfachstes Verfahren: Umwandlung eines Farbfotos in
Transcrição
- 1 - Abb. 1: Einfachstes Verfahren: Umwandlung eines Farbfotos in
-1- DIN 32975: „Kontrastplanung und Kontrastbestimmung anhand von Farbdaten“ Referat, gehalten in Kassel bei der Veranstaltung des DBSV am 01.09.2012 Workshop „Einführung und Umsetzung der DIN 32975 – Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung“ im InterCityHotel Kassel-Wilhelmshöhe, Wilhelmshöher Allee 241, 34121 Kassel, Dietmar Böhringer Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde, dass Kontraste eine große Wichtigkeit besitzen, dürfte zumindest in unserem Kreis unumstritten sein. Ein zentrales Problem ist aber: Wie kann man die Größe eines vorhandenen Kontrastes feststellen oder – was für den Planer noch wichtiger ist: Welche Farben muss er nehmen, um z. B. einen geforderten Kontrast von mindestens 0,7 zu erreichen? Ich habe in einer Veröffentlichung, die im Dezember letzten Jahres erschien, versucht, hier eine Hilfestellung mit einem einfachen Näherungsverfahren zu liefern und möchte dies anhand einiger Beispiele kurz darstellen. Zunächst betrachten wir aber nur eine Farbe: Wenn eine gelbe Farbfläche mit einem Scheinwerfer angestrahlt wird, erscheint sie u. U. so grell, dass man die Augen zusammenkneifen muss und geblendet wird. Umgekehrt: Befindet sie sich in einem völlig abgedunkelten Raum, sieht man von dieser Farbe überhaupt nichts. Unabhängig davon, ob viel, wenig oder überhaupt kein Licht auf die Fläche fällt, hat diese Farbe aber unveränderlich ganz bestimmte, feststehende Materialeigenschaften, die üblicherweise mit den Kriterien Buntton, Helligkeit und Sättigung bezeichnet werden. Für unsere Fragestellung spielen Buntton und Sättigung einer Farbe keine Rolle. Von Interesse ist nur, wie hell eine Farbe ist. Wenn zwei Farben nebeneinander liegen und wir wissen wollen, ob sie unterschiedlich hell sind, ist es hilfreich, eine Farbaufnahme in eine SchwarzWeiß-Aufnahme umzuwandeln. Beim vorliegenden Beispiel wird dabei deutlich, dass die RAL-Farbe „Minttürkis“ deutlich heller ist als die RAL-Farbe „Himbeerrot“; die landläufige Formulierung spricht von hellem oder dunklem Grauwert. Ob das ein normgerechter Kontrast ist, lässt sich mit diesem Verfahren allerdings nicht feststellen. Tatsächlich wäre er – mit knapp 0,3 – nicht einmal für Fußbodenmarkierungen, erst recht nicht für Beschriftungen brauchbar. Abb. 1: Einfachstes Verfahren: Umwandlung eines Farbfotos in ein Schwarz-Weiß-Foto Wenn wir Farbkontraste mit dieser Schwarz-Weiß-FotoTechnik untersuchen, kann durchaus Unerwartetes auftreten: Vergleicht man -2- z. B. zwei Flächen miteinander, die beide die Farbe Blau haben, nämlich Dunkelblau und Hellblau, kann sich ein auffälliger Kontrast ergeben. Umgekehrt kann ein auffälliger Farbkontrast verschwinden, wenn die beiden Farben gleich hell sind, z. B. die Farben Orange und Hellblau. Dass ein derartiger, eigentlich ins Auge springender Farbkontrast nicht als barrierefreier Kontrast gilt, ist gewollt: Bei ca. 0,5 % Abb. 2: Überraschende Ergebnisse bei der aller Frauen und ca. 8 % Umwandlung von Farb- in Schwarz-Weiß-Fotos aller Männer besteht nämlich eine Farbfehlsichtigkeit, bei der Farben und daher auch Farbkontraste nicht richtig erkannt werden; und in unseren Sehbehindertenschulen finden sich nicht wenige farbenblinde Menschen, die keinerlei Farben, sondern ausschließlich Grauwerte wahrnehmen können. Nun hat jeder Architekt, jeder Designer und jeder Malermeister so genannte Farbfächer in der Schublade liegen, die in aller Regel Angaben darüber machen, wie hell die Farbe eines jeden Farbmusters ist. Soll nun festgestellt werden, wie groß der Kontrast zweier Farbflächen zueinander ungefähr ist, kann man einen Farbfächer neben die Farbflächen legen und die entsprechenden Muster Abb. 3: Beispiele für Farbfächer darin suchen. Steht nun bei jedem Farbmuster der Hellbezugswert dabei, kann man mit Hilfe einer einfachen Formel den Kontrast berechnen. In der originalen „Michelson-Formel“ wird mit Leuchtdichten gerechnet: K = (L1 – L2) : (L1 + L2) Der Kontrast K ist die Differenz aus der hellen und der dunklen Leuchtdichte geteilt durch die Summe der beiden Leuchtdichten. Die Formel ist aber auch mit „Hellbezugswerten“, die auf vielen Farbfächern vermerkt sind, näherungsweise stimmig: K = (HW 1 – HW 2) : (HW 1 + HW 2) -3- Dabei können sich allerdings Fehler bis zur Größenordnung von 0,1 Kontrastwerten ergeben. Diese Fehlergröße muss dann jeweils einkalkuliert werden. Das ist insofern für unseren Personenkreis kein Nachteil, weil dadurch der Kontrast nur noch verbessert wird. Zwar taucht immer wieder die Behauptung auf, zu starke Kontraste würden blenden. Dies stimmt aber nicht. Was blenden kann, ist eine zu grell beleuchtete helle Fläche oder ein zu grelles Licht. Wie eine breite Untersuchung gezeigt hat, benötigen gerade sehbehinderte Menschen möglichst hohe Kontraste, die nicht hoch genug sein können. Betrachten wir die erste Aufgabe, die ich Ihnen ausgeteilt habe: Wir haben ein Gelb mit Hellbezugswert 80 und ein Rot mit Hellbezugswert 40. Frage: Wie groß ist der Kontrast? Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine Kopfrechnung: Man Abb. 4: Wie groß ist der Kontrast? zieht die beiden Hellbezugswerte voneinander ab und teilt diese Differenz durch die Summe der beiden Werte: K = (80 – 40 ) : (80 + 40) = 40 : 120 = 1 : 3 = 0,33 Dies wäre also kein barrierefreier Kontrast, der – z. B. für Fußbodenmarkierungen mindestens 0,4 betragen müsste. Wenn wir die Fehlergröße von 0,1 einkalkulieren, wird dies noch deutlicher. Das Ergebnis lautet dann: Der Kontrast beträgt mindestens 0,23. 2. Aufgabe: Vor einiger Zeit erhielt ich eine Mail in der es u. hieß: „Wir wurden beauftragt ein touristisches Informationssystem zu entwickeln, das die Bedingungen der Barrierefreiheit erfüllt und der DIN 32975 gerecht wird. Die Schilder werden in einer RAL-Farbe lackiert, nämlich 5024 Pastellblau, darauf wird mittels Siebdruck die Information aufgebracht.“ Frage: Erfüllt der Kontrast die Bedingungen der Barrierefreiheit? (HW von RAL Pastellblau: ca. 30; von RAL Verkehrsschwarz: 4). Lösung: K = (30 – 4) : (30 + 4) = 26 : 34 = 0,76. Die Norm fordert für Beschriftungen einen Kontrast von mindestens 0,7. Der errechnete Kontrast von 0,76 scheint daher auf den ersten Blick auszureichen. Mit einkalkulierter Fehlergröße von 0,1 heißt das Ergebnis allerdings nur noch: Der Kontrast beträgt mindestens 0,66; er wäre also etwas gering. Wesentlich schwerwiegender ist aber die Tatsache, dass eine zweite Normforderung nicht erfüllt ist: Die hellere Kontrastfläche muss einen „Reflexionsgrad“ – der ungefähr dem Hellbezugswert entspricht - von Abb. 5: Mittelblau zu Schwarz: Der Kontrast mindestens 50 aufweisen; die Fläche wäre für Beschriftung knapp ausreichend, ist aber mit nur 30 deutlich zu dunkel. aber: Die Farbe ist zu dunkel! -4- Ein helleres, „blasseres“ Blau ist also zwingend erforderlich. Hier ist dann auch der Kontrast überzeugend, der mit einkalkulierter Fehlergröße mindestens 0,75 beträgt. Jene zweite Forderung der Norm „die hellere der kontrastgebenden Flächen muss einen Reflexionsgrad von mindestens 0,5 aufweisen“ wird nach meiner Beobachtung immer wieder vergessen, ist aber enorm wichtig. Liegen zwei relativ dunkle Flächen nebeneinander, ergibt sich nämlich u. U. rein rechnerisch ein hoher Kontrast, der aber völlig unbrauchbar ist. Zwei Beispiele dazu: Schwarz gegen „Schwarzblau“ bildet einen Kontrast von 0,4; Schwarz gegen „Weinrot“ sogar einen Kontrast von 0,7. Beachtete man nur diese Größen, dann könnte man mit den rechts abgebildeten Farbflächen noch Leitstreifen und mit den links abgebildeten sogar noch Schrift gestalten: Das wäre natürlich absurd. Grundlage für einen guten Kontrast ist es also grundsätzlich, dass die hellere Kontrastfläche ausreichend hell sein muss, d. h. einen Reflexionsgrad bzw. Hellbezugswert von mindestens 0,5 aufweisen muss. Durch einen Formatierungsfehler in der Norm sieht es so aus, als ob diese Zusatzforderung nur für den 0,4-Kontrast gelten würde. Die soeben erschienene Schrift von Pro Retina übernimmt leider Abb. 6: Rein rechnerisch müsste man die beiden dieses Missverständnis. Kontraste für Barrierefrei-Maßnahmen verwenden Vielleicht sollte man können, obwohl sie offensichtlich unbrauchbar versuchen, hier eine sind. Die Norm-Zusatzforderung macht aber Normergänzung zu deutlich, dass sie nicht zulässig sind. realisieren, um diesen Mangel zu korrigieren, der recht schwerwiegende Folgen haben kann. 3. Aufgabe: Konstruieren wir noch einen Fall: Sie werden als sehbehinderter „Experte in eigener Sache“ in ein öffentliches Gebäude geholt. Vorgegeben sei, dass die Wände des Treppenhauses in einem Gelbton mit Hellbezugswert 80 gestrichen werden. Vorgesehen sei außerdem, dass rote Leitstreifen mit dem Hellbezugswert 50 entlang der Wand gezogen werden sollen und Zimmernummern – ebenfalls in Rot – mit dem Hellbezugswert 20 angebracht werden. Sie werden gefragt, ob das so o. k. ist. Um die Frage kompetent beantworten zu können, genügt ein bisschen Kopfrechnen oder der Taschenrechner im Handy. Innerhalb weniger Minuten können Sie feststellen: Der Kontrast zwischen Gelb und Hellrot beträgt 0,23. Mit einkalkulierter Fehlergröße von 0,1 heißt das Ergebnis: Der Kontrast beträgt mindestens 0,13. Dies ist kein barrierefreier Kontrast, mit dem normgerechte Leiteinrichtungen gestaltet werden können! -5- Beim dunkleren Rot beträgt der errechnete Kontrast 0,6, mit einkalkulierter Fehlergröße 0,5. Dieses Rot kann zwar für die Leitstreifen verwendet werden, ist aber für Beschriftungen nicht geeignet. Abb. 7: HW 80 zu HW 50: Nicht barrierefrei HW 80 zu HW 20: Geeignet für Leitstreifen HW 80 zu HW 8: Geeignet für Beschriftungen Im Farbfächer Ihrer Gesprächspartner entdecken Sie ein dunkles Rot mit einem Hellbezugswert von 8. Sie rechnen kurz nach: Der Kontrast beträgt 0,82, mit einkalkulierter Fehlergröße von 0,1 mindestens 0,72. OK – damit kann die Schrift gestaltet werden und die Grundforderung der Architekten – Rot auf Gelb – ist erfüllt! Berecnung: a) K = (80 – 50) : (80 + 50) = 30 : 130 = 3 : 13 = 0,23 b) K = (80 – 20) : (80 + 20) = 60 : 100 = 0,6 c) K = (80 – 8) : (80 + 8) = 72 : 88 = 9 : 11 = 0,82 Hinweisen müssten sie noch darauf, dass diese Aussagen nur dann gelten, wenn die Oberflächen rau sind, so dass Spiegelungen praktisch auszuschließen sind. Die vierte Aufgabe überspringen wir aus Zeitgründen – daran dürfen Sie auf der Heimfahrt oder zu Hause knobeln! 4. Aufgabe: Eine Steintreppe wird mit „RAL Graubeige“ gestrichen. Wie dunkel oder wie hell müssen normgerechte Kontraststeifen mindestens sein? Angegeben ist bei RAL Graubeige eine „Helligkeit“ von 60. Achtung: Die Werte von „Helligkeit“ (oder auch „Hellwert“ genannt) sind nicht identisch mit „Hellbezugswert“. Hier ist eine Umrechnung erforderlich bzw. das Ablesen aus einer Tabelle: Helligkeit 20 entspricht Hellbezugswert 3 Helligkeit 40 entspricht Hellbezugswert 10 Helligkeit 60 entspricht Hellbezugswert 30 Helligkeit 80 entspricht Hellbezugswert 60 Helligkeit 95 entspricht Hellbezugswert 90 Lösung: Deutlich wird zuerst: Der Hellbezugswert von 30 genügt nicht als hellerer Farbton. Schwarze Kontraststreifen sind also nicht zulässig. Zur Berechnung des Hellbezugswertes von hellen Kontraststreifen ist die Formelumstellung erforderlich: a = b * (1 + K) : (1 – K) wobei „RAL Graubeige“ den Wert „b“ darstellt. -6- Die Fehlergröße von 0,1 muss einkalkuliert werden; es darf daher nicht mit dem Normkontrast von 0,4, sondern es muss mit einem Kontrast von 0,5 gerechnet werden. Damit ergibt sich folgende Rechnung: a = b * (1 + K) : ( 1 – K) = 30 * (1 + 0,5) : (1 – 0,5) = 30 * 1,5 : 0,5 = 30 *3 = 90. Dabei handelt es sich um extrem helle Pastelltöne. Der RAL-Design-Farbfächer liefert aber 80 Farbtöne mit genau dieser Helligkeit. Die Auswahl ist also noch immer riesig! 5. Aufgabe: Zum Schluss eine letzte Frage: Ist ein schwarzer oder ein weißer Kontraststreifen für eine graue Treppe die bessere Lösung? Die Berechnung der Kontraste scheint ein eindeutiges Ergebnis zu bringen: Kontrast zu Schwarz 0,76; Kontrast zu Weiß 0,45. Der Kontrast bei weißen Streifen ist zwar gerade noch akzeptabel; schwarze Streifen liefern aber das eindeutig bessere Kontrastergebnis. In meiner Veröffentlichung findet sich ein Bilderpaar von einer Kellertreppe, auf die ich oben einen weißen und einen schwarzen Streifen gelegt hatte. Bei der oberen Blitzlichtaufnahme scheint die Kontrastwirkung von Weiß und Schwarz zum grauen Belag ungefähr gleich gut zu sein. Die untere Aufnahme ohne Blitz, die die Situation zwar etwas zu dunkel, aber doch realistischer widergibt, zeigt jedoch, dass bei geringer Beleuchtungsstärke der schwarze Kontraststreifen nahezu unsichtbar ist, während der weiße auch bei sehr wenig Licht noch gut erkennbar bleibt. Abb: 8 -7- Abb. 9: Grau mit HW 30 ist zu dunkel als hellere Kontrastfarbe; Schwarz als dunkle Kontrastfarbe wäre trotz hohem Kontrast nicht normgerecht. Weiß liefert noch knapp den nötigen Kontrast, wäre als Kontrastfläche sinnvoll und gut. Der Grund für das überraschende untere Bild wird klar, wenn wir zu unserer Aufgabenstellung zurückgehen und hier die Helligkeit der grauen Fläche ergänzen. Ihr Hellbezugswert von 30 ist als helle Kontrastfläche nicht hell genug; der hohe Kontrast kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass schwarze Kontraststreifen zu diesem Grau keine normgerechte Lösung sind! Messverfahren, mit denen nur der Kontrast gemessen wird, bei denen aber nicht die Helligkeit der helleren Kontrastfläche festgestellt werden kann, können also keine sichere Aussage darüber liefern, ob eine bestimmte Farbkombination der Norm entspricht. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Das hier geschilderte Verfahren, bei dem mit Hilfe von Farbdaten Kontrast und Reflexionsgrad bestimmt wird, ist nicht geeignet, um amtliche bzw. offizielle Gutachten zu erstellen. Mit seiner Hilfe kann aber ein großer Teil jener Fragen und Probleme gelöst werden, die beim konkreten Planen und Bauen eine Rolle spielen. Einen Flyer zu der Veröffentlichung, die das Verfahren detailliert schildert, habe ich Ihnen ausgeteilt. Die Veröffentlichung kann auch als E-Book erworben werden, muss dann aber direkt beim Verlag bestellt werden. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!