2 1 $/5 - Neue Zürcher Zeitung
Transcrição
2 1 $/5 - Neue Zürcher Zeitung
Ä Gleite c3iittfjcr3ci.ini!] W1 «21 WOCHENENDE Ronntrtff, 7. $/ 5 April lOflS Nr. 218 (Fornausgnbo Nr. Ofl) 55 Fußball In Mexiko Ist wie In den melaten lateinamerikanischen Ländern sowohl eine Leidenschaft wie eine blühende Industrie. Das Aztekenstadion und drei mexikanische Spitzenmannschaften gehören der mexikanischen fernsehgesellschaft Teleslstema. Mexikos Aztekenstadion Die Arena der Superlative Bildbericht von Pia und Gerardo Zanetti Es war am 29. Mai 1966. Mexikos Staatspräsident Gustavo Dia« Ordaz, kamerascheu und ernst wie immer, lief in die Mitte des Feldes, holte weit aus und schlug den weißen Ball über den Rasen. Der präsidiale Anstoß beendigte die Einweihungsfeier für das, was seither die Mexikaner mit Stolz erfüllte das Aztekenstadion am Rand von Mexico City. 100000 Zuschauer brachen in Jubel aus und feierten den ersten Fußballmatch in ihrem neuen Stadion. Im Hintergrund ragten Mexikos schneebedeckte Bergriesen Ixtaccihuatl und Popocatepetl majestätisch in die Höhe und lieferten dem Fest eine würdige Kulisse. Das Stadion trägt den stolzen Namen Jenes stolzen Volkes, das bei der Ankunft der spanischen Konquistadoren diese Gegend Mexico City hieO damals Tenochtitlan bewohnten und regierten. Das aber ist nicht der einzige Grund zum Stolz. Denn dieses Stadion zählt zu den fünf größten der Welt und darf in Anspruch nehmen, das Eleganteste und Modernste zu sein, was an Sport» architektur In neuerer Zeit gebaut worden ist. Die beiden Architekten Pedro Ramirez Vasquez und Rafael Mijares haben sich alles Erdenkliche einfallen lassen, um aus dieser Arena ein architektonisches und funktionelles Prunkstück der mexikanischen Metropole zu machen. Im Oktober dieses Jahres werden hier an den Olympischen Spielen die internationalen Fußballmannschaften ihren Wettstreit austragen, und sowohl Spieler wie Zuschauer werden in den GenuB dessen kommen, was dieses spektakuläre! Stück Architektur ausmacht. Die Spieler zum ersten werden auf einem Rasen antreten, der aus fünf verschiedenen Gräsern komponiert ist und alle zwei Tage geschnitten und gedüngt wird. Eine dem Stadion angeglie-' derte Gärtnerei züchtet auf 3000 m* Fläche Ersatzrasen, mit dem jederzeit schadhafte Stellen ausgebessert werden können. Ein raffiniertes Abflußsystem sorgt dafür, daß bei Regenwetter der hinterste Tropfen in Minutenschnelle versickert und abfließt Und so, wie für die Spieler nur das Beste gut genug ist, so ist es auch für die Zuschauer. Ein elegantes Dach garantiert einem Großteil von ihnen ein trockenes Haupt. Vier breite Zufahrtsrampen und eine große Anzahl von Parkplätzen und Eingängen ermöglichen einen flüssigen Verkehr. Man hat ausgerechnet, daß bei Bedarf Mcxlco-Clly ebenso aus wie die modernen Einrichtungen det Alena, ah da Architektonische Eleganz und Kühnheit telehnel da» Aztekenstadion In lind: Ptlvallogen, Kapelle, Bai», UnieiwaisenUahlmassage. alle 100000 Zuschauer das Stadion in 18 Minuten räumen können. Begüterte Mexikaner gelangen zudem in den Genuß einer Kommodität, die für Fußballstadien wohl einmalig sein dürfte. Wer genug Geld hat, kann für einen Betrag zwischen 100000 und 250000 Pesos (40000 bis 100000 Franken) auf Lebenszeit im Stadion eine Privatloge, beinahe schon ein Logis, mieten, die er selber mit allem einrichten darf, was er sich zu einem Fußballspiel wünschen mag. Zum Beispiel ein Badezimmer die Toilette ist bereits vor» handen , eine Bar, Telephon und Fernsehen. Televisipn soll in Privatlogen den besonders behebt sein, denn es ermöglicht den glücklichen Besitzern, ein andere Spiel zu sehen, wenn jenes im s Stadion zu langwellig ist. Nach dem Match ist es für diese Privilegierten kein Problem, zu ihren Autos zu gelangen. Sie stehen gleich vor der Tür auf dem privaten und bewachten Parkplatz, der im Preis inbegriffen Ist. Wer während des Spiels ein besonders wirksames Stoßgebet für seine Mannschaft hinaufschicken möchte, kann dies in der Kapelle des Stadions besorgen. Für Trainer, Presse und Organisatoren steht eine ganze Suite von Büros, eine feudale Bar und ein Fernsehraum zur Verfügung) und verkrampfte Neue Zürcher Zeitung vom 07.04.1968 2187S6 36 Sonntag, 7. April 1D68 Nr. £18 WOCHENENDE (IVnmusgnboNr. 06) Statt Mt^aMm Mexiko» FuBballei spielen im Aztekenstadion auf einem Rasen, der sich aus lünl verschiedenen Giüscisorlen lUsammcMCtxl, Ein AbiluBayslem gatanlletl, daß Regen in kürzester Zelt versickert und abllieUl. Fußballstars können sich In dnr Pause eine richtige Unterwasserstrdhlmassagc applizieren lassen. Die ganze Anlage und die Gewinne, die sie abwirft, gehören dem mexikanischen Fernsehen. Da eine moderne und kostspielige Arena wie das Aztekenstadion auch möglichst tg u genützt werden muß, besitzt das mexikanische Fernsehen dazu noch drei erstklassige Profimannschaften, die seit Jahr und Tag in der oberen Hälfte rd e Spitzenklubs figurieren und Jede Menge Freundschaftsspiele in ihrem Stadion zum besten geben, um die Arena zu füllen. Viele Zuschauer sind Aktionäre der Klubs und verpassen kaum ein Spiel. Die Finanzierung der Anlage und rd e Fußballklubs wird zu einem Teil aus den Zuschauereinnahmen, zu einem viel größeren Teil aber aus der Fernsehreklame bestritten. Die UeberUtigungen sind bis zum und jedes Spiel wird ganz und «live» gesendet ' Ucberdruß mit Getränkcreklame vollgepfropft. «Sanchez, wundervoll, knallt das Leder in Direktabnahme zu und vergessen Sie nicht, Moctezuma, das Linksaußen Rodriguez Rodriguez zu Pepe Martinez und Bier, das auch Ihnen bekommt outl Welch ein Jammer! Coca Cola erfrischt auch Sie.» So ungefähr gelangen die mexikanischen Fernseher in den Genuß ihres Lieblingssportes, Die amerikanischen Fernsehstationen, die eine Beethoven-Sinfonie zwar oft, aber immerhin höflich unterbrechen, bevor eine freundliche Stimme Hundefutter anpreist, könnten in Mexiko noch einiges dazulernen. In der Pause, wenn die Stadion- besucher einem Juniorenspiel oder einem berühmten Fußballakrobaten zusehen, diskutieren am Fernsehen Fachkräfte erster Qualität das Spiel und vergessen nicht, dabei das richtige Bier zu trinken und genießerisch zu schmatzen. Dieser offensichtliche Reklameterror scheint den Mexikanern keinen großen Eindruck zu machen, denn auf der andern Seite hat er zur Folge, daß sie viel und ausgezeichneten Fußball sehen i drei- bis viermal pro Woche und in einem prachtvollen Stadion. fußball M in Mexiko e i n ernste Sache. Eine Stadtpolizei steht wahrend de« ganzen Spiels einsatzbereit und diskret vor der Arena. Bei Alarm dringen diese Spezialisten Ins Stadion und Aeben alllälllge Unruheherde unverzüglich aus, wenn nötig mit HUI» von Tränengas. Die Zugangsrampen und Eingänge sind so angelegt und verteilt, daß das voll besetzte Stadion (100 000 Zuschauer) In Neue Zürcher Zeitung vom 07.04.1968 18 Minuten geräumt werden kann