Pro familia Jahrbuch_28.8.
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Pro familia Jahrbuch_28.8.
Jahresbericht 2009 Landesverband Niedersachsen e.V. ___________________________________________________________________________ 1 Inhaltsverzeichnis Seite Landesverband pro familia im Wandel Der Landesverband Niedersachsen im Überblick Vorstand Landesgeschäftsstelle Interview mit dem Landesgeschäftsführer A. Bergen Sexualpädagogischer Arbeitskreis Arbeitsbereich „Liebe, Lust und Älterwerden“ 4 6 7 8 8 11 14 Beratungsstellen Arbeitsbereiche der pro familia-Beratungsstellen 17 Vor Ort: Entwicklungen und Highlights 2009 Braunschweig Cuxhaven Emden Goslar Göttingen Hannover Helmstedt Holzminden Lüneburg Oldenburg Osnabrück Peine Salzgitter Soltau Stade Uelzen Wilhelmshaven Wolfenbüttel Wolfsburg 20 24 26 30 32 35 37 40 42 44 46 49 50 53 56 60 61 63 65 Im Detail: Beispielhafte Projekte, Kooperationen und Strategien Praxisprojekt: Sexualpädagogische Arbeit mit Jugendgruppen. Ein Kooperationsprojekt der HAWK-Studiengang Soziale Arbeit, Landkreis und pro familia Holzminden 68 Interkulturelle Kompetenz als Herausforderung für pro familia als Menschenrechts - und Beratungsorganisation Erfahrungen in der pro familia Beratungsstelle Hannover 70 Anhang Leitlinien für die sexuellen und reproduktiven Rechte von pro familia Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG), §§ 2, 5, 6 Impressum 76 78 80 2 pro familiaLandesverband Niedersachsen 3 pro familia im Wandel Ein halbes Jahrhundert pro familia Pro familia 2009: das sind ein Bundesverband und 16 Landesverbände mit insgesamt 1.225 MitarbeiterInnen in 182 Beratungsstellen und 5 medizinischen Zentren, ca 440.000 Ratsuchende in diesen Einrichtungen und TeilnehmerInnen der sexualpädagogischen Angebote, 20.500 Anfragen an die pro-familia-Online-Beratung, 708.000 angeforderte pro familia-Broschüren … Pro familia ist darüber hinaus ein öffentlich, politisch und gesellschaftlich sehr aktiver Fachverband für Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Rechte. Die Wurzeln der pro familia gehen bis ins Jahr 1952 zurück. Die damals gegründete „Deutsche Gesellschaft für Ehe und Familie e.V.“ vertrat „die Forderung nach bewusster Elternschaft für eine gesunde, von verantwortlichem Willen zum Kinde getragene Familienbildung“. In der Bundesrepublik galt noch das Abtreibungsrecht der Nazizeit, auch wenn 1953 die Androhung der Todesstrafe für Ärzte gestrichen wurde. Die Himmlerschen Polizeiverordnungen zur Bekämpfung der Schwangerschaftsverhütung galten in einigen Bundesländern noch bis 1969 und verboten Mittel der Familienplanung. Nicht nur der Einsatz, sondern auch Import und Propagierung dieser Mittel waren verboten. 1965, also vor mehr als 40 Jahren wurde der pro familia-Landesverband Niedersachsen gegründet. Auch in dieser Zeit stieß die Idee bewusster Familienplanung noch auf großen Widerstand – politisch, gesetzlich und moralisch. Die 70er-Jahre waren aber auch die Zeit eines familien- und gesellschaftspolitischen Wandels. Der Siegszug der Pille, die Reform des §218, die Liberalisierung des §175 und die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Studenten- und Frauenbewegung führten zu einer Verlagerung der Beratungsschwerpunkte, der quantitativen Ausweitung der Arbeit der pro familia (insbesondere durch die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung) und eine verstärkte staatliche Förderung des Verbandes. Auch die Wandlung des Untertitels von „Gesellschaft für Familienplanung“ (1965) zu „Deutsche Gesellschaft für Familienplanung und Sexualberatung“ in den 70er Jahren bis hin zum heutigen Titel „Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung“ zeigen die Wandlung und Ausweitung unserer Tätigkeitsfelder und unseres Selbstverständnisses bei pro familia. Ein weiterer Wendepunkt stellt die Internationale Konferenz zu Bevölkerung und Entwicklung der Vereinten Nationen 1994 in Kairo dar und der dort verabschiedete neue Orientierungsrahmen „Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“. Dieser Ansatz beschränkt sich nicht auf das Recht, selbst zu bestimmen, ob, wann und wie viele Kinder sich Frauen und Männer wünschen, sondern er umfasst alle Lebensphasen und stärkt die Bedeutung von Sexualität als wichtigen Aspekt menschlichen Wohlbefindens und Teil der Menschenrechte. Pro familia ist (Gründungs-)Mitglied der International Planned Pernethood Federation (IPPF), die sich international für die Verwirklichung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte einsetzt. Aber was bedeutet dieser Ansatz konkret für unsere Arbeit in den Beratungsstellen und als Fachverband? Wie sieht rechtebasierte Arbeit konkret aus? Auf der Mitgliederversammlung des pro familia-Bundesverbandes 2007 setzte sich pro familia den Arbeitsauftrag, die Ziele der sexuellen und reproduktiven Rechte für alle Arbeitsbereiche zu formulieren, für Beratungsstellen und Verband, für Führung und MitarbeiterInnen, für Strukturen und Prozesse, für die politische Arbeit, die Vernetzung des Themas und die Dienstleistungsangebote. 2009 wurden die „Leitlinien für die sexuellen und reproduktiven Rechte von pro familia“ verabschiedet (siehe Anlage, S. 76). Im ersten Halbjahr 2010 werden diese Leitlinien in allen pro familia-Landesverbänden in einem 4 strukturierten Prozess (Projekt „Freiräume für selbstbestimmte Sexualität“) intensiv diskutiert und für die Umsetzung in die Praxis konkretisiert. Entwicklungen im pro familia-Landesverband Niedersachsen Zwar fällt beim Begriff pro familia meist immer noch zuerst das Stichwort „Schwangerschaftskonfliktberatung“ und dies ist bis heute ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Er macht aber nur einen Teil der Beratungen aus. Wachsende Schwerpunkte sind z.B. die sexualpädagogische Arbeit mit Schulklassen und die sozialrechtliche Beratung von Schwangeren. Die Angebote von pro familia wenden sich an Mädchen und Jungen, Frauen, Männer, Paare jeden Alters, Menschen mit und ohne Behinderungen, mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und Menschen jeder sexuellen Orientierung. „Bei pro familia finden alle ein passendes Angebot“ – Dies ist ein hoher Anspruch. Um ihn verwirklichen zu können, wurden im Landesverband neben den seit vielen Jahren bestehenden spezifischen Angeboten wie der Online-Beratung für Jugendliche www.sexundso.de einige Arbeitsbereiche verstärkt strukturell und fachlich weiterentwickelt, so z. B. der Arbeitsbereich „Liebe, Lust und Älterwerden“ und „pro familia interkulturell“. Ganz wichtig ist aber auch die Vernetzung mit anderen Initiativen und Organisationen vor Ort und auf Landes- und Bundesebene und international. Das bedeutet die Vernetzung zu Themen wie z.B. Sozialrecht, Gewalt, interkulturelle Arbeit, Schwangerenbetreuung, Prävention etc. Das bedeutet interdisziplinäre Netzwerke mit spezifischen Fachberatungsstellen, Vereinen, Schulen, kommunalen Gremien und Entscheidungsträgern und vielen anderen. Ihnen danken wir für die gute Zusammenarbeit. Unser Dank gilt ebenso allen staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und Menschen, die unsere Arbeit finanziell und ideell unterstützen. 2009/2010 bedeutet für den pro familia Landesverband Niedersachsen auch eine spannende Umbruchszeit. Im Herbst 2009 ging der langjährige Geschäftsführer Klaus-Peter Schüssler in den Vorruhestand und übergab die Geschäftsführung an Andreas Bergen. Im November nahm Claudia Igney ihre Tätigkeit als Assistenz der Landesgeschäftsführung auf. Im Dezember 2009 wurde ein neuer Vorstand gewählt (s. S. 7). Gemeinsam mit allen MitarbeiterInnen hat Anfang 2010 ein intensiver Diskussions- und Entwicklungsprozess beginnen. Eingebunden in das Projekt „Freiräume“ des Bundesverbandes entwickeln wir die Leitlinien der pro familia-Arbeit – und somit unser eigenes Leitbild als pro familia-MitarbeiterIn – weiter. Gleichzeitig wollen wir uns noch stärker als Fachverband auf der Landesebene profilieren, unsere Stärken sichtbarer machen und unsere verbandsinternen Kommunikations- und Arbeitsstrukturen gezielt weiterentwickeln. Wir alle freuen uns auf eine weitere gute Zusammenarbeit! Zum Weiterlesen: International Planned Pernethood Federation (IPPF). IPPF-Charta der sexuellen und reproduktiven Rechte. pro familia-Bundesverband (2010). Jahresbericht 2009. pro familia-Bundesverband (2002). Zur Geschichte des Verbandes. Rettig, Manuela (2010). Das Projekt Freiräume. pro familia magazin 02/2010, S. 32-33. www.profamilia.de 5 Der Landesverband im Überblick Gründung und Organisation pro familia wurde 1952 gegründet. Die rechtlich selbstständigen Landesverbände haben sich auf Bundesebene zusammengeschlossen und bilden gemeinsam den pro familia Bundesverband als eingetragenen Verein. pro familia gehört dem Paritätischen an und ist Gründungsmitglied der International Planned Parenthood Federation (IPPF). Landesverband Niedersachsen Die pro familia, Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung, Landesverband Niedersachsen e.V. mit Sitz in Hannover, ist Träger aller pro familia - Beratungsstellen in Niedersachsen und der Projekte „Sexualpädagogischer Arbeitskreis“ und „Liebe, Lust und Älterwerden“. Der Landesverband Niedersachsen e.V. wurde 1965 als rechtlich selbständiger Verein ins Leben gerufen. Er ist gem. §§ 51 AO als gemeinnützigen Zwecken dienend anerkannt. In Niedersachsen werden 19 Beratungsstellen mit 10 Außenstellen sowie das Projekt der „Onlineberatung“ unterhalten. Anschrift: Steintorstr. 6 30159 Hannover Telefon: (0511) 30 18 57 80 Fax: (0511) 30 18 57 87 www.profamilia.de/niedersachsen Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft Konto-Nr.: 741 310 0 Bankleitzahl: 251 205 10 Beschäftigte 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Statistik: 21.625 Erstberatungen gem. § 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz 5.022 Erstberatungen gem. § 5 und § 6 SchKG 3.245 Gruppenberatungen (Schulklassen-, Multiplikatorenarbeit) 2.955 Allg. Ehe-, Familien- und Lebensberatungen Die Schwerpunkte der Beratungsanlässe waren Schwangerschaft, ungewollte Schwangerschaft, Familienplanung, Sexualität und Partnerschaft sowie Hilfe bei Inanspruchnahme sozialer Leistungen. Erreichbarkeit unserer Beratungsstellen Unsere Beratungsstellen sind nach den Anerkennungsrichtlinien für Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen mindestens an zwei Tagen der Woche geöffnet. Darüber hinaus verfügen alle Beratungsstellen über einen telefonischen Anrufbeantworter, auf dem die Öffnungszeiten mitgeteilt werden. 6 Vorstand Caren Marks (Vorsitzende) Prof. Dr. Heike Fleßner (stellv. Vorsitzende) Jutta Heinemann (Schatzmeisterin) Hannelore Mücke-Bertram (Schriftführerin) Annette Peters (Beisitzerin) Christian Tesche (Beisitzer) Caren Marks als pro familia Landesvorsitzende gewählt Unerwartet viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich zur Mitgliederversammlung des pro familia Landesverbands Niedersachsen am 04. Dezember 2009 in den Räumen des Leineschlosses ein. Nach drei Jahren wurde turnusgemäß ein neuer Landesvorstand gewählt. Die bisherige Vorsitzende, Landtagsabgeordnete Sigrid Leuschner (58, Hannover), und die weiteren Mitglieder des Vorstands hatten im Vorfeld aus unterschiedlichen persönlichen Gründen entschieden, nicht wieder erneut für den Vorstand zu kandidieren. Als einzige Kandidatin für den Vorsitz stellte sich die Bundestagsabgeordnete und Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen- und Jugend Caren Marks (46, Wedemark) zur Wahl. In Ihrer Vorstellung betonte Frau Marks: „Familien, Jugendliche und Frauen brauchen starke Netzwerke, um ihre Interessen wirkungsvoll vertreten zu können. Daran will ich mitwirken, um gemeinsam mit dem Landesverband die wichtige Arbeit von pro familia weiter voranzubringen und pro familia eine starke Stimme zu verleihen.“ Im anschließenden Wahlgang wurde Caren Marks, bei nur einer Gegenstimme und wenigen Enthaltungen, mit einer Mehrheit von 90,2% der Stimmen zur neuen Vorsitzenden gewählt. Dem neu gewählten Vorstand gehören weiter als Beisitzerinnen und Beisitzer an: Prof. Dr. Heike Fleßner (Oldenburg), Jutta Heinemann (Braunschweig), Hannelore Mücke-Bertram (Hannover), Annette Peters (Soltau) und Christian Tesche (Hannover). Sigrid Leuschner, MdL (links) übergibt den pro familia Landesvorsitz an Caren Marks, MdB (rechts) 7 Landesgeschäftsstelle Interview mit dem Landesgeschäftsführer Andreas Bergen Herr Bergen, bis August 2009 haben Sie als Büroleiter des ehemaligen hannoverschen Bundestagsabgeordneten Gerd Andres (SPD) gearbeitet. Direkt im Anschluss sind Sie Landesgeschäftsführer bei pro familia geworden. Wie kommt man aus der Politik zur Deutschen Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung? Von der Tätigkeit her sind diese beiden Aufgaben gar nicht so unterschiedlich. Als Büroleiter gehörte es zu meinen Aufgaben, den Büroalltag zu organisieren, Budgets zu planen und zu verwalten, Mitarbeiter zielgerichtet und sinnvoll einzusetzen. Diese Grundstrukturen machen auch meine jetzige Arbeit als Geschäftsführer aus. Der Unterschied multipliziert sich auf anderen Ebenen. Ich habe eine Geschäftsstelle zu leiten, die auch eine gewisse Servicefunktion für die Beratungsstellen erfüllt. Es gibt mehr administrative Arbeiten, das betrifft vor allem die Antragsstellung für öffentliche Mittel. Das ist mir allerdings durch meine ehrenamtliche Arbeit bereits bekannt. Welche Ehrenämter haben Sie denn zurzeit inne? Ich bin seit 1996 Mitglied im Rat der Stadt Hannover und seit dieser Zeit auch im Aufsichtsrat der Stadtwerke Hannover und dort Vorsitzender im Finanzausschuss. Das ist eine sehr anspruchsvolle, intensive Tätigkeit, bei der ich viel über Unternehmensentwicklung gelernt habe. Außerdem bin ich ehrenamtlicher Richter am Landessozialgericht NiedersachsenBremen und Mitglied im Kuratorium der Stiftung Marienwerder. Sie engagieren sich also nicht nur auf einem Gebiet, sondern politisch, kirchlich und sozial. Eine zufällige Entwicklung? Nein, da stecken jeweils unterschiedliche Motivationen dahinter. Hinter den politischen Ämtern und der Arbeit im Aufsichtsrat steckt mein Wille zur Gestaltung. Als Richter habe ich die Möglichkeit, meine Erfahrung in die Rechtssprechung einzubringen. Und die Arbeit für die Stiftung ist eine Tätigkeit für die örtliche Kirchengemeinde, zur Bewahrung der Stadtteilidentität. Die Ehrenämter und die Büroleitung haben Sie also schon ganz gut auf pro familia vorbereitet, zumindest, was den administrativen Teil der Arbeit betrifft. Aber wie unterscheiden sich die Themenfelder ihrer bisherigen und jetzigen Tätigkeit? Auch die sind nicht so viel anders. Da Gerd Andres ein sehr profilierter Sozialpolitiker ist, wurde ich als Büroleiter auch mit vielen sozialpolitischen Fragen konfrontiert und habe auch Sozialberatung gemacht. Was die Themenfelder von pro familia angeht, darin muss man sich wohlfühlen. Man darf keine Scheu haben, sich offen über Sexualität auszutauschen. 8 Und ich merke, etwa bei Vorstellungsgesprächen, dass man das nicht bei jedem voraussetzen kann. Ich persönlich fühle mich ausgesprochen wohl bei pro familia. Warum? Was macht den Reiz dieser Arbeit aus? Der Umgang mit Menschen. Wir haben tolle, unglaublich engagierte MitarbeiterInnen, die zum Teil schon sehr lange dabei sind. Und es ist keine einfache sondern eine teilweise sehr belastende Aufgabe, in der Beratung tätig zu sein. Man wird teils mit elementaren Nöten konfrontiert, das ist schon eine besondere Herausforderung. Sie sind seit August 2009 im Amt. Wie viel vom Landesverband haben Sie denn schon kennengelernt und welche Erkenntnisse konnten Sie daraus ziehen? Ich habe mit einer Bestandsaufnahme begonnen und in meinen ersten 100 Tagen alle 19 pro familia Beratungsstellen in Niedersachsen besucht. Ich habe mich mit den Leiterinnen unterhalten und mir die Räumlichkeiten angesehen. Ab April werden wir nun in eine Dialogphase eintreten. Unter dem Stichwort „Freiräume“ wollen wir die Grundlagen des Selbstverständnisses unserer Arbeit reflektieren: Inwieweit bestimmen und beeinflussen die Standpunkte von pro familia unsere tägliche Arbeit? Außerdem soll über die Arbeitsstrukturen des Verbandes insgesamt nachgedacht werden. Wie arbeiten wir zusammen, wie kommunizieren wir? Das sind Punkte, die in den nächsten gut zwei Jahren analysiert werden sollen. Das hört sich nach viel frischem Wind an – oder aber nach viel notwendigem Handlungsbedarf. Wir sind ein erfolgreich arbeitender Verband mit hoher öffentlicher Anerkennung. Aber darauf dürfen wir uns nicht einfach ausruhen. Wir müssen unsere Ansprüche in der täglichen Arbeit verwirklichen, prüfen, ob unsere Arbeitsstrukturen diesen Ansprüchen entsprechen und den Mut haben, Handlungsbedarf zu identifizieren. Wir dürfen nicht selbstzufrieden werden. Das ist wie mit einem Auto, das regelmäßig zum TÜV muss, auch wenn alles gut läuft. Und sicher spielt auch ein Stück weit der „frische Wind“ eine Rolle. Wir sind in der relativ einmaligen Lage, eine neue Geschäftsführung und einen neuen Vorstand zu haben. Ein guter Zeitpunkt, um Diskussionen anzustoßen und die MitarbeiterInnen zum Dialog einzuladen. Wie sieht es bei den jüngeren Hilfesuchenden aus? Könnte man nicht meinen, dass in unserer Medienwelt kaum noch Fragen zum Thema Sex offen bleiben? Wird pro familia da überhaupt noch gebraucht? Oh ja. Zum einen erfüllen wir ja mit der Schwangerschaftskonfliktberatung einen gesetzlichen Auftrag. Zum anderen bin ich selbst immer wieder aufs Neue überrascht, inwieweit ein Teil der Bevölkerung mit Sprachlosigkeit reagiert, was die eigene Sexualität betrifft. Trotz Aufklärungsunterricht gibt es in vielen Fällen ein unausgegorenes Halbwissen. Auf dem Schulhof wird kolportiert, dass man beim „ersten Mal“ nicht schwanger werden kann. Zu Hause erfährt die Mutter, dass ihr Sohn schwul ist und fragt, „was sie dagegen tun kann“. Das ist heute noch so wie vor 20, 30 Jahren. Durch die leichte Verfügbarkeit von Pornografie im Internet, gibt es zudem ganz neue Fragestellungen. Was müsste sich ändern? Ist es eher ein Problem der Gesellschaft oder der Erziehung? Sowohl als auch, gesellschaftlich sind wir schon recht weit, es ist aber auch eine Frage der Erziehung und der individuellen Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität. Wichtig ist, ein Umfeld zu schaffen, ohne Angst vor Diskriminierung oder Ausgrenzung, die eigene Sexualität akzeptieren und sich frei mit ihr auseinanderzusetzen zu können. Und das ist eine fortdauernde Aufgabe. 9 Wie wichtig ist es bei der Erfüllung einer solchen andauernden Aufgabe, den Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen als Spitzenverband zur Seite zu haben? Die Vernetzung und Verbindung zum Verband ist uns sehr wichtig. Sie soll noch stärker werden, nicht nur mit dem Paritätischen, sondern auch mit anderen Verbänden und Organisationen. Wenn sich die Themen gut ergänzen, wollen wir entsprechende Schnittmengen nutzen und mit anderen Verbänden Akzente setzen. Diese Vernetzung soll zielgerichtet vorangebracht werden, und dabei spielt der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen eine wichtige Rolle. Interview und Foto: Anika Falke, Der Paritätische Niedersachsen Das Team der Landesgeschäftsstelle Geschäftsführer: Andreas Bergen Geschäftsstelle Claudia Igney (Assistenz d. Geschäftsführung) Birgit Lehmann-May (Sekretariat) Claudia Holzki (Buchhaltung) Katrin Strömer (Lohnbuchhaltung) Petra Bannier (Verwaltung) Hildegard Müller (Projektleiterin Sexualpädagogischer Arbeitskreis) Silke Wendland (Projektleiterin „Liebe, Lust und Älterwerden“) Von links nach rechts: Birgit Lehmann-May, Hildegard Müller, Claudia Igney, Silke Wendland, Katrin Strömer, Petra Bannier, Claudia Holzki 10 Sexualpädagogischer Arbeitskreis Seit 1991 existiert der Sexualpädagogische Arbeitskreis beim pro familia Landesverband Niedersachsen. Seit Juli 1996 ist die Diplom-Pädagogin Hildegard Müller Koordinatorin des Sexualpädagogischen Arbeitskreises. Zu ihren Aufgaben gehören u. a. die Organisation und Durchführung von Arbeitskreistreffen für die pro familia SexualpädagogInnen, MultiplikatorInnenfortbildungen, Organisation und Durchführung von Tagungen, Beratung und Information von MultiplikatorInnen, die Leitung von aktuellen Projekten und die Vertretung des pro familia- Landesverbandes Niedersachsen in Fachgremien. Arbeitskreis Sexualpädagogik In 2009 fanden drei Treffen statt. Der AK dient dem fachlichen Austausch und der Erweiterung des fachlichen Wissens der teilnehmenden MitarbeiterInnen der 19 Beratungsstellen und 10 Außenstellen der pro familia Niedersachsen und ist auch Informationsbörse für neue Medien und Materialien. Die thematischen Schwerpunkte des AK 2009 waren: • Konzept „Elternschaft lernen Entwicklung eines gemeinsamen Konzeptes der niedersächsischen pro familiaBeratungsstellen auf Basis der Arbeitsgrundlage der pro familia Beratungsstelle Göttingen • Vermittlung von Informationen zur HPV-Impfung an Mädchen, jungen Frauen und Eltern Vorstellung des Informationspaketes zum Thema HPV („Runder Tisch Frauen- und Mädchengesundheit der Region Hannover"), Referentinnen: Dr. Ute Sonntag von der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Nds. e.V. (LVG & AFS) mit dem Vortrag: " Was sind gute Gesundheitsinformationen?", Dr. Frauke Gerhardt, Gynäkologin aus Bissendorf (Wedemark) mit dem Vortrag zum Thema HPV, mit anschließender Diskussion • Auswertung der von den Beratungsstellen ausgefüllten Fragebögen zur Sexualpädagogik (entwickelt von Kathrin Hettler, Koordinatorin für Sexualpädagogik beim pro familia-Bundesverband) Bei jedem Treffen wurden neue Methoden und Materialien der Sexualpädagogik vorgestellt. Interne MitarbeiterInnen-Fortbildung "Wie kann ich in einer multikulturellen Gruppe das Thema Homosexualität ansprechen und kultursensibel mit dem Thema Homosexualität umgehen?" - Sensibilisierungs-Training zum Thema Homosexualität, Schwerpunkt Kultursensibilität, 25.11.2009 von 10.30-16.30 in Hannover, ReferentInnen: Ilka Borchardt, Familien- und Sozialverein des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) e.V. in Köln, Leiterin des Projektes "Migrationsfamilien", Axel Blumenthal, Gesundheitsamt Hannover, Team Aids & STDBeratung Netzwerk Frauen/Mädchen und Gesundheit Niedersachsen Seit Sommer 2001 ist der pro familia-Landesverband Niedersachsen gemeinsam mit dem Niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales und der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin, Träger des Netzwerkes. 11 Fachtagung 2009 Das Netzwerk veranstaltete am 30.06.2009 in Hannover eine Fachtagung zum Thema „Essstörungen im Zeitalter des Internets“. Essstörungen sind vielfach Antwortversuche auf Entwicklungsaufgaben im Jugendalter: Identitätsfindung und Rollenbestimmung. Essstörungen als Lösungsversuche pubertärer Probleme können zu schweren Erkrankungen führen und lebensbedrohlich sein. Mit dieser Fachtagung hat das Netzwerk zum einen auf die Gefahren des Internets bei der Entwicklung von Essstörungen aufmerksam gemacht, zum anderen aber auch die Chancen für Lern- und Identitätsprozesse durch die virtuelle Welt aufgezeigt. Die Schwerpunktthemen der Tagung sind im Rundbrief Nr. 27/ Dezember 2009 dokumentiert. Rundbrief Im Oktober 2009 ist der Rundbrief Nr. 26 mit dem Schwerpunktthema ungewollte und gewollte Kinderlosigkeit erschienen. Aufgrund der Vielseitigkeit dieses Themas konnte der Focus nur auf ausgewählte Aspekte gelegt werden. Im Dezember 2009 erschien der bereits erwähnte Rundbrief 27 mit dem Schwerpunkt „ Essstörungen im Zeitalter des Internets“ Dokumentation der Tagung am 10.09.2009 in Hannover. Beide Rundbriefe stehen auch als Pdf-Version zum Download auf den Seiten der LVG-AfG zur Verfügung. Fachausschuss Onlineberatung Hildegard Müller ist Mitglied des Fachausschusses Onlineberatung des pro familiaBundesverbandes www.sexundso.de Die Online-Beratung des pro familia-Landesverbandes Niedersachsen Mädchen und Jungen tun sich eher schwer, eine Beratungsstelle aufzusuchen, aber auch sie haben viele Fragen rund um die Themen Schwangerschaft, Beziehung/Lebensberatung, Sexualaufklärung und Verhütung. Diesem Bedarf kommt die virtuelle Online-Beratungsstelle Sexundso seit 2001 erfolgreich entgegen. Sie ist ein Bestandteil des Sexualpädagogischen Arbeitskreises. Im Jahr 2009 wurden 2871 Online-Beratungen durchgeführt. Die pro familia Mitarbeiterinnen Birte Lutz, Ute Wiese-Hast, Susanne Koch, Corinna HeiderTreybig und Hildegard Müller (Leitung) beantworteten die 76% Anfragen von Mädchen/Frauen und die Kollegen Ulf Gronau, Hermann Niehuis-Schwiertz und Antonius Geers die 24% Anfragen, die von Jungen gestellt wurden. Die Ärztin Gesa Kaufholz berät das Team bei medizinischen Fragestellungen. Sexundso ist vornehmlich ein Angebot für Mädchen und Jungen, wobei sich der Anteil von Erwachsenen durch den Zugang (Gateway) über www.profamilia.de erhöht hat. Wir haben uns bewusst für die zeitversetzte E-Mail-Beratung entschieden. Die Ratsuchenden können ihre Fragen jederzeit stellen und müssen nicht auf einen Chattermin warten. Bereits das Schreiben kann erste therapeutische Wirkungen haben und sie erhalten baldmöglichst Antwort. Es kann fundiert beraten werden, ohne den Druck - wie in der zeitgleichen Chatberatung - sofort antworten zu müssen. Möglichkeiten im Vergleich zur face-to-face-Beratung Gerade für Jugendliche bildet die Online-Beratung durch ihre Anonymität ein niedrigschwelliges Angebot, um auch hoch scham- und angstbesetzte Anliegen wie z.B. zu Sexualität, Gewalterfahrungen oder psychischen Problemen zu äußern und sich Hilfe zu holen. Sie kann auch in akuten Krisensituationen - wie z.B. suizidalen Gedanken - sofort in Anspruch genommen werden und ist damit häufig erste Anlaufstelle und strukturbildendes Element, wobei hier immer auch eine persönliche Begleitung vor Ort anvisiert werden sollte. 12 Online-Beratung ermöglicht den Ratsuchenden ein hohes Maß an Kontrolle über das, was sie von sich offenbaren, wann und wie oft sie schreiben und wie lange sie in Kontakt bleiben. Sie erhalten in relativ kurzer Zeit eine Antwort. Diese bietet ein erstes Kennenlernen der BeraterInnentätigkeit und die Erfahrung einer lösungs- und ressourcenorientierten Sichtweise, so dass die Ratsuchenden sich in Zukunft vielleicht eher trauen, auch eine face-to-face-Beratung in Anspruch zu nehmen. Grenzen im Vergleich zur face-to-face-Beratung Die technischen Voraussetzungen und der sichere Umgang damit müssen sowohl bei den Ratsuchenden als auch bei den BeraterInnen vorhanden sein. Der rein textbasierten E-Mail-Beratung fehlen viele Kommunikationskanäle wie Stimme, Tonlage, Mimik, Gestik, Körperhaltung, Aussehen, Geruch, Bewegung, Blickkontakt, Berührung. Missverständnisse, Projektionen und Gegenübertragungsmechanismen sind so schwerer erkenn- und relativierbar. Das kann in akuten Krisensituationen der Ratsuchenden, wie z.B. Suizidgedanken, den Handlungsdruck der BeraterInnen erhöhen: „Ich muss jetzt unbedingt sofort helfen“ oder z.B. Omnipotenzgefühle fördern: „Nur ich kann der KlientIn helfen“. Bestimmte therapeutische Interventionen - wie z.B. paradoxe Intervention oder Konfrontation - können grundsätzlich nicht oder nur begrenzt angewendet werden, da die/der BeraterIn keine Kontrolle über deren Wirkung hat. Sie/er erhält selten (direkte) Rückmeldung. Manchmal entstehen auch Zweifel über die Richtigkeit der Angaben bezüglich Alter, Geschlecht oder Problemschilderung. Dennoch gilt es, die Ratsuchenden ernst zu nehmen und empathisch zu antworten, entsprechend dem Grundsatz: „Jede/r Ratsuchende hat einen wichtigen Grund, dass sie/er so schreibt wie sie/er schreibt“. Ausblick Die Erfahrungen in 9 Jahren Sexundso-Online-Beratung zeigen, dass Online-Beratung keine Konkurrenz zur face-to-face-Beratung bildet, sondern eine Ergänzung. Es werden auch Mädchen/Frauen und Jungen/Männer erreicht, die sich sonst kaum trauen würden, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Viele Lösungswege lassen sich bereits online entwickeln. Online-Beratung ergänzt nicht nur andere institutionelle Angebote, sondern ermöglicht häufig erst den Zugang zu ihnen. 13 Arbeitsbereich „Liebe, Lust und Älterwerden“ „Liebe, Lust und Älterwerden“ ist innerhalb des pro familia-Landesverbandes Niedersachsen ein vergleichsweise junger Arbeitsbereich, der sich dem Themenbereich Liebe, Partnerschaft und Sexualität im Alter widmet. Im Oktober 2007 als befristetes Projekt gestartet, konnte er 2009 in die Regelarbeit des Landesverbandes überführt werden. Koordinatorin ist die Diplom-Pädagogin Silke Wendland. In einem vom Jugendideal geprägten Klima, in dem die Akzeptanz von Erotik und Sexualität im höheren Lebensalter noch längst nicht zum gesellschaftlichen Konsens gehört, hat sich der Landesverband mit dem Arbeitsbereich „Liebe, Lust und Älterwerden“ zwei übergeordnete Ziele gesetzt: 1. Älteren Menschen eine Plattform zu bieten, über ihre Wünsche und Probleme sprechen zu können und den für sie passenden Umgang mit ihrem Körper, ihrer Lust und Sexualität zu finden. 2. Langfristig zu einer Sensibilisierung der Gesellschaft für die sexuellen Bedürfnisse und Rechte älterer Frauen und Männer beizutragen und einer sexuellen Altersdiskriminierung entgegenzuwirken. Zur Verwirklichung dieser Ziele arbeiten die Beratungsstellen des Landesverbandes, die Koordinierungsstelle und die AG „Liebe, Lust und Älterwerden“ seit Beginn des Projektes gemeinsam daran, ein themenbezogenes Dienstleistungsangebot zu entwickeln und aufzubauen. Die spezifischen Angebote richten sich nicht nur an Frauen, Männer und Paare ab ca. 60 Jahren, sondern auch an deren Angehörige und Familienmitglieder, Gruppen sowie Beschäftigte in der Altenhilfe. Ein wichtiger Baustein der Arbeit zum Thema Sexualität und Älterwerden ist der Ausbau und die Weiterentwicklung der für pro familia charakteristischen psychosozialen Beratung vor Ort in Form von Einzelfallhilfe im Sinne der Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Hierzu gehören Sexual- und Partnerschaftsberatung, Unterstützung in Lebenskrisen sowie Hilfen in schwierigen Lebenssituationen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden seit Beginn des Projektes „Liebe, Lust und Älterwerden“ hierfür weitergebildet und fachlich qualifiziert. Auch in 2009 fand eine interne eintägige Fortbildung zum Thema Sexualität und Älterwerden statt. Zur Unterstützung der Sexual- und Paarberatungsarbeit mit älteren Menschen wurden darüber hinaus in 2009 alle 19 Beratungsstellen und 10 Außenstellen des Landesverbandes mit einem so genannten „Erotikkoffer“ ausgestattet, der Anschauungs- und wichtiges Informationsmaterial für die Praxis enthält. Ein anderer wichtiger Schwerpunkt von „Liebe, Lust und Älterwerden“ ist das Angebot von Vorträgen, Informationsnachmittagen und anderen themenbezogenen Veranstaltungen für interessierte Gruppen, die sich mit dem Älterwerden auseinandersetzen. Durch die enge Zusammenarbeit von pro familia-Beratungsstellen, Koordinierungsstelle und verschiedenen Kooperationspartnern vor Ort konnte 2009 eine Reihe thematischer Veranstaltungen verwirklicht werden. Auf eine Auswahl hiervon wird im Folgenden näher eingegangen: • Anlässlich des „Internationalen Tags der älteren Menschen“ am 1. Oktober fanden über Niedersachsen verteilt sehr unterschiedliche Aktionen statt: Telefonsprechstunden zum Thema Liebe und Sexualität im Alter, ein Info-Café, thematisch gestaltete Schaufenster und Büchertische sowie verschiedene Artikel in den lokalen Zeitungen. 14 • Im November unterstützten BeraterInnen des pro familia-Landesverband Nds. eine Telefonberatungsaktion des Radiosenders NDR 1 in Hannover zu dem Thema „Neuer Schwung in alter Beziehung“. • Über das Jahr verteilt fanden mehrere Kombi-Veranstaltungen statt, die jeweils aus 1. einem thematischen Vortrag („Ältere Frauen und Sexualität“ oder „Liebe, Partnerschaft und Sexualität in der zweiten Lebenshälfte“) und 2. einer Filmvorführung („Elsa & Fred“ oder „Wolke 9“) bestanden. (Weitere und detailliertere Beratungsstellen.) Beschreibungen finden sich bei den Berichten der 2009 konnten viele Kontakte zu neuen Kooperationspartnern (u.a. zu Einrichtungen der offenen Altenhilfe) geknüpft und bestehende weiter ausgebaut werden. Insgesamt hat die Arbeit des pro familia-Landesverbandes Niedersachsen in diesem Jahr zum Thema „Liebe, Lust und Älterwerden“ in der Öffentlichkeit sehr viel positive Resonanz und Aufmerksamkeit erfahren. 15 pro familiaBeratungsstellen in Niedersachsen 16 Arbeitsbereiche der pro familia-Beratungsstellen Alle pro familia-Beratungsstellen in Deutschland und ebenso im Landesverband Niedersachsen arbeiten in den Bereichen Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung. Die Größe der regionalen Einzugsbereiche und somit auch die Anzahl der Beratungen sind unterschiedlich. Auch die Anzahl und interdisziplinäre Vielfalt der MitarbeiterInnen in den Beratungsstellen – und somit die Möglichkeiten spezifischer Angebote - können variieren. Je nach Teamzusammensetzung gibt es folgende Angebote: Schwangerschaft und Geburt • Beratung vor, während und nach einer Schwangerschaft • Informationen zu sozialen, finanziellen und gesetzlichen Hilfen: Mutterschutz, Mutterschaftsgeld, Kindergeld, Elterngeld, Elternzeit, Wohngeld, Arbeitslosengeld I und II und Unterhalt • Antragstellung bei der Bundesstiftung „Mutter und Kind“ und „Familie in Not“ und weiteren Stiftungen • Beratung und Angebote für junge Schwangere und Mütter • Beratung bei Partnerproblemen während der Schwangerschaft oder nach der Geburt • Beratung zu Methoden der vorgeburtlichen Untersuchung (Pränataldiagnostik) • Beratung bei ungewollter Kinderlosigkeit • Schuldnerinnenberatung für Schwangere Schwangerschaftskonflikt • Unterstützung und Beratung im Schwangerschaftskonflikt • Gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung nach §§ 218/ 219 StGB • Informationen zu sozialen, finanziellen und gesetzlichen Hilfen • Information zum Schwangerschaftsabbruch (Rechtliche und medizinische Informationen, Kosten) • Beratung nach einem Schwangerschaftsabbruch Familienplanung und Gesundheit • Beratung und Information zu allen Verhütungsmitteln und -methoden • Beratung zur nachträglichen Verhütung („Pille danach“ und „Spirale danach“) • Beratung zur Sterilisation • Beratung zu gesundheitlichen Fragen: HIV/ Aids und andere sexuell übertragbare Krankheiten Sexualpädagogik • Schulische und außerschulische Veranstaltungen zu Themen wie Freundschaft, Liebe, Sexualität, Verhütung, HIV/ Aids und weiteren Geschlechtskrankheiten, unter Berücksichtigung kulturell geprägter Aspekte von Sexualität, Geschlechterrolle und der Geschlechterbeziehung • Sexualpädagogische Veranstaltungen für Menschen mit Behinderungen, deren Angehörige und MitarbeiterInnen von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen • Fortbildungsveranstaltungen für MultiplikatorInnen: ErzieherInnen, LehrerInnen, SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen • Veranstaltungen für interessierte Erwachsene zu sexualpädagogischen Themen, z.B. Elternabende/ Veranstaltungen für Eltern zu sexualpädagogischen Themen • Verleih von Fachbüchern und sexualpädagogischen Materialien (z.B. Verhütungsmittelkoffer) • Sexualpädagogische Projekte wie z.B. „Elternschaft lernen“ • Online-Beratung unter www.sexundso.de 17 Sexual- und Partnerschaftsberatung • Beratung bei partnerschaftlichen und psychosozialen Konflikten • Beratung bei sexuellen Problemen und Funktionsstörungen • Beratung bei sexualisierter Gewalt • Beratung bei Fragen zur sexuellen Orientierung • Beratung in Konflikten bei Trennung und Scheidung • Beratung zu Sexualität in allen Lebensphasen • Beratung für Menschen mit Behinderungen für eine selbstbestimmte Sexualität • Beratung zu rechtlichen und therapeutischen Möglichkeiten Beratungs-Statistik Beratungsstellen (mit Außenstellen) Braunschweig Cuxhaven Emden Goslar Göttingen Hannover Helmstedt Holzminden Lüneburg Oldenburg Osnabrück Peine Salzgitter Soltau Stade Uelzen Wilhelmshaven Wolfenbüttel Wolfsburg Gesamt Beratungsfälle 2.474 692 1.315 515 3.030 2.619 375 683 865 1.558 2.439 909 1.028 877 1.412 504 1.594 631 1.380 Beratungen § 5 + 6 SchKG 469 110 244 118 598 543 62 89 221 345 725 145 106 216 264 135 197 131 281 Beratungen § 2 SchKG 1.867 460 760 356 2.235 1.686 275 566 443 947 1.305 650 714 565 1.032 310 1.091 439 994 Gruppenberatungen 138 122 311 41 197 390 38 28 201 266 409 114 208 96 116 59 306 61 105 24.900 4.999 16.695 3.206 Ein „Beratungsfall“ in der Statistik bedeutet ein Rat suchender Mensch (oder ein Paar), der/das sich an eine der Beratungsstellen wendet, oder in der Gruppenberatung eine Schulklasse, eine LehrerInnengruppe etc., die an den sexualpädagogischen Angeboten und Veranstaltungen für Multiplikatoren teilgenommen haben. Wird die Gruppengröße auf durchschnittlich ca. 15 Personen geschätzt, so ergibt dies ca. 70.000 Menschen, die mit diesen Kernangeboten der pro familia in Niedersachsen erreicht wurden. 18 Manchmal genügt ein einziges Beratungsgespräch, um das Anliegen zu klären. Oft sind aber auch mehrere Gespräche notwendig. Werden alle Beratungsgespräche gezählt und neben den gesetzlichen Aufgaben und Gruppenberatungen auch die Allgemeinen Ehe-, Familienund Lebensberatungen mitgezählt, so ergeben sich: 21.625 5.022 3.245 2.955 Beratungen gem. § 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz Beratungen gem. § 5 und § 6 SchKG Gruppenberatungen (Schulklassen-, Multiplikatorenarbeit) Allg. Ehe-, Familien- und Lebensberatungen (zu den gesetzlichen Aufgaben gemäß Schwangerschaftskonfliktgesetz siehe Anlage) Gemeinsam und vielfältig Unsere Beratungsstellen haben gemeinsame Aufgaben – und gleichzeitig ein je eigenes Profil, regionale Vernetzungen, Projekte, Veranstaltungen … Nachfolgend gibt jede Beratungsstelle einen Einblick in die Schwerpunkte ihrer Arbeit und die Höhepunkte des Jahres 2009. 19 Entwicklungen und Highlights 2009 pro familia Beratungsstelle Braunschweig In der pro familia-Beratungsstelle Braunschweig belegen die statistischen Daten, dass Beratungen und sexualpädagogische Veranstaltungen in großer Vielzahl angefragt werden und auch einen Zuwachs zu dem Jahr 2008 erfahren haben. Die MitarbeiterInnen im sexualpädagogischen Arbeitsbereich haben ihre Konzepte in den letzten Jahren den Bedürfnissen und den gesellschaftlichen Bedingungen angepasst. Wir bieten ein auf jede Altersgruppe und Schulform zugeschnittenes Konzept, arbeiten geschlechtsspezifisch und können flexibel auf besondere Anfragen reagieren. Das hat in den vergangenen Jahren die Nachfrage nach diesem Angebot kontinuierlich erhöht. Deutlich erhöht haben sich die Beratungszahlen in der Einzel-, Paar- und Sexualberatung. Wir stellen fest, dass die Bereitschaft, sich in einer krisenhaften Situation Unterstützung zu holen, zunimmt. Trotz Erhöhung der Stunden für dieses Beratungsangebot in 2006, können wir inzwischen nicht bei jeder Anfrage zeitnah Termine anbieten. Die Beratungen im Bereich Schwangerschaftskonfliktberatung sind seit Jahren rückläufig. Das entspricht dem Bundestrend. In der Schwangerenberatung verzeichnen wir steigende Tendenz. Unser Anspruch, den Schwangeren einen sehr umfassenden Überblick über ihre rechtlichen und finanziellen Ansprüche zu geben, zahlt sich durch eine erhöhte Nachfrage aus. Besondere Themen und Angebote der pro familia Beratungsstelle im Jahr 2009 Liebe, Lust und Älterwerden - Beratungsangebote für Menschen ab 60 Bis zum Jahre 2050 wird jeder dritte Mensch in der Bundesrepublik über 60 Jahre alt sein. Demnach wächst hier eine Bevölkerungsgruppe heran, die eine Veränderung in den Angebotsprofilen aller sozialen Einrichtungen erfordert. Im Hinblick auf die pro familia bedeutet dies, dass wir älteren Menschen ein differenziertes und auf ihre Lebenswirklichkeit abgestimmtes Beratungsprofil anbieten möchten. Der pro familia-Landesverband Niedersachsen hat es sich daher unter dem Arbeitstitel „Liebe, Lust und Älterwerden“ zum Ziel gemacht, seine bestehenden Angebote für ältere Menschen zu verbessern und zu erweitern, um so dem demographischen Wandel Rechnung zu tragen. Den zentralen Themen der pro familia entsprechend gehört dazu insbesondere die Auseinandersetzung mit den Themen Liebe, Partnerschaft und Sexualität. pro familia möchte ältere Menschen ermutigen, über ihre Wünsche und Probleme zu sprechen, ihrem Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit Raum zu geben und den für sie passenden Umgang mit ihrem Körper, ihrer Lust und Sexualität zu finden. Zu allen Fragen rund um die Themen Liebe, Partnerschaft und Sexualität im Alter finden Frauen und Männer, Paare, Angehörige und Beschäftigte aus der Altenarbeit und -pflege fachlich kompetenten und menschlichen Rat. Ein besonderes Angebot unserer Beratungsstelle fand am 1. Oktober 2009 statt: Eine Telefonsprechstunde für ältere Menschen zum Thema „Liebe, Lust und Älterwerden“. Das Datum wurde bewusst gewählt. Im Jahre 1990 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 1. Oktober zum Internationalen Tag der älteren Menschen. Prinzipiell geht es dabei um die Einbeziehung der Dimension des Alterns in alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche, um dem demographischen Wandel gerecht zu werden. 20 Im Rahmen der Telefonsprechstunde hatten die Ratsuchenden Gelegenheit, sich von Fachkräften unserer Beratungsstelle zu allen Fragen rund um die Themen Liebe, Partnerschaft und Sexualität anonym beraten zu lassen. Dieses sehr niedrigschwellige Angebot wurde gut angenommen. Innerhalb der vierstündigen Sprechzeit konnten 23 Telefonberatungen durchgeführt werden. Die Altersspanne der AnruferInnen reichte von 40 bis 82 Jahren. Ein Themenschwerpunkt männlicher Anrufer war die Problematik der Erektionsstörungen; weibliche Ratsuchende stellten häufig Fragen zu allgemeinen Erregungsstörungen und den Wechseljahren. Auch wurde die Auswirkung von Medikamenten und Krankheiten auf die sexuellen Funktionen thematisiert, sowie die Problematik, als älterer Mensch keinen geeigneten Partner mehr zu finden und mit dem Alleinsein umgehen zu müssen. Insgesamt zeigte die Telefonsprechstunde, dass viele ältere Menschen sexuell noch aktiv sind und es einen breiten Beratungsbedarf gibt. Die Ratsuchenden haben uns gegenüber in den Gesprächen mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie diese unkomplizierte Beratungsmöglichkeit für sehr sinnvoll halten. Auf diesem Hintergrund planen wir langfristig, eine solche Telefonsprechstunde in unser Dienstleistungsangebot aufzunehmen und regelmäßig anzubieten. Schuldnerberatung für Schwangere Aus der Beratungspraxis mit schwangeren Frauen konnten wir die Erkenntnis ziehen, dass manche Frauen in einer wirtschaftlich sehr problematischen Situation stecken und sich nicht in der Lage sehen, ihre finanziellen Probleme alleine zu lösen. Viele dieser Frauen haben das Bedürfnis, ihre finanziellen Angelegenheiten möglichst noch vor der Geburt des Kindes zu regeln. Danach steht das geborene Kind oft ganz im Vordergrund und es fehlt die Zeit, sich auch noch mit finanziellen Dingen zu beschäftigen. Auf dem Hintergrund dieser Ausgangslage entstand zusammen mit dem Leiter der Braunschweiger Schuldnerberatungsstelle des DRK die Idee, betroffenen schwangeren Frauen einen schnellen, unkomplizierten und kostenlosen Zugang zur Schuldnerberatung zu ermöglichen. Die Beratungen sollten dort stattfinden, wo schwangere Frauen auch andere Hilfen in Anspruch nehmen können. Im Mai 2009 wurde dieses Projekt realisiert, alle 14 Tage kommt eine Mitarbeiterin der Schuldnerberatung für zwei Stunden in unsere Beratungsstelle, um die schwangeren Frauen bei der Bewältigung der finanziellen Problematik zu unterstützen. Die Beratungsinhalte sind dabei außerordentlich vielfältig: Vom einfachen Haushaltsplan über den Umgang mit Gläubigern oder Inkassounternehmen bis zum komplexen Insolvenzverfahren bzw. anderen Schuldenregulierungsmöglichkeiten - bei allen Themen finden die betroffenen Frauen Rat und Unterstützung. So können Briefe an Gläubiger aufgesetzt werden, um Forderungen ruhend zu stellen, um Ratenzahlungen zu vereinbaren oder bestehende Ratenzahlungen zu verändern. Hilfe können Frauen auch im Umgang mit Gerichtsvollziehern auf dem Hintergrund des Mahn- und Vollstreckungswesens erwarten und allgemein im Hinblick auf die Kontaktaufnahme zu Behörden und anderen Institutionen. Das Angebot der Schuldnerberatung für Schwangere wurde bislang gut angenommen. Wenn sich zeigt, dass der Beratungsbedarf in dem bisherigen Umfang bestehen bleibt, wird dieses spezielle Beratungsangebot dauerhaft aufrechterhalten. Beratung junger Frauen (unter 25 Jahre) und Teens plus Babys- Gruppe Seit Einführung von Hartz IV gestaltet sich die Situation für Schwangere unter 25 Jahren immer schwieriger, so dass eine Beratung häufig über einen längeren Zeitraum und mehrfach nötig ist. 21 Bereits in der Schwangerschaft treten Probleme mit der Arge auf, die die jungen Frauen meist nicht ohne Unterstützung bewältigen können. Zum Beispiel • werden von der Arge Anträge mit Hinweis auf Unterhaltspflicht der Eltern nicht angenommen. Der Paragraph 9 SGB II Abs.3 wird dabei nicht berücksichtigt. Dieser besagt, dass Eltern für ihr schwangeres Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres ihres Enkelkindes nicht unterhaltsverpflichtet sind. • entstehen auch Schwierigkeiten, wenn junge Frauen aus der elterlichen Wohnung aufgrund der Schwangerschaft ausziehen möchten/müssen. Häufig wird der Antrag auf eine eigene Wohnung nach Einlegen von Widerspruch oder erst kurz vor der Geburt bewilligt. • werden einmalige Leistungen der Mutter und Kind- Stiftung zur Babyerstausstattung und Umstandskleidung zum Teil auf Hilfe zum Lebensunterhalt angerechnet oder nicht gewährt. • kommen lange Bearbeitungszeiten von 6 bis 8 Wochen und mehr erschwerend hinzu. Ziel unserer Arbeit ist es, sie in ihrer neuen Lebenssituation als werdende Mutter zu begleiten, indem sie lernen Verantwortung zu übernehmen, um die nötigen Schritte wie z.B. Ämtergänge alleine zu bewältigen. Darüber hinaus vermitteln wir den Kontakt zu anderen Hilfsangeboten wie zum Beispiel den Familienhebammen, die die jungen Frauen bis zum ersten Lebensjahr des Kindes in allen Fragen zum Kind und zum Lebensalltag unterstützen. Seit Frühjahr 2004 wird in Kooperation mit dem Haus der Familie gGmbH und dem Mädchencafe LUZIE/JZ Mühle die „Teens plus Babys“- Gruppe für junge Schwangere und Mütter bis 21 Jahre angeboten. Ziel dieses Projektes ist es, die jungen Frauen in ihrer Persönlichkeit, in ihren Fähigkeiten und in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken, eine positive Mutter-Kind-Interaktion zu fördern, Unterstützung bei ihrer individuellen Lebensplanung zu geben und auch über gesundheitliche Aspekte im Hinblick auf Schwangerschaft, Geburt und kindlicher Entwicklung aufzuklären. Für die jungen Mütter ist die Teilnahme an diesem kontinuierlich stattfindenden Gruppenangebot kostenlos. Der Kontakt wird häufig über die sozialrechtliche Beratung hergestellt. In mehreren Beratungsstunden wird die notwendige Beziehungsarbeit geleistet, um die Schwellenangst zur Gruppenteilnahme zu nehmen. Es zeigte sich, dass die jungen Frauen auch noch lange Zeit nach der Geburt die Unterstützung der Gruppenleitung wie eine „offene Sprechstunde“ nutzen. Seit Oktober 2008 wird die Teens plus BabysGruppe von der Sozialpädagogin im Anerkennungsjahr Kristina Schmitz geleitet. 22 Das Team der pro familia-Beratungsstelle Braunschweig Von links nach rechts: Kristina Schmitz, Elke Dirks, Dr.Almut Wollschläger -Reiche, Ute Ahrens (hinten), Karolin Scheer (vorne), Uwe Niehus (hinten),Ursula Bartels, Dr. Christoph Pelster, Sigrid Korfhage 23 pro familia- Beratungsstelle Cuxhaven (mit der Außenstelle Bad Bederkesa) 40 Jahre pro familia Cuxhaven Das Jahr 2009 begann mit einem großartigen Jubiläum. Unsere Beratungsstelle feierte ihren 40.Geburtstag und das war für uns Grund genug, mit zahlreichen Gästen zu feiern. Wir bekamen sowohl von der Stadt als auch dem Landkreis Cuxhaven viel Lob und Zuspruch für unsere Arbeit. Das hat uns gut getan und wir werden weiterhin motiviert arbeiten. Unsere Beratungszahlen steigen jährlich und wir sind uns sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Wir freuen uns auf den nächsten runden Geburtstag, den wir dann mit unserem neuen Landesgeschäftsführer Herrn Bergen feiern werden. Mitmachparcours in Bad Bederkesa Im September fand in Bad Bederkesa der Mitmachparcours der BzgA an zwei Tagen statt. Im Vorwege bekamen alle teilnehmenden Institutionen durch Herrn Titt (BzgA) eine intensive Schulung. Der Parcours wird von den SchülerInnen mit sehr viel Engagement angenommen. Er bietet zudem eine gute Möglichkeit, sich als Beratungsstelle mit dem Gesundheitsamt, SchulsozialarbeiterInnen, LehrerInnen, der AOK und der Jugendhilfestation weiter zu vernetzen und ermöglicht eine gründlichere Einsicht in deren Tätigkeitsfelder. Die Bereitschaft, sowohl von SchülerInnen als auch von PädagoInnen, sich Unterstützung in unserer Beratungsstellen zu holen wächst, wenn man ein Gesicht damit verbinden kann und bereits Kontakt hatte. Nach zwei Tagen mit 15 Schulklassen weiß man allerdings auch, was man getan hat. Weltaidstag am 1.12.2009 Zum Weltaidstag am 01.Dezember wird in jedem Jahr eine Veranstaltung angeboten. So waren wir beispielsweise in einer Discothek, hatten einen Infostand im Realkauf und machten Werbung in der Innenstadt. In diesem Jahr organisierten wir in enger Kooperation mit Frau Scheil-Goeman (Gesundheitsamt) die Jugendfilmtage. Diese fanden großen Zuspruch bei den SchülerInnen aus Stadt und Landkreis Cuxhaven. Projekte in Cuxhaven Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen (manchmal) sehr… So lautet das Thema des neuen Projekts, welches durch die pro familia-Beratungsstelle in Cuxhaven 2009 erstmalig den Schulen der Stadt und des Landkreises angeboten wurde. Ziel war es, ein Projekt anzubieten, welches sich ganzheitlich mit der Situation von Familien heute beschäftigt, dabei den gesellschaftlichen Wandel berücksichtigt und den Jugendlichen so Informationen zur Verfügung stellt, um zu einer realistischen und informierten Lebensplanung zu gelangen. Es geht also um Lebenskompetenzförderung und eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den eigenen Lebenszielen. In zwei kleinen Gruppen beschäftigen sich Schüler und Schülerinnen der 9. und 10. Klasse mit diversen Themen rund um Schwangerschaft, Geburt, Familie und Lebensplanung. Die SchülerInnen sollen dazu eingeladen werden, sich diesem meist noch neuen Themenfeld zu widmen, eigene Standpunkte zu finden, darüber in Austausch mit den Mitschülern zu gehen und viel Neues z.B. über die frühkindliche Entwicklung zu erfahren. So soll ein umfassendes Bild vermittelt werden, was es heute bedeutet, eine Familie zu gründen, auf welche Hilfesysteme diese hoffen können, aber auch, welche Alternativen es zu einer besonders frühen Schwangerschaft gibt. Erfreulicherweise fand das Projekt eine gute Resonanz, so dass bereits mehrere Klassen einen Vormittag mit der Hebamme Susanne Arzenheimer und der Sozialarbeiterin Daniela Diehl vom Team der profa Cuxhaven verbringen konnten. 24 Pfandboxen Auch unsere Beratungsstelle beteiligte sich an dem Projekt Pfandtastisch helfen, das pro familia in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein der "Sozialhelden" in Supermärkten startete. Zunächst kam es zu einer Kooperation mit einem Edeka Aktiv Markt in Cuxhaven/Stadt, in dem die orangenen Pfandboxen einen Platz fanden. KundInnen können dort ihren Pfandbon einwerfen, anstatt diesen an der Kasse einzulösen. Einmal monatlich werden diese dann von unseren MitarbeiterInnen geleert. Die Aktion läuft dort sehr erfolgreich so dass wir bereits eine Spende von rund 500 Euro verzeichnen konnten, die wir für die sexualpädagogische Jugendarbeit in Stadt und Landkreis Cuxhaven einsetzen und von der wir beispielsweise ein anatomisches Modell anschaffen konnten. Das Team der pro familia-Beratungsstelle Cuxhaven Von links nach rechts: Sabine Damm, Daniela Diehl, Lothar Kleinschmidt, Ira Großmann-Berger Foto: M. Wehr 25 Pro familia-Beratungsstelle Emden (mit der Außenstelle Leer) Arbeitsschwerpunkte Psychosoziale Einzelberatung Ehe- und Paarberatung Familienberatung Sexualberatung Beratung zur Familienplanung Beratung zu finanziellen Hilfen in der Schwangerschaft Schwangerschaftskonfliktberatung Beratung und Therapie für traumatisierte Menschen Sexualpädagogische Beratung für Schulklassen, Jugendgruppen und Menschen mit Behinderungen Geburtsvorbereitungskurs „Auf Kurs - Schwangerschaft (er)leben“ FuN – Baby Mütter/Eltern - Kind Kurs Projekt „Elternschaft lernen“ Fortbildungen, Fachberatungen und Supervision für MultiplikatorInnen Öffentlichkeitsarbeit Vorstellung einzelner Arbeitsschwerpunkte Sexualpädagogische Beratung für Schulklassen, Jugendgruppen und Menschen mit Behinderungen 2009 war es uns wieder möglich, ein neues sexualpädagogisches Projekt in Kooperation mit der Fachhochschule Emden, Fachbereich „Soziale Arbeit und Gesundheit“ zu gestalten. Hier hatten wir die Möglichkeit, das Projekt „Gesundheitsberatung und -pädagogik“ im Gesundheitsbereich der hiesigen Fachhochschule einzubinden. Das Projekt umfasst zwei Semester und wir konnten 7 Studierende gewinnen. An den Gruppenveranstaltungen der pro familia Beratungsstelle Emden zu den Themen: Schwangerschaft und Geburt, Sexualität und Verhütung, Gynäkologe/ Urologe, Geschlechtskrankheiten und AIDS, Pubertät und körperliche Entwicklung, Freundschaft und Liebe, Partnerschaft und Sexualität, §219 StGB, Selbstbefriedigung, sexuelle Unsicherheiten, „Das erste Mal“, Homosexualität, sexuelle Praktiken, weibliche und männliche Sexualität, Behinderung und Sexualität, Arbeit und Angebote der pro familia beteiligten sich Schulklassen, Jugendgruppen, Studentengruppen, Konfirmandengruppen, der Geburtsvorbereitungskurs, Erwachsenengruppen, das Projekt „Durch dick und dünn“ Fachdienst Jugendförderung der Stadt Emden, das Projekt „Elternschaft erlernen“ und das Projekt „LoveLife“. Geburtsvorbereitungskurs „Auf Kurs - Schwangerschaft (er)leben“ Seit 2006 finden in der pro familia Beratungsstelle Emden zweimal jährlich Geburtsvorbereitungskurse als Tandemprojekt einer Sozialarbeiterin und einer FamilienHebamme statt. Kursstruktur: Zweimal jährlich stattfindende Kurse über 10 Termine á zwei Stunden. Je eine Stunde wird durch die Sozialarbeiterin und die Familien-Hebamme gestaltet. 26 FuN – Baby Mütter/Eltern - Kind Kurs FuN-Baby (Familie und Nachbarschaft) ist ein niedrigschwelliges präventives Familienprogramm, insbesondere für bildungsungewohnte Mütter und Eltern mit Kindern von 0 - 18 Monaten. Die FuN-Baby Kurse in der pro familia richten sich ausschließlich an minderjährige und junge Mütter/Eltern. FuN-Baby wird zweimal jährlich angeboten und geht über einen Zeitraum von acht Wochen für jeweils 1 ½ Stunden pro Termin. Der FuN-Baby-Kurs (Familie und Nachbarschaft) fand von März bis Mai 2009 statt. Es nahmen junge Mütter mit ihren Kindern im Alter von vier Wochen bis 12 Monaten teil. Die Treffen fanden acht Mal á 1,5 Std. in den Räumen der pro familia statt. Im Fokus standen die Vertiefung der Mutter-Kind-Bindung, ein Austausch der Mütter sowie ein gemeinsames Frühstück. Projekt „Elternschaft lernen“ 2009 erstellten die pro familia-Beratungsstellen des Landesverbandes Niedersachsen ein vereinheitlichtes Konzept. 2009 führten wir das Projekt an folgenden Schulen / Einrichtungen durch: Förderschule Emden, Haupt- und Realschule Emden-Wybelsum, Hauptschule Emden-Barenburg, Jugendwerkstatt des ev.- luth. Kirchenkreises Emden, Projekt E-On „Mit Energie dabei“. Peerleader „LoveLife“ als Teilprojekt der Partnerschaft Mirantao Die pro familia-Beratungsstelle Emden/Leer ist seit Anfang 2007 Kooperationspartner des Projektes „LoveLife“ und begleitet die Jugendlichen in der Ausbildung zum Peer Educator für die sexualpädagogische Arbeit. 2009 erhielten die Peerleader einen mit 1000 € dotierten Förderpreis zur „Pädagogischen Kultur“ des norddeutschen Vereines „PAEDALE“, den Jugendförderpreis vom Landkreis Leer und eine Auszeichnung als „Ort im Land der Ideen“. Einige Mädchen von „LoveLife“ waren im KIKA (Kinderkanal) und haben in einem Fernsehinterview ihre Arbeit vorgestellt Multiplikatorenfortbildungen und Informationsveranstaltungen Es fanden 2009 Fortbildungen und Informationsveranstaltungen zu spezifischen Themen statt. Inhalte waren u. a.: - Tätigkeitsbereiche der pro familia - Sexualerziehung im Elementarbereich - §§ 218 und 219 StGB - Netzwerk Junge Schwangere und junge Eltern - Gewalt in der Familie - sexuelle Gewalt - sexualpädagogische Arbeit - Vorstellung des Projektes „Elternschaft lernen“ - „Sexualität und Behinderung“ Zusätzlich gaben wir Supervisionstermine für Einrichtungen und Beratungsstellen. Andere Veranstaltungen Im Rahmen der Ärztefortbildung der Ärztekammer Niedersachsen in Hannover zum § 219 StGB referierte Frau Jacobs zum Thema „Die niedersächsische Situation der Schwangerschaftskonfliktberatung am Beispiel einer Beratungsstelle – Psychodynamik von Schwangerschaftskonflikten“ und zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen der Vermittlung sozialer Hilfen/ soziale Beratung – Chancen und Grenzen der Beratung und Vermittlung sozialer Hilfen nach der neuen Rechtslage“. Ferner fand in der Beratungsstelle Emden eine einführende Fortbildung zur Schwangerschaftskonfliktberatung nach §§ 218 und 219 StGB statt. Öffentlichkeitsarbeit Die pro familia-Beratungsstelle Emden/Leer war 2009 bei unterschiedlichen Veranstaltungen mit einigen Informationsständen und „Mitmach“- Aktionen in der Öffentlichkeit vertreten. Bei folgenden Veranstaltungen waren wir präsent: 27 - Präventionstag der Stadt Emden - Präventionsmarkt an der Cirksenaschule Emden - Präventionsmarkt an der BBS Emden - Präventionsmarkt des Johannes-Althusius-Gymnasiums Emden/ Pewsum - Frauengesundheitstag in Aurich - Präventionsmarkt Osterburgschule Emden - Welt-Kinder-Tag in Riepe - Julianenparkfest in Leer - Veranstaltung zum Welt-Aids-Tag in Leer in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt Leer Arbeitskreise Wir beteiligten uns kontinuierlich am Arbeitskreis gegen „Gewalt und sexuelle Misshandlung in Familie und Gesellschaft“ und am Netzwerk „Junge Schwangere und Eltern“. Des Weiteren wirkten wir an dem Arbeitskreis „Liebe, Lust und Älterwerden“ mit. Newsletter Seit 2009 erstellt die pro familia einen Newsletter, der ca. vierteljährlich erscheint. In diesem berichten wir von unserer Arbeit, von bevorstehenden Veranstaltungen und von Projekten. Höhepunkte des Jahres 2009 Schmusen, Kuscheln und noch mehr... Junge Erwachsene der OBW und Förderschule Emden beteiligten sich im Juni am Projekt "Schmusen, Kuscheln und noch mehr...". In drei bzw. vier Terminen haben sich die TeilnehmerInnen in der pro familia intensiv mit Liebe, Freundschaft, Sexualität und Verhütungsmitteln beschäftigt. Die Körperwahrnehmung, das Benennen der eigenen Bedürfnisse sowie das Erspüren eigener Grenzen waren ebenfalls ein Schwerpunkt der gemeinsamen Arbeit. Es wurden verschiedene Methoden und praktische Übungen zum Thema eingesetzt, damit die TeilnehmerInnen einen leichten und sinnerfüllten Zugang zu den Inhalten bekamen. Am Ende des Projektes erhielt jeder ein Zertifikat für die Teilnahme. Zonta Spende Im September 2009 erhielt „Auf Kurs - Schwangerschaft (er)leben“ eine großzügige Spende vom ZONTA-Club der Freunde/ Leer. Mit 2009 € wurden Tragetücher und Übungspuppen angeschafft. Mit den Lehrmaterialien können die Teilnehmerinnen das Wickeln, Tragen, Halten, Baden und Füttern erlernen und so Sicherheit im Umgang mit dem Säugling gewinnen. Der Rest der Spende fließt in die Deckung der Personalkosten und trägt somit zum Bestehen des Angebotes bei. Familien-Hebammen-Sprechstunde Seit 2008 bietet eine Familien-Hebamme in den Räumen der pro familia mittwochs von 1011 Uhr eine Sprechstunde an. Die Sprechstunde wird als offenes Angebot geführt. Mitwirkung beim NDR 1 Ratgeber `Neuer Schwung in alter Beziehung` Am 11.11.2009 wurde im NDR 1 der oben genannte Ratgeber ausgestrahlt. Am Vormittag und Abend konnten HörerInnen anrufen, um sich von pro familia-KollegInnen beraten zu lassen. Aus Emden stand Marion Jacobs als Interviewpartnerin zur Verfügung. Jubiläumsfeier des Arbeitskreises gegen Gewalt und Missbrauch in der Gesellschaft Der Arbeitskreis, der sich jeden zweiten Freitag in den Räumen der pro familia trifft, feierte am 12.11.2009 sein 20jähriges Jubiläum. Es wurde ein Fachvortrag gehalten, die Geschichte und die Arbeit des Arbeitskreises wurden rekronstruiert. 28 Das Team der pro familia-Beratungsstelle Emden/Leer Oben von links: Michael Goedecker, Marion Jacobs, Carmen Nikolić, Bodo Klimpel Mitte von links: Heidemarie Heyer, Andreas Dirks, Sandra Lünemann-Wohlers Unten von links: Angelika Welzel, Christina Siekmann 29 pro familia-Beratungsstelle Goslar Die Anzahl der Beratungen ist seit 1999 kontinuierlich ansteigend. 2009 fanden insgesamt 883 Beratungen statt. Sexualpädagogik und ihre Randgebiete: neue Themen in 2009 pro familia beweist seit Jahren Kompetenz auf dem Gebiet der Sexualpädagogik. Das dabei übliche Setting ist, dass uns Schulklassen in der Beratungsstelle besuchen, um mit uns über Themen wie „Mein Körper verändert sich“, „Traummann – Traumfrau“, „Das erste Mal“ oder „Verhütung“ zu sprechen. Wenn wir Schulen oder Jugendeinrichtungen bereisen, so kommen wir häufig mit unseren Infotischen. Wir liefern Informationen verpackt in Spielen und Aktionen wie Glücksrad, Sexquiz und Fühlkästen um nur einige Methoden zu nennen. Im letzten Jahr sind neue Themen zu den oben genannten hinzugekommen. Vermehrt wurden wir angefragt zu gesellschaftlichen Fragen oder auch Randbereichen im Zusammenhang mit Sexualität zu referieren oder Workshops zu veranstalten. Rechte und Pflichten in der Sexualität: Was ist erlaubt, wer darf wann mit wem oder eben auch nicht. Dazu veranstalteten wir einen Block in der Juleica (Jugendleiter) Ausbildung in Seesen, um jugendlichen Betreuern von Ferienfreizeiten mehr Sicherheit im Umgang mit ihren Schützlingen in Fragen mit der Sexualität zu geben. Dabei spielten gesetzliche Rahmenbedingungen genauso eine Rolle wie auch ein gesundes „Bauchgefühl“ zu entwickeln und zu stärken, welche Verhaltensweisen in Ordnung sind und welche nicht. Sexualität und Gewalt: Schutz vor Missbrauch ist ein zwar nicht neues aber doch immer wieder aktuelles Thema. Dazu bereiteten wir im Jahr 2009 eine Veranstaltung vor, die von der Stadtjugendpflege Goslar in Vienenburg organisiert wurde. Im Rahmen eines Mädchentages sollten die Kinder unter anderem stark gemacht werden, „Nein!“ zu sagen, sowie gute und schlechte Geheimnisse auseinanderzuhalten, damit sie so gestärkt möglichst nicht als Opfer fungieren müssen. Sexualität und Drogen: Wir beteiligten uns an einem Präventionstag im Kreishaus Goslar im Verbund mit dem Lukaswerk, der Drobs, dem Weißen Ring, der Polizei, der Aidshilfe, dem Niko Projekt, der Barmer Krankenkasse und der Stadtjugendpflege. Das Rahmenthema war Drogen- und Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen und die daraus entstehenden gesellschaftlichen Probleme. Sexualpädagogik für Eltern: Wir beteiligten uns am Eltern-Kompass, einer mehrteiligen Veranstaltungsreihe der Volkshochschule mit Angeboten für Eltern, deren Kindern im Pubertätsalter sind. Unser Part nannte sich „Pickel, Krach und viel Gefühl...“ und sollte Eltern auf die Gefühlte und gelebte Sexualität junger Menschen, deren Probleme und deren Neugier vorbereiten. Die Veranstaltungsreihe wurde sehr gut angenommen und bleibt ein wiederkehrendes Angebot im Seminarheft der Volkshochschule. 30 Das Team der pro familia-Beratungsstelle Goslar Von links nach rechts: Gabriele Lehner, Dr. Gesa Kaufholz, Hildegard Köhler-Bernhardt, Monika Hentig 31 pro familia-Beratungsstelle Göttingen (mit der Außenstelle Northeim) Von Aufklärung über Vielfalt bis Zweisamkeit - pro familia Göttingen stellt Jahresbilanz 2009 vor Die seit 1971 bestehende pro familia Beratungsstelle in Göttingen, Rote Str. 19, mit Außenstelle in Northeim, Entenmarkt 3, hat im vergangenen Jahr 2009 insgesamt 3194 Beratungen durchgeführt (2008: 3263 Beratungen). Das Team der Beratungsstelle besteht aus einer Büroassistentin, einer Ärztin, fünf Sozialpädagoginnen und einem Sozialpädagogen, der besonders für die sexualpädagogische Arbeit mit Jungen und Männern eingestellt wurde. Im Jahr 2009 waren, wie auch in den Vorjahren, die Beratungen vor, während und nach einer Schwangerschaft am meisten nachgefragt: 1484 Beratungen (2008: 1474 Beratungen). Hierzu gehören sozialrechtliche und finanzielle Informationen, z.B. zu Elterngeld, Kinderzuschlag, Wohngeld, Unterhaltsleistungen, Arbeitslosengeld II etc. (854 Beratungen) sowie Beratungen zur Mutter und Kind-Stiftung (544 Beratungen). 2009 erhielten ca. 35% unserer Ratsuchenden (ergänzend) ALGII - Leistungen. pro familia bietet ebenfalls psychosoziale Beratung sowie eine kontinuierliche Begleitung für eine konfliktreich erlebte Schwangerschaft an, besonders auch für minderjährige Schwangere. Probleme erster, bzw. junger Elternschaft nach der Geburt eines Kindes stellen einen weiteren Bereich dar (29 Beratungen). Ein zusätzliches Angebot bei Schwangerschaft ist die medizinische Beratung, z.B. zu Fragen der Pränataldiagnostik: die Entscheidung für oder gegen bestimmte vorgeburtliche Untersuchungen ist dabei ein häufiges Thema (53 Beratungen). Ein weniger bekanntes Angebot ist die Trauerbegleitung für Eltern totgeborener Kinder. Unsere Ärztin hat eine Zusatzausbildung in Integrativer Prozessbegleitung und als Trauerbegleiterin kann sie entsprechende Beratung und Begleitung anbieten. Weiterhin sind alle BeraterInnen für die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem eventuellen Schwangerschaftsabbruch qualifiziert. Hierzu suchten insgesamt 598 (2008: 589) Frauen, z. T. mit ihren Partnern, die Beratungsstellen in Göttingen und Northeim auf. Bei der Entscheidung pro – contra Kind wurden häufig Probleme in der Partnerschaft und/oder Existenz- und Zukunftsängste genannt. Zum Themenkomplex Partnerschaft und Sexualität wurden 2009 insgesamt 551 Beratungen (2008: 565) durchgeführt. Unterschiedliche Beziehungsvorstellungen, Kommunikationsprobleme, der Umgang mit Affären, die „Last mit der Lust“ sind zentrale Themen in diesem Bereich. Sexuelle Aufklärung für Jugendliche und Erwachsene ist nach wie vor fester und häufig nachgefragter Bestandteil in der Arbeit von pro familia: mit 197 Gruppen und 144 Einzelkontakten mit SchülerInnen, Eltern und MultiplikatorInnen wurden insgesamt 2485 Jugendliche und Erwachsene erreicht. Themen wie Liebe, Freundschaft, Sexualität, sexuelle Orientierung, sexualisierte Gewalt sowie eine immer wieder neu auftretende Verunsicherung von Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen im Umgang mit der sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen standen in der sexualpädagogischen Arbeit im Mittelpunkt. Seit 2009 ist das Team der Sexualpädagogik intensiv bestrebt, das Konzept der „Schulklassenarbeit“ zu optimieren und die bisher zum größten Teil zweistündigen Veranstaltungen durch pädagogisch sinnvollere und umfangreichere vierstündige Veranstaltungen zu ergänzen. Dieses Angebot wird von zunehmend mehr Schulen auch angenommen. 32 Die in der Sexualpädagogik tätigen KollegInnen sind in diesem Bereich auch in der Aus- und Weiterbildung als ReferentInnen tätig. 2009 fanden wieder mehrere Fortbildungen für Tagesmütter/-väter in der Kreisvolkshochschule Göttingen und Northeim sowie in der Volkshochschule Göttingen statt. Seit vielen Jahren werden von unserer Ärztin Kurse zur Familienplanung und Schwangerschaftsverhütung, Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch, Umgang mit Trauer nach Fehl-/Todgeburt sowohl in den Krankenpflegeschulen des Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende und der Helios Albert-Schweitzer-Klinik Northeim als auch in der Hebammenschule der Frauenklinik und der Medizinischen Psychologie und Soziologie der Universität Göttingen durchgeführt. Seit Oktober 2005 bietet die Göttinger Beratungsstelle zusätzlich das Projekt „Elternschaft lernen“ in Schulklassen an. Seit 2007 wird dieses Projekt mit 9 Babysimulatoren kombiniert. Neben den Zielen, eine realistische Lebensplanung, besonders für Familie und Beruf, zu entwickeln und gewaltfreie Konfliktlösungen zu erlernen, soll dieses Projekt insbesondere zur Prävention von ungeplanten Schwangerschaften beitragen. Im vergangenen Jahr haben wir das Projekt „Elternschaft lernen“ an 5 Schulen im Einzugsbereich der Beratungsstelle mit sehr guter Resonanz durchgeführt. Neu ist dabei, dass wir an 3 dieser Schulen das Projekt jeweils mit einer Lehrerin bzw. Schulsozialarbeiterin durchgeführt haben, die vorher an der ebenfalls von uns angebotenen Fortbildung für MultiplikatorInnen teilgenommen hatten. Nach dem theoretischen Teil erfolgte somit ein von uns begleiteter Praxiseinsatz. Diese Verknüpfung von Theorie und Praxis wurde von den Kolleginnen der Schule als sehr positiv bewertet. Ebenfalls fester Bestandteil der Sexualpädagogik ist die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen. Neben Veranstaltungen in den einzelnen Förderschulen der Stadt besteht seit Jahren eine gute Kooperation mit den Göttinger Werkstätten für behinderte Menschen. Auch 2009 wurden hier wieder 10 Veranstaltungen durchgeführt, in denen es darum geht, die Themen rund um Freundschaft, Liebe, Sexualität sowohl den jungen Erwachsenen, die mit ihren vielfältigen Besonderheiten dort beschäftigt sind, als auch deren BetreuerInnen und AnleiterInnen in den Werkstätten und in ihren jeweiligen Wohngruppen näher zu bringen. Das traditionelle Aufgabengebiet der pro familia, die Familienplanung und Schwangerschaftsverhütung, wurde als eigenes Thema in 197 Beratungen (2008: 293) in Anspruch genommen. Fragen zur allgemeinen Familienplanung, auch im Zusammenhang mit ungewollter Kinderlosigkeit, sowie Verhütung und Beratung zur Sterilisation beim Mann oder der Frau sind dabei Themen. Zusätzlich ist es für Frauen möglich, sich ein Diaphragma anpassen zu lassen und das für die „Pille danach“ notwendige Rezept zu erhalten. 33 Das Team der pro familia-Beratungsstelle Göttingen Von links nach rechts: Ingeborg Schmidt, Ute Wiese-Hast, Elisabeth Kastner, Tanja Fulst, Barbara Ernst, Iris Laskowski, Thomas Seifert 34 pro familia-Beratungsstelle Hannover Beratungsstelle Hannover Wenn wir die Arbeit des vergangenen Jahres beschreiben wollen, so können wir vor allem eine stetig steigende Anfrage nach Beratung in allen von uns angebotenen Beratungsfeldern feststellen, der wir bei Weitem nicht gerecht werden können. Dies betrifft vor allem die Begleitung in der Schwangerschaft und die Nachfrage nach finanziellen Hilfsmöglichkeiten. Aber auch zu anderen Themen spielen eine gute Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Beratungseinrichtungen, die zu unseren Schwerpunkten arbeiten, eine immer größere Rolle, um KlientInnen im guten Sinn weitervermitteln zu können. In diesem Zusammenhang kommt dem Erstkontakt eine wichtige Bedeutung zu. Deshalb freuen wir uns, dass im Jahr 2009 für eine Erweiterung der Stundenzahl im Erstkontakt die Weichen gestellt wurden, und dieses sich in 2010 umsetzen wird. Seit mehreren Jahren bemühen wir uns, den Anliegen unserer KlientInnen mit Deutsch als Zweitsprache mit einem kultursensiblen Ansatz gerecht zu werden. Um mehr voneinander zu verstehen haben wir lange in einem Dialogprojekt mit vielen Menschen zum Thema „Sexualethik“ gearbeitet und, als ein Ergebnis, eine Broschüre zum Thema „Sexualethik im Dialog“ mit Artikeln und Interviews aus unterschiedlicher kultureller, religiöser und individueller Sicht zusammengestellt. Darüber hinaus erproben wir neue Möglichkeiten unser sexualpädagogisches Angebot als kontinuierliche mehrjährige Begleitung von Schülerinnen und Schülern in enger Kooperation mit einer hannoverschen Förderschule zu gestalten. Kira Preußing und Alexandros PavlidisNasogga, beide Sexualpädagogen der Beratungsstelle Hannover, begleiten eine Schulklasse von Jahrgangstufe fünf bis zum Schulabschluss. Durch die gewohnten Gesichter der pro familia und die mehrmaligen Treffen im Jahr, soll ein Lernen in vertrauensvoller Umgebung, den jeweiligen Fragen und Bedürfnissen angepasst, möglich sein. Ganz so wie wir uns Sexualpädagogik wünschen, als immer wiederkehrendes gleichwertiges Thema im Schuljahr. Eben Lernen fürs Leben. Die ersten Treffen wurden von den Schülerinnen und Schülern gut aufgenommen. Im Sinne der anwaltlichen Vertretung unserer KlientInnen nimmt Karin Helke-Krüger am Runden Tisch der JobCenter teil. Als Besonderheit gab es auf unsere Initiative hin im September 2009 eine gemeinsame Sitzung mit Vertreterinnen aller Schwangerschaftskonflikt- und Schwangerenberatungsstellen in der Region Hannover und den Vertretern der Jobcenter der Region. Hier war der geeignete Ort um über Fragen und Probleme zu sprechen, die sich aus der alltäglichen Beratungsarbeit in den Schwangerenberatungsstellen ergibt im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II der XII, aber auch auf die besonderen psychosozialen Belastungen in der Schwangerschaft. So positiv solche Gespräche einzuschätzen sind, wurde doch deutlich, wo gravierende Unterschiede in der Bewertung der gesetzlichen Vorgaben liegen und damit in möglichen Handlungsräumen. Viele Dinge sind nicht zum ersten Male besprochen worden, wir können nur abwarten, wie dann die ganz konkrete Umsetzung im Einzelfall erfolgt. Wir sehen es als unserer Aufgabe an, immer wieder den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung kritische Hinweise zu geben, wo aus unserer Sicht im Sinne der Ratsuchenden Verbesserungen erfolgen sollten. Als konkreter Erfolg kann zum Beispiel genannt werden, dass nun ein Umzug bei Schwangerschaft nicht erst nach dem 5. Monat sondern schon ab Vorlage des Mutterpasses möglich ist. Weiterhin haben wir uns 2009 an einem Wettbewerb der Region Hannover unter dem Titel: „Miteinander – Gemeinsam für Integration“ beteiligt und einen Preis gewonnen, der es uns 35 ermöglicht, eine Projektstelle zu schaffen, deren Inhaberin die Aufgabe hat, eine Konzeption für eine dialogische kultursensible Sexualpädagogik zu erstellen, die auch im Bereich schulischer Sexualkunde zur Anwendung kommen kann. Dieses Projekt wird im Mai 2010 starten. So wird sich der begonnene Weg, unsere Arbeit interkulturell auszurichten, auch in 2010 weiter fortsetzen. Das Team der pro familia-Beratungsstelle Hannover Das dynamische Team der pro familia-Beratungsstelle Hannover: immer in Bewegung. Von links nach rechts: Hintere Reihe: Alexandros Pavlidis-Nasogga, Cornelia Anhelm-Dieng, Elfriede Morgenstern, Sivi Ekinci, Astrid Walter, Corinna Linke Vordere Reihe: Ulf Gronau, Olaf Schwantes, Kira Preußing, Karin Helke-Krüger, Beate Hasse, Vera Zander 36 pro familia-Beratungsstelle Helmstedt Zum ersten Mal fand im vergangenen Jahr in Helmstedt ein so genannter „Markt der Möglichkeiten“ statt, den die Arbeitsgruppe „Jugendamt/ Schule“ im März unter dem thematischen Schwerpunkt „Prävention für Kinder und Jugendliche“ veranstaltete und an dem die pro familia-Beratungsstelle Helmstedt teilnahm. Zahlreiche Einrichtungen aus Stadt und Landkreis Helmstedt, die mit der Jugendhilfe und der Jugendpflege vertraut sind, kamen an diesem Termin zusammen, um auf ihre Arbeit und Projekte aufmerksam zu machen und für Fragen und Gespräche persönlich zur Verfügung zu stehen. Zielgruppe dieser Veranstaltung waren sowohl LehrerInnen, ErzieherInnen und Eltern als auch interessierte BürgerInnen, die den „Markt der Möglichkeiten“ als Plattform zum Informationsaustausch und Knüpfen von Kontakten nutzen konnten. Im Rahmen der Qualifizierung von Tagesmüttern und Tagesvätern, die in Zusammenarbeit mit der Eltern-Servicestelle des Landkreises Helmstedt angeboten wird, hat Hildegard Köhler-Bernhardt, Diplom-Psychologin und Paar- und Sexualtherapeutin, im vergangenen Jahr bereits zum zweiten Mal den thematischen Baustein „Sexualerziehung von Kindern der Altersstufe 1 bis 6 Jahre“ als Referentin übernommen. Im März 2009 hat eine Studentin Hochschule Magdeburg-Stendal (FH), Fachrichtung Rehabilitationspsychologie (Bachelorstudiengang) ein Praktikum in der pro familiaBeratungsstelle Helmstedt absolviert. Bereits seit mehr als zwei Jahren besteht im pro familia-Landesverband das Projekt „Liebe, Lust und Älterwerden“, dessen Koordinatorin die Diplom-Pädagogin Silke Wendland ist. Als ein Ergebnis dieser Projektarbeit wurden zum einen alle pro familia-Beratungsstellen in Niedersachsen im zurückliegenden Jahr mit einem so genannten „Erotikkoffer“ ausgestattet. Ähnlich wie mit dem „Verhütungsmittelkoffer“ für die sexualpädagogische Arbeit mit Gruppen und Schulklassen steht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der pro familiaBeratungsstellen damit ein weiterer professioneller Baustein speziell für die Einzel-, Paarund Sexualberatung zur Verfügung. Um in der Öffentlichkeit auf das Thema „Liebe, Lust und Älterwerden“ aufmerksam zu machen, führten der Paritätische und die pro familia-Beratungsstelle im vergangenen Jahr eine gemeinsame Aktion durch. Unter dem Titel „Das Kribbeln im Bauch hört niemals auf“ wurde der internationale Tag der älteren Menschen genutzt, um sich dem sensiblen Thema Liebe, Lust und Leidenschaft der älteren Generation zu widmen, denn Wünsche nach Nähe, Zärtlichkeit und Freude über eine lustvoll gelebte Sexualität sind auch jenseits der 60 selbstverständlich und können entscheidend zur Lebensqualität beitragen. Zwei wichtige Gremien, in denen die pro familia-Beratungsstelle vor Ort mitarbeitet, ist zum einen der Arbeitskreis „Frauen und Gesundheit im Landkreis Helmstedt“ und zum anderen das „Netzwerk gegen Gewalt an Frauen im Landkreis Helmstedt“. Der Arbeitskreis „Frauen und Gesundheit im Landkreis Helmstedt“ existiert seit 1998 und ist ein Zusammenschluss von Frauen, die in der Stadt bzw. im Landkreis Helmstedt beruflich tätig sind; unter anderem sind hier die Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises und der Stadt Helmstedt vertreten sowie Mitarbeiterinnen der Arbeiterwohlfahrt, des Caritasverbandes, des Diakonischen Werkes, der Suchthilfe des Lukas-Werkes und der pro familia-Beratungsstelle Helmstedt. Seit inzwischen 11 Jahren organisiert dieser Arbeitskreis einmal jährlich eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung für Frauen mit einem inhaltlichen Themenschwerpunkt aus dem Bereich der Gesundheit; bei der Veranstaltung in 2009 des Arbeitskreise konnte Silke Wendland, die Koordinatorin des bereits erwähnten Projekts „Liebe, Lust und Älterwerden“ als Referentin gewonnen werden. Im Flyer zur Veranstaltung hieß es: „Liebe, Lust und Leidenschaft... auch, wenn in den Medien häufig ein anderes Bild gezeichnet wird, sind dies Gefühle, die nicht nur junge Menschen betreffen. Vor allem Frauen in der zweiten Lebenshälfte gestalten heute ihr Leben 37 hinsichtlich Partnerschaft und Sexualität aktiver und selbstbewusster, als es einst ihre Mütter getan haben. Dabei begegnen ihnen ähnliche gesellschaftliche Vorurteile. Wie verändert sich die weibliche Sexualität im Alter? Welche körperlichen, biographischen und sozialen Faktoren spielen dabei eine Rolle? Was bedeuten Attraktivität und Erotik im Alter? Welche Möglichkeiten stehen älteren Frauen heute offen? Wie individuell und vielfältig der Umgang älterer Frauen mit ihrer Sexualität sein kann und wie wichtig es ist, dabei vor allem sich selbst und seinen eigenen Bedürfnissen – jenseits von Jugendkult und Leistungsdenken – treu zu bleibenden, darüber spricht Silke Wendland.“ Das „Netzwerk gegen Gewalt an Frauen im Landkreis Helmstedt“ ist ein Zusammenschluss von VertreterInnen der Wohlfahrtsverbände, der Polizei, der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten sowie der Politik, die über das Thema „Häusliche Gewalt“ aufklären und präventiv tätig werden wollen. Aus diesem Netzwerk heraus hat sich ein Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit gegründet, der im zurückliegenden Jahr verschiedene Veranstaltungen und Aktionen durchführte, um in der Öffentlichkeit auf das „Häusliche Gewalt“ aufmerksam zu machen. Zum einen wurde im Juni eine mehrteilige Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Häusliche Gewalt geht alle an!“ organisiert und durchgeführt. Zum Auftakt dieser Veranstaltungsreihe wurde die vom Landeskriminalamt herausgegebene Ausstellung „Gegen Gewalt in Paarbeziehungen“ im Kreiskrankenhaus St. Marienberg in Helmstedt eröffnet. Als Referentin für den Eröffnungsvortrag konnte Frau Prof. Dr. Brombach gewonnen werden, die in ihrem Vortrag „Eigentlich sind wir eine gute Familie“ auf Frauen und Kinder als Opfer häuslicher Gewalt einging. Zu den weiteren Veranstaltungen zählten: • ein Workshop unter dem Titel „Gewalt im Spiel“ für Jugendliche des Jahrgangs 9 in Schöningen; • eine Telefonaktion in Zusammenarbeit mit der Braunschweiger Zeitung; • eine Fachveranstaltung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die in der pädagogischen Arbeit mit Kindern tätig sind; • eine Präventionsveranstaltung für Kinder des Jahrgangs 4 in Königslutter sowie • ein Kinoabend, an dem der Film „Öffne meine Augen“ gezeigt wurde. Nach Abschluss dieser Veranstaltungsreihe hat der Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit einen Flyer mit wichtigen Adressen und Anlaufstellen bei häuslicher Gewalt in mehreren Sprachen übersetzen lassen und herausgegeben. Zum jährlich stattfindenden internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November fand schließlich eine gemeinsame Aktion statt, in deren Rahmen ein neues Leporello vorgestellt und verteilt wurde. 38 Das Team der pro familia-Beratungsstelle Helmstedt Von links nach rechts: Hildegard Köhler-Bernhardt, Christine Beab, Melanie Weinhold 39 pro familia-Beratungsstelle Holzminden 2008 war für uns ein sehr turbulentes Jahr – wir konnten erstmals eine Kollegin für den Erstkontakt mit 15 und einen Sexualpädagogen mit 8 Wochenstunden einstellen, außerdem gab es eine räumliche Erweiterung durch die Hinzunahme der Wohnung im 3. Stock in der Wallstraße. Der Paritätische vor Ort hat uns u. a. bei der Renovierung in sehr dankenswerter Weise unterstützt. Im Vergleich zu diesen einschneidenden und erfreulichen Veränderungen war das zurückliegende Jahr 2009 eher eins der Konsolidierung, der Teamentwicklung und der inhaltlichen Weiterentwicklung der Sexualpädagogik. Von links nach rechts: Karin Kahmann, Kirsten Benthack, Sebastian Deppe, Petra Vaal Die Gesamt - Beratungszahlen sind insgesamt wiederum leicht angestiegen (2008: 828 / 2009: 858), obwohl der Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung rückläufig war (2008: 104 / 2009: 93). Die Zahl der sexualpädagogischen Gruppenveranstaltungen ist im Gegensatz dazu höher als im Vorjahr: 2008: 20 / 2009: 31. Die sozialrechtliche Beratung für Schwangere und die Paar- und Sexualberatung wurden – wie in den Vorjahren – unverändert stark nachgefragt. Es ist zu beobachten, dass sich der von der Beratungsstelle angebotene Bereich der Sexualpädagogik inhaltlich über die reine Schulklassenarbeit hinaus entwickelt. Andererseits gibt es in der Schulklassenarbeit seit fünf Jahren hochmotivierte studentische temporäre MitstreiterInnen, (s. a. Artikel über das Sexualpädagogische Projekt, S. 68), so dass bei einer ganzheitlichen Betrachtung des Landkreises sowohl eine zahlenmäßige Zunahme der durch die Studierenden erreichten SchülerInnen, als auch eine inhaltliche Differenzierung durch die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle zu verzeichnen ist. Auch die Kooperationspartner sind vielfältiger geworden. Dieser erfreuliche Trend wird sich sicher in Zukunft noch fortsetzen. Als ein Schwerpunkt zeichnet sich für uns die Arbeit mit Jungen und jungen Männern ab. Hier würden wir perspektivisch z. B. gern eine kontinuierliche Jungengruppe anbieten. Im Jahr 2009 wurde eine Informationsveranstaltung zum "Internationalen Tag der älteren Menschen" in Kooperation mit dem Seniorenservicebüro des Landkreises Holzminden und dem Projekt "Liebe, Lust und Älterwerden" des pro familia-Landesverbandes Niedersachsen durchgeführt. Gemeinsam mit dem Seniorenservicebüro des Landkreises Holzminden hat die pro familia-Beratungsstelle Holzminden im Vorfeld der Veranstaltung ein Schaufenster im Gesundheitsamt („EINBLICK“) des Landkreises Holzminden gestaltet, um auf die Veranstaltung und das Thema aufmerksam zu machen. 40 Für den Veranstaltungstag konnten die Projektpartner Silke Wendland von der Koordinierungsstelle des pro familia-Landesverband Nds. e.V. als Referentin gewinnen. Silke Wendland führte mit einem Vortrag in das Thema ein, und nach einer offenen Runde bei Kaffe und Kuchen haben die rund 35 TeilnehmerInnen noch den Film "Wolke 9" angesehen. Somit wurde das Thema erfolgreich abgerundet. Neben den sexualpädagogischen Einheiten in den Schulklassen und anderen Einrichtungen wurde auch ein Elternabend im Kindergarten in Grünenplan zum Thema "Frühkindliche Sexualität" durchgeführt. Der gut besuchte Elternabend führte dazu, dass eine Nachfolgeveranstaltung im März 2010 bereits erfolgte. Kinder und Sexualität - wie passt das zusammen? • Vor der Pubertät denken die Kleinen doch gar nicht an so was! • Wir müssen sie viel mehr beschützen! • Schlafende Hunde soll man nicht wecken! Solche Überzeugungen sind weit verbreitet. Die Erzieherinnen wissen es aus ihrer langjährigen Erfahrung aber besser. Die Frage war also nicht: "Gibt es eine kindliche Sexualität?", sondern "Wie gehen wir angemessen damit um?". An mehreren, z.T. problematischen Situationen aus der Praxis wurde deutlich, dass es keine Patentrezepte für den Umgang mit Anmache, Doktorspielen usw. gibt. Die jeweiligen ErzieherInnen handeln immer als Personen mit einer ureigenen Geschichte. Und da macht es einen großen Unterschied, in welchem "Klima" man aufgewachsen ist! Es wurde ausgiebig über die eigene Aufklärung in den 50er, 60er oder 70er Jahren erzählt sowie über die unterschiedlichen Phasen der kindlichen Sexualität referiert. Bei aller Vorsicht kann doch gesagt werden, dass das Klima in der Erziehung heute sexualfreundlicher ist als z.B. in den 50er Jahren. Der entscheidende Aha-Effekt war, anzuerkennen, dass sich kindliche Sexualität grundsätzlich von erwachsener Sexualität unterscheidet. Es kommt immer dann zu Missverständnissen, wenn "Große" mit ihrem erfahreneren, erwachsenen Blick kindliches, unbefangeneres sexuelles Verhalten beurteilen. Mit dieser Unterscheidung wird es vielleicht leichter, das Thema in Teambesprechungen, auf Elternabenden usw. aus der Tabuzone herauszuholen. Die Eltern und Erzieherinnen waren von diesem Abend sehr angetan. Sie fühlten sich bestärkt in dem, was sie schon wussten: Auch Kinder haben eine Sexualität, nur anders. Die Sexualerziehung im Kindergarten stellt die Erzieher und Erzieherinnen immer wieder vor heikle Situationen, bei denen viele Handlungsstrategien greifen könnten. Die pro familia möchte mit ihrem Angebot hierbei unterstützen und die ErzieherInnen sowie die Eltern ermutigen, über die Erfahrungen des Sexualverhaltens der Kinder zu sprechen und den für sie passenden Erziehungsstil dafür zu finden. In Zusammenarbeit mit anderen sozialen Einrichtungen organisierte die pro familia Beratungsstelle Holzminden eine Informationsveranstaltung in der Hauptschule Bodenwerder zum Thema "Teenagerschwangerschaften". Die pro familia übernahm dabei das Thema "Finanzielle Hilfen". Die Klassen wurden in einzelne Gruppen aufgeteilt, die sich nach einer festgelegten Reihenfolge bei den einzelnen Institutionen Informationen zu dem Thema einholen konnten. Der Tag verlief sehr gut und stieß auf eine positive Resonanz bei den SchülerInnen. Im Jahre 2008 wurde eine Jungengruppe ins Leben gerufen. Für 2010 wurde angedacht, einige Jungs dazu zu begeistern, an einem Wettbewerb zum Thema "Familienplanung, Zukunftsvorstellungen etc." teilzunehmen. Im Kalenderjahr 2009 wurden dafür bereits im November und Dezember Maßnahmen zur Vorbereitung getroffen. Neben intensiver Pressearbeit wurde aktive Öffentlichkeitsarbeit an sämtlichen Schulen, Jugendzentren etc. im Landkreis Holzminden betrieben. Das Projekt startete dann im Januar 2010. 41 pro familia-Beratungsstelle Lüneburg Das Jahr 2009 im Überblick Im Jahr 2009 ist die Anzahl der Beratungen vor/ während und nach einer Schwangerschaft im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen: 713 Beratungen (2008: 704 Beratungen). Hierzu gehören sozialrechtliche und finanzielle Informationen, z.B. Beratungen zur Bundesstiftung „Mutter und Kind“, Erziehungs- und Elterngeld, Arbeitslosengeld II etc. sowie psychosoziale Beratungen während der Schwangerschaft und in der (jungen) Elternschaft. Dieses Angebot ist gleichzeitig das bei pro familia am häufigsten aufgesuchte. pro familia bietet ebenfalls eine kontinuierliche Begleitung für eine konfliktreich erlebte Schwangerschaft an – besonders auch bei minderjährigen Schwangeren, die oft eine intensive Unterstützung benötigen. Zusätzliches Aufgabengebiet ist die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem eventuellen Schwangerschaftsabbruch. Hierzu suchten insgesamt 221 (2008: 228) Frauen/ Paare die Beratungsstelle in Lüneburg auf. Bei der Entscheidung pro – contra Kind wurden häufig Probleme in der Partnerschaft und Existenz und Zukunftsängste genannt. 218 Beratungen (2008: 200) zu Partnerschaft und Sexualität wurden 2009 durchgeführt. Unterschiedliche Beziehungsvorstellungen, Kommunikationsprobleme, der Umgang mit Affären, die „Last mit der Lust“ waren zentrale Themen in diesem Bereich. Sexuelle Aufklärung für Jugendliche und Erwachsene ist nach wie vor fester und nachgefragter Bestandteil der pro familia: 201 Gruppen und Einzelkontakte mit SchülerInnen, Eltern und MultiplikatorInnen fanden statt. Dabei wurden insgesamt 2245 Jugendliche und Erwachsene erreicht. Themen wie Liebe, Freundschaft, Sexualität, sexuelle Orientierung, sexualisierte Gewalt sowie eine immer wieder neu auftretende Verunsicherung im Umgang mit der sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen standen in der sexualpädagogischen Arbeit im Mittelpunkt. Auch im Jahre 2010 wird sich pro familia weiterhin für eine selbstbestimmte Sexualität einsetzen. Über das bisherige Angebot hinaus ist pro familia bemüht, sich den Bedürfnissen und Wünschen der Ratsuchenden anzupassen und hierzu neue Angebote zu vorzuhalten. Für 2010 werden wir für den Bereich Sexualpädagogik Elternabende zum Thema „Porno, Chat und SchuelerVZ“ anbieten, um die Medienkompetenz zu stärken und so mehr Sicherheit zu vermitteln. Auch für ältere Ratsuchende wollen ein neues Arbeitsfeld unter dem Titel „Liebe, Lust und Älterwerden“ anbieten. Ältere Frauen und Männer bilden heute eine Zielgruppe, die erwartet, in Ihren Wünschen und Bedürfnissen ernst genommen zu werden und ein differenziertes, auf ihre Lebenswirklichkeit abgestimmtes Dienstleistungsangebot vorzufinden. 42 Das Team der pro familia-Beratungsstelle Lüneburg Von links nach rechts: Lisanne Schröttke, Andreas Gloël, Anja Brommann, Corinna HeiderTreybig, Sabine Stork 43 pro familia-Beratungsstelle Oldenburg Nachfolgend wird exemplarisch ein sexualpädagogisches Projekt eingehender dargestellt, das 2009 erfolgreich in Oldenburg durchgeführt wurde. Konzept „Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft“ Zielgruppe des Projektes Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft sind die SchülerInnen ab 8. Jahrgangsstufe der unterschiedlichen Schultypen bzw. die Berufsschulen. Die Thematisierung von Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft soll Jugendlichen helfen, eine realistische Lebensplanung zu entwickeln. Wir möchten Jugendlichen eine positive Einstellung zu Kindern vermitteln und sie befähigen, Elternschaft als einen bedeutenden Lebensabschnitt zu würdigen. Sie sollen erkennen, welche Verantwortung die Erziehung von Kindern bedeutet, welche Möglichkeiten, aber auch Probleme mit Elternsein verbunden sind. Wir möchten ihnen die Möglichkeit geben, Erziehungsstile zu reflektieren, um so adäquates Verhalten für die förderliche Entwicklung des Kindes kennen zu lernen. Wir wollen aber auch vermitteln, dass auftretende Probleme in Erziehung und Familienleben keine Folge individuellen Unvermögens bedeuten, sondern normale Realität in Elternschaft und verbindliche Partnerschaft somit handhabbarer Bestandteil in der Erziehung sind. Dazu gehört z.B. auch die Information über außerfamiliäre Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Die frühe Thematisierung von Elternschaft und verantwortlicher Partnerschaft stellt für uns eine wichtige Prävention dar, um sich über eigene Lebenserfahrungen und Ideen Gedanken zu machen. Das Projekt „Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft“ wird von einer Diplom Sozialpädagogin koordiniert und betreut. Es wird in Form von freiwilligen Arbeitsgemeinschaften (AG´s) den Schülern/innen ab der 8. Jahrgangsstufe in allen Schulformen in der Stadt Oldenburg angeboten. Jedes Modul erstreckt sich über zwei Schulstunden in den Räumen der jeweiligen Schule über ein bzw. Schulhalbjahre. Die Jugendlichen bekommen Informationen über den Ablauf und die Themeninhalte des Projektes. Die Entscheidung zur Teilnahme sollte in jedem Fall freiwillig und frei von Zensierung sein. Die Freiwilligkeit ist wichtig, weil im Verlauf des Projektes sehr persönliche Themen der TeilnehmerInnen angesprochen werden und niemand genötigt werden soll, sich diesen Erfahrungen zu stellen. Die TeilnehmerInnen haben auch während eines Moduls die Möglichkeit, sich durch „Nichtbeteiligung“ ihre persönlichen Grenzen bei der Auseinandersetzung der Themen zu setzen. Bei Themen, für die eine Auseinandersetzung in geschlechtergetrennten Gruppen als Notwendigkeit voraussetzt wird oder die Themen anderer Institutionen berühren, werden entsprechende KollegeInnen der pro familia oder anderer Institutionen hinzugezogen. Das Projekt „Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft“ ist allen Oldenburger Schulen angeboten worden und wird zur Zeit an der Berufschule Haarentor in einer Berufsvorbereitsklasse, an der Berufsschule Ehnernstraße in einer Berufseinstiegsklasse, in der Hauptschule Alexanderstraße, in der Hauptschule Ofenerdiek und der Realschule Hochheider Weg durchgeführt. Es nehmen somit insgesamt 76 SchülerInnen im Alter zwischen 15 und 21 Jahren regelmäßig an dem Projekt teil. Zusätzlich werden an der Realschule Hochheider Weg, am Herbartgymnasium und an der Berufsschule Milchstraße anonyme Beratungsstunden angeboten. 44 Das Team der pro familia-Beratungsstelle Oldenburg Antje Heinemann-Sanders Dr. med. Barbara Cohors-Fresenborg Joachim Glatzel Doris Kern Julia Salomon Birgit Rath (bis 30.6.2009) Sandra Drewing (bis 28.2.2009) Christin Kellner Nicole Lubrich 45 pro familia-Beratungsstelle Osnabrück (mit den Außenstellen Bramsche, Nordhorn, Bad Laer) Die profamilia Beratungsstelle Osnabrück besteht seit 1978. Im Mai 1987 kam die Außenstelle Bramsche dazu. Seit April 2006 gibt es eine kleine Außenstelle in Bad Laer und seit April 2007 eine weitere in Nordhorn. Das 10-köpfige Team besteht aus SozialpädagogInnen, PsychologInnen, einer Hebamme und einer Fachkraft für Verwaltung. Alle MitarbeiterInnen sind teilzeitbeschäftigt. Das Team, v.l.n.r.: Hartmut Wittenberg, Annette Tibbe, Sieglinde Schoor, Karolin Barkau, Karin Schlüter, Beatrix Baumgart, Susanne Steinhübel, Antonius Geers, Judith Diekhoff, Susanne Reimann- Anders Die Beratungszahlen insgesamt für 2009: 725 Beratungen gemäß §§ 5,6 SSKG 1305 Beratungen gemäß § 2 SSKG 409 Gruppen nach § 2 SSKG Im Jahr 2009 hatten wir bei unseren sexualpädagogischen Gruppenveranstaltungen insgesamt 2553 TeilnehmerInnen in den Klassen 4 bis 10 mit dem Schwerpunkt der Jahrgangsstufe 8. Zusätzlich erreichten wir mit den Jugendfilmtagen in bewährter Kooperation mit der Osnabrücker AIDS-Hilfe mehr als 500 SchülerInnen. Neues Angebot für Grundschulen Zusätzlich zu unseren sexualpädagogischen Angeboten startete das Projekt „Hebammen in der Grundschule“ für 3. Grundschulklassen mit dem Thema Schwangerschaft und Geburt. Das Projekt wurde gut angenommen und 26 mal durchgeführt. 46 Unsere Hebamme vermittelt den Kindern Schwangerschaft und Geburt altersgerecht und lebensnah. Sie arbeitet mit anschaulichen Materialien und Spielen, sodass die Kinder das Gehörte und Gesehene leicht in die eigene Erlebniswelt integrieren können. Sexualität und Behinderung pro familia Osnabrück bietet seit vielen Jahren sexualpädagogische Seminare und Gruppen für Menschen mit einem oder mehreren Handicaps an. Spezielle Angebote richten sich auch an Interessierte, die dieses Klientel in verschiedenen Formen betreuen: Familienangehörige, BetreuerInnen in diversen Institutionen, Pädagogen, und MitarbeiterInnen. Auch in der Nordhorner Beratungsstelle hat sich im Jahr 2009 das Thema Sexualität und Behinderung etabliert aufgrund vieler Anfragen von entsprechenden Betreuungseinrichtungen. „Liebe Lust und Älterwerden“ Angesichts der demographischen Entwicklung ist für pro familia das Thema Liebe Lust und Älterwerden in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Wir bieten für die Bevölkerungsgruppe 60+ entsprechende Beratung und Information an. In diesem Rahmen waren wir mit einem Stand auf der Messe „Mach was! Leben ab 50“ vertreten. Mutterschutz und Arbeitsrecht Vielleicht erinnern Sie sich: 2008 geriet eine Fleischfabrik im nördlichen Landkreis in die Schlagzeilen. Dort tätige Frauen berichteten über Schwangerschaftstests bei Festeinstellung bzw. Vertragsverlängerung. So hat uns das Thema Schwangerschaft und Mutterschutz am Arbeitsplatz auch in 2009 begleitet. pro familia nahm an einer Podiumsdiskussion zum AGG teil. Außerdem wurden an verschiedenen Orten im Landkreis (Bersenbrück, Bad Iburg, Osnabrück) Informationsveranstaltungen zum Thema Mutterschutz und Arbeitsrecht organisiert. Die RechtsanwältInnen Ira Schulze-Nünning, Barbara Hansen und Axel Zumstrull informierten zu dem Thema, und beantworteten entsprechende Fragen. Finanziert wurden diese Veranstaltungen vom Landkreis Osnabrück. Gesprächsgruppe für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch Neben dem Angebot der Paar- und Einzelberatung zum Thema „Unerfüllter Kinderwunsch“ hat sich die Form einer angeleiteten Gesprächsgruppe für Paare in den letzten Jahren etabliert. So fand von Februar bis Juni 2009 in den Räumen der pro familia Beratungsstelle für Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch wieder eine Gesprächsgruppe statt. Insgesamt 4 Paare nahmen das Angebot wahr, sich in vertrauensvoller, sehr persönlicher Atmosphäre über die psychosozialen Aspekte ihres unerfüllten Kinderwunsches auszutauschen. Alle Paare konnten über Erfahrungen mit reproduktionsmedizinischen Behandlungsmethoden berichten und sich über die hiermit verbundene erlebte psychische Belastung austauschen. Neben einer seelischen Entlastung ging es hierbei auch um Möglichkeiten der Stressreduktion während der Behandlungsphasen. Mehr als eine Scheinberatung Um die Qualität unserer Arbeit sicherzustellen, arbeiten wir mit der Fachhochschule Osnabrück zusammen. Im Jahr 2009 gab es zwei Bachelorarbeiten. Eine Arbeit behandelte den Bereich Beratung mit dem Titel: „Scheinberatung“ -Wie hilfreich ist die gesetzlich auferlegte Schwangerschaftskonfliktberatung aus der Sicht der Frauen? Eine andere Arbeit aus dem Bereich der Sexualpädagogik hatte das Thema: „Aufklärung- Was Jugendliche denken und pro familia wissen sollte! - Eine Analyse der sexualpädagogischen Arbeit der pro familia Beratungsstelle Osnabrück. Die lesenswerten Bachelorarbeiten können in der Beratungsstelle ausgeliehen werden. 47 Neues Projekt mit jungen und werdenden Vätern In einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte für Metallverarbeitung in Georgsmarienhütte hat sich auf Anfrage des dortigen Sozialpädagogen eine Gruppe von jungen Vätern etabliert, die wir leiten und betreuen. Wir möchten dieses Angebot vor allem auf außerschulische Projekte zur Begleitung von jungen Vätern erweitern und über diese Präventionsarbeit hinaus die Öffentlichkeit für die schwierige Situation der jungen Väter sensibilisieren. Das Projekt wird freundlicherweise von der Stiftung zur Förderung des Gesundheitswesens/Gesundheitszentrum Bad Laer finanziell unterstützt. 48 pro familia-Beratungsstelle Peine Die pro familia Beratungsstelle Peine hat im vergangenen Jahr insgesamt 1599 Beratungen durchgeführt. Dieses ist nochmals ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Jahr 2008 (1346). Am meisten nachgefragt wurde die Beratung vor / während und nach der Schwangerschaft. Seit Mai 2009 bieten wir jeden ersten Mittwoch im Monat eine familienrechtliche Beratung durch den Rechtsanwalt Thomas Keller an. Nach den bisherigen Erfahrungen wird dieses neue Angebot sehr gut angenommen und stellt eine Bereicherung für unsere Beratungsstelle dar. Das Angebot umfasst folgende Themen: • Fragen des Unterhalts • Regelung des Sorge- und Umgangsrechts • Wohnungszuweisung / Hausrat / Gewaltschutz • Vermögensauseinersetzung zwischen Ehegatten • Beratung hinsichtlich der nichtehelichen Lebensgemeinschaft • Ehescheidung • Statusrechtliche Fragen (Vaterschaft / Anfechtung der Vaterschaft / Namensrecht) • Steuer- und sozialrechtliche Bezüge in familienrechtlichen Angelegenheiten Im September hatten wir zu diesem Thema eine Informationsveranstaltung mit Herrn Keller angeboten, die von 18 Teilnehmer /innen besucht wurde. Zwischen theoretischen Inputs wurde die Möglichkeit Fragen zu stellen und ins Gespräch zu kommen, von den Anwesenden gut genutzt, sodass es eine sehr informative, gesprächige Veranstaltung war. Aufgrund der positiven Resonanz werden wir jedes Jahr mindestens einmal zu einer Informationsveranstaltung zum Familienrecht einladen. Für die sexualpädagogische Arbeit ist auch dieses Jahr das Spektrum sehr groß gewesen. Überwiegend hatten wir Projekte mit Schulklassen des 7. Jahrgangs. Darüber hinaus waren wir in der Grundschule und hatten Auszubildende zur Gesundheits- und Krankheitspfleger/in. Mit der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) wurde ein 3-tägiges Projekt zum Thema AIDS in der Realschule Edemissen durchgeführt. Weiterhin ist die Arbeit mit geistig behinderten Menschen ein Schwerpunktthema. Im Unterschied zu Schulklassen finden mit diesen Gruppen meistens sechs Treffen statt. Die regelmäßigen, mehrmaligen Treffen helfen uns ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und Einblick in die Lebenswelten der Teilnehmer/in zu bekommen. So ist es uns möglich, die Themen im angemessenen Tempo und den Bedürfnissen entsprechend zu behandeln. Das Team der pro familia-Beratungsstelle Peine Karin Meinecke Brigitte Blümel Anne Henken Alexandros Pavlidis-Nasogga Beate Wollny 49 pro familia-Beratungsstelle Salzgitter (mit der Außenstelle Salzgitter Bad) Jahresschwerpunkte 2009 Dorffest Salzgitter-Lebenstedt hat einen alten Dorfkern, in dem auch unsere Beratungsstelle vorzufinden ist. Am 5. September fand ein „Dorffest“ zum 850-jährigen Jubiläum statt, an dem wir uns beteiligten. Viele Einrichtungen aus dem sozialen Bereich, Handwerk und Arbeit mit Kindern nahmen an dem ganztägigen Festtag teil. Neben dem Stockbrot, was wir an dem Tag für die Kinder angeboten haben, war unser „Highlight“ eine Umfrage zum Thema Sexualität. Hier die Ergebnisse: 1. Frage: „Sexualität ist wichtig für eine gute Beziehung“ Antworten: Stimmt Stimmt nicht Frauen 25 8 Männer 0 4 2. Frage „Sexualität ist mehr als nur Geschlechtsverkehr“ Antworten: Stimmt Stimmt nicht Frauen 21 2 Männer 17 1 Tag der älteren Menschen Am 1.Oktober war der Tag der älteren Menschen. Wir haben auf diesen Tag aufmerksam gemacht, indem in der hiesigen Zeitung ein sehr offenes Interview einer 66jährigen Klientin über das Thema Sexualität und Beziehung veröffentlicht wurde. Darüber hinaus war die Buchhandlung im Ärztehaus gern bereit, mit uns ein Schaufenster zu dekorieren, in dem Bücher für „ältere “Menschen in Bezug zu Sexualität und Beziehung gezeigt wurden. Workshops „Schwangerschaft, Elternsein, Babys und Kleinkinder” Am Samstag, den 7. November fand in Zusammenarbeit mit dem SOS-Mütterzentrum, Dr. Peltner und vielen anderen Anbietern und Anbieterinnen ein Informations- und Veranstaltungstag im Mütterzentrum in Salzgitter-Bad statt. Die Angebote richteten sich an Schwangere, Eltern, Familien und auch Omas und Opas. Neben der kulinarischen Versorgung, der ganztägigen Kinderbetreuung und Informationsmöglichkeiten zu den Angeboten für Schwangere und Familien in Salzgitter, wurde an diesem Tag • der Kurs „erste Hilfe am Kind“ mit reger Beteiligung zweimal von Dr. Peltner durchgeführt • Schwangeren eine Gipsplastik von ihren Bäuchen angefertigt oder von Kinderhänden oder was man sonst wollte • ein intensiver und gut verständlicher Kurs zur Säuglingspflege angeboten • durch die Hebamme informiert • über Unterstützungsmöglichkeiten informiert 50 die gängigen Verhütungsmittel wurden genauso vorgestellt wie der Inhalt des pro familia Erotikkoffer „light“ und vieles mehr. Dieser Tag war besonders aufgrund der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem Mütterzentrum so erfolgreich, dass eine Fortsetzung in 2010 geplant ist. • Spezielle Angebote für „junge“ Schwangere und „junge“ Mütter in SalzgitterLebenstedt und im Mütterzentrum Salzgitter-Bad • wöchentliche Treffen jeweils mit jungen Schwangeren und jungen Müttern im SOSMütterzentrum in Salzgitter-Bad und in der pro familia Beratungsstelle SZLebenstedt • in Salzgitter-Lebenstedt sowie in Salzgittter-Bad zweiwöchentliche Hebammensprechstunde • bei Bedarf Hausbesuche der Familienhebamme • Einzelgespräche und Unterstützung bei Behördengängen, Zusammenarbeit z.B. mit der Arge, dem Jugendamt • monatliche Sprechstunde im SOS-Mütterzentrum mit Dr. Peltner (Kinderarzt und Leiter einer Kinderklinik) • auf Wunsch Delfi-Kurs für junge Mütter mit Baby in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Familienbildungsstätte, SZ-Lebenstedt • auf Wunsch Babyschwimmen in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe, SZGebhardshagen • auf Wunsch Babymassage • Weitergabe von Spenden (SOS- Mütterzentrum, Caritas, Kinderschutzbund, privat, Fredenberger Gemeinde) z.B. Baby- und Kinderkleidung, Kindermöbel, Autositze, vereinzelt Mobiliar. Öffentlichkeitsarbeit und Arbeitskreise Arbeitskreise: • Arbeitskreis „Schwangerenberatung“ in Zusammenarbeit mit Caritas und Diakonie • Vernetzter Arbeitskreis in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Schwangerenberatung und der Arge • Arbeitskreis 8. März – Internationaler Frauentag, Salzgitter • Bündnis für Erziehung und Bildung, Salzgitter • Präventionsrat Salzgitter • Kreisgruppenversammlung des PARITÄTISCHEN • „Runder Tisch“ gegen häusliche Gewalt • AK Planspiel in Zusammenarbeit mit Drogen- und Suchthilfe • Arbeitskreis „Sexualpädagogik“, pro familia-Landesverband Niedersachsen Öffentlichkeitsarbeit: • Veranstaltung „keine Gewalt gegen Frauen“ • Internationaler Frauentag • Informationsveranstaltung für Schwangere, Mütter, Eltern, Kinder und Großeltern in Zusammenarbeit mit Dr. Peltner im SOS - Mütterzentrum • Kooperation mit dem Referat für Gleichstellung • Austausch und Vernetzung mit anderen Beratungsstellen und Institutionen, z.B. SOS-Mütterzentrum, Diakonie, Caritas, Evangelische Familienbildungsstätte, ARGE, Jugendamt - und interessierten Personen, u.a. ÄrztInnen, RechtsanwältInnen, LehrerInnen und PädagogInnen der Jugendhilfeeinrichtungen, Kinderarzt, Hebamme • Dorffest am 5.9. 51 • • • Bündnis am See am 16. Mai „Leben mit Kindern“ Tag der älteren Menschen - Buchhandlung im Ärztehaus Presse Das Team der pro familia-Beratungsstelle Salzgitter Von links nach rechts: Kirsten Kunisch, Axel Hengst, Claudia Jansen, Dagmar Herzog 52 pro familia-Beratungsstelle Soltau Neben der üblichen Beratungs- und sexualpädagogischen Arbeit stellen wir folgende Highlights aus dem Jahre 2009 vor: Verhütungsmittelfonds des Landkreises Soltau-Fallingbostel Die SchwangerschaftskonfliktberaterInnen der Region stellten beim Landkreis Soltau/Fallingbostel einen Antrag auf Einrichtung eines Fonds aus dem Verhütungsmittel für SGB II / SGBXII- und Asylbewerberleistungsgesetz-Bezieher finanziert werden. Der Kreistag unterstützte dieses Ansinnen und beschloss die Einrichtung des Fonds für 2009, ausgestattet mit 4.000,-€. Um die Auszahlung unbürokratisch und schnell zu gewähren wurde das Diakonische Werk Walsrode für AntragstellerInnen aus dem Südkreis und pro familia für den Nordkreis für die Verteilung der Mittel vorgeschlagen. Diese Aufgabe haben wir gern übernommen. Um so vielen Menschen wie möglich zu helfen, waren 130,-€ die maximale Erstattungssumme. Damit konnte die Kupferspirale komplett bezahlt werden. Den BeraterInnen war wichtig, dass solche langfristig wirksamen, aber teuren Verhütungsmittel auch gewährt werden konnten. Nachdem wir zusammen mit dem Diakonischen Werk Walsrode die sehr positiven, z.T. berührenden Gespräche mit den KlientInnen, die Hilfe aus dem Fonds erhalten haben, dem Sozialausschuss des Landkreises berichteten, wurde der Beschluss gefasst, den Fonds auch weiterhin mit jährlich 4.000,-€ auszustatten. Sexualpädagogische Veranstaltung zum „Umgang mit Sexualität in den HeideWerkstätten e.V.“ Auf Anfrage der Heide-Werkstätten e.V. veranstalteten wir zwei Seminare mit zwanzig MitarbeiterInnen und SozialpädagogInnen aus den Werkstätten. Zwei Termine standen uns für die Gruppen aus Munster und Soltau zur Verfügung, die wir zunächst in enger Absprache mit den Verantwortlichen planten, um so Themenschwerpunkte festlegen zu können. Stark geprägt durch die Veränderungen im Werkstattbereich stellten sich Themen zum sexuellen Missbrauch und Übergriffe, sowie der Umgang mit auftretenden Fällen und kollegiale Fallbesprechung in den Vordergrund. Darüber hinaus müssen sich nicht nur die Wohnbereiche, sondern auch die Werkstätten, mit dem Alterungsprozess und der Begleitung von MitarbeiterInnen auseinandersetzen. Dieser Alterungsprozess beinhaltet und benötigt eben auch das Wissen um Wechseljahre und die körperlichen Veränderungen. Jeweils vier Stunden konnten wir so im Werkstattbetrieb nutzen - um, neben dem eigenen Umgang mit Sexualität der ErzieherInnen und SozialpädagogInnen, auch auf die individuellen Situationen der MitarbeiterInnen einzugehen und für die Arbeit und dem Umgang mit Sexualität zu sensibilisieren. Durch die intensive Zusammenarbeit und das große Interesse der MitarbeiterInnen an der Thematik, liegt uns für eine Erweiterung der spezifischen Fragen, der Klärung von unterschiedlichen Begrifflichkeiten, wie zum Beispiel Perversionen, bereits eine Anfrage vor. Durch die angesprochenen Fälle und Praxisreflexionen wurde eine nochmalige und intensive Fallbesprechung gewünscht. Daher ist eine Kooperation mit den Heide-Werkstätten e.V. auch für das Jahr 2010 bereits in Planung. Präventionsprojekt Aids, Mitmach-Parcours der BZgA Auf unsere Anregung und Initiative hin, war es im August so weit, dass wir den „MitmachParcours zu Aids, Liebe und Sexualität“ der BZgA im Landkreis anbieten konnten. Unser Fokus lag daher auf der Vernetzung zwischen den Institutionen und der Möglichkeit einen Themenkomplex für SchülerInnen zu öffnen, um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen und für den Umgang mit sexuell übertragbaren Krankheiten zu sensibilisieren. An den fünf Stationen des Parcours ging es um die Auseinandersetzung mit der Thematik, die methodisch durchdacht, den SchülerInnen in einer angenehmen Gruppengröße erlaubte, von unterschiedlichen Perspektiven Liebe, Sexualität und den Umgang mit HIV/Aids zu betrachten und zu thematisieren. Spielerisch und pädagogisch vorbereitet blieben bisher offene Fragen der beteiligten Teilnehmer nicht unbeantwortet und jeder konnte individuell die 53 Wichtigkeitsgrade für sich festlegen. Gerade durch die offene Atmosphäre blieb niemand teilnahmslos und unbeeindruckt von der Thematik und konnte für sich die komplexe Thematik erschließen. Zusätzlich erreicht der Parcours aber ebenfalls den Effekt, dass er die Schwellenangst vor Beratungsstellen und Institutionen nehmen konnte, da Personen und Anlaufstellen nun nicht mehr die „Unbekannten“ sind, sondern direkt in der Interaktion erfahrbar waren. Zusätzlich zu der Bekanntmachung der Beratungsstelle war auch die Planung und Kooperation mit den vielen im Landkreis angesiedelten Einrichtungen eine Bereicherung und diente auch zur intensiveren Vernetzung zwischen den Beratungsstellen und Ansprechpartnern für die Thematik. Eine langfristige Präventionsarbeit und Vernetzung, auch zu den Schulen, ist auch hier gegeben, da gerade die Umsetzung durch die fachlichen Kompetenzen aller Fachkräfte zum Erfolg beitrug. So gelang es unserer Beratungsstelle, den Parcours für fünf Tage in den Landkreis zu holen, der nicht nur die Vernetzung zwischen sechs Einrichtungen (pro familia Soltau, Landkreis Soltau Fallingbostel, Freizeitbegegnungsstätte, Soltauer Stadtjugendpflege, Frauen helfen Frauen und dem Stephanstift) und den zwei teilnehmenden Schulen (BBS Soltau und BBS Walsrode) intensivierte, sondern auch in Soltau und Walsrode über 500 Schüler und Schülerinnen erreichte, die so mehr Verantwortung im Umgang mit dem Thema übernehmen können. Durch die ebenfalls sehr gute Zusammenarbeit mit der Kreissparkasse, konnte die Veranstaltung der BZgA durch die Spende in Höhe von 800 Euro der Kreissparkassen Soltau und Walsrode finanziert und den SchülerInnen überhaupt erst zugänglich gemacht werden. Mit einer nachträglichen Betrachtung auf die Veranstaltung lässt sich positiv feststellen, dass es auf der einen Seite den Schülern, auch in der Zukunft, hilft, sich an ein Thema zu wagen, mit dem sich eher ungern auch im schulischen Kontext beschäftigt wird, und auf der anderen Seite unserer Institution half, zusätzlich zu den ohnehin stattfindenden Gruppenarbeiten und Seminaren, sich der Öffentlichkeit und der Presse zu präsentieren! Letztlich lässt sich festhalten, dass der Parcours zu einer Stärkung der regionalen Präventionsstrukturen beiträgt. Schulübergreifendes Präventionsprojekt „Stark ohne Gewalt“ Nach Ostern beteiligte sich die Beratungsstelle bei einer Projektwoche in der Realschule Soltau, bei der rund 1000 SchülerInnen (Realschule, Hauptschule, Förderschule und BBS) und viele Institutionen und eine internationale Musik- und Theatergruppe „Gen Rosso“ teilnahmen. Hierbei ging es vorwiegend um das Ziel, Gewalt zu thematisieren und auf die Kräftigung des Selbstwertgefühls und das Erkennen der inneren Stärke zu setzen. Die Jugendlichen sollen lernen, ohne Gewalt stark zu sein, sollen Selbstbewusstsein entwickeln und ihre eigenen Fähigkeiten und Stärken erkennen. Das soll ihnen zeigen wie sie Konflikte ohne verbale und körperliche Gewalt bewältigen – und sie befähigen, gegen Gewalt Stellung zu beziehen. 54 Das Team der pro familia-Beratungsstelle Soltau Hinten: Hildegard Müller & Andrea Klenke Mitte: Mary-Helen Fischer Vorn: Thomas Schier 55 pro familia-Beratungsstelle Stade (mit der Außenstelle Bremervörde) 20 Jahre pro familia Stade 2009 war ein Jubiläumsjahr für die Beratungsstelle Stade. 20 Jahre zuvor im April hatte sie, damals noch unter anderer Adresse, zum ersten Mal für Ratsuchende ihre Türen geöffnet. Das Jubiläum war für uns eine willkommene Möglichkeit, im Rahmen einer 3-teiligen Veranstaltungsreihe Themen in den Blickpunkt zu rücken, die uns in verschiedenen Arbeitsbereichen zunehmend beschäftigen. Neben der Thematik „Partnerschaft und Internet“ mit zwei Veranstaltungen (Autorenlesung und Fest-Vortrag) war es der Bereich „Sexualität und Älterwerden“, dem wir in Form von Vortrag und Film in den Harsefelder Lichtspielen einen ganzen Themenabend gewidmet haben. Darüber hinaus hat uns rückblickend die Frage interessiert, ob, und wenn ja, in welchen Arbeitsbereichen wir im Laufe der Jahre Veränderungen beobachten konnten. Gibt es zum Beispiel Veränderungen hinsichtlich der Fragen, mit denen Ratsuchende unsere Beratungsstelle aufsuchen sowie der Anforderungen, die an uns BeraterInnen gestellt werden? Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf unsere Kernarbeitsfelder, die sich aus dem § 2 SchwKG (Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten) ergeben und die am häufigsten nachgefragt werden: • • • • Schwangerenberatung Schwangerschaftskonfliktberatung Sexualpädagogik Sexual- und Partnerschaftsberatung Das Ergebnis zeigt, wie sehr sich gesellschaftliche Entwicklungen in den Beratungen widerspiegeln. Für uns als BeraterInnen erfordert es ein hohes Maß an Sensibilität, Offenheit und fachlicher Kompetenz, um den veränderten und immer komplexer werdenden Anforderungen flexibel begegnen zu können. Schwangerenberatung Inhalt: • Psychosoziale Beratung vor, während und nach einer Schwangerschaft • Informationen und Beratung zu sozialen, finanziellen und gesetzlichen Hilfen: Mutterschutz, Mutterschaftsgeld, Kindergeld, Elterngeld, Elternzeit und Arbeitslosengeld II • Antrag bei der Bundesstiftung „Mutter und Kind“ Trend: In der Schwangerenberatung beobachten wir einen deutlichen Anstieg zu Fragen nach (sozial-) rechtlicher Beratung. So tauchen z.B. bei der Beantragung von Stiftungsgeldern immer häufiger Fragen auf, welche die Gesamtsituation der Ratsuchenden betreffen. Die komplexen sozialrechtlichen Veränderungen, angefangen von ALG II über Elterngeld, Entwicklungen im Bereich der frühen Hilfen, (z.B. Familienservice-Büros, Wellcome-Projekt, „Frühe Hilfen“) bis hin zum neuen Unterhaltsrecht, führen zu Verwirrungen. Mit den regelmäßig stattfindenden Info-Abenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Regelungen und aktuellen Änderungen rund um Schwangerschaft und Geburt. Mit diesem Angebot erreichen wir verstärkt Frauen und Paare, denen es nicht in erster Linie um finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten geht, sondern um die Frage, was mit der Geburt des Kindes wie, wann und wo zu regeln ist. 56 Bei dem Angebot der Beratung und Begleitung während Krisensituationen in der Schwangerschaft, z.B. durch Trennung vom Partner, Auseinandersetzung mit Eltern bei jugendlichen Schwangeren etc. ist kein eindeutiger Trend festzustellen. Manche Frauen suchen sich gezielt bei uns Unterstützung in ihrer Krise, andere Frauen fassen im Laufe der sozialrechtlichen Beratung Vertrauen, um belastende Probleme anzusprechen. Schwangerschaftskonfliktberatung Inhalt: • gesetzlich vorgeschriebene Beratung (nach §§ 218/219 StGB) vor Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs Trend: Entgegen des bundesund landesweiten Trends sinkender Zahlen bei Schwangerschaftsabbrüchen ist die Anzahl der Schwangerschaftskonfliktberatungen in unserer Beratungsstelle mit 224 Beratungen seit mehreren Jahren konstant hoch im Rahmen einer normalen statistischen Schwankung. (Hieraus lassen sich jedoch keine allgemeingültigen Angaben für die Stadt und den Landkreis Stade ableiten, da es neben uns noch weitere Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in der Region gibt.) Die Gründe, aus denen heraus Frauen einen Schwangerschaftsabbruch wünschen oder in Erwägung ziehen sind vielfältiger Natur. Häufig wird bei jüngeren Frauen als Grund mangelnde berufliche Sicherheit genannt. Sei es, dass sie sich in Schule/Ausbildung oder Studium befinden oder gerade am Anfang ihrer Berufstätigkeit stehen. In diesem Zusammenhang hören wir immer wieder den Satz: „Ich möchte meinem Kind doch etwas bieten können!“ Selten stehen jedoch allein finanzielle Gründe im Vordergrund. Eher ist es die Angst vor mangelnden eigenen beruflichen Perspektiven und zukünftiger Abhängigkeit, die wir bei den Frauen beobachten. Als Trend beobachten wir, dass es für Frauen zunehmend zur Selbstverständlichkeit wird, erst eine berufliche und finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen, bevor eigene Kinder vorstellbar sind. Frauen, die bereits Kinder haben, entscheiden sich für einen Abbruch, wenn sie mit der Familienplanung für sich bereits abgeschlossen haben oder wenn sie z.B. gerade dabei sind, ins Berufsleben zurückzukehren. Häufig äußern sie auch, sich einer weiteren Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen nicht (mehr) gewachsen zu fühlen oder psychisch überfordert zu sein. Als Trend ist hier festzuhalten, dass derartige Belastungssituationen gerade im psychischen Bereich immer häufiger formuliert werden. Probleme in der Partnerschaft, Krise oder Trennung aufgrund der Schwangerschaft und die Angst, mit dem Kind später alleine da zu stehen, sind weitere wichtige Faktoren, die Frauen als Grund für einen Abbruch anführen. Ein Trend ist hier nicht festzustellen. Sexual-Pädagogik Inhalt: • schulische und außerschulische Veranstaltungen zu Themen wie Verhütung, Freundschaft, Liebe, Sexualität etc. • Elternabende • Fortbildungen und MultiplikatorInnenarbeit • Veranstaltungen für Menschen mit Behinderungen • Projekt: „Elternschaft lernen“ Trend: Die gravierendste Veränderung, die wir in unserer sexualpädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren beobachten, ist der zunehmende Einfluss des Internets, des Nachtprogramms verschiedener privater Fernsehsender und anderer 57 neuer Medien auf die Jugendlichen. Viele Jugendliche haben einen eigenen PC im Zimmer und die überwiegende Mehrheit besitzt ein Handy mit Videofunktionen. Im Bereich Pornographie bekommen die Kinder und Jugendlichen z.B. Eindrücke und Bilder, die sie nicht einzuordnen wissen. Gerade bei harten Pornos macht das Gesehene Angst und verführt evtl. dazu, zu glauben, so funktioniere Sexualität. Selbst wenn Jugendliche durchaus äußern, dass sie sich ekeln und wütend sind über solche Darstellungen, bleibt eine Verunsicherung, die eine selbstbestimmte sexuelle Entwicklung möglicherweise erschwert. Andererseits sind die meisten Jugendlichen sehr wohl in der Lage, zwischen dem Gesehenen und dem eigenen Leben zu unterscheiden. Was sie für sich selber wünschen, hat nichts mit den Bildern zu tun, die für sie durch Handy und Internet allgegenwärtig sind. Wichtig ist ein Austausch hierüber, für den die meisten Jugendlichen nach unserer Erfahrung sehr offen sind. Wir beobachten immer wieder, wie sehr Trends von den Medien gemacht werden. Tritt bei DSDS z.B. ein transsexueller oder schwuler Kandidat auf, so ist das garantiert Thema in den darauffolgenden Wochen. Plötzlich wissen die Jugendlichen, was Transsexualität bedeutet, interessieren sich dafür, wie man eigentlich merkt, dass man schwul ist. So werden Tabus gebrochen und führen im günstigen Fall zu einer Auseinandersetzung mit Klischees. Seit gut zwei Jahren nehmen in manchen Mädchengruppen Fragen rund um die HPVImpfung einen zentralen Platz ein und machen den Gesprächs- und Informationsbedarf der Schülerinnen deutlich. Paar- und Sexual-Beratung Inhalt: Information und Beratung für Paare und Einzelpersonen: • Bei Problemen des Paares während der Schwangerschaft oder nach der Geburt • Bei Krisen und Konflikten • Bei sexuellen Problemen • Bei Trennung und Scheidung Trend: Auch in diesem Aufgabenbereich wird deutlich, wie sehr sich gesamtgesellschaftliche Trends in unserer Beratung widerspiegeln. Anders als noch vor 20 Jahren haben die neuen Medien einen ungeahnten Einfluss auf Dynamik und Gestaltung einer Paarbeziehung bekommen. Zum Teil wird dies als Chance (z.B. neue Möglichkeiten der Kontaktaufnahme) beschrieben, in vielen Fällen jedoch als Bedrohung erlebt: Das Internet ermöglicht über Chats eine fingierte bzw. idealisierte Selbstdarstellung und neue, unverfängliche Kontaktaufnahmen bis hin zur Absprache zum außerpartnerschaftlichen Sex und / oder zur Entstehung einer neuen Liebesbeziehung. Weiter wird der heimische PC genutzt zum Pornographiekonsum und für die Stimulation zur Selbstbefriedigung. Dies erlebt der/die PartnerIn in den meisten Fällen als Kränkung und Bedrohung der Partnerschaft. Das Handy kann beispielsweise genutzt werden zum heimlichen Versenden von Liebesnachrichten, gleichzeitig liefert es dem/der PartnerIn aber auch Beweismaterial beim Auffinden derselben. Auseinandersetzungen rund um SMS oder Internet-Aktivitäten sind in den Beratungen mittlerweile ein Dauerbrenner. Weiter ist auffällig, dass sexuelle Unlust quer durch alle Altersschichten als Grund für einen Beratungswunsch angegeben wird. Nicht nur Paare, die bereits seit vielen Jahren zusammen sind, sondern vermehrt auch junge Paare mit einer noch kurzen Beziehungsgeschichte kommen in die Beratung, da sie keinen Sex mehr miteinander haben und dies als Ursache ihrer Probleme sehen. 58 Junge Frauen, die eine Sexual-Beratung bei uns aufsuchen, kommen häufig aufgrund von Orgasmusproblemen. Hier beobachten wir eine Veränderung in dem Selbstbild von Frauen. Zu einer „normalen“ Sexualität gehört nach ihrem Verständnis die Fähigkeit, einen Orgasmus bekommen zu können. Wenn das nicht funktioniert, dann stimmt etwas nicht. Die Selbstverständlichkeit der Frauen, dieses Thema trotz aller Scham offensiv anzugehen, nimmt eindeutig zu. Viele Paare in unseren Beratungen sind Eltern kleiner Kinder, die zerstritten und zutiefst frustriert sind bzgl. der typischen Rollenverteilung, die sich mit Geburt des ersten Kindes eingeschlichen hat. Mittlerweile wollen fast alle Paare zu Beginn ihrer Partnerschaft eine egalitäre Aufteilung der Aufgaben. Dieser Anspruch lässt sich in der Realität bisher leider nur in Ausnahmefällen tatsächlich zufriedenstellend umsetzen. In der Regel ist der Mann der Hauptverdiener, die Frau bezieht 12 Monate Elterngeld, der Mann, wenn überhaupt, die 2 Partnermonate. Schon hier verfestigt sich das alte Rollenmuster, welches beide anfangs überwunden glaubten. Wenn die Partner für ihre eigene Unzufriedenheit nun den jeweils anderen verantwortlich machen, beginnt eine Spirale aus Vorwürfen, Schuldzuweisungen, gegenseitigen Verletzungen und eigener Verzweiflung, die manchmal ohne Unterstützung von außen nicht mehr zu stoppen ist. Der Trend ist eindeutig: die klassische Rollenaufteilung gilt nicht mehr als ideales Partnerschaftsmodell, wird aber nicht zuletzt aufgrund gesellschaftlicher Zwänge weiterhin gelebt und birgt dadurch gerade für viele junge Familien ungeheuren Sprengstoff. Beratungs-Anlass für ältere Paare sind immer häufiger sexuelle Probleme/Veränderungen. Früher wurden eher partnerschaftliche Probleme, z.B. durch Neuanpassung an eine neue Lebensphase, formuliert. Nicht zuletzt beobachten wir eine beraterische / therapeutische Vorbildung der Paare bzw. einzelner Partner durch eigene Therapieerfahrungen, oder auch durch bekannte Fernsehsendungen (Beratungs-/Therapiesendungen). Auch wenn unsere Beratungen nur einen Ausschnitt der gesellschaftlichen Realität widerspiegeln und anhand der Beratungszahlen keine allgemeingültigen Rückschlüsse gezogen werden können, lässt sich sagen, dass eine durchgängige erfreuliche Veränderung zu beobachten ist: Die Möglichkeit, sich in bestimmten Lebenssituationen Hilfe und Unterstützung zu holen, wird sehr viel vorurteilsfreier genutzt als früher. Da die Hürde, Beratung für sich in Anspruch zu nehmen, sinkt, melden sich Paare häufiger zu einem früheren Zeitpunkt ihrer Krise, was diagnostisch positiv zu bewerten ist. Das Team der pro familia-Beratungsstelle Stade Von links nach rechts: Berit Filschke, Susanne Quick, Lothar Kleinschmidt, Katarzyna Piotrowski, Anke Kollenda, Marina Vollmann, Birte Lutz 59 pro familia-Beratungsstelle Uelzen 2009 verzeichnen wir gegenüber dem Vorjahr eine leichte Steigerung der Beratungszahlen inklusive Gruppenarbeit. Thematisch haben wir uns in diesem Jahr verstärkt dem Bereich „Liebe, Lust und Älterwerden“ gewidmet. Am Internationalen Tag der älteren Generation konnten wir hierzu eine Telefonsprechstunde anbieten, die noch etwas zögerlich angenommen wurde, uns aber doch ermutigte, das Angebot im nächsten Jahr zu wiederholen. Dass insgesamt zu diesem Themenbereich Gesprächsbedarf besteht, zeigte uns vor allem die Hörfunksendung des NDR 1, Hörfunkreihe Ratgeber „Neuer Schwung in alter Beziehung“, bei der wir bereits im dritten Jahr bei der anschließenden telefonischen HörerInnenberatung mitgewirkt haben. Mit dem Themenkomplex „Sexualerziehung als Chance und Prävention – Jugendliche stärken durch Information und Austausch rund um die Themen Liebe, Sexualität und bewusste Lebensplanung“ war die pro familia-Beratungsstelle Uelzen erneut an einer Berufsbildenden Schule eingebunden. Dieses Projekt, das für die SchülerInnen der Fachschule für Sozialpädagogik als MultiplikatorInnen-Fortbildung (SchülerInnen unterrichten SchülerInnen) konzipiert wurde, wurde von unserer Sozialpädagogin Britta Hönig jetzt bereits im vierten Jahr durchgeführt. Hierbei wird den SchülerInnen Wissen zu den Themen wie Sexualerziehung, Schwangerschaft, Verhütung, sexuelle Orientierung, sexuell übertragbare Krankheiten etc. vermittelt. Es werden Methoden erarbeitet, mit Hilfe derer das Erlernte dann unter fachlicher Begleitung in einer anschließenden Projektwoche an andere MitschülerInnen (z.B. BVJ) weitergegeben wird. Das Team der pro familia-Beratungsstelle Uelzen Von links nach rechts: Renate Feldhusen, Britta Hönig, Monika Mattig 60 pro familia-Beratungsstelle Wilhelmshaven (mit den Außenstellen Nordenham, Varel) Wichtiges aus dem Jahr 2009 – ein kurzer Rückblick von Gaby Krieghoff Das Jahr 2009 beginnt mit einigen Veränderungen. Mitte Januar kommen Frau Frömel und Herr Wellbrock als neue MitarbeiterInnen zu uns. In Nordenham gibt es im Januar einen Umzug der Außenstelle von der Jahnstraße in die Herbertstraße 3, wir ziehen gemeinsam mit dem Kinder- und Servicebüro des DKSB um. Wir mieten in den neuen größeren Räumlichkeiten ein eigenes Beratungszimmer an, das wir nach unseren Vorstellungen einrichten. Außerdem können nun in der Einrichtung Veranstaltungen mit Schulklassen durchgeführt werden. Da das Eintreffen der neuen Büroeinrichtung sich verzögert, können wir erst im März mit den Beratungen starten. Im ersten Halbjahr nutzen wir unsere Energien für die Festigung und den Ausbau unserer Arbeit. Wir bieten regelmäßig Sprechzeiten in Varel und Nordenham an, die immer mehr in Anspruch genommen werden. Erfolgreich fortgesetzt werden auch die Kurse für Frauen und Männer im Bereich „Sexualität und Behinderung“ bei der GPS in Wilhelmshaven und beim CVJM-Sozialwerk in Nordenham. Im Januar findet außerdem ein Tagesseminar für MitarbeiterInnen des CVJM Sozialwerkes Wesermarsch zum Thema „Sexualität und Behinderung“ statt. Das Projekt „Elternschaft auf Probe“ mit Babysimulatoren wird eine Woche lang mit großer Anteilnahme und Erfolg in einer Klasse des Meyerhofs in Brake durchgeführt. Wieder erfolgreich und sehr gut besucht verläuft ein vom Arbeitskreis „Frauen und Gesundheit“ organisierter „Abend für Frauen“ zu dem Thema: „Depression“, der wieder im Treff auf Siebethsburg in Wilhelmshaven stattfindet. Da mehrere Besucherinnen wegen Überfüllung des Saales nicht teilnehmen konnten, wurde die Veranstaltung im Herbst ebenso erfolgreich wiederholt. Nun im Einzelnen die Gesamtberatungszahlenzahlen der pro familia Beratungsstelle Wilhelmshaven mit den Außenstellen in Varel und Nordenham für 2009. Die Zahl der Schwangerschaftskonfliktberatungen zum Schwangerschaftsabbruch bleibt annähernd gleich (von 193 in 2008 auf 198 Beratungen). Leicht verringert ist die Zahl der Erst-Beratungen nach § 2 SSKG, die die Beratung von Schwangeren und Multiplikatoren und die Sexual- und Paarberatung umfasst (1091 Beratungen gegenüber 1143 in 2008). Hinzu kommen aber 392 Wiederholer (330 in 2008), das sind Klienten, die zu weiteren Gesprächen kommen, also hat sich die Gesamtzahl der Beratungen von 1666 in 2008 auf 1681 in 2009 leicht erhöht. Weiterhin sehr gut angenommen wird unsere sexualpädagogische Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es finden 306 Gruppenveranstaltungen mit 3889 TeilnehmerInnen (gegenüber 316 Gruppen in 2008 mit 3698 Jungen und Mädchen) statt. Besonders die Jugendfilmtage Ende November 2009 werden wieder zum Event des Jahres. Verhandlungen mit dem Landkreis Wesermarsch, um die finanzielle Unterstützung unserer Arbeit zu sichern, sind auch dieses Jahr vonnöten. Es finden mehrere Gespräche und Verhandlungen gemeinsam mit allen Anbietern der Schwangerenberatung im Landkreis statt. Ein Vertrag über mehrere Jahre soll geschlossen werden. 61 Die Arbeitsbereiche der pro familia Beratungsstelle Wilhelmshaven Unser Arbeitsbereich umfasst Beratungen nach §§ 2, 5 und 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SSKG). Die Beratungen gemäß §§ 5 und 6 SSKG sind die Schwangerschaftskonfliktberatungen, die für einen Schwangerschaftsabbruch gesetzlich vorgeschrieben sind und die die Aushändigung einer Beratungsbescheinigung beinhalten. Die § 2 Beratungen umfassen grundsätzlich zwei Bereiche. Einmal Beratung rund um Schwangerschaft und Geburt, einschließlich der Antragstellung bei der Stiftung „Mutter und Kind“ (siehe unten) und die so genannte sozialrechtliche Beratung bei Schwangerschaft. Des Weitern alle Gespräche über Aufklärung, Verhütung und Familienplanung. Dazu gehören u. a. Multiplikatorengespräche mit Lehrern und Erziehern zur Sexualpädagogik und auch Sexual- und Paarberatungen. Der dritte große Arbeitsbereich von pro familia ist die Sexualpädagogik, statistisch vermerkt unter Gruppen nach § 2. Das sind Veranstaltungen in Schulklassen und Jugendgruppen zum Thema „Freundschaft, Liebe und Sexualität“, Männer- und Frauengruppen in Einrichtungen für behinderte Menschen, Informationsveranstaltungen für Jugendliche und junge Erwachsene z. B. vom BNW, von der Kinderkrankenpflegerschule und von der BBS, Teilnahme an den Jugendfilmtagen in Wilhelmshaven, öffentliche Veranstaltungen zu bestimmten Themen und vieles mehr. Im Rahmen der Beratung nach § 2 können bei uns Anträge an die Stiftung „Mutter und Kind“ gestellt werden, die Schwangeren eine einmalige finanzielle Unterstützung gewährt. Zahl der Anträge 2009 gestellte Anträge 282 abgelehnte Anträge 6 bewilligte Anträge 276 Gesamtsumme der bewilligten Anträge 164 960,00 Euro. Das sind im Durchschnitt pro Antragstellerin 602,04 Euro. Das Team der pro familia-Beratungsstelle Wilhelmshaven Von links nach rechts: Sitzend: Susanne Frömel, Gaby krieghoff, Cathrin Schulz Stehend: Hanna Bulenda, Hermann Niehuis-Schwiertz, Bernd Wellbrock 62 pro familia-Beratungsstelle Wolfenbüttel Die Anzahl der Beratungen hat 2009 mit 1.045 Beratungen einen Höchststand erreicht. Neu in 2009: Sexualpädagogik jetzt mit gemischtgeschlechtlichem Team Der Bereich Sexualpädagogik stellt einen Hauptaufgabenbereich unserer Arbeit in der pro familia Beratungsstelle dar. Obwohl die meisten Jugendlichen gar nicht wissen, dass die gemeinsame Arbeit mit ihnen sich hinter diesem Titel versteckt. Unter dem Begriff „Sexualpädagogik“ wird die Präventionsarbeit für und mit Jugendlichen zusammengefasst. Die meisten Jugendlichen sind zwischen 13–16 Jahren alt, wenn sie die Beratungsstelle Wolfenbüttel zusammen mit ihren Schulklassen im Rahmen des Unterrichts besuchen. Dabei wird der Kontakt in der Regel über das Lehrpersonal hergestellt, das von uns einen Fragebogen zugesandt bekommt, der im besten Fall gemeinsam mit den SchülerInnen ausgefüllt wird. Aufgrund der angegebenen Fragen und Themenwünsche ist es uns möglich, die Einheit bei pro familia individuell, altersadäquat und entsprechend den Wünschen zu konzipieren. Einen wichtigen Aspekt bei dieser Arbeit stellt - neben der Abstinenz von Lehrpersonal - die geschlechtsspezifische Trennung der Gruppen in Jungen und Mädchen dar. An dieser Stelle komme - seit dem 01.01.2009 - ich ins Spiel. Mein Name ist Felix Schöning, Dipl. Sozialpädagoge, 37 Jahre alt und mit 8 Wochenstunden der einzige männliche Mitarbeiter im pro familia Team Wolfenbüttel. Somit fällt es in meinen Arbeitsbereich, hauptsächlich den Jungen als Ansprechpartner während ihrer Zeit bei uns zur Verfügung zu stehen. Vor allem für die Jungen, die während ihrer Zeit im Kindergarten und den frühen Schuljahren nur selten auf männliche Pädagogen treffen, soll ein männlicher Ansprechpartner die Möglichkeit schaffen, „nur unter Männern“ angstfrei und offen über Sexualität zu reden und entsprechende Fragen zu stellen. Ein Vorteil gegenüber den Eltern, mit denen Jugendliche vor allem während der Pubertät über diese Themen nicht unbedingt sprechen möchten, besteht darin, dass sie bei mir „zu Gast sind“ und mich in der Regel nur für diese eine Veranstaltung sehen. Dies hat zur Folge, dass auch Dinge angesprochen werden können, die sonst eher mit den besten Freunden oder möglicherweise gar nicht thematisiert werden. Innerhalb der in der Regel 2-stündigen Einheiten geht es zum Beispiel um die Vermittlung von Wissen rund um die Verhütung. Dabei steht das Kondom als das Verhütungsmittel für Jungen und Männer im Vordergrund. Wo kann ich Kondome günstig kaufen? Ist das heute noch peinlich? Worauf muss ich neben Haltbarkeitsdatum und CE- Zeichen achten? Wo sind die Gefahren beim Automatenkauf? Warum ist es ungünstig Kondome im Portemonnaie mit sich herum zu tragen? Gibt es verschiedene Größen und wie finde ich heraus, welches Kondom das richtige für mich ist? Diese und viele weitere Fragen sind in dem Zusammenhang wichtig. Vor allem in diesem Bereich ist theoretisches Wissen oft nicht genug, auch der praktische Umgang mit den „Gummis“ kann daher ausprobiert werden. Im Anschluss daran motiviere ich die Jungen dazu, dass es nicht bei diesem einen Versuch während der Veranstaltung bleiben sollte. Es ist wichtig, den Umgang mit „diesen Dingern“ auch allein zu üben und Sicherheit im Umgang mit Kondomen zu erlangen, bevor es mit der Partnerin oder dem Partner zum Einsatz kommt. Neben dem Wissen, dass zur Sexualität auch ungewollte Schwangerschaften und Übertragungskrankheiten gehören, geht es in den Jungengruppen vor allem darum aufzuzeigen, dass Sexualität nicht nach dem Leistungsprinzip (länger, öfter, wilder) gestaltet werden sollte, sondern so, dass es beiden gefällt. Die Jungen sollen ermutigt werden über Sexualität zu reden, Fragen zu stellen, Wünsche zu äußern und neugierig zu sein, denn: Auch „Sex haben“ will gelernt und geübt werden! 63 Ebenso stelle ich mich darauf ein, das vorbereitete Programm den Wünschen der Jungen anzupassen und mir Zeit zu nehmen, die mitgebrachten Fragen der Jungen zu beantworten (wie lange dauert Sex?), Mythen aufzuklären (wird man von einer zu langen Erektion ohnmächtig? Entsprechen die Praktiken in Pornos tatsächlich der Realität?) oder Ängste zu nehmen (wie lang ist ein Durchschnittspenis und wie viel ist überhaupt nötig?). Kichern und Lachen ist an dieser Stelle ausdrücklich erlaubt! Besonders großer Beliebtheit bei den Jugendlichen - und übrigens auch bei mir - erfreut sich die Einheit zum Thema: Was ich die Mädchen schon immer mal fragen wollte! (die Mädchen der Schulklasse arbeiten parallel dazu an Fragen für die Jungen.) Innerhalb der Jungengruppe werden zu diesem Thema Fragen gesammelt und anonym auf ein Plakat geschrieben. Dieser Fragenkatalog wird am Ende der vereinbarten Zeit mit der Mädchengruppe ausgetauscht. Nun ist es an den Jungen, die von den Mädchen gesammelten Fragen in Gruppenarbeit zu beantworten. Aufgrund der Anonymität in der Gruppe ist es den Jungen möglich, sehr offen und direkt zu antworten, ohne dass Einzelpersonen wiedererkannt werden können. Am Ende werden beide Gruppen zusammengeführt und die erarbeiteten Antworten werden vorgestellt. Die Reaktionen auf die Antworten reichen von Verwunderung und Erstaunen bis hin zu Ungläubigkeit, Erheiterung aber vor allem auch Beruhigung und Verständnis. Am Ende dieser Methode bleibt für die meisten Jugendlichen die Erkenntnis: Will ich etwas über Jungs und Mädchen erfahren, dann hilft es, die ExpertInnen zu fragen - nämlich die Jungs und Mädchen selber. Denn schon aus der Sesamstrasse wissen wir doch: Wer nicht fragt bleibt dumm! Felix Schöning Das Team der pro familia-Beratungsstelle Wolfenbüttel Von links nach rechts: Hildegard Köhler-Bernhardt, Monika Hartwig, Monika Hentig, Gabriele Lehner, Felix Schöning 64 pro familia-Beratungsstelle Wolfsburg Das Jahr 2009 35 Jahre pro familia Im Jahre 1974 wurde die pro familia in Wolfsburg gegründet. Nun sind 35 Jahre vergangen und dies wäre ein guter Grund zum Feiern gewesen. In Anbetracht des durch die weltweite Finanzkrise gekennzeichneten Jahres 2009 entschieden wir uns gegen eine größere, aufwendigere und damit teuere Jubiläumsfeier. Wir blicken auf ein sehr ereignisreiches Jahr zurück. Wir freuen uns sehr über unsere mittlerweile seit drei Jahren bestehende Kooperation mit der Wolfsburger Rechtsanwältin Beate Ahrens. Frau Ahrens kommt einmal monatlich zu uns und bietet Klienten eine kostenpflichtige juristische Informationsberatung an. Dieses Angebot ist eine sehr sinnvolle Ergänzung zu unserer Einzel- und Paarberatung, in der es zum großen Teil um die Themen Trennung und Scheidung geht und wird von vielen Klienten gern genutzt. Wir konnten Frau Ahrens im Sommer auch als Referentin für einen Informationsabend zum neuen Unterhaltsrecht gewinnen. Dieser Abend stieß auf großes Interesse. Seit dem Spätsommer hängen in zwei Wolfsburger EDEKA Märkten auffallende orange Pfandboxen von uns – die Kunden können nach der Rückgabe ihrer Pfandflaschen ihre Pfandbons in die Boxen werfen und damit unsere Arbeit unterstützen. „Pfandtastisch helfen“ nennt sich diese Kampagne, die pro familia in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein der „Sozialhelden“ in einigen Städten gestartet hat. Die EDEKA Märkte Berliner Ring und Detmeroder Markt haben uns den Raum zur Verfügung gestellt und die KundInnen können sich mit einem kleinen Betrag, der nicht „weh tut“, sozial engagieren. Wir freuen uns sehr über die Spenden, die für die Jugendarbeit eingesetzt werden. Doktorspiele und Co. – die sexuelle Entwicklung von Kindern Das Deutsche Rote Kreuz Gifhorn hat im April als Dankeschön für die dort tätigen Tagesmütter einen „Tag der Kindertagespflege“ organisiert. Zu dieser Veranstaltung referierten wir zum Thema „Doktorspiele und Co. – die sexuelle Entwicklung von Kindern“. Nach einem einführenden interaktiven Referat nutzten die rund 100 Teilnehmerinnen die Möglichkeit, engagiert Fragen zu stellen und eigene Anliegen anzusprechen. Im Anschluss sorgte das DRK für das leibliche Wohl aller Besucher. Diese Zeit wurde auch für zahlreiche Gespräche rund um das Thema „Familie“ genutzt. Im Oktober bekamen wir ein weiteres Mal die Gelegenheit mit Tagesmüttern zum Thema „Doktorspiele und Co. – die sexuelle Entwicklung von Kindern“ zu arbeiten. Das Familienservicebüro der Stadt Wolfsburg gab uns den Auftrag, interessierte Tagesmütter entsprechend fortzubilden. In der dreistündigen Veranstaltung bearbeiteten wir mit verschiedensten Methoden einzelne Aspekte des Themas. Auch anhand von eigenen Anliegen der Teilnehmerinnen wurden unter anderem Fallbeispiele besprochen. Wir freuen uns sehr, dass diese Fortbildung bei den Tagesmüttern eine so positive Resonanz fand, dass das Familienservicebüro unsere Veranstaltung als dauerhaftes Fortbildungsmodul in ihr Programm integriert hat und die ersten Anmeldungen von Teilnehmerinnen schon eingegangen sind, bevor der Termin fest stand. Pubertät Im November haben wir im Rahmen des niedersächsischen Projekts „N-I-K-O“ (Niedersächsisches Kooperations- und Bildungsprojekt an schulischen Standorten) einen Vortrag zum Thema „Pubertät“ im Gemeinschaftshaus Westhagen gehalten. Der Teilnehmerinnenkreis bestand aus ca. 20 Frauen mit Migrationshintergrund. Während des zweistündigen Vortrags wurden die Zuhörer über körperliche und seelische Veränderungen, sowie den möglichen Umgang mit pubertätsbezogenen Konfliktsituationen 65 informiert. Der kleine vom Veranstalter organisierte Imbiss zum Abschluss, wurde von den Frauen genutzt, um rege Gespräche über eigene Erfahrungen ihrer Jugendzeit und kulturelle Hintergründe bzw. Unterschiede zu führen und diese mit den heutigen Erziehungsmethoden zu verknüpfen. Sexualpädagogik Im ersten Halbjahr kamen sehr viele Schulklassen zu uns – wir haben in 2009 mit insgesamt 105 Gruppen sexualpädagogisch gearbeitet. Dies bedeutet erneut eine Steigerung – in den letzten sieben Jahren wurden es jährlich mehr Gruppen. Ganz besonders erfreulich finden wir, dass viele Schulen mittlerweile nicht mehr nur mit einer oder zwei Klassen zu uns kommen, sondern gleich alle 6. oder 7. Jahrgänge bei uns angemeldet werden. Liebe, Lust und Älterwerden In die pro familia-Beratungsstelle kommen immer mehr ältere Menschen mit den unterschiedlichsten Problemen. Um unser Beratungsangebot auch für Ältere bekannt zu machen, haben wir in Kooperation mit dem Seniorenservicebüro der Stadt Wolfsburg einen Seniorenfilmnachmittag organisiert. Mit der Zusage des Kulturzentrums „Hallenbad“ war schnell ein hervorragender Ort dafür gefunden. Der Film „Elsa und Fred“ ist ein temperamentvoller Film über das Verliebt-Sein einer älteren Frau in einen älteren Mann mit allen Höhen und Tiefen, die das Leben so zu bieten hat. Der Film zeigt in humorvoller und beeindruckender Art, dass eine große Liebe unabhängig vom Lebensalter möglich ist. Dank einer Spende von der Margarete-Schnellecke-Stiftung konnten wir die Besucher mit einem Glas Sekt und einer Tasse Kaffee begrüßen. Das Foyer war stilvoll dekoriert und Teelichter sorgten für eine sinnliche Atmosphäre. Nach dem Begrüßungssekt wurden die Besucher von uns pro familia-Mitarbeiter/innen motiviert, ein Votum abzugeben. Mit der Überschrift „Was gewinnt für mich beim Älterwerden an Bedeutung?“ konnte jede Person jeweils 4 Tennisbälle aufteilen in die Bereiche: Finanzielle Sicherheit / Hobbys / Beziehung und Partnerschaft / soziales Engagement / befriedigende Sexualität / guter Kontakt zu meinen Kindern / soziale Kontakte / Nähe und Zärtlichkeit. Das Thema „Gesundheit“ hatten wir bewusst nicht aufgenommen, da es absolute Priorität erhalten hätte. So lag bei der Endauswertung die „Finanzielle Sicherheit“ vorne, aber dicht gefolgt von dem Wunsch nach gutem „Kontakt zu den Kindern“ und „soziale Kontakte“. Den Besuchern, die sich an der Umfrage beteiligt haben, wurde ein Gutschein für ein kostenloses Erstgespräch bei der pro familia Beratungsstelle Wolfsburg ausgehändigt. Insgesamt war die Veranstaltung nicht nur gut besucht, sondern auch sehr gelungen – alle waren zufrieden und viele von dem Film stark beeindruckt und berührt. Eine Mitarbeiterin der pro familia hörte zu, wie eine Frau ihrem Mann zuraunte, dass sie beide auch unbedingt mal nach Rom fahren müssten… - das dramatische Ende des Films spielt in Rom. Ein besonders schönes Geschenk bekamen wir zum Jahresende: Wir freuen uns sehr über eine VW-Belegschaftsspende von 2000 Euro. Dieses Geld wurde von unserem Landesverband aufgestockt und so konnten wir uns nach vielen Jahren eine gründliche und bitter nötige Renovierung unserer Räumlichkeiten erlauben. Auch wenn es recht stressig war – nebenbei haben wir den Beratungsbetrieb wenigstens in reduzierter Form aufrechterhalten – ist es jetzt sowohl für uns MitarbeiterInnen als auch für unsere Ratsuchenden ganz wunderbar, in frisch renovierten Räumen zu arbeiten. 66 Das Team der pro familia-Beratungsstelle Wolfsburg Foto: Thomas Knüppel Von links nach rechts: Ute Henschel, Ilona Sorge, Susanne Koch, Anne Henken, Uwe Niehus, Tanja Bendrick 67 Im Detail: Beispielhafte Projekte, Kooperationen und Strategien Dieses Plakat zu Werbezwecken wurde 2006 von einem Studenten gestaltet. 68 Das Sexualpädagogische Projekt konnte im August 2009 sein fünfjähriges Bestehen feiern. Im April 2010 hat mit dem Beginn des Sommersemesters eine Gruppe von 11 Studierenden – zehn Frauen und ein Mann – den 6. Durchgang begonnen. Zunächst geht es im Theorie-Praxis-Seminar I um Grundlagen der Sexualpädagogik: Psychosexuelle Entwicklung, Verhütung, rechtliche Rahmenbedingungen, Pubertät (psychologischer und anthropologischer Aspekt), Homosexualität, Prävention des sexuellen Missbrauchs, Teenagerschwangerschaften. Auch ausgewählte Grundlagentexte zur allgemeinen Sexualwissenschaft, z. B. von Gunter Schmidt, kommen zum Einsatz. Im zweiten Semester kommen Themen wie Interkulturelle Sexualpädagogik, Sexualität und Behinderung, Pornografie und neue Medien, Prostitution hinzu, außerdem können die Studierenden vermehrt eigene sie interessierende Schwerpunkte – oft schon im Hinblick auf die Bachelorarbeit – erarbeiten oder vertiefen. Gleichzeitig werden ab September in einer zweiwöchigen Kompaktphase im Gesundheitsamt die Vorbereitungen für den „Parcours zu Liebe, Sexualität und HIV“, sowie für die Schulklasseneinheiten getroffen. Inzwischen hat sich ein dreijähriger Turnus für Schulen (alle Schulformen!) an drei Standorten im Landkreis entwickelt, der die Kooperation wiederum vereinfacht, das Projekt hat sich etabliert. Im Seminar werden sexualpädagogische Medien (Broschüren, Bücher, Bilderbücher, Filme, Videoclips usw.) anhand festgelegter Kriterien analysiert. Die Studierenden sollen in die Lage versetzt werden, das jeweilige Interesse zu erkennen, das sich hinter der Veröffentlichung verbirgt. Auf den ersten Blick geht es ja immer um sachliche Information und Aufklärung, aber oft stehen wirtschaftliche oder weltanschauliche / politische Ziele dahinter. Hier soll – neben der reinen Wissensvermittlung – auch eine fundierte, kritische Haltung erworben und an die Jugendlichen weitergegeben werden. Der Gender – Aspekt, die Frage nach Partizipation von benachteiligten Gruppen sowie eine interkulturelle Offenheit sind in diesem Zusammenhang selbstverständlich. Zwei weitere Aspekte liegen mir am Herzen: Die Beschäftigung mit der eigenen sexuellen Biografie und der Sozialgeschichte, um ein Verständnis dafür zu bekommen, wie sehr sexuelle Realität – die eigene und die der Jugendlichen – gesellschaftlich determiniert, und wie wenig sie ein rein „natürliches“ Geschehen ist. Vor diesem Hintergrund kommt das übergeordnete Ziel gerade auch der pro familia – Sexualpädagogik: Selbstbestimmung, Verantwortung übernehmen und Dinge besprechbar zu machen – noch klarer in den Blick. Es ist uns auch ein Anliegen, gesamtgesellschaftliche Entwicklungen aufzunehmen und nach einer jährlichen sorgfältigen Evaluation sowohl das Curriculum, als auch die organisatorische Struktur des Projekts immer wieder anzupassen. Von diesem Projekt profitieren alle beteiligten Seiten: Der Landkreis, der sich dankenswerterweise an den Kosten für den Lehrauftrag beteiligt, erreicht so sehr viel mehr Jugendliche, als es ihm allein oder in Kooperation mit der örtlichen pro familia Beratungsstelle möglich wäre. Die Hochschule kann den Studierenden ein attraktives, zukunftsfähiges Lernangebot machen. Die Studierenden erwerben – gerade durch die enge Verzahnung von Theorie und Praxis – bereits während des Studiums eine interessante Zusatzqualifikation, die ihre Chancen bei Bewerbungen erhöht. Die Holzmindener pro familia-Beratungsstelle erreicht durch das Projekt vielfältige Kooperationspartner. Sie kann im Sinne von Öffentlichkeitsarbeit auf ihr Angebot vor Ort – incl. Sexualpädagogik – hinweisen und ihr Profil schärfen. Zum Weiterlesen für Interessierte, vielleicht auch NachahmerInnen: “Handreichung Sexualpädagogische Arbeit mit Jugendgruppen im Landkreis Holzminden: Ein Praxisprojekt macht Schule“. (zum Download bei http://www.profamilia.de/holzminden, unter Angebote) Kirsten Benthack, pro familia Holzminden 69 Interkulturelle Kompetenz als Herausforderung für pro familia als Menschenrechts - und Beratungsorganisation Erfahrungen in der pro familia Beratungsstelle Hannover Hintergrund In einer breit angelegten Studie des SINUS Instituts (2007-2008) wurden zum ersten Mal die Lebenswelten von Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund, so wie sie sich durch das Leben in Deutschland entwickelt haben, untersucht. Dabei ging es um Wertorientierungen, Lebensstil und die soziale Lage. Diese Studie zeigte einige erstaunliche Ergebnisse. 83 % der befragten Menschen mit Migrationshintergrund leben gern in Deutschland. 82 % fühlen sich mit Deutschland eng verbunden. Gleichzeitig fühlen sich 68% mit ihrem Herkunftsland eng verbunden, was zeigt, dass das eine das andere nicht ausschließt. Bei 63% wird in der Familie Deutsch gesprochen – bei 34% ausschließlich oder hauptsächlich. 82% sprechen mit ihren engsten Freunden Deutsch. Viele haben ein bi - kulturelles Selbstbewusstsein und eine postintegrative Perspektive. Sie fühlen sich als zugehörig und integriert. Auf diesem Hintergrund klagen viele, egal aus welchen untersuchten Migranten-Milieus, über die mangelnde Integrationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft und das geringe zwischenmenschliche Interesse an den Eingewanderten. Integration nennt man etymologisch und wissenschaftlich ein Phänomen, bei dem zwei Bereiche miteinander verbunden und in Einklang zu bringen sind. Seit einigen Jahren schießen Integrationsprogramme und Projekte wie Pilze aus dem Boden. Keine Organisation, die im politischen und sozialen Geschehen mitmischen will, kann es sich leisten, dieses Thema zu ignorieren. Den Hintergrund dieser zahlreichen Aktivitäten bildet jedoch meist die Vorstellung von Integration als einseitig zu erbringende Leistung der Zugewanderten. Das eigene Defizit wird darin gesehen, es versäumt zu haben, die Bedingungen zu schaffen, dass „die Anderen“ die Anpassungsleistung, die von ihnen gefordert wird, erbringen können. Dies will man nun schnell nachholen. Richtig integriert ist, wer so ist, so denkt, so redet wie „wir“, wer immer wir sind, und im besten Fall auch so aussieht. Die Wahrnehmung der so genannten „Migranten“ oder „Menschen mit Migrationshintergrund“ ist dabei die einer homogenen Masse, welche die eigene Kultur potenziell bedroht, wenn man nicht gegensteuert. In diesem Integrationsverständnis müssen „die anderen“ zwangsläufig defizitär sein und es erspart den Agierenden sich mit den eigenen Stereotypen, Vorurteilen, Fremdheiten und dem eigenen, meist verschleierten Ethnozentrismus und Rassismus auseinanderzusetzen. Die Betonung kultureller Unterschiede hat häufig die Funktion, sich mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit von Klassenunterschieden, der Ökonomisierung jedes zwischenmenschlichen Bereichs, der Verteilungspolitik von Reichtum und Macht von unten nach oben und einer Bildungspolitik, welche die Klassenunterschiede zementiert, in diesem Kontext nicht beschäftigen zu müssen. Doch selbst da holpert die Vorstellung von „den Migranten“. Bildung und Wissen sind für 74% wichtige Werte. Erfolg und Karriere sind für 73% angestrebte Ziele. Zwar gibt es einen höheren Anteil von Menschen mit nur geringer Schulbildung, doch ebenso gibt es einen höheren Anteil an Akademikern als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Wenn wir uns als pro familia mit der interkulturellen Öffnung unserer Organisation beschäftigen, kann es also nicht darum gehen, Menschen zu helfen, in dieser Gesellschaft anzukommen, sondern es geht vielmehr darum, einen realistischen Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte zu mehr Vielfalt und Multikulturalität und auf unsere Klientel und deren Interessen zu gewinnen. Daraus gilt es Konsequenzen in der Ausgestaltung unserer Arbeit zu ziehen, die es ermöglichen ein angemessenes Beratungsangebot zu entwickeln. In keinem Fall geht es um den Umgang mit einer weiteren „Problemgruppe“. 70 Interkulturelle Ansätze in der Beratungsstelle Hannover Die pro familia-Beratungsstelle in Hannover hat einen großen Einzugsbereich. Dieser geht über die Landeshauptstadt und die Region Hannover hinaus bis nach Hildesheim und Celle. Unsere Klientel besteht fast zur Hälfte aus Menschen, die, oder deren Familien aus anderen Ländern zugewandert sind. Ein Ausgangspunkt, uns mit der Beratung von „MigrantInnen“ zu beschäftigen, war vor vielen Jahren das zunehmende Unbehagen, Menschen zu beraten, von deren Lebenshintergrund wir eigentlich kaum etwas wussten, wo es Sprachschwierigkeiten gab und Probleme, die richtigen Fragen zu stellen. Auch in der Sexualpädagogik orientierten wir uns damals in erster Linie an den kulturellen Vorstellungen und Interessen der Mehrheitsjugendlichen. Auch wenn alle scheinbar interessiert mitmachten, irgendetwas fühlte sich falsch an. Unser Nichtwissen über die „fremden“ Lebensformen und die Umgangsweisen mit unseren Themen füllten wir zum Teil mit Bildern, Vorurteilen und Stereotypen. Je „westlicher“ jemand sich darstellte, desto eher nahmen wir an, würde das Denken und Verhalten dem „unsrigen“ entsprechen. Im Umgang übten wir uns in Pädagogik und Beratung in Political Correctness und gingen von einer Gleichbehandlung aller aus, die in der Praxis oft nicht gegeben war, denn gegenüber Deutschen in schwierigen Lebenssituationen hatten wir die diffuse Scheu nicht, die Lebensbedingungen und die persönlichen Ressourcen der KlientInnen zu erfragen und mit ihnen nach angemessenen Auswegen zu suchen. Sprachliche Probleme kamen manchmal hinzu. In vielen Gesprächen im Team ging es um die Angst, von „neuen“ fremden patriarchalen und sexualfeindlichen Strukturen überrollt zu werden, oder um die Frage, ob wir mit unserem offensiven Umgang mit Sexualität die „Anderen“ nicht überfordern und ihre Schamgrenzen verletzen. Das heißt, es ging um die Reflektion unserer eigenen Haltung. Eine Folge war, dass einige aus dem Team Fortbildungen besuchten, die unter verschiedenen inhaltlichen Aspekten „interkulturelle Kompetenz“ zum Thema hatten. Nach und nach zeigte das Wirkung und beeinflusste die verschiedenen Arbeitsbereiche. Sexualpädagogik In der Sexualpädagogik haben wir es im Allgemeinen mit Schulklassen zu tun, die in ihrer Zusammensetzung sehr unterschiedlich sind, abhängig von der örtlichen Lage der Schule und der Schulform. Wir entschlossen uns, keine Angebote speziell für Jugendliche mit Migrationshintergrund aufzubauen. Wir wollten die Vielfalt von Werten, Lebensvorstellungen, Bedingungen und Träumen und die familiären und kulturellen Sichtweisen, die den Hintergrund, manchmal auch das Hindernis, dafür bilden, in der Klassengruppe thematisieren und die Jugendlichen zum Gespräch darüber motivieren. Diese Gespräche mit den Jugendlichen in der Sexualpädagogik waren unsere ersten „interkulturellen Dialoge“. Zeitweilig arbeitete ein Mitarbeiter türkischer Herkunft bei uns, der uns allerdings nach einem Jahr wieder verließ. Für 2010 haben wir die Möglichkeit im Rahmen eines Projekts eine Halbtagsstelle einzurichten. Die Inhaberin hat die Aufgabe, neben der praktischen Arbeit mit Mädchen in den Gruppen, die bisherigen Arbeitsformen zu durchleuchten und gemeinsam mit dem bestehenden sexualpädagogischen Team und Schulen aus Stadt und Region eine auch auf den schulischen Bereich übertragbare Konzeption und Methodik für dialogische Ansätze einer interkulturellen Sexualpädagogik zu entwickeln. Finanziell unterstützen die Region Hannover und die Stadt uns dabei. Kooperationen „A right is not a right, if it is unknown“ (Fred Sai, ehem. Präsident der IPPF) Wir machten uns Gedanken darüber, wie der Kenntnisstand und das Wissen über eigene Rechte und Pflichten, die der Staat einfordert, Menschen zugänglich gemacht werden können, die Schwierigkeiten haben Informationen einzuholen und sich bei offiziellen Stellen zu verständigen. 71 Auf dem Flickenteppich sozialer Hilfen hat niemand es leicht, sich zurechtzufinden, doch besonders schwer ist es, wenn man die Schriftsprache nicht gut beherrscht und schlechte Erfahrungen in der Kommunikation mit den MitarbeiterInnen von Ämtern und Behörden gesammelt hat. Mit dem Verein Arkadas e.V., dessen Angebote von vielen Menschen türkischer Muttersprache wahrgenommen werden und einem türkischsprachigen Kollegen vom VSE, dem Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen Hannover e.V. entwickelten wir eine Veranstaltungsreihe für junge Familien und Paare mit Deutsch als Zweitsprache. Diese bestand aus drei Bausteinen. Im ersten Teil ging es um sozialrechtliche Fragen bei Schwangerschaft und Geburt, im zweiten Teil um Wege der Familienplanung und im dritten Teil um die Beschäftigung mit frühkindlicher Sexualität (unter dem Aspekt der Stärkung und des Schutzes von Kindern). Die Veranstaltungsreihe war von Anfang an zweisprachig und mit männlichen und weiblichen Referenten geplant. Zum Thema Familienplanung boten wir ein geschlechtergetrenntes Setting an. Kinder konnten mitgebracht werden und wurden betreut. Schnell ergab es sich, dass alle miteinander in zwei Sprachen redeten, außer uns. Während die erste Veranstaltungsreihe ein Erfolg, auch in der Besucherzahl, war, gestaltete sich die Teilnehmerzahl beim zweiten Durchgang mäßig. Trotzdem werden wir das Konzept weiter verfolgen und ebenfalls in Kooperation, auch für Menschen russischer Muttersprache anbieten. Für uns ist dies ein Beitrag, den Zugang zu wichtigen gesellschaftlichen Informationen für Menschen mit Deutsch als Zweitsprache stärker zu öffnen. Wir kooperieren außerdem mit dem ethnomedizinischen Zentrum in Hannover, sind da an der Ausbildung von Multiplikatoren zur HIV/Aids Prävention mit dem Schwerpunkt Familienplanung beteiligt und nehmen an der Ausbildung von Integrationslotsen an der VHS teil. Die Beratungsstelle gehört darüber hinaus zu einem Netzwerk von Gruppen und Organisationen, die Menschen ohne Papiere unterstützen. Häufig werden wir auch als ReferentInnen in Mädchengruppen oder Mütterkreisen gemischt kultureller Zusammensetzung angefragt. Mit der FHS in Hannover veranstalten wir jährlich ein Seminar für chinesische Studentinnen und Studenten, die neu im Studium sind. In Planung ist ein Seminar für alle neuen nichtdeutschen StudentInnen der FHS Hannover unter dem Titel: True love not always waits. Sexualethik im Dialog Vor einigen Jahren bekamen wir das Angebot, eine Dialoggruppe mit Menschen unterschiedlicher Herkunft ins Leben zu rufen, die sich mit sich verändernden Wertsystemen in der Sexualität beschäftigt, den Prozess dokumentiert und damit in eine öffentliche Diskussion geht. Das Konzept des demokratischen Dialogs erschien uns am ehesten als der Weg, der es ermöglicht, eine freiwillige, gleichberechtigte Auseinandersetzung über Verschiedenheit und Gemeinsamkeit zu führen, die nicht auf der Ebene des höflichen oder konfrontativen Austausches von Annahmen, Vorurteilen und Stereotypen verbleibt. In der Dialogarbeit kann es nicht darum gehen, die „richtige“ Haltung zu Sexualität gegen die „falsche“ zu setzen, sondern der Ausgangspunkt ist der Anspruch mehr voneinander zu lernen und zu verstehen, ohne zwanghaft den Konsens zu suchen. Ein ähnliches Konzept wurde bereits von der ‚Werkstatt der Religionen’ in Berlin zu anderen Themen erprobt und Barbara Weber von der Kulturwerkstatt Hannover brachte ihre Erfahrungen in die gemeinsame Arbeit ein. Unser Themenkatalog umfasste Aspekte der Vermittlung von Wissen und Werten an Kinder und Jugendliche, das Generationenverhältnis, die Sicht der Geschlechterrollen, Bedeutung der Ehe, Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, Verhütung, Umgang mit sexuellen Orientierungen, die Bedeutung von Reinheit, Grenzen, Tabus, und vieles mehr. Am Dialogprozess beteiligt waren Menschen aus den Ursprungsländern Iran, Türkei, Russland, Deutschland, Polen, Irak, Indien, Korea. Es sind Buddhisten, Hindus, Christen, Juden, Muslime und Nichtreligiöse. Sie nahmen am Dialog als Einzelpersonen, nicht als 72 Organisationsvertreter teil. Für uns machte dies auch das Besondere und Spannende des Kreises aus, denn alle reden von sich, ihren Fragestellungen, ihrer Geschichte und ihren Bildern. Schnell wurde deutlich welche bedeutsame Rolle Religion, besonders in ihrer Vermischung mit Tradition, ausgesprochen oder unausgesprochen in den Haltungen zu Sexualität spielt. Den dialogischen Ansatz versuchten wir auch auf der Tagung „Sexualethik in unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen“ einzuhalten. Die Tagung mit ca. 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmern fand ein gutes Echo, bei denen, die dabei waren. Beteiligt waren auch andere Beratungsstellen aus Hannover, die im weiteren oder engeren Sinn mit dem Thema Sexualität zu tun haben, und Vertreterinnen und Vertreter von Religionen. Aus dieser dialogischen Arbeit entstand eine Broschüre, die, bedauerlicherweise, nur als CD-ROM beim Landesverband Niedersachsen erhältlich ist. Multikulturalität und frühkindliche Sexualerziehung in der Kindertagesstätte In den meisten Kindertagesstätten sind die Gruppen heute multikulturell besetzt. deutschlandweit hat bereits jedes dritte Kind unter fünf Jahren einen so genannten Migrationshintergrund, in Großstädten und Ballungsräumen fast jedes zweite. In Hannover haben 44% der Kinder zwischen drei und sechs Jahren Eltern mit Deutsch als Zweitsprache. Zweiheimische gehören im Gegensatz zur alternden Aufnahmegesellschaft in ihrer Mehrheit reproduktiven Altersgruppen an, das heißt, sie sind jünger und können und wollen auch oft Kinder haben. Zu uns in die pro familia Beratungsstelle kommen überwiegend werdende Mütter und Väter. Viele haben bereits Kinder. Im Kontakt mit ihnen wird deutlich, dass der Begriff der „Interkulturalität“, des Austauschs und Agierens zwischen unterschiedlichen Kulturen, sich häufig längst überlebt hat und wir vielmehr von transkulturellen Entwicklungen reden sollten, in denen etwas Drittes entsteht und entstanden ist, das eine Vorstellung säuberlich voneinander getrennter und unterscheidbarer Wertgebäude und Kulturen nicht mehr bestätigt. Die Antworten, welche von den vorhergehenden Generationen zu Fragen des Lebens, der Familie, der eigenen Rolle bereit gehalten wurden, gelten für diese jungen Familien nicht mehr unhinterfragt oder nur noch teilweise und neue Antworten müssen mühsam gefunden werden. Dies betrifft im Besonderen das Geschlechterverhältnis und die Erziehung der Kinder. Ein Aspekt ist die Auseinandersetzung mit kindlicher Sexualität. Nach unserer Erfahrung haben die wenigsten Kindertagesstätten oder Familienzentren eine Konzeption für die pädagogische Aufgabenstellung und den Umgang der Einrichtung mit kindlicher Sexualität, und es hängt oft von der/dem ErzieherIn ab, welche Haltung sich in der Gruppe widerspiegelt. Wird diese durch Eltern infrage gestellt, entstehen Verunsicherungen auf allen Seiten. In Gesprächen mit jungen Erwachsenen und mit Kolleginnen und Kollegen, die aus Migrantenfamilien kommen, gab es immer wieder Irritationen wenn wir über frühkindliche Sexualität sprachen. Kann man denn überhaupt darüber reden, wenn es um Kinder geht, müssen Kinder nicht eher vor einer sexualisierten Umwelt geschützt werden? Auch aus den Kitas war von den Erzieherinnen zu hören, dass es Probleme und Verunsicherungen gibt, sowohl in den eigenen Haltungen als auch im Umgang mit Eltern zu Themen wie Nacktheit, Doktorspiele, kindlicher Neugier und Lust. Da wir davon ausgehen, dass fast alle Eltern zunächst das Beste für ihre Kinder wollen und ihre Haltung von der Sorge um die Kinder diktiert wird, erscheint es uns richtig, ihre Befürchtungen zur Entwicklung ihrer Kinder ernst zu nehmen und nicht erst dann mit ihnen ins Gespräch zu kommen, wenn mögliche Unterschiedlichkeiten zu Konflikten geführt haben. Ein offenes sexualpädagogisches Konzept kindlicher Sexualerziehung muss die Eltern von Beginn an mit einbeziehen. Eine in diesem Bereich erreichte Öffnung wird sicher auch 73 Folgen für den elterlichen Umgang mit Jugendlichen in der Pubertät haben. Wir erarbeiteten zunächst ein Konzept für eine ErzieherInnenfortbildung, probierten es im Rahmen einer Inhouseschulung aus und sind dabei, es weiter zu entwickeln. Inzwischen gibt es in Hannover immer mehr Familienzentren, in denen die Eltern schon konzeptionell und von der Angebotsstruktur her am Alltag beteiligt sind. Im Rahmen von Elterncafés oder Frühstücken werden wir zunehmend eingeladen und arbeiten mit jungen Müttern und Vätern aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern zu diesen Themen. Beratung Beratung ist unser Kerngeschäft und war der Ausgangspunkt unserer Überlegungen. Trotzdem kann ich sagen, dass wir in der Entwicklung zu dem, was man unter „interkultureller Kompetenz“ als Qualitätsmerkmal von Beratung versteht, nur langsam und auf verschlungenen Wegen vorankommen. Viele Ängste sind im Laufe der Beschäftigung damit verschwunden. Die Beratungen sind länger geworden, immer häufiger bewegen wir uns in den Zeitschienen unserer KlientInnen, die manche Themen erst dann ansprechen, wenn sie sicher sind, dass in der Beratung auch der richtige Ort ist. Wir werden genauer und auch das Verstehen braucht mehr Zeit. Wir fragen mehr, nutzen mehr Bilder und geben auch unsere Irritationen oder Vorurteile preis, damit sie sich in der Beratung bestätigen, auflösen oder verändern können. Wir geben nicht mehr vor, etwas zu wissen oder zu kennen. Wir lernen besser zu unterscheiden um welche Art von Konflikten es geht, kulturelle, migrationsspezifische, rollenbedingte, soziale, rechtliche, ökonomische und was für die konkrete Fragestellung gerade Bedeutung hat. Im Umgang mit Ämtern verfeinern sich unsere Sensoren für rassistisch bedingte Diskriminierung. Wir lernen die Zweisprachigkeit und die Fähigkeit unserer Klientinnen sich in unterschiedlichen kulturellen Bedingungen zu bewegen, besser zu schätzen und betrachten dies als Ressource. Das wird auch von den KlientInnen zur Kenntnis genommen. Eigentlich benötigen wir eine spezifische Supervision von außen, die mit uns die Entwicklungen reflektiert. Wir sind schon seit langem der Auffassung, dass es zwar sinnvoll ist, einzelne Projekte im interkulturellen Bereich zu entwickeln, es sich aber letztlich um eine Querschnittsaufgabe handelt, die alle Bereiche unserer täglichen Arbeit erfasst und der Zusammensetzung und Entwicklung unserer Bevölkerung angemessen ist. Bedeutung für die Organisation pro familia hat eine hervorragende Basis, sich mit Themen kultureller Vielfalt und einer interkulturellen und transkulturellen Entwicklung großer Teile der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Die inhaltliche Grundlage der Arbeit der Organisation ist die Charta der sexuellen und reproduktiven Rechte. Diese Rechte haben ihren Ausgangspunkt in den Menschenrechten, haben einen ähnlichen Rang und wir, als pro familia sind in der Ausformulierung, Einforderung und dem Bemühen diese gesellschaftspolitisch in die Praxis umzusetzen und im Bewusstsein der Menschen zu verankern, im Einklang mit einem weltweiten Netz von Familienplanungsorganisationen aus mehr als 180 Ländern, das sich im IPPF organisiert. Der rechtebasierte Ansatz, das eigene Selbstverständnis als Menschenrechtsorganisation, geht von einer Vision aus, von der Vorstellung, dass die Bedingungen, die verhindern, dass Menschen selbstbestimmt ihre Sexualität leben können, veränderbar sind, dass die Menschen selbst dies als ihr gutes Recht und Bestandteil ihrer Menschenwürde begreifen und für die Umsetzung kämpfen. Der rechtebasierte Ansatz ist ein positiver Ansatz, der aktiv und nicht reaktiv ist. Er bezieht alle Menschen mit ein, ob sie aus der eigenen Stadt, dem eigenen Land, Europa oder der großen weiten Welt kommen. Er geht von der Gleichwertigkeit und Würde aller Menschen 74 aus und bekämpft so auch den Rassismus der ehemaligen Kolonialmächte. Die Kommunikationsebene, die diesem Ansatz entspricht, ist der demokratische Dialog. Dieser Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur Religion und politischer Ausrichtung hat schließlich zur Charta der sexuellen und reproduktiven Rechte geführt. Doch im eigenen Land haben wir noch einen langen Weg vor uns. Pro familia wurde als Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualberatung und Sexualpädagogik gegründet. Die überwältigende Mehrheit der Beraterinnen und Berater, der Verbandsmitglieder und Vorstände ist deutscher Herkunft. In unserer Organisation spiegelt sich die Multikulturalität der heutigen deutschen Gesellschaft nicht wieder. Dies begrenzt unser Wissen, lässt den strukturellen Rassismus, der auch unserem „guten Willen“ immanent ist, unhinterfragt und hindert uns, die Chancen, die kulturelle Vielfalt bietet, zu nutzen. Während in Wirtschaftsunternehmen aber auch in verschiedenen sozialen Einrichtungen längst Konzepte, von Managing Diversity, über interkulturelles Kompetenztraining und interkulturelle Mediation bis zur Quotierung bei der Neubesetzung von Arbeitsplätzen erprobt werden, ist pro familia noch weit davon entfernt. Selbstverständlich existieren in den einzelnen Landesverbänden verschiedene Projekte, dies schlägt sich aber weder sichtbar in der Personalentwicklung noch in den Fortbildungskonzepten des Bundesverbandes nieder. Die Jahresfachtagung des Bundesverbandes 2009 beschäftigte sich allerdings mit dem Thema und pro familia war maßgeblich an der Formulierung von „Fachliche(n) Empfehlungen für eines migrations- und kultursensible Institutionelle Beratung“ des DAKJEF (Deutscher Arbeitskreis für Jugend-, Ehe- und Familieberatung) 2009 beteiligt. 75 Anhang Leitlinien für die sexuellen und reproduktiven Rechte von pro familia Präambel: pro familia hat die Vision einer demokratischen Gesellschaft, deren Fundamente Solidarität, Verantwortung und Gleichberechtigung sind. Als Verband treten wir mit unseren Mitgliedern, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für das Recht auf selbstbestimmte Sexualität und Fortpflanzung, auf selbstbestimmte sexuelle Orientierung und Identität und auf sexuelle und reproduktive Gesundheit ein. Die verbindlichen Leitlinien sind abgeleitet von der IPPF-Charta der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte. Wir formulieren diese 12 Leitlinien. für die Aufgaben und Ziele der pro familia als politisch aktiver Interessenverband und Anbieter von Dienstleistungen 1. Gemeinsam nehmen wir unser Recht auf politische Teilhabe, Mitgestaltung und freie Meinungsäußerung wahr. Unsere Mitglieder und Unterstützerinnen treten dafür ein, die sexuellen und reproduktiven Rechte bekannt zu machen, wirksam durchzusetzen und weiter zu entwickeln. Wir arbeiten in unserem Verband daran, dass er ihnen Rückhalt für ihr Engagement und ihre Mitgestaltung gibt und alle Mitarbeitenden in ihrer fachlichen Arbeit unterstützt. 2. Auf der Grundlage der Gleichberechtigung von Frauen und Männern berücksichtigen wir die Gemeinsamkeiten und geschlechtsspezifischen Unterschiede in Fragen der Sexualität und Reproduktion. 3. Jeder Mensch hat das Recht auf Information. Wir gewährleisten es durch Transparenz in unseren Angeboten. Mit bedarfsspezifischen Informationen stärken wir die Wahlfreiheit der Ratsuchenden und zeigen unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten auf. 4. Das Recht auf Bildung gilt auch im Zusammenhang mit Sexualität und Fortpflanzung. Selbstbestimmt und verantwortlich damit umgehen zu können ist das Ziel unserer Angebote. Sie stehen offen für Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts, jeder sexuellen Orientierung und jeder Herkunft. 5. Jeder Mensch hat das Recht, wissenschaftliche Entwicklungen zu nutzen, die in den Bereichen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit gemacht werden, besonders in den Bereichen Familienplanung, Schwangerschaft, Kinderwunsch, Sexualität, Verhütung, sexuell übertragbare Krankheiten und Schwangerschaftsabbruch. Wir haben den aktuellen Stand der Wissenschaft kritisch im Blick, damit wir neue Entwicklungen in unsere medizinischen, beraterischen und pädagogischen Angebote und Qualitätsstandards integrieren können. Damit sorgen wir dafür, dass alle Ratsuchenden einen Zugang zum derzeit verfügbaren Wissen finden können, die 76 Vor- und Nachteile von Maßnahmen einschätzen können und ihre sexuellen und reproduktiven Rechte wahrnehmen können, einschließlich ihres Rechts auf Nichtwissen. 6. Das Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit ist von zentraler Bedeutung. Wir unterstützen Ratsuchende, wenn es um Empfängnisregelung und sexuell übertragbare Krankheiten, Familienplanung und Sexualität sowie Partnerschaft geht. Bei Frauen geht es besonders um Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft, und Verhütung sowie um Schwangerschaftsabbruch, bei Männern um Zeugungsfähigkeit, Verhütung und Vaterschaft. .. 7. Mit unseren Angeboten setzen wir das Recht auf Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsversorgung in die Praxis um. Das Spektrum reicht von öffentlich geförderter institutioneller Beratung über Prävention und Aufklärung bis zu medizinischen Angeboten für die sexuelle und reproduktive Gesundheit der Menschen. 8. Wir stärken das Recht auf individuelle Familienplanung. Männer, Frauen und Paare entscheiden frei, ob, zu welchem Zeitpunkt und wie viele Kinder sie haben wollen – unabhängig von ihren Lebensformen und sexuellen Lebensweisen.. 9. Familie ist für uns jedes Zusammenleben von Menschen in gegenseitiger Verantwortung. Deshalb setzen wir uns für Rahmenbedingungen ein, die Familien in ihrer Unterschiedlichkeit respektieren und fördern. 10. Wir gewährleisten allen Ratsuchenden das Recht auf Privatsphäre. Im Rahmen unserer Dienstleistungen halten wir die Schweigepflicht ein und sichern den Schutz persönlicher Daten. 11. Wir setzen uns national wie international aktiv für das Recht auf Freiheit und Unversehrtheit ein, damit Menschen ihre Sexualität selbstbestimmt leben können und keinen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt sind. 12. Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz vor sexualisierter Gewalt, Misshandlung und Folter. Die individuelle Unterstützung, Beratung und Versorgung der Opfer muss ebenso gewährleistet werden wie die Bereitstellung adäquater präventiver und psychosozialer Angebote für Straftäter. pro familia Landesverbände und Bundesverband ………………………...……… 77 Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG) § 1 Aufklärung (1) Die für gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung zuständige Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erstellt unter Beteiligung der Länder und in Zusammenarbeit mit Vertretern der Familienberatungseinrichtungen aller Träger zum Zwecke der gesundheitlichen Vorsorge und der Vermeidung und Lösung von Schwangerschaftskonflikten Konzepte zur Sexualaufklärung, jeweils abgestimmt auf die verschiedenen Alters- und Personengruppen. (1a) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erstellt entsprechend Absatz 1 Informationsmaterial zum Leben mit einem geistig oder körperlich behinderten Kind und dem Leben von Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Das Informationsmaterial enthält den Hinweis auf den Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung nach § 2 und auf Kontaktadressen von Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen sowie Behindertenverbände und Verbände von Eltern behinderter Kinder. Die Ärztin oder der Arzt händigt der Schwangeren das Informationsmaterial im Rahmen seiner Beratung nach § 2a Absatz 1 aus. (2) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verbreitet zu den in Absatz 1 genannten Zwecken die bundeseinheitlichen Aufklärungsmaterialien, in denen Verhütungsmethoden und Verhütungsmittel umfassend dargestellt werden. (3) Die Aufklärungsmaterialien werden unentgeltlich an Einzelpersonen auf Aufforderung, ferner als Lehr- oder Informationsmaterialien an schulische und berufsbildende Einrichtungen, an Beratungsstellen, an Frauenärztinnen und Frauenärzte, Ärztinnen und Ärzte sowie medizinische Einrichtungen, die pränataldiagnostische Maßnahmen durchführen, Humangenetikerinnen und Humangenetiker, Hebammen sowie an alle Institutionen der Jugend- und Bildungsarbeit abgegeben. § 2 Beratung (1) Jede Frau und jeder Mann hat das Recht, sich zu den in § 1 Abs. 1 genannten Zwecken in Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung sowie in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen von einer hierfür vorgesehenen Beratungsstelle informieren und beraten zu lassen. (2) Der Anspruch auf Beratung umfaßt Informationen über 1. Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung, 2. bestehende familienfördernde Leistungen und Hilfen für Kinder und Familien, einschließlich der besonderen Rechte im Arbeitsleben, 3. Vorsorgeuntersuchungen bei Schwangerschaft und die Kosten der Entbindung, 4. soziale und wirtschaftliche Hilfen für Schwangere, insbesondere finanzielle Leistungen sowie Hilfen bei der Suche nach Wohnung, Arbeits- oder Ausbildungsplatz oder deren Erhalt, 5. die Hilfsmöglichkeiten für behinderte Menschen und ihre Familien, die vor und nach der Geburt eines in seiner körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit geschädigten Kindes zur Verfügung stehen, 6. die Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, die physischen und psychischen Folgen eines Abbruchs und die damit verbundenen Risiken, 7. Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, 8. die rechtlichen und psychologischen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit einer Adoption. Die Schwangere ist darüber hinaus bei der Geltendmachung von Ansprüchen sowie bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen. Auf Wunsch der Schwangeren sind Dritte zur Beratung hinzuzuziehen. (3) Zum Anspruch auf Beratung gehört auch die Nachbetreuung nach einem Schwangerschaftsabbruch oder nach der Geburt des Kindes. 78 § 5 Inhalt der Schwangerschaftskonfliktberatung (1) Die nach § 219 des Strafgesetzbuches notwendige Beratung ist ergebnisoffen zu führen. Sie geht von der Verantwortung der Frau aus. Die Beratung soll ermutigen und Verständnis wecken, nicht belehren oder bevormunden. Die Schwangerschaftskonfliktberatung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. (2) Die Beratung umfaßt: 1. das Eintreten in eine Konfliktberatung; dazu wird erwartet, daß die schwangere Frau der sie beratenden Person die Gründe mitteilt, derentwegen sie einen Abbruch der Schwangerschaft erwägt; der Beratungscharakter schließt aus, daß die Gesprächsund Mitwirkungsbereitschaft der schwangeren Frau erzwungen wird; 2. jede nach Sachlage erforderliche medizinische, soziale und juristische Information, die Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter und Kind und der möglichen praktischen Hilfen, insbesondere solcher, die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage von Mutter und Kind erleichtern; 3. das Angebot, die schwangere Frau bei der Geltendmachung von Ansprüchen, bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen, sowie das Angebot einer Nachbetreuung. Die Beratung unterrichtet auf Wunsch der Schwangeren auch über Möglichkeiten, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden. § 6 Durchführung der Schwangerschaftskonfliktberatung (1) Eine ratsuchende Schwangere ist unverzüglich zu beraten. (2) Die Schwangere kann auf ihren Wunsch gegenüber der sie beratenden Person anonym bleiben. (3) Soweit erforderlich, sind zur Beratung im Einvernehmen mit der Schwangeren 1. andere, insbesondere ärztlich, fachärztlich, psychologisch, sozialpädagogisch, sozialarbeiterisch oder juristisch ausgebildete Fachkräfte, 2. Fachkräfte mit besonderer Erfahrung in der Frühförderung behinderter Kinder und 3. andere Personen, insbesondere der Erzeuger sowie nahe Angehörige, hinzuzuziehen. (4) Die Beratung ist für die Schwangere und die nach Absatz 3 Nr. 3 hinzugezogenen Personen unentgeltlich. Quelle: Bundesministerium der Justiz, http://www.gesetze-im-internet.de 79 Impressum Herausgeber: pro familia-Landesverband Niedersachsen e.V. Steintorstr. 6 30159 Hannover Telefon: (0511) 30 18 57 80 Fax: (0511) 30 18 57 87 www.profamilia.de/niedersachsen Copyright: Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und elektronische Weiterverarbeitung von Texten und Bildern bedürfen der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Herausgebers. Hannover 2010 80