Pro familia Jahrbuch_28.8.

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Pro familia Jahrbuch_28.8.
Jahresbericht 2009
Landesverband Niedersachsen e.V.
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Inhaltsverzeichnis
Seite
Landesverband
pro familia im Wandel
Der Landesverband Niedersachsen im Überblick
Vorstand
Landesgeschäftsstelle
Interview mit dem Landesgeschäftsführer A. Bergen
Sexualpädagogischer Arbeitskreis
Arbeitsbereich „Liebe, Lust und Älterwerden“
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Beratungsstellen
Arbeitsbereiche der pro familia-Beratungsstellen
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Vor Ort: Entwicklungen und Highlights 2009
Braunschweig
Cuxhaven
Emden
Goslar
Göttingen
Hannover
Helmstedt
Holzminden
Lüneburg
Oldenburg
Osnabrück
Peine
Salzgitter
Soltau
Stade
Uelzen
Wilhelmshaven
Wolfenbüttel
Wolfsburg
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Im Detail: Beispielhafte Projekte, Kooperationen und Strategien
Praxisprojekt: Sexualpädagogische Arbeit mit Jugendgruppen.
Ein Kooperationsprojekt der HAWK-Studiengang Soziale Arbeit,
Landkreis und pro familia Holzminden
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Interkulturelle Kompetenz als Herausforderung für pro familia als
Menschenrechts - und Beratungsorganisation
Erfahrungen in der pro familia Beratungsstelle Hannover
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Anhang
Leitlinien für die sexuellen und reproduktiven Rechte von pro familia
Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten
(Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG), §§ 2, 5, 6
Impressum
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pro familiaLandesverband Niedersachsen
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pro familia im Wandel
Ein halbes Jahrhundert pro familia
Pro familia 2009: das sind ein Bundesverband und 16 Landesverbände mit insgesamt 1.225
MitarbeiterInnen in 182 Beratungsstellen und 5 medizinischen Zentren, ca 440.000
Ratsuchende in diesen Einrichtungen und TeilnehmerInnen der sexualpädagogischen
Angebote, 20.500 Anfragen an die pro-familia-Online-Beratung, 708.000 angeforderte pro
familia-Broschüren … Pro familia ist darüber hinaus ein öffentlich, politisch und
gesellschaftlich sehr aktiver Fachverband für Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und
Rechte.
Die Wurzeln der pro familia gehen bis ins Jahr 1952 zurück. Die damals gegründete
„Deutsche Gesellschaft für Ehe und Familie e.V.“ vertrat „die Forderung nach bewusster
Elternschaft für eine gesunde, von verantwortlichem Willen zum Kinde getragene
Familienbildung“.
In der Bundesrepublik galt noch das Abtreibungsrecht der Nazizeit, auch wenn 1953 die
Androhung der Todesstrafe für Ärzte gestrichen wurde.
Die Himmlerschen
Polizeiverordnungen zur Bekämpfung der Schwangerschaftsverhütung galten in einigen
Bundesländern noch bis 1969 und verboten Mittel der Familienplanung. Nicht nur der
Einsatz, sondern auch Import und Propagierung dieser Mittel waren verboten.
1965, also vor mehr als 40 Jahren wurde der pro familia-Landesverband Niedersachsen
gegründet. Auch in dieser Zeit stieß die Idee bewusster Familienplanung noch auf großen
Widerstand – politisch, gesetzlich und moralisch.
Die 70er-Jahre waren aber auch die Zeit eines familien- und gesellschaftspolitischen
Wandels. Der Siegszug der Pille, die Reform des §218, die Liberalisierung des §175 und die
gesellschaftlichen Veränderungen durch die Studenten- und Frauenbewegung führten zu
einer Verlagerung der Beratungsschwerpunkte, der quantitativen Ausweitung der Arbeit der
pro
familia
(insbesondere
durch
die
gesetzlich
vorgeschriebene
Schwangerschaftskonfliktberatung) und eine verstärkte staatliche Förderung des Verbandes.
Auch die Wandlung des Untertitels von „Gesellschaft für Familienplanung“ (1965) zu
„Deutsche Gesellschaft für Familienplanung und Sexualberatung“ in den 70er Jahren bis hin
zum heutigen Titel „Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und
Sexualberatung“ zeigen die Wandlung und Ausweitung unserer Tätigkeitsfelder und unseres
Selbstverständnisses bei pro familia.
Ein weiterer Wendepunkt stellt die Internationale Konferenz zu Bevölkerung und Entwicklung
der Vereinten Nationen 1994 in Kairo dar und der dort verabschiedete neue
Orientierungsrahmen „Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“. Dieser Ansatz
beschränkt sich nicht auf das Recht, selbst zu bestimmen, ob, wann und wie viele Kinder
sich Frauen und Männer wünschen, sondern er umfasst alle Lebensphasen und stärkt die
Bedeutung von Sexualität als wichtigen Aspekt menschlichen Wohlbefindens und Teil der
Menschenrechte. Pro familia ist (Gründungs-)Mitglied der International Planned Pernethood
Federation (IPPF), die sich international für die Verwirklichung der sexuellen und
reproduktiven Gesundheit und Rechte einsetzt. Aber was bedeutet dieser Ansatz konkret für
unsere Arbeit in den Beratungsstellen und als Fachverband? Wie sieht rechtebasierte Arbeit
konkret aus? Auf der Mitgliederversammlung des pro familia-Bundesverbandes 2007 setzte
sich pro familia den Arbeitsauftrag, die Ziele der sexuellen und reproduktiven Rechte für alle
Arbeitsbereiche zu formulieren, für Beratungsstellen und Verband, für Führung und
MitarbeiterInnen, für Strukturen und Prozesse, für die politische Arbeit, die Vernetzung des
Themas und die Dienstleistungsangebote. 2009 wurden die „Leitlinien für die sexuellen und
reproduktiven Rechte von pro familia“ verabschiedet (siehe Anlage, S. 76). Im ersten
Halbjahr 2010 werden diese Leitlinien in allen pro familia-Landesverbänden in einem
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strukturierten Prozess (Projekt „Freiräume für selbstbestimmte Sexualität“) intensiv diskutiert
und für die Umsetzung in die Praxis konkretisiert.
Entwicklungen im pro familia-Landesverband Niedersachsen
Zwar fällt beim Begriff pro familia meist immer noch zuerst
das Stichwort
„Schwangerschaftskonfliktberatung“ und dies ist bis heute ein wichtiger Teil unserer Arbeit.
Er macht aber nur einen Teil der Beratungen aus. Wachsende Schwerpunkte sind z.B. die
sexualpädagogische Arbeit mit Schulklassen und die sozialrechtliche Beratung von
Schwangeren. Die Angebote von pro familia wenden sich an Mädchen und Jungen, Frauen,
Männer, Paare jeden Alters, Menschen mit und ohne Behinderungen, mit verschiedenen
kulturellen Hintergründen und Menschen jeder sexuellen Orientierung. „Bei pro familia finden
alle ein passendes Angebot“ – Dies ist ein hoher Anspruch. Um ihn verwirklichen zu können,
wurden im Landesverband neben den seit vielen Jahren bestehenden spezifischen
Angeboten wie der Online-Beratung für Jugendliche www.sexundso.de einige
Arbeitsbereiche verstärkt strukturell und fachlich weiterentwickelt, so z. B. der Arbeitsbereich
„Liebe, Lust und Älterwerden“ und „pro familia interkulturell“. Ganz wichtig ist aber auch die
Vernetzung mit anderen Initiativen und Organisationen vor Ort und auf Landes- und
Bundesebene und international. Das bedeutet die Vernetzung zu Themen wie z.B.
Sozialrecht, Gewalt, interkulturelle Arbeit, Schwangerenbetreuung, Prävention etc. Das
bedeutet interdisziplinäre Netzwerke mit spezifischen Fachberatungsstellen, Vereinen,
Schulen, kommunalen Gremien und Entscheidungsträgern und vielen anderen. Ihnen
danken wir für die gute Zusammenarbeit. Unser Dank gilt ebenso allen staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und Menschen, die unsere Arbeit finanziell und ideell unterstützen.
2009/2010 bedeutet für den pro familia Landesverband Niedersachsen auch eine spannende
Umbruchszeit. Im Herbst 2009 ging der langjährige Geschäftsführer Klaus-Peter Schüssler in
den Vorruhestand und übergab die Geschäftsführung an Andreas Bergen. Im November
nahm Claudia Igney ihre Tätigkeit als Assistenz der Landesgeschäftsführung auf.
Im Dezember 2009 wurde ein neuer Vorstand gewählt (s. S. 7).
Gemeinsam mit allen MitarbeiterInnen hat Anfang 2010 ein intensiver Diskussions- und
Entwicklungsprozess beginnen. Eingebunden in das Projekt „Freiräume“ des
Bundesverbandes entwickeln wir die Leitlinien der pro familia-Arbeit – und somit unser
eigenes Leitbild als pro familia-MitarbeiterIn – weiter. Gleichzeitig wollen wir uns noch stärker
als Fachverband auf der Landesebene profilieren, unsere Stärken sichtbarer machen und
unsere verbandsinternen Kommunikations- und Arbeitsstrukturen gezielt weiterentwickeln.
Wir alle freuen uns auf eine weitere gute Zusammenarbeit!
Zum Weiterlesen:
International Planned Pernethood Federation (IPPF). IPPF-Charta der sexuellen und reproduktiven
Rechte.
pro familia-Bundesverband (2010). Jahresbericht 2009.
pro familia-Bundesverband (2002). Zur Geschichte des Verbandes.
Rettig, Manuela (2010). Das Projekt Freiräume. pro familia magazin 02/2010, S. 32-33.
www.profamilia.de
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Der Landesverband im Überblick
Gründung und Organisation
pro familia wurde 1952 gegründet. Die rechtlich selbstständigen Landesverbände haben sich
auf Bundesebene zusammengeschlossen und bilden gemeinsam den pro familia Bundesverband als eingetragenen Verein.
pro familia gehört dem Paritätischen an und ist Gründungsmitglied der International Planned
Parenthood Federation (IPPF).
Landesverband Niedersachsen
Die pro familia, Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und
Sexualberatung, Landesverband Niedersachsen e.V. mit Sitz in Hannover, ist Träger aller
pro familia - Beratungsstellen in Niedersachsen und der Projekte „Sexualpädagogischer
Arbeitskreis“ und „Liebe, Lust und Älterwerden“.
Der Landesverband Niedersachsen e.V. wurde 1965 als rechtlich selbständiger Verein ins
Leben gerufen. Er ist gem. §§ 51 AO als gemeinnützigen Zwecken dienend anerkannt. In
Niedersachsen werden 19 Beratungsstellen mit 10 Außenstellen sowie das Projekt der
„Onlineberatung“ unterhalten.
Anschrift:
Steintorstr. 6
30159 Hannover
Telefon: (0511) 30 18 57 80
Fax: (0511) 30 18 57 87
www.profamilia.de/niedersachsen
Bankverbindung:
Bank für Sozialwirtschaft
Konto-Nr.: 741 310 0
Bankleitzahl: 251 205 10
Beschäftigte
125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Statistik:
21.625 Erstberatungen gem. § 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz
5.022 Erstberatungen gem. § 5 und § 6 SchKG
3.245 Gruppenberatungen (Schulklassen-, Multiplikatorenarbeit)
2.955 Allg. Ehe-, Familien- und Lebensberatungen
Die Schwerpunkte der Beratungsanlässe waren Schwangerschaft, ungewollte
Schwangerschaft, Familienplanung, Sexualität und Partnerschaft sowie Hilfe bei
Inanspruchnahme sozialer Leistungen.
Erreichbarkeit unserer Beratungsstellen
Unsere Beratungsstellen sind nach den Anerkennungsrichtlinien für Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen mindestens an zwei Tagen der Woche geöffnet. Darüber hinaus
verfügen alle Beratungsstellen über einen telefonischen Anrufbeantworter, auf dem die
Öffnungszeiten mitgeteilt werden.
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Vorstand
Caren Marks (Vorsitzende)
Prof. Dr. Heike Fleßner (stellv. Vorsitzende)
Jutta Heinemann (Schatzmeisterin)
Hannelore Mücke-Bertram (Schriftführerin)
Annette Peters (Beisitzerin)
Christian Tesche (Beisitzer)
Caren Marks als pro familia Landesvorsitzende gewählt
Unerwartet viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich zur Mitgliederversammlung
des pro familia Landesverbands Niedersachsen am 04. Dezember 2009 in den Räumen des
Leineschlosses ein. Nach drei Jahren wurde turnusgemäß ein neuer Landesvorstand
gewählt. Die bisherige Vorsitzende, Landtagsabgeordnete Sigrid Leuschner (58, Hannover),
und die weiteren Mitglieder des Vorstands hatten im Vorfeld aus unterschiedlichen
persönlichen Gründen entschieden, nicht wieder erneut für den Vorstand zu kandidieren.
Als einzige Kandidatin für den Vorsitz stellte sich die Bundestagsabgeordnete und
Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen- und Jugend Caren
Marks (46, Wedemark) zur Wahl. In Ihrer Vorstellung betonte Frau Marks: „Familien,
Jugendliche und Frauen brauchen starke Netzwerke, um ihre Interessen wirkungsvoll
vertreten zu können. Daran will ich mitwirken, um gemeinsam mit dem Landesverband die
wichtige Arbeit von pro familia weiter voranzubringen und pro familia eine starke Stimme zu
verleihen.“
Im anschließenden Wahlgang wurde Caren Marks, bei nur einer Gegenstimme und wenigen
Enthaltungen, mit einer Mehrheit von 90,2% der Stimmen zur neuen Vorsitzenden gewählt.
Dem neu gewählten Vorstand gehören weiter als Beisitzerinnen und Beisitzer an: Prof. Dr.
Heike Fleßner (Oldenburg), Jutta Heinemann (Braunschweig), Hannelore Mücke-Bertram
(Hannover), Annette Peters (Soltau) und Christian Tesche (Hannover).
Sigrid Leuschner, MdL (links) übergibt den
pro familia Landesvorsitz an Caren Marks, MdB (rechts)
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Landesgeschäftsstelle
Interview mit dem Landesgeschäftsführer Andreas Bergen
Herr Bergen, bis August 2009 haben Sie als Büroleiter des ehemaligen hannoverschen
Bundestagsabgeordneten Gerd Andres (SPD) gearbeitet. Direkt im Anschluss sind Sie
Landesgeschäftsführer bei pro familia geworden. Wie kommt man aus der Politik zur
Deutschen Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung?
Von der Tätigkeit her sind diese
beiden Aufgaben gar nicht so
unterschiedlich. Als Büroleiter
gehörte es zu meinen Aufgaben,
den Büroalltag zu organisieren,
Budgets zu planen und zu
verwalten, Mitarbeiter zielgerichtet und sinnvoll einzusetzen.
Diese Grundstrukturen machen
auch meine jetzige Arbeit als
Geschäftsführer aus.
Der Unterschied multipliziert sich
auf anderen Ebenen. Ich habe
eine Geschäftsstelle zu leiten,
die
auch
eine
gewisse
Servicefunktion
für
die
Beratungsstellen erfüllt. Es gibt
mehr administrative Arbeiten,
das betrifft vor allem die Antragsstellung für öffentliche Mittel. Das ist mir allerdings durch
meine ehrenamtliche Arbeit bereits bekannt.
Welche Ehrenämter haben Sie denn zurzeit inne?
Ich bin seit 1996 Mitglied im Rat der Stadt Hannover und seit dieser Zeit auch im Aufsichtsrat
der Stadtwerke Hannover und dort Vorsitzender im Finanzausschuss. Das ist eine sehr
anspruchsvolle, intensive Tätigkeit, bei der ich viel über Unternehmensentwicklung gelernt
habe. Außerdem bin ich ehrenamtlicher Richter am Landessozialgericht NiedersachsenBremen und Mitglied im Kuratorium der Stiftung Marienwerder.
Sie engagieren sich also nicht nur auf einem Gebiet, sondern politisch, kirchlich und sozial.
Eine zufällige Entwicklung?
Nein, da stecken jeweils unterschiedliche Motivationen dahinter. Hinter den politischen
Ämtern und der Arbeit im Aufsichtsrat steckt mein Wille zur Gestaltung. Als Richter habe ich
die Möglichkeit, meine Erfahrung in die Rechtssprechung einzubringen. Und die Arbeit für
die Stiftung ist eine Tätigkeit für die örtliche Kirchengemeinde, zur Bewahrung der
Stadtteilidentität.
Die Ehrenämter und die Büroleitung haben Sie also schon ganz gut auf pro familia
vorbereitet, zumindest, was den administrativen Teil der Arbeit betrifft. Aber wie
unterscheiden sich die Themenfelder ihrer bisherigen und jetzigen Tätigkeit?
Auch die sind nicht so viel anders. Da Gerd Andres ein sehr profilierter Sozialpolitiker ist,
wurde ich als Büroleiter auch mit vielen sozialpolitischen Fragen konfrontiert und habe auch
Sozialberatung gemacht. Was die Themenfelder von pro familia angeht, darin muss man
sich wohlfühlen. Man darf keine Scheu haben, sich offen über Sexualität auszutauschen.
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Und ich merke, etwa bei Vorstellungsgesprächen, dass man das nicht bei jedem
voraussetzen kann. Ich persönlich fühle mich ausgesprochen wohl bei pro familia.
Warum? Was macht den Reiz dieser Arbeit aus?
Der Umgang mit Menschen. Wir haben tolle, unglaublich engagierte MitarbeiterInnen, die
zum Teil schon sehr lange dabei sind. Und es ist keine einfache sondern eine teilweise sehr
belastende Aufgabe, in der Beratung tätig zu sein. Man wird teils mit elementaren Nöten
konfrontiert, das ist schon eine besondere Herausforderung.
Sie sind seit August 2009 im Amt. Wie viel vom Landesverband haben Sie denn schon
kennengelernt und welche Erkenntnisse konnten Sie daraus ziehen?
Ich habe mit einer Bestandsaufnahme begonnen und in meinen ersten 100 Tagen alle 19 pro
familia Beratungsstellen in Niedersachsen besucht. Ich habe mich mit den Leiterinnen
unterhalten und mir die Räumlichkeiten angesehen. Ab April werden wir nun in eine
Dialogphase eintreten. Unter dem Stichwort „Freiräume“ wollen wir die Grundlagen des
Selbstverständnisses unserer Arbeit reflektieren: Inwieweit bestimmen und beeinflussen die
Standpunkte von pro familia unsere tägliche Arbeit? Außerdem soll über die
Arbeitsstrukturen des Verbandes insgesamt nachgedacht werden. Wie arbeiten wir
zusammen, wie kommunizieren wir? Das sind Punkte, die in den nächsten gut zwei Jahren
analysiert werden sollen.
Das hört sich nach viel frischem Wind an – oder aber nach viel notwendigem
Handlungsbedarf.
Wir sind ein erfolgreich arbeitender Verband mit hoher öffentlicher Anerkennung. Aber darauf
dürfen wir uns nicht einfach ausruhen. Wir müssen unsere Ansprüche in der täglichen Arbeit
verwirklichen, prüfen, ob unsere Arbeitsstrukturen diesen Ansprüchen entsprechen und den
Mut haben, Handlungsbedarf zu identifizieren. Wir dürfen nicht selbstzufrieden werden. Das
ist wie mit einem Auto, das regelmäßig zum TÜV muss, auch wenn alles gut läuft. Und sicher
spielt auch ein Stück weit der „frische Wind“ eine Rolle. Wir sind in der relativ einmaligen
Lage, eine neue Geschäftsführung und einen neuen Vorstand zu haben. Ein guter Zeitpunkt,
um Diskussionen anzustoßen und die MitarbeiterInnen zum Dialog einzuladen.
Wie sieht es bei den jüngeren Hilfesuchenden aus? Könnte man nicht meinen, dass in
unserer Medienwelt kaum noch Fragen zum Thema Sex offen bleiben? Wird pro familia da
überhaupt noch gebraucht?
Oh ja. Zum einen erfüllen wir ja mit der Schwangerschaftskonfliktberatung einen
gesetzlichen Auftrag. Zum anderen bin ich selbst immer wieder aufs Neue überrascht,
inwieweit ein Teil der Bevölkerung mit Sprachlosigkeit reagiert, was die eigene Sexualität
betrifft. Trotz Aufklärungsunterricht gibt es in vielen Fällen ein unausgegorenes Halbwissen.
Auf dem Schulhof wird kolportiert, dass man beim „ersten Mal“ nicht schwanger werden
kann. Zu Hause erfährt die Mutter, dass ihr Sohn schwul ist und fragt, „was sie dagegen tun
kann“. Das ist heute noch so wie vor 20, 30 Jahren. Durch die leichte Verfügbarkeit von
Pornografie im Internet, gibt es zudem ganz neue Fragestellungen.
Was müsste sich ändern? Ist es eher ein Problem der Gesellschaft oder der Erziehung?
Sowohl als auch, gesellschaftlich sind wir schon recht weit, es ist aber auch eine Frage der
Erziehung und der individuellen Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität. Wichtig ist,
ein Umfeld zu schaffen, ohne Angst vor Diskriminierung oder Ausgrenzung, die eigene
Sexualität akzeptieren und sich frei mit ihr auseinanderzusetzen zu können. Und das ist eine
fortdauernde Aufgabe.
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Wie wichtig ist es bei der Erfüllung einer solchen andauernden Aufgabe, den Paritätischen
Wohlfahrtsverband Niedersachsen als Spitzenverband zur Seite zu haben?
Die Vernetzung und Verbindung zum Verband ist uns sehr wichtig. Sie soll noch stärker
werden, nicht nur mit dem Paritätischen, sondern auch mit anderen Verbänden und
Organisationen. Wenn sich die Themen gut ergänzen, wollen wir entsprechende
Schnittmengen nutzen und mit anderen Verbänden Akzente setzen. Diese Vernetzung soll
zielgerichtet vorangebracht werden, und dabei spielt der Paritätische Wohlfahrtsverband
Niedersachsen eine wichtige Rolle.
Interview und Foto: Anika Falke, Der Paritätische Niedersachsen
Das Team der Landesgeschäftsstelle
Geschäftsführer: Andreas Bergen
Geschäftsstelle
Claudia Igney (Assistenz d. Geschäftsführung)
Birgit Lehmann-May (Sekretariat)
Claudia Holzki (Buchhaltung)
Katrin Strömer (Lohnbuchhaltung)
Petra Bannier (Verwaltung)
Hildegard Müller (Projektleiterin Sexualpädagogischer Arbeitskreis)
Silke Wendland (Projektleiterin „Liebe, Lust und Älterwerden“)
Von links nach rechts: Birgit Lehmann-May, Hildegard Müller, Claudia Igney, Silke
Wendland, Katrin Strömer, Petra Bannier, Claudia Holzki
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Sexualpädagogischer Arbeitskreis
Seit 1991 existiert der Sexualpädagogische Arbeitskreis beim pro familia Landesverband
Niedersachsen. Seit Juli 1996 ist die Diplom-Pädagogin Hildegard Müller Koordinatorin des
Sexualpädagogischen Arbeitskreises.
Zu ihren Aufgaben gehören u. a. die Organisation und Durchführung von Arbeitskreistreffen
für die pro familia SexualpädagogInnen, MultiplikatorInnenfortbildungen, Organisation und
Durchführung von Tagungen, Beratung und Information von MultiplikatorInnen, die Leitung
von aktuellen Projekten und die Vertretung des pro familia- Landesverbandes Niedersachsen
in Fachgremien.
Arbeitskreis Sexualpädagogik
In 2009 fanden drei Treffen statt. Der AK dient dem fachlichen Austausch und der
Erweiterung des fachlichen Wissens der teilnehmenden MitarbeiterInnen der 19
Beratungsstellen und 10 Außenstellen der pro familia Niedersachsen und ist auch
Informationsbörse für neue Medien und Materialien.
Die thematischen Schwerpunkte des AK 2009 waren:
•
Konzept „Elternschaft lernen
Entwicklung eines gemeinsamen Konzeptes der niedersächsischen pro familiaBeratungsstellen auf Basis der Arbeitsgrundlage der pro familia Beratungsstelle
Göttingen
•
Vermittlung von Informationen zur HPV-Impfung an Mädchen, jungen Frauen und
Eltern
Vorstellung des Informationspaketes zum Thema HPV („Runder Tisch Frauen- und
Mädchengesundheit der Region Hannover"), Referentinnen: Dr. Ute Sonntag von der
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Nds. e.V. (LVG
& AFS) mit dem Vortrag: " Was sind gute Gesundheitsinformationen?",
Dr. Frauke Gerhardt, Gynäkologin aus Bissendorf (Wedemark) mit dem Vortrag zum
Thema HPV, mit anschließender Diskussion
•
Auswertung der von den Beratungsstellen ausgefüllten Fragebögen zur
Sexualpädagogik (entwickelt von Kathrin Hettler, Koordinatorin für Sexualpädagogik
beim pro familia-Bundesverband)
Bei jedem Treffen wurden neue Methoden und Materialien der Sexualpädagogik vorgestellt.
Interne MitarbeiterInnen-Fortbildung
"Wie kann ich in einer multikulturellen Gruppe das Thema Homosexualität ansprechen und
kultursensibel mit dem Thema Homosexualität umgehen?" - Sensibilisierungs-Training zum
Thema Homosexualität, Schwerpunkt Kultursensibilität, 25.11.2009 von 10.30-16.30 in
Hannover, ReferentInnen: Ilka Borchardt, Familien- und Sozialverein des Lesben- und
Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) e.V. in Köln, Leiterin des Projektes
"Migrationsfamilien", Axel Blumenthal, Gesundheitsamt Hannover, Team Aids & STDBeratung
Netzwerk Frauen/Mädchen und Gesundheit Niedersachsen
Seit Sommer 2001 ist der pro familia-Landesverband Niedersachsen gemeinsam mit dem
Niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales und der Landesvereinigung
für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin, Träger des Netzwerkes.
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Fachtagung 2009
Das Netzwerk veranstaltete am 30.06.2009 in Hannover eine Fachtagung zum Thema
„Essstörungen im Zeitalter des Internets“. Essstörungen sind vielfach Antwortversuche auf
Entwicklungsaufgaben im Jugendalter: Identitätsfindung und Rollenbestimmung.
Essstörungen als Lösungsversuche pubertärer Probleme können zu schweren Erkrankungen
führen und lebensbedrohlich sein. Mit dieser Fachtagung hat das Netzwerk zum einen auf
die Gefahren des Internets bei der Entwicklung von Essstörungen aufmerksam gemacht,
zum anderen aber auch die Chancen für Lern- und Identitätsprozesse durch die virtuelle
Welt aufgezeigt. Die Schwerpunktthemen der Tagung sind im Rundbrief Nr. 27/ Dezember
2009 dokumentiert.
Rundbrief
Im Oktober 2009 ist der Rundbrief Nr. 26 mit dem Schwerpunktthema ungewollte und
gewollte Kinderlosigkeit erschienen. Aufgrund der Vielseitigkeit dieses Themas konnte der
Focus nur auf ausgewählte Aspekte gelegt werden.
Im Dezember 2009 erschien der bereits erwähnte Rundbrief 27 mit dem Schwerpunkt „
Essstörungen im Zeitalter des Internets“ Dokumentation der Tagung am 10.09.2009 in
Hannover. Beide Rundbriefe stehen auch als Pdf-Version zum Download auf den Seiten der
LVG-AfG zur Verfügung.
Fachausschuss Onlineberatung
Hildegard Müller ist Mitglied des Fachausschusses Onlineberatung des pro familiaBundesverbandes
www.sexundso.de
Die Online-Beratung des pro familia-Landesverbandes Niedersachsen
Mädchen und Jungen tun sich eher schwer, eine Beratungsstelle aufzusuchen, aber auch sie
haben viele Fragen rund um die Themen Schwangerschaft, Beziehung/Lebensberatung,
Sexualaufklärung und Verhütung. Diesem Bedarf kommt die virtuelle Online-Beratungsstelle
Sexundso seit 2001 erfolgreich entgegen. Sie ist ein Bestandteil des Sexualpädagogischen
Arbeitskreises. Im Jahr 2009 wurden 2871 Online-Beratungen durchgeführt.
Die pro familia Mitarbeiterinnen Birte Lutz, Ute Wiese-Hast, Susanne Koch, Corinna HeiderTreybig und Hildegard Müller (Leitung) beantworteten die 76% Anfragen von
Mädchen/Frauen und die Kollegen Ulf Gronau, Hermann Niehuis-Schwiertz und Antonius
Geers die 24% Anfragen, die von Jungen gestellt wurden. Die Ärztin Gesa Kaufholz berät
das Team bei medizinischen Fragestellungen.
Sexundso ist vornehmlich ein Angebot für Mädchen und Jungen, wobei sich der Anteil von
Erwachsenen durch den Zugang (Gateway) über www.profamilia.de erhöht hat.
Wir haben uns bewusst für die zeitversetzte E-Mail-Beratung entschieden. Die
Ratsuchenden können ihre Fragen jederzeit stellen und müssen nicht auf einen Chattermin
warten. Bereits das Schreiben kann erste therapeutische Wirkungen haben und sie erhalten
baldmöglichst Antwort. Es kann fundiert beraten werden, ohne den Druck - wie in der
zeitgleichen Chatberatung - sofort antworten zu müssen.
Möglichkeiten im Vergleich zur face-to-face-Beratung
Gerade für Jugendliche bildet die Online-Beratung durch ihre Anonymität ein
niedrigschwelliges Angebot, um auch hoch scham- und angstbesetzte Anliegen wie z.B. zu
Sexualität, Gewalterfahrungen oder psychischen Problemen zu äußern und sich Hilfe zu
holen. Sie kann auch in akuten Krisensituationen - wie z.B. suizidalen Gedanken - sofort in
Anspruch genommen werden und ist damit häufig erste Anlaufstelle und strukturbildendes
Element, wobei hier immer auch eine persönliche Begleitung vor Ort anvisiert werden sollte.
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Online-Beratung ermöglicht den Ratsuchenden ein hohes Maß an Kontrolle über das, was
sie von sich offenbaren, wann und wie oft sie schreiben und wie lange sie in Kontakt bleiben.
Sie erhalten in relativ kurzer Zeit eine Antwort.
Diese bietet ein erstes Kennenlernen der BeraterInnentätigkeit und die Erfahrung einer
lösungs- und ressourcenorientierten Sichtweise, so dass die Ratsuchenden sich in Zukunft
vielleicht eher trauen, auch eine face-to-face-Beratung in Anspruch zu nehmen.
Grenzen im Vergleich zur face-to-face-Beratung
Die technischen Voraussetzungen und der sichere Umgang damit müssen sowohl bei den
Ratsuchenden als auch bei den BeraterInnen vorhanden sein.
Der rein textbasierten E-Mail-Beratung fehlen viele Kommunikationskanäle wie Stimme,
Tonlage, Mimik, Gestik, Körperhaltung, Aussehen, Geruch, Bewegung, Blickkontakt,
Berührung. Missverständnisse, Projektionen und Gegenübertragungsmechanismen sind so
schwerer erkenn- und relativierbar. Das kann in akuten Krisensituationen der Ratsuchenden,
wie z.B. Suizidgedanken, den Handlungsdruck der BeraterInnen erhöhen: „Ich muss jetzt
unbedingt sofort helfen“ oder z.B. Omnipotenzgefühle fördern: „Nur ich kann der KlientIn
helfen“.
Bestimmte therapeutische Interventionen - wie z.B. paradoxe Intervention oder Konfrontation
- können grundsätzlich nicht oder nur begrenzt angewendet werden, da die/der BeraterIn
keine Kontrolle über deren Wirkung hat. Sie/er erhält selten (direkte) Rückmeldung.
Manchmal entstehen auch Zweifel über die Richtigkeit der Angaben bezüglich Alter,
Geschlecht oder Problemschilderung. Dennoch gilt es, die Ratsuchenden ernst zu nehmen
und empathisch zu antworten, entsprechend dem Grundsatz: „Jede/r Ratsuchende hat einen
wichtigen Grund, dass sie/er so schreibt wie sie/er schreibt“.
Ausblick
Die Erfahrungen in 9 Jahren Sexundso-Online-Beratung zeigen, dass Online-Beratung keine
Konkurrenz zur face-to-face-Beratung bildet, sondern eine Ergänzung. Es werden auch
Mädchen/Frauen und Jungen/Männer erreicht, die sich sonst kaum trauen würden,
professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Viele Lösungswege lassen sich bereits online
entwickeln.
Online-Beratung ergänzt nicht nur andere institutionelle Angebote, sondern ermöglicht häufig
erst den Zugang zu ihnen.
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Arbeitsbereich „Liebe, Lust und Älterwerden“
„Liebe, Lust und Älterwerden“ ist innerhalb des pro familia-Landesverbandes Niedersachsen
ein vergleichsweise junger Arbeitsbereich, der sich dem Themenbereich Liebe, Partnerschaft
und Sexualität im Alter widmet. Im Oktober 2007 als befristetes Projekt gestartet, konnte er
2009 in die Regelarbeit des Landesverbandes überführt werden. Koordinatorin ist die
Diplom-Pädagogin Silke Wendland.
In einem vom Jugendideal geprägten Klima, in dem die Akzeptanz von Erotik und Sexualität
im höheren Lebensalter noch längst nicht zum gesellschaftlichen Konsens gehört, hat sich
der Landesverband mit dem Arbeitsbereich „Liebe, Lust und Älterwerden“ zwei
übergeordnete Ziele gesetzt:
1. Älteren Menschen eine Plattform zu bieten, über ihre Wünsche und Probleme sprechen
zu können und den für sie passenden Umgang mit ihrem Körper, ihrer Lust und
Sexualität zu finden.
2. Langfristig zu einer Sensibilisierung der Gesellschaft für die sexuellen Bedürfnisse und
Rechte älterer Frauen und Männer beizutragen und einer sexuellen Altersdiskriminierung
entgegenzuwirken.
Zur Verwirklichung dieser Ziele arbeiten die Beratungsstellen des Landesverbandes, die
Koordinierungsstelle und die AG „Liebe, Lust und Älterwerden“ seit Beginn des Projektes
gemeinsam daran, ein themenbezogenes Dienstleistungsangebot zu entwickeln und
aufzubauen.
Die spezifischen Angebote richten sich nicht nur an Frauen, Männer und Paare ab ca. 60
Jahren, sondern auch an deren Angehörige und Familienmitglieder, Gruppen sowie
Beschäftigte in der Altenhilfe.
Ein wichtiger Baustein der Arbeit zum Thema Sexualität und Älterwerden ist der Ausbau und
die Weiterentwicklung der für pro familia charakteristischen psychosozialen Beratung vor Ort
in Form von Einzelfallhilfe im Sinne der Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Hierzu gehören
Sexual- und Partnerschaftsberatung, Unterstützung in Lebenskrisen sowie Hilfen in
schwierigen Lebenssituationen.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden seit Beginn des Projektes „Liebe, Lust und
Älterwerden“ hierfür weitergebildet und fachlich qualifiziert. Auch in 2009 fand eine interne
eintägige Fortbildung zum Thema Sexualität und Älterwerden statt.
Zur Unterstützung der Sexual- und Paarberatungsarbeit mit älteren Menschen wurden
darüber hinaus in 2009 alle 19 Beratungsstellen und 10 Außenstellen des Landesverbandes
mit einem so genannten „Erotikkoffer“ ausgestattet, der Anschauungs- und wichtiges
Informationsmaterial für die Praxis enthält.
Ein anderer wichtiger Schwerpunkt von „Liebe, Lust und Älterwerden“ ist das Angebot von
Vorträgen, Informationsnachmittagen und anderen themenbezogenen Veranstaltungen für
interessierte Gruppen, die sich mit dem Älterwerden auseinandersetzen.
Durch die enge Zusammenarbeit von pro familia-Beratungsstellen, Koordinierungsstelle und
verschiedenen Kooperationspartnern vor Ort konnte 2009 eine Reihe thematischer
Veranstaltungen verwirklicht werden. Auf eine Auswahl hiervon wird im Folgenden näher
eingegangen:
• Anlässlich des „Internationalen Tags der älteren Menschen“ am 1. Oktober fanden
über
Niedersachsen
verteilt
sehr
unterschiedliche
Aktionen
statt:
Telefonsprechstunden zum Thema Liebe und Sexualität im Alter, ein Info-Café,
thematisch gestaltete Schaufenster und Büchertische sowie verschiedene Artikel in
den lokalen Zeitungen.
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•
Im November unterstützten BeraterInnen des pro familia-Landesverband Nds. eine
Telefonberatungsaktion des Radiosenders NDR 1 in Hannover zu dem Thema
„Neuer Schwung in alter Beziehung“.
•
Über das Jahr verteilt fanden mehrere Kombi-Veranstaltungen statt, die jeweils aus
1. einem thematischen Vortrag („Ältere Frauen und Sexualität“ oder „Liebe,
Partnerschaft und Sexualität in der zweiten Lebenshälfte“) und
2. einer Filmvorführung („Elsa & Fred“ oder „Wolke 9“) bestanden.
(Weitere und detailliertere
Beratungsstellen.)
Beschreibungen
finden
sich
bei
den
Berichten
der
2009 konnten viele Kontakte zu neuen Kooperationspartnern (u.a. zu Einrichtungen der
offenen Altenhilfe) geknüpft und bestehende weiter ausgebaut werden. Insgesamt hat die
Arbeit des pro familia-Landesverbandes Niedersachsen in diesem Jahr zum Thema „Liebe,
Lust und Älterwerden“ in der Öffentlichkeit sehr viel positive Resonanz und Aufmerksamkeit
erfahren.
15
pro familiaBeratungsstellen in Niedersachsen
16
Arbeitsbereiche der pro familia-Beratungsstellen
Alle pro familia-Beratungsstellen in Deutschland und ebenso im Landesverband
Niedersachsen arbeiten in den Bereichen Familienplanung, Sexualpädagogik und
Sexualberatung. Die Größe der regionalen Einzugsbereiche und somit auch die Anzahl der
Beratungen sind unterschiedlich. Auch die Anzahl und interdisziplinäre Vielfalt der
MitarbeiterInnen in den Beratungsstellen – und somit die Möglichkeiten spezifischer
Angebote - können variieren.
Je nach Teamzusammensetzung gibt es folgende Angebote:
Schwangerschaft und Geburt
• Beratung vor, während und nach einer Schwangerschaft
• Informationen zu sozialen, finanziellen und gesetzlichen Hilfen: Mutterschutz,
Mutterschaftsgeld, Kindergeld, Elterngeld, Elternzeit, Wohngeld, Arbeitslosengeld I
und II und Unterhalt
• Antragstellung bei der Bundesstiftung „Mutter und Kind“ und „Familie in Not“ und
weiteren Stiftungen
• Beratung und Angebote für junge Schwangere und Mütter
• Beratung bei Partnerproblemen während der Schwangerschaft oder nach der Geburt
• Beratung zu Methoden der vorgeburtlichen Untersuchung (Pränataldiagnostik)
• Beratung bei ungewollter Kinderlosigkeit
• Schuldnerinnenberatung für Schwangere
Schwangerschaftskonflikt
• Unterstützung und Beratung im Schwangerschaftskonflikt
• Gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung nach §§ 218/ 219
StGB
• Informationen zu sozialen, finanziellen und gesetzlichen Hilfen
• Information zum Schwangerschaftsabbruch (Rechtliche und medizinische
Informationen, Kosten)
• Beratung nach einem Schwangerschaftsabbruch
Familienplanung und Gesundheit
• Beratung und Information zu allen Verhütungsmitteln und -methoden
• Beratung zur nachträglichen Verhütung („Pille danach“ und „Spirale danach“)
• Beratung zur Sterilisation
• Beratung zu gesundheitlichen Fragen: HIV/ Aids und andere sexuell übertragbare
Krankheiten
Sexualpädagogik
• Schulische und außerschulische Veranstaltungen zu Themen wie Freundschaft,
Liebe, Sexualität, Verhütung, HIV/ Aids und weiteren Geschlechtskrankheiten, unter
Berücksichtigung kulturell geprägter Aspekte von Sexualität, Geschlechterrolle und
der Geschlechterbeziehung
• Sexualpädagogische Veranstaltungen für Menschen mit Behinderungen, deren
Angehörige und MitarbeiterInnen von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen
• Fortbildungsveranstaltungen für MultiplikatorInnen: ErzieherInnen, LehrerInnen,
SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen
• Veranstaltungen für interessierte Erwachsene zu sexualpädagogischen Themen, z.B.
Elternabende/ Veranstaltungen für Eltern zu sexualpädagogischen Themen
• Verleih
von
Fachbüchern
und
sexualpädagogischen
Materialien
(z.B.
Verhütungsmittelkoffer)
• Sexualpädagogische Projekte wie z.B. „Elternschaft lernen“
• Online-Beratung unter www.sexundso.de
17
Sexual- und Partnerschaftsberatung
• Beratung bei partnerschaftlichen und psychosozialen Konflikten
• Beratung bei sexuellen Problemen und Funktionsstörungen
• Beratung bei sexualisierter Gewalt
• Beratung bei Fragen zur sexuellen Orientierung
• Beratung in Konflikten bei Trennung und Scheidung
• Beratung zu Sexualität in allen Lebensphasen
• Beratung für Menschen mit Behinderungen für eine selbstbestimmte Sexualität
• Beratung zu rechtlichen und therapeutischen Möglichkeiten
Beratungs-Statistik
Beratungsstellen
(mit Außenstellen)
Braunschweig
Cuxhaven
Emden
Goslar
Göttingen
Hannover
Helmstedt
Holzminden
Lüneburg
Oldenburg
Osnabrück
Peine
Salzgitter
Soltau
Stade
Uelzen
Wilhelmshaven
Wolfenbüttel
Wolfsburg
Gesamt
Beratungsfälle
2.474
692
1.315
515
3.030
2.619
375
683
865
1.558
2.439
909
1.028
877
1.412
504
1.594
631
1.380
Beratungen
§ 5 + 6 SchKG
469
110
244
118
598
543
62
89
221
345
725
145
106
216
264
135
197
131
281
Beratungen
§ 2 SchKG
1.867
460
760
356
2.235
1.686
275
566
443
947
1.305
650
714
565
1.032
310
1.091
439
994
Gruppenberatungen
138
122
311
41
197
390
38
28
201
266
409
114
208
96
116
59
306
61
105
24.900
4.999
16.695
3.206
Ein „Beratungsfall“ in der Statistik bedeutet ein Rat suchender Mensch (oder ein Paar),
der/das sich an eine der Beratungsstellen wendet, oder in der Gruppenberatung eine
Schulklasse, eine LehrerInnengruppe etc., die an den sexualpädagogischen Angeboten und
Veranstaltungen für Multiplikatoren teilgenommen haben. Wird die Gruppengröße auf
durchschnittlich ca. 15 Personen geschätzt, so ergibt dies ca. 70.000 Menschen, die mit
diesen Kernangeboten der pro familia in Niedersachsen erreicht wurden.
18
Manchmal genügt ein einziges Beratungsgespräch, um das Anliegen zu klären. Oft sind aber
auch mehrere Gespräche notwendig. Werden alle Beratungsgespräche gezählt und neben
den gesetzlichen Aufgaben und Gruppenberatungen auch die Allgemeinen Ehe-, Familienund Lebensberatungen mitgezählt, so ergeben sich:
21.625
5.022
3.245
2.955
Beratungen gem. § 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz
Beratungen gem. § 5 und § 6 SchKG
Gruppenberatungen (Schulklassen-, Multiplikatorenarbeit)
Allg. Ehe-, Familien- und Lebensberatungen
(zu den gesetzlichen Aufgaben gemäß Schwangerschaftskonfliktgesetz siehe Anlage)
Gemeinsam und vielfältig
Unsere Beratungsstellen haben gemeinsame Aufgaben – und gleichzeitig ein je eigenes
Profil, regionale Vernetzungen, Projekte, Veranstaltungen …
Nachfolgend gibt jede Beratungsstelle einen Einblick in die Schwerpunkte ihrer Arbeit und
die Höhepunkte des Jahres 2009.
19
Entwicklungen und Highlights 2009
pro familia Beratungsstelle Braunschweig
In der pro familia-Beratungsstelle Braunschweig belegen die statistischen Daten, dass
Beratungen und sexualpädagogische Veranstaltungen in großer Vielzahl angefragt werden
und auch einen Zuwachs zu dem Jahr 2008 erfahren haben.
Die MitarbeiterInnen im sexualpädagogischen Arbeitsbereich haben ihre Konzepte in den
letzten Jahren den Bedürfnissen und den gesellschaftlichen Bedingungen angepasst. Wir
bieten ein auf jede Altersgruppe und Schulform zugeschnittenes Konzept, arbeiten
geschlechtsspezifisch und können flexibel auf besondere Anfragen reagieren. Das hat in den
vergangenen Jahren die Nachfrage nach diesem Angebot kontinuierlich erhöht.
Deutlich erhöht haben sich die Beratungszahlen in der Einzel-, Paar- und Sexualberatung.
Wir stellen fest, dass die Bereitschaft, sich in einer krisenhaften Situation Unterstützung zu
holen, zunimmt. Trotz Erhöhung der Stunden für dieses Beratungsangebot in 2006, können
wir inzwischen nicht bei jeder Anfrage zeitnah Termine anbieten.
Die Beratungen im Bereich Schwangerschaftskonfliktberatung sind seit Jahren rückläufig.
Das entspricht dem Bundestrend.
In der Schwangerenberatung verzeichnen wir steigende Tendenz. Unser Anspruch, den
Schwangeren einen sehr umfassenden Überblick über ihre rechtlichen und finanziellen
Ansprüche zu geben, zahlt sich durch eine erhöhte Nachfrage aus.
Besondere Themen und Angebote der pro familia Beratungsstelle im Jahr 2009
Liebe, Lust und Älterwerden - Beratungsangebote für Menschen ab 60
Bis zum Jahre 2050 wird jeder dritte Mensch in der Bundesrepublik über 60 Jahre alt sein.
Demnach wächst hier eine Bevölkerungsgruppe heran, die eine Veränderung in den
Angebotsprofilen aller sozialen Einrichtungen erfordert.
Im Hinblick auf die pro familia bedeutet dies, dass wir älteren Menschen ein differenziertes
und auf ihre Lebenswirklichkeit abgestimmtes Beratungsprofil anbieten möchten. Der pro
familia-Landesverband Niedersachsen hat es sich daher unter dem Arbeitstitel „Liebe, Lust
und Älterwerden“ zum Ziel gemacht, seine bestehenden Angebote für ältere Menschen zu
verbessern und zu erweitern, um so dem demographischen Wandel Rechnung zu tragen.
Den zentralen Themen der pro familia entsprechend gehört dazu insbesondere die
Auseinandersetzung mit den Themen Liebe, Partnerschaft und Sexualität.
pro familia möchte ältere Menschen ermutigen, über ihre Wünsche und Probleme zu
sprechen, ihrem Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit Raum zu geben und den für sie
passenden Umgang mit ihrem Körper, ihrer Lust und Sexualität zu finden. Zu allen Fragen
rund um die Themen Liebe, Partnerschaft und Sexualität im Alter finden Frauen und Männer,
Paare, Angehörige und Beschäftigte aus der Altenarbeit und -pflege fachlich kompetenten
und menschlichen Rat.
Ein besonderes Angebot unserer Beratungsstelle fand am 1. Oktober 2009 statt: Eine
Telefonsprechstunde für ältere Menschen zum Thema „Liebe, Lust und Älterwerden“. Das
Datum wurde bewusst gewählt. Im Jahre 1990 erklärte die Generalversammlung der
Vereinten Nationen den 1. Oktober zum Internationalen Tag der älteren Menschen.
Prinzipiell geht es dabei um die Einbeziehung der Dimension des Alterns in alle politischen
und gesellschaftlichen Bereiche, um dem demographischen Wandel gerecht zu werden.
20
Im Rahmen der Telefonsprechstunde hatten die Ratsuchenden Gelegenheit, sich von
Fachkräften unserer Beratungsstelle zu allen Fragen rund um die Themen Liebe,
Partnerschaft und Sexualität anonym beraten zu lassen. Dieses sehr niedrigschwellige
Angebot wurde gut angenommen. Innerhalb der vierstündigen Sprechzeit konnten 23
Telefonberatungen durchgeführt werden. Die Altersspanne der AnruferInnen reichte von 40
bis 82 Jahren. Ein Themenschwerpunkt männlicher Anrufer war die Problematik der
Erektionsstörungen; weibliche Ratsuchende stellten häufig Fragen zu allgemeinen
Erregungsstörungen und den Wechseljahren. Auch wurde die Auswirkung von
Medikamenten und Krankheiten auf die sexuellen Funktionen thematisiert, sowie die
Problematik, als älterer Mensch keinen geeigneten Partner mehr zu finden und mit dem
Alleinsein umgehen zu müssen.
Insgesamt zeigte die Telefonsprechstunde, dass viele ältere Menschen sexuell noch aktiv
sind und es einen breiten Beratungsbedarf gibt. Die Ratsuchenden haben uns gegenüber in
den Gesprächen mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie diese unkomplizierte
Beratungsmöglichkeit für sehr sinnvoll halten. Auf diesem Hintergrund planen wir langfristig,
eine solche Telefonsprechstunde in unser Dienstleistungsangebot aufzunehmen und
regelmäßig anzubieten.
Schuldnerberatung für Schwangere
Aus der Beratungspraxis mit schwangeren Frauen konnten wir die Erkenntnis ziehen, dass
manche Frauen in einer wirtschaftlich sehr problematischen Situation stecken und sich nicht
in der Lage sehen, ihre finanziellen Probleme alleine zu lösen. Viele dieser Frauen haben
das Bedürfnis, ihre finanziellen Angelegenheiten möglichst noch vor der Geburt des Kindes
zu regeln. Danach steht das geborene Kind oft ganz im Vordergrund und es fehlt die Zeit,
sich auch noch mit finanziellen Dingen zu beschäftigen.
Auf dem Hintergrund dieser Ausgangslage entstand zusammen mit dem Leiter der
Braunschweiger Schuldnerberatungsstelle des DRK die Idee, betroffenen schwangeren
Frauen einen schnellen, unkomplizierten und kostenlosen Zugang zur Schuldnerberatung zu
ermöglichen. Die Beratungen sollten dort stattfinden, wo schwangere Frauen auch andere
Hilfen in Anspruch nehmen können.
Im Mai 2009 wurde dieses Projekt realisiert, alle 14 Tage kommt eine Mitarbeiterin der
Schuldnerberatung für zwei Stunden in unsere Beratungsstelle, um die schwangeren Frauen
bei der Bewältigung der finanziellen Problematik zu unterstützen.
Die Beratungsinhalte sind dabei außerordentlich vielfältig: Vom einfachen Haushaltsplan
über den Umgang mit Gläubigern oder Inkassounternehmen bis zum komplexen
Insolvenzverfahren bzw. anderen Schuldenregulierungsmöglichkeiten - bei allen Themen
finden die betroffenen Frauen Rat und Unterstützung. So können Briefe an Gläubiger
aufgesetzt werden, um Forderungen ruhend zu stellen, um Ratenzahlungen zu vereinbaren
oder bestehende Ratenzahlungen zu verändern. Hilfe können Frauen auch im Umgang mit
Gerichtsvollziehern auf dem Hintergrund des Mahn- und Vollstreckungswesens erwarten und
allgemein im Hinblick auf die Kontaktaufnahme zu Behörden und anderen Institutionen.
Das Angebot der Schuldnerberatung für Schwangere wurde bislang gut angenommen. Wenn
sich zeigt, dass der Beratungsbedarf in dem bisherigen Umfang bestehen bleibt, wird dieses
spezielle Beratungsangebot dauerhaft aufrechterhalten.
Beratung junger Frauen (unter 25 Jahre) und Teens plus Babys- Gruppe
Seit Einführung von Hartz IV gestaltet sich die Situation für Schwangere unter 25 Jahren
immer schwieriger, so dass eine Beratung häufig über einen längeren Zeitraum und
mehrfach nötig ist.
21
Bereits in der Schwangerschaft treten Probleme mit der Arge auf, die die jungen Frauen
meist nicht ohne Unterstützung bewältigen können.
Zum Beispiel
• werden von der Arge Anträge mit Hinweis auf Unterhaltspflicht der Eltern nicht
angenommen. Der Paragraph 9 SGB II Abs.3 wird dabei nicht berücksichtigt.
Dieser besagt, dass Eltern für ihr schwangeres Kind bis zur Vollendung des
sechsten Lebensjahres ihres Enkelkindes nicht unterhaltsverpflichtet sind.
• entstehen auch Schwierigkeiten, wenn junge Frauen aus der elterlichen
Wohnung aufgrund der Schwangerschaft ausziehen möchten/müssen. Häufig
wird der Antrag auf eine eigene Wohnung nach Einlegen von Widerspruch
oder erst kurz vor der Geburt bewilligt.
• werden einmalige Leistungen der Mutter und Kind- Stiftung zur
Babyerstausstattung und Umstandskleidung zum Teil auf Hilfe zum
Lebensunterhalt angerechnet oder nicht gewährt.
• kommen lange Bearbeitungszeiten von 6 bis 8 Wochen und mehr
erschwerend hinzu.
Ziel unserer Arbeit ist es, sie in ihrer neuen Lebenssituation als werdende Mutter zu
begleiten, indem sie lernen Verantwortung zu übernehmen, um die nötigen Schritte wie z.B.
Ämtergänge alleine zu bewältigen. Darüber hinaus vermitteln wir den Kontakt zu anderen
Hilfsangeboten wie zum Beispiel den Familienhebammen, die die jungen Frauen bis zum
ersten Lebensjahr des Kindes in allen Fragen zum Kind und zum Lebensalltag unterstützen.
Seit Frühjahr 2004 wird in Kooperation mit dem Haus der Familie gGmbH und dem
Mädchencafe LUZIE/JZ Mühle die „Teens plus Babys“- Gruppe für junge Schwangere und
Mütter bis 21 Jahre angeboten.
Ziel dieses Projektes ist es, die jungen Frauen in ihrer Persönlichkeit, in ihren Fähigkeiten
und in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken, eine positive Mutter-Kind-Interaktion zu
fördern, Unterstützung bei ihrer individuellen Lebensplanung zu geben und auch über
gesundheitliche Aspekte im Hinblick auf Schwangerschaft, Geburt und kindlicher
Entwicklung aufzuklären. Für die jungen Mütter ist die Teilnahme an diesem kontinuierlich
stattfindenden Gruppenangebot kostenlos. Der Kontakt wird häufig über die sozialrechtliche
Beratung hergestellt. In mehreren Beratungsstunden wird die notwendige Beziehungsarbeit
geleistet, um die Schwellenangst zur Gruppenteilnahme zu nehmen. Es zeigte sich, dass die
jungen Frauen auch noch lange Zeit nach der Geburt die Unterstützung der Gruppenleitung
wie eine „offene Sprechstunde“ nutzen. Seit Oktober 2008 wird die Teens plus BabysGruppe von der Sozialpädagogin im Anerkennungsjahr Kristina Schmitz geleitet.
22
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Braunschweig
Von links nach rechts:
Kristina Schmitz, Elke Dirks, Dr.Almut Wollschläger -Reiche, Ute Ahrens (hinten), Karolin
Scheer (vorne), Uwe Niehus (hinten),Ursula Bartels, Dr. Christoph Pelster, Sigrid Korfhage
23
pro familia- Beratungsstelle Cuxhaven
(mit der Außenstelle Bad Bederkesa)
40 Jahre pro familia Cuxhaven
Das Jahr 2009 begann mit einem großartigen Jubiläum. Unsere Beratungsstelle feierte ihren
40.Geburtstag und das war für uns Grund genug, mit zahlreichen Gästen zu feiern. Wir
bekamen sowohl von der Stadt als auch dem Landkreis Cuxhaven viel Lob und Zuspruch für
unsere Arbeit. Das hat uns gut getan und wir werden weiterhin motiviert arbeiten. Unsere
Beratungszahlen steigen jährlich und wir sind uns sicher, auf dem richtigen Weg zu sein.
Wir freuen uns auf den nächsten runden Geburtstag, den wir dann mit unserem neuen
Landesgeschäftsführer Herrn Bergen feiern werden.
Mitmachparcours in Bad Bederkesa
Im September fand in Bad Bederkesa der Mitmachparcours der BzgA an zwei Tagen statt.
Im Vorwege bekamen alle teilnehmenden Institutionen durch Herrn Titt (BzgA) eine intensive
Schulung. Der Parcours wird von den SchülerInnen mit sehr viel Engagement angenommen.
Er bietet zudem eine gute Möglichkeit, sich als Beratungsstelle mit dem Gesundheitsamt,
SchulsozialarbeiterInnen, LehrerInnen, der AOK und der Jugendhilfestation weiter zu
vernetzen und ermöglicht eine gründlichere Einsicht in deren Tätigkeitsfelder.
Die Bereitschaft, sowohl von SchülerInnen als auch von PädagoInnen, sich Unterstützung in
unserer Beratungsstellen zu holen wächst, wenn man ein Gesicht damit verbinden kann und
bereits Kontakt hatte. Nach zwei Tagen mit 15 Schulklassen weiß man allerdings auch, was
man getan hat.
Weltaidstag am 1.12.2009
Zum Weltaidstag am 01.Dezember wird in jedem Jahr eine Veranstaltung angeboten. So
waren wir beispielsweise in einer Discothek, hatten einen Infostand im Realkauf und
machten Werbung in der Innenstadt.
In diesem Jahr organisierten wir in enger Kooperation mit Frau Scheil-Goeman
(Gesundheitsamt) die Jugendfilmtage. Diese fanden großen Zuspruch bei den SchülerInnen
aus Stadt und Landkreis Cuxhaven.
Projekte in Cuxhaven
Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen (manchmal) sehr…
So lautet das Thema des neuen Projekts, welches durch die pro familia-Beratungsstelle in
Cuxhaven 2009 erstmalig den Schulen der Stadt und des Landkreises angeboten wurde.
Ziel war es, ein Projekt anzubieten, welches sich ganzheitlich mit der Situation von Familien
heute beschäftigt, dabei den gesellschaftlichen Wandel berücksichtigt und den Jugendlichen
so Informationen zur Verfügung stellt, um zu einer realistischen und informierten
Lebensplanung zu gelangen. Es geht also um Lebenskompetenzförderung und eine
frühzeitige Auseinandersetzung mit den eigenen Lebenszielen.
In zwei kleinen Gruppen beschäftigen sich Schüler und Schülerinnen der 9. und 10. Klasse
mit diversen Themen rund um Schwangerschaft, Geburt, Familie und Lebensplanung. Die
SchülerInnen sollen dazu eingeladen werden, sich diesem meist noch neuen Themenfeld zu
widmen, eigene Standpunkte zu finden, darüber in Austausch mit den Mitschülern zu gehen
und viel Neues z.B. über die frühkindliche Entwicklung zu erfahren.
So soll ein umfassendes Bild vermittelt werden, was es heute bedeutet, eine Familie zu
gründen, auf welche Hilfesysteme diese hoffen können, aber auch, welche Alternativen es zu
einer besonders frühen Schwangerschaft gibt.
Erfreulicherweise fand das Projekt eine gute Resonanz, so dass bereits mehrere Klassen
einen Vormittag mit der Hebamme Susanne Arzenheimer und der Sozialarbeiterin Daniela
Diehl vom Team der profa Cuxhaven verbringen konnten.
24
Pfandboxen
Auch unsere Beratungsstelle beteiligte sich an dem Projekt Pfandtastisch helfen, das pro
familia in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein der "Sozialhelden" in Supermärkten
startete. Zunächst kam es zu einer Kooperation mit einem Edeka Aktiv Markt in
Cuxhaven/Stadt, in dem die orangenen Pfandboxen einen Platz fanden. KundInnen können
dort ihren Pfandbon einwerfen, anstatt diesen an der Kasse einzulösen. Einmal monatlich
werden diese dann von unseren MitarbeiterInnen geleert. Die Aktion läuft dort sehr
erfolgreich so dass wir bereits eine Spende von rund 500 Euro verzeichnen konnten, die wir
für die sexualpädagogische Jugendarbeit in Stadt und Landkreis Cuxhaven einsetzen und
von der wir beispielsweise ein anatomisches Modell anschaffen konnten.
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Cuxhaven
Von links nach rechts:
Sabine Damm, Daniela Diehl, Lothar Kleinschmidt, Ira Großmann-Berger
Foto: M. Wehr
25
Pro familia-Beratungsstelle Emden
(mit der Außenstelle Leer)
Arbeitsschwerpunkte
Psychosoziale Einzelberatung
Ehe- und Paarberatung
Familienberatung
Sexualberatung
Beratung zur Familienplanung
Beratung zu finanziellen Hilfen in der
Schwangerschaft
Schwangerschaftskonfliktberatung
Beratung und Therapie für traumatisierte
Menschen
Sexualpädagogische Beratung für
Schulklassen, Jugendgruppen und
Menschen mit Behinderungen
Geburtsvorbereitungskurs
„Auf Kurs - Schwangerschaft (er)leben“
FuN – Baby Mütter/Eltern - Kind Kurs
Projekt „Elternschaft lernen“
Fortbildungen, Fachberatungen und
Supervision für MultiplikatorInnen
Öffentlichkeitsarbeit
Vorstellung einzelner Arbeitsschwerpunkte
Sexualpädagogische Beratung für Schulklassen, Jugendgruppen und Menschen mit
Behinderungen
2009 war es uns wieder möglich, ein neues sexualpädagogisches Projekt in Kooperation mit
der Fachhochschule Emden, Fachbereich „Soziale Arbeit und Gesundheit“ zu gestalten. Hier
hatten wir die Möglichkeit, das Projekt „Gesundheitsberatung und -pädagogik“ im
Gesundheitsbereich der hiesigen Fachhochschule einzubinden. Das Projekt umfasst zwei
Semester und wir konnten 7 Studierende gewinnen.
An den Gruppenveranstaltungen der pro familia Beratungsstelle Emden zu den Themen:
Schwangerschaft und Geburt, Sexualität und Verhütung, Gynäkologe/ Urologe,
Geschlechtskrankheiten und AIDS, Pubertät und körperliche Entwicklung, Freundschaft und
Liebe, Partnerschaft und Sexualität, §219 StGB, Selbstbefriedigung, sexuelle
Unsicherheiten, „Das erste Mal“, Homosexualität, sexuelle Praktiken, weibliche und
männliche Sexualität, Behinderung und Sexualität, Arbeit und Angebote der pro familia
beteiligten sich Schulklassen, Jugendgruppen, Studentengruppen, Konfirmandengruppen,
der Geburtsvorbereitungskurs, Erwachsenengruppen, das Projekt „Durch dick und dünn“
Fachdienst Jugendförderung der Stadt Emden, das Projekt „Elternschaft erlernen“ und das
Projekt „LoveLife“.
Geburtsvorbereitungskurs „Auf Kurs - Schwangerschaft (er)leben“
Seit 2006 finden in der pro familia Beratungsstelle Emden zweimal jährlich
Geburtsvorbereitungskurse als Tandemprojekt einer Sozialarbeiterin und einer FamilienHebamme statt. Kursstruktur: Zweimal jährlich stattfindende Kurse über 10 Termine á zwei
Stunden. Je eine Stunde wird durch die Sozialarbeiterin und die Familien-Hebamme
gestaltet.
26
FuN – Baby Mütter/Eltern - Kind Kurs
FuN-Baby (Familie und Nachbarschaft) ist ein niedrigschwelliges präventives
Familienprogramm, insbesondere für bildungsungewohnte Mütter und Eltern mit Kindern von
0 - 18 Monaten. Die FuN-Baby Kurse in der pro familia richten sich ausschließlich an
minderjährige und junge Mütter/Eltern. FuN-Baby wird zweimal jährlich angeboten und geht
über einen Zeitraum von acht Wochen für jeweils 1 ½ Stunden pro Termin.
Der FuN-Baby-Kurs (Familie und Nachbarschaft) fand von März bis Mai 2009 statt. Es
nahmen junge Mütter mit ihren Kindern im Alter von vier Wochen bis 12 Monaten teil. Die
Treffen fanden acht Mal á 1,5 Std. in den Räumen der pro familia statt. Im Fokus standen die
Vertiefung der Mutter-Kind-Bindung, ein Austausch der Mütter sowie ein gemeinsames
Frühstück.
Projekt „Elternschaft lernen“
2009 erstellten die pro familia-Beratungsstellen des Landesverbandes Niedersachsen ein
vereinheitlichtes Konzept. 2009 führten wir das Projekt an folgenden Schulen / Einrichtungen
durch: Förderschule Emden, Haupt- und Realschule Emden-Wybelsum, Hauptschule
Emden-Barenburg, Jugendwerkstatt des ev.- luth. Kirchenkreises Emden, Projekt E-On „Mit
Energie dabei“.
Peerleader „LoveLife“ als Teilprojekt der Partnerschaft Mirantao
Die pro familia-Beratungsstelle Emden/Leer ist seit Anfang 2007 Kooperationspartner des
Projektes „LoveLife“ und begleitet die Jugendlichen in der Ausbildung zum Peer Educator für
die sexualpädagogische Arbeit. 2009 erhielten die Peerleader einen mit 1000 € dotierten
Förderpreis zur „Pädagogischen Kultur“ des norddeutschen Vereines „PAEDALE“, den
Jugendförderpreis vom Landkreis Leer und eine Auszeichnung als „Ort im Land der Ideen“.
Einige Mädchen von „LoveLife“ waren im KIKA (Kinderkanal) und haben in einem
Fernsehinterview ihre Arbeit vorgestellt
Multiplikatorenfortbildungen und Informationsveranstaltungen
Es fanden 2009 Fortbildungen und Informationsveranstaltungen zu spezifischen Themen
statt. Inhalte waren u. a.:
- Tätigkeitsbereiche der pro familia
- Sexualerziehung im Elementarbereich
- §§ 218 und 219 StGB
- Netzwerk Junge Schwangere und junge Eltern
- Gewalt in der Familie
- sexuelle Gewalt
- sexualpädagogische Arbeit
- Vorstellung des Projektes „Elternschaft lernen“
- „Sexualität und Behinderung“
Zusätzlich gaben wir Supervisionstermine für Einrichtungen und Beratungsstellen.
Andere Veranstaltungen
Im Rahmen der Ärztefortbildung der Ärztekammer Niedersachsen in Hannover zum § 219
StGB referierte Frau Jacobs zum Thema „Die niedersächsische Situation der
Schwangerschaftskonfliktberatung am Beispiel einer Beratungsstelle – Psychodynamik von
Schwangerschaftskonflikten“ und zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen der Vermittlung
sozialer Hilfen/ soziale Beratung – Chancen und Grenzen der Beratung und Vermittlung
sozialer Hilfen nach der neuen Rechtslage“. Ferner fand in der Beratungsstelle Emden eine
einführende Fortbildung zur Schwangerschaftskonfliktberatung nach §§ 218 und 219 StGB
statt.
Öffentlichkeitsarbeit
Die pro familia-Beratungsstelle Emden/Leer war 2009 bei unterschiedlichen Veranstaltungen
mit einigen Informationsständen und „Mitmach“- Aktionen in der Öffentlichkeit vertreten.
Bei folgenden Veranstaltungen waren wir präsent:
27
- Präventionstag der Stadt Emden
- Präventionsmarkt an der Cirksenaschule Emden
- Präventionsmarkt an der BBS Emden
- Präventionsmarkt des Johannes-Althusius-Gymnasiums Emden/ Pewsum
- Frauengesundheitstag in Aurich
- Präventionsmarkt Osterburgschule Emden
- Welt-Kinder-Tag in Riepe
- Julianenparkfest in Leer
- Veranstaltung zum Welt-Aids-Tag in Leer in Zusammenarbeit mit dem
Gesundheitsamt Leer
Arbeitskreise
Wir beteiligten uns kontinuierlich am Arbeitskreis gegen „Gewalt und sexuelle Misshandlung
in Familie und Gesellschaft“ und am Netzwerk „Junge Schwangere und Eltern“. Des
Weiteren wirkten wir an dem Arbeitskreis „Liebe, Lust und Älterwerden“ mit.
Newsletter
Seit 2009 erstellt die pro familia einen Newsletter, der ca. vierteljährlich erscheint. In diesem
berichten wir von unserer Arbeit, von bevorstehenden Veranstaltungen und von Projekten.
Höhepunkte des Jahres 2009
Schmusen, Kuscheln und noch mehr...
Junge Erwachsene der OBW und Förderschule Emden beteiligten sich im Juni am Projekt
"Schmusen, Kuscheln und noch mehr...". In drei bzw. vier Terminen haben sich die
TeilnehmerInnen in der pro familia intensiv mit Liebe, Freundschaft, Sexualität und
Verhütungsmitteln beschäftigt. Die Körperwahrnehmung, das Benennen der eigenen
Bedürfnisse sowie das Erspüren eigener Grenzen waren ebenfalls ein Schwerpunkt der
gemeinsamen Arbeit. Es wurden verschiedene Methoden und praktische Übungen zum
Thema eingesetzt, damit die TeilnehmerInnen einen leichten und sinnerfüllten Zugang zu
den Inhalten bekamen. Am Ende des Projektes erhielt jeder ein Zertifikat für die Teilnahme.
Zonta Spende
Im September 2009 erhielt „Auf Kurs - Schwangerschaft (er)leben“ eine großzügige Spende
vom ZONTA-Club der Freunde/ Leer. Mit 2009 € wurden Tragetücher und Übungspuppen
angeschafft. Mit den Lehrmaterialien können die Teilnehmerinnen das Wickeln, Tragen,
Halten, Baden und Füttern erlernen und so Sicherheit im Umgang mit dem Säugling
gewinnen. Der Rest der Spende fließt in die Deckung der Personalkosten und trägt somit
zum Bestehen des Angebotes bei.
Familien-Hebammen-Sprechstunde
Seit 2008 bietet eine Familien-Hebamme in den Räumen der pro familia mittwochs von 1011 Uhr eine Sprechstunde an. Die Sprechstunde wird als offenes Angebot geführt.
Mitwirkung beim NDR 1 Ratgeber `Neuer Schwung in alter Beziehung`
Am 11.11.2009 wurde im NDR 1 der oben genannte Ratgeber ausgestrahlt. Am Vormittag
und Abend konnten HörerInnen anrufen, um sich von pro familia-KollegInnen beraten zu
lassen. Aus Emden stand Marion Jacobs als Interviewpartnerin zur Verfügung.
Jubiläumsfeier des Arbeitskreises gegen Gewalt und Missbrauch in der Gesellschaft
Der Arbeitskreis, der sich jeden zweiten Freitag in den Räumen der pro familia trifft, feierte
am 12.11.2009 sein 20jähriges Jubiläum. Es wurde ein Fachvortrag gehalten, die Geschichte
und die Arbeit des Arbeitskreises wurden rekronstruiert.
28
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Emden/Leer
Oben von links: Michael Goedecker, Marion Jacobs, Carmen Nikolić, Bodo Klimpel
Mitte von links: Heidemarie Heyer, Andreas Dirks, Sandra Lünemann-Wohlers
Unten von links: Angelika Welzel, Christina Siekmann
29
pro familia-Beratungsstelle Goslar
Die Anzahl der Beratungen ist seit 1999 kontinuierlich ansteigend. 2009 fanden insgesamt
883 Beratungen statt.
Sexualpädagogik und ihre Randgebiete: neue Themen in 2009
pro familia beweist seit Jahren Kompetenz auf dem Gebiet der Sexualpädagogik. Das dabei
übliche Setting ist, dass uns Schulklassen in der Beratungsstelle besuchen, um mit uns über
Themen wie „Mein Körper verändert sich“, „Traummann – Traumfrau“, „Das erste Mal“ oder
„Verhütung“ zu sprechen. Wenn wir Schulen oder Jugendeinrichtungen bereisen, so
kommen wir häufig mit unseren Infotischen. Wir liefern Informationen verpackt in Spielen und
Aktionen wie Glücksrad, Sexquiz und Fühlkästen um nur einige Methoden zu nennen.
Im letzten Jahr sind neue Themen zu den oben genannten hinzugekommen. Vermehrt
wurden wir angefragt zu gesellschaftlichen Fragen oder auch Randbereichen im
Zusammenhang mit Sexualität zu referieren oder Workshops zu veranstalten.
Rechte und Pflichten in der Sexualität: Was ist erlaubt, wer darf wann mit wem oder eben
auch nicht. Dazu veranstalteten wir einen Block in der Juleica (Jugendleiter) Ausbildung in
Seesen, um jugendlichen Betreuern von Ferienfreizeiten mehr Sicherheit im Umgang mit
ihren Schützlingen in Fragen mit der Sexualität zu geben. Dabei spielten gesetzliche
Rahmenbedingungen genauso eine Rolle wie auch ein gesundes „Bauchgefühl“ zu
entwickeln und zu stärken, welche Verhaltensweisen in Ordnung sind und welche nicht.
Sexualität und Gewalt: Schutz vor Missbrauch ist ein zwar nicht neues aber doch immer
wieder aktuelles Thema. Dazu bereiteten wir im Jahr 2009 eine Veranstaltung vor, die von
der Stadtjugendpflege Goslar in Vienenburg organisiert wurde. Im Rahmen eines
Mädchentages sollten die Kinder unter anderem stark gemacht werden, „Nein!“ zu sagen,
sowie gute und schlechte Geheimnisse auseinanderzuhalten, damit sie so gestärkt möglichst
nicht als Opfer fungieren müssen.
Sexualität und Drogen: Wir beteiligten uns an einem Präventionstag im Kreishaus Goslar
im Verbund mit dem Lukaswerk, der Drobs, dem Weißen Ring, der Polizei, der Aidshilfe,
dem Niko Projekt, der Barmer Krankenkasse und der Stadtjugendpflege. Das Rahmenthema
war Drogen- und Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen und die daraus entstehenden
gesellschaftlichen Probleme.
Sexualpädagogik für Eltern: Wir beteiligten uns am Eltern-Kompass, einer mehrteiligen
Veranstaltungsreihe der Volkshochschule mit Angeboten für Eltern, deren Kindern im
Pubertätsalter sind. Unser Part nannte sich „Pickel, Krach und viel Gefühl...“ und sollte Eltern
auf die Gefühlte und gelebte Sexualität junger Menschen, deren Probleme und deren
Neugier vorbereiten. Die Veranstaltungsreihe wurde sehr gut angenommen und bleibt ein
wiederkehrendes Angebot im Seminarheft der Volkshochschule.
30
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Goslar
Von links nach rechts:
Gabriele Lehner, Dr. Gesa Kaufholz, Hildegard Köhler-Bernhardt, Monika Hentig
31
pro familia-Beratungsstelle Göttingen
(mit der Außenstelle Northeim)
Von Aufklärung über Vielfalt bis Zweisamkeit - pro familia Göttingen stellt
Jahresbilanz 2009 vor
Die seit 1971 bestehende pro familia Beratungsstelle in Göttingen, Rote Str. 19, mit
Außenstelle in Northeim, Entenmarkt 3, hat im vergangenen Jahr 2009 insgesamt 3194
Beratungen durchgeführt (2008: 3263 Beratungen).
Das Team der Beratungsstelle besteht aus einer Büroassistentin, einer Ärztin, fünf
Sozialpädagoginnen
und
einem
Sozialpädagogen,
der
besonders
für
die
sexualpädagogische Arbeit mit Jungen und Männern eingestellt wurde.
Im Jahr 2009 waren, wie auch in den Vorjahren, die Beratungen vor, während und nach
einer Schwangerschaft am meisten nachgefragt: 1484 Beratungen (2008: 1474
Beratungen).
Hierzu gehören sozialrechtliche und finanzielle Informationen, z.B. zu Elterngeld,
Kinderzuschlag, Wohngeld, Unterhaltsleistungen, Arbeitslosengeld II etc. (854 Beratungen)
sowie Beratungen zur Mutter und Kind-Stiftung (544 Beratungen). 2009 erhielten ca. 35%
unserer Ratsuchenden (ergänzend) ALGII - Leistungen.
pro familia bietet ebenfalls psychosoziale Beratung sowie eine kontinuierliche Begleitung für
eine konfliktreich erlebte Schwangerschaft an, besonders auch für minderjährige
Schwangere. Probleme erster, bzw. junger Elternschaft nach der Geburt eines Kindes stellen
einen weiteren Bereich dar (29 Beratungen).
Ein zusätzliches Angebot bei Schwangerschaft ist die medizinische Beratung, z.B. zu Fragen
der Pränataldiagnostik: die Entscheidung für oder gegen bestimmte vorgeburtliche
Untersuchungen ist dabei ein häufiges Thema (53 Beratungen).
Ein weniger bekanntes Angebot ist die Trauerbegleitung für Eltern totgeborener Kinder.
Unsere Ärztin hat eine Zusatzausbildung in Integrativer Prozessbegleitung und als
Trauerbegleiterin kann sie entsprechende Beratung und Begleitung anbieten.
Weiterhin sind alle BeraterInnen für die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem
eventuellen Schwangerschaftsabbruch qualifiziert. Hierzu suchten insgesamt 598 (2008:
589) Frauen, z. T. mit ihren Partnern, die Beratungsstellen in Göttingen und Northeim auf.
Bei der Entscheidung pro – contra Kind wurden häufig Probleme in der Partnerschaft
und/oder Existenz- und Zukunftsängste genannt.
Zum Themenkomplex Partnerschaft und Sexualität wurden 2009 insgesamt 551
Beratungen (2008: 565) durchgeführt. Unterschiedliche Beziehungsvorstellungen,
Kommunikationsprobleme, der Umgang mit Affären, die „Last mit der Lust“ sind zentrale
Themen in diesem Bereich.
Sexuelle Aufklärung für Jugendliche und Erwachsene ist nach wie vor fester und häufig
nachgefragter Bestandteil in der Arbeit von pro familia: mit 197 Gruppen und 144
Einzelkontakten mit SchülerInnen, Eltern und MultiplikatorInnen wurden insgesamt 2485
Jugendliche und Erwachsene erreicht. Themen wie Liebe, Freundschaft, Sexualität, sexuelle
Orientierung, sexualisierte Gewalt sowie eine immer wieder neu auftretende Verunsicherung
von Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen im Umgang mit der sexuellen Entwicklung von
Kindern und Jugendlichen standen in der sexualpädagogischen Arbeit im Mittelpunkt. Seit
2009 ist das Team der Sexualpädagogik intensiv bestrebt, das Konzept der
„Schulklassenarbeit“ zu optimieren und die bisher zum größten Teil zweistündigen
Veranstaltungen durch pädagogisch sinnvollere und umfangreichere vierstündige
Veranstaltungen zu ergänzen. Dieses Angebot wird von zunehmend mehr Schulen auch
angenommen.
32
Die in der Sexualpädagogik tätigen KollegInnen sind in diesem Bereich auch in der Aus- und
Weiterbildung als ReferentInnen tätig. 2009 fanden wieder mehrere Fortbildungen für
Tagesmütter/-väter in der Kreisvolkshochschule Göttingen und Northeim sowie in der
Volkshochschule Göttingen statt.
Seit vielen Jahren werden von unserer Ärztin Kurse zur Familienplanung und
Schwangerschaftsverhütung, Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch, Umgang
mit Trauer nach Fehl-/Todgeburt sowohl in den Krankenpflegeschulen des Evangelisches
Krankenhaus Göttingen-Weende und der Helios Albert-Schweitzer-Klinik Northeim als auch
in der Hebammenschule der Frauenklinik und der Medizinischen Psychologie und Soziologie
der Universität Göttingen durchgeführt.
Seit Oktober 2005 bietet die Göttinger Beratungsstelle zusätzlich das Projekt „Elternschaft
lernen“ in Schulklassen an. Seit 2007 wird dieses Projekt mit 9 Babysimulatoren kombiniert.
Neben den Zielen, eine realistische Lebensplanung, besonders für Familie und Beruf, zu
entwickeln und gewaltfreie Konfliktlösungen zu erlernen, soll dieses Projekt insbesondere zur
Prävention von ungeplanten Schwangerschaften beitragen.
Im vergangenen Jahr haben wir das Projekt „Elternschaft lernen“ an 5 Schulen im
Einzugsbereich der Beratungsstelle mit sehr guter Resonanz durchgeführt. Neu ist dabei,
dass wir an 3 dieser Schulen das Projekt jeweils mit einer Lehrerin bzw.
Schulsozialarbeiterin durchgeführt haben, die vorher an der ebenfalls von uns angebotenen
Fortbildung für MultiplikatorInnen teilgenommen hatten. Nach dem theoretischen Teil erfolgte
somit ein von uns begleiteter Praxiseinsatz. Diese Verknüpfung von Theorie und Praxis
wurde von den Kolleginnen der Schule als sehr positiv bewertet.
Ebenfalls fester Bestandteil der Sexualpädagogik ist die Arbeit mit Menschen mit
Behinderungen. Neben Veranstaltungen in den einzelnen Förderschulen der Stadt besteht
seit Jahren eine gute Kooperation mit den Göttinger Werkstätten für behinderte Menschen.
Auch 2009 wurden hier wieder 10 Veranstaltungen durchgeführt, in denen es darum geht,
die Themen rund um Freundschaft, Liebe, Sexualität sowohl den jungen Erwachsenen, die
mit ihren vielfältigen Besonderheiten dort beschäftigt sind, als auch deren BetreuerInnen und
AnleiterInnen in den Werkstätten und in ihren jeweiligen Wohngruppen näher zu bringen.
Das traditionelle Aufgabengebiet der pro familia, die Familienplanung und
Schwangerschaftsverhütung, wurde als eigenes Thema in 197 Beratungen (2008: 293) in
Anspruch genommen. Fragen zur allgemeinen Familienplanung, auch im Zusammenhang
mit ungewollter Kinderlosigkeit, sowie Verhütung und Beratung zur Sterilisation beim Mann
oder der Frau sind dabei Themen.
Zusätzlich ist es für Frauen möglich, sich ein Diaphragma anpassen zu lassen und das für
die „Pille danach“ notwendige Rezept zu erhalten.
33
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Göttingen
Von links nach rechts: Ingeborg Schmidt, Ute Wiese-Hast, Elisabeth Kastner, Tanja Fulst,
Barbara Ernst, Iris Laskowski, Thomas Seifert
34
pro familia-Beratungsstelle Hannover
Beratungsstelle Hannover
Wenn wir die Arbeit des vergangenen Jahres beschreiben wollen, so können wir vor allem
eine stetig steigende Anfrage nach Beratung in allen von uns angebotenen Beratungsfeldern
feststellen, der wir bei Weitem nicht gerecht werden können.
Dies betrifft vor allem die Begleitung in der Schwangerschaft und die Nachfrage nach
finanziellen Hilfsmöglichkeiten. Aber auch zu anderen Themen spielen eine gute Vernetzung
und Zusammenarbeit mit anderen Beratungseinrichtungen, die zu unseren Schwerpunkten
arbeiten, eine immer größere Rolle, um KlientInnen im guten Sinn weitervermitteln zu
können.
In diesem Zusammenhang kommt dem Erstkontakt eine wichtige Bedeutung zu. Deshalb
freuen wir uns, dass im Jahr 2009 für eine Erweiterung der Stundenzahl im Erstkontakt die
Weichen gestellt wurden, und dieses sich in 2010 umsetzen wird.
Seit mehreren Jahren bemühen wir uns, den Anliegen unserer KlientInnen mit Deutsch als
Zweitsprache mit einem kultursensiblen Ansatz gerecht zu werden.
Um mehr voneinander zu verstehen haben wir lange in einem Dialogprojekt mit vielen
Menschen zum Thema „Sexualethik“ gearbeitet und, als ein Ergebnis, eine Broschüre zum
Thema „Sexualethik im Dialog“ mit Artikeln und Interviews aus unterschiedlicher kultureller,
religiöser und individueller Sicht zusammengestellt.
Darüber hinaus erproben wir neue Möglichkeiten unser sexualpädagogisches Angebot als
kontinuierliche mehrjährige Begleitung von Schülerinnen und Schülern in enger Kooperation
mit einer hannoverschen Förderschule zu gestalten. Kira Preußing und Alexandros PavlidisNasogga, beide Sexualpädagogen der Beratungsstelle Hannover,
begleiten eine
Schulklasse von Jahrgangstufe fünf bis zum Schulabschluss. Durch die gewohnten
Gesichter der pro familia und die mehrmaligen Treffen im Jahr, soll ein Lernen in
vertrauensvoller Umgebung, den jeweiligen Fragen und Bedürfnissen angepasst, möglich
sein. Ganz so wie wir uns Sexualpädagogik wünschen, als immer wiederkehrendes
gleichwertiges Thema im Schuljahr. Eben Lernen fürs Leben. Die ersten Treffen wurden von
den Schülerinnen und Schülern gut aufgenommen.
Im Sinne der anwaltlichen Vertretung unserer KlientInnen nimmt Karin Helke-Krüger am
Runden Tisch der JobCenter teil. Als Besonderheit gab es auf unsere Initiative hin im
September
2009
eine
gemeinsame
Sitzung
mit
Vertreterinnen
aller
Schwangerschaftskonflikt- und Schwangerenberatungsstellen in der Region Hannover und
den Vertretern der Jobcenter der Region.
Hier war der geeignete Ort um über Fragen und Probleme zu sprechen, die sich aus der
alltäglichen Beratungsarbeit in den Schwangerenberatungsstellen ergibt im Hinblick auf die
Gewährung von Leistungen nach dem SGB II der XII, aber auch auf die besonderen
psychosozialen Belastungen in der Schwangerschaft.
So positiv solche Gespräche einzuschätzen sind, wurde doch deutlich, wo gravierende
Unterschiede in der Bewertung der gesetzlichen Vorgaben liegen und damit in möglichen
Handlungsräumen. Viele Dinge sind nicht zum ersten Male besprochen worden, wir können
nur abwarten, wie dann die ganz konkrete Umsetzung im Einzelfall erfolgt. Wir sehen es als
unserer Aufgabe an, immer wieder den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung kritische
Hinweise zu geben, wo aus unserer Sicht im Sinne der Ratsuchenden Verbesserungen
erfolgen sollten.
Als konkreter Erfolg kann zum Beispiel genannt werden, dass nun ein Umzug bei
Schwangerschaft nicht erst nach dem 5. Monat sondern schon ab Vorlage des Mutterpasses
möglich ist.
Weiterhin haben wir uns 2009 an einem Wettbewerb der Region Hannover unter dem Titel:
„Miteinander – Gemeinsam für Integration“ beteiligt und einen Preis gewonnen, der es uns
35
ermöglicht, eine Projektstelle zu schaffen, deren Inhaberin die Aufgabe hat, eine Konzeption
für eine dialogische kultursensible Sexualpädagogik zu erstellen, die auch im Bereich
schulischer Sexualkunde zur Anwendung kommen kann. Dieses Projekt wird im Mai 2010
starten. So wird sich der begonnene Weg, unsere Arbeit interkulturell auszurichten, auch in
2010 weiter fortsetzen.
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Hannover
Das dynamische Team der pro familia-Beratungsstelle Hannover: immer in Bewegung.
Von links nach rechts:
Hintere Reihe: Alexandros Pavlidis-Nasogga, Cornelia Anhelm-Dieng, Elfriede Morgenstern,
Sivi Ekinci, Astrid Walter, Corinna Linke
Vordere Reihe: Ulf Gronau, Olaf Schwantes, Kira Preußing, Karin Helke-Krüger, Beate
Hasse, Vera Zander
36
pro familia-Beratungsstelle Helmstedt
Zum ersten Mal fand im vergangenen Jahr in Helmstedt ein so genannter „Markt der
Möglichkeiten“ statt, den die Arbeitsgruppe „Jugendamt/ Schule“ im März unter dem
thematischen Schwerpunkt „Prävention für Kinder und Jugendliche“ veranstaltete und an
dem die pro familia-Beratungsstelle Helmstedt teilnahm. Zahlreiche Einrichtungen aus Stadt
und Landkreis Helmstedt, die mit der Jugendhilfe und der Jugendpflege vertraut sind, kamen
an diesem Termin zusammen, um auf ihre Arbeit und Projekte aufmerksam zu machen und
für Fragen und Gespräche persönlich zur Verfügung zu stehen. Zielgruppe dieser
Veranstaltung waren sowohl LehrerInnen, ErzieherInnen und Eltern als auch interessierte
BürgerInnen, die den „Markt der Möglichkeiten“ als Plattform zum Informationsaustausch und
Knüpfen von Kontakten nutzen konnten.
Im Rahmen der Qualifizierung von Tagesmüttern und Tagesvätern, die in
Zusammenarbeit mit der Eltern-Servicestelle des Landkreises Helmstedt angeboten wird, hat
Hildegard Köhler-Bernhardt, Diplom-Psychologin und Paar- und Sexualtherapeutin, im
vergangenen Jahr bereits zum zweiten Mal den thematischen Baustein „Sexualerziehung
von Kindern der Altersstufe 1 bis 6 Jahre“ als Referentin übernommen.
Im März 2009 hat eine Studentin Hochschule Magdeburg-Stendal (FH), Fachrichtung
Rehabilitationspsychologie (Bachelorstudiengang) ein Praktikum in der pro familiaBeratungsstelle Helmstedt absolviert.
Bereits seit mehr als zwei Jahren besteht im pro familia-Landesverband das Projekt „Liebe,
Lust und Älterwerden“, dessen Koordinatorin die Diplom-Pädagogin Silke Wendland ist.
Als ein Ergebnis dieser Projektarbeit wurden zum einen alle pro familia-Beratungsstellen in
Niedersachsen im zurückliegenden Jahr mit einem so genannten „Erotikkoffer“ ausgestattet.
Ähnlich wie mit dem „Verhütungsmittelkoffer“ für die sexualpädagogische Arbeit mit Gruppen
und Schulklassen steht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der pro familiaBeratungsstellen damit ein weiterer professioneller Baustein speziell für die Einzel-, Paarund Sexualberatung zur Verfügung.
Um in der Öffentlichkeit auf das Thema „Liebe, Lust und Älterwerden“ aufmerksam zu
machen, führten der Paritätische und die pro familia-Beratungsstelle im vergangenen Jahr
eine gemeinsame Aktion durch. Unter dem Titel „Das Kribbeln im Bauch hört niemals auf“
wurde der internationale Tag der älteren Menschen genutzt, um sich dem sensiblen Thema
Liebe, Lust und Leidenschaft der älteren Generation zu widmen, denn Wünsche nach Nähe,
Zärtlichkeit und Freude über eine lustvoll gelebte Sexualität sind auch jenseits der 60
selbstverständlich und können entscheidend zur Lebensqualität beitragen.
Zwei wichtige Gremien, in denen die pro familia-Beratungsstelle vor Ort mitarbeitet, ist zum
einen der Arbeitskreis „Frauen und Gesundheit im Landkreis Helmstedt“ und zum anderen
das „Netzwerk gegen Gewalt an Frauen im Landkreis Helmstedt“.
Der Arbeitskreis „Frauen und Gesundheit im Landkreis Helmstedt“ existiert seit 1998
und ist ein Zusammenschluss von Frauen, die in der Stadt bzw. im Landkreis Helmstedt
beruflich tätig sind; unter anderem sind hier die Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises
und der Stadt Helmstedt vertreten sowie Mitarbeiterinnen der Arbeiterwohlfahrt, des
Caritasverbandes, des Diakonischen Werkes, der Suchthilfe des Lukas-Werkes und der pro
familia-Beratungsstelle Helmstedt. Seit inzwischen 11 Jahren organisiert dieser Arbeitskreis
einmal jährlich eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung für Frauen mit einem
inhaltlichen Themenschwerpunkt aus dem Bereich der Gesundheit; bei der Veranstaltung in
2009 des Arbeitskreise konnte Silke Wendland, die Koordinatorin des bereits erwähnten
Projekts „Liebe, Lust und Älterwerden“ als Referentin gewonnen werden.
Im Flyer zur Veranstaltung hieß es: „Liebe, Lust und Leidenschaft... auch, wenn in den
Medien häufig ein anderes Bild gezeichnet wird, sind dies Gefühle, die nicht nur junge
Menschen betreffen. Vor allem Frauen in der zweiten Lebenshälfte gestalten heute ihr Leben
37
hinsichtlich Partnerschaft und Sexualität aktiver und selbstbewusster, als es einst ihre Mütter
getan haben. Dabei begegnen ihnen ähnliche gesellschaftliche Vorurteile.
Wie verändert sich die weibliche Sexualität im Alter? Welche körperlichen, biographischen
und sozialen Faktoren spielen dabei eine Rolle? Was bedeuten Attraktivität und Erotik im
Alter? Welche Möglichkeiten stehen älteren Frauen heute offen?
Wie individuell und vielfältig der Umgang älterer Frauen mit ihrer Sexualität sein kann und
wie wichtig es ist, dabei vor allem sich selbst und seinen eigenen Bedürfnissen – jenseits
von Jugendkult und Leistungsdenken – treu zu bleibenden, darüber spricht Silke Wendland.“
Das „Netzwerk gegen Gewalt an Frauen im Landkreis Helmstedt“ ist ein
Zusammenschluss von VertreterInnen der Wohlfahrtsverbände, der Polizei, der Frauen- und
Gleichstellungsbeauftragten sowie der Politik, die über das Thema „Häusliche Gewalt“
aufklären und präventiv tätig werden wollen. Aus diesem Netzwerk heraus hat sich ein
Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit gegründet, der im zurückliegenden Jahr verschiedene
Veranstaltungen und Aktionen durchführte, um in der Öffentlichkeit auf das „Häusliche
Gewalt“ aufmerksam zu machen. Zum einen wurde im Juni eine mehrteilige
Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Häusliche Gewalt geht alle an!“ organisiert und
durchgeführt. Zum Auftakt dieser Veranstaltungsreihe wurde die vom Landeskriminalamt
herausgegebene Ausstellung „Gegen Gewalt in Paarbeziehungen“ im Kreiskrankenhaus St.
Marienberg in Helmstedt eröffnet. Als Referentin für den Eröffnungsvortrag konnte Frau Prof.
Dr. Brombach gewonnen werden, die in ihrem Vortrag „Eigentlich sind wir eine gute Familie“
auf Frauen und Kinder als Opfer häuslicher Gewalt einging.
Zu den weiteren Veranstaltungen zählten:
• ein Workshop unter dem Titel „Gewalt im Spiel“ für Jugendliche des Jahrgangs 9 in
Schöningen;
• eine Telefonaktion in Zusammenarbeit mit der Braunschweiger Zeitung;
• eine Fachveranstaltung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die in der
pädagogischen Arbeit mit Kindern tätig sind;
• eine Präventionsveranstaltung für Kinder des Jahrgangs 4 in Königslutter sowie
• ein Kinoabend, an dem der Film „Öffne meine Augen“ gezeigt wurde.
Nach Abschluss dieser Veranstaltungsreihe hat der Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit einen
Flyer mit wichtigen Adressen und Anlaufstellen bei häuslicher Gewalt in mehreren Sprachen
übersetzen lassen und herausgegeben.
Zum jährlich stattfindenden internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November
fand schließlich eine gemeinsame Aktion statt, in deren Rahmen ein neues Leporello
vorgestellt und verteilt wurde.
38
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Helmstedt
Von links nach rechts: Hildegard Köhler-Bernhardt, Christine Beab, Melanie Weinhold
39
pro familia-Beratungsstelle Holzminden
2008 war für uns ein sehr turbulentes Jahr – wir konnten erstmals eine Kollegin für den
Erstkontakt mit 15 und einen Sexualpädagogen mit 8 Wochenstunden einstellen, außerdem
gab es eine räumliche Erweiterung durch die Hinzunahme der Wohnung im 3. Stock in der
Wallstraße. Der Paritätische vor Ort hat uns u. a. bei der Renovierung in sehr dankenswerter
Weise unterstützt. Im Vergleich zu diesen einschneidenden und erfreulichen Veränderungen
war das zurückliegende Jahr 2009 eher eins der Konsolidierung, der Teamentwicklung und
der inhaltlichen Weiterentwicklung der Sexualpädagogik.
Von links nach rechts: Karin Kahmann, Kirsten Benthack, Sebastian Deppe, Petra Vaal
Die Gesamt - Beratungszahlen sind insgesamt wiederum leicht angestiegen (2008: 828 /
2009: 858), obwohl der Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung rückläufig war (2008:
104 / 2009: 93). Die Zahl der sexualpädagogischen Gruppenveranstaltungen ist im
Gegensatz dazu höher als im Vorjahr: 2008: 20 / 2009: 31. Die sozialrechtliche Beratung für
Schwangere und die Paar- und Sexualberatung wurden – wie in den Vorjahren –
unverändert stark nachgefragt.
Es ist zu beobachten, dass sich der von der Beratungsstelle angebotene Bereich der
Sexualpädagogik inhaltlich über die reine Schulklassenarbeit hinaus entwickelt.
Andererseits gibt es in der Schulklassenarbeit seit fünf Jahren hochmotivierte studentische
temporäre MitstreiterInnen, (s. a. Artikel über das Sexualpädagogische Projekt, S. 68), so
dass bei einer ganzheitlichen Betrachtung des Landkreises sowohl eine zahlenmäßige
Zunahme der durch die Studierenden erreichten SchülerInnen, als auch eine inhaltliche
Differenzierung durch die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle zu verzeichnen ist. Auch die
Kooperationspartner sind vielfältiger geworden.
Dieser erfreuliche Trend wird sich sicher in Zukunft noch fortsetzen. Als ein Schwerpunkt
zeichnet sich für uns die Arbeit mit Jungen und jungen Männern ab. Hier würden wir
perspektivisch z. B. gern eine kontinuierliche Jungengruppe anbieten.
Im Jahr 2009 wurde eine Informationsveranstaltung
zum "Internationalen Tag der älteren Menschen" in
Kooperation mit dem Seniorenservicebüro des
Landkreises Holzminden und dem Projekt "Liebe, Lust
und Älterwerden" des pro familia-Landesverbandes
Niedersachsen durchgeführt. Gemeinsam mit dem
Seniorenservicebüro des Landkreises Holzminden hat
die pro familia-Beratungsstelle Holzminden im Vorfeld
der Veranstaltung ein Schaufenster im Gesundheitsamt
(„EINBLICK“) des Landkreises Holzminden gestaltet,
um auf die Veranstaltung und das Thema aufmerksam
zu machen.
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Für den Veranstaltungstag konnten die Projektpartner Silke Wendland von der
Koordinierungsstelle des pro familia-Landesverband Nds. e.V. als Referentin gewinnen. Silke
Wendland führte mit einem Vortrag in das Thema ein, und nach einer offenen Runde bei
Kaffe und Kuchen haben die rund 35 TeilnehmerInnen noch den Film "Wolke 9" angesehen.
Somit wurde das Thema erfolgreich abgerundet.
Neben den sexualpädagogischen Einheiten in den Schulklassen und anderen Einrichtungen
wurde auch ein Elternabend im Kindergarten in Grünenplan zum Thema "Frühkindliche
Sexualität" durchgeführt. Der gut besuchte Elternabend führte dazu, dass eine
Nachfolgeveranstaltung im März 2010 bereits erfolgte.
Kinder und Sexualität - wie passt das zusammen?
• Vor der Pubertät denken die Kleinen doch gar nicht an so was!
• Wir müssen sie viel mehr beschützen!
• Schlafende Hunde soll man nicht wecken!
Solche Überzeugungen sind weit verbreitet. Die Erzieherinnen wissen es aus ihrer
langjährigen Erfahrung aber besser. Die Frage war also nicht: "Gibt es eine kindliche
Sexualität?", sondern "Wie gehen wir angemessen damit um?".
An mehreren, z.T. problematischen Situationen aus der Praxis wurde deutlich, dass es keine
Patentrezepte für den Umgang mit Anmache, Doktorspielen usw. gibt. Die jeweiligen
ErzieherInnen handeln immer als Personen mit einer ureigenen Geschichte. Und da macht
es einen großen Unterschied, in welchem "Klima" man aufgewachsen ist! Es wurde
ausgiebig über die eigene Aufklärung in den 50er, 60er oder 70er Jahren erzählt sowie über
die unterschiedlichen Phasen der kindlichen Sexualität referiert. Bei aller Vorsicht kann doch
gesagt werden, dass das Klima in der Erziehung heute sexualfreundlicher ist als z.B. in den
50er Jahren.
Der entscheidende Aha-Effekt war, anzuerkennen, dass sich kindliche Sexualität
grundsätzlich von erwachsener Sexualität unterscheidet. Es kommt immer dann zu
Missverständnissen, wenn "Große" mit ihrem erfahreneren, erwachsenen Blick kindliches,
unbefangeneres sexuelles Verhalten beurteilen.
Mit dieser Unterscheidung wird es vielleicht leichter, das Thema in Teambesprechungen, auf
Elternabenden usw. aus der Tabuzone herauszuholen. Die Eltern und Erzieherinnen waren
von diesem Abend sehr angetan. Sie fühlten sich bestärkt in dem, was sie schon wussten:
Auch Kinder haben eine Sexualität, nur anders.
Die Sexualerziehung im Kindergarten stellt die Erzieher und Erzieherinnen immer wieder vor
heikle Situationen, bei denen viele Handlungsstrategien greifen könnten. Die pro familia
möchte mit ihrem Angebot hierbei unterstützen und die ErzieherInnen sowie die Eltern
ermutigen, über die Erfahrungen des Sexualverhaltens der Kinder zu sprechen und den für
sie passenden Erziehungsstil dafür zu finden.
In Zusammenarbeit mit anderen sozialen Einrichtungen organisierte die pro familia
Beratungsstelle Holzminden eine Informationsveranstaltung in der Hauptschule
Bodenwerder zum Thema "Teenagerschwangerschaften". Die pro familia übernahm dabei
das Thema "Finanzielle Hilfen". Die Klassen wurden in einzelne Gruppen aufgeteilt, die sich
nach einer festgelegten Reihenfolge bei den einzelnen Institutionen Informationen zu dem
Thema einholen konnten. Der Tag verlief sehr gut und stieß auf eine positive Resonanz bei
den SchülerInnen.
Im Jahre 2008 wurde eine Jungengruppe ins Leben gerufen. Für 2010 wurde angedacht,
einige Jungs dazu zu begeistern, an einem Wettbewerb zum Thema "Familienplanung,
Zukunftsvorstellungen etc." teilzunehmen. Im Kalenderjahr 2009 wurden dafür bereits im
November und Dezember Maßnahmen zur Vorbereitung getroffen. Neben intensiver
Pressearbeit wurde aktive Öffentlichkeitsarbeit an sämtlichen Schulen, Jugendzentren etc.
im Landkreis Holzminden betrieben. Das Projekt startete dann im Januar 2010.
41
pro familia-Beratungsstelle Lüneburg
Das Jahr 2009 im Überblick
Im Jahr 2009 ist die Anzahl der Beratungen vor/ während und nach einer
Schwangerschaft im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen: 713 Beratungen (2008: 704
Beratungen). Hierzu gehören sozialrechtliche und finanzielle Informationen, z.B. Beratungen
zur Bundesstiftung „Mutter und Kind“, Erziehungs- und Elterngeld, Arbeitslosengeld II etc.
sowie psychosoziale Beratungen während der Schwangerschaft und in der (jungen)
Elternschaft. Dieses Angebot ist gleichzeitig das bei pro familia am häufigsten aufgesuchte.
pro familia bietet ebenfalls eine kontinuierliche Begleitung für eine konfliktreich erlebte
Schwangerschaft an – besonders auch bei minderjährigen Schwangeren, die oft eine
intensive Unterstützung benötigen.
Zusätzliches Aufgabengebiet ist die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem
eventuellen Schwangerschaftsabbruch. Hierzu suchten insgesamt 221 (2008: 228)
Frauen/ Paare die Beratungsstelle in Lüneburg auf. Bei der Entscheidung pro – contra Kind
wurden häufig Probleme in der Partnerschaft und Existenz und Zukunftsängste genannt.
218 Beratungen (2008: 200) zu Partnerschaft und Sexualität wurden 2009 durchgeführt.
Unterschiedliche Beziehungsvorstellungen, Kommunikationsprobleme, der Umgang mit
Affären, die „Last mit der Lust“ waren zentrale Themen in diesem Bereich.
Sexuelle Aufklärung für Jugendliche und Erwachsene ist nach wie vor fester und
nachgefragter Bestandteil der pro familia: 201 Gruppen und Einzelkontakte mit SchülerInnen,
Eltern und MultiplikatorInnen fanden statt. Dabei wurden insgesamt 2245 Jugendliche und
Erwachsene erreicht. Themen wie Liebe, Freundschaft, Sexualität, sexuelle Orientierung,
sexualisierte Gewalt sowie eine immer wieder neu auftretende Verunsicherung im Umgang
mit der sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen standen in der
sexualpädagogischen Arbeit im Mittelpunkt.
Auch im Jahre 2010 wird sich pro familia weiterhin für eine selbstbestimmte Sexualität
einsetzen. Über das bisherige Angebot hinaus ist pro familia bemüht, sich den Bedürfnissen
und Wünschen der Ratsuchenden anzupassen und hierzu neue Angebote zu vorzuhalten.
Für 2010 werden wir für den Bereich Sexualpädagogik Elternabende zum Thema „Porno,
Chat und SchuelerVZ“ anbieten, um die Medienkompetenz zu stärken und so mehr
Sicherheit zu vermitteln. Auch für ältere Ratsuchende wollen ein neues Arbeitsfeld unter dem
Titel „Liebe, Lust und Älterwerden“ anbieten. Ältere Frauen und Männer bilden heute eine
Zielgruppe, die erwartet, in Ihren Wünschen und Bedürfnissen ernst genommen zu werden
und ein differenziertes, auf ihre Lebenswirklichkeit abgestimmtes Dienstleistungsangebot
vorzufinden.
42
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Lüneburg
Von links nach rechts: Lisanne Schröttke, Andreas Gloël, Anja Brommann, Corinna HeiderTreybig, Sabine Stork
43
pro familia-Beratungsstelle Oldenburg
Nachfolgend wird exemplarisch ein sexualpädagogisches Projekt eingehender dargestellt,
das 2009 erfolgreich in Oldenburg durchgeführt wurde.
Konzept „Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft“
Zielgruppe des Projektes Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft sind die
SchülerInnen ab 8. Jahrgangsstufe der unterschiedlichen Schultypen bzw. die
Berufsschulen.
Die Thematisierung von Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft soll Jugendlichen
helfen, eine realistische Lebensplanung zu entwickeln.
Wir möchten Jugendlichen eine positive Einstellung zu Kindern vermitteln und sie befähigen,
Elternschaft als einen bedeutenden Lebensabschnitt zu würdigen. Sie sollen erkennen,
welche Verantwortung die Erziehung von Kindern bedeutet, welche Möglichkeiten, aber auch
Probleme mit Elternsein verbunden sind. Wir möchten ihnen die Möglichkeit geben,
Erziehungsstile zu reflektieren, um so adäquates Verhalten für die förderliche Entwicklung
des Kindes kennen zu lernen. Wir wollen aber auch vermitteln, dass auftretende Probleme in
Erziehung und Familienleben keine Folge individuellen Unvermögens bedeuten, sondern
normale Realität in Elternschaft und verbindliche Partnerschaft somit handhabbarer
Bestandteil in der Erziehung sind. Dazu gehört z.B. auch die Information über außerfamiliäre
Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten.
Die frühe Thematisierung von Elternschaft und verantwortlicher Partnerschaft stellt für uns
eine wichtige Prävention dar, um sich über eigene Lebenserfahrungen und Ideen Gedanken
zu machen.
Das Projekt „Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft“ wird von einer Diplom
Sozialpädagogin koordiniert und betreut.
Es wird in Form von freiwilligen Arbeitsgemeinschaften (AG´s) den Schülern/innen ab der 8.
Jahrgangsstufe in allen Schulformen in der Stadt Oldenburg angeboten.
Jedes Modul erstreckt sich über zwei Schulstunden in den Räumen der jeweiligen Schule
über ein bzw. Schulhalbjahre.
Die Jugendlichen bekommen Informationen über den Ablauf und die Themeninhalte des
Projektes. Die Entscheidung zur Teilnahme sollte in jedem Fall freiwillig und frei von
Zensierung sein. Die Freiwilligkeit ist wichtig, weil im Verlauf des Projektes sehr persönliche
Themen der TeilnehmerInnen angesprochen werden und niemand genötigt werden soll, sich
diesen Erfahrungen zu stellen. Die TeilnehmerInnen haben auch während eines Moduls die
Möglichkeit, sich durch „Nichtbeteiligung“ ihre persönlichen Grenzen bei der
Auseinandersetzung der Themen zu setzen.
Bei Themen, für die eine Auseinandersetzung in geschlechtergetrennten Gruppen als
Notwendigkeit voraussetzt wird oder die Themen anderer Institutionen berühren, werden
entsprechende KollegeInnen der pro familia oder anderer Institutionen hinzugezogen.
Das Projekt „Partnerschaft und verantwortliche Elternschaft“ ist allen Oldenburger Schulen
angeboten worden und wird zur Zeit an der Berufschule Haarentor in einer
Berufsvorbereitsklasse, an der Berufsschule Ehnernstraße in einer Berufseinstiegsklasse, in
der Hauptschule Alexanderstraße, in der Hauptschule Ofenerdiek und der Realschule
Hochheider Weg durchgeführt.
Es nehmen somit insgesamt 76 SchülerInnen im Alter zwischen 15 und 21 Jahren
regelmäßig an dem Projekt teil.
Zusätzlich werden an der Realschule Hochheider Weg, am Herbartgymnasium und an der
Berufsschule Milchstraße anonyme Beratungsstunden angeboten.
44
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Oldenburg
Antje Heinemann-Sanders
Dr. med. Barbara Cohors-Fresenborg
Joachim Glatzel
Doris Kern
Julia Salomon
Birgit Rath (bis 30.6.2009)
Sandra Drewing (bis 28.2.2009)
Christin Kellner
Nicole Lubrich
45
pro familia-Beratungsstelle Osnabrück
(mit den Außenstellen Bramsche, Nordhorn, Bad Laer)
Die profamilia Beratungsstelle Osnabrück besteht seit 1978.
Im Mai 1987 kam die Außenstelle Bramsche dazu. Seit April 2006 gibt es eine kleine
Außenstelle in Bad Laer und seit April 2007 eine weitere in Nordhorn.
Das 10-köpfige Team besteht aus SozialpädagogInnen, PsychologInnen, einer Hebamme
und einer Fachkraft für Verwaltung. Alle MitarbeiterInnen sind teilzeitbeschäftigt.
Das Team, v.l.n.r.: Hartmut Wittenberg, Annette Tibbe, Sieglinde Schoor, Karolin Barkau,
Karin Schlüter, Beatrix Baumgart, Susanne Steinhübel, Antonius Geers, Judith Diekhoff,
Susanne Reimann- Anders
Die Beratungszahlen insgesamt für 2009:
725 Beratungen gemäß §§ 5,6 SSKG
1305 Beratungen gemäß § 2 SSKG
409 Gruppen nach § 2 SSKG
Im Jahr 2009 hatten wir bei unseren sexualpädagogischen Gruppenveranstaltungen
insgesamt 2553 TeilnehmerInnen in den Klassen 4 bis 10 mit dem Schwerpunkt der
Jahrgangsstufe 8.
Zusätzlich erreichten wir mit den Jugendfilmtagen in bewährter Kooperation mit der
Osnabrücker AIDS-Hilfe mehr als 500 SchülerInnen.
Neues Angebot für Grundschulen
Zusätzlich zu unseren sexualpädagogischen Angeboten startete das Projekt „Hebammen in
der Grundschule“ für 3. Grundschulklassen mit dem Thema Schwangerschaft und Geburt.
Das Projekt wurde gut angenommen und 26 mal durchgeführt.
46
Unsere Hebamme vermittelt den Kindern Schwangerschaft und Geburt altersgerecht und
lebensnah. Sie arbeitet mit anschaulichen Materialien und Spielen, sodass die Kinder das
Gehörte und Gesehene leicht in die eigene Erlebniswelt integrieren können.
Sexualität und Behinderung
pro familia Osnabrück bietet seit vielen Jahren sexualpädagogische Seminare und Gruppen
für Menschen mit einem oder mehreren Handicaps an. Spezielle Angebote richten sich auch
an Interessierte, die dieses Klientel in verschiedenen Formen betreuen: Familienangehörige,
BetreuerInnen in diversen Institutionen, Pädagogen, und MitarbeiterInnen.
Auch in der Nordhorner Beratungsstelle hat sich im Jahr 2009 das Thema Sexualität und
Behinderung etabliert aufgrund vieler Anfragen von entsprechenden Betreuungseinrichtungen.
„Liebe Lust und Älterwerden“
Angesichts der demographischen Entwicklung ist für pro familia das Thema Liebe Lust und
Älterwerden in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Wir bieten für die
Bevölkerungsgruppe 60+ entsprechende Beratung und Information an.
In diesem Rahmen waren wir mit einem Stand auf der Messe „Mach was! Leben ab 50“
vertreten.
Mutterschutz und Arbeitsrecht
Vielleicht erinnern Sie sich: 2008 geriet eine Fleischfabrik im nördlichen Landkreis in die
Schlagzeilen. Dort tätige Frauen berichteten über Schwangerschaftstests bei Festeinstellung
bzw. Vertragsverlängerung.
So hat uns das Thema Schwangerschaft und Mutterschutz am Arbeitsplatz auch in 2009
begleitet. pro familia nahm an einer Podiumsdiskussion zum AGG teil. Außerdem wurden an
verschiedenen
Orten
im
Landkreis
(Bersenbrück,
Bad
Iburg,
Osnabrück)
Informationsveranstaltungen zum Thema Mutterschutz und Arbeitsrecht organisiert. Die
RechtsanwältInnen Ira Schulze-Nünning, Barbara Hansen und Axel Zumstrull informierten zu
dem Thema, und beantworteten entsprechende Fragen. Finanziert wurden diese
Veranstaltungen vom Landkreis Osnabrück.
Gesprächsgruppe für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch
Neben dem Angebot der Paar- und Einzelberatung zum Thema „Unerfüllter Kinderwunsch“
hat sich die Form einer angeleiteten Gesprächsgruppe für Paare in den letzten Jahren
etabliert. So fand von Februar bis Juni 2009 in den Räumen der pro familia Beratungsstelle
für Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch wieder eine Gesprächsgruppe statt. Insgesamt
4 Paare nahmen das Angebot wahr, sich in vertrauensvoller, sehr persönlicher Atmosphäre
über die psychosozialen Aspekte ihres unerfüllten Kinderwunsches auszutauschen. Alle
Paare konnten über Erfahrungen mit reproduktionsmedizinischen Behandlungsmethoden
berichten und sich über die hiermit verbundene erlebte psychische Belastung austauschen.
Neben einer seelischen Entlastung ging es hierbei auch um Möglichkeiten der
Stressreduktion während der Behandlungsphasen.
Mehr als eine Scheinberatung
Um die Qualität unserer Arbeit sicherzustellen, arbeiten wir mit der Fachhochschule
Osnabrück zusammen. Im Jahr 2009 gab es zwei Bachelorarbeiten. Eine Arbeit behandelte
den Bereich Beratung mit dem Titel: „Scheinberatung“ -Wie hilfreich ist die gesetzlich
auferlegte Schwangerschaftskonfliktberatung aus der Sicht der Frauen? Eine andere Arbeit
aus dem Bereich der Sexualpädagogik hatte das Thema: „Aufklärung- Was Jugendliche
denken und pro familia wissen sollte! - Eine Analyse der sexualpädagogischen Arbeit der pro
familia Beratungsstelle Osnabrück. Die lesenswerten Bachelorarbeiten können in der
Beratungsstelle ausgeliehen werden.
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Neues Projekt mit jungen und werdenden Vätern
In einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte für Metallverarbeitung in Georgsmarienhütte hat
sich auf Anfrage des dortigen Sozialpädagogen eine Gruppe von jungen Vätern etabliert, die
wir leiten und betreuen. Wir möchten dieses Angebot vor allem auf außerschulische Projekte
zur Begleitung von jungen Vätern erweitern und über diese Präventionsarbeit hinaus die
Öffentlichkeit für die schwierige Situation der jungen Väter sensibilisieren. Das Projekt wird
freundlicherweise von der Stiftung zur Förderung des Gesundheitswesens/Gesundheitszentrum Bad Laer finanziell unterstützt.
48
pro familia-Beratungsstelle Peine
Die pro familia Beratungsstelle Peine hat im vergangenen Jahr insgesamt 1599 Beratungen
durchgeführt. Dieses ist nochmals ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Jahr 2008 (1346).
Am meisten nachgefragt wurde die Beratung vor / während und nach der Schwangerschaft.
Seit Mai 2009 bieten wir jeden ersten Mittwoch im Monat eine familienrechtliche Beratung
durch den Rechtsanwalt Thomas Keller an. Nach den bisherigen Erfahrungen wird dieses
neue Angebot sehr gut angenommen und stellt eine Bereicherung für unsere Beratungsstelle
dar.
Das Angebot umfasst folgende Themen:
• Fragen des Unterhalts
• Regelung des Sorge- und Umgangsrechts
• Wohnungszuweisung / Hausrat / Gewaltschutz
• Vermögensauseinersetzung zwischen Ehegatten
• Beratung hinsichtlich der nichtehelichen Lebensgemeinschaft
• Ehescheidung
• Statusrechtliche Fragen (Vaterschaft / Anfechtung der Vaterschaft / Namensrecht)
• Steuer- und sozialrechtliche Bezüge in familienrechtlichen Angelegenheiten
Im September hatten wir zu diesem Thema eine Informationsveranstaltung mit Herrn Keller
angeboten, die von 18 Teilnehmer /innen besucht wurde. Zwischen theoretischen Inputs
wurde die Möglichkeit Fragen zu stellen und ins Gespräch zu kommen, von den
Anwesenden gut genutzt, sodass es eine sehr informative, gesprächige Veranstaltung war.
Aufgrund der positiven Resonanz werden wir jedes Jahr mindestens einmal zu einer
Informationsveranstaltung zum Familienrecht einladen.
Für die sexualpädagogische Arbeit ist auch dieses Jahr das Spektrum sehr groß gewesen.
Überwiegend hatten wir Projekte mit Schulklassen des 7. Jahrgangs. Darüber hinaus waren
wir in der Grundschule und hatten Auszubildende zur Gesundheits- und Krankheitspfleger/in.
Mit der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) wurde ein 3-tägiges Projekt
zum Thema AIDS in der Realschule Edemissen durchgeführt.
Weiterhin ist die Arbeit mit geistig behinderten Menschen ein Schwerpunktthema. Im
Unterschied zu Schulklassen finden mit diesen Gruppen meistens sechs Treffen statt. Die
regelmäßigen, mehrmaligen Treffen helfen uns ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und
Einblick in die Lebenswelten der Teilnehmer/in zu bekommen. So ist es uns möglich, die
Themen im angemessenen Tempo und den Bedürfnissen entsprechend zu behandeln.
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Peine
Karin Meinecke
Brigitte Blümel
Anne Henken
Alexandros Pavlidis-Nasogga
Beate Wollny
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pro familia-Beratungsstelle Salzgitter
(mit der Außenstelle Salzgitter Bad)
Jahresschwerpunkte 2009
Dorffest
Salzgitter-Lebenstedt hat einen alten Dorfkern, in dem auch unsere Beratungsstelle
vorzufinden ist. Am 5. September fand ein „Dorffest“ zum 850-jährigen Jubiläum statt, an
dem wir uns beteiligten. Viele Einrichtungen aus dem sozialen Bereich, Handwerk und Arbeit
mit Kindern nahmen an dem ganztägigen Festtag teil.
Neben dem Stockbrot, was wir an dem Tag für die Kinder angeboten haben, war unser
„Highlight“ eine Umfrage zum Thema Sexualität. Hier die Ergebnisse:
1. Frage:
„Sexualität ist wichtig für eine gute Beziehung“
Antworten:
Stimmt
Stimmt nicht
Frauen
25
8
Männer
0
4
2. Frage
„Sexualität ist mehr als nur Geschlechtsverkehr“
Antworten:
Stimmt
Stimmt nicht
Frauen
21
2
Männer
17
1
Tag der älteren Menschen
Am 1.Oktober war der Tag der älteren Menschen. Wir haben auf diesen Tag aufmerksam
gemacht, indem in der hiesigen Zeitung ein sehr offenes Interview einer 66jährigen Klientin
über das Thema Sexualität und Beziehung veröffentlicht wurde.
Darüber hinaus war die Buchhandlung im Ärztehaus gern bereit, mit uns ein Schaufenster zu
dekorieren, in dem Bücher für „ältere “Menschen in Bezug zu Sexualität und Beziehung
gezeigt wurden.
Workshops „Schwangerschaft, Elternsein, Babys und Kleinkinder”
Am Samstag, den 7. November fand in Zusammenarbeit mit dem SOS-Mütterzentrum, Dr.
Peltner und vielen anderen Anbietern und Anbieterinnen ein Informations- und
Veranstaltungstag im Mütterzentrum in Salzgitter-Bad statt. Die Angebote richteten sich an
Schwangere, Eltern, Familien und auch Omas und Opas.
Neben der kulinarischen Versorgung, der ganztägigen Kinderbetreuung und
Informationsmöglichkeiten zu den Angeboten für Schwangere und Familien in Salzgitter,
wurde an diesem Tag
• der Kurs „erste Hilfe am Kind“ mit reger Beteiligung zweimal von Dr. Peltner
durchgeführt
• Schwangeren eine Gipsplastik von ihren Bäuchen angefertigt oder von Kinderhänden
oder was man sonst wollte
• ein intensiver und gut verständlicher Kurs zur Säuglingspflege angeboten
• durch die Hebamme informiert
• über Unterstützungsmöglichkeiten informiert
50
die gängigen Verhütungsmittel wurden genauso vorgestellt wie der Inhalt des pro
familia Erotikkoffer „light“
und vieles mehr.
Dieser Tag war besonders aufgrund der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem
Mütterzentrum so erfolgreich, dass eine Fortsetzung in 2010 geplant ist.
•
Spezielle Angebote für „junge“ Schwangere und „junge“ Mütter in SalzgitterLebenstedt und im Mütterzentrum Salzgitter-Bad
• wöchentliche Treffen jeweils mit jungen Schwangeren und jungen Müttern im SOSMütterzentrum in Salzgitter-Bad und in der pro familia Beratungsstelle SZLebenstedt
• in Salzgitter-Lebenstedt sowie in Salzgittter-Bad zweiwöchentliche Hebammensprechstunde
• bei Bedarf Hausbesuche der Familienhebamme
• Einzelgespräche und Unterstützung bei Behördengängen, Zusammenarbeit z.B. mit
der Arge, dem Jugendamt
• monatliche Sprechstunde im SOS-Mütterzentrum mit Dr. Peltner (Kinderarzt und
Leiter einer Kinderklinik)
• auf Wunsch Delfi-Kurs für junge Mütter mit Baby in Zusammenarbeit mit der
Evangelischen Familienbildungsstätte, SZ-Lebenstedt
• auf Wunsch Babyschwimmen in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe, SZGebhardshagen
• auf Wunsch Babymassage
• Weitergabe von Spenden (SOS- Mütterzentrum, Caritas, Kinderschutzbund, privat,
Fredenberger Gemeinde) z.B. Baby- und Kinderkleidung, Kindermöbel, Autositze,
vereinzelt Mobiliar.
Öffentlichkeitsarbeit und Arbeitskreise
Arbeitskreise:
• Arbeitskreis „Schwangerenberatung“ in Zusammenarbeit mit Caritas und Diakonie
• Vernetzter
Arbeitskreis
in
Zusammenarbeit
mit
dem
Arbeitskreis
Schwangerenberatung und der Arge
• Arbeitskreis 8. März – Internationaler Frauentag, Salzgitter
• Bündnis für Erziehung und Bildung, Salzgitter
• Präventionsrat Salzgitter
• Kreisgruppenversammlung des PARITÄTISCHEN
• „Runder Tisch“ gegen häusliche Gewalt
• AK Planspiel in Zusammenarbeit mit Drogen- und Suchthilfe
• Arbeitskreis „Sexualpädagogik“, pro familia-Landesverband Niedersachsen
Öffentlichkeitsarbeit:
• Veranstaltung „keine Gewalt gegen Frauen“
• Internationaler Frauentag
• Informationsveranstaltung für Schwangere, Mütter, Eltern, Kinder und Großeltern in
Zusammenarbeit mit Dr. Peltner im SOS - Mütterzentrum
• Kooperation mit dem Referat für Gleichstellung
• Austausch und Vernetzung mit anderen Beratungsstellen und Institutionen, z.B.
SOS-Mütterzentrum, Diakonie, Caritas, Evangelische Familienbildungsstätte, ARGE,
Jugendamt - und interessierten Personen, u.a. ÄrztInnen, RechtsanwältInnen,
LehrerInnen und PädagogInnen der Jugendhilfeeinrichtungen, Kinderarzt, Hebamme
• Dorffest am 5.9.
51
•
•
•
Bündnis am See am 16. Mai „Leben mit Kindern“
Tag der älteren Menschen - Buchhandlung im Ärztehaus
Presse
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Salzgitter
Von links nach rechts: Kirsten Kunisch, Axel Hengst, Claudia Jansen, Dagmar Herzog
52
pro familia-Beratungsstelle Soltau
Neben der üblichen Beratungs- und sexualpädagogischen Arbeit stellen wir folgende
Highlights aus dem Jahre 2009 vor:
Verhütungsmittelfonds des Landkreises Soltau-Fallingbostel
Die SchwangerschaftskonfliktberaterInnen der Region stellten beim Landkreis
Soltau/Fallingbostel einen Antrag auf Einrichtung eines Fonds aus dem Verhütungsmittel für
SGB II / SGBXII- und Asylbewerberleistungsgesetz-Bezieher finanziert werden.
Der Kreistag unterstützte dieses Ansinnen und beschloss die Einrichtung des Fonds für
2009, ausgestattet mit 4.000,-€. Um die Auszahlung unbürokratisch und schnell zu gewähren
wurde das Diakonische Werk Walsrode für AntragstellerInnen aus dem Südkreis und pro
familia für den Nordkreis für die Verteilung der Mittel vorgeschlagen. Diese Aufgabe haben
wir gern übernommen. Um so vielen Menschen wie möglich zu helfen, waren 130,-€ die
maximale Erstattungssumme.
Damit konnte die Kupferspirale komplett bezahlt werden. Den BeraterInnen war wichtig, dass
solche langfristig wirksamen, aber teuren Verhütungsmittel auch gewährt werden konnten.
Nachdem wir zusammen mit dem Diakonischen Werk Walsrode die sehr positiven, z.T.
berührenden Gespräche mit den KlientInnen, die Hilfe aus dem Fonds erhalten haben, dem
Sozialausschuss des Landkreises berichteten, wurde der Beschluss gefasst, den Fonds
auch weiterhin mit jährlich 4.000,-€ auszustatten.
Sexualpädagogische Veranstaltung zum „Umgang mit Sexualität in den HeideWerkstätten e.V.“
Auf Anfrage der Heide-Werkstätten e.V. veranstalteten wir zwei Seminare mit zwanzig
MitarbeiterInnen und SozialpädagogInnen aus den Werkstätten. Zwei Termine standen uns
für die Gruppen aus Munster und Soltau zur Verfügung, die wir zunächst in enger Absprache
mit den Verantwortlichen planten, um so Themenschwerpunkte festlegen zu können. Stark
geprägt durch die Veränderungen im Werkstattbereich stellten sich Themen zum sexuellen
Missbrauch und Übergriffe, sowie der Umgang mit auftretenden Fällen und kollegiale
Fallbesprechung in den Vordergrund. Darüber hinaus müssen sich nicht nur die
Wohnbereiche, sondern auch die Werkstätten, mit dem Alterungsprozess und der Begleitung
von MitarbeiterInnen auseinandersetzen. Dieser Alterungsprozess beinhaltet und benötigt
eben auch das Wissen um Wechseljahre und die körperlichen Veränderungen.
Jeweils vier Stunden konnten wir so im Werkstattbetrieb nutzen - um, neben dem eigenen
Umgang mit Sexualität der ErzieherInnen und SozialpädagogInnen, auch auf die
individuellen Situationen der MitarbeiterInnen einzugehen und für die Arbeit und dem
Umgang mit Sexualität zu sensibilisieren.
Durch die intensive Zusammenarbeit und das große Interesse der MitarbeiterInnen an der
Thematik, liegt uns für eine Erweiterung der spezifischen Fragen, der Klärung von
unterschiedlichen Begrifflichkeiten, wie zum Beispiel Perversionen, bereits eine Anfrage vor.
Durch die angesprochenen Fälle und Praxisreflexionen wurde eine nochmalige und intensive
Fallbesprechung gewünscht. Daher ist eine Kooperation mit den Heide-Werkstätten e.V.
auch für das Jahr 2010 bereits in Planung.
Präventionsprojekt Aids, Mitmach-Parcours der BZgA
Auf unsere Anregung und Initiative hin, war es im August so weit, dass wir den „MitmachParcours zu Aids, Liebe und Sexualität“ der BZgA im Landkreis anbieten konnten. Unser
Fokus lag daher auf der Vernetzung zwischen den Institutionen und der Möglichkeit einen
Themenkomplex für SchülerInnen zu öffnen, um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen und für
den Umgang mit sexuell übertragbaren Krankheiten zu sensibilisieren. An den fünf Stationen
des Parcours ging es um die Auseinandersetzung mit der Thematik, die methodisch
durchdacht, den SchülerInnen in einer angenehmen Gruppengröße erlaubte, von
unterschiedlichen Perspektiven Liebe, Sexualität und den Umgang mit HIV/Aids zu
betrachten und zu thematisieren. Spielerisch und pädagogisch vorbereitet blieben bisher
offene Fragen der beteiligten Teilnehmer nicht unbeantwortet und jeder konnte individuell die
53
Wichtigkeitsgrade für sich festlegen. Gerade durch die offene Atmosphäre blieb niemand
teilnahmslos und unbeeindruckt von der Thematik und konnte für sich die komplexe
Thematik erschließen.
Zusätzlich erreicht der Parcours aber ebenfalls den Effekt, dass er die Schwellenangst vor
Beratungsstellen und Institutionen nehmen konnte, da Personen und Anlaufstellen nun nicht
mehr die „Unbekannten“ sind, sondern direkt in der Interaktion erfahrbar waren. Zusätzlich
zu der Bekanntmachung der Beratungsstelle war auch die Planung und Kooperation mit den
vielen im Landkreis angesiedelten Einrichtungen eine Bereicherung und diente auch zur
intensiveren Vernetzung zwischen den Beratungsstellen und Ansprechpartnern für die
Thematik. Eine langfristige Präventionsarbeit und Vernetzung, auch zu den Schulen, ist auch
hier gegeben, da gerade die Umsetzung durch die fachlichen Kompetenzen aller Fachkräfte
zum Erfolg beitrug. So gelang es unserer Beratungsstelle, den Parcours für fünf Tage in den
Landkreis zu holen, der nicht nur die Vernetzung zwischen sechs Einrichtungen (pro familia
Soltau,
Landkreis
Soltau
Fallingbostel,
Freizeitbegegnungsstätte,
Soltauer
Stadtjugendpflege, Frauen helfen Frauen und dem Stephanstift) und den zwei
teilnehmenden Schulen (BBS Soltau und BBS Walsrode) intensivierte, sondern auch in
Soltau und Walsrode über 500 Schüler und Schülerinnen erreichte, die so mehr
Verantwortung im Umgang mit dem Thema übernehmen können. Durch die ebenfalls sehr
gute Zusammenarbeit mit der Kreissparkasse, konnte die Veranstaltung der BZgA durch die
Spende in Höhe von 800 Euro der Kreissparkassen Soltau und Walsrode finanziert und den
SchülerInnen überhaupt erst zugänglich gemacht werden.
Mit einer nachträglichen Betrachtung auf die Veranstaltung lässt sich positiv feststellen, dass
es auf der einen Seite den Schülern, auch in der Zukunft, hilft, sich an ein Thema zu wagen,
mit dem sich eher ungern auch im schulischen Kontext beschäftigt wird, und auf der anderen
Seite unserer Institution half, zusätzlich zu den ohnehin stattfindenden Gruppenarbeiten und
Seminaren, sich der Öffentlichkeit und der Presse zu präsentieren!
Letztlich lässt sich festhalten, dass der Parcours zu einer Stärkung der regionalen
Präventionsstrukturen beiträgt.
Schulübergreifendes Präventionsprojekt „Stark ohne Gewalt“
Nach Ostern beteiligte sich die Beratungsstelle bei einer Projektwoche in der Realschule
Soltau, bei der rund 1000 SchülerInnen (Realschule, Hauptschule, Förderschule und BBS)
und viele Institutionen und eine internationale Musik- und Theatergruppe „Gen Rosso“
teilnahmen. Hierbei ging es vorwiegend um das Ziel, Gewalt zu thematisieren und auf die
Kräftigung des Selbstwertgefühls und das Erkennen der inneren Stärke zu setzen. Die
Jugendlichen sollen lernen, ohne Gewalt stark zu sein, sollen Selbstbewusstsein entwickeln
und ihre eigenen Fähigkeiten und Stärken erkennen. Das soll ihnen zeigen wie sie Konflikte
ohne verbale und körperliche Gewalt bewältigen – und sie befähigen, gegen Gewalt Stellung
zu beziehen.
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Das Team der pro familia-Beratungsstelle Soltau
Hinten: Hildegard Müller & Andrea Klenke
Mitte: Mary-Helen Fischer
Vorn: Thomas Schier
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pro familia-Beratungsstelle Stade
(mit der Außenstelle Bremervörde)
20 Jahre pro familia Stade
2009 war ein Jubiläumsjahr für die Beratungsstelle Stade. 20 Jahre zuvor im April hatte sie,
damals noch unter anderer Adresse, zum ersten Mal für Ratsuchende ihre Türen geöffnet.
Das Jubiläum war für uns eine willkommene Möglichkeit, im Rahmen einer 3-teiligen
Veranstaltungsreihe Themen in den Blickpunkt zu rücken, die uns in verschiedenen
Arbeitsbereichen zunehmend beschäftigen. Neben der Thematik „Partnerschaft und Internet“
mit zwei Veranstaltungen (Autorenlesung und Fest-Vortrag) war es der Bereich „Sexualität
und Älterwerden“, dem wir in Form von Vortrag und Film in den Harsefelder Lichtspielen
einen ganzen Themenabend gewidmet haben.
Darüber hinaus hat uns rückblickend die Frage interessiert, ob, und wenn ja, in welchen
Arbeitsbereichen wir im Laufe der Jahre Veränderungen beobachten konnten. Gibt es zum
Beispiel Veränderungen hinsichtlich der Fragen, mit denen Ratsuchende unsere
Beratungsstelle aufsuchen sowie der Anforderungen, die an uns BeraterInnen gestellt
werden?
Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf unsere Kernarbeitsfelder, die sich
aus dem
§ 2 SchwKG (Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von
Schwangerschaftskonflikten) ergeben und die am häufigsten nachgefragt werden:
•
•
•
•
Schwangerenberatung
Schwangerschaftskonfliktberatung
Sexualpädagogik
Sexual- und Partnerschaftsberatung
Das Ergebnis zeigt, wie sehr sich gesellschaftliche Entwicklungen in den Beratungen
widerspiegeln. Für uns als BeraterInnen erfordert es ein hohes Maß an Sensibilität, Offenheit
und fachlicher Kompetenz, um den veränderten und immer komplexer werdenden
Anforderungen flexibel begegnen zu können.
Schwangerenberatung
Inhalt:
• Psychosoziale Beratung vor, während und nach einer Schwangerschaft
• Informationen und Beratung zu sozialen, finanziellen und gesetzlichen Hilfen:
Mutterschutz,
Mutterschaftsgeld,
Kindergeld,
Elterngeld,
Elternzeit
und
Arbeitslosengeld II
• Antrag bei der Bundesstiftung „Mutter und Kind“
Trend:
In der Schwangerenberatung beobachten wir einen deutlichen Anstieg zu Fragen nach
(sozial-) rechtlicher Beratung. So tauchen z.B. bei der Beantragung von Stiftungsgeldern
immer häufiger Fragen auf, welche die Gesamtsituation der Ratsuchenden betreffen. Die
komplexen sozialrechtlichen Veränderungen, angefangen von ALG II über Elterngeld,
Entwicklungen im Bereich der frühen Hilfen, (z.B. Familienservice-Büros, Wellcome-Projekt,
„Frühe Hilfen“) bis hin zum neuen Unterhaltsrecht, führen zu Verwirrungen.
Mit den regelmäßig stattfindenden Info-Abenden geben wir einen Überblick über die
wichtigsten gesetzlichen Regelungen und aktuellen Änderungen rund um Schwangerschaft
und Geburt. Mit diesem Angebot erreichen wir verstärkt Frauen und Paare, denen es nicht in
erster Linie um finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten geht, sondern um die Frage, was mit
der Geburt des Kindes wie, wann und wo zu regeln ist.
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Bei dem Angebot der Beratung und Begleitung während Krisensituationen in der
Schwangerschaft, z.B. durch Trennung vom Partner, Auseinandersetzung mit Eltern bei
jugendlichen Schwangeren etc. ist kein eindeutiger Trend festzustellen.
Manche Frauen suchen sich gezielt bei uns Unterstützung in ihrer Krise, andere Frauen
fassen im Laufe der sozialrechtlichen Beratung Vertrauen, um belastende Probleme
anzusprechen.
Schwangerschaftskonfliktberatung
Inhalt:
• gesetzlich vorgeschriebene Beratung (nach §§ 218/219 StGB) vor Durchführung
eines Schwangerschaftsabbruchs
Trend:
Entgegen
des
bundesund
landesweiten
Trends
sinkender
Zahlen
bei
Schwangerschaftsabbrüchen ist die Anzahl der Schwangerschaftskonfliktberatungen in
unserer Beratungsstelle mit 224 Beratungen seit mehreren Jahren konstant hoch im Rahmen
einer normalen statistischen Schwankung. (Hieraus lassen sich jedoch keine
allgemeingültigen Angaben für die Stadt und den Landkreis Stade ableiten, da es neben uns
noch weitere Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in der Region gibt.)
Die Gründe, aus denen heraus Frauen einen Schwangerschaftsabbruch wünschen oder in
Erwägung ziehen sind vielfältiger Natur. Häufig wird bei jüngeren Frauen als Grund
mangelnde berufliche Sicherheit genannt. Sei es, dass sie sich in Schule/Ausbildung oder
Studium befinden oder gerade am Anfang ihrer Berufstätigkeit stehen. In diesem
Zusammenhang hören wir immer wieder den Satz: „Ich möchte meinem Kind doch etwas
bieten können!“ Selten stehen jedoch allein finanzielle Gründe im Vordergrund. Eher ist es
die Angst vor mangelnden eigenen beruflichen Perspektiven und zukünftiger Abhängigkeit,
die wir bei den Frauen beobachten. Als Trend beobachten wir, dass es für Frauen
zunehmend zur Selbstverständlichkeit wird, erst eine berufliche und finanzielle
Unabhängigkeit zu erreichen, bevor eigene Kinder vorstellbar sind.
Frauen, die bereits Kinder haben, entscheiden sich für einen Abbruch, wenn sie mit der
Familienplanung für sich bereits abgeschlossen haben oder wenn sie z.B. gerade dabei
sind, ins Berufsleben zurückzukehren. Häufig äußern sie auch, sich einer weiteren
Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen nicht (mehr) gewachsen zu fühlen oder
psychisch überfordert zu sein. Als Trend ist hier festzuhalten, dass derartige
Belastungssituationen gerade im psychischen Bereich immer häufiger formuliert werden.
Probleme in der Partnerschaft, Krise oder Trennung aufgrund der Schwangerschaft und
die Angst, mit dem Kind später alleine da zu stehen, sind weitere wichtige Faktoren, die
Frauen als Grund für einen Abbruch anführen. Ein Trend ist hier nicht festzustellen.
Sexual-Pädagogik
Inhalt:
• schulische und außerschulische Veranstaltungen zu Themen wie Verhütung,
Freundschaft, Liebe, Sexualität etc.
• Elternabende
• Fortbildungen und MultiplikatorInnenarbeit
• Veranstaltungen für Menschen mit Behinderungen
• Projekt: „Elternschaft lernen“
Trend:
Die gravierendste Veränderung, die wir in unserer sexualpädagogischen Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen in den letzten Jahren beobachten, ist der zunehmende Einfluss des
Internets, des Nachtprogramms verschiedener privater Fernsehsender und anderer
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neuer Medien auf die Jugendlichen. Viele Jugendliche haben einen eigenen PC im Zimmer
und die überwiegende Mehrheit besitzt ein Handy mit Videofunktionen.
Im Bereich Pornographie bekommen die Kinder und Jugendlichen z.B. Eindrücke und
Bilder, die sie nicht einzuordnen wissen. Gerade bei harten Pornos macht das Gesehene
Angst und verführt evtl. dazu, zu glauben, so funktioniere Sexualität.
Selbst wenn Jugendliche durchaus äußern, dass sie sich ekeln und wütend sind über solche
Darstellungen, bleibt eine Verunsicherung, die eine selbstbestimmte sexuelle Entwicklung
möglicherweise erschwert.
Andererseits sind die meisten Jugendlichen sehr wohl in der Lage, zwischen dem
Gesehenen und dem eigenen Leben zu unterscheiden. Was sie für sich selber wünschen,
hat nichts mit den Bildern zu tun, die für sie durch Handy und Internet allgegenwärtig sind.
Wichtig ist ein Austausch hierüber, für den die meisten Jugendlichen nach unserer Erfahrung
sehr offen sind.
Wir beobachten immer wieder, wie sehr Trends von den Medien gemacht werden. Tritt bei
DSDS z.B. ein transsexueller oder schwuler Kandidat auf, so ist das garantiert Thema in den
darauffolgenden Wochen. Plötzlich wissen die Jugendlichen, was Transsexualität bedeutet,
interessieren sich dafür, wie man eigentlich merkt, dass man schwul ist. So werden Tabus
gebrochen und führen im günstigen Fall zu einer Auseinandersetzung mit Klischees.
Seit gut zwei Jahren nehmen in manchen Mädchengruppen Fragen rund um die HPVImpfung einen zentralen Platz ein und machen den Gesprächs- und Informationsbedarf der
Schülerinnen deutlich.
Paar- und Sexual-Beratung
Inhalt:
Information und Beratung für Paare und Einzelpersonen:
• Bei Problemen des Paares während der Schwangerschaft oder nach der Geburt
• Bei Krisen und Konflikten
• Bei sexuellen Problemen
• Bei Trennung und Scheidung
Trend:
Auch in diesem Aufgabenbereich wird deutlich, wie sehr sich gesamtgesellschaftliche Trends
in unserer Beratung widerspiegeln. Anders als noch vor 20 Jahren haben die neuen Medien
einen ungeahnten Einfluss auf Dynamik und Gestaltung einer Paarbeziehung bekommen.
Zum Teil wird dies als Chance (z.B. neue Möglichkeiten der Kontaktaufnahme) beschrieben,
in vielen Fällen jedoch als Bedrohung erlebt:
Das Internet ermöglicht über Chats eine fingierte bzw. idealisierte Selbstdarstellung und
neue,
unverfängliche
Kontaktaufnahmen
bis
hin
zur
Absprache
zum
außerpartnerschaftlichen Sex und / oder zur Entstehung einer neuen Liebesbeziehung.
Weiter wird der heimische PC genutzt zum Pornographiekonsum und für die Stimulation zur
Selbstbefriedigung. Dies erlebt der/die PartnerIn in den meisten Fällen als Kränkung und
Bedrohung der Partnerschaft.
Das Handy kann beispielsweise genutzt werden zum heimlichen Versenden von
Liebesnachrichten, gleichzeitig liefert es dem/der PartnerIn aber auch Beweismaterial beim
Auffinden derselben. Auseinandersetzungen rund um SMS oder Internet-Aktivitäten sind in
den Beratungen mittlerweile ein Dauerbrenner.
Weiter ist auffällig, dass sexuelle Unlust quer durch alle Altersschichten als Grund für einen
Beratungswunsch angegeben wird. Nicht nur Paare, die bereits seit vielen Jahren
zusammen sind, sondern vermehrt auch junge Paare mit einer noch kurzen
Beziehungsgeschichte kommen in die Beratung, da sie keinen Sex mehr miteinander haben
und dies als Ursache ihrer Probleme sehen.
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Junge Frauen, die eine Sexual-Beratung bei uns aufsuchen, kommen häufig aufgrund von
Orgasmusproblemen. Hier beobachten wir eine Veränderung in dem Selbstbild von
Frauen. Zu einer „normalen“ Sexualität gehört nach ihrem Verständnis die Fähigkeit, einen
Orgasmus bekommen zu können. Wenn das nicht funktioniert, dann stimmt etwas nicht. Die
Selbstverständlichkeit der Frauen, dieses Thema trotz aller Scham offensiv anzugehen,
nimmt eindeutig zu.
Viele Paare in unseren Beratungen sind Eltern kleiner Kinder, die zerstritten und zutiefst
frustriert sind bzgl. der typischen Rollenverteilung, die sich mit Geburt des ersten Kindes
eingeschlichen hat. Mittlerweile wollen fast alle Paare zu Beginn ihrer Partnerschaft eine
egalitäre Aufteilung der Aufgaben. Dieser Anspruch lässt sich in der Realität bisher leider nur
in Ausnahmefällen tatsächlich zufriedenstellend umsetzen. In der Regel ist der Mann der
Hauptverdiener, die Frau bezieht 12 Monate Elterngeld, der Mann, wenn überhaupt, die 2
Partnermonate. Schon hier verfestigt sich das alte Rollenmuster, welches beide anfangs
überwunden glaubten. Wenn die Partner für ihre eigene Unzufriedenheit nun den jeweils
anderen verantwortlich machen, beginnt eine Spirale aus Vorwürfen, Schuldzuweisungen,
gegenseitigen Verletzungen und eigener Verzweiflung, die manchmal ohne Unterstützung
von außen nicht mehr zu stoppen ist.
Der Trend ist eindeutig: die klassische Rollenaufteilung gilt nicht mehr als ideales
Partnerschaftsmodell, wird aber nicht zuletzt aufgrund gesellschaftlicher Zwänge weiterhin
gelebt und birgt dadurch gerade für viele junge Familien ungeheuren Sprengstoff.
Beratungs-Anlass für ältere Paare sind immer häufiger sexuelle Probleme/Veränderungen.
Früher wurden eher partnerschaftliche Probleme, z.B. durch Neuanpassung an eine neue
Lebensphase, formuliert.
Nicht zuletzt beobachten wir eine beraterische / therapeutische Vorbildung der Paare
bzw. einzelner Partner durch eigene Therapieerfahrungen, oder auch durch bekannte
Fernsehsendungen (Beratungs-/Therapiesendungen).
Auch wenn unsere Beratungen nur einen Ausschnitt der gesellschaftlichen Realität
widerspiegeln und anhand der Beratungszahlen keine allgemeingültigen Rückschlüsse
gezogen werden können, lässt sich sagen, dass eine durchgängige erfreuliche
Veränderung zu beobachten ist:
Die Möglichkeit, sich in bestimmten Lebenssituationen Hilfe und Unterstützung zu holen, wird
sehr viel vorurteilsfreier genutzt als früher.
Da die Hürde, Beratung für sich in Anspruch zu nehmen, sinkt, melden sich Paare häufiger
zu einem früheren Zeitpunkt ihrer Krise, was diagnostisch positiv zu bewerten ist.
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Stade
Von links nach rechts: Berit Filschke, Susanne Quick, Lothar Kleinschmidt, Katarzyna
Piotrowski, Anke Kollenda, Marina Vollmann, Birte Lutz
59
pro familia-Beratungsstelle Uelzen
2009 verzeichnen wir gegenüber dem Vorjahr eine leichte Steigerung der Beratungszahlen
inklusive Gruppenarbeit.
Thematisch haben wir uns in diesem Jahr verstärkt dem Bereich „Liebe, Lust und
Älterwerden“ gewidmet. Am Internationalen Tag der älteren Generation konnten wir hierzu
eine Telefonsprechstunde anbieten, die noch etwas zögerlich angenommen wurde, uns aber
doch ermutigte, das Angebot im nächsten Jahr zu wiederholen.
Dass insgesamt zu diesem Themenbereich Gesprächsbedarf besteht, zeigte uns vor allem
die Hörfunksendung des NDR 1, Hörfunkreihe Ratgeber „Neuer Schwung in alter
Beziehung“, bei der wir bereits im dritten Jahr bei der anschließenden telefonischen
HörerInnenberatung mitgewirkt haben.
Mit dem Themenkomplex „Sexualerziehung als Chance und Prävention – Jugendliche
stärken durch Information und Austausch rund um die Themen Liebe, Sexualität und
bewusste Lebensplanung“ war die pro familia-Beratungsstelle Uelzen erneut an einer
Berufsbildenden Schule eingebunden. Dieses Projekt, das für die SchülerInnen der
Fachschule für Sozialpädagogik als MultiplikatorInnen-Fortbildung (SchülerInnen
unterrichten SchülerInnen) konzipiert wurde, wurde von unserer Sozialpädagogin Britta
Hönig jetzt bereits im vierten Jahr durchgeführt.
Hierbei wird den SchülerInnen Wissen zu den Themen wie Sexualerziehung,
Schwangerschaft, Verhütung, sexuelle Orientierung, sexuell übertragbare Krankheiten etc.
vermittelt. Es werden Methoden erarbeitet, mit Hilfe derer das Erlernte dann unter fachlicher
Begleitung in einer anschließenden Projektwoche an andere MitschülerInnen (z.B. BVJ)
weitergegeben wird.
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Uelzen
Von links nach rechts: Renate Feldhusen, Britta Hönig, Monika Mattig
60
pro familia-Beratungsstelle Wilhelmshaven
(mit den Außenstellen Nordenham, Varel)
Wichtiges aus dem Jahr 2009 – ein kurzer Rückblick von Gaby Krieghoff
Das Jahr 2009 beginnt mit einigen Veränderungen. Mitte Januar kommen Frau Frömel und
Herr Wellbrock als neue MitarbeiterInnen zu uns. In Nordenham gibt es im Januar einen
Umzug der Außenstelle von der Jahnstraße in die Herbertstraße 3, wir ziehen gemeinsam
mit dem Kinder- und Servicebüro des DKSB um. Wir mieten in den neuen größeren
Räumlichkeiten ein eigenes Beratungszimmer an, das wir nach unseren Vorstellungen
einrichten. Außerdem können nun in der Einrichtung Veranstaltungen mit Schulklassen
durchgeführt werden. Da das Eintreffen der neuen Büroeinrichtung sich verzögert, können
wir erst im März mit den Beratungen starten.
Im ersten Halbjahr nutzen wir unsere Energien für die Festigung und den Ausbau unserer
Arbeit. Wir bieten regelmäßig Sprechzeiten in Varel und Nordenham an, die immer mehr in
Anspruch genommen werden.
Erfolgreich fortgesetzt werden auch die Kurse für Frauen und Männer im Bereich „Sexualität
und Behinderung“ bei der GPS in Wilhelmshaven und beim CVJM-Sozialwerk in Nordenham.
Im Januar findet außerdem ein Tagesseminar für MitarbeiterInnen des CVJM Sozialwerkes
Wesermarsch zum Thema „Sexualität und Behinderung“ statt.
Das Projekt „Elternschaft auf Probe“ mit Babysimulatoren wird eine Woche lang mit großer
Anteilnahme und Erfolg in einer Klasse des Meyerhofs in Brake durchgeführt.
Wieder erfolgreich und sehr gut besucht verläuft ein vom Arbeitskreis „Frauen und
Gesundheit“ organisierter „Abend für Frauen“ zu dem Thema: „Depression“, der wieder im
Treff auf Siebethsburg in Wilhelmshaven stattfindet. Da mehrere Besucherinnen wegen
Überfüllung des Saales nicht teilnehmen konnten, wurde die Veranstaltung im Herbst ebenso
erfolgreich wiederholt.
Nun im Einzelnen die Gesamtberatungszahlenzahlen der pro familia Beratungsstelle
Wilhelmshaven mit den Außenstellen in Varel und Nordenham für 2009.
Die Zahl der Schwangerschaftskonfliktberatungen zum Schwangerschaftsabbruch bleibt
annähernd gleich (von 193 in 2008 auf 198 Beratungen). Leicht verringert ist die Zahl der
Erst-Beratungen nach § 2 SSKG, die die Beratung von Schwangeren und Multiplikatoren
und die Sexual- und Paarberatung umfasst (1091 Beratungen gegenüber 1143 in 2008).
Hinzu kommen aber 392 Wiederholer (330 in 2008), das sind Klienten, die zu weiteren
Gesprächen kommen, also hat sich die Gesamtzahl der Beratungen von 1666 in 2008 auf
1681 in 2009 leicht erhöht.
Weiterhin sehr gut angenommen wird unsere sexualpädagogische Arbeit mit Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es finden 306 Gruppenveranstaltungen mit
3889 TeilnehmerInnen (gegenüber 316 Gruppen in 2008 mit 3698 Jungen und Mädchen)
statt. Besonders die Jugendfilmtage Ende November 2009 werden wieder zum Event des
Jahres.
Verhandlungen mit dem Landkreis Wesermarsch, um die finanzielle Unterstützung unserer
Arbeit zu sichern, sind auch dieses Jahr vonnöten. Es finden mehrere Gespräche und
Verhandlungen gemeinsam mit allen Anbietern der Schwangerenberatung im Landkreis
statt. Ein Vertrag über mehrere Jahre soll geschlossen werden.
61
Die Arbeitsbereiche der pro familia Beratungsstelle Wilhelmshaven
Unser Arbeitsbereich umfasst Beratungen nach §§ 2, 5 und 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SSKG).
Die Beratungen gemäß §§ 5 und 6 SSKG sind die Schwangerschaftskonfliktberatungen,
die für einen Schwangerschaftsabbruch gesetzlich vorgeschrieben sind und die die
Aushändigung einer Beratungsbescheinigung beinhalten.
Die § 2 Beratungen umfassen grundsätzlich zwei Bereiche. Einmal Beratung rund um
Schwangerschaft und Geburt, einschließlich der Antragstellung bei der Stiftung „Mutter und
Kind“ (siehe unten) und die so genannte sozialrechtliche Beratung bei Schwangerschaft. Des
Weitern alle Gespräche über Aufklärung, Verhütung und Familienplanung. Dazu gehören u.
a. Multiplikatorengespräche mit Lehrern und Erziehern zur Sexualpädagogik und auch
Sexual- und Paarberatungen.
Der dritte große Arbeitsbereich von pro familia ist die Sexualpädagogik, statistisch vermerkt
unter Gruppen nach § 2. Das sind Veranstaltungen in Schulklassen und Jugendgruppen
zum Thema „Freundschaft, Liebe und Sexualität“, Männer- und Frauengruppen in
Einrichtungen für behinderte Menschen, Informationsveranstaltungen für Jugendliche und
junge Erwachsene z. B. vom BNW, von der Kinderkrankenpflegerschule und von der BBS,
Teilnahme an den Jugendfilmtagen in Wilhelmshaven, öffentliche Veranstaltungen zu
bestimmten Themen und vieles mehr.
Im Rahmen der Beratung nach § 2 können bei uns Anträge an die Stiftung „Mutter und
Kind“ gestellt werden, die Schwangeren eine einmalige finanzielle Unterstützung gewährt.
Zahl der Anträge 2009
gestellte Anträge
282
abgelehnte Anträge
6
bewilligte Anträge
276
Gesamtsumme der bewilligten Anträge
164 960,00 Euro.
Das sind im Durchschnitt pro Antragstellerin
602,04 Euro.
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Wilhelmshaven
Von links nach rechts:
Sitzend: Susanne Frömel, Gaby krieghoff, Cathrin Schulz
Stehend: Hanna Bulenda, Hermann Niehuis-Schwiertz, Bernd Wellbrock
62
pro familia-Beratungsstelle Wolfenbüttel
Die Anzahl der Beratungen hat 2009 mit 1.045 Beratungen einen Höchststand erreicht.
Neu in 2009: Sexualpädagogik jetzt mit gemischtgeschlechtlichem Team
Der Bereich Sexualpädagogik stellt einen Hauptaufgabenbereich unserer Arbeit in der pro
familia Beratungsstelle dar. Obwohl die meisten Jugendlichen gar nicht wissen, dass die
gemeinsame Arbeit mit ihnen sich hinter diesem Titel versteckt. Unter dem Begriff
„Sexualpädagogik“ wird die Präventionsarbeit für und mit Jugendlichen zusammengefasst.
Die meisten Jugendlichen sind zwischen 13–16 Jahren alt, wenn sie die Beratungsstelle
Wolfenbüttel zusammen mit ihren Schulklassen im Rahmen des Unterrichts besuchen. Dabei
wird der Kontakt in der Regel über das Lehrpersonal hergestellt, das von uns einen
Fragebogen zugesandt bekommt, der im besten Fall gemeinsam mit den SchülerInnen
ausgefüllt wird. Aufgrund der angegebenen Fragen und Themenwünsche ist es uns möglich,
die Einheit bei pro familia individuell, altersadäquat und entsprechend den Wünschen zu
konzipieren.
Einen wichtigen Aspekt bei dieser Arbeit stellt - neben der Abstinenz von Lehrpersonal - die
geschlechtsspezifische Trennung der Gruppen in Jungen und Mädchen dar.
An dieser Stelle komme - seit dem 01.01.2009 - ich ins Spiel. Mein Name ist Felix Schöning,
Dipl. Sozialpädagoge, 37 Jahre alt und mit 8 Wochenstunden der einzige männliche
Mitarbeiter im pro familia Team Wolfenbüttel. Somit fällt es in meinen Arbeitsbereich,
hauptsächlich den Jungen als Ansprechpartner während ihrer Zeit bei uns zur Verfügung zu
stehen.
Vor allem für die Jungen, die während ihrer Zeit im Kindergarten und den frühen Schuljahren
nur selten auf männliche Pädagogen treffen, soll ein männlicher Ansprechpartner die
Möglichkeit schaffen, „nur unter Männern“ angstfrei und offen über Sexualität zu reden und
entsprechende Fragen zu stellen. Ein Vorteil gegenüber den Eltern, mit denen Jugendliche
vor allem während der Pubertät über diese Themen nicht unbedingt sprechen möchten,
besteht darin, dass sie bei mir „zu Gast sind“ und mich in der Regel nur für diese eine
Veranstaltung sehen. Dies hat zur Folge, dass auch Dinge angesprochen werden können,
die sonst eher mit den besten Freunden oder möglicherweise gar nicht thematisiert werden.
Innerhalb der in der Regel 2-stündigen Einheiten geht es zum Beispiel um die Vermittlung
von Wissen rund um die Verhütung. Dabei steht das Kondom als das Verhütungsmittel für
Jungen und Männer im Vordergrund. Wo kann ich Kondome günstig kaufen? Ist das heute
noch peinlich? Worauf muss ich neben Haltbarkeitsdatum und CE- Zeichen achten? Wo sind
die Gefahren beim Automatenkauf? Warum ist es ungünstig Kondome im Portemonnaie mit
sich herum zu tragen? Gibt es verschiedene Größen und wie finde ich heraus, welches
Kondom das richtige für mich ist?
Diese und viele weitere Fragen sind in dem Zusammenhang wichtig. Vor allem in diesem
Bereich ist theoretisches Wissen oft nicht genug, auch der praktische Umgang mit den
„Gummis“ kann daher ausprobiert werden. Im Anschluss daran motiviere ich die Jungen
dazu, dass es nicht bei diesem einen Versuch während der Veranstaltung bleiben sollte. Es
ist wichtig, den Umgang mit „diesen Dingern“ auch allein zu üben und Sicherheit im Umgang
mit Kondomen zu erlangen, bevor es mit der Partnerin oder dem Partner zum Einsatz
kommt.
Neben dem Wissen, dass zur Sexualität auch ungewollte Schwangerschaften und
Übertragungskrankheiten gehören, geht es in den Jungengruppen vor allem darum
aufzuzeigen, dass Sexualität nicht nach dem Leistungsprinzip (länger, öfter, wilder) gestaltet
werden sollte, sondern so, dass es beiden gefällt. Die Jungen sollen ermutigt werden über
Sexualität zu reden, Fragen zu stellen, Wünsche zu äußern und neugierig zu sein, denn:
Auch „Sex haben“ will gelernt und geübt werden!
63
Ebenso stelle ich mich darauf ein, das vorbereitete Programm den Wünschen der Jungen
anzupassen und mir Zeit zu nehmen, die mitgebrachten Fragen der Jungen zu beantworten
(wie lange dauert Sex?), Mythen aufzuklären (wird man von einer zu langen Erektion
ohnmächtig? Entsprechen die Praktiken in Pornos tatsächlich der Realität?) oder Ängste zu
nehmen (wie lang ist ein Durchschnittspenis und wie viel ist überhaupt nötig?). Kichern und
Lachen ist an dieser Stelle ausdrücklich erlaubt!
Besonders großer Beliebtheit bei den Jugendlichen - und übrigens auch bei mir - erfreut sich
die Einheit zum Thema: Was ich die Mädchen schon immer mal fragen wollte! (die Mädchen
der Schulklasse arbeiten parallel dazu an Fragen für die Jungen.)
Innerhalb der Jungengruppe werden zu diesem Thema Fragen gesammelt und anonym auf
ein Plakat geschrieben. Dieser Fragenkatalog wird am Ende der vereinbarten Zeit mit der
Mädchengruppe ausgetauscht.
Nun ist es an den Jungen, die von den Mädchen gesammelten Fragen in Gruppenarbeit zu
beantworten. Aufgrund der Anonymität in der Gruppe ist es den Jungen möglich, sehr offen
und direkt zu antworten, ohne dass Einzelpersonen wiedererkannt werden können. Am Ende
werden beide Gruppen zusammengeführt und die erarbeiteten Antworten werden vorgestellt.
Die Reaktionen auf die Antworten reichen von Verwunderung und Erstaunen bis hin zu
Ungläubigkeit, Erheiterung aber vor allem auch Beruhigung und Verständnis. Am Ende
dieser Methode bleibt für die meisten Jugendlichen die Erkenntnis: Will ich etwas über Jungs
und Mädchen erfahren, dann hilft es, die ExpertInnen zu fragen - nämlich die Jungs und
Mädchen selber.
Denn schon aus der Sesamstrasse wissen wir doch:
Wer nicht fragt bleibt dumm!
Felix Schöning
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Wolfenbüttel
Von links nach rechts: Hildegard Köhler-Bernhardt, Monika Hartwig, Monika Hentig, Gabriele
Lehner, Felix Schöning
64
pro familia-Beratungsstelle Wolfsburg
Das Jahr 2009
35 Jahre pro familia
Im Jahre 1974 wurde die pro familia in Wolfsburg gegründet. Nun sind 35 Jahre vergangen
und dies wäre ein guter Grund zum Feiern gewesen. In Anbetracht des durch die weltweite
Finanzkrise gekennzeichneten Jahres 2009 entschieden wir uns gegen eine größere,
aufwendigere und damit teuere Jubiläumsfeier. Wir blicken auf ein sehr ereignisreiches Jahr
zurück.
Wir freuen uns sehr über unsere mittlerweile seit drei Jahren bestehende Kooperation mit
der Wolfsburger Rechtsanwältin Beate Ahrens. Frau Ahrens kommt einmal monatlich zu uns
und bietet Klienten eine kostenpflichtige juristische Informationsberatung an. Dieses Angebot
ist eine sehr sinnvolle Ergänzung zu unserer Einzel- und Paarberatung, in der es zum
großen Teil um die Themen Trennung und Scheidung geht und wird von vielen Klienten
gern genutzt. Wir konnten Frau Ahrens im Sommer auch als Referentin für einen
Informationsabend zum neuen Unterhaltsrecht gewinnen. Dieser Abend stieß auf großes
Interesse.
Seit dem Spätsommer hängen in zwei Wolfsburger EDEKA Märkten auffallende orange
Pfandboxen von uns – die Kunden können nach der Rückgabe ihrer Pfandflaschen ihre
Pfandbons in die Boxen werfen und damit unsere Arbeit unterstützen. „Pfandtastisch helfen“
nennt sich diese Kampagne, die pro familia in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein
der „Sozialhelden“ in einigen Städten gestartet hat. Die EDEKA Märkte Berliner Ring und
Detmeroder Markt haben uns den Raum zur Verfügung gestellt und die KundInnen können
sich mit einem kleinen Betrag, der nicht „weh tut“, sozial engagieren. Wir freuen uns sehr
über die Spenden, die für die Jugendarbeit eingesetzt werden.
Doktorspiele und Co. – die sexuelle Entwicklung von Kindern
Das Deutsche Rote Kreuz Gifhorn hat im April als Dankeschön für die dort tätigen
Tagesmütter einen „Tag der Kindertagespflege“ organisiert.
Zu dieser Veranstaltung referierten wir zum Thema „Doktorspiele und Co. – die sexuelle
Entwicklung von Kindern“. Nach einem einführenden interaktiven Referat nutzten die rund
100 Teilnehmerinnen die Möglichkeit, engagiert Fragen zu stellen und eigene Anliegen
anzusprechen. Im Anschluss sorgte das DRK für das leibliche Wohl aller Besucher. Diese
Zeit wurde auch für zahlreiche Gespräche rund um das Thema „Familie“ genutzt.
Im Oktober bekamen wir ein weiteres Mal die Gelegenheit mit Tagesmüttern zum Thema
„Doktorspiele und Co. – die sexuelle Entwicklung von Kindern“ zu arbeiten.
Das Familienservicebüro der Stadt Wolfsburg gab uns den Auftrag, interessierte
Tagesmütter entsprechend fortzubilden. In der dreistündigen Veranstaltung bearbeiteten wir
mit verschiedensten Methoden einzelne Aspekte des Themas. Auch anhand von eigenen
Anliegen der Teilnehmerinnen wurden unter anderem Fallbeispiele besprochen.
Wir freuen uns sehr, dass diese Fortbildung bei den Tagesmüttern eine so positive
Resonanz fand, dass das Familienservicebüro unsere Veranstaltung als dauerhaftes
Fortbildungsmodul in ihr Programm integriert hat und die ersten Anmeldungen von
Teilnehmerinnen schon eingegangen sind, bevor der Termin fest stand.
Pubertät
Im November haben wir im Rahmen des niedersächsischen Projekts „N-I-K-O“
(Niedersächsisches Kooperations- und Bildungsprojekt an schulischen Standorten) einen
Vortrag zum Thema „Pubertät“ im Gemeinschaftshaus Westhagen gehalten. Der
Teilnehmerinnenkreis bestand aus ca. 20 Frauen mit Migrationshintergrund.
Während des zweistündigen Vortrags wurden die Zuhörer über körperliche und seelische
Veränderungen, sowie den möglichen Umgang mit pubertätsbezogenen Konfliktsituationen
65
informiert. Der kleine vom Veranstalter organisierte Imbiss zum Abschluss, wurde von den
Frauen genutzt, um rege Gespräche über eigene Erfahrungen ihrer Jugendzeit und kulturelle
Hintergründe bzw. Unterschiede zu führen und diese mit den heutigen Erziehungsmethoden
zu verknüpfen.
Sexualpädagogik
Im ersten Halbjahr kamen sehr viele Schulklassen zu uns – wir haben in 2009 mit insgesamt
105 Gruppen sexualpädagogisch gearbeitet. Dies bedeutet erneut eine Steigerung – in den
letzten sieben Jahren wurden es jährlich mehr Gruppen. Ganz besonders erfreulich finden
wir, dass viele Schulen mittlerweile nicht mehr nur mit einer oder zwei Klassen zu uns
kommen, sondern gleich alle 6. oder 7. Jahrgänge bei uns angemeldet werden.
Liebe, Lust und Älterwerden
In die pro familia-Beratungsstelle kommen immer mehr ältere Menschen mit den
unterschiedlichsten Problemen. Um unser Beratungsangebot auch für Ältere bekannt zu
machen, haben wir in Kooperation mit dem Seniorenservicebüro der Stadt Wolfsburg einen
Seniorenfilmnachmittag organisiert. Mit der Zusage des Kulturzentrums „Hallenbad“ war
schnell ein hervorragender Ort dafür gefunden. Der Film „Elsa und Fred“ ist ein
temperamentvoller Film über das Verliebt-Sein einer älteren Frau in einen älteren Mann mit
allen Höhen und Tiefen, die das Leben so zu bieten hat. Der Film zeigt in humorvoller und
beeindruckender Art, dass eine große Liebe unabhängig vom Lebensalter möglich ist.
Dank einer Spende von der Margarete-Schnellecke-Stiftung konnten wir die Besucher mit
einem Glas Sekt und einer Tasse Kaffee begrüßen.
Das Foyer war stilvoll dekoriert und Teelichter sorgten für eine sinnliche Atmosphäre.
Nach dem Begrüßungssekt wurden die Besucher von uns pro familia-Mitarbeiter/innen
motiviert, ein Votum abzugeben.
Mit der Überschrift „Was gewinnt für mich beim Älterwerden an Bedeutung?“ konnte jede
Person jeweils 4 Tennisbälle aufteilen in die Bereiche: Finanzielle Sicherheit / Hobbys /
Beziehung und Partnerschaft / soziales Engagement / befriedigende Sexualität / guter
Kontakt zu meinen Kindern / soziale Kontakte / Nähe und Zärtlichkeit. Das Thema
„Gesundheit“ hatten wir bewusst nicht aufgenommen, da es absolute Priorität erhalten hätte.
So lag bei der Endauswertung die „Finanzielle Sicherheit“ vorne, aber dicht gefolgt von dem
Wunsch nach gutem „Kontakt zu den Kindern“ und „soziale Kontakte“.
Den Besuchern, die sich an der Umfrage beteiligt haben, wurde ein Gutschein für ein
kostenloses Erstgespräch bei der pro familia Beratungsstelle Wolfsburg ausgehändigt.
Insgesamt war die Veranstaltung nicht nur gut besucht, sondern auch sehr gelungen – alle
waren zufrieden und viele von dem Film stark beeindruckt und berührt. Eine Mitarbeiterin der
pro familia hörte zu, wie eine Frau ihrem Mann zuraunte, dass sie beide auch unbedingt mal
nach Rom fahren müssten… - das dramatische Ende des Films spielt in Rom.
Ein besonders schönes Geschenk bekamen wir zum Jahresende: Wir freuen uns sehr über
eine VW-Belegschaftsspende von 2000 Euro. Dieses Geld wurde von unserem
Landesverband aufgestockt und so konnten wir uns nach vielen Jahren eine gründliche und
bitter nötige Renovierung unserer Räumlichkeiten erlauben. Auch wenn es recht stressig
war – nebenbei haben wir den Beratungsbetrieb wenigstens in reduzierter Form
aufrechterhalten – ist es jetzt sowohl für uns MitarbeiterInnen als auch für unsere
Ratsuchenden ganz wunderbar, in frisch renovierten Räumen zu arbeiten.
66
Das Team der pro familia-Beratungsstelle Wolfsburg
Foto: Thomas Knüppel
Von links nach rechts:
Ute Henschel, Ilona Sorge, Susanne Koch, Anne Henken, Uwe Niehus, Tanja Bendrick
67
Im Detail: Beispielhafte Projekte, Kooperationen und Strategien
Dieses Plakat zu Werbezwecken wurde 2006 von einem Studenten gestaltet.
68
Das Sexualpädagogische Projekt konnte im August 2009 sein fünfjähriges Bestehen
feiern. Im April 2010 hat mit dem Beginn des Sommersemesters eine Gruppe von 11
Studierenden – zehn Frauen und ein Mann – den 6. Durchgang begonnen.
Zunächst geht es im Theorie-Praxis-Seminar I um Grundlagen der Sexualpädagogik:
Psychosexuelle Entwicklung, Verhütung, rechtliche Rahmenbedingungen, Pubertät
(psychologischer und anthropologischer Aspekt), Homosexualität, Prävention des sexuellen
Missbrauchs, Teenagerschwangerschaften. Auch ausgewählte Grundlagentexte zur
allgemeinen Sexualwissenschaft, z. B. von Gunter Schmidt, kommen zum Einsatz.
Im zweiten Semester kommen Themen wie Interkulturelle Sexualpädagogik, Sexualität und
Behinderung, Pornografie und neue Medien, Prostitution hinzu, außerdem können die
Studierenden vermehrt eigene sie interessierende Schwerpunkte – oft schon im Hinblick auf
die Bachelorarbeit – erarbeiten oder vertiefen. Gleichzeitig werden ab September in einer
zweiwöchigen Kompaktphase im Gesundheitsamt die Vorbereitungen für den „Parcours zu
Liebe, Sexualität und HIV“, sowie für die Schulklasseneinheiten getroffen.
Inzwischen hat sich ein dreijähriger Turnus für Schulen (alle Schulformen!) an drei
Standorten im Landkreis entwickelt, der die Kooperation wiederum vereinfacht, das Projekt
hat sich etabliert.
Im Seminar werden sexualpädagogische Medien (Broschüren, Bücher, Bilderbücher, Filme,
Videoclips usw.) anhand festgelegter Kriterien analysiert. Die Studierenden sollen in die
Lage versetzt werden, das jeweilige Interesse zu erkennen, das sich hinter der
Veröffentlichung verbirgt. Auf den ersten Blick geht es ja immer um sachliche Information
und Aufklärung, aber oft stehen wirtschaftliche oder weltanschauliche / politische Ziele
dahinter. Hier soll – neben der reinen Wissensvermittlung – auch eine fundierte, kritische
Haltung erworben und an die Jugendlichen weitergegeben werden. Der Gender – Aspekt,
die Frage nach Partizipation von benachteiligten Gruppen sowie eine interkulturelle Offenheit
sind in diesem Zusammenhang selbstverständlich.
Zwei weitere Aspekte liegen mir am Herzen: Die Beschäftigung mit der eigenen sexuellen
Biografie und der Sozialgeschichte, um ein Verständnis dafür zu bekommen, wie sehr
sexuelle Realität – die eigene und die der Jugendlichen – gesellschaftlich determiniert, und
wie wenig sie ein rein „natürliches“ Geschehen ist.
Vor diesem Hintergrund kommt das übergeordnete Ziel gerade auch der pro familia –
Sexualpädagogik: Selbstbestimmung, Verantwortung übernehmen und Dinge besprechbar
zu machen – noch klarer in den Blick. Es ist uns auch ein Anliegen, gesamtgesellschaftliche
Entwicklungen aufzunehmen und nach einer jährlichen sorgfältigen Evaluation sowohl das
Curriculum, als auch die organisatorische Struktur des Projekts immer wieder anzupassen.
Von diesem Projekt profitieren alle beteiligten Seiten: Der Landkreis, der sich
dankenswerterweise an den Kosten für den Lehrauftrag beteiligt, erreicht so sehr viel mehr
Jugendliche, als es ihm allein oder in Kooperation mit der örtlichen pro familia
Beratungsstelle möglich wäre. Die Hochschule kann den Studierenden ein attraktives,
zukunftsfähiges Lernangebot machen. Die Studierenden erwerben – gerade durch die enge
Verzahnung von Theorie und Praxis – bereits während des Studiums eine interessante
Zusatzqualifikation, die ihre Chancen bei Bewerbungen erhöht. Die Holzmindener pro
familia-Beratungsstelle erreicht durch das Projekt vielfältige Kooperationspartner. Sie kann
im Sinne von Öffentlichkeitsarbeit auf ihr Angebot vor Ort – incl. Sexualpädagogik –
hinweisen und ihr Profil schärfen.
Zum Weiterlesen für Interessierte, vielleicht auch NachahmerInnen: “Handreichung
Sexualpädagogische Arbeit mit Jugendgruppen im Landkreis Holzminden: Ein Praxisprojekt
macht Schule“. (zum Download bei http://www.profamilia.de/holzminden, unter Angebote)
Kirsten Benthack, pro familia Holzminden
69
Interkulturelle Kompetenz als Herausforderung für pro familia als
Menschenrechts - und Beratungsorganisation
Erfahrungen in der pro familia Beratungsstelle Hannover
Hintergrund
In einer breit angelegten Studie des SINUS Instituts (2007-2008) wurden zum ersten Mal die
Lebenswelten von Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund, so wie sie sich
durch das Leben in Deutschland entwickelt haben, untersucht. Dabei ging es um
Wertorientierungen, Lebensstil und die soziale Lage. Diese Studie zeigte einige erstaunliche
Ergebnisse. 83 % der befragten Menschen mit Migrationshintergrund leben gern in
Deutschland. 82 % fühlen sich mit Deutschland eng verbunden. Gleichzeitig fühlen sich 68%
mit ihrem Herkunftsland eng verbunden, was zeigt, dass das eine das andere nicht
ausschließt. Bei 63% wird in der Familie Deutsch gesprochen – bei 34% ausschließlich oder
hauptsächlich. 82% sprechen mit ihren engsten Freunden Deutsch.
Viele haben ein bi - kulturelles Selbstbewusstsein und eine postintegrative Perspektive. Sie
fühlen sich als zugehörig und integriert. Auf diesem Hintergrund klagen viele, egal aus
welchen untersuchten Migranten-Milieus, über die mangelnde Integrationsbereitschaft der
Mehrheitsgesellschaft und das geringe zwischenmenschliche Interesse an den
Eingewanderten.
Integration nennt man etymologisch und wissenschaftlich ein Phänomen, bei dem zwei
Bereiche miteinander verbunden und in Einklang zu bringen sind.
Seit einigen Jahren schießen Integrationsprogramme und Projekte wie Pilze aus dem Boden.
Keine Organisation, die im politischen und sozialen Geschehen mitmischen will, kann es sich
leisten, dieses Thema zu ignorieren.
Den Hintergrund dieser zahlreichen Aktivitäten bildet jedoch meist die Vorstellung von
Integration als einseitig zu erbringende Leistung der Zugewanderten. Das eigene Defizit wird
darin gesehen, es versäumt zu haben, die Bedingungen zu schaffen, dass „die Anderen“ die
Anpassungsleistung, die von ihnen gefordert wird, erbringen können. Dies will man nun
schnell nachholen. Richtig integriert ist, wer so ist, so denkt, so redet wie „wir“, wer immer wir
sind, und im besten Fall auch so aussieht. Die Wahrnehmung der so genannten „Migranten“
oder „Menschen mit Migrationshintergrund“ ist dabei die einer homogenen Masse, welche
die eigene Kultur potenziell bedroht, wenn man nicht gegensteuert.
In diesem Integrationsverständnis müssen „die anderen“ zwangsläufig defizitär sein und es
erspart den Agierenden sich mit den eigenen Stereotypen, Vorurteilen, Fremdheiten und
dem eigenen, meist verschleierten Ethnozentrismus und Rassismus auseinanderzusetzen.
Die Betonung kultureller Unterschiede hat häufig die Funktion, sich mit der gesellschaftlichen
Wirklichkeit von Klassenunterschieden, der Ökonomisierung jedes zwischenmenschlichen
Bereichs, der Verteilungspolitik von Reichtum und Macht von unten nach oben und einer
Bildungspolitik, welche die Klassenunterschiede zementiert, in diesem Kontext nicht
beschäftigen zu müssen.
Doch selbst da holpert die Vorstellung von „den Migranten“. Bildung und Wissen sind für
74% wichtige Werte. Erfolg und Karriere sind für 73% angestrebte Ziele. Zwar gibt es einen
höheren Anteil von Menschen mit nur geringer Schulbildung, doch ebenso gibt es einen
höheren Anteil an Akademikern als bei Menschen ohne Migrationshintergrund.
Wenn wir uns als pro familia mit der interkulturellen Öffnung unserer Organisation
beschäftigen, kann es also nicht darum gehen, Menschen zu helfen, in dieser Gesellschaft
anzukommen, sondern es geht vielmehr darum, einen realistischen Blick auf die
gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte zu mehr Vielfalt und
Multikulturalität und auf unsere Klientel und deren Interessen zu gewinnen. Daraus gilt es
Konsequenzen in der Ausgestaltung unserer Arbeit zu ziehen, die es ermöglichen ein
angemessenes Beratungsangebot zu entwickeln. In keinem Fall geht es um den Umgang mit
einer weiteren „Problemgruppe“.
70
Interkulturelle Ansätze in der Beratungsstelle Hannover
Die pro familia-Beratungsstelle in Hannover hat einen großen Einzugsbereich. Dieser geht
über die Landeshauptstadt und die Region Hannover hinaus bis nach Hildesheim und Celle.
Unsere Klientel besteht fast zur Hälfte aus Menschen, die, oder deren Familien aus anderen
Ländern zugewandert sind. Ein Ausgangspunkt, uns mit der Beratung von „MigrantInnen“ zu
beschäftigen, war vor vielen Jahren das zunehmende Unbehagen, Menschen zu beraten,
von deren Lebenshintergrund wir eigentlich kaum etwas wussten, wo es
Sprachschwierigkeiten gab und Probleme, die richtigen Fragen zu stellen. Auch in der
Sexualpädagogik orientierten wir uns damals in erster Linie an den kulturellen Vorstellungen
und Interessen der Mehrheitsjugendlichen. Auch wenn alle scheinbar interessiert
mitmachten, irgendetwas fühlte sich falsch an.
Unser Nichtwissen über die „fremden“ Lebensformen und die Umgangsweisen mit unseren
Themen füllten wir zum Teil mit Bildern, Vorurteilen und Stereotypen. Je „westlicher“ jemand
sich darstellte, desto eher nahmen wir an, würde das Denken und Verhalten dem „unsrigen“
entsprechen.
Im Umgang übten wir uns in Pädagogik und Beratung in Political Correctness und gingen
von einer Gleichbehandlung aller aus, die in der Praxis oft nicht gegeben war, denn
gegenüber Deutschen in schwierigen Lebenssituationen hatten wir die diffuse Scheu nicht,
die Lebensbedingungen und die persönlichen Ressourcen der KlientInnen zu erfragen und
mit ihnen nach angemessenen Auswegen zu suchen. Sprachliche Probleme kamen
manchmal hinzu.
In vielen Gesprächen im Team ging es um die Angst, von „neuen“ fremden patriarchalen und
sexualfeindlichen Strukturen überrollt zu werden, oder um die Frage, ob wir mit unserem
offensiven Umgang mit Sexualität die „Anderen“ nicht überfordern und ihre Schamgrenzen
verletzen. Das heißt, es ging um die Reflektion unserer eigenen Haltung.
Eine Folge war, dass einige aus dem Team Fortbildungen besuchten, die unter
verschiedenen inhaltlichen Aspekten „interkulturelle Kompetenz“ zum Thema hatten. Nach
und nach zeigte das Wirkung und beeinflusste die verschiedenen Arbeitsbereiche.
Sexualpädagogik
In der Sexualpädagogik haben wir es im Allgemeinen mit Schulklassen zu tun, die in ihrer
Zusammensetzung sehr unterschiedlich sind, abhängig von der örtlichen Lage der Schule
und der Schulform. Wir entschlossen uns, keine Angebote speziell für Jugendliche mit
Migrationshintergrund aufzubauen. Wir wollten die Vielfalt von Werten, Lebensvorstellungen,
Bedingungen und Träumen und die familiären und kulturellen Sichtweisen, die den
Hintergrund, manchmal auch das Hindernis, dafür bilden, in der Klassengruppe
thematisieren und die Jugendlichen zum Gespräch darüber motivieren. Diese Gespräche mit
den Jugendlichen in der Sexualpädagogik waren unsere ersten „interkulturellen Dialoge“.
Zeitweilig arbeitete ein Mitarbeiter türkischer Herkunft bei uns, der uns allerdings nach einem
Jahr wieder verließ.
Für 2010 haben wir die Möglichkeit im Rahmen eines Projekts eine Halbtagsstelle
einzurichten. Die Inhaberin hat die Aufgabe, neben der praktischen Arbeit mit Mädchen in
den Gruppen, die bisherigen Arbeitsformen zu durchleuchten und gemeinsam mit dem
bestehenden sexualpädagogischen Team und Schulen aus Stadt und Region eine auch auf
den schulischen Bereich übertragbare Konzeption und Methodik für dialogische Ansätze
einer interkulturellen Sexualpädagogik zu entwickeln. Finanziell unterstützen die Region
Hannover und die Stadt uns dabei.
Kooperationen
„A right is not a right, if it is unknown“ (Fred Sai, ehem. Präsident der IPPF)
Wir machten uns Gedanken darüber, wie der Kenntnisstand und das Wissen über eigene
Rechte und Pflichten, die der Staat einfordert, Menschen zugänglich gemacht werden
können, die Schwierigkeiten haben Informationen einzuholen und sich bei offiziellen Stellen
zu verständigen.
71
Auf dem Flickenteppich sozialer Hilfen hat niemand es leicht, sich zurechtzufinden, doch
besonders schwer ist es, wenn man die Schriftsprache nicht gut beherrscht und schlechte
Erfahrungen in der Kommunikation mit den MitarbeiterInnen von Ämtern und Behörden
gesammelt hat.
Mit dem Verein Arkadas e.V., dessen Angebote von vielen Menschen türkischer
Muttersprache wahrgenommen werden und einem türkischsprachigen Kollegen vom VSE,
dem Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen Hannover e.V. entwickelten wir eine
Veranstaltungsreihe für junge Familien und Paare mit Deutsch als Zweitsprache. Diese
bestand aus drei Bausteinen.
Im ersten Teil ging es um sozialrechtliche Fragen bei Schwangerschaft und Geburt, im
zweiten Teil um Wege der Familienplanung und im dritten Teil um die Beschäftigung mit
frühkindlicher Sexualität (unter dem Aspekt der Stärkung und des Schutzes von Kindern).
Die Veranstaltungsreihe war von Anfang an zweisprachig und mit männlichen und weiblichen
Referenten geplant. Zum Thema Familienplanung boten wir ein geschlechtergetrenntes
Setting an. Kinder konnten mitgebracht werden und wurden betreut. Schnell ergab es sich,
dass alle miteinander in zwei Sprachen redeten, außer uns.
Während die erste Veranstaltungsreihe ein Erfolg, auch in der Besucherzahl, war, gestaltete
sich die Teilnehmerzahl beim zweiten Durchgang mäßig. Trotzdem werden wir das Konzept
weiter verfolgen und ebenfalls in Kooperation, auch für Menschen russischer Muttersprache
anbieten. Für uns ist dies ein Beitrag, den Zugang zu wichtigen gesellschaftlichen
Informationen für Menschen mit Deutsch als Zweitsprache stärker zu öffnen.
Wir kooperieren außerdem mit dem ethnomedizinischen Zentrum in Hannover, sind da an
der Ausbildung von Multiplikatoren zur HIV/Aids Prävention mit dem Schwerpunkt
Familienplanung beteiligt und nehmen an der Ausbildung von Integrationslotsen an der VHS
teil. Die Beratungsstelle gehört darüber hinaus zu einem Netzwerk von Gruppen und
Organisationen, die Menschen ohne Papiere unterstützen.
Häufig werden wir auch als ReferentInnen in Mädchengruppen oder Mütterkreisen gemischt
kultureller Zusammensetzung angefragt.
Mit der FHS in Hannover veranstalten wir jährlich ein Seminar für chinesische Studentinnen
und Studenten, die neu im Studium sind. In Planung ist ein Seminar für alle neuen
nichtdeutschen StudentInnen der FHS Hannover unter dem Titel: True love not always waits.
Sexualethik im Dialog
Vor einigen Jahren bekamen wir das Angebot, eine Dialoggruppe mit Menschen
unterschiedlicher Herkunft ins Leben zu rufen, die sich mit sich verändernden Wertsystemen
in der Sexualität beschäftigt, den Prozess dokumentiert und damit in eine öffentliche
Diskussion geht.
Das Konzept des demokratischen Dialogs erschien uns am ehesten als der Weg, der es
ermöglicht, eine freiwillige, gleichberechtigte Auseinandersetzung über Verschiedenheit und
Gemeinsamkeit zu führen, die nicht auf der Ebene des höflichen oder konfrontativen
Austausches von Annahmen, Vorurteilen und Stereotypen verbleibt.
In der Dialogarbeit kann es nicht darum gehen, die „richtige“ Haltung zu Sexualität gegen die
„falsche“ zu setzen, sondern der Ausgangspunkt ist der Anspruch mehr voneinander zu
lernen und zu verstehen, ohne zwanghaft den Konsens zu suchen.
Ein ähnliches Konzept wurde bereits von der ‚Werkstatt der Religionen’ in Berlin zu anderen
Themen erprobt und Barbara Weber von der Kulturwerkstatt Hannover brachte ihre
Erfahrungen in die gemeinsame Arbeit ein.
Unser Themenkatalog umfasste Aspekte der Vermittlung von Wissen und Werten an Kinder
und Jugendliche, das Generationenverhältnis, die Sicht der Geschlechterrollen, Bedeutung
der Ehe, Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, Verhütung, Umgang mit sexuellen Orientierungen,
die Bedeutung von Reinheit, Grenzen, Tabus, und vieles mehr.
Am Dialogprozess beteiligt waren Menschen aus den Ursprungsländern Iran, Türkei,
Russland, Deutschland, Polen, Irak, Indien, Korea. Es sind Buddhisten, Hindus, Christen,
Juden, Muslime und Nichtreligiöse. Sie nahmen am Dialog als Einzelpersonen, nicht als
72
Organisationsvertreter teil. Für uns machte dies auch das Besondere und Spannende des
Kreises aus, denn alle reden von sich, ihren Fragestellungen, ihrer Geschichte und ihren
Bildern. Schnell wurde deutlich welche bedeutsame Rolle Religion, besonders in ihrer
Vermischung mit Tradition, ausgesprochen oder unausgesprochen in den Haltungen zu
Sexualität spielt.
Den dialogischen Ansatz versuchten wir auch auf der Tagung „Sexualethik in
unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen“ einzuhalten. Die Tagung mit ca. 140
Teilnehmerinnen und Teilnehmern fand ein gutes Echo, bei denen, die dabei waren. Beteiligt
waren auch andere Beratungsstellen aus Hannover, die im weiteren oder engeren Sinn mit
dem Thema Sexualität zu tun haben, und Vertreterinnen und Vertreter von Religionen.
Aus dieser dialogischen Arbeit entstand eine Broschüre, die, bedauerlicherweise, nur als
CD-ROM beim Landesverband Niedersachsen erhältlich ist.
Multikulturalität und frühkindliche Sexualerziehung in der Kindertagesstätte
In den meisten Kindertagesstätten sind die Gruppen heute multikulturell besetzt.
deutschlandweit hat bereits jedes dritte Kind unter fünf Jahren einen so genannten
Migrationshintergrund, in Großstädten und Ballungsräumen fast jedes zweite. In Hannover
haben 44% der Kinder zwischen drei und sechs Jahren Eltern mit Deutsch als Zweitsprache.
Zweiheimische gehören im Gegensatz zur alternden Aufnahmegesellschaft in ihrer Mehrheit
reproduktiven Altersgruppen an, das heißt, sie sind jünger und können und wollen auch oft
Kinder haben.
Zu uns in die pro familia Beratungsstelle kommen überwiegend werdende Mütter und Väter.
Viele haben bereits Kinder. Im Kontakt mit ihnen wird deutlich, dass der Begriff der
„Interkulturalität“, des Austauschs und Agierens zwischen unterschiedlichen Kulturen, sich
häufig längst überlebt hat und wir vielmehr von transkulturellen Entwicklungen reden sollten,
in denen etwas Drittes entsteht und entstanden ist, das eine Vorstellung säuberlich
voneinander getrennter und unterscheidbarer Wertgebäude und Kulturen nicht mehr
bestätigt.
Die Antworten, welche von den vorhergehenden Generationen zu Fragen des Lebens, der
Familie, der eigenen Rolle bereit gehalten wurden, gelten für diese jungen Familien nicht
mehr unhinterfragt oder nur noch teilweise und neue Antworten müssen mühsam gefunden
werden. Dies betrifft im Besonderen das Geschlechterverhältnis und die Erziehung der
Kinder. Ein Aspekt ist die Auseinandersetzung mit kindlicher Sexualität.
Nach unserer Erfahrung haben die wenigsten Kindertagesstätten oder Familienzentren eine
Konzeption für die pädagogische Aufgabenstellung und den Umgang der Einrichtung mit
kindlicher Sexualität, und es hängt oft von der/dem ErzieherIn ab, welche Haltung sich in der
Gruppe widerspiegelt. Wird diese durch Eltern infrage gestellt, entstehen Verunsicherungen
auf allen Seiten.
In Gesprächen mit jungen Erwachsenen und mit Kolleginnen und Kollegen, die aus
Migrantenfamilien kommen, gab es immer wieder Irritationen wenn wir über frühkindliche
Sexualität sprachen. Kann man denn überhaupt darüber reden, wenn es um Kinder geht,
müssen Kinder nicht eher vor einer sexualisierten Umwelt geschützt werden? Auch aus den
Kitas war von den Erzieherinnen zu hören, dass es Probleme und Verunsicherungen gibt,
sowohl in den eigenen Haltungen als auch im Umgang mit Eltern zu Themen wie Nacktheit,
Doktorspiele, kindlicher Neugier und Lust.
Da wir davon ausgehen, dass fast alle Eltern zunächst das Beste für ihre Kinder wollen und
ihre Haltung von der Sorge um die Kinder diktiert wird, erscheint es uns richtig, ihre
Befürchtungen zur Entwicklung ihrer Kinder ernst zu nehmen und nicht erst dann mit ihnen
ins Gespräch zu kommen, wenn mögliche Unterschiedlichkeiten zu Konflikten geführt haben.
Ein offenes sexualpädagogisches Konzept kindlicher Sexualerziehung muss die Eltern von
Beginn an mit einbeziehen. Eine in diesem Bereich erreichte Öffnung wird sicher auch
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Folgen für den elterlichen Umgang mit Jugendlichen in der Pubertät haben. Wir erarbeiteten
zunächst ein Konzept für eine ErzieherInnenfortbildung, probierten es im Rahmen einer
Inhouseschulung aus und sind dabei, es weiter zu entwickeln. Inzwischen gibt es in
Hannover immer mehr Familienzentren, in denen die Eltern schon konzeptionell und von der
Angebotsstruktur her am Alltag beteiligt sind. Im Rahmen von Elterncafés oder Frühstücken
werden wir zunehmend eingeladen und arbeiten mit jungen Müttern und Vätern aus den
unterschiedlichsten Herkunftsländern zu diesen Themen.
Beratung
Beratung ist unser Kerngeschäft und war der Ausgangspunkt unserer Überlegungen.
Trotzdem kann ich sagen, dass wir in der Entwicklung zu dem, was man unter
„interkultureller Kompetenz“ als Qualitätsmerkmal von Beratung versteht, nur langsam und
auf verschlungenen Wegen vorankommen. Viele Ängste sind im Laufe der Beschäftigung
damit verschwunden. Die Beratungen sind länger geworden, immer häufiger bewegen wir
uns in den Zeitschienen unserer KlientInnen, die manche Themen erst dann ansprechen,
wenn sie sicher sind, dass in der Beratung auch der richtige Ort ist. Wir werden genauer und
auch das Verstehen braucht mehr Zeit. Wir fragen mehr, nutzen mehr Bilder und geben auch
unsere Irritationen oder Vorurteile preis, damit sie sich in der Beratung bestätigen, auflösen
oder verändern können. Wir geben nicht mehr vor, etwas zu wissen oder zu kennen. Wir
lernen besser zu unterscheiden um welche Art von Konflikten es geht, kulturelle,
migrationsspezifische, rollenbedingte, soziale, rechtliche, ökonomische und was für die
konkrete Fragestellung gerade Bedeutung hat.
Im Umgang mit Ämtern verfeinern sich unsere Sensoren für rassistisch bedingte
Diskriminierung. Wir lernen die Zweisprachigkeit und die Fähigkeit unserer Klientinnen sich
in unterschiedlichen kulturellen Bedingungen zu bewegen, besser zu schätzen und
betrachten dies als Ressource. Das wird auch von den KlientInnen zur Kenntnis genommen.
Eigentlich benötigen wir eine spezifische Supervision von außen, die mit uns die
Entwicklungen reflektiert.
Wir sind schon seit langem der Auffassung, dass es zwar sinnvoll ist, einzelne Projekte im
interkulturellen Bereich zu entwickeln, es sich aber letztlich um eine Querschnittsaufgabe
handelt, die alle Bereiche unserer täglichen Arbeit erfasst und der Zusammensetzung und
Entwicklung unserer Bevölkerung angemessen ist.
Bedeutung für die Organisation
pro familia hat eine hervorragende Basis, sich mit Themen kultureller Vielfalt und einer
interkulturellen und transkulturellen Entwicklung großer Teile der Gesellschaft
auseinanderzusetzen. Die inhaltliche Grundlage der Arbeit der Organisation ist die Charta
der sexuellen und reproduktiven Rechte. Diese Rechte haben ihren Ausgangspunkt in den
Menschenrechten, haben einen ähnlichen Rang und wir, als pro familia sind in der
Ausformulierung, Einforderung und dem Bemühen diese gesellschaftspolitisch in die Praxis
umzusetzen und im Bewusstsein der Menschen zu verankern, im Einklang mit einem
weltweiten Netz von Familienplanungsorganisationen aus mehr als 180 Ländern, das sich im
IPPF organisiert.
Der rechtebasierte Ansatz, das eigene Selbstverständnis als Menschenrechtsorganisation,
geht von einer Vision aus, von der Vorstellung, dass die Bedingungen, die verhindern, dass
Menschen selbstbestimmt ihre Sexualität leben können, veränderbar sind, dass die
Menschen selbst dies als ihr gutes Recht und Bestandteil ihrer Menschenwürde begreifen
und für die Umsetzung kämpfen.
Der rechtebasierte Ansatz ist ein positiver Ansatz, der aktiv und nicht reaktiv ist. Er bezieht
alle Menschen mit ein, ob sie aus der eigenen Stadt, dem eigenen Land, Europa oder der
großen weiten Welt kommen. Er geht von der Gleichwertigkeit und Würde aller Menschen
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aus und bekämpft so auch den Rassismus der ehemaligen Kolonialmächte. Die
Kommunikationsebene, die diesem Ansatz entspricht, ist der demokratische Dialog.
Dieser Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur Religion und politischer
Ausrichtung hat schließlich zur Charta der sexuellen und reproduktiven Rechte geführt.
Doch im eigenen Land haben wir noch einen langen Weg vor uns.
Pro familia wurde als Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualberatung und
Sexualpädagogik gegründet. Die überwältigende Mehrheit der Beraterinnen und Berater, der
Verbandsmitglieder und Vorstände ist deutscher Herkunft. In unserer Organisation spiegelt
sich die Multikulturalität der heutigen deutschen Gesellschaft nicht wieder.
Dies begrenzt unser Wissen, lässt den strukturellen Rassismus, der auch unserem „guten
Willen“ immanent ist, unhinterfragt und hindert uns, die Chancen, die kulturelle Vielfalt bietet,
zu nutzen.
Während in Wirtschaftsunternehmen aber auch in verschiedenen sozialen Einrichtungen
längst Konzepte, von Managing Diversity, über interkulturelles Kompetenztraining und
interkulturelle Mediation bis zur Quotierung bei der Neubesetzung von Arbeitsplätzen erprobt
werden, ist pro familia noch weit davon entfernt. Selbstverständlich existieren in den
einzelnen Landesverbänden verschiedene Projekte, dies schlägt sich aber weder sichtbar in
der Personalentwicklung noch in den Fortbildungskonzepten des Bundesverbandes nieder.
Die Jahresfachtagung des Bundesverbandes 2009 beschäftigte sich allerdings mit dem
Thema und pro familia war maßgeblich an der Formulierung von „Fachliche(n)
Empfehlungen für eines migrations- und kultursensible Institutionelle Beratung“ des DAKJEF
(Deutscher Arbeitskreis für Jugend-, Ehe- und Familieberatung) 2009 beteiligt.
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Anhang
Leitlinien für die sexuellen und reproduktiven Rechte von pro familia
Präambel:
pro familia hat die Vision einer demokratischen Gesellschaft, deren Fundamente
Solidarität, Verantwortung und Gleichberechtigung sind. Als Verband treten wir mit
unseren Mitgliedern, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für das Recht auf
selbstbestimmte Sexualität und Fortpflanzung, auf selbstbestimmte sexuelle
Orientierung und Identität und auf sexuelle und reproduktive Gesundheit ein. Die
verbindlichen Leitlinien sind abgeleitet von der IPPF-Charta der sexuellen und
reproduktiven Gesundheit und Rechte. Wir formulieren diese 12 Leitlinien. für die
Aufgaben und Ziele der pro familia als politisch aktiver Interessenverband und
Anbieter von Dienstleistungen
1. Gemeinsam nehmen wir unser Recht auf politische Teilhabe, Mitgestaltung und freie
Meinungsäußerung wahr. Unsere Mitglieder und Unterstützerinnen treten dafür ein,
die sexuellen und reproduktiven Rechte bekannt zu machen, wirksam durchzusetzen
und weiter zu entwickeln. Wir arbeiten in unserem Verband daran, dass er ihnen
Rückhalt für ihr Engagement und ihre Mitgestaltung gibt und alle Mitarbeitenden in
ihrer fachlichen Arbeit unterstützt.
2. Auf der Grundlage der Gleichberechtigung von Frauen und Männern berücksichtigen
wir die Gemeinsamkeiten und geschlechtsspezifischen Unterschiede in Fragen der
Sexualität und Reproduktion.
3. Jeder Mensch hat das Recht auf Information. Wir gewährleisten es durch
Transparenz in unseren Angeboten. Mit bedarfsspezifischen Informationen stärken
wir die Wahlfreiheit der Ratsuchenden und zeigen unterschiedliche
Handlungsmöglichkeiten auf.
4. Das Recht auf Bildung gilt auch im Zusammenhang mit Sexualität und Fortpflanzung.
Selbstbestimmt und verantwortlich damit umgehen zu können ist das Ziel unserer
Angebote. Sie stehen offen für Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts, jeder
sexuellen Orientierung und jeder Herkunft.
5. Jeder Mensch hat das Recht, wissenschaftliche Entwicklungen zu nutzen, die in den
Bereichen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit gemacht werden, besonders
in den Bereichen Familienplanung, Schwangerschaft, Kinderwunsch, Sexualität,
Verhütung, sexuell übertragbare Krankheiten und Schwangerschaftsabbruch. Wir
haben den aktuellen Stand der Wissenschaft kritisch im Blick, damit wir neue
Entwicklungen in unsere medizinischen, beraterischen und pädagogischen Angebote
und Qualitätsstandards integrieren können. Damit sorgen wir dafür, dass alle
Ratsuchenden einen Zugang zum derzeit verfügbaren Wissen finden können, die
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Vor- und Nachteile von Maßnahmen einschätzen können und ihre sexuellen und
reproduktiven Rechte wahrnehmen können, einschließlich ihres Rechts auf
Nichtwissen.
6. Das Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit ist von zentraler Bedeutung. Wir
unterstützen Ratsuchende, wenn es um Empfängnisregelung und sexuell
übertragbare Krankheiten, Familienplanung und Sexualität sowie Partnerschaft geht.
Bei Frauen geht es besonders um Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft, und
Verhütung sowie um Schwangerschaftsabbruch, bei Männern um Zeugungsfähigkeit,
Verhütung und Vaterschaft. ..
7. Mit unseren Angeboten setzen wir das Recht auf Gesundheitsvorsorge und
Gesundheitsversorgung in die Praxis um. Das Spektrum reicht von öffentlich
geförderter institutioneller Beratung über Prävention und Aufklärung bis zu
medizinischen Angeboten für die sexuelle und reproduktive Gesundheit der
Menschen.
8. Wir stärken das Recht auf individuelle Familienplanung. Männer, Frauen und Paare
entscheiden frei, ob, zu welchem Zeitpunkt und wie viele Kinder sie haben wollen –
unabhängig von ihren Lebensformen und sexuellen Lebensweisen..
9. Familie ist für uns jedes Zusammenleben von Menschen in gegenseitiger
Verantwortung. Deshalb setzen wir uns für Rahmenbedingungen ein, die Familien in
ihrer Unterschiedlichkeit respektieren und fördern.
10. Wir gewährleisten allen Ratsuchenden das Recht auf Privatsphäre. Im Rahmen
unserer Dienstleistungen halten wir die Schweigepflicht ein und sichern den Schutz
persönlicher Daten.
11. Wir setzen uns national wie international aktiv für das Recht auf Freiheit und
Unversehrtheit ein, damit Menschen ihre Sexualität selbstbestimmt leben können und
keinen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt sind.
12. Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz vor sexualisierter Gewalt, Misshandlung und
Folter. Die individuelle Unterstützung, Beratung und Versorgung der Opfer muss
ebenso gewährleistet werden wie die Bereitstellung adäquater präventiver und
psychosozialer Angebote für Straftäter.
pro familia Landesverbände und Bundesverband
………………………...………
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Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten
(Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG)
§ 1 Aufklärung
(1) Die für gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung zuständige
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erstellt unter Beteiligung der Länder und in
Zusammenarbeit mit Vertretern der Familienberatungseinrichtungen aller Träger zum
Zwecke der gesundheitlichen Vorsorge und der Vermeidung und Lösung von
Schwangerschaftskonflikten Konzepte zur Sexualaufklärung, jeweils abgestimmt auf die
verschiedenen Alters- und Personengruppen.
(1a) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erstellt entsprechend Absatz 1
Informationsmaterial zum Leben mit einem geistig oder körperlich behinderten Kind und dem
Leben von Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Das
Informationsmaterial enthält den Hinweis auf den Rechtsanspruch auf psychosoziale
Beratung nach § 2 und auf Kontaktadressen von Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen sowie
Behindertenverbände und Verbände von Eltern behinderter Kinder. Die Ärztin oder der Arzt
händigt der Schwangeren das Informationsmaterial im Rahmen seiner Beratung nach § 2a
Absatz 1 aus.
(2) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verbreitet zu den in Absatz 1
genannten Zwecken die bundeseinheitlichen Aufklärungsmaterialien, in denen
Verhütungsmethoden und Verhütungsmittel umfassend dargestellt werden.
(3) Die Aufklärungsmaterialien werden unentgeltlich an Einzelpersonen auf Aufforderung,
ferner als Lehr- oder Informationsmaterialien an schulische und berufsbildende
Einrichtungen, an Beratungsstellen, an Frauenärztinnen und Frauenärzte, Ärztinnen und
Ärzte sowie medizinische Einrichtungen, die pränataldiagnostische Maßnahmen
durchführen, Humangenetikerinnen und Humangenetiker, Hebammen sowie an alle
Institutionen der Jugend- und Bildungsarbeit abgegeben.
§ 2 Beratung
(1) Jede Frau und jeder Mann hat das Recht, sich zu den in § 1 Abs. 1 genannten Zwecken
in Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung sowie in allen eine
Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen von einer hierfür
vorgesehenen Beratungsstelle informieren und beraten zu lassen.
(2) Der Anspruch auf Beratung umfaßt Informationen über
1. Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung,
2. bestehende familienfördernde Leistungen und Hilfen für Kinder und Familien,
einschließlich der besonderen Rechte im Arbeitsleben,
3. Vorsorgeuntersuchungen bei Schwangerschaft und die Kosten der Entbindung,
4. soziale und wirtschaftliche Hilfen für Schwangere, insbesondere finanzielle
Leistungen sowie Hilfen bei der Suche nach Wohnung, Arbeits- oder
Ausbildungsplatz oder deren Erhalt,
5. die Hilfsmöglichkeiten für behinderte Menschen und ihre Familien, die vor und nach
der Geburt eines in seiner körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit
geschädigten Kindes zur Verfügung stehen,
6. die Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, die physischen
und psychischen Folgen eines Abbruchs und die damit verbundenen Risiken,
7. Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte im Zusammenhang mit einer
Schwangerschaft,
8. die rechtlichen und psychologischen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit einer
Adoption.
Die Schwangere ist darüber hinaus bei der Geltendmachung von Ansprüchen sowie bei der
Wohnungssuche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der
Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen. Auf Wunsch der Schwangeren sind Dritte zur
Beratung hinzuzuziehen.
(3) Zum Anspruch auf Beratung gehört auch die Nachbetreuung nach einem
Schwangerschaftsabbruch oder nach der Geburt des Kindes.
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§ 5 Inhalt der Schwangerschaftskonfliktberatung
(1) Die nach § 219 des Strafgesetzbuches notwendige Beratung ist ergebnisoffen zu führen.
Sie geht von der Verantwortung der Frau aus. Die Beratung soll ermutigen und Verständnis
wecken, nicht belehren oder bevormunden. Die Schwangerschaftskonfliktberatung dient dem
Schutz des ungeborenen Lebens.
(2) Die Beratung umfaßt:
1. das Eintreten in eine Konfliktberatung; dazu wird erwartet, daß die schwangere Frau
der sie beratenden Person die Gründe mitteilt, derentwegen sie einen Abbruch der
Schwangerschaft erwägt; der Beratungscharakter schließt aus, daß die Gesprächsund Mitwirkungsbereitschaft der schwangeren Frau erzwungen wird;
2. jede nach Sachlage erforderliche medizinische, soziale und juristische Information,
die Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter und Kind und der möglichen
praktischen Hilfen, insbesondere solcher, die die Fortsetzung der Schwangerschaft
und die Lage von Mutter und Kind erleichtern;
3. das Angebot, die schwangere Frau bei der Geltendmachung von Ansprüchen, bei der
Wohnungssuche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und
bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen, sowie das Angebot einer
Nachbetreuung.
Die Beratung unterrichtet auf Wunsch der Schwangeren auch über Möglichkeiten,
ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden.
§ 6 Durchführung der Schwangerschaftskonfliktberatung
(1) Eine ratsuchende Schwangere ist unverzüglich zu beraten.
(2) Die Schwangere kann auf ihren Wunsch gegenüber der sie beratenden Person anonym
bleiben.
(3) Soweit erforderlich, sind zur Beratung im Einvernehmen mit der Schwangeren
1. andere, insbesondere ärztlich, fachärztlich, psychologisch, sozialpädagogisch,
sozialarbeiterisch oder juristisch ausgebildete Fachkräfte,
2. Fachkräfte mit besonderer Erfahrung in der Frühförderung behinderter Kinder und
3. andere Personen, insbesondere der Erzeuger sowie nahe Angehörige,
hinzuzuziehen.
(4) Die Beratung ist für die Schwangere und die nach Absatz 3 Nr. 3 hinzugezogenen
Personen unentgeltlich.
Quelle: Bundesministerium der Justiz, http://www.gesetze-im-internet.de
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Impressum
Herausgeber:
pro familia-Landesverband Niedersachsen e.V.
Steintorstr. 6
30159 Hannover
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Fax: (0511) 30 18 57 87
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Hannover 2010
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