Galerie Handwerk - Handwerkskammer für München und Oberbayern

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Galerie Handwerk - Handwerkskammer für München und Oberbayern
Galerie Handwerk
„Textile Raumdekorationen“
Eine Ausstellung der Galerie Handwerk
vom 25. Juni bis 26. Juli 2014
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Textile Wanddekorationen – eine knappe Einführung
Amsterdam, Museum Willet-Holtuysen
Bamberg, Residenz
Bayreuth, Neues Schloss
Berlin, Schloss Charlottenburg, Winterkammer
Berlin, Neuer Pavillon im Garten von Schloss Charlottenburg
Braunschweig, Schlossmuseum
Schloss Burgk an der Saale, Thüringen
Schloss Friedenstein, Gotha
Greiz, Unteres Schloss
Hechingen, Burg Hohenzollern
Schloss Hof bei Wien
Innsbruck, Hofburg
Landshut, Stadtresidenz Landshut
Schloss Linderhof, Ettal
Schloss Mirow, Mecklenburg
Schloss Moritzburg, Sachsen
Schloss Mosigkau, Dessau / Passau, Bischöfliche Residenz
München, Cuvilliés-Theater
München, Prinz Carl Palais
München, Villa Stuck
Pagodenburg, Schlosspark Nymphenburg
Potsdam, Neues Palais, Arbeitszimmer
Potsdam, Neues Palais, Speisezimmer- und Tressenzimmer
Potsdam, Orangerie
Salzburg, Residenz
Sanssouci bei Potsdam
Schleißheim, Neues Schloss Schleißheim
Schloss Schwetzingen, Badhaus
Schloss Waldenburg, Waldenburg
Schloss Weilburg, Weilburg
Weimar, Kirms-Krackow-Haus
Wien, Hofburg und Schloss Schönbrunn
Wien, Stadtpalais Liechtenstein
Fortuny
Tassinari & Chatel
Wiener Werkstätte / Firma Backhausen
William Morris & Co.
Glossar
Beteiligte Firmen
S. 01
S. 02
S. 10
S. 11
S. 13
S. 15
S. 17
S. 18
S. 20
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S. 23
S. 24
S. 25
S. 28
S. 29
S. 32
S. 33
S. 34
S. 35
S. 37
S. 39
S. 41
S. 42
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S. 47
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S. 56
S. 58
S. 59
S. 60
S. 61
S. 64
S. 65
S. 67
S. 68
S. 72
S. 76
S. 88
Einleitung
Samt- und Brokatstoffe, Posamenterien, Vorhänge und Bezüge für Sitzmöbel sind herausragende Beispiele
einer handwerklichen Kultur vergangener Jahrhunderte, die in spezialisierten Betrieben in Europa entstanden
sind und der innenarchitektonischen Gestaltung höfischer Architektur dienten. Die Erhaltung und Rekonstruktion solcher Textilien ist heute eine besondere handwerkliche und kunstwissenschaftliche Herausforderung.
Diesem Thema möchte die Galerie Handwerk in ihrer Sommerausstellung nachgehen.
Dabei werden Wanddekorationen von frühen Formen der Tapisserie, über Wandbespannungen in verschiedenen textilen Materialien bis zur Stoffimitation in Tapeten vertreten sein. Hauptsächlich werden Projekte aus
dem 18. und 19. Jahrhundert vorgestellt. Durch die Zusammenarbeit mit der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen sowie hochspezialisierter handwerklicher Werkstätten aus München, Crimmitschau, Thurnau und Wernigerode werden bedeutende Projekte der letzten Jahre ausgestellt: Die Pagodenburg im Nymphenburger Schlosspark, das Cuvilliés-Theater in der Münchner Residenz, Schloss Schleißheim, die
Birkenfeldzimmer in der Stadtresidenz Landshut, aber auch das Neue Palais in Potsdam sowie Projekte aus
Wien und Salzburg zeichnen sich durch anspruchsvolle textile Wanddekorationen aus.
Als Ausbildungsstätte wird die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle vertreten sein, an die jetzt die ehemalige Gobelinmanufaktur in Halle angegliedert ist.
Ein Anliegen der Ausstellung ist es, auf die historischen Funktionen und Gestaltungsideen textiler Raumdekorationen einzugehen. Zum anderen soll die Pracht historischer Stoffe und die Vielfalt an aufwendigen Geweben
und Mustern gezeigt werden.
Wolfgang Lösche
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Textile Wanddekorationen – eine knappe Einführung
Die textile Wanddekoration bildet eine Alternative oder eine Ergänzung von Wänden aus Stein oder von einer
hölzernen Wandverkleidung. Holzvertäfelungen konnten mit Schnitzereien und farbiger Fassung repräsentativ
verziert sein, Steinwände mit ornamentalen Malereien oder mit Fresken mit figürlichen Szenen verziert sein.
Der Aufwand der Dekoration diente stets als Mittel, Reichtum und Status anzuzeigen. Durch die Wahl der figürlichen Szenen, den Einschluss von Wappenmotiven dienten sie zugleich zur Selbstdarstellung oder zur politischen Propaganda. So war es auch die Aufgabe der textilen Wandbespannung, in der Wahl des Materials und
der Verarbeitung die finanziellen Mittel und die gesellschaftliche Stellung des Auftraggebers deutlich zu machen und hervorzuheben. Hinzu kamen praktische Erwägungen, denn die Wandbespannung diente nicht nur
zur Isolierung und Wärmedämmung , sondern auch zur Dämmung von Geräuschen. Gerade im 18. Jahrhundert
konnte durch Wandbespannung der Charakter eines Raumes – sei es in Hinblick auf Repräsentativität oder
Intimität – unterstrichen werden. Durch die seidenen Oberflächen wurde die Festlichkeit, der Schimmer des
Kerzenlichts gesteigert.
Um einen möglichst getreuen Eindruck von der ursprünglichen Raumwirkung zu erhalten, ist die Restaurierung
bzw. die Rekonstruktion der textilen Wandbespannung unabdingbar. Ob es sich um eine Restaurierung oder
eine Rekonstruktion handelt, ist von einer Vielzahl von Komponenten abhängig. Dazu zählen der Zustand des
vorhandenen Gewebes, das Raumklima, die Möglichkeiten der Restaurierung und Konservierung, die Frage,
inwieweit der restaurierte Stoff noch zu präsentieren ist oder inwieweit er überhaupt noch den originalen
Raumeindruck wiedergeben kann. Eine Rolle spielt natürlich auch die Frage, ob und zu welchen Kosten der
historische Stoff zu rekonstruieren ist.
Rekonstruktion meint in diesem Zusammenhang die Nachbildung eines Stoffes oder einer Tapete zumeist in
dem originalen Zustand, also in dem Zustand der Entstehungszeit: Stoff oder Tapete entsprechen in Struktur,
Charakter, Oberflächenwirkung und Farbigkeit der Vorlage. Bei der Vorlage handelt es sich in der Regel um ein
Stofffragment, das sich durch Nahteinschlag oder durch das Abgedecktsein durch Nägel, Borte oder Vertäfelung in seiner ursprünglichen Farbigkeit und Struktur erhalten hat. In Hinblick auf Muster und Herstellungsverfahren können auch beschädigte und ausgeblichene Partien einen Eindruck vermitteln und als Muster für die
Rekonstruktion dienen. Auch historische Photos können hinzugezogen werden, doch können sie keine Informationen zur Farbigkeit geben und sind in Hinblick auf Musterdetails oftmals zu ungenau.
Tapisserien
Als früheste Form textiler Wandbespannungen gilt die Tapisserie (Bildwirkerei). Die figürlichen Szenen wurden
mit einem Handwebstuhl oder später einem Jacquardwebstuhl ausgefertigt. Der Jacquardwebstuhl arbeitet
über ein Lochkartensystem, das die Kettfäden steuert und wurde seit 1795 von Joseph-Marie Jacquard (17521834) in Lyon entwickelt. Im Unterschied zum Stoffweben werden bei der Tapisserie die farbigen Schussfäden
nur bis zum Rand der im Karton vorgegebenen Farbfläche hin- und zurückgewirkt. Unter einem Karton ist die
originalgroße Vorzeichnung zu verstehen, nach der die Weber arbeiten. Beim Stoffweben dagegen werden die
Kettfäden stets regelmäßig nach dem Rapport – dem Webmuster – über die gesamte Webebreite, also von
einer Kante zur anderen, eingeschossen. Die Tapisserien entstanden entweder auf einem senkrechten Hochwebstuhl (Hautelisse-Stuhl) oder auf einem waagerechten Flachwebstuhl (Basselisse-Stuhl) mit Fäden aus Leinen und Baumwolle für die Kettfäden, Wolle, Seide oder auch Metallfäden für den Schuss. Die Arbeit wird von
der Rückseite her gewebt. Je nach Webstuhl wird der Karton entweder im Rücken des Webers aufgestellt (Hautelisse-Webstuhl) oder unter den Kettfäden (Basselisse-Webstuhl) befestigt, wobei er in letztem Fall spiegelverkehrt gezeichnet sein muss bzw. mit Hilfe einer Durchpausung (calques) seitenverkehrt übertragen wird. Bei
beiden Webstühlen wird mit Spiegeln gearbeitet: Am Hochwebstuhl dient der Spiegel dazu, den Karton seitenverkehrt zu sehen und danach zu arbeiten, beim Flachwebstuhl wird mit einem Handspiegel die Qualität der
Vorderseite geprüft. Die Ausführung der Bildmotive wird als Einwirken oder Durchwirken bezeichnet.
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Die Tapisserien dienten aufgrund ihrer Kostbarkeit und szenischen Darstellung der Repräsentation und politischen Selbstdarstellung geistlicher und weltlicher Herrscher. Ihr Vorteil lag im Unterschied zur Wandmalerei
darin, dass sie bei einem Wechsel der Residenz, wie es gerade im Mittelalter und der Renaissance noch üblich
war, mitgeführt werden konnten. Dieses trifft übrigens auch für textile Wandbespannungen zu, die mit Nägeln
an den Wänden befestigt wurden und somit ohne größere Umstände entfernt und an einem anderen Ort wieder angebracht werden konnten.
Bedeutende Künstler wie Raffael, Rubens, Boucher fertigten Entwürfe für solche Tapisserie-Serien an, die dann
in spezialisierten Werkstätten gewebt wurden. Von Raffael stammt eine Serie mit zehn Szenen aus der Apostelgeschichte (1515-1516), die von Papst Leo X. für die Sockelzone der Sixtinischen Kapelle in Auftrag gegeben
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wurde. Sieben der Szenen wurden in Brüssel in der Werkstatt des Pieter van Aelst d. Ä. gewebt. Peter Paul
Rubens wiederum entwarf für einen genuesischen Edelmann einen achtteiligen Zyklus mit Szenen aus dem
Leben des römischen Konsuls und Feldherrn Decius Mus (1616), der von den Brüsseler Webern Jan Raes und
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Frans Sweerts ausgeführt wurde. Beide Serien waren so erfolgreich und berühmt, dass im Laufe der Zeit weitere Nachwebungen in Auftrag gegeben wurden. Von François Boucher wiederum stammen Entwürfe für mehrere dekorative Serien, die dem zeitgenössischen Geschmack für Chinoiserie und pastorale Szenen entgegenkamen.
Die bedeutenden Webereien befanden sich in Brüssel, Gent, Tournai und Brügge. Ludwig XIV. übernahm 1667
die 1607 von niederländischen und belgischen Webern gegründete Gobelin-Manufaktur (Manufacture nationale des Gobelins). Hier entstanden die im Rahmen der absolutistischen Herrscherrepräsentation wichtigen
Schlachten- und Herrscherserien nach Entwürfen des Hofmalers Charles Le Brun. Weitere Manufakturen entstanden in Beauvais und Aubusson.
Auch Kurfürst Max Emanuel erwarb zur Repräsentation und Ausstattung seiner Schlösser verschiedene Tapisserie-Serien. So kaufte er 1696 Tapisserien mit Szenen aus dem militärischen Leben, die sog. Kriegskunst-Folge,
die in Brüssel in der Werkstatt von Gaspar van der Borght und Jérome Le Clerc nach Entwürfen Lambert de
Hondts angefertigt wurde und sich heute in Schloss Schleißheim befindet. Eine andere Serie, die
„Schleißheimer Folge“, bestellte der Kurfürst bei Judocus de Vos in Brüssel für das Vor- und Audienzzimmer
seines Appartements in Schloss Schleißheim. Diese Folge geht auf eine Serie für den Herzog von Marlborough
für Blenheim über seine Siege über Max Emanuel im Spanischen Erbfolgekrieg zurück. Auch München verfügte
über eine Gobelinmanufaktur. So haben sich im Roten Kabinett in Schloss Schleißheim schmale Gobelinfelder
mit Jagdtrophäen, Chinoiserie- und Groteskenmotiven, ein Kaminschirm und gewirkte Bezüge erhalten, die von
der durch Max Emanuel wiederbegründeten Zweiten Münchner Gobelinmanufaktur (1730-1770) ausgeführt
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wurden.
Im Rokoko entstanden besonders in Beauvais dekorative Ensembles, die nicht nur Bildwirkereien für die Wände, sondern auch für Kaminschirme und Sitzmöbelbezüge umfassten. Ein gut erhaltenes Beispiel hat sich in
Osterley Park bei London erhalten. Die Wandbespannungen und Bezüge, die 1775-1776 in Beauvais nach Entwürfen Bouchers gefertigt wurden, zeigen mythologische Szenen in einer Trompe l’œil-Rahmung auf floralem
„Stoffgrund“ und Einfassungen mit Puttenfiguren, Vögeln, Blumenarrangements und Festonen. Diese Motive
wurden auf den Bezügen für Sofas und Stühle aufgegriffen. Eine solche „en suite“-Dekoration – eine einheitliche Dekoration aus aufeinander abgestimmten Stoffen für Wandbespannung, Möbelbezüge und Vorhänge –
war seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beliebt.
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Die Kartons befinden sich in der Sammlung der englischen Königin und sind als Dauerleihgabe im Victoria & Albert Museum in London
ausgestellt.
Die Entwürfe in Öl auf Leinwand und einzelne Tapisserien aus den „editiones principes“ befinden sich in der Sammlung Liechtenstein
im Palais Liechtenstein in Wien.
Weitere Beispiele dieser Manufaktur sind in der Münchner Residenz zu sehen. Hier finden sich auch Tapisserien mit Darstellungen der
Monate von der Ersten Münchner Gobelin-Manufaktur (1704-1715).
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Auch bei einer Wandbespannung mit Stoff wurde dieses Prinzip gerne umgesetzt. Frühe Beispiele dafür lassen
sich bereits im 16. Jahrhundert nachweisen, zunächst in Italien und dann auch in Frankreich. Gerne wurden die
Wandbespannungen im Sommer und Winter gewechselt – zum einen, um die Stoffe zu schonen, zum anderen,
um den Jahreszeiten entsprechende Gewebe in den Räumen für einen höheren Komfort zu besitzen und um für
Abwechslung zu sorgen.
Textile Wandbespannungen
Für textile Wandbespannungen – die Wanddekoration aus Webstoffen – waren seit dem 17. Jahrhundert Samt,
Seide und Wolle beliebt. Im Barock und Rokoko wurde gerne ungemusterter Samt als Hintergrund gewählt, auf
dem ornamental angeordnete Verzierungen aus Spitzen, Posamenterien und Stickereien, bevorzugt in Goldund Silberfäden, befestigt wurden wie z. Bsp. im Paradeschlafzimmer Max Emanuels im Neuen Schloss
Schleißheim, 1722-1725. Hier waren die Alkovenwände alternierend mit Bahnen aus rotem Seidensamt mit
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ehemals vergoldeten Reliefstickereien in Sprengtechnik sowie aus Silberbrokat und rotem Taft verkleidet. Die
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Stickereien wurden von Franz Anton Joseph Deschamps und Nicolas Deschamps ausgeführt. Friedrich II. von
Preußen bestellte 1768 für das sog. Tressenzimmer im Neuen Palais in Potsdam rotseidenen Damast, auf dem
Goldtressen in pilaster- und laubenartigen Motiven aufgebracht wurden. Das Ensemble wurde 2011-2012 res6
tauriert.
Im 18. Jahrhundert erfreuten sich gemusterte Seidengewebe bei Adel und wohlhabendem Bürgertum großer
Beliebtheit, während ansonsten Wolle oder Leinen-Wollgewebe Verwendung fanden. Seidendamaste waren
besonders kostbar, da sie webtechnisch sehr aufwendig und die Garne selbst schon teuer waren. Die Stoffwahl
basierte letztlich auf dem Raumtypus und der gesellschaftlichen Stellung des Auftraggebers. Im Unterschied zu
heute wurde damals kaum zwischen Dekorations- und Kleiderstoff unterschieden. Einzig Details geben heute
Hinweise darauf, wofür der Stoff wohl hauptsächlich vorgesehen war. Dieses betrifft Mustertypen, das Vorhandensein integrierter Bordüren, einen höheren und breiteren Rapport, die Bevorzugung symmetrischer, um
eine vertikale Spiegelachse angeordnete Muster und eine Webbreite von 60-80 cm.
Seidenstoffe wurden zunächst aus Italien bezogen, und italienische Muster dienten lange als Vorbild für die
anderen europäischen Seidenmanufakturen. Im Laufe der Zeit lassen sich verschiedene Moden ausmachen, die
die Bevorzugung bestimmter Materialien und Muster betreffen. Nach frühen Seidenzentren in Spanien und
Sizilien entwickelten sich im Verlauf der Renaissance verschiedene Zentren der Seidenweberei in Italien mit
unterschiedlicher Spezialisierung, so in Lucca, Venedig, Florenz und Genua. Frankreich war schon seit dem 15.
Jahrhundert, seit Ludwig XI., bestrebt, eine eigene Seidenproduktion zu entwickeln. So wurde 1466 eine Seidenmanufaktur in Lyon gegründet. Zentren waren neben Lyon, eine Stadt, die schon früh mit italienischen
Seidenstoffen handelte, Tours sowie Paris, Nîmes und Avignon. Lyon blieb dabei das wichtigste Zentrum. Hierließen sich 1536 italienische Seidenweber nieder, und 1540 gewährte Franz I. der Stadt das Monopol auf die
Seidenherstellung. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 durch Ludwig XIV., das den Hugenotten im
katholischen Frankreich religiöse Toleranz und Bürgerrechte garantiert hatte, wanderten viele der protestantischen Seidenweber, Zwirner und Färber ab. Dieses führte zu einer Blüte im Seidengewerbe der angrenzenden
Länder wie England, so im Londoner Stadtteil Spitalfield, in Deutschland, der Schweiz, hier besonders in Zürich.
Im 18. Jahrhundert waren besonders die Erzeugnisse aus Lyon begehrt und modeangebend – wie die bizarren
Seiden oder die Spitzenmuster. Ludwig XIV. bestellte für die Ausstattung der königlichen Paläste Seiden in Lyon
und ließ diese zu begehrten Ausstattungsstücken für andere Herrscher und den Adel werden. So wurden entweder in Lyon Bestellungen aufgegeben, oder im Sinne des Merkantilismus wurden von den Landesherren
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Bei der Sprengtechnik handelt es sich um eine Reliefstickerei. Der Goldfaden wird über einer Form, einem vorbereiteten erhöhten
Untergrund, hin- und hergeführt und an der Fadenwende jeweils festgenäht.
Brigitte Langer, Die Möbel der Schlösser Nymphenburg und Schleißheim, Die Möbel der Residenz München Bd. 5, München 2000, Kat.
Nr. 18, S. 96-99
Christa Zitzmann, Nadja Kuschel, Ute Rönnecke, Friedrichs Kartoffeln retten des Königs Luxus. Die Restaurierung einer Wandbespannung aus dem Jahre 1768, Restauro 4, 2012, S. 46-54
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eigene Manufakturgründungen vorgenommen. Einbrüche erlebte die französische Seidenindustrie durch die
Französische Revolution und die Vorliebe für dünne importierte Baumwollstoffe im Directoire. Unter Napoleon
wurde durch Zölle, Handelseinschränkungen und das bewusste Forcieren von Moden mit Seidenstoffen versucht, die Seidenmanufakturen wieder zu fördern und die französische Wirtschaft nach den Revolutionswirren
zu beleben.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden kräftige Farben, seit 1770 dagegen helle Farben und Pastelltöne bevorzugt. Es lässt sich beobachten, dass im Laufe des Jahrhunderts die Räume zunehmend in wenigen,
fein aufeinander abgestimmten, ähnlichen Farbtönen ausgestattet wurden, wodurch die textile Raumausstattung zurückhaltender wird.
Eine Sonderform bilden die sog. bizarren Seiden, die durch intensive Farben, das Einweben von Metallfäden,
phantasievolle Muster, die Mischung von abstrakten Formen und stilisierten exotischen Pflanzen sowie die
Einarbeitung unterschiedlichster Motive charakterisiert sind, welche auf Vorbilder zurückgehen, die über die
Ostindischen Handelsgesellschaften nach Europa gelangten. Es mischen sich Anregungen aus Nah- und Fernost,
aus China und Japan, unterschiedliche Gegenstände in verschiedenen Größenverhältnissen stehen einander
gegenüber. Der Rapport ist zumeist ungewöhnlich lang und schmal, möglichst asymmetrisch, verläuft gerne
diagonal oder in gebrochener Kurve. Durch eine Gold- und Silberbroschierung wurde eine lebendige Oberfläche
erzielt, da durch die teils matten, teils glänzenden, schattierenden Damastbindungen Bewegung und Tiefe
vermittelt wurden. Bei einer Broschierung wird der Musterschuss während des Webvorgangs mit einem Broschierschiffchen per Hand vorgenommen. Dieser Schuss ist auf ein bestimmtes Motiv beschränkt und verläuft
somit nicht von Webkante zu Webkante. Die ersten dieser Seiden entstanden wohl in den Seidenwebereien in
Venedig und dann in Lyon und waren nur in der Zeit zwischen ca. 1680 und 1710/1720 modern. Hans Christoph
Ackermann, der die umfangreiche Sammlung der Schweizer Abegg-Stiftung 2000 inventarisierte, unterteilte die
bizarren Seiden unterschiedlicher Herkunft in verschiedene Vor- und Hauptphasen: Die „hochbizarre“ Phase
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setzt er von 1700-1705 an. Bei den verwendeten japanischen Motiven erkennt er eine Parallele zu solchen in
den Hinagata – Heften mit ca. 100 Holzschnitten, die Kleiderentwürfe (Kosade) abbilden und zwischen 1666
und 1830 in Kyoto, Osaka und Edo (Tokyo) verlegt wurden. Auch Peter Thornton unterteilte die bizarren Seiden
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in drei Phasen: Die exotische Phase von 1707-1710, die gekennzeichnet sei durch eine Vorliebe für architektonische und gerundete Motive und durch bedruckte Baumwollen aus Indien sowie japanische, persische und
türkische Ornamente und Motive inspiriert ist. In der abstrakten Phase von 1710 bis 1715 sind die Motive als
solche nicht länger klar identifizierbar. Die dritte, die luxuriöse Phase datiert von 1715-1720. Die floralen Motive werden üppiger und gewinnen an Naturalismus. Exotische Früchte und kostbare Metallfäden bestimmen die
Entwürfe.
Die Mode der „Bizarren Seiden“ wird durch diejenige für „lace pattern“ abgelöst, die von 1720 bis 1732 den
Markt beherrschten. Diese Muster erhalten ihren Namen durch die Ähnlichkeit zu zeitgleichen Spitzenentwür9
fen. Die Zeit von 1730-1740 ist dann durch einen zunehmenden Naturalismus geprägt, wobei die Blumen gerne in plastischen Bouquets angeordnet sind. Diese naturalistischen Seiden kennzeichnen sich durch farbintensive Blumenmotive, die malerisch und tiefenräumlich aufgefasst werden.
In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts werden verstärkt leichtere Stoffe beliebt, die aus Indien importiert und
wegen ihrer Beliebtheit dann auch von europäischen Manufakturen produziert wurden – die sog. Indiennes.
Hierbei handelt es sich um bemalte und bedruckte Baumwollgewebe. Diese „Indiennes“ waren bereits seit ca.
1675 beliebt und bildeten zunächst preiswertere Kopien indischer Chintze, wobei die Farben mit Holzstöcken
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Hans Christoph Ackermann, Vendulka Otavská (Gewebeanalysen), Seidengewebe des 18. Jahrhunderts I, Bizarre Seiden, Die Textilsammlung der Abegg-Stiftung Bd. 2, Abegg-Stiftung, Riggisberg 2000. Hier kennzeichnen sich die Entwürfe durch eine elegant geschwungene Linienführung, eine Vorliebe für die Diagonale, kräftige, kontrastreich eingesetzte Farben, eine flächige Tendenz.
Peter Thornton, Bizarre Silks, Burlington Magazine, 100, 665, August 1958, S. 265-270
Anna Jolly, Vendulka Otavská (Gewebeanalysen), Seidengewebe des 18. Jahrhunderts II, Naturalismus, Die Textilsammlung der AbeggStiftung Bd. 3, Abegg-Stiftung, Riggisberg 2002
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aufgedruckt wurden. Schließlich waren die indischen Stoffe so begehrt, dass die französische Regierung um
ihre Webereien fürchtete und 1686 ein Verbot der „toiles peintes“ herausgab. Entsprechende Stoffe gelangten
nichtsdestotrotz durch Schmuggel nach Frankreich und blieben populär. Nach ersten Abmilderungen 1745
wurde das Gesetz 1759 aufgehoben.
Am Ende des 18. Jahrhunderts lassen sich auch bei den Stoffen Anregungen durch die Antike in der Bevorzugung geordneter Muster, antikisierender Ornamente und Arabeskenmotive nachweisen. Kleiderstoffe vermittelten in den Jahren um 1800 Anregungen auf Dekorationsstoffe und regten zur Einführung asymmetrischer
Rankenmuster an. Um 1801 erfolgten wesentliche Änderungen durch die Entwicklung des mechanischen Webstuhls durch Joseph Marie Jacquard. Er erfand eine Vorrichtung, durch die es möglich wurde, jeden Kettfaden
an der Webmaschine zu steuern und dadurch große und komplizierte Muster zu weben. Dieses erfolgte mittels
Lochkarten.
Napoleon war bestrebt, die französische Seidenindustrie zu beleben, die durch die Vorliebe für dünne, aus
Indien importierte Musselinstoffe schwere Einbußen erlitten hatte. Wie die Entwürfe seiner Architekten Charles Percier (1764-1838) und Pierre-François-Léonard Fontaine (1762-1853) für Innenausstattungen überliefern,
wurden Lyoneser Seidenstoffe von leuchtender Farbigkeit in reichen Draperien an den Wänden befestigt und in
den Vorhängen an den Fenstern, Betten und Nischen aufgegriffen. Waren im 17. Jahrhundert die Stoffbahnen
nur entlang der oberen Kante an der Wand mit Nägeln befestigt und hingen nach unten lose herab, so wurden
sie im 18. Jahrhundert auf Holzrahmen montiert und dann über der vertäfelten Sockelzone befestigt. Die verschiedenen Bahnen wurden nebeneinander angebracht; Bordüren konnten verwendet werden, um Verbindungsnähte abzudecken. Sie wurden zudem als Einfassung der Wandfelder eingesetzt, wobei auch hier die
Moden wechselten und gerne unterschiedliche Bordüren als vertikale, untere und obere Einfassung gewählt
wurden.
Um 1800 wurden an den unteren Rand gerne Fransenbordüren angefügt, während oben z. Bsp. baldachinartige
Raffungen aufgesetzt werden konnten. Die Bordüren, die die Nägel abdeckten, mit denen der Stoff bzw. das
Rahmenwerk an der Wand befestigt war, konnten aus verschiedenen Materialien gearbeitet sein. Die
Aufspannung auf Rahmen ermöglichte ein leichtes Abnehmen der Bespannung, denn gerne wurden zwischen
einer Frühjahr-Sommer- und einer Herbst-Winter-Bespannung gewechselt, die sich in Farbigkeit und Stoffqualität entsprechend der Jahreszeiten und den klimatischen Bedingungen unterschieden. Wurde Anfang des 18.
Jahrhunderts wie im Bettalkoven des Paradeschlafzimmers des Kurfürsten in Schloss Schleißheim auch mit
alternierenden Stoffbahnen gearbeitet, so wurde zunehmend ein Nacheinander gleichartiger Bahnen bevorzugt. Falls es die Stoffqualität zuließ, konnte derselbe Stoff auch für Bett- oder Fenstervorhänge Verwendung
finden. Neben Wandbespannungen aus Webstoffen konnten auch bestickte Wandbespannungen angebracht
werden. Techniken wie Nadelmalerei, Perlstickerei, Seiden- und Goldstickerei kamen hierbei zum Einsatz.
Posamenterien
Die Wandbespannungen wurden ergänzt durch Posamenterien (passements) – durch Borten, Quasten und
Schnüre. Diese konnten die Felder der Wandbespannung einfassen und wiederholten sich an den Möbelbezügen und den Halterungen der Vorhänge. Posamenterien wurden in der Regel aus Metall- und Seidenfäden
gearbeitet, die für Quasten über Holzformen oder Pergamentstreifen gezogen werden konnten. Die Grundform
einer Quaste entsteht, indem ein Bündel Kettfäden in doppelter Länge in der Mitte verknotet und die herabhängenden Enden zusammengebunden werden. Auch Netze aus Leinenfäden und Metallspiralen konnten integriert werden. Posamenterien entstehen auf Seilmaschinen, Flecht- und Wirkmaschinen in Handarbeit, wobei
der Posamenterie-Webstuhl einem klassischen, allerdings schmaleren Webstuhl ähnelt. In der Gestaltung der
Posamenterien lassen sich entsprechend zu den Wandbespannungen verschiedene Moden ablesen. So wurden
im 17. Jahrhundert üppige und bunte Posamenterien bevorzugt. Im 18. Jahrhundert wurden sie zunehmend
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Rosemary Crill, Textiles from India. The Global Trade, Victoria & Albert Museum, London, 2008; Beatnijs Sterk, Chintz aus Indien mit
Beizen und reservengefärbter Baumwolle, Textilforum 2, 2012, S. 22-23
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harmonisch auf die Stoffe abgestimmt, bis dann besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder
reichere Versionen geschätzt wurden.
Tapeten
Neben textilen Wandbespannungen konnten auch andere Materialien als Wanddekoration Verwendung finden, wobei diese in der Regel zunächst die textilen Vorbilder imitierten, z. Bsp. Seidenstoffe, Brokate und Da11
maste, oder variierten. Hierzu zählen Ledertapeten mit eingeprägten und aufgemalten Mustern, bedruckte
und bemalte Leinwand- und Wachstuchtapeten, die sog. Pekingtapeten (Pékins) – Seidengewebe mit gemalten
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ostasiatisch inspirierten Motiven –, bemalte Baumwollbespannungen (toiles peintes) und schließlich bedruckte Papiertapeten. Ledertapeten waren im 17. und wieder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beliebt,
während sie im 18. Jahrhundert kaum eingesetzt wurden. Tapeten wurden zunächst in Temperafarben auf
Bögen gedruckt, später auf Rollen. Schon im 17. Jahrhundert wurden besonders in Nordeuropa Samtstoffe
durch Flocktapeten nachgeahmt, so der Velours d’Utrecht, ein Samt mit eingepresstem Muster, bei dem Model
oder Rollen aus Metall oder Holz in das fertige Samtgewebe gepresst wurden und dadurch ein plastisches Muster entstand. Die Flocktapeten entstanden zunächst auf einem Textilgrund, dann im Laufe des 18. Jahrhunderts
zunehmend auf einem Papiergrund. Dabei wurde auf die getrocknete Grundierung die jeweilige Mustervorlage
mit einem Haftmittel aufgebracht und dann eine Bestäubung mit Partikeln aus feingemahlenen farbigen Wollfasern vorgenommen.
1800 waren Draperien für Raumausstattungen beliebt, so dass die Räume einen zeltartigen Charakter erhielten. Da es sehr kostenaufwendig war, teure Seidenstoffe in Fältelung oder in großen Schwüngen der Wand
vorzulegen, wurde diese Dekorationsmode gerne in äußerst illusionistisch wirkenden Tapeten aufgegriffen.
Gerade die französischen Tapetenmanufakturen wie Réveillon, Zuber oder Dufour produzierten augentäuschende Beispiele in leuchtender Farbigkeit mit Bordürten- oder Fransenbesatz. Schon seit 1780 wurden
Lyoneser Möbelstoffe als Tapeten nachgeahmt und wiesen die zeitgemäßen, an der Antike inspirierten Ornamentmotive auf. Wie die Stoffe wurden auch die Tapeten von Abschluss- oder Rahmenbordüren begleitet,
wobei sich obere und untere Einfassung voneinander unterschieden. Die Tapeten bildeten allerdings oft eine z.
T. nur geringfügig preiswertere Alternative zum Stoff. Tapeten wurden mit mehreren Holzstöcken zunächst auf
Bögen, dann auf Bahnen aus Papier gedruckt. Für jede Farbe musste ein eigener Druckstock angefertigt werden, und es musste beim Drucken genau darauf geachtet werden, dass die Motive korrekt übereinander gedruckt wurden. Dieses änderte sich erst um 1840, als mit der Massenproduktion von Tapeten mittels gravierter
Zylinder begonnen wurde.
Die Preise für hochwertige Tapeten wie diejenigen der französischen Manufaktur von Jean Baptiste Réveillon
(1725-1811), seit 1784 Manufacture Royale, waren so kostspielig und arbeitsaufwendig, dass sie durchaus mit
den Kosten für Stoffe konkurrieren konnten. Die französischen Tapetenzentren waren Paris, Lyon und Rixheim
bei Mühlhausen im Elsass. Die Tapeten konnten direkt auf die Wand geklebt werden, doch bei kostbaren Tapeten wurde oftmals so vorgegangen, dass sie auf einen Leinwandgrund geklebt wurden, der dann wie bei den
textilen Wandbespannungen auf einen Rahmen aufgezogen wurde, so dass die Wanddekoration bei Bedarf
auch wieder abgenommen werden konnte.
Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts blieben sowohl Textilien als auch Tapeten als Wanddekoration
beliebt. Gerade die Möglichkeiten der Industrialisierung führten zu einer Blüte von gedruckten Stoffen und
Tapeten mit ungewöhnlichem Musterreichtum und Farbvielfalt. Dieses stieß jedoch auch auf heftige Kritik und
mündete in die Forderung nach einer Auseinandersetzung mit Produktionsprozessen, Materialeigenschaften,
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Bernard Jacqué, Der absolute Luxus: die Hochblüte der französischen Papiertapete 1730-1870, in: Lesley Hoskins (Hrsg.), Die Kunst der
Tapete. Geschichte, Formen, Techniken, Stuttgart 1994 1. Aufl. London 1994, S. 56-75, siehe besonders S. 65-71; Sabine Thümmler,
Ausst. kat. Tapetenkunst. Französische Raumgestaltung und Innendekoration von 1730-1960. Sammlung Bernard Poteau, Staatliche Museen Kassel, Wolfratshausen 2000
Rolf Bothe, Der Einfluß Chinas auf europäische Textilien und Tapeten, in: Ausst. kat. China und Europa, Chinavorstellungen und Chinamode im 17. Und 18. Jahrhundert, Schloss Charlottenburg, Berlin, 1973, S. 108-115
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Traditionen und Gattungskennzeichen. So sollten die Muster nicht zu viel Räumlichkeit suggerieren und keine
historischen Stile mischen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts galten textile Wandbespannungen als
wertvolle und repräsentative Ausstattung.
Gerne wurden schwere, ornamental gemusterte Samte ausgewählt, auf denen Gemälde präsentiert wurden –
so z. Bsp. in den Räumen des Münchner Porträtmalers Franz von Lenbach. Noch William Morris, der Begründer
des Arts & Crafts Movement, favorisierte – wie sich auch in seinen Wohnräumen in Kelmscott House zeigen
lässt – eine Wandbespannung aus Webstoff gegenüber einer Papiertapete, die er als einen preiswerteren Ersatz erachtete. Er produzierte deswegen Stoffe und Tapeten in einem Muster, wobei der Stoff auch für Vorhänge und Möbelbezüge dienen sollte.
8
Weiterführende Literatur:
Barbara Beaucamp-Markowsky, Europäische Seidengewebe des 13.-18. Jahrhunderts, Kataloge des Kunstgewerbemuseums Bd. 8, Köln 1978
Marianne Carlano und Larry Salmon (Hrsg.), French textiles from the Middle Ages through the Second Empire,
Wadsworth Athenaeum, Hartford 1985
Barbara de Groot, Textile Raumkunst. Phantasievoller Ersatz, Rekonstruktion oder Restaurierung; Beispiele aus
Bayerischen Schlössern, VDR-Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut 1, 2003, S. 43-53
Jennifer Harris (Hrsg.), 5000 years of textiles, British Museum, London 2010 (1. Aufl. 1993)
Lesley Hoskins (Hrsg.), Die Kunst der Tapete. Geschichte, Formen, Techniken, Stuttgart 1994 (1. Aufl. London
1994)
Anna Jolly, Fürstliche Interieurs, Dekorationstextilien des 18. Jahrhunderts, Abegg Stiftung, Riggisberger Berichte 12, 2005
Natalie Rothstein, Silk in the early modern period, c. 1500-1780, in: David Jenkins (Hrsg.), The Cambridge History of Western Textiles I, Cambridge 2003, S. 528-262
Carolyn Sargentson, Merchants and Luxury Markets. The Marchands Merciers of Eighteenth Century Paris.
Victoria & Albert Museum / J. Paul Getty Museum, London & Malibu 1996
Gill Saunders, Wallpaper in Interior Decoration, Victoria & Albert Museum, London 2002
Katie Scott, The Rococo Interior, Decoration and Social Spaces in Early Eighteenth-Century Paris, New Haven &
London 1995
Peter Thornton, Baroque and Rococo Silks, London 1960
Peter Thornton, Seventeenth Century Interior Decoration in England, France and Holland, New Haven & London 1978
Peter Thornton, Authentic Decor. The Domestic Interior 1620-1920, London 2000 (1. Aufl. 1984)
Leonie von Wilckens, Die textilen Künste von der Spätantike bis um 1500, München 1991
Christa Zitzmann, Die Bedeutung von Textilien für die Raumgestaltung des Rokoko, VDR Beiträge 1, 2008, S. 3242
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Amsterdam, Museum Willet-Holthuysen
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau; Josef Müller Posamenten München
Das Museum ist nach der Besitzerin Louisa Willet-Holthuysen benannt, die ihre Sammlung und ihr Wohnhaus
nach ihrem Tod 1895 der Stadt vermachte. Ihre Eltern erwarben 1855 das Wohnhaus aus dem 17. Jahrhundert,
welches sie 1858 erbte. 1861 heiratete Louisa Holthuysen den passionierten Sammler Abraham Willet. Gemeinsam dekorierten 1865 sie die Empfangsräume in der Bel étage im beliebten Stil der Regierungszeit Ludwigs
XVI. prachtvoll um. Das Museum zeigt heute die Kunstsammlung Abraham Willets von Gemälden und Kunsthandwerk in der ursprünglichen Umgebung und historischen Wohnsituation.
Die Firma Eschke rekonstruierte für den Damensalon einen goldgelben Damast mit Muster im Vierfachversatz aus der Zeit um
1865. Der Stoff zeigt große, üppige Rosenblüten, die durch Schleifen zusammengehalten und durch feine Blütengirlanden verbinden werden. Größere Knospen sind zusätzlich eingestreut. Eine
weiß-gelbe Bordüre mit Lorbeerzweigen leitet an den Vorhängen
zu dem weiß-gelben Fransenbesatz über. Die Firma Josef Müller
Posamenten aus München wiederum war für die Anfertigung der
Quasten, der Polsterknöpfe in Form von zarten Blüten sowie der
Stängelfransen und Kantillen verantwortlich. Als Kantille wird eine
aus Draht oder Lahn – ein durch geglätteten Metalldraht oder
dünne Blechstreifen umwickeltes textiles Garn – gewickelte Spirale bezeichnet. Der Draht oder Lahn wird mit Hilfe eines Spulrades
um eine lange Nadel gewickelt.
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© Bayerische Schlösserverwaltung, www.schloesser.bayern.de
Bamberg, Residenz
Digital Picture Repro & Medienservice, Dornach bei München
Die Neue Residenz diente bis 1802 als Sitz der Bamberger Fürstbischöfe. 1604-1612 war zunächst der Renaissanceflügel unter Johannes Philipp von Gebsattel errichtet worden. 1695-1703 entstanden für Lothar Franz von
Schönborn unter Johann Leonhard Dientzenhofer (1660-1707) die beiden Flügel am Domplatz. 1803 fiel die
Residenz an das Kurfürstentum Bayern. 1806-1837 diente sie Herzog Wilhelm in Bayern, dem Schwager König
Max I. Josephs, als Wohnsitz. Seit 1842 stand sie Kronprinz Maximilian zur Verfügung. Von 1862 bis 1867 bzw.
1875 lebte das abgedankte griechische Königspaar Otto I. und Amalie in der Residenz Bamberg. Die letzten
Bewohner waren seit 1900 Erbprinz Rupprecht (1869-1955), der Sohn Ludwigs III., und seine Gemahlin Marie
Gabriele.
Das Vorzimmer der Kaiserappartements
Die ausgestellte Tapete befindet sich im Vorzimmer (Raum 10) des Kaiserappartements im 2. Obergeschoss des
Schönbornbaus. Der Raum ist mit Deckenstuckaturen von Johann Jakob Vogel und seinem Sohn Franz Jakob
Vogel aus der Zeit von 1705 und 1730 sowie einem Deckengemälde mit der „Allegorie der Weisheit und Tugend“ des Hofmalers Sebastian Reinhard ausgestattet. Der Kamin wurde um 1740 nach Entwürfen Michael
Küchels gefertigt, und das Gemälde des Aufsatzes mit der Opferung Isaaks stammt von dem Hofmaler Josef
Scheubel d. Ä. Das Kaiserappartement diente sowohl Kronprinz Maximilian als auch Otto von Griechenland als
Appartement. Zuletzt wurde es von Erbprinz Rupprecht und seiner Gemahlin gemeinsam bewohnt. Das Vorzimmer erhielt wohl unter König Luwig II. in den 1880er Jahren eine Papiertapete mit einem historistischen
Brokatmuster, die eine dunkeltonige Samtbespannung mit floralem Muster nachahmt und von unterschiedlich
breiten floralen Bordüren eingefasst wurde.
11
Diese Tapete wurde 2008 im Rahmen der umfassenden Restaurierung und musealen Neugestaltung des Kaiserappartements als Digitaldruck auf Indoor-Outdoor-Bannermaterial mit Farbpigmenten auf Tintenbasis durch
die Firma Digital Picture Repro & Medienservice rekonstruiert. Das Anliegen bei der Rekonstruktion war es, die
Möglichkeiten des Digitaldrucks für diesen Bereich zu erproben. Da die Tapete von den Besuchern nur aus der
Entfernung wahrgenommen wird, konnte das Streben nach einem authentischen Oberflächeneindruck, der mit
höheren Kosten und Arbeitsaufwand verbunden wäre, zurückgestellt werden.
Weiterführende Literatur:
Johannes Erichsen, Katharina Heinemann und Katrin Janis (Hrsg.), KaiserRäume – KaiserTräume, Forschen und
Restaurieren in der Bamberger Residenz, München 2007, S. 83-87
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Bayreuth, Neues Schloss
Volker Illigmann, Thurnau
Das Neue Schloss Bayreuth wurde ab 1753 erbaut, nachdem ein Feuer im Januar des Jahres die bisherige Residenz (das sog. Alte Schloss) größtenteils zerstört hatte. 1758 war das Schloss durch den markgräflichen Hofbaumeister Joseph Saint-Pierre (um 1709-1754) im Wesentlichen fertiggestellt, wobei es sich um einen Umbau
und ein Zusammenfügen von bereits bestehenden Gebäuden handelte. Die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, die Schwester Friedrichs II. von Preußen, hatte wesentlichen Anteil an der Genese des Baus und zeichnete verantwortlich für besondere Raumideen wie das Palmen- und Spalierzimmer, das Japanische Zimmer und
die „Spiegelscherbenkabinette“.
Die Große Galerie
Die Galerie gehörte dagegen zur klassischen Ausstattung eines Schlosses, wobei sie sich in Bayreuth ungewöhnlicherweise im Erdgeschoss und nicht in der Bel étage befindet. Heute sind hier Werke aus dem Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ausgestellt. Die Stuckaturen wurden 1758 von Rudolf Albini ausgeführt.
Die grüne Seidendamast-Wandbespannung aus der Zeit um 1760/1770 wurde über die Firma Volker Illigmann
hergestellt, den Angaben an ein Inventar des Neuen Schlosses von 1785 angenähert (früher gedruckter, halbseidener Moiré). Damast (ital., von Damaskus) ist ein glattes Gewebe, bei dem sich kett- und schusssichtige
Partien abwechseln, wodurch es möglich ist, detaillierte Muster einzuweben. Damast ist durch zwei verschiedene Nuancen eines Tones geprägt, so dass der Stoff eine harmonische, zurückhaltende Hintergrundfläche
bildet, aber durch die bei schrägem Lichteinfall schimmernde Oberfläche keinesfalls langweilig oder monoton
wirkt. Dieses ließ den Damast zu einer beliebten Wandbespannung werden, auf der Bilder aufgehängt werden
konnten.
Das Bayreuther Muster ist durch geschwungene Spitzenbänder gekennzeichnet, die große Päonienblüten und
dreistämmige Blütenarrangements mit Blattkranz verbinden. Ein historisches Muster konnte aus erhaltenem
Bestand originalgetreu nachgewebt werden. Der Stoff war leicht streifig ausgeführt, wodurch lebendige Oberflächeneffekte entstanden, wobei diese Streifen nicht zum Rapport zählten, sondern aus der unregelmäßigen
Färbung des Garns resultierten. Um diesen Effekt zu rekonstruieren, wurden die Garne im Jaspé-Verfahren
eingefärbt. Hierbei handelt es sich um eine Strangfärbung, bei der das Garn abschnittsweise in unterschiedli13
cher Stärke gefärbt wird. Der Seidendamast wurde auf einem Schützen-Webstuhl in der historischen Breite von
54 cm gewoben. Für die Wandbespannung mussten 52 Bahnen gewebt werden, die musterpassend und unter
Einbeziehung der Zugbelastung zusammengenäht wurden. Diese Spitzenbandmuster wurden auch von Friedrich II. von Preußen sehr geschätzt und von seiner Berliner Seidenmanufaktur für die Wandbespannungen seiner Schlösser gewebt.
In der Sammlung von Volker Illigmann hat sich nicht nur ein entsprechendes Fragment in karmesinfarbenem
Seidendamast aus dem Neuen Palais in Potsdam erhalten, sondern auch eine Probe von blauem Seidendamast
1
aus Frankreich, die belegen, wie die französischen Vorlagen von Friedrichs Webern adaptiert wurden. Das
Potsdamer Fragment stammt aus dem Unteren Fürstenquartier und ist in die Zeit 1765-1770 zu datieren. Bei
dem französischen Stofffragment handelt es sich um eine Arbeit aus der Zeit um 1820, die auf einer französischen Vorlage aus der Zeit von 1750/1760 basiert.
1
Vgl. auch einen grünen Seidendamast mit ähnlichem Muster, Frankreich, Ende 18. Jahrhundert, im Kunstgewerbemuseum, Staatliche
Kunstsammlungen Dresden. Inv. Nr. 11911.
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Berlin, Schloss Charlottenburg
Volker Illigmann, Thurnau
Schloss Charlottenburg wurde 1695-1699 für die Frau des Kurfürsten Friedrich III., Sophie Charlotte von Hannover, als Sommerresidenz von dem Architekten Johann Arnold Nering (1659-1695) und Martin Grünberg (16551706/1707) errichtet. Nach Krönung des Kurfürsten zum König Friedrich I. in Preußen und Sophie Charlottes zur
Königin in Preußen im Jahr 1701 wurden die Bauarbeiten unter Eosander von Göthe (1669-1728)
weitergeführt. Nach dem Tod der Königin 1705 gab ihr Mann dem Schloss zu ihrer Erinnerung den Namen
Schloss Charlottenburg. Die Bauarbeiten wurden in der Zeit 1709-1712 unter Eosander von Göthe fortgesetzt:
Der Mitteltrakt wurde zu diesem Zeitpunkt zu einem Risalit mit Kuppelbekrönung umgebaut. Unter Friedrichs
Nachfolger Friedrich Wilhelm I. wurde das Schloss für offizielle und repräsentative Zwecke genutzt, aber nicht
bewohnt. Erst unter seinem Nachfolger Friedrich II., der Charlottenburg zu seiner Residenz machte, wurde
wieder gebaut: So wurde 1740-1742 der Neue Flügel durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753)
angefügt, nachdem zunächst die Räume im Obergeschoss des Mittelbaus (Altes Schoss) umgestaltet und mit
Schnitzereien von Friedrich Christian Glume versehen wurden.
Seine heutige Form erhielt das Schloss unter Friedrich Wilhelm II. mit dem Schlosstheater am westlichen Flügel
und der von Carl Gotthard Langhans erbauten Kleinen Orangerie. Im Neuen Flügel wurde unter Friedrich Wilhelm II. auf der Südseite des ersten Stockwerks eine Winterwohnung und im Erdgeschoss der zum Garten gelegenen Nordseite eine Sommerwohnung eingerichtet. Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise veränderten die
Anlage des Schlosses zwar nicht, doch wurde 1810 das Schlafzimmer der Königin nach Entwürfen Karl Friedrich
Schinkels umgestaltet. Nach dem Tod der Königin 1824 und seiner Heirat mit Auguste von Harrach wurde die
zweite Wohnung Friedrichs II. für die neue Gemahlin Friedrich Wilhelm III. umdekoriert und von Schinkel der
Neue Pavillon im Garten erbaut. Friedrich Wilhelm IV. veränderte dem Zeitgeschmack entsprechend die Räume
im ersten Stockwerk des Alten Schlosses (Mittelbau).
Winterkammer, Schloss Charlottenburg Berlin
Unter Friedrich Wilhelm II. wurde auf der Südseite des ersten Stockwerks eine Winterwohnung in Schloss Charlottenburg eingerichtet, die anlässlich des 200. Todestags der Frau König Friedrich Wilhelms III. von Preußen,
Luise von Mecklenburg-Strelitz (1776-1810), im Jahr 2010 restauriert wurde. In diesem Zusammenhang wurde
bei Volker Illigmann die Rekonstruktion eines mit blühenden Bäumen und exotischen Vögeln bedruckten ostindischen Kattuns oder Zitz für die Wand- und Deckenbespannung eines Raumes der Winterkammern in Auftrag
gegeben. Dieser Raum diente vor der Umgestaltung durch Friedrich Wilhelm III. als Speisezimmer und war
vertäfelt. Kattun ist ein leinwandbindiges Baumwollgewebe, das gerne bedruckt wurde. Zitze oder Chits oder
15
Perses sind baumwollene, dichte, leinwandartige, feine Stoffe. Sie wurden zunächst aus Bengalen importiert,
später aber auch wegen der großen Beliebtheit in Europa hergestellt.
Das Original hatte Wilhelmine von Lichtenau 1796 für König Friedrich Wilhelm II. in Livorno zusammen mit zwei
weiteren Stoffen und einer passenden Bordüre erworben. Der Stoff sollte den Räumen einen sommerlichfröhlichen Charakter verleihen. Die Wandbespannungen des „Zitzzimmers“ wurden im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört. Erhalten hatten sich Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Originalbespannung, an Hand derer es möglich war, nach Vergleichen zu suchen, um Rückschlüsse auf die Farbigkeit zu erhalten. Im Zuge der Recherchen
stellte sich heraus, dass der Stoff auch für die heute noch erhaltene Wandbespannung eines Raumes im Palazzo
Cinese in Palermo verwendet wurde. König Ferdinand von Sizilien hatte genau die drei Stoffe wie Wilhelmine
1
von Lichtenau bei eben dem gleichen Händler erworben.
Der Stoff ist vermutlich mit Schablonen oder Modeln vorbedruckt worden und dann per Hand in den Details
ausgemalt worden. Er ist weiterhin mit Silber- und Goldhöhungen versehen. Der in Palermo erhaltene Stoff
wurde vermessen und fotografiert. Ein schmaler Stoffstreifen, der hinter einer Leiste des Palazzos gefunden
wurde, diente als Basis zur Rekonstruktion der Farbigkeit. Während das Druckmuster fertig gestellt wurde,
rekonstruierte eine italienische Leinenmanufaktur den historischen Leinengrund. Dieser wurde dann in Krefeld
gechintzt (druckvorbehandelt), d.h. unter starkem Druck und hoher Temperatur geglättet. Dieses war nötig, um
die Saugfähigkeit des Stoffes zu reduzieren. Anschließend wurde der Stoff in Österreich bedruckt und in Krefeld
ein weiteres Mal gechintzt.
Der Stoff ist in einer Höhe von 308 cm (B. 140 cm) bedruckt. Da der Rapport so groß ist, musste das Motiv in
drei Teile zerlegt werden. Der Stoff wurde in elf Farben bedruckt, so dass sich die Zahl der Flachschablonen auf
33 summierte. Hinzu kam eine 34. Schablone für das Grün des Bodenstreifens. Chintz meint eigentlich ein bedrucktes, wachsüberzogenes, dünnes, glänzendes Baumwollgewebe in einer Leinwandbindung. Diese Zeugdrucke auf Baumwolle wurden nach ihrer Herkunft als „Indiennes“ oder „Indian Chintz“ verkauft. Sie zählten zunächst noch zu den Luxusgütern. Erst um 1750 gelang es, in englischen Spinnereien entsprechende Baumwollfäden herzustellen. Durch die Britische Ostindien-Kompanie wurden solche indischen Chintze importiert und
populär gemacht. Sie erfreuten sich so großer Beliebtheit, dass Einfuhrverbote erlassen wurden, um die einheimischen Webereien nicht zu schädigen. Der Begriff Chintz stammt aus dem Englisch-Holländischen und
bezieht sich auf das Nordindische „Chit“ oder „chint“, das gemustert, farbig meint. Heute werden unter dem
Begriff Chintze leinwandbindige, dichte Gewebe aus Baumwolle (oder anderen Materialien) verstanden, die
ihren charakteristischen Glanz durch das Kalandern – das Walzen und Glätten unter hohem Druck und bei hoher Temperatur – erhalten.
1
Ferdinand regierte 1759-1815 als Ferdinand III. von Sizilien und 1815-1925 als Ferdinand I. beider Sizilien.
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Berlin, Neuer Pavillon im Garten von Schloss Charlottenburg
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
Der Neue Pavillon entstand 1824 im Auftrag Friedrich Wilhelm III. am östlichen Ende der vor der Gartenseite
des Schlosses liegenden Terrasse und wurde von Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) entworfen. Das in seiner
Grundanlage nahezu quadratische Gebäude ist an den vier Seiten gleichförmig mit umlaufendem Balkon nach
dem Vorbild der Villa Reale Chiatamone bei Neapel gestaltet. Der König hatte es als privaten Sommerwohnsitz
für sich und seine zweite Frau Auguste Gräfin von Harrach errichten lassen, die er 1824 in morganatischer Ehe
geheiratet hatte. Das Innere war im zeitgenössischen klassizistischen Geschmack ausgestattet. Durch die Seidenmanufaktur Eschke wurde 2011 ein blauer gerippter Seidenstoff mit eingewebten Goldsternen nach einem
Entwurf Karl Friedrich Schinkels gewebt. Es handelt sich um den sog. Schinkel-Rips in Seide und Baumwolle, bei
dem 18 Rippen auf einem Zentimeter angeordnet sind. Der obere Abschluss erfolgt durch eine Leiste mit goldenen Lorbeerzweigen. Ein Detail dieses Stoffes hat sich zusammen mit anderen Stofffragmenten in einem
Musteralbum der Berliner Seidenfirma George Gabain aus der Zeit 1836-1854 erhalten. Der Stoff ist mit Lieferungen in den Jahren 1837 und 1838 eingetragen und mit der Beischrift „Neuer Pavillon Charlottenburg Garten“ versehen. Das Buch befindet sich zusammen mit weiteren Stoffprobenbüchern in der Sammlung des Historischen Archivs der HTW (Hochschule für Technik und Wirtschaft) Berlin. Das Konvolut wurde 2005 wieder
entdeckt und wird nun digitalisiert und wissenschaftlich bearbeitet.
17
Braunschweig, Schlossmuseum
Volker Illigmann, Thurnau, Die Posamenten-Manufaktur München
Das Museum befindet sich im ehemaligen Braunschweiger Residenzschloss, das ab 1717 von Herzog August
Wilhelm (1714-1731) unter der Leitung des herzoglichen Baumeisters Hermann Korb errichtet wurde und 1830
abbrannte. Daraufhin wurde ein neues Schloss erbaut, das im Zweiten Weltkrieg beschädigt und schließlich
1960 abgetragen wurde. Inzwischen wurde die dreiflügelige, um einen Ehrenhof angeordnete Schlossanlage an
ihrem ursprünglichen Ort bis 2007 wieder weitgehend aufgebaut, z. T. mit den originalen Baumaterialien –
besonders in Hinblick auf Portikus und Säulen.
Da sich die Residenz der Herzöge im nahegelegenen Wolfenbüttel befand, diente das Braunschweiger Schloss
zunächst nur als Nebenresidenz. Dieses änderte sich erst 1753/1754 unter Herzog Karl I. (reg. 1738-1780). Unter seinem Sohn und Nachfolger Herzog Karl Wilhelm Ferdinand (reg. 1780-1806) wurde 1783-1791 der mittlere Hauptbau vollendet und im damals aktuellen klassizistischen Stil eingerichtet. Das Herzogtum wurde 1807
nach dem Sieg der Franzosen aufgelöst und dem neu geschaffenen Königreich Westphalen zugesprochen.
1807-1813 erfolgten unter Peter Joseph Krahe für König Jérôme von Westphalen Umbauten im Empirestil.
Dieser residierte jedoch nie in Braunschweig, da nach Napoleons Niederlage in den Befreiungskriegen der König
flüchtete, das Königreich wieder aufgelöst und beim Wiener Kongress 1815 das Herzogtum Braunschweig in
seinen ursprünglichen Grenzen hergestellt und Carl Wilhelm Ferdinands Sohn, Karl II. (1804-1873), wieder eingesetzt wurde. Karl II. war allerdings sehr unbeliebt und sperrte sich gegen nötige Reformen, so dass die erzürnte Bevölkerung 1830 das Schloss in Brand setzte.
Daraufhin wurde die Regierung von seinem jüngeren Bruder Wilhelm (1806-1884) übernommen, unter dem
eine konstitutionelle Verfassung, die „Neue Landschaftsordnung“, 1834, sowie weitere Reformen eingeführt
wurden. Wilhelm ließ an alter Stelle 1831-1841 ein neues Schloss durch Hofbaumeister Carl Theodor Ottmer
(1800-1843) erbauen. Ottmer entwarf eine repräsentative, von der antiken Architektur inspirierte Hauptfassade und zwei Nebenflügel. 1865 brannte das Schloss teilweise erneut ab und wurde 1865-1868 wieder aufgebaut. Als Erben folgten Herzog Wilhelm Prinz Albrecht von Preußen (1837-1906), Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin (1857-1920) und der Prinz von Cumberland Ernst August (1887-1953), der mit der Tochter des
deutschen Kaisers, Victoria Luise (1892-1980), verheiratet war. 1918 musste Ernst August abdanken und lebte
seit 1925 auf Schloss Blankenburg im Harz. 1920 wurden die ehemaligen Wohn- und Staatsräume auf der ersten Etage des Schlosses als Museum für fürstliche Kultur eröffnet, die Kammerspielbühne des Landestheaters
im Großen Ballsaal installiert sowie das „Museum zur Volksbildung“, das spätere Naturhistorische Museum,
eingerichtet. Diese kulturellen Institutionen wurden 1934 durch die Umwandlung des Gebäudes in eine SS18
Junkerschule verdrängt. Im Zweiten Weltkrieg wurden fast 50% des Schlosses durch Bombentreffer zerstört.
Die Schlossruine wurde 1955 der Stadt Braunschweig übergeben unter der Bedingung, die Anlage in den nächsten fünf Jahren entweder aufzubauen oder abzureißen. In knapper Abstimmung wurde Ende 1959 für den
Abbruch gestimmt und dieser 1960 durchgeführt.
Der Thronsaal
Die Wandbespannung im Thronsaal aus karmesinrotem Seidendamast mit den eingewebten Motiven aus Sachsenross, Herzogskrone und Lorbeerkranz von 1866 wurde nach den wiedergefundenen historischen Webvorlagen des Stoffes in Lyon nachgewebt. Das Projekt wurde von Volker Illigmann betreut, in dessen Sammlung sich
sowohl die historische Stoffvorlage der Firma Mathevon & Bouvard Frères aus Lyon vom 16. April 1866 als auch
die originalen Patronenzeichnungen befinden. Bei dem historischen Rapport handelt es sich wohl um eine
Probewebung, da sich zwei Webfehler finden, die sich in den ausgeführten und im Schloss angebrachten Bahnen – wie aus den erhaltenen Fotos deutlich wird – nicht wiederholten. Bei Beginn des Rekonstruktionsprojekts
lagen nur Damastreste der Stuhlbespannungen vor, die als Qualitäts-, aber nicht als Mustervorlage dienen
konnten, sowie historische Schwarz-Weiß-Fotografien, die zwar das Muster übermittelten, sich aber als zu
ungenau in den Details für eine korrekte Rekonstruktion erwiesen. Durch den Fund in Volker Illigmanns Archiv
konnte der Stoff sowohl in Muster, Farbigkeit und Qualität originalgetreu nachgewebt werden.
Rekonstruiert wurde auch der Thron, für dessen Baldachin der Damast ebenfalls Verwendung fand, sowie im
Inneren weiße Seide mit Stickerei, die Hermelin nachahmt. Diese wurde über Volker Illigmann durch die Firma
AFW Creativ-Stickerei GmbH in Marktleugast ausgeführt. Die Posamenterien – Bogenkrepinen und Raffhalter
mit Quasten – aus roter Seide und Goldschnur wurden von Tobias Gattermann von der PosamentenManuaktur München gefertigt. Hierfür hatten sich Teile der Originalpartien erhalten. Es bleibt nun noch die
wohl goldene Bordüre des Baldachins zu rekonstruieren, für die Volker Illigmann bereits das französische Muster nachgewiesen und gefunden hat.
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Schloss Burgk an der Saale, Thüringen
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
Die Burganlage wurde 1365 erstmals urkundlich erwähnt. 1403 wurde der alte Bau mit seinen Befestigungsanlagen abgebrochen und ein Neubau in Form einer Randhausburg errichtet. Das heutige Erscheinungsbild ist
weitgehend dasjenige der Anlage um 1600. Im 17. Jahrhundert wurde die Burg zum Schloss ausgebaut. Seit
1697 wurde die Anlage als Jagd- und Sommerschloss genutzt. Unter der Regentschaft Heinrichs III. wurden im
18. Jahrhundert Veränderungen vorgenommen, darunter die Einrichtung der Weißen Zimmer, die Ausstattung
des Kleinen Saals mit Wandgemälden sowie die Anlage des Parks mit Sophienhaus. Weitere Änderungen erfolgten im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, darunter die Neugestaltung des Prunkschlafzimmers
(1886) und die Veränderungen in der Schlosskapelle (1910/1911). Seit 1952 dient das Schloss als Museum.
Roter Salon, Weiße Zimmer
Der karmesinrote Seidendamast des Roten Salons wiederholt ein Vorbild von 1710/1730 und wurde von der
Seidenmanufaktur Eschke 1984 nach Gewebefragmenten rekonstruiert. Das feingliedrige Muster zeigt versetzt
und alternierend jeweils vier unterschiedliche spitzenartige Ornamentbänder und Blütenleisten, die von durch
asiatische Vorbilder inspirierten Phantasieblüten und im C-Schwung verlaufenden Ranken verbunden werden.
Die ungewöhnlich anmutende Motivkombination, das senkrechte, versetzte Arrangement erinnern an die am
Anfang des Jahrhunderts beliebten bizarren Seiden, die sich von dem Damast jedoch durch ihre intensive Farbigkeit und außergewöhnlichen Farbzusammenstellungen unterscheiden.
20
Schloss Friedenstein in Gotha
Textilmanufaktur der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
1640 wurde Gotha die Residenz des neu gegründeten Herzogtums Sachsen-Gotha (ab 1672 Sachsen-GothaAltenburg). 1643-1656 erbaute Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha (1601-1675) Schloss Friedenstein als vierflügelige Anlage. Unter Herzog Ernst I. wurde in den 1670er Jahren im zweiten Obergeschoss des Westturmes des
neu erbauten Residenzschlosses eine Kunstkammer eingerichtet, von der sich ein Inventar aus dem Jahr 1656
erhalten hat. Unter seinen Nachfolgern Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg (1646-1691), Herzog
Friedrich II. (1676-1732) und Herzog August (1772-1822) wurden die Bestände der Kunstkammer erweitert.
Herzog August richtete auch das Chinesische Cabinet ein, eine der bedeutendsten Ostasiensammlungen seiner
Zeit. 1824 ließ Friedrich IV. (1774-1825) aus den Beständen der Kunstkammer und der umliegenden herzoglichen Schlösser eine Gemäldegalerie im Schloss Friedenstein einrichten.
Nach dem Erlöschen der Linie Sachsen-Gotha-Altenburg und der 1826 erfolgten Vereinigung der Herzogtümer
Coburg und Gotha in Personalunion, wurden die Kunstsammlungen von Friedenstein weiterhin durch Herzog
Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818-1893) gefördert. Er ließ gegenüber dem Schloss einen Museumsbau errichten (eröffnet 1879), um die Werke zeitgemäß präsentieren zu können. Während des Zweiten
Weltkriegs wurden die Sammlungen ausgelagert und auch geplündert. Sie wurden 1945 in die UDSSR transportiert, aber zu großen Teilen 1956 zurückgebracht und im „Kulturhistorischen Schlossmuseums“ in Schloss Friedenstein ausgestellt. Seit 2004 fungieren sie als Stiftung Schloss Friedenstein Gotha.
Im Nordflügel des Schlosses Friedenstein sind im herzoglichen Vorzimmer die von Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg 1695 bei einer Brabanter Manufaktur bestellten vier Tapisserien mit dem herzoglichen
Gesamtwappen von Sachsen-Gotha-Altenburg aufgehängt. Eingefügt ist auch der Königlich-Dänische Elefantenorden, der dem Herzog 1694 ebenso wie vorher seinem Vater, Herzog Friedrich I., verliehen wurde. Er hängt
an dem Lorbeerkranz, der das von der Herzogskrone bekrönte Wappen einfasst. Das Wappen befindet sich vor
dem unteren Teil eines Pilasters oder Pfeilers und wird beidseitig von stehenden Löwen gestützt. Diese stehen
auf einer Balustrade vor einer rot-goldenen Draperie. Die architektonische Rahmung ist reich mit Blütengirlanden geschmückt.
2011 wurde in der Textilmanufaktur Halle der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle einer dieser Wandteppiche aus dem späten 17. Jahrhundert restauriert und für eine langjährige hängende Präsentation fachgerecht konserviert. „Wegen der starken Verschmutzung musste die Tapisserie trocken und nass gereinigt werden. Die Trockenreinigung wurde mittels eines Spezialsaugers durchgeführt, welcher in Stufen reguliert werden
kann und welcher mit einer weichen Pinselbürste ausgestattet ist. Vor der Nassreinigung wurde das alte Futter
von der Rückseite der Tapisserie komplett getrennt und frühere, unsachgemäße Einstopfungen wurden entfernt. Große Löcher und Schlitze wurden in Vorbereitung für die Nassreinigung mit groben Überfangstichen
21
zusammengenäht, um weiteren Schäden während der Reinigung vorzubeugen. In einer Spezialanlage in
Mechelen (Belgien) wurde die Tapisserie schonend im Aerosolverfahren nass gereinigt. Dabei liegt die Tapisserie auf einem riesigen Niederdrucktisch. Aus Düsen wird von oben durch die Tapisserie Wasser in Aerosolform
durchgesaugt um den Schmutz auch gleichzeitig abzutransportieren. Nach der Nassreinigung wurde die Tapisserie nähtechnisch gesichert. Dabei wurden offene Schlitze mit Seidengarn geschlossen und Fehl- und Schadstellen farblich passend mit Bouretteseide und Leinengewebe unterlegt sowie mit Spannstichen und Stützlinien
nähtechnisch gesichert. Nach vollständiger nähtechnischer Konservierung ist für eine hängende Präsentation
ein Futtergewebe im Stützliniensystem an die Tapisserie genäht worden. Ein separater Klettbandstreifen an der
1
Oberkante der Tapisserie wurde zur Aufhängung ebenfalls im Stützliniensystem nähtechnisch angebracht.“
1
Zit. nach: Bettina Leppin, Abteilung Restaurierung und Konservierung, Textilmanufaktur der Burg Giebichenstein Kunsthochschule
Halle
22
Unteres Schloss Greiz
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
1564 kam es aufgrund der Erbfolge zur Teilung der Herrschaft der Reußen in Ober- und Untergreiz. Für die neu
entstandene Untergreizer Linie wurde als Residenz ein Renaissancebau im Zentrum der Stadt Greiz errichtet,
der in der Folgezeit erweitert wurde. Das Untere Schloss diente seit 1778 als Residenz für die in diesem Jahr in
den erblichen Reichsfürstenstand erhobene „Reuß älterer Linie“. Nach einem Brand 1802 wurde bis 1809 das
Schloss im zeitgemäßen klassizistischen Stil wieder aufgebaut.
Ankleidezimmer der Fürstin Ida
Der ausgestellte Fürstin Ida 2003 nach historischen Fotos durch die Seidenmanufaktur Eschke rekonstruiert. Er
entstand um 1860 und zeigt ein Muster im Stil des Neorokoko mit Blättern und Blumengruppen. Die Blätter
sind dabei so gestaltet und angeordnet, dass sie an Rocaillen denken lassen und in eleganten C-Schwüngen die
größeren und kleineren Blumenarrangements miteinander verbinden. Daraus entsteht ein lebendiges Muster,
das durch den Stilisierungsgrad der Blumen wieder ein wenig beruhigt wird. Der fünffarbige Stoff, der auf ein
Original von 1860 zurückgeht, ist in Lanciertechnik ausgeführt. Bei der Lanciertechnik entsteht ein Gewebe mit
zusätzlichen Musterschüssen, die von Webkante zu Webkante verlaufen. Sie ersetzt den aufwändigeren Broschierschuss, bei dem einzelne Mustermotive durch Schussfäden mittels kleiner zusätzlicher Broschierschiffchen eingewebt werden. Die Fäden bleiben hier auf das jeweilige Muster beschränkt und verlaufen nicht von
Webkante zu Webkante. Die auf der Rückseite flottierenden Fäden wurden später abgeschnitten (broschiert).
Die Rekonstruktion des Musters geht auf historische Schwarz-Weiß-Fotos zurück, und die Farben basieren auf
der farbigen Raumfassung.
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Burg Hohenzollern Hechingen
Seidenmanufaktur Eschke Crimmitschau, Josef Müller Posamenten München
Die erste Erwähnung eines Burggebäudes des Hauses Hohenzollern stammt aus dem Jahr 1267, wobei dieses
vermutlich bereits in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts erbaut worden war. Nach der Zerstörung der wohl
reich ausgestatteten Burg 1423, wurde ab 1454 ein Neubau begonnen. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte
die Burg mehrfach den Besitzer, bis sie Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch als Ruine bestand. 1819 beschloss Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen, der spätere Friedrich Wilhelm IV., die Stammburg des Hauses
Hohenzollern wieder aufzubauen. Dieses setzte er ab 1850 in die Tat um, und es entstand 1853-1867 eine monumentale Burganlage im neugotischen Stil nach Entwürfen des Berliner Baumeisters Friedrich August Stüler
(1800-1865). Prinz Louis Ferdinand von Preußen sammelte in der Burg ab 1952 Kunstwerke und historische
Dokumente, die mit der Geschichte des Hauses und der Geschichte Preußens und seiner Könige verbunden
sind.
Empfangszimmer der Königin Die Seidenmanufaktur
Eschke rekonstruierte 2011 das Jacquardgewebe von
1886 im Empfangszimmer der Königin nach einem erhaltenen Original. Das Seidengewebe zeigt ein klares,
gleichmäßiges, symmetrisch angeordnetes Muster aus
spitzovalen, aus Ranken gebildeten Formen mit Weinblättern und kleinen Beeren.
Das Emporranken verleiht dem Muster einen spalierartigen Effekt. Eine Besonderheit ist das nahezu plastische Erscheinungsbild des Gewebes, das auf der ungewöhnlich hohen Kettfadenzahl von 230 Fäden/cm basiert. Quasten und Borten in Rot und Gelb wurden von
Josef Müller Posamenten in München ebenfalls nach
erhaltenen Originalen angefertigt.
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Sitzzimmer
Schloss Hof bei Wien, Österreich
Seidenmanufaktur Eschke Crimmitschau, Josef Müller Posamenten München
Das Schloss wurde am Ende der 1720er Jahre bis ca. 1730 von Johann Lucas von Hildebrandt (1668-1745) als
weitläufiger, mit einem aufwendigen Garten ausgestatteter, repräsentativer Land- und Jagdsitz für Prinz Eugen
von Savoyen errichtet. 1755 wurde das Anwesen von Maria Theresia als Geschenk an ihren Mann, Kaiser Franz
Stephan, erworben. Das Gebäude wurde 1770 um eine Etage aufgestockt, um genug Platz für die große Zahl
Bediensteter zu schaffen, die nach dem Wiener Hofzeremoniell die Kaiserin und ihre Familie begleiteten. Der
kaiserliche Hofarchitekt Franz Anton Hillebrandt (1719-1797) nutzte dieses, um auch die Fassade und die Innenräume dem Zeitgeschmack entsprechend umzugestalten und umzudekorieren.
Um 1840 erfolgte eine Neumöblierung für Kaiser Ferdinand I. und seine Frau Maria Anna von SavoyenSardinien. Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Schloss eine militärische Ausbildungsstätte untergebracht,
wobei die ursprüngliche Ausstattung vorher ausgelagert wurde. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs blieb der
Ort militärischen Zwecken vorbehalten. Erst 2002 konnte das Schloss restauriert werden, um als Museum einen
Einblick in die barocke Lebenswelt zu geben. Dieses war möglich, da die barocke Schlossausstattung vor der
Umnutzung 1898 eingelagert worden war und sich im kaiserlichen Hofmobiliendepot in Wien befand.
Die Privatappartements der Kaiserlichen Familie
Die Firma Eschke erhielt 2012 den Auftrag, vier Wandbespannungen für Räume der Privatappartements der
Kaiserlichen Familie aus der Zeit um 1775 zu rekonstruieren. Ein Appartement besteht in der Regel aus einem
Vorzimmer, dem Salon, dem Schlafzimmer und einem Cabinet. Die Appartements des Ehemanns und seiner
Gemahlin befanden sich gespiegelt in den Flügeln eines Schlosses zu Seiten des Mitteltrakts, in dem Vestibül,
Treppenhaus und Gartensaal gelegen waren.
Es hatten sich ausreichend große Gewebestücke im Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien erhalten,
die als Grundlage für die Rekonstruktion dienen konnten. Die Muster wurden eingescannt bzw. fotografiert. Für
Antekammer und Sitzzimmer wurde der Seidengrund rekonstruiert, während für Schlafzimmer und Spielzimmer Baumwollgrundgewebe verwendet werden konnte.
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Bei der Antekammer war der Seidenstoff eigentlich im ostasiatischen Stil per Hand mit aufstrebenden Blumenranken, in denen exotische Vögel sitzen, bemalt. Nach der Entdeckung des
Seewegs nach Indien 1498 wurden die chinesischen Seiden
über Indien exportiert. Seit dem 16. Jahrhundert wurden chinesische Seiden nach europäischen Vorlagen für portugiesische Auftraggeber gewebt. Über die Bezugsquelle erhielten
die Seiden die Bezeichnung „Etoffes des Indes“. Wie Jacques
Savary in seinem „Dictionnaire de Commerce“ festhielt, diente
diese Bezeichnung als Überbegriff für asiatische Stoffe ohne
Differenzierung ihrer Produktionsstätte – also für Stoffe aus
Japan, China oder Indien. In der französischen Handelsniederlassung Pondicherry befanden sich Werkstätten für das Bemalen und Bedrucken von Stoffen für den europäischen Markt.
Das Sitzzimmer war mit einem Ikat ausgestattet. Unter Ikat wird eine Webtechnik verstanden, bei der das Garn
vor der Verarbeitung abschnittsweise eingefärbt wird. Durch das Einfärben unterschiedlicher Abschnitte können geometrische Muster entstehen. Durch die Einfärbung entsteht ein verwischter Effekt. Bei dem Hofer Stoff
streben spitzenartige Wellenbänder vertikal empor und rahmen Blütenzweige bzw. Blumenkörbe ein. Bei der
Rekonstruktion wurde die Ikat-Technik nicht verwendet, sondern das Muster auf den Seidengrund gedruckt.
Spielzimmer
Das an das Schlafzimmer anschließende Spielzimmer wurde mit Spalieren von »meistens roth geblumt
Persianischer Zitz [Chintz] in Boden weiß mit roth geblumter Einfassung« über weiß-gold gefassten Sockelpa1
neelen verkleidet. Der Stoff stammte aus Indien und ist bestimmt durch ein aufwendiges Muster aus schmalen
aufstrebenden Blättern, Blumenvasen, Landschaftselementen mit exotischen Tieren und frei belassenen Medaillons in denen Vögel sitzen.
1
Zit. nach: Lieselotte Hanzl-Wachter, Appartements in Schloss Hof, in: Diess. (Hrsg.), Schloss Hof. Prinz Eugens tusculum rurale und Sommerresidenz der kaiserlichen Familie. Geschichte und Ausstattung eines barocken Gesamtkunstwerks, Wien 2005, S. 54-67, hier S. 64
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Die Felder werden eingefasst durch weißgrundige Streifen mit übereinandergestapelten Motiven, in denen die
indischen Formen mit solchen der auf antiken Vorbildern beruhenden Kandelabergroteske der Renaissance
kombiniert wurden. Das Muster wurde bei der Rekonstruktion auf Baumwolle gedruckt.
Die Wände des Schlafzimmers wiederum waren »mit persianischen Zitz [Chintz] mit baumartig großen Blumen«
2
bespannt. Die Ranken streben von einem schuppenartigen Bodenstreifen in regelmäßigem Schwung empor.
Kleinere und größere Blüten wechseln sich in dem durch Rottöne bestimmten Muster ab. Der Stoff wurde auch
für das Himmelbett und die Polster der Sitzmöbel verwendet. Auch bei diesem Stoff wurde bei der Rekonstruktion das Muster auf Baumwolle aufgedruckt.
Die Durchführung erfolgte in Zusammenarbeit mit der Firma Anton Buchele Raumgestaltung in München. Josef
Müller Posamenten aus München zeichnet für die die Posamenterien verantwortlich. In der Ausstellung sind
Bogenkrepinen für das Sitz-, Schlaf- und Spielzimmer gezeigt, die die Farbtöne der Stoffe aufgreifen.
2
Zit. nach: ebd. Siehe weiterführend: Angela Völker: Ausstattungstextilien aus Schloss Hof im MAK, in: ebd., S. 110-119; Diess., Die
textile Ausstattung der Wohn- und Paradeappartements von Schloss Hof unter Prinz Eugen und Maria Theresia: eine Ergänzung, Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, 55/56 2006/2007, S. 101-110
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Innsbruck, Hofburg
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
Der Sohn Friedrichs IV., Erzherzog Sigmund der Münzreiche, Graf von Tirol, ließ in Innsbruck auf dem Gebiet
der heutigen Hofburg eine erste Burg erbauen, die unter Maximilian I. erweitert wurde. Erst unter Maria Theresia (reg. 1740-1780) wurde die Burganlage zu einem Schloss umgebaut, wobei sie die Stadt nur zweimal besuchte – 1739 und 1765 anlässlich der Hochzeit ihres Sohnes Leopold II. mit der spanischen Prinzessin Maria
Ludovica. Die riesige Anlage ist im Rokoko-Stil ausgestattet, ein Stil, der auch in den Ausstattungen der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgegriffen wurde. Erzherzog Karl Ludwig, der Bruder Kaiser Franz Josefs I., beaufsichtigte die umfassende Neugestaltung der Kaiserappartements im 2. Obergeschoss nach dem Vorbild von
Schloss Schönbrunn. Der Wiener Hofbildhauer August La Vigne war für diese Neugestaltung im Stil des Zweiten
Rokoko verantwortlich, die bis 1864/1865 abgeschlossen war. Der ausgestellte Brokatell in Ecru und Rosa entstand 2009/2010 bei der Seidenmanufaktur Eschke für die Kaiserappartements nach einem gut erhaltenen
Original, das 1858 bei der Wiener Weberei Fa. Philipp Haas & Söhne hergestellt worden war.
Original von 1858
Brokatell ist ein Gewebe aus Seide und Leinen, das durch ein
leichtes Relief charakterisiert ist. Dieses entsteht durch die
etwas stärkeren leinenen Grundschussfäden. Die seidenden
Lancierschüsse werden durch seidene Bindekettfäden abgebunden. Das Muster ist durch eine gewisse Schwere und eine feine Detailliertheit geprägt. Es zeigt sich einrollende
Akanthusblätter mit knotig verdickter Mittelrippe oder eingelegten Perlenketten sowie blumenstraußartige Arrangements aus üppigen Rosen und zierliche Blütenranken, die die
Freiräume füllen und die großen Motive miteinander verbinden. In den kurvig bewegten Blättern wird der C- und SSchwung der Rocaille aufgegriffen, dem stilbildenden Ornament des Rokoko. Der Reichtum des Musters wird noch
durch die feinen tonalen Abstufungen unterstützt, die durch
die ungewöhnlich hohe Anzahl verschiedenen Bindungseffekte erzielt wurden: So wurden in dem Brokatell 42 verschiedene Schussbindungen verwendet. Der Stoff dient als
Wandbespannung und als Bezugsstoff für die Sitzmöbel.
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Empfangszimmer, © Bayerische Schlösserverwaltung, www.schloesser.bayern.de
Landshut, die Birkenfeldzimmer in der Stadtresidenz Landshut
Julius Hembus GmbH & Co. KG, Frankfurt a.M.; Lutz J. Walter, Wernigerode
Die Stadtresidenz Landshut wurde unter Herzog Ludwig X. seit 1536 von dem Augsburger Baumeister Bernhard
Zwitzel begonnen („Deutscher Bau“). Nach der Italienreise des Herzogs und den Eindrücken durch den von
Giulio Romano entworfenen Palazzo del Te in Mantua (ab 1524), war es das Anliegen des Herzogs, diese Eindrücke auch in Landshut umzusetzen. Der durch Flügelbauten mit dem älteren Bauteil verbundende „Italienische Bau“ gilt als der erste Palast im Stil der italienischen Renaissance in Deutschland. Bis 1543 wurde die Innenausstattung durch italienische Künstler und verschiedene Maler, darunter Hermanus Posthumus, Hans
Bocksberger d. Ä. und Ludwig Refinger vollendet, die umfangreiche Bildzyklen zu mythologischen, historischen
und biblischen Sujets ausführten.
1781-1800 diente die Residenz der Hofhaltung des Pfalzgrafen Wilhelm von Birkenfeld-Gelnhausen und wurde
nach dem herrschenden klassizistischen Geschmack durch den Hofbauintendanten Lespilliez umgestaltet – so
an der Fassade zur Stadt hin, aber auch im Inneren des „Deutschen Baus“, in den sog. Birkenfeldzimmern. Bei
der Restaurierung der Räume in den Jahren 1993-2003 wurden klassizistische französische Papiertapeten entdeckt, die um 1803 angebracht wurden, als Kurprinz Ludwig, der spätere König Ludwig I. von Bayern, zum Studium in Landshut die Zimmer des ehemaligen Birkenfeld-Appartements bewohnte. Die Tapeten waren auf eine
grobe Leinwand aufgetragen, die auf Leisten aufgespannt war.
In der Ausstellung sind Rekonstruktionen von drei der französischen Tapeten gezeigt, die um 1803 in den Birkenfeldzimmern angebracht wurden. Die Tapeten des frühen 19. Jahrhunderts wurden unter Walzendrucktapeten aus der Zeit Ludwigs II. von 1860/1870 entdeckt, die abgenommen, von Klebstoffresten gereinigt, zwischen säurefreies Papier gelegt und eingelagert wurden.
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Teile der Tapeten in den ersten beiden Räumen wurden 1998 durch das Institut für Papierrestaurierung in
Wien restauriert. Andere Bereiche erwiesen sich als dafür nicht geeignet und wurden deswegen durch Rekonstruktionen ersetzt. Teilstücke der originalen Tapeten wurden vorsichtig abgenommen und dienten als Grundlage für die Rekonstruktion.
Als erstes wurde 1998 die in verschiedenen Blautönen gedruckte Draperie-Tapete des Empfangszimmers rekonstruiert. Das Original, das die durch Napoleon und seine Architekten Charles Percier (1764-1838) und
Pierre-François-Léonard Fontaine (1762-1853) angeregte Mode für drapierte Wandbespannungen aus kostbaren Seidenstoffen von intensiver Farbigkeit nachahmte, entstand im Handmodeldruck in sieben Farben auf
blauem Grund auf hadernhaltigen Papierbögen, welche dann zu Bahnen zusammengeklebt wurden.
Die Tapete wurde durch passende, extra gedruckte, in elf Farben ausgeführte Bordürenstreifen als oberer und
unterer Abschluss ergänzt, die Goldmotive aufweisen. Die Tapete ahmt mit illusionistischem Effekt eine in Falten arrangierte Stoffbespannung nach. Aufgesetzte Lichter verstärken die Trompe l’œil-Wirkung. Die Tapete
Des Empfangszimmers wurde durch die Firma Julius Hembus GmbH & Co. KG aus Frankfurt rekonstruiert und
im Siebdruckverfahren in Leimdruckfarben auf säurefreies Bahnenpapier gedruckt. Um die gewünschte, dem
Originaleffekt der Tapete entsprechende Wirkung zu erzielen, mussten die Drucke teilweise noch retuschiert
werden.
Schlafzimmer, © Bayerische Schlösserverwaltung
www.schloesser.bayern.de
Im Schlafzimmer waren Bahnen einer sog. Arabeskentapete der
französischen Manufaktur Réveillon von 1789 auf grünem
Wandgrund angebracht. Sie ahmen Wandmalereien mit
Groteskenmotiven nach wie sie in der Renaissance in den verschütteten römischen Ruinen gefunden worden waren – so in
der Domus Aurea des Nero – und dann bereits in der Renaissance aufgegriffen und variiert wurden. Als bekanntestes Beispiel gelten die von der Raffael Werkstatt in den Loggien des Vatikan ausgeführten Groteskenmalereien (1516), die immer wieder in Druckgraphiken verbreitet wurden, so 1774 von Giovanni
Volpato (1733-1803) und Giovanni Ottaviani (1735-1808) als
großformatige handkolorierte Kupferstiche. Die Idee der Groteske war auch während des 17. und 18. Jahrhunderts in der
französischen Dekorationskunst beliebt und erhielt wieder am
Ende des 18. Jahrhundert und im Empire einen engeren motivischen und strukturellen Anschluss an die antiken Vorbilder. So
finden sich auch in den Landshuter Tapeten feine Tempelarchitekturen, Hermen, Tänzerinnen und antike Ornamente.
Die Firma von Jean-Baptiste Réveillon (1725-1819) handelte zunächst mit importierten Tapeten, bis 1775 eine
Papiermühle gegründet und mit der Produktion eigener Tapeten begonnen wurde. Die Firma belieferte das
französische Königshaus und den Adel und wurde 1783 zum Hoflieferanten ernannt. Im Zuge der Französischen
Revolution floh Réveillon nach England und verpachtete später seinen Betrieb an Jacquemart & Bénard.
Die Tapeten des Schlafzimmers wurden von Lutz J. Walter rekonstruiert, die aufwendigen Model von Hans
Joachim Frindte erstellt und das handgeschöpfte Bogenpapier von Gangolf Ulbricht bezogen (Maßnahme
2001). Die Tapeten wurden im Handdruck mit 29 Leimdruckfarben auf einem handgestrichenen Fond gedruckt.
Durch die Druckspuren, die leichten Varianten ergeben sich eine lebendige, ganz leichte Unregelmäßigkeit und
Variationen an der Oberfläche, die dem Original entsprechen. Die Model sind aus gefrästem Hartfasermaterial
gefertigt, das bei größeren Platten auf Schichtholz aufgezogen wurde.
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Ankleidezimmer, © Bayerische Schlösserverwaltung
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Das anschließende Ankleidezimmer war mit einer rosaweißfarbigen Linon-Batiste-Tapete ausgestattet. Sie imitiert einen Leinenbatist, der auf rosafarbenem Grund mit
weißen Ranken und roten Blüten bestickt ist. Vermutlich
wurde diese Tapete von der französischen Manufaktur
Jacquemart & Bénard in Paris bezogen, die 1800 eine Konzession für diese Art von Tapeten erhielt.
Die Tapeten-Rekonstruktion wurde ebenfalls von Lutz J.
Walter mit Modeln von Hans Joachim Frindte und Papier
von Gangolf Ulbricht angefertigt (Maßnahme 2000). Hier
wurde im Handdruck mit zwei Leimdruckfarben auf einem
farbigen, mit der Hand aufgetragenen Grund gearbeitet,
der im Bürstenstrich vorbereitet wurde. Die unregelmäßige
vertikale Bürstenstruktur, die den weißen Grund partiell
freilegt, trägt wesentlich zu dem textilen Eindruck der Tapete bei.
Basis einer solchen Rekonstruktion bildeten Tapetenreste, nach denen das Muster, die Farbigkeit und die Qualität der Tapeten originalgetreu rekonstruiert werden konnten. Für jede Druckfarbe musste eine rapportgetreue Zeichnung angefertigt werden, die den Modelansatz, die nach dem Drucken unsichtbaren Überschneidungen der Farben und die Farbreihenfolge berücksichtigt und für die spätere Passgenauigkeit jeder Druckfarbe die Angabe der Picots an den Rändern der Model vermerkt. Die Zeichnungen werden an den Formstecher
weitergegeben, der diese auf bereits vorbereitete Holzplatten überträgt. Hierfür wird das sog. Kritzpapier verwendet: „Das mit einer Stahlnadel eingeritzte Muster der einzelnen Druckfarben wird mit Hilfe von Druckerschwärze auf die Holzoberfläche aufgerieben. Zur besseren Überschaubarkeit beim Stechen werden die Druckflächen farbig angelegt. Mit einem kleinen stecheisenartigen Werkzeug, dem Vorschlag, wird die Kontur des
Musters etwa 3-4 mm tief vorgestochen. Die einzelnen Figuren werden aus Messingstreifen und gezogenen
Profilen entsprechend der Zeichnung angefertigt und in das vorgestochene Holz eingesetzt. Zur Kontrolle des
Musters und des Rapportes wird ein Abrieb aller Model auf Transparentpapier angefertigt. Nach dem Richten
der Formen werden die blechumrandeten Druckflächen mit Filz ausgefüllt, mit Schellack getränkt und abschlie1
ßend überschliffen.“
Beim Druck nehmen die Holzmodel durch leichtes Aufschlagen auf das Farbtuch im Chassis die Farbe auf. Die
Picots an den Rändern der Model erlauben das genaue Positionieren. Dieses ist besonders bei mehrfarbigen
Motiven sehr wichtig und verhindert, dass es zu Verschiebungen des Musters kommt. Das Model wird mit einem Druckhebel auf die Papierbahn gepresst. Wenn die Papierbahn mit einer Farbe bedruckt ist, wird sie getrocknet, bevor eine weitere Farbe aufgetragen wird.
1
http://www.historische-papiertapeten.de/Handdruck_Maschinenleimdruck, eingesehen am 25.5.2014
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Schloss Linderhof, Ettal
Die Posamenten-Manufaktur München
Schloss Linderhof entstand für Ludwig II. im Stil einer französischen Maison plaisance der Zeit Ludwigs XV. Als
Vorbild diente das Petit Trianon im Garten von Versailles. Seit 1868 überlegte Ludwig II. verschiedene Projekte
in Ettal am heutigen Standort des Schlosses. Als 1869 die Arbeiten in Linderhof begannen, bildete das Försterhaus den Ausgangspunkt, das sein Vater Maximilian II. hatte erbauen lassen. An dieses erste „Königshäuschen“
wurde dann 1870 unter Hofbaudirektor Georg Dollmann (1830- 1895) ein Flügelanbau angefügt. Während der
Bauarbeiten fiel der Entschluss, diesen Anbau 1871 durch ein entsprechendes Gegenüber zu ergänzen und
diese beiden Bauten durch ein Schlafzimmer zu verbinden. Diese neuen Bauten bildeten den Kern der späteren
Schlossanlage. Allerdings war dieses Gebäude noch recht einfach als hölzerner, mit Brettern verschalter Ständerbau über einem gemauerten Sockelgeschoss konzipiert. 1873 wurde dieses Holzgebäude mit festem Mauerwerk ummantelt und ein neues Dach gebaut. 1874 wurde das „Königshäuschen“ an seinen heutigen Ort versetzt und an seiner Stelle der neue Südtrakt errichtet. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch Vestibül und Treppenhaus eingebaut. Die letzte Bauphase in Linderhof erfolgte 1885/1886 mit der Vergrößerung des Schlafzimmers.
Der Spiegelsaal
Der Spiegelsaal in Schloss Linderhof bildet eine Zusammenarbeit des Architekten Georg Dollmann und des
Theatermalers Joseph de la Paix, die sich am Vorbild des Spiegelkabinetts François Cuvilliés’ (1695-1768) in der
Münchner Residenz (1730-1733) anlehnten. In die weiße, mit vergoldeten plastischen Schnitzornamenten verzierte Vertäfelung sind große Spiegelflächen eingelassen. Auf kleine Sockel innerhalb der geschnitzten RocailleOrnamente sind Porzellanobjekte aufgestellt. Der Porzellanleuchter stammt aus Meissen, das Schreibzeug und
große Vasen aus Sèvres. Der Kamin ist mit Lapislazuli verkleidet. Der Blauton wird in der Bespannung der Möbel
(nach Entwürfen von A. Seder von der Firma Anton Pössenbacher ausgeführt) und den Vorhängen an den Fenstern und vor der Nische mit einem Ruhebett aufgegriffen. Als Stoff wurde silberdurchwirkter hellblauer Seidenrips verwendet.
Die Posamenten-Manufaktur führte in den 1980er Jahren die blau-goldenen Quasten in Seidengarn und Goldschnur über Holzformen und Pergament für den Spiegelsaal in Schloss Linderhof aus. Diese sind aufwendig mit
einem runden Knauf geschmückt, auf den ein Rhombenmuster aus Goldborten aufgelegt ist, in dessen Freiräume wiederum Goldrosetten eingefügt sind. Über die blauen Fransen sind geflochtene Goldblätter gelegt, die
in Stränge aus weißen Seidengarnperlen und goldenen Blütenblättern münden. Diese alternieren mit goldsilbernen Kantillen.
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Schloss Mirow, Mecklenburg
Lutz J. Walter, Wernigerode
Das Schloss geht auf eine alte Johanniterkomturei zurück, die nach der Säkularisierung in den Besitz der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin fiel und 1701 mit der Gründung des Herzogtums Mecklenburg-Strelitz an das
neue Herzogshaus übertragen wurde. Unter Adolph Friedrich II. wurde die Johanniterkirche zur Grablege der
Mecklenburg-Strelitzer Herzöge und das Amtsgebäude zum Witwensitz bestimmt. Für seine dritte Frau, Prinzessin Christiane Emilie Antonie von Schwarzburg-Sondershausen, wurde 1707 mit dem Bau eines Schlosses in
Mirow unter dem Baumeister Joachim Borchmann begonnen. Das Gebäude diente ihr nach dem Tod ihres
Mannes 1708 als Witwensitz. Für die Dekoration der Räume wurden auch ausländische Künstler herangezogen,
so der italienische Stukkateur Giovanni Battista Clerici, der im Festsaal tätig war. Sein heutiges Erscheinungsbild
erhielt das Schloss seit 1753 unter Herzogin Elisabeth Albertine, die den Hofbildhauer Simon Gehle mit der
Ausstattung des Schlosses beauftragte. Seit 1761 wurde das Schloss als Sommersitz genutzt. Die Raumausstattungen, die das Schloss unter den verschiedenen Herzoginnen erhielt, haben sich bis heute erhalten, und werden ab Anfang Juni 2014 nach einer umfassenden Restaurierung wieder zu besichtigen sein. Das Schloss ist im
Obergeschoss in mehreren Räumen mit handbemalten Tapeten verkleidet, die florale und chinesisch inspirierte
Muster aufweisen, aber auch Schäferszenen und Trompe-l’œil-Motive wie Blumenvasen vor Landschaftshintergrund mit nahendem Gewitter.
Lutz J. Walter rekonstruierte 2013/2014 für einen Raum des Schlosses eine bedruckte Leinwandtapete aus der
Zeit um 1760. Auf Grundlage erhaltener Fragmente konnten Muster und Farbigkeit rekonstruiert werden: Das
Muster zeigt ein Rhombenornamente aus sich überkreuzenden Doppellinien. In den ausgebildeten Feldern
befinden sich stark stilisierte, sternartige Blüten. Der Druck ist in dem zuerst 1709 erwähnten „Berliner Blau“
auf einem hellblauen Leinwandgrund ausgeführt. Sowohl die unregelmäßige, grobe Leinwandbindung als auch
der Modeldruck mit nur einer Farbe auf grundiertem Leinenträger sprechen für eine Datierung in die Mitte des
18. Jahrhunderts. Zwar ließ sich für die Tapete kein genaues Pendant finden, doch hat sich ein ähnliches Muster
auf einem Fragment einer handgedruckten Papiertapete in Sayward House in Maine in den USA erhalten. Diese
Tapete stammt wohl aus England und wird in die Zeit von 1760-1770 datiert. Die Rekonstruktion erfolgte in
Leimfarben in Handdrucktechnik mit einem Model von Hans Joachim Frindte auf Leinwandgrund.
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Schloss Moritzburg, Sachsen
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
Schloss Moritzburg wurde 1723 von August dem Starken durch den Architekten Matthäus Daniel Pöppelmann
(1662-1736) als Jagd- und Lustschloss auf den Mauern eines ehemaligen Renaissancebaus errichtet und kostbar
ausgestattet, u. a. mit bemalten Ledertapeten. Der ältere Bau war 1542 für Herzog Moritz von Sachsen ent
standen. Weitere Arbeiten am Schloss erfolgten um 1800.
Das Porzellankabinett
Der Pékin moiré (franz. moirer – marmorieren) für
das Porzellankabinett wurde 2009 von der Seidenmanufaktur Eschke nach Fotos und historischen Beschreibungen rekonstruiert Diese Gewebeart ist
durch eine holzmaser- oder wellenartige Struktur
charakterisiert. Als Pékin wird ein Gewebe mit parallelen Längsstreifen in verschiedenen Bindungsarten bezeichnet. Im Moritzburger Fall erscheint der
sog. echte Moiré im Ripsstreifen. Ein Moiré weist
eine doppelte Gewebelage auf. Das gerippte Gewebe wird zwischen erhitzten, zylindrischen Walzen
(Kalander) kräftig aufeinander gepresst. Beim Pressen werden die Rippen an den sich überkreuzenden
Stellen flach gedrückt, wodurch sich flachere, glänzende Partien ergeben.
Da die Verschiebung der Rippen immer zufällig ist, ähnelt sich das Muster zwar, wiederholt sich aber nicht
genau. Moiré-Wandbespannungen waren im späten 18. Jahrhundert beliebt, da sie ähnlich wie Seidendamaste
eine interessante, abwechslungsreiche Wanddekoration bildeten, die aber zurückhaltend genug war, um Gemälde darauf zu präsentieren.
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Schloss Mosigkau
Schloss Mosigkau, Dessau / Passau, Bischöfliche Residenz
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
1742/1743 erhielt die unverheiratete anhaltische Prinzessin Anna Wilhelmine von ihrem Vater Fürst Leopold I.
von Anhalt-Dessau Ländereien, auf denen sie ein Schloss errichten ließ. Nachdem Georg Wenzeslaus von
Knobelsdorff (1699-1753) war zunächst erste Entwürfe ausgeführt hatte, wurde das Schloss durch den Dessauer Hofbaumeister Christian Friedrich Damm 1752-1757 als Sommersitz erbaut. Nach dem Tod Anna Wilhelmines im Jahre 1780 wurde im Schloss ein Stift für adlige unverheiratete Frauen eingerichtet, das bis 1945
bestand. Ab 1951 diente das Schloss als Museum für die Wohnkultur des Rokoko, und 17 Räume sind auch
noch heute teilweise in ihrem Originalzustand zu besichtigen.
Die Firma Eschke führte 1993 für das Schloss für drei Zimmer Rekonstruktionen eines großrapportigen Seidendamastes nach einer Originalvorlage von ca. 1730 aus dem Bossi-Zimmer in jeweils unterschiedlicher Farbe aus.
Das Problem dieses Seidendamastes lag in seiner großen Rapporthöhe von 170,5 cm, ein Problem, das durch
den Einsatz einer neuen elektronischen Jacquardmaschine schließlich gelöst werden konnte.
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Bischöfliche Residenz Passau
Das gleiche Muster wurde für die Bischöfliche Residenz in Passau in Rot ausgeführt.
Die Residenz unterteilt sich in die Alte und
Neue Residenz, die durch den „Saalbau“ verbunden sind. Die Alte Residenz stammt im
Wesentlichen aus dem 15.-17. Jahrhundert.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
wurden Erweiterungsbauten von Leonard
Uttner und Christoforo Canevale ausgeführt.
Im zweiten Obergeschoss befinden sich fünf
repräsentative Zimmer aus dem 18. Jahrhundert sowie die Obere Hofkapelle, das indianische Spalierzimmer und der Audienzsaal. Die Neue Residenz der Fürstbischöfe
von Passau entstand 1712-1730 unter den
Baumeistern Domenico d’Angeli und Antonio
Beduzzi. 1765-1771 wurden unter Fürstbischof Kardinal Leopold Ernst von Firmian die
beiden Portale und die Dachbalustrade unter
der Leitung von Melchior Hefele hinzugefügt.
Das Innere weist Stuckaturen von Johann
Baptist Modler, Malereien von
Johann
Georg Unruhe und Skulpturenschmuck von
Joseph Bergler d. Ä. auf.
Das Muster zeigt von der Mittel- und Symmetrieachse ausstrebende große Blätter, die von zierlicheren Beerenund Blütenzweigen begleitet und von Ornamentzwickeln und großen Arrangements von aus Blättern hervorstoßenden Blüten oder Früchten unterbrochen werden. In der Schwere und Pracht der Motive scheint dieses
Muster noch barocke Elemente fortzusetzen.
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Foto: Philipp Mansmann, München, © Bayerische Schlösserverwaltung, www.schloesser.bayern.de
München, Cuvilliés-Theater
Anton Buchele Raumgestaltung München
Das Cuvilliés-Theater wurde als Hoftheater für Kurfürst Max III. Joseph (1745-1777) unter dem Hofarchitekten
François Cuvilliés (1695-1768) erbaut. Die Bauarbeiten begannen 1751. Zwei Jahre später konnte das Gebäude
eröffnet werden, wobei die Arbeiten noch bis 1755 andauerten. Die Werkstatt des Hofkistlers Adam Pichler
führte die Schnitzereien in dem Logentheater aus, wobei die Figuren und großen Elemente wie die Wappenkartusche über der Kurfürstenloge von Johann Baptist Straub (vor 1704-1784) gefertigt wurden. An der Ausstattung waren weiterhin verschiedene Fassmaler, darunter Ambrosius Hörmannstorfer, und Johann Baptist Zimmermann (1680-1758) beteiligt, von dem das Deckenfresko (1753) stammte, das jedoch schon 1801 übermalt
wurde.
Das Theater gehörte als Teil der höfischen Unterhaltung und Repräsentation zu einer barocken Residenz. Als
die durch Ludwig XIV. vorgebildete absolutistische höfische Kultur im Rahmen der Aufklärung und der französischen Revolution nicht mehr aktuell war, wurde auch das Cuvilliés-Theater 1795 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es erwies sich dafür allerdings zum einen als zu klein, zum anderen hatten sich der Geschmack,
die Bühnentechnik und die Inszenierungsweise inzwischen maßgeblich verändert, so dass der Wunsch nach
einem größeren, zeitgemäßen Neubau bestand. Mit dem Neubau des Nationaltheaters wurde das CuvilliésTheater ab 1825 kaum noch bespielt, bald nach 1831 geschlossen und nur noch als Kulissenmagazin genutzt.
Zwanzig Jahre später, 1851, wurden die Schnitzereien ausgebaut und eingelagert, allerdings wieder unter Ludwig Foltz, der das Theater 1855-1857 renovierte, wieder eingebaut. Die Schnitzereien wurden 1943 während
des Zweiten Weltkriegs erneut ausgelagert. Das Theater selbst wurde 1944 durch Bomben und Brand zerstört.
Erhalten haben sich somit nur die in Holz geschnitzten, farbig gefassten Rangeinbauten des Zuschauerraumes.
1956 wurden sie der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen übergeben und bis
1958 nach aufwendigen Restaurierungsarbeiten in den so genannten Apothekenstock der Residenz München
am Brunnenhof eingebaut. Zum 850. Stadtjubiläum Münchens wurde es 2008 umfassend saniert und der Zuschauerraum restauriert.
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Die hölzernen Logenrückwände waren im 18. Jahrhundert mit einer Arabeskenbemalung auf fliederfarbenem
Grund versehen, die wie die ursprüngliche Deckenmalerei 1801 entfernt wurde. Im Rahmen der Renovierung
von 1855-1857 wurden die Logen mit marmorierten Flächen bemalt. Eine Gouache von Julius Langer von 1870,
die eine Vorstellung im Cuvilliés-Theater vor Kurfürst Max III. Joseph (Wittelbacher Ausgleichsfonds, Inv. Nr. B
VIII 56) zeigt, vermittelt einen Eindruck von dem Erscheinungsbild des Zuschauerraumes nach der Renovierung
1
von 1857.
Im Zuge der Wiederherstellung des Theaters in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre fiel die Entscheidung anstatt der komplett verlorenen und insofern nicht rekonstruierbaren einstigen Bemalung der Logenrückwände
diese mit einem seidendamastartigen Gewebe zu verkleiden, das auf rosafarbenem Grund Blumenbouquets,
Tauben, Blüten und Festone zeigt. Das Münchner Gewebe weist eine Kette aus Viskose und einen Schuss aus
Baumwolle auf.
Durch partielle Abnutzungserscheinungen wurde es bei der Renovierung 2008 notwendig, den Stoff in einigen
Bereichen des Theaters zu erneuern. Da die Bespannung aus der Zeit des Wiederaufbaus 1958 zum einen eine
zurückhaltende ästhetische Folie für das Theater bildet und nicht unnötig ablenkt, zum anderen die Gefühle der
Münchner Theaterbesucher berücksichtigen sollte, denen das Theater in dem gewohnten Erscheinungsbild
vertraut war, fiel die Entscheidung für die Erneuerung des Gewebes von 1958.
Nachdem die Entscheidung gefallen war, die in den 1950er Jahren gewählte Bespannung beizubehalten, da der
ursprüngliche Zustand, wegen nicht vorhandener Befunde, auch nicht rekonstruierbar war, wurde nach verschiedenen Fassungen der Mise-en-carte – Musternachzeichnungen, die früher per Hand, inzwischen aber per
Computer erfolgen – und acht Anwebungen, in denen immer wieder der Farbton und die Musterdetails korrigiert wurden, die Nachwebung über die Anton Buchele Raumgestaltung aus München erstellt und in Frankreich
gewebt. Die Firma war nicht nur für die Nachwebung des Damastes von 1958 und für die Bespannung im Zuschauerraum zuständig, sondern auch für die Nachwebung des gelben Stoffes, ebenfalls eine Zutat der 1950er
Jahre, für die Logenumgänge, der jetzt allerdings in einem schwer entflammbaren Material hergestellt wurde,
sowie für die Neupolsterung und den Neubezug der Rangbrüstungen mit rotem Satin.
Das Besondere dieser Rekonstruktion ist, dass nicht ein historisch getreuer neuwertiger Zustand erzielt werden
sollte, sondern ein solcher, der sich den Alterungen der noch vorhandenen Bespannung der 1950er Jahre anpasst und so einen harmonischen Gesamteindruck vermittelt. Der Stoff wurde, um die Auflagen des Brandschutzes zu erfüllen und ein Nachrüsten des Gewebes zu vermeiden, das den Farbton wieder verändert hätte,
nun auf einer flammenhemmenden Unterlage auf die Wand aufgebracht.
1
Siehe zum Cuvilliés-Theater: Sabine Heym, Susanne de Ponte und Hermann Neumann, Das Cuvilliés-Theater, Bildheft, München 2008
38
Foto: Henning Schlottmann
München, Prinz Carl Palais
Anton Buchele Raumgestaltung München
Das Prinz-Carl-Palais in München dient heute als Amtssitz des Bayerischen Ministerpräsidenten und wird von
der Bayerischen Regierung für Repräsentationszwecke genutzt. Das Palais entstand im Auftrag des aus Lothringen stammenden Abbé Pierre de Salabert, der als Erzieher von Kurfürst Max IV. Joseph, dem späteren König
Max I. Joseph, arbeitete. Karl von Fischer (1782-1820) erhielt 1803 den Auftrag für den Entwurf des Palais, das
1806 bezogen werden konnte. Nach dem Tod des Abbé 1807 erwarb König Max I. Joseph das Gebäude. Unter
König Ludwig I. ging der Bau 1825 an seinem Bruder, Prinz Carl. 1827-1830 waren Jean Baptiste Métivier und
Anton Schwanthaler mit Erweiterungen und der Neudekoration der Räume beauftragt. 1876-1919 diente das
Gebäude als Sitz der Österreichisch-Ungarischen Gesandtschaft; seit 1924 wurde es als Dienstwohnung des
Bayerischen Ministerpräsidenten verwendet, bis es 1937 als Gästehaus umgebaut wurde. 1948 wurde es Sitz
der neu gegründeten Bayerischen Akademie der Schönen Künste und diente ab 1967 als Notquartier der Glyptothek und der Staatlichen Antikensammlungen in München. Seit 1968 ist das Prinz-Carl-Palais Dienstsitz des
Bayerischen Ministerpräsidenten. Das Prinz-Carl-Palais ist ein Beispiel des frühen Klassizismus in München. Es
hat sich, da das Palais im Krieg nur gering beschädigt worden ist, die klassizistische Raumausstattung erhalten,
besonders das Tafelparkett, geschnitzte Füllungstüren, Stuckdekorationen und Deckenmalereien.
Die Rekonstruktion der Stoffe wurde von der Firma Anton
Buchele Raumgestaltung aus München betreut. Der Betrieb übernahm neben der Koordination der Stoffrekonstruktionen auch die Restaurierung der Bestuhlung im
Speisezimmer und die Erneuerung der Wandbespannung
im Gelben Salon. Ausgestellt sind die rekonstruierten Bezüge der Sitzmöbel. Der blaue Seidendamast in
Lampasbindung für das Ministerpräsidentenzimmer zeigt
in Weiß üppige Blumenbouquets, Leiern, Füllhörner, Ähren, schmale Vasen, die von Festonen, Weinranken,
Perlgehängen und Tauben eingefasst werden. Die Einzelmotive sind von zierlicher und feiner Binnenzeichnung.
Dieser Stoff weist einen melierten Grund auf und wurde
mit Jaspé-Garn gewebt. Hierunter wird ein Garn verstanden, das aus verschiedenfarbigen Vorgarnen mit vergleichsweise schwacher Drehung gesponnen wurde und
ein gesprenkeltes, meliertes Aussehen hat.
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Die Stühle des ehemaligen Kabinettssaals sind mit grün-goldenem Damast bezogen, der als Muster Blumenkörbe aufweist, die sich je nach Rückenlehne und Sitzfläche voneinander unterscheiden.
Für diese Stoffe wurde jeweils eine handgezeichnete Mise-en-carte angefertigt. Diese Musterzeichnung hält in
speziellem, auf den Webstuhl ausgerichtetem Rasterpapier vergrößert und farblich klar differenziert das Muster fest und dient als Vorlage für die Einrichtung des Webstuhls. Die handgezeichnete Mise-en-carte ist wesentlich größer als das gewebte Muster gehalten.
Die Posamenterien in den Räumen, wie z. Bsp. die Borten für die Möbel, aber auch für die Raffungen der Vorhänge, wurden von Josef Müller Posamenten in München ausgeführt.
40
München, Villa Stuck
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
Die Villa Stuck entstand 1897/1898 als repräsentatives Wohn- und Ateliergebäude des Malers Franz von Stuck
(1863-1928) und dient seit 1992 als Museum der Stadt München, das das Künstlerhaus bewahrt und Sonderausstellungen zur Kunst des 19.-21. Jahrhunderts präsentiert. Franz von Stuck entwarf das Gebäude und seine
eindrucksvolle, an der Antike orientierte Ausstattung selbst und ergänzte sie durch seine Gemälde. Im Erdgeschoß finden sich repräsentative Empfangsräume; ein Ateliertrakt wurde 1915 hinzugefügt. Das Atelier mit
seiner reichen, prächtigen Ausstattung diente als Ausstellungsraum, wurde aber auch für Feste genutzt. Das
Haus fungiert als Beispiel für die Selbstinszenierung der Malerfürsten im späten 19. Jahrhundert.
Empfangssalon und Musiksalon
Der Empfangssalon ist in reichen Gold- und Braun-Tönen gehalten und durch die Verwendung unterschiedlicher prächtiger Oberflächen bestimmt, die durch Beleuchtung und Lichtreflexion noch gesteigert werden.
Wände und Nischen sind so mit Goldmosaik überzogen, dass im dämmrigen Licht des Raumes kostbar und
zugleich etwas geheimnisvoll wirkende Effekte entstehen. Dieses wird durch die breite Spiegelwand des Fensters noch gesteigert. Die Wandflächen werden durch bronzeartig patinierte Ornamentbänder gegliedert, die
mit Gorgonenköpfen und Blüten verziert sind und dunkelrote, polierte Steinplatten einfassen. Die Kassettendecke ist mit einem Intarsienmuster bemalt. In den mit Goldmosaik ausgekleideten Nischen sind Kopien antiker
Büsten aufgestellt, die von Stuck farbig gefasst wurden. Auch die Sitzmöbel, die mit Besatz in Form von etruskischen Löwenköpfen und Koren aus feuervergoldeter Bronze sowie mit elfenbeinartigen Intarsien versehen
sind, wurden von dem Maler entworfen. Sie sind mit einem mattgoldenen Seidengewebe in einem Entwurf von
Franz von Stuck bezogen, der Streifen aus vier wellenartigen Linien aufweist, von deren jeweils äußeren stilisierte Blätter und Blüten ausgehen. Der Stoff aus der Zeit um 1900 wurde 2004 durch die Seidenmanufaktur
Eschke rekonstruiert. Die Rekonstruktion konnte auf einen erhaltenen kompletten Musterrapport zurückgreifen. Das Muster ziert auch die mit Intarsienmotiven bemalten Sitzmöbel des angrenzenden Musiksalons, dessen Wand- und Deckenmalereien durch die antiken Malereien in Pompeij beeinflusst sind und eine illusionistische Architekturgliederung mit Pergola sowie verschiedene Bildfelder mit antiken Szenen, die der Raumfunktion entsprechend Musik und Tanz gewidmet sind, sowie den Ausblick in einen Nachthimmel mit Sternenkarte
zeigen.
41
© Bayerische Schlösserverwaltung, www.schloesser.bayern.de
Pagodenburg
Volker Illigmann, Thurnau
Die Pagodenburg im Schlosspark Nymphenburg wurde 1716-1719 unter Joseph Effner (1687-1745) für Kurfürst
Max II. Emanuel erbaut. Der ungewöhnliche achteckige Grundriss mit kreuzförmigen Armen soll auf eine Idee
des Kurfürsten zurückgehen. Der zweigeschossige Bau diente als Rahmen für intime Feste und als Ruheort
während des „Mail“, ein Kugelspiel, dessen Bahn an der Nordseite des Parkschlösschens verlief. Der Name des
Gebäudes leitet sich von seiner ostasiatisch inspirierten Innenausstattung mit Lackpaneelen und Malereien mit
asiatischen Szenen her. Schon 1767 erfolgte eine erste Instandsetzung unter Max III. Joseph und François
Cuvilliés (1695-1768). Von 1995 bis 2004 erfolgte eine umfassende Restaurierung der Innenkekoration und
Ausstattung der Pagodenburg.
Im Rahmen dieser Maßnahme wurden auch die Textilien im Alkoven des Ruhezimmers im Obergeschoss restauriert und zum Teil durch Rekonstruktionen ersetzt. Der Alkoven weist zwei Wandbehänge aus einem Genueser Samtbrokat aus der Zeit um 1700-1717 auf. Darin unterscheidet sich dieser Raum maßgeblich von den anderen Kabinetten, die eine Vertäfelung in Lackmalerei mit Chinoiserie-Motiven aufweisen. Auch die Bezüge der
zwei Ruhebetten sowie zwei Tabourets (Hocker) sind aus diesem Stoff gearbeitet. Es handelt sich um einen
Samtbrokat, einen fünffarbigen Velours ciselé mit Silberlamé, der aufgrund seiner floralen Motive auch als
Velours jardinière (Gartensamt) bezeichnet wird. Unter Brokat wird ein Seidengewebe verstanden, in dessen
Grund und Muster Gold- oder Silberfäden eingewebt sind. Von dem Samt sind nur zwei weitere ähnliche Beispiele bekannt, die sich im Musée des Tissus in Lyon und im Warschauer Schloss – auch hier als Wandbespannung – finden. Nachwebungen entstanden im 19. und 20. Jahrhundert durch die Firmen Rubelli und Prelle.
Beim Velours ciselé heben sich die Motive plastisch vom Grund ab. Dieses erfolgt durch geschnittenen Flor und
unaufgeschnittene, konturierende Schlingen. Der Flor entsteht durch eine zusätzliche Kette, die Florkette, die
während des Webens über eingeschobene, mit einer Rille versehene Stäbe läuft und dabei Schlaufen bildet.
Wenn der Stoff so weit gewebt ist, dass die Kettfäden gesichert sind, können sie entlang der Schneiderute auf42
geschnitten werden, so dass die charakteristischen Büschel des Samts entstehen. Anschließend werden die
Stäbe entfernt.
Fotos: Karina Hagemann
Die 300 Jahre waren an dem Gewebe nicht spurlos vorübergegangen. Durch Gebrauch, unsachgemäße Reparaturen, Klimaschwankungen, Feuchtigkeit und Lichteinfall waren erhebliche Schäden entstanden. Es ließen sich
der Korrosion der Silberfäden, großflächige Stopfungen, härtende Verklebungen und der Substanzverlust der
Seidengarne mit Rissen, Fehlstellen und Florausfall feststellen. Diese führten zum Verlust der Gesamtstabilität
des Textils. Das Mobiliar des Raumes konnte in situ restauriert werden und ist weiterhin mit dem originalen
Samt bezogen. Bei den hängenden Textilien bestand jedoch die Gefahr, dass die scharfkantigen Metallpartien
die Bindung aufschneiden könnten. Da eine ausreichende Stabilisierung der originalen Wandbehänge in der
Ausstellungssituation nicht möglich war, wurde entschieden, sie nach der Konservierung im Depot zu verwahren und an dem historischen Ort durch eine Rekonstruktion zu ersetzen. Ziel war es, eine Nachwebung zu
schaffen, die die ursprüngliche Farbigkeit und möglichst alle technischen Details des Originals aufweist, um
dem Betrachter ein authentisches Bild des prachtvollen Gewebes zu vermitteln
Volker Illigmann in Thurnau wurde von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen
mit der Realisierung des Rekonstruktionsprojekts beauftragt und erstellte nach dem Konzept und in Zusammenarbeit mit der amtseigenen Diplomrestauratorin Barbara de Groot die Bedingungen und Anforderungen.
Der Stoff wurde schließlich auf einem speziell dafür umgebauten Jaquardhandwebstuhl von einem in der Nähe
von Lyon tätigen Weber angefertigt. Die ursprüngliche Farbigkeit des Stoffes, die heute durch ihre Intensität
und Leuchtkraft überrascht, konnte durch die über die Jahrhunderte hinweg geschützten Partien in den Nahteinschlägen rekonstruiert werden. Aufgrund der geringen Lichtbeständigkeit der historischen Farbstoffe und
dem Problem, mit ihnen die spezifischen Farbtöne zu treffen, fiel die Entscheidung, auf moderne, chemische
Farbstoffe zurückzugreifen.
43
Der fünffarbige Velours ciselé lamé hat einen Rapport von 105x55 cm. Der Samtbrokat zeigt ein florales aufsteigendes Muster in intensiven Rot, Rosa- und Grüntönen: üppige, vertikal aufstrebende stilisierte Pflanzen,
darunter Tulpen, Narzissen, Nelken, pfingstrosenartige Blüten, sowie Vasen, Füllhörner, Körbchen, Ranken und
verschiedene Blätter ordnen sich symmetrisch um einen Mittelstengel an und münden in einen großen Blumenstrauß mit bekrönender Kaiserkrone. Das Muster zeigt nebeneinander in der Fläche angeordnete Motive,
wobei eine verhaltene Räumlichkeit durch Überschneidungen der Ranken und Blüten entsteht. Der weiße
Grund mit eingewebten Silberlahn (Silberlamé) verleiht dem Stoff einen subtil schimmernden Effekt, der eine
Spiegelfläche assoziieren lässt. Diese Wirkung konnte nur durch den Handwebstuhl erreicht werden, da sich bei
maschinellen Webstühlen der Silberlahn aufdrehte und dadurch keine glatte Hintergrundfläche zustande kam.
Lahn bezeichnet ein mit geglättetem Metalldraht oder mit schmalen Streifen von dünnem Blech umwickeltes
textiles Garn.
„Für die Rekonstruktion der Behänge wurde der Samt originalgetreu auf einem speziell dafür umgebauten Jaquardhandwebstuhl nachgewebt. Die Abnahme des Musters erfolgte digitalphotogrammetrisch, die Genauigkeit wurde durch Korrektur im Originalmaßstab ständig überprüft. Die
Wiederbelebung der traditionellen und heute fast verlorenen Technik der Handwebung von Samt mit
Lamé fordert vom Weber alles Können und viel Geduld. Dieses Engagement der Weber ist für die Erhaltung eines solchen hochkomplizierten, alten Handwerkes entscheidend. Das Ergebnis der Rekonstruktion des Samtes vermittelt uns heute in Farbe, Material, Technik und Muster einen lebendigen
1
Eindruck davon, wie das Original zur Zeit seiner Entstehung ausgesehen hat.“
Weiterführende Literatur
Barbara de Groot, Textile Raumkunst. Phantasievoller Ersatz, Rekonstruktion oder Restaurierung; Beispiele aus
Bayerischen Schlössern, VDR-Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut 1, 2003, S. 43-53
Ernst Götz, The Pagodenburg in the Park of Nymphenburg Palace, Riggisberger Berichte 14, 2007, S. 175-186
Brigitte Langer, Die Möbel der Schlösser Nymphenburg und Schleißheim, Die Möbel der Residenz München Bd.
5, München u.a.O. 2000, Kat. Nr. 5, 7, S. 70-71, 73-74
1
Barbara de Groot, Dipl- Restauratorin, http://www.schloesser.bayern.de/deutsch/ueberuns/rz/rz_pagod.htm, eingesehen 7.5.2014
44
Potsdam, Neues Palais
Das Neue Palais entstand als repräsentatives Schloss Friedrichs II. von Preußen in der Nähe von Sanssouci, dem
Privatschloss und Rückzugsort des Königs, das nach seinen eigenen Entwürfen 1745-1747 durch Georg
Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753) konzipiert wurde. Das Neue Palais wurde 1763-1769 als Ort der
Repräsentation und zum Unterbringen von adligen Gästen und ihrem Gefolge errichtet. Das Appartement des
Königs befand sich im südlichen Anbau. Die Architekten waren zunächst Johann Gottfried Büring (1723- nach
1788) und Heinrich Ludwig Manger (1728-1790), die 1764 von Carl von Gontard (1731-1791) abgelöst wurden.
Friedrich der Große hatte auch bei diesem Schlossbau konkrete Vorstellungen und wünschte, dass seine Anregungen durch die Kupferstiche in Paul Deckers „Fürstlicher Baumeister / Oder Architectura Civilis, Wie Grosser
Fürsten und Herren Palläste […] füglich anzulegen und nach heutiger Art auszuzieren“ (1711) und durch die
1715 als Stiche publizierten Entwürfe John Vanbrughs für Castle Howard (1699) umgesetzt wurden. Die aufwendigen Innendekorationen entstanden unter John Christian Hoppenhaupt (1719-zwischen 1778 und 1786).
Anlässlich des 300. Geburtstags von Friedrich dem Großen wurde bis 2012 an der Restaurierung und Rekonstruktion der Raumausstattungen des Neuen Palais in Potsdam gearbeitet.
Friedrich der Große war sehr an der Förderung der Preußischen Seidenweberei interessiert. Er gab speziell
Gewebe für die umfangreichen Ausstattungen seiner Schlösser in Auftrag, wobei er wie auch in anderen Bereichen sehr genaue ästhetische Vorstellungen hatte und damit ein spezifisches Preußisches Rokoko prägte. In
Berlin arbeiteten italienische und französische Weber für seine nach französischem Vorbild organisierten Webereien, dem Geschmack Friedrichs II. entsprechend, nach hauptsächlich französischen Vorlagen, die jedoch
1
abgewandelt wurden. Charakteristisch für die Berliner Seidenstoffe sind wellig aufsteigende Blüten und Blattranken sowie spitzenartige Bänder. Es entstanden hier Damaste, ungemusterte, gemusterte oder bestickte
Seiden. Die Besonderheit der Webarbeiten für Friedrich II. ist die Raumbezogenheit – ein Faktum, das sich auch
in seinen Aufträgen für die Königliche Porzellanmanufaktur verfolgen lässt. Der Raum wurde als ästhetisches
Gesamtkonzept aufgefasst, in dem sich alle Elemente aufeinander bezogen und der auch von einem grundlegenden Motiv geprägt sein konnte.
1
Susanne Evers, Berliner Seidengewebe in den Schlössern Friedrichs II, in: Friderisiko. Friedrich der Große, Die Essays, Hrsg.: Hartmuth
Dorgerloh, Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Neues Palais und Sanssouci, München 2012, S. 193-209; Diess.,
Die Verarbeitung französischer Vorbilder in der Berliner Seidenweberei, in: Friderisiko. Friedrich der Große, Ausst. Kat., Hrsg.: Hartmuth
Dorgerloh, Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Neues Palais und Sanssouci, München 2012, S. 362-367
45
Potsdam, Neues Palais, Arbeitszimmer
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
Für das Arbeitszimmer und andere Räume des Neuen Palais’
sowie für Schloss Rheinsberg und die Neuen Kammern wurde
ein Seidendamast von 1765 nach Originalvorlagen von Berliner
Seidenmanufakturen rekonstruiert. Das symmetrische Muster
zeigt spitzenartige Ornamentbänder, die in regelmäßigem
Schwung aufsteigen. Sie werden im Gegenschwung begleitet
von großen päonienartige Blüten sowie Rosen- und Beerenzweigen.
An der Stelle, wo sich die Bänder treffen, sind akzentuierend
dreistämmige Bütenstauden eingefügt. Diese Berliner Seidengewebe basieren auf französischen Seidengeweben der Zeit.
Die Firma Eschke rekonstruierte diesen Stoff bereits
1981/1982. Die ausgestellte Arbeit stammt aus einem Rekonstruktionsprojekt aus dem Jahr 1994.
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Potsdam, Neues Palais, Speisezimmer und Tressenzimmer
Volker Illigmann, Thurnau; Die Posamenten-Manufaktur München
Die Firma Volker Illigmann wurde 2011 mit der Rekonstruktion und der Koordination von Stoffen und Posamenten für das Speisezimmer und das Tressenzimmer im Unteren Fürstenquartier des Neuen Palais in Potsdam
beauftragt. Für das Speisezimmer wurde eine Rekonstruktion eines Goldbrokats Droguet von 1764 nachgewebt. Das Original wurde in Berlin gefertigt. Droguet bezeichnet ein Gewebe mit schmalen Musterrapporten
und wird je nach Art, teils aus Seide, teils aus Baumwolle oder Wolle in Köper- oder Leinwandbindung gefertigt.
Brokat wiederum meint ein Seidengewebe mit einem Grund oder einem eingewebten Muster aus Gold- und
Silberlahn. Der Droguet ist durch ein kleines kontinuierliches Netzmuster bestimmt: Durch sich überkreuzende
Silberbänder werden bei dem Stoff rhombenartige Felder ausgespart, in die auf rosafarbenem Grund kleine
Goldzweige eingefügt sind.
In der Posamenten-Manufaktur in München entstanden handgewebte Goldtressen (Goldborten) und reiche
Posamenten sowie Raffhalter mit Goldquasten. Für die Goldquasten mussten zwölf verschiedene Materialien
aus 990er Silber mit 10 Gramm Goldauflage rekonstruiert werden. Es wurden speziell für den Auftrag Goldgespinste (mit Golddraht umwickelte Seidenfäden), Goldlahn (ein geglätteter Metalldraht oder dünner Blechstreifen, der um ein textiles Garn gewickelt wird) und Goldschnürchen angefertigt.
Die Quaste besteht aus einem zweiteiligen Quastenkopf und einem mehrteiligen Quastenrock mit zierlichen
Überstängeln. Sie wurde in vier Arbeitsphasen gefertigt. Zunächst wurden je Quaste zwei speziell gedrechselte
Holzformen mit Goldgespinst bedeckt. Auf die eine Form wurde ein gehäkeltes Goldnetz gezogen, während die
andere mit Fassonspikat versehen wurde. Darunter wird ein netzartiges Gewebe verstanden, das mit der Nadel
so verdichtet wird, bis nichts mehr von der darunterliegenden Holzform sichtbar ist. Anschließend wurde der
Quastenrock aus Fransen angefertigt. Bei der Potsdamer Quaste setzt er sich zusammen aus einer Unterfranse
aus gelber Seide, der Goldfranse und Überstängeln, die mit Blüten, Halbmonden und Schleifen verziert sind. Die
Goldfranse entstand am Posamentierstuhl, einem Webstuhl, der schmaler gehalten ist als die Textilwebstühle.
Üblicherweise werden die Fransen mit Hilfe des Drillers gefertigt, ein Einschlagbrett, dessen Größe sich nach
Länge der Fransen richtet. Das Fransenmaterial wird über das Brett gelegt und von zwei Kupferdrähten an der
oberen Kante gefasst. Für die Potsdamer Quaste wurde diese Webmethode gewählt, da dadurch eine höhere
Dichte erzielt werden konnte und da durch die Webkante eine bessere Weiterverarbeitung möglich wurde.
Jedes Stängelchen – die einzelne Franse – musste anschließend einzeln mit einem Bleigewicht eingedreht werden. Für die Dekoration des Quastenrocks wurden Blüten gehäkelt, kleine Holzscheiben und Pergamenthalb47
monde mit Goldspiralen versehen, die mit Goldgespinst fixiert und dann von Goldlahn umwickelt wurden. Diese Elemente wurden an den Überstängeln befestigt. Abschließend wurden die einzelnen Teile miteinander
1
verbunden, wobei Goldgeflecht die Übergänge zwischen Quastenkopf und -rock verdeckt.
Das Tressenzimmer des Unteren Fürstenquartiers im Neuen Palais ist nach den Seidentapeten mit aufgenähten
Goldtressen und Crepinen – eine Borte aus Gimpen und Fäden – benannt. Die Textilien dieses Zimmers sind
deswegen so bedeutsam, weil sie zu den wenigen Originalen aus der Zeit Friedrichs II. zählen. Der Seidendamast ist, wie auch durch die Signatur „FBF A BERLIN“ nahegelegt wird, der hugenottischen, in Berlin ansässigen
Seidenmanufaktur Baudouin zuzuschreiben. Das Gewebe war im Laufe der Zeit dünn und fragil geworden,
hatte durch Lichteinfall, die Besucher und den Holzwurmbefall der dahinter liegenden Bretter gelitten, hatte
Risse bekommen und war schon mit aufgesetzten neuen Damaststücken ergänzt worden.
Die Tressen sind aus vergoldetem Silber und Seide gearbeitet, die Krepinen aus unterschiedlichen Materialien
wie vergoldetem Silber, Eisen, Messing, Kupfer, Zinn, Seide, Pergament, Pappe, Baumwolle und Goldbronze.
Tressen und Crepinen sind auf dem roten Damast zu Arrangements zusammengestellt, die Schnitzereien von
Wandvertäfelungen nachahmen und neben Blüten, Blättern, Schleifen verschiedene Ornamentformen aufweisen. Die Unterlegungen bestehen aus Pappe, Pergament, die Umwicklungen des Pergaments, der Stängel und
weiteren Wickelfäden aus Seide. Für das restaurierte Tressenzimmer wurde eine Borte mit handgedrehten
2
Goldfransen rekonstruiert. Hierfür mussten fünf verschiedene Goldgarne aus 990er Silber mit 10g Goldüberzug nachgearbeitet werden. Die Goldborten wurden auf einem Handwebstuhl bei einer Webbreite von sieben
Zentimetern gewebt.
1
2
Dieser Textteil beruht auf: Maria Siegmantel, Dekor in Gold und Seide. Die Herstellung einer Goldquaste in der Posamentierwerkstatt,
restauro 3, 2013, S. 14-17
Christa Zitzmann, Nadja Kuschel, Ute Rönnecke, Friedrichs Kartoffeln retten des Königs Luxus. Die Restaurierung einer Wandbespannung aus dem Jahre 1768, Restauro 4, 2012, S. 46-54
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Potsdam, Orangerie
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
In Potsdam wurden für Friedrich Wilhelm IV. unter den Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) und
Ludwig Persius (1803-1845) verschiedene Gebäude errichtet, darunter auch die Orangerie, die auf Anregungen
des späteren Königs zurückgehen und dessen Einflüsse durch eine Italienreise (1828) umsetzen. Die Architekten
Ludwig Persius, Friedrich August Stüler, Ludwig Ferdinand Hesse entwarfen 1851-1864 das Orangerie-Gebäude
mit Raffaelsaal – ein zweigeschossiger Galerieraum mit Oberlicht nach dem Vorbild der Sala Regia in Vatikan, in
dem 47 Kopien nach Raffael-Gemälden auf rotem Stoffgrund gehängt sind, und seitlichen Gästeappartements
für die Schwester des Königs und ihren Mann Zar Nicholas I.
Der Coteline, ein Möbelbezugsstoff mit Rippen, in Seide
und Baumwolle wurde 1993von der Seidenmanufaktur
Eschke nach einer Originalvorlage aus der Mitte des 19.
Jahrhunderts rekonstruiert. Sich einrollende Bänder
bilden rhombenartige Felder aus, die symmetrisch mit
Blättern, großen Blüten und bandlwerkartigem floralen
Ornament gefüllt sind. Wie das Gebäude und der Galeriesaal auf Vorbildern der italienischen Renaissance basieren, so fiel auch die Wahl auf eine Wandbespannung, deren Aufbau an Spitzovalmuster in Textilien des
16. Jahrhunderts erinnert und diese mit floralen Motiven kombiniert. Die Gemälde heben sich vor dem intensiven Rot der Wandbespannung eindrucksvoll ab.
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Residenz Salzburg
Backhausen Hoheneich
Die Alte Residenz in Salzburg diente den Fürstbischöfen als Wohnsitz und Repräsentationsort. Ein Bischofssitz
ist in Salzburg bereits um 1120 urkundlich nachgewiesen. Neubauten erfolgten im 15. und 16. Jahrhundert,
besonders unter Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau. Die Arbeiten seit 1596 werden Vincenzo Scamozzi zugeschrieben. Auch unter den Erzbischöfen Markus Sittikus, Paris Lodron, Guidobald von Thun und Hohenstein
und Franz Anton Graf von Harrach wurde an der Residenz gebaut. Zuerst wurde der Wallistrakt (oder Hofbogengebäude) errichtet, anschließend der Toskanatrakt um die sogenannte Dietrichsruh umgestaltet.
Der Haupttrakt zum Residenzplatz hin wurde erst unter Paris Lodron fertig gestellt. 1665-1667 wurde unter
Erzbischof Guidobald von Thun der residenzplatzseitige Trakt der Residenz aufgestockt. Erzbischof Franz Anton
von Harrach beauftragte 1710 Johann Lucas von Hildebrandt (1668-1745) mit dem Fassadenentwurf für diesen
Gebäudetrakt. Hildebrandt beaufsichtigte auch die Ausstattung der Innenräume. Hier entstanden Stuckarbeiten von Alberto Camesina und Deckengemälde von Johann Michael Rottmayr (1654-1730) war und Martino
Altomonte. 1788-1792 wurde unter Erzbischof Hieronymus von Colloredo der Trakt zur Churfürststraße und zur
Sigmund-Haffner-Gasse abgerissen und teilweise neugebaut, wobei auch der Innenhofgarten und die umgebenden Renaissance-Trakte der Gärten entfernt wurden. Bis 1918 war die Residenz Wohnsitz von Mitgliedern
des Österreichischen Kaiserhauses. 1840-1860 wurden für die Kaiserin Carolina Augusta von Bayern umfangreiche Änderungen und Erneuerungen vorgenommen. Seit 1992 ist in dem Gebäude auch die Juridische Fakultät
der Universität Salzburg untergebracht.
Die Residenz besitzt 15 Prunkräume, die für Franz Anton von Harrach unter der Leitung von Lucas von Hildebrandt neu ausgestattet wurden. Der Thronsaal (Gesellschaftszimmer) ist mit einem Deckenbild von Rottmayr
ausgestattet, das das Festmahl der Götter anlässlich der Hochzeit der Thetys zeigt. Der von der Firma Backhausen rekonstruierte rote Damast zeigt für die Wände ein Muster aus schwungvoll aufstrebenden Ranken mit
50
langen Blättern und tulpenartigen Blüten und für die Möbelbezüge farblich passende Stoffe mit großen Mittelelementen aus Akanthusblättern und artischockenartigen Motiven.
Im Arbeitszimmer (Retirada) sind Wände und Möbel sind mit einem hellblauen Damast bezogen, der lotusartige Blüten aufweist und ebenfalls von der Firma Backhausen rekonstruiert wurde. Die Vorlage stammt aus dem
20. Jahrhundert, welche wiederum eine Nachempfindung aus dem 19. Jahrhundert bildet. Die Farbe des stark
verschmutzten Stoffes konnte durch den Farbton der Rückseite rekonstruiert werden. Der kleine Raum weist
eine Deckenmalerei mit dem Opfer Alexanders in Jerusalem von Johann Michael Rottmayr auf.
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Sanssouci bei Potsdam
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
Schloss Sanssouci (franz. ohne Sorge) wurde nach eigenen Skizzen Friedrichs II. von Preußen in der Nähe von
Potsdam 1745-1747 als privater Rückzugsort und Sommerschloss unter Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff
(1699-1753) errichtet. Unter Friedrich Wilhelm IV. wurde das Schloss 1841-1842 durch die Verlängerung der
zwei Seitenflügel erweitert.
Sanssouci ist als ebenerdiger, eingeschossiger Bau angelegt, von dessen Räumen direkt ein Zugang in den Park
und auf die Terrasse möglich ist. Der Hauptbau mit seinen Seitenflügeln mündet in halbrunde Kabinette und
besitzt an der Südseite einen vorspringenden, halbovalen, überkuppelten Mittelbau. Diese Seite ist durch
paarweise angeordnete Trägerfiguren von Friedrich Christian Glume ausgezeichnet. An der durch korinthische
Pilaster gegliederten Nordseite ist dem Schloss ein Hof vorgelagert, der von Kolonnaden eingefasst wird. Das
Schloss liegt oberhalb eines terrassierten Weinbergs. Die Gartenarbeiten erfolgten unter Leitung von Friedrich
Wilhelm Diterichs (1702-1782) und Philipp Friedrich Krutisc (1713-1773). Die sechs breiten Terrassen mit zur
Mitte hin bogenförmig einschwingenden Mauern, an denen Spaliere für Obst- und Weinsorten angebracht
wurden, wurden durch Taxuspyramiden und Orangenbäume ergänzt. Unterhalb der Terrassen wurde ein barocker Garten mit Brunnenanlagen, Parterres und Bosketten angelegt.
Der Statuenschmuck mit olympischen Gottheiten und der Elemente stammte von Jean-Baptiste Pigalle und
Lambert-Sigisbert Adam. Die Figuren hatte Friedrich als Geschenke Ludwig XV. erhalten. Weitere Figuren wurden in der Berliner Werkstatt von François Gaspard Adam angefertigt. Die zwölf Räume des Schlosses wurden
ganz auf die Bedürfnisse und den Geschmack des Königs abgestimmt. An der Ausstattung der Innenräume
52
waren Johann August Nahl, Johann Michael und Johann Christian Hoppenhaupt, Johann Friedrich und Heinrich
Wilhelm Spindler sowie Johann Melchior Kambly beteiligt. In der Mitte des Schlosses liegen Vestibül und Marmorsaal. Daran schließen sich im Osten die Königswohnung mit Audienzzimmer, Konzertzimmer, Arbeits- und
Schlafzimmer, Bibliothek und Galerie an, während im Westen fünf Gästezimmer untergebracht sind.
Audienzzimmer
Das Audienzzimmer wurde auch als Speisezimmer genutzt. Auf dem Seidendamast sind Gemälde von Antoine
Watteau und seiner Zeitgenossen aufgehängt, die der König besonders schätzte. Das Deckengemälde „Zephir
bekränzt Flora“ stammt von Antoine Pesne. Der von der Seidenmanufaktur Eschke rekonstruierte Seidendamast mit Spitzblattmuster wird in die 1760er Jahre datiert. Seidendamast meint ein glattes Gewebe mit einem
Kett- und einem Schusssystem, bei dem das Muster durch den Wechsel der gleichen Bindung einmal im Schuss
und einmal in der Kette gebildet wird, so dass sich matte und glänzende Partien ergeben.
Das Muster zeigt einen achsensymmetrischen floralen Entwurf mit großen Mittelmotiven aus stilisierten Pflanzen. Der 1765 in Preußen gewebte Damast geht auf ein Vorbild aus Genua aus der Zeit um 1730 zurück. Der
„damasco della palma“ zeigt ein Muster mit großen Lanzettblättern, die zum einen ein zapfenartiges Arrange1
ment einfassen, zum anderen auf dem Stempel einer hibiskusartigen Blüte ansetzen. Die Anlage des Stoffes
mit großen, breiten Motiven von einer gewissen Schwere weist noch barocke Stilelemente auf, gerade wenn
der Stoff mit den zierlicheren und kleinteiligeren Stoffentwürfen verglichen wird, die unter Friedrich II. für das
Neue Palais in Auftrag gegeben wurden. Diese anderen Stoffentwürfe gehen auf französische Anregungen
zurück und kombinieren Blüten und geschwungene „Spitzenbänder“, die in regelmäßigem, zumeist umgekehrt
S-förmigem Verlauf symmetrisch aufstreben.
Der Seidendamast findet sich auch als Wandbespannung in der Bibliothek, der Kleinen Galerie, dem Konzertund dem Empfangszimmer von Schloss Sanssouci. Er ist durch einen ungewöhnlich großen Rapport von einer
Höhe von 3,3 m gekennzeichnet. Die Rekonstruktion erfolgte nach einer Originalvorlage. Die Firma Eschke hat
diesen Seidendamast zuerst um 1970 rekonstruiert. Das ausgestellte Beispiel stammt von einer Rekonstruktion
von 1996.
1
Siehe zum „damasco della palma“: Anna Jolly, Fürstliche Interieurs, Dekorationstextilien des 18. Jahrhunderts, Abegg Stiftung,
Riggisberger Berichte 12, 2005, Kat. Nr. 14, S. 180-181; Karola Paepke und Michael Hassels, Aust. Kat. Textile Kostbarkeiten – in Sanssouci bewahrt, Neues Palais Potsdam, Potsdam 1993, Kat. Nr. 38, S. 67-69; Diess., Seiden in Sanssouci. Textile Raumausstattungen des
18. und 19. Jahrhunderts, Staatliche Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci, Potsdam 1982
53
Foto links: Schleißheim, Neues Schloss, Große Galerie, © Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf
Foto rechts: Daniel Schvarcz
Schleißheim, Neues Schloss Schleißheim
Anton Buchele Raumgestaltung München
Bereits unter Herzog Wilhelm V. (reg. 1579-1598) wurde in Schleißheim 1598 ein schlichtes Herrenhaus erbaut,
der „Wilhelmsbau“. In mehreren Bauschritten wurde dieser durch um Höfe angeordnete Gebäudetrakte erweitert. Der Sohn Wilhelms V., Maximilian I., ließ das Gebäude 1617 mit Ausnahme des zentralen Tor- und Uhrenturms von 1602 abreißen und bis 1623 durch einen Neubau, das Alte Schloss Schleißheim, ersetzen. Dieses
wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. 1970 wurde mit dem Wiederaufbau begonnen. Heute dient
das Gebäude als Museum für neuere religiöse Volkskunst aus aller Welt (Sammlung Gertrud Weinhold).
Das Neue Schloss wurde unter Kurfürst Max Emanuel als prächtige, repräsentative Residenz seit 1701 unter der
Leitung des Hofarchitekten Henrico Zuccalli (1642-1724) erbaut und war ursprünglich als Vierflügelanlage vorgesehen. 1704-1715 hielt sich Max Emanuel im Exil auf. Als mit Frankreich Verbündeter hatte er nach der Niederlage gegen die kaiserlichen und englischen Truppen im Spanischen Erbfolgekrieg 1704 Bayern verlassen
müssen. Während des Exils wurden die Bauarbeiten ausgesetzt. Seit 1709 machte sich Max Emanuel jedoch in
Paris mit den aktuellen Tendenzen in der Architektur und den Künsten vertraut. Als 1719 die Bauarbeiten wieder aufgenommen wurden, musste aufgrund der finanziellen Lage das Projekt reduziert werden, so dass
schließlich nur der Haupttrakt – das Neue Schloss – erbaut wurde, nicht jedoch die vorgesehenen Seitentrakte,
Pavillonbauten und Verbindungsflügel zum Alten Schloss. Die Bauleitung oblag nun dem in Dachau geborenen
und in Paris unter Germain Boffrand ausgebildeten Joseph Effner (1687-1745), der als Hofbaumeister ernannt,
für die Ausstattung der Repräsentationsräume verantwortlich war.
Große Galerie
Die Große Galerie, die an der Gartenseite im ersten Stockwerk verläuft, greift den Typus des Wandelganges
und der Kunstsammlung auf wie er in der Renaissance geprägt wurde. Hier etablierte sich die Galerie als Raum,
in dem Kunstwerke oder genealogische Sammlungen präsentiert wurden, und der als Ort des Spazierens bei
schlechtem Wetter – weswegen sie auch stets auf den Garten bezogen ist, der durch die großen Fenster sichtbar wird, – und der Begegnungen genutzt werden konnte. Da diese Räume der Repräsentation dienten, waren
sie stets kostbar ausgestattet und dekoriert. Entsprechend auch in Schleißheim: Hier finden sich fünf wertvolle
große böhmische Glaslüster (um 1750), sechs geschnitzte Konsoltische mit Hermenbeinen von Joseph Effner
(ausgeführt von Johann Adam Pichler) sowie zwei Johann Caspar Hörspurcher und feinteilige Malereien in den
Fensterleibungen und an der Decke. Die Malereien in den Leibungen von Johann Paul Waxschlunger zeigen
Grotesken mit Vögeln, verschiedenen Tieren, mit Früchten und Seemotiven, diejenigen an der Decke kombinie54
ren Groteskenmalereien von Nikolaus Gottfried Stuber mit Szenen auf Goldgrund von Jacopo Amigoni. Max
Emanuel präsentierte in der Großen Galerie seine in Brüssel zusammengetragene Gemäldesammlung. Heute
werden hier Gemälde flämischer und italienischer Maler aus der Sammlung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München gezeigt.
Die Firma Anton Buchele Raumgestaltung aus München
wurde 2001 mit der Nachwebung des roten Seidenbrokatells zur Erneuerung der Wandbespannung in der
Großen Galerie beauftragt. Als Vorlage für die Rekonstruktion dienten zwei erhaltene Fragmente des historischen roten Seidenbrokatells der authentischen
Wandbespannung der Epoche Max Emanuels. Der rote
Stoff zeigt eine vertikale, achsensymmetrische Anordnung aus großen, geschwungenen Blättern und üppigen Blüten.
Foto: Daniel Schvarcz
1
Die beiden erhaltenen Original-Fragmente gaben das
Muster nicht ganz vollständig wieder, das Design konnte aber aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung von der
Textilrestauratorin der Bayerischen Schlösserverwaltung, Frau de Groot, vervollständigt werden. Brokatell
ist ein lampasartiges Seidengewebe mit reliefartig hervortretenden Motiven.1 Das Relief der Motive wird
durch einen dickeren, leinen Schussfaden gebildet, der
das Gewebe stabiler und steifer werden lässt.
Lampasbindung bezeichnet eine „Bindungsart von Geweben auf der Grundlage von zwei Kettsystemen, einem Schuss für den Grund
und weiteren Schüssen für das Muster. Die Hauptkette bildet zusammen mit dem Grundschuss den Gewebegrund. Außerdem bestimmt sie durch ihre Lage beim Eintragen der Musterschüsse, wo diese jeweils auf der Ober- bzw. Unterseite des Gewebes erscheinen. Die das Muster bildenden Schüsse werden auf der Oberseite des Gewebes durch die Bindekette, in der Regel in Leinwand- und
Köperbindung, abgebunden“, Anna Jolly, Fürstliche Interieurs, Dekorationstextilien des 18. Jahrhunderts, Abegg Stiftung, Riggisberger
Berichte 12, 2005, S. 244-245
55
Zustand vor der Rekonstruktion
Schloss Schwetzingen, Badhaus
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
Schloss Schwetzingen diente als Sommerresidenz des kurpfälzischen Hofes und wurde besonders von den pfälzischen Kurfürsten Karl Philipp und Karl Theodor besucht. Karl Theodor verlegte im Sommer seine Hofhaltung
von Mannheim nach Schwetzingen, wo er die größere Informalität schätzte. Das Schloss wurde 1350 zum ersten Mal als Feste urkundlich erwähnt. 1427 gelangte das mittelalterliche Wasserschloss in den Besitz des Kurfürsten Ludwig III. und wurde mehrfach umgebaut. Das als Jagdschloss dienende Gebäude wurde nach der
Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg unter Kurfürst Karl Ludwig für seine Geliebte Luise von Degenfeld wieder
aufgebaut. Das Schloss wurde dann im Pfälzischen Erbfolgekrieg bis auf die Grundmauern zerstört. Das heutige
Schloss wurde ab 1697 von Kurfürst Johann Wilhelm unter Leitung des Grafen Matteo Alberti von dem Heidelberger Baumeister Johann Adam Breunig (um 1660-1727) in mehreren Bauabschnitten errichtet und durch
zwei Flügelbauten ergänzt. 1752 wurde der Garten erweitert und das Schlosstheater eröffnet. Als Künstler
waren Alessandro Galli da Bibiena (1686-1748), Peter Anton von Verschaffelt an der Ausstattung beteiligt; in
den Gärten arbeiteten Nicolas de Pigage, Johann Ludwig Petri sowie Johann Wilhelm Sckell. Das Badhaus wurde 1768-1775 von Nicolas de Pigage als Lusthaus nach Art einer italienischen Villa entworfen und stand in dem
Teil des Schlossgartens, der nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war. Im Zentrum befindet sich ein ovaler
Saal, an den sich schmale Vorzimmer anschließen, die in das Schlafzimmer des Kurfürsten mit Toilettenraum
(Retirade) sowie den Baderaum bzw. das Chinesische Zimmer und das Schreibzimmer mit Landschaftsgemälden
von Ferdinand Kobell führen.
Ruhezimmer
2006 wurden die handbemalten Seidentapeten des 18. Jahrhunderts (1775) im Ruhezimmer durch Rekonstruktionen durch die Seidenmanufaktur Eschke ersetzt. Die durch ostasiatische Vorbilder inspirierten Wandbespannungen zeigen auf hellem Grund in sanftem Schwung aufsteigende Zweige mit Besatz aus verschiedenen Blumen, darunter große Päonienblüten. Auf den Zweigen sitzen regelmäßig verteilt Vögel. Auch in diesem
Kontext wird deutlich, dass das Exotische zunächst eher für ein intimes Umfeld vorgesehen war. Für die Rekonstruktion wurde das Seidengewebe originalgetreu nachgewebt. Die Malereien wurden mit einem Hochleistungsscanner aufgenommen, „gereinigt“, bearbeitet und dann mit einem hochwertigen Inkjetdruck aufgedruckt.
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Weiterführende Literatur:
Nanette und Hartmann Manfred Schärf, Das Badhaus im Schwetzinger Schlossgarten. die Restaurierung des
Gebäudes, seiner Innenräume und Ausstattungen, Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 1, 2008, S. 29- 35
Ralf Richard Wagner, Die „Thermes Théodoriques“ in der kurpfälzischen Sommerresidenz Schwetzingen, Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Jg. 20, Nr. 1, 2010, S.
13-29
57
Schloss Waldenburg, Waldenburg
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau
Im Jahr 1253 ist zum ersten Mal eine Burg erwähnt, die dann im 16. Jahrhundert zum Schloss umgebaut wurde.
Im frühen 17. Jahrhundert erfolgten weitere bauliche Veränderungen, bei denen Heinrich Schickhardt als Berater fungierte. Nachdem die Linie Hohenlohe-Waldenburg 1679 ausgestorben war, stand das Schloss leer. Im 19.
Jahrhundert wurde das Schloss durch die durch Erbteilung neu entstandene Linie Hohenlohe-Waldenburg umfassend renoviert. Das Innere wurde maßgeblich 1909-1912 unter Fürst Otto Victor II. umgebaut. Auf der Bel
étage sind heute neben den beiden Festsälen – dem Blauen und dem Gelben Saal – das Speisezimmer mit chinesischen Seidentapeten, das Gobelinzimmer im Stil Ludwigs XVI., das Spiegelzimmer im Rokokostil und die
Bibliothek zu besichtigen. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss 1948-1963 wieder
aufgebaut.
Rotes Eckkabinett und Rokokozimmer
Für Schloss Waldenburg wurde von der Seidenmanufaktur Eschke 2013 ein Moiré antik von 1907 nach erhaltenen Fragmenten und historischen Fotos in Seide und Baumwolle rekonstruiert. Der Moiré antik wird mittels
doppelter Gewebelage (halbierte Gewebebreite) erzeugt und kennzeichnet sich durch ausgeprägte, symmetrisch zum Rückenbruch, aber sonst regellos verlaufende Adern. Hier erfolgt der typische wässrige Effekt des
Moiré nicht in Streifen, sondern über größere Flächen hinweg.
58
Schloss Weilburg, Weilburg
Die Posamenten-Manufaktur München
Schloss Weilburg in Hessen geht auf eine mittelalterliche Burg aus dem 10. Jahrhundert zurück. Als Weilburg
Residenzstadt wurde, musste die Burg zu einem repräsentativen Schloss umgebaut werden. So entstand im 16.
Jahrhundert (1533-1572) unter Graf Philipp III. von Nassau-Weilburg eine Vierflügelanlage im Renaissancestil.
Weitere Arbeiten erfolgten unter seinem Nachfolger Albrecht und ab 1661 unter Graf Friedrich. Am Anfang des
18. Jahrhunderts erweiterte Julius Ludwig Rothweil für Graf Johann Ernst das Schloss zu einer barocken Residenz mit entsprechendem Garten. Aus dieser Zeit haben sich noch Malereien von Georg Friedrich Christian
Seekatz und Stuckarbeiten von Andrea Gallasini erhalten. 1839–1866 wurden die Wohnräume im Ostflügel neu
gestaltetet. Auch moderne Handdrucktapeten (um 1813) wurden angebracht.
Nachdem das Schloss 1935 an Preußen übergegangen war, sollte das Gebäude in ein Museum verwandelt werden, wobei das Problem bestand, dass sich im Schloss selbst keinerlei Einrichtungsgegenstände mehr befanden.
Diese mussten aus anderen Schlössern gebracht oder nach historischen Beschreibungen rekonstruiert werden.
Die Posamenten-Manufaktur aus München rekonstruierte für Schloss Weilburg beigefarben-goldene Bogenkrepinen und Raffhalter mit Doppelquaste in Seide und Goldschnur über gedrechselter Holzform mit Kantillen.
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Weimar, Kirms-Krackow-Haus
Lutz J. Walter, Wernigerode
Bei dem Kirms-Krackow-Haus handelt es sich um einen traditionellen Ackerbürgerhof mit über 400-jähriger
Baugeschichte, der sich aus zwei Häusern mit Innenhof und Laubengängen zusammensetzt. Das Haus zählt zu
den ältesten erhaltenen Bürgerhäusern Weimars, an dem sich die Entwicklung vom Ackerbürgerhof des 16.
Jahrhunderts, der bereits 1569 auf dem ältesten Stadtplan Weimars verzeichnet ist, bis zum Bürgerhaus im
frühen 19. Jahrhundert verfolgen lässt. Im 18. und 19. Jahrhundert diente der Komplex als Wohnsitz der herzoglichen Beamtenfamilie Kirms, die mit den Künstlern und Gelehrten der Zeit verkehrte. Franz Kirms war
Weimarer Hofrat und arbeitete mit Goethe in der Direktion des Weimarer Hoftheaters zusammen. 1915 wurde
das Anwesen an die Stadt Weimar verkauft. Heute ist im Vorderhaus ein Museum eingerichtet. Hier wird anhand der z. T. original erhaltenen, z. T. rekonstruierten Raumausstattung die Wohnkultur des gehobenen Bürgertums in den Jahren um 1825 dargestellt. 1996-1999 wurde das Haus saniert. In diesem Zusammenhang
erhielt Lutz J. Walter den Auftrag für die Untersuchung, Dokumentation und Rekonstruktion der historischen
Tapeten und Bordüren von ca. 1825 in den Wohnräumen des 1. Obergeschosses. Die ausgestellte Veloursbordüre basiert auf einem Original aus dem Deutschen Tapetenmuseum Kassel und wird in das erste Viertel des
19. Jahrhundert datiert. Sie imitiert eine textile Bordüre mit Samtdraperie. Auf der Bahn sind die einzelnen
Druckabfolgen zu sehen und zu verfolgen, wie sich das Muster aus verschiedenen Farben zunehmend aufbaut:
Zuerst die graue Einfassung, dann die die Grundierung der blauen Blüten und Rankenbänder, die dunklere
blaue Binnenzeichnung, dann Weißhöhungen als Lichtpunkte. Es folgen die ockerfarbene Grundierung der
Spiralbänder, braune Details und schließlich gelbliche Höhungen. Diese Bereiche sind mit Flockfasern aus gemahlener Schurwolle versehen.
60
Wien, Hofburg und Schloss Schönbrunn
Seidenmanufaktur Eschke, Crimmitschau; Josef Müller Posamenten München
Backhausen Hoheneich
Der nach seinem Hauptmotiv oder nach seinen Anbringungsorten - die königlichen Schlösser Schloss Schönbrunn und die Hofburg Wien – benannte Hofdamast wurde wohl bereits Anfang des 18. Jahrhunderts gewebt
und dann immer wieder mit Variationen nachgewebt. In den 1880er Jahren wurden unter dem Kaiserpaar
Franz Joseph und Elisabeth viele Räume der königlichen Schlösser mit diesem roten Ananas- oder Hofdamast
ausgekleidet. Der Seidendamast ist aufgrund der Farbigkeit, der Kostbarkeit des Materials und der aufwendigen
Webtechnik für die herrscherliche Repräsentation geeignet und war entsprechend zunächst auch repräsentativen Räumen vorbehalten. Bereits unter der Mutter des Kaisers, Erzherzogin Sophie, wurde er auch für die
Wohnräume der Familie ausgewählt und als Hinterfangung für Bilderwände als besonders geeignet erachtet.
Der Stoff zeigt eine stilisierte Ananasfrucht und Akanthusblätter in symmetrischem Arrangement nach dem
Vorbild italienischer Seidensamte des 15.-16. Jahrhunderts. Das Muster wurde im 18. Jahrhundert variiert und
dem eigenen Zeitgeschmack angepasst. Die Vorlage für den Wiener Hofdamast wurde wohl um die Mitte des
18. Jahrhunderts in Genua gewebt.
Als Muster für die Rekonstruktion durch die Seidenmanufaktur Eschke im Jahr 2012-2014 diente ein erhaltener
Damast aus dem Franz-Karl Appartement in Schloss Schönbrunn. Nach Beschwerden durch die Kaiserliche Familie wurde um 1880 von der Firma Andrae aus der Wiener Neustadt ein Damast entwickelt, der durch eine
zweite Lage Kettfäden verstärkt ist – d. h. hier wurden zwei Gewebekonstruktionen zusammengeführt, ein
achtbindiger Kett- und Schussatlas wurde durch eine Leinwandbindung verstärkt. Diese besondere Webart
erforderte einen umfassenden Umbau der Webmaschine in der Werkstatt der Firma Eschke. Ab ca. 1890 entstanden auch wieder einfachere Versionen des Hofdamastes bei verschiedenen Wiener Webereien, z. T. in
geringerem Breitenrapport und anderen Materialkombinationen wie Seide-Buamwolle.
61
Die Rekonstruktion der zugehörigen Posamenterien erfolgte durch den Handwerksbetrieb Josef Müller Posamenten in München. Dazu zählen Gimpenborten, Quasten, Raffhalter, Quastenborten und Stengelfansen. Unter Gimpe wird eine feine Zierschnur verstanden, bei der eine eher wenig wertvolle Seele – das Fadeninnere –
aus Jute- oder Baumwollgarn mit wertvolleren Seiden- oder Metallfäden umwickelt wird. Eine Gimpenborte
weist plastisch aufgelegte Gimpen auf und diente als Abschlussverzierung von Polstern oder Wandbespannungen. Sie wurde durch Kleben oder Nageln befestigt. Eine Stengelfranse besteht aus einem schmalen
Abschlussband und herabhängenden, stark gedrehten Schnüren. Sie wurde gerne als unterer Abschluss bei
Polstermöbeln verwendet, aber auch als zusätzlicher Schmuck im Rahmen von Raumausstattungen.
Von der Firma Josef Müller Posamenten in München stammen die Quasten und Raffhalter sowohl für die Räume in der
Hofburg als auch in Schloss Schönbrunn. Die in Dunkelrot gefertigten Posamenten greifen den Farbton des Seidendamastes auf. Neben am Handwebstuhl gefertigten Stengelfransen, Fransen für Vorhänge, kleinen Quasten, verschiedenen
Borten, darunter Bogenkrepine, entstanden auch Raffhalter
für die Vorhänge mit aufwendigen Quasten. Es wurden in
Handarbeit 150 solcher Quasten mit vierstöckigem Holzkopf
und Stengelfransen rekonstruiert.
62
Spiegelsaal, Schloss Schönbrunn
Die Firma Backhausen aus Hoheneich hat ebenfalls ursprünglich den Hofdamast in Seide gewebt. Aufgrund der
Brandschutzbestimmunen wurde der Stoff dann in Trevira-CS-Ware produziert. Beispiele finden sich im Spiegelsaal von Schloss Schönbrunn.
63
Wien, Stadtpalais Liechtenstein
Die Posamenten-Manufaktur
1691 begann der Bau des Stadtpalais’ für Dominik Andreas Graf Kaunitz nach Plänen von Enrico Zuccalli (16421724). 1694 erwarb Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein das Gebäude in noch unvollendetem Zustand und ließ es unter Leitung von Domenico Martinelli mit Stuckarbeiten von Santino Bussi sowie mit Arbeiten des Bildhauers Giovanni Giuliani und der Maler Andrea Lanzani und Antonio Bellucci ausstatten. Von
Martinelli stammt das große Portal an der Fassade zur Bankgasse, während das Portal am Minoritenplatz von
Johann Lucas von Hildebrandt ausgeführt wurde. Da das Palais als Residenz von Fürst Johann Adam Andreas I.
gedacht war, musste es genug Räume erhalten und mit einem entsprechenden repräsentativen Aufwand ausgestattet werden. Es sollte zudem die bereits umfangreichen Kunstsammlungen des Fürsten aufnehmen, die
seit 1705 im zweiten Obergeschoss präsentiert wurden. Zentrum des Gebäudes ist das große Treppenhaus mit
Skulpturen von Giuliani und Stuckaturen von Bussi. Nach einer Vernachlässigung des Palais in den Jahren um
1800, als die Gemäldegalerie in das Gartenpalais umzog, wurde das Haus unter Fürst Alois II. von Liechtenstein
(1796-1858) 1836-1847 von dem englischen Innengestalter Peter Hubert Desvignes (1804-1883) im Stil des
„Zweiten Rokoko“ umgestaltet. An diesen Arbeiten waren auch Carl Leistler und Michael Thonet (1796-1871)
beteiligt, die Parkettböden mit Einlegearbeiten, Vertäfelungen und Möbel anfertigten. Zu dieser Zeit wurde das
Haus auch mit modernster zeitgenössischer Technik versehen, darunter Aufzüge, Sprechanlage, Heißluftheizung, automatische Fenster- und Türöffner. 1848 wurde das Palais prunkvoll eingeweiht. Im Zweiten Weltkrieg
wurde das Gebäude durch Bomben und eine abgestürztes Flugzeug stark beschädigt. Eine Instandsetzung
konnte erst 1974/1776 erfolgen. Nach umfassenden Restaurierungsarbeiten wurde das Stadtpalais Liechtenstein im April 2013 nach vier Jahren wieder eröffnet.
Kubarizimmer
Die Jacquard Brokatmanufaktur GmbH Seidenweberei aus Wien rekonstruierte den rotgrundigen Blumenstoff
des Kubarizimmers nach Fragmenten, ermittelte durch Spectrophotometer die Farbwerte von verschiedenen
Proben und webte den Stoff auf elektronisch gesteuerten Jacquardmaschinen nach. Es handelt sich eine um
dreifärbige Stoffqualität. Die Posamenterien im Kubarizimmer stammen von der Münchner PosamentenManufaktur. Diese fertigte für die Fenster rote Knüpfdekorationen mit rot-gelben Quasten an. Diese geknüpften Netze werden unter den seitlich gerafften Vorhängen sichtbar, die aus dem gleichen Stoff wie die Wandbespannung gearbeitet sind. Das Netz läuft zipfelig in Kreisformen zu, an denen die Quasten mit ihren Blatt- und
Kugelelementen aufgehängt sind. Sie sind in Seide und Gold über Holzformen und Pergamentblättchen gearbeitet.
64
Baumwollstoffe, basierend auf Mustern des 17. und 16. Jahrhunderts
Fortuny
Der Maler, Bühnenbildner und -techniker Mariano Fortuny y Madrazo (1871-1949) weitete seine Tätigkeit auf
den Bereich der Mode und des Stoffentwurfs aus. Fortuny, der Sohn eines spanischen Malers, wuchs in Paris
auf und erhielt dort seine Ausbildung bei Benjamin Constant. 1889 zog er nach Venedig, wo er Kopien nach
Tiepolo, Rubens, Velasquez, Carapaccio, Tizian und Tintoretto ausführte. Dieses bildete später die Voraussetzung für seine Arbeit als Restaurator, so an den Tintoretto-Malereien in der Scuola di San Rocco in Venedig. Seit
Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigte er sich auch mit Kleidung. Erste Erfahrungen auf diesem Gebiet sammelte er 1901 durch das Ausstattungsprojekt für Gabrielle d’Annunzios „Francesca da Rimini“, für dessen Kostüme er sich an Gemälden Pisanellos orientierte. Mit der Veredlung von Seidenstoffen, dem Färben und Pressen, begann er 1907. Patentieren ließ er sich das Verfahren 1909. Als wichtige Anregung diente die Stoffsammlung seiner Eltern. Seine Mutter war eine begeisterte Sammlerin, und sein Vater benutzte als Maler von Sujets
aus dem orientalischen Bereich und dem 18. Jahrhundert Stoffe als Requisiten und Ausstattungsstücke seiner
Bildräume. 1919 gründete Fortuny eine Fabrik zur Stoffherstellung und -verarbeitung auf der Giudecca vor
Venedig. Im Folgejahr eröffnete er eine Boutique in Paris, 1923 in New York. Seine Stoffe wurden nicht nur für
die eigenen Kleiderentwürfe verwendet, sondern sie machten Fortuny auch zu einem begehrten Ausstatter von
Museums-, Ausstellungs- und Privaträumen. Erste Probleme erfuhr sein Geschäft durch den Zweiten Weltkrieg,
als er auf Grund der 1936 erlassenen Einfuhrbeschränkungen Schwierigkeiten hatte, die von ihm verwendete
japanische Seide zu beziehen.
Dabei galt sein Hauptinteresse der Farbe. Ihn faszinierte das Zusammenspiel der Farbe und ihrer Veränderung
im Licht – weswegen er besonders mit eng plissierten Geweben und Samten arbeitete. Dieses Interesse für den
Lichteinfall ist mit seinen Experimenten mit Bühneneffekten vergleichbar. Den Stoff behandelte er als Maler,
indem er verschiedene Farben darauf mischte, die Oberfläche in verschiedenen Verfahren bearbeitete und
zusätzliche Ornamente auftrug. So wurden die Stoffe jeweils in mehreren aufeinander folgenden Arbeitsgängen eingefärbt bis sie den gewünschten Farbton erhielten. Durch dieses Übereinanderlegen verschiedener
transparenter Farben und Nuancen erzielte Fortuny sehr reiche warme und satte Töne wie in Gemälden von
Tizian und Tintoretto, deren Wirkung noch durch Nachbearbeitung mit der Hand gesteigert werden konnte.
Seine Farben reichten von sanften bis kräftigen Blauwerten, von feinen Rosa- zu kräftigen Rottönen, umfassten
auch intensive Gold- und zarte Violettnuancen. Die Farben waren dabei oftmals von solcher Nuanciertheit bzw.
wechselten durch Bewegung und Lichteinfall, dass es schwer fällt, sie einem bestimmten Farbton zuzuordnen.
65
Neben den Seidenstoffen entwarf und produzierte Fortuny auch schwerere Damast-, Brokat- und Samtstoffe,
für deren Muster er auf Vorlagen des 15.-16. Jahrhunderts zurückgriff, wie er sie aus venezianischen Gemälden
kannte und in seiner Sammlung aufbewahrte. Neben liturgischen Gewändern, Gewebefragmenten und Stoffen
des 15.-18. Jahrhunderts besaß der Künstler auch verschiedene Gewänder aus China, Persien, der Türkei, Albanien, Indien und Turkmenistan. Fortuny variierte Granatapfel-, Arabesken-, Palmetten- und Disteldekore sowie
die Muster von Seiden aus Lucca, die durch ein dichtes Arrangement mit Phantasietieren charakterisiert sind.
Besonders venezianische Muster interessierten ihn, da Venedig als bedeutendes Handlungszentrum westliche
und östliche Einflüsse vereinte und eines der bedeutendsten Zentren für Textilien war.
Fortuny ließ sich nicht nur durch persische, byzantinische, islamische, hispano-maurische und koptische Ornamente, durch indische, japanische, chinesische Textilien, durch Arbeiten aus Kreta und Marokko inspirieren,
sondern auch durch kufische Schriftzeichen und venezianische Klöppelspitzen des 15.-17. Jahrhunderts.
Fortuny lehnte sich in seinen Entwürfen an solche Vorbilder an, die er als Künstler besonders schätzte: das
antike Griechenland, den Orient, die italienische Renaissance, Byzanz, den fernen Osten. Er übernahm modische Elemente und Muster dieser Zeit und modifizierte sie nach seinen Vorstellungen, wobei er sie zugleich der
eigenen Gegenwart anpaßte. Er verwendete große Sorgfalt bei der Anfertigung der Stoffe. Diese bezog er aus
Ägypten (Baumwolle) und Seide (Japan). Er kaufte ungefärbte Stoffe, die er dann in seiner Werkstätte einfärbte
und veredelte. Dafür benutzte er natürliche Farbstoffe, die er aus Mexiko, Indien und Brasilien bezog. Für ein
Stück setzte er z. T. 15-18 verschiedene Farben und damit Farbgänge ein. Die in mehreren Gängen eingefärbten
Stoffe konnten noch durch einen manuellen Farbauftrag durch Pinsel, Schwamm oder Bürste verfeinert werden. Die Muster wurden zunächst über den Druck mit Holzblöcken aufgetragen. Die Blöcke wurden mit einem
besonders absorbierenden Mittel bestrichen, das Linien der Zeichnung folgt. Auch hier wurden mehrere Farbgänge nacheinander aufgetragen. Dieser Druck mit Holzblöcken wurde durch Schablonendruck und Malerei
ergänzt. Fortuny schließt sich mit diesem Verfahren an die Färbetechniken japanischer Textilien an, an die
katagamis – Färbeschablonen aus der Rinde des Maulbeerbaums, von denen er Beispiele in seiner Sammlung
aufbewahrte. Fortuny verwendete zunächst nach gängiger europäischer Technik Metallschablonen – pochoirs.
Er entwickelte dann aber Seidenschablonen. Diese Technik war in den 1850er Jahren in den Seidenwebereien
in Lyon verwendet worden. Dabei wird die Seide in Gelatine eingeweicht und anschließend das Muster mit
einer chemischen Lösung nachgezeichnet, wobei dieses entweder manuell oder fotographisch erfolgen konnte.
Bei Lichteinwirkung verbinden sich die mit der chemischen Lösung bestrichenen Teile mit dem Stoff, während
der Rest durch Waschen entfernt werden kann. Um die Lichtreize und die daraus resultierenden Farbnuancen
zu steigern, erstrebte Fortuny für seine Samte einen knittrigen oder schuppigen Farbauftrag, den GaufrierEffekt (Gauffrierung = Prägung), wobei er wohl broschierte Gewebe oder Goldbouclésamte nachahmte. Deswegen trug er die Farbpigmente vermutlich über einem Albuminkleister oder einer ähnlichen Masse aus natürlichem Material auf, wobei die Farbe mit einem Roller eingedrückt wurde. Dieses produzierte an den behandelten Stellen eine raue Oberfläche. Besonders gerne steigerte Fortuny die Wirkung durch eine Nachbehandlung
mit Tempera und das Hinzufügen von Gold- und Silberdruck. Für einen Goldeffekt wurde Bronze- oder Kupferpulver, für einen Silbereffekt Aluminiumpulver verwendet, wobei auch gemischt werden konnte. Der Samt an
sich besitzt ohnehin durch seinen Herstellungsprozess eine unruhige Oberfläche, denn die aus Kett-/Florfäden
gebildeten Büschel werden aufgeschnitten.
Nachdem Fortuny die Stoffe zunächst noch von seinen Palazzo in Venedig aus produziert hatte, verlegte er
1919 die Herstellung bei wachsendem Umfang auf das Gelände eines ehemaligen Klosters auf der Giudecca. Ab
1927 vertrieb die Innenausstatterin Elsie McNeill Lee Fortunys Stoffe in den USA. Nach Fortunys Tod im Jahre
1949 übernahm sie in Absprache mit Fortunys Witwe die Firma und leitete den Betrieb auf der Giudecca. Als sie
1994 starb, wurde die Firma von ihrem Vertrauten Maged Riad weitergeführt, der sie an seine Söhne Mickey
und Maury weitergab.
66
Links: Samt mit Ananas-Muster für
den Thronsaal des Königlichen
Palastes in Madrid für Karl III.,
1759-1788, reproduziert in den
1990er Jahren. Rechts: Lampas
mit einem Muster aus Blüten,
Bändern und Akanthusblättern,
frühes 18. Jahrhundert.
Tassinari & Chatel
Die heutige Manufaktur blickt auf eine lange Tradition zurück und umfasst vier Generationen der Familie
Pernon, zwei der Familie Grand, vier der Familien Tassinari und Chatel und aktuell die zweite bei Lelièvre.
Die heutige Seidenmanufaktur geht zurück auf die Gründung einer Manufaktur in Lyon im Jahre 1680 durch
den Weber Louis Pernon, ein „Weber von Tuch in Gold und Silber“. Camille Pernon (1753-1808), der die Seidenmanufaktur in vierter Generation leitete, führte diese unter Marie Antoinette und Ludwig XVI. zu großer
internationaler Bedeutung. Zu dieser Zeit entstanden die Entwürfe der Zeichner Philippe de Lasalle (1723-1804)
1
und Jean Demosthene Dugourc (1749-1825). Auch diese Manufaktur wurde durch die Französische Revolution
gezwungen, die Produktion einzustellen, und Camille Pernon floh nach Genua, dann nach Spanien. Nach seinem Tod 1808 wird die Manufaktur von Grand Frères übernommen. Zacharie Grand war der Neffe von Camille
Pernon. Sein Bruder Jean Etienne Grand entwarf Muster für die Manufaktur.
Im frühen 19. Jahrhundert erfuhr die Manufaktur eine große Blüte. 1806 entwickelte Joseph-Marie Jacquard
(1752-1834) eine Webmaschine, die nach ihm benannt wurde und die Produktion der Seidengewebe maßgeblich veränderte. Die Kombination zwischen Künstlern und technischer Innovation ließ die Seidenstoffe der Firma zu besonders begehrten Produkten werden. Napoleon beschloss, die Produktion der Manufakturen in Lyon
wieder zu beleben und machte mit seinen Architekten Seidenstoffe für die Raumausstattung wieder beliebt.
Die Manufaktur arbeitete mit dem für Napoleon und Josephine tätigen Entwerfer Charles Percier (1764-1838)
zusammen und webte dessen durch die Antike beeinflusste Muster, die zur Ausstattung der kaiserlichen
Schlösser verwendet wurden, so im Palais de Tuileries, in Versailles, Schloss Fontainebleau, Schloss Malmaison
und Compiègne. Diese Aufträge durch das Kaiserhaus zogen sich durch das 19. Jahrhundert hindurch und führten auch zu Ordern durch andere Herrscherhäuser und das wohlhabende Bürgertum. 1870 wurde Grand Frères
durch Tassinari & Chatel übernommen. Im 20. Jahrhundert arbeitete die Manufaktur nicht nur an der Ausstattung der Repräsentationsbauten der französischen Regierung, sondern auch für die Haute Couture. Die Firma
Lelièvre wurde durch Henri Lelièvre 1914 gegründet. Sein Enkel Patrick Lelièvre erwarb 1997 Tassinari & Chatel.
Weiterführende Literatur
Jean-Pierre Planchon, Tassinari & Chatel. La soie au fil du temps, Saint-Rémy-en-l’eau 2011
1
Daryl M. Hafner, Philippe de Lasalle. From Mise-en-carte to Industrial Design, Winterthur Portfolio 12, 1977, S. 139-164
67
Josef Hoffmann, „Notschrei“ und „Sehnsucht“
Josef Hoffmann, Koloman Moser und die Wiener Werkstätte
Der Architekt und Designer Josef Hoffmann (1870-1956) hatte in Brünn, München und Wien, hier bei den Architekten Karl von Hasenauer und Otto Wagner (1841-1918) studiert, bei dem er anschließend auch arbeitete.
1899-1941 war er Professor an der Wiener Kunstgewerbeschule. Seit 1897 war er Mitglied der Wiener Sezession, aus der er 1905 zusammen mit den Anhängern von Gustav Klimt austrat. Wie sein Besuch in England bei
Charles Robert Ashbee und sein Artikel „Einfache Möbel“ von 1901 dokumentierte, in dem er sich mit Fragen
zu Konstruktion und Funktion beschäftigt, sich allerdings weniger um die handwerklichen Aspekte kümmert,
war er sehr an Kunsthandwerk und Raumausstattung interessiert. Dieses führte 1903 zur Gründung der Wiener
Werkstätte gemeinsam mit Koloman Moser und Fritz Waerndorfer, die bis 1932 bestand. Der Maler Koloman
Moser (1868-1918) studierte 1886-1893 an der Akademie der bildenden Künste Wien und arbeitete nebenher
als Illustrator. Er setzte seine Studien 1893-1895 an der Kunstgewerbeschule in Wien fort, wo er ab 1899 unterrichtete. 1897 war Moser Mitbegründer der Wiener Secession. Er fertigte Illustrationen für deren Zeitschrift
„Ver Sacrum“ aus und war an der Gestaltung der Ausstellungen beteiligt. Schon 1905 verließ Moser jedoch mit
der Gruppe um Klimt die Wiener Secession. Auch aus der Wiener Werkstätte trat er 1907 wegen Differenzen
mit Fritz Wärndorfer aus und widmete sich seitdem wieder stärker der Malerei. Koloman Mosers Arbeiten sind
im Unterschied zu den linearen Entwürfen Hoffmanns stärker figürlich und floral geprägt.
Der Stil der Wiener Werkstätte kennzeichnet sich durch einen gewissen Hang zum Monumentalen und zum
Luxuriösen, durch ein Streben nach Symmetrie und Regelmäßigkeit, durch eine Vorliebe für geometrische Flächenmuster und Formen – besonders für das Quadrat-, eine strenge, architektonische, präzise Formgebung.
Grundlegende Anregungen erfuhren die Wiener Künstler durch das englische Arts & Crafts Movement, besonders durch Charles Robert Ashbee und die Guild of Handicraft, was sich in der Namensgebung mit dem Einschluss der Bezeichnung „Werkstätte“ und den Wunsch, alle Bereiche des Lebens neu zu gestalten, ausdrückt.
Mit Ashbee, Ruskin und Morris teilten die Wiener Künstler das Ideal des Handwerker-Künstlers, um dessen
Verwirklichung sie sich allerdings nicht in gleichem Maße einsetzten.
68
Ein weiterer wichtiger Einfluss war Hoffmanns Lehrer, der Architekt Otto Wagner, der sich kritisch gegen die
historistische Architektur der Ringstraße wendete und stattdessen einen Nutzstil forderte, der den zeitgenössischen Bedürfnissen Folge leistete, der einfach und praktisch war. Als ein dritter grundlegender Einfluss ist das
Wiener Biedermeier zu nennen. Die englischen Künstler hatten empfohlen, sich auf lokale Traditionen zu besinnen und vorbildhafte Formen für die Bedürfnisse der eigenen Gegenwart zu modifizieren. Das Biedermeier
bildete in seiner Schlichtheit und Funktionalität, seiner Verbindung von Eleganz und Einfachheit, der klaren, auf
geometrischen Grundformen beruhenden Formensprache ein solches Modell. Als weitere Anregungen sind die
Volkskunst mit ihren stark stilisierten floralen Mustern, ihren markanten Motiven und ihrer leuchtenden Farbigkeit sowie die japanische Kunst zu nennen, die vom Wiener Kunstgewerbemuseum gesammelt wurde und
dort einsehbar war. Die japanischen Anregungen lassen sich z. Bsp. in der Gestaltung der Marken der Werkstätten zeigen. Das Zeichen der Werkstätte waren zwei sich durchdringende W’s, die Schutzmarke eine aus Vierecken zusammengesetzte Rose. Die Initialen der Entwerfer waren entsprechend eckig stilisiert. Sie erinnern an
japanische Stempel auf Holzschnitten oder an Färbeschablonen mit ihren markanten schwarzen Linien.
1905 erschien das Arbeitsprogramm der Werkstätte in ihrem ersten Katalog. Hierin wendeten sich die Künstler
gegen schlechte Massenproduktion und die Nachahmung historischer Stile, plädierten für eine Fertigung in
Handarbeit und stellten sich in die Nachfolge von Ruskin und Morris. Die Werkstätte forderte gute einfache
Haushaltsgegenstände, die durch Zweckmäßigkeit, Brauchbarkeit, Materialgerechtigkeit, durch gelungene
Proportionen und gute materialgetreue Verarbeitung gekennzeichnet sind.
Josef Hoffmann, „Wienersteig“
Angestrebt war die komplette harmonische Einrichtung, eine Angemessenheit in Gestaltung und Ornamentwahl gegenüber Form, Funktion und Status des Objekts. Gefordert waren „moderne“, also zeitgemäße, einfache und schöne Dinge. Wie bei den englischen Werkstätten fand bei der Wiener Werkstätte eine Trennung in
entwerfende Künstler und ausführende Handwerker statt. Josef Hoffmann bezeichnete die Wiener Handwerker
als Kunsthandwerker, als Formenschöpfer in kreativer und praktischer Hinsicht. Die Arbeiten der Wiener Werkstätte lassen sich in mehrere Phasen einteilen. Die frühen Arbeiten sind durch Schlichtheit und Strenge, eine
Bevorzugung von Schwarz-Weiß geprägt und durch Anregungen des Wiener Biedermeiers bestimmt. Die zweite
Phase, die Jahre 1904-1906 ist bereits raffinierter und detaillierter. Charakteristisch ist eine Art modifizierter
Klassizismus mit Biedermeier-Anklängen.
69
Die dritte Phase der Wiener Werkstätte wird nach 1907 angesetzt. Koloman Moser verließ zu diesem Zeitpunkt
die Werkstätte, und Hoffmann wendete sich einer reicheren und zunehmend gerundeten Formensprache zu.
Unter neuen Designern entstand eine vielfältigere, allerdings auch weniger einheitliche Produktion. Auffallend
ist ein zunehmendes Interesse am Muster und für die Flächenkunst insgesamt, für Tapeten, Stoffe und Buchkunst. 1905 trat Karl Otto Czeschka (1878-1960) der Werkstätte bei und war bis 1908 ihr Mitglied, als er Wien
verließ, um eine Professur an der Hamburger Kunstgewerbeschule zu übernehmen. Wie Dagobert Peche (18871923) bevorzugte er Motive aus Flora und Fauna, die er einer strengen Stilisierung unterwarf und mit geometrischen Mustern kombinierte. Peches Arbeiten wiederum sind durch eine gewisse Manieriertheit, Zierlichkeit
und eine Vorliebe für orientalische und Rokoko-artige Motive, für spielerische und romantische Elemente bestimmt. Seine Vorliebe galt bizarr-fragilen Kompositionen, Blumen und Tieren. Peche trat 1915 der Werkstätte
bei, war ab 1917 Leiter der Niederlassung in Zürich und bestimmte ihre Arbeiten bis zu seinem frühen Tod
1923. Unter ihm setzten sich neue Tendenzen durch – ein zierlicherer, stärker floral geprägter, bunterer Stil.
Stoffe produzierte die Wiener Werkstätte seit 1905, die sowohl als Dekorationsstoffe als auch als Stoffe für
Kleidung Verwendung finden sollten, welche von der erst 1911 eingerichteten Modeabteilung der Wiener
Werkstätte entworfen wurde. Die Stoffentwürfe von Josef Hoffman und den Künstlern der Wiener Werkstätte,
die sich heute im Archiv der Firma Backhausen befinden und nach denen immer noch Stoffe gewebt werden,
1
kennzeichnen sich durch die Verbindung von linearen Elementen und stark stilisierten floralen Motiven.
Josef Hoffmann, Blätterreigen
Koloman Moser, Orakelblume
Josef Hoffmanns erste Textilentwürfe für Backhausen stammen aus dem Jahr 1901, weitere aus dem Jahr 1904
lassen sich wohl mit der Ausstattung des Sanatoriums Purkersdorf in Verbindung bringen, so „Sehnsucht“ von
1904. Hier besteht das Grundmotiv aus Streifen, die durch Gitterrechtecke und freibelassene, durch eine Vertikale geteilte Rechteckflächen gegliedert werden. Die Liniengefüge werden begleitet durch doppelte
Ovalformen und kleine Dreiecke, in denen sich stilisierte Blüten vermuten lassen. Ähnliche Linienmuster wiederholen sich in der Gestaltung von Gläsern der Wiener Werkstätte.
1
Siehe Angela Völker, Textiles, Leather Objects, and Fashion Accessoires, in: Ausst. Kat. Josef Hoffmann Designs, hrsg. von Peter Noever,
MAK (Museum für angewandte Kunst), Wien , München 1992, S. 193-226
70
Von Hoffmann stammen wohl insgesamt 75 Textilentwürfe. In der Ausstellung sind insgesamt drei Entwürfe
von Josef Hoffmann und ein Entwurf von Koloman Moser gezeigt. Sie sind z. T. in der „Flammfestfaser TreviraCS“ gewebt und basieren auf den Originalentwürfen im Archiv der Firma. Die Stoffe zeigen stark stilisierte Blätter und Blüten, lineare Gefüge und geometrische Gitter. Der Stoff „Wienersteig“ von 1909 ist durch ein Muster
aus vertikalen Linien und hinter diesem verlaufenden V-förmigen Zackenbändern bestimmt. Die Stäbe verändern in regelmäßigen Abständen ihre Farbigkeit, wodurch eine gewisse irritierende räumliche Wirkung entsteht.
„Blätterreigen“ von 1906 besteht aus stilisierten Blattranken mit Besatz aus punktförmigen Beeren und zu
Kreisformen stilisierten Blüten. Diese Kreisformen beruhigen den schwungvollen Rankenverlauf. Auch Koloman
Moser verwendet in seinem Stoffentwurf „Orakelblume“ von 1901 stilisierte Blumen, die er dicht übereinanderschichtet. Die in Kreisformen eingepassten Margeriten scheinen auf Inspirationen durch japanische Färbeschablonen (katagami) oder Stichblätter von Schwertern (tsuba).
Weiterführende Literatur
Susanna Anna (Hrsg.), Textilien der Wiener Werkstätte, Bestandskatalog I der Textil- und Kunstgewerblichen
Sammlungen der Städtische Kunstsammlungen Chemnitz, Chemnitz 1994
Anna Völker, Die Stoffe der Wiener Werkstätte 1910-1932, Österreichisches Museum für Angewandte Kunst
Wien, Wien 1990
71
Tapete „Daisy“
William Morris & Co., Denham
Der Designer, Autor und politische Aktivist William Morris (1834-1896) gründete 1861 mit befreundeten Künstlern die Firma „Morris, Marshall, Faulkner & Co.”, die für alle Aspekte der Raumausstattung zuständig sein
wollte und sich dabei auf traditionelle Vorbilder berief, die sie für zeitgenössische Bedürfnisse abwandelte. In
dem Gründungspapier sind als Tätigkeitsbereiche der „Firma“ nahezu alle Aspekte der dekorativen Künste
aufgelistet: Schnitzarbeiten, Glasfenster, Metallarbeiten, Wanddekorationen, Möbel, Stickereien, ornamentale
Arbeiten in verschiedenen Materialien. Ziel war eine Zusammenarbeit verschiedener Künstler mit dem Anliegen nach einem harmonischen Ganzen. Die Firma stellte bereits 1862 auf der Weltausstellung in London aus
und erhielt 1867 den Auftrag einen der Räume in dem heute noch genutzten Restaurant des South Kensington
Museum (heute Victoria & Albert Museum) in London sowie zwei Räume im St. James’ Palace auszustatten.
Morris zahlt 1875 seine Mitbegründer aus, da er damit unzufrieden war, dass die organisatorische Tätigkeit der
„Firma“ durch ihn erledigt wurde, während seine Teilhaber sich darauf beschränkten, Entwürfe anzufertigen.
Seitdem fungierte die Firma unter „Morris & Co.“. Die Firma eröffnete 1877 einen Showroom in der 449 Oxford
Street in London, und die Produkte waren über Vertriebspartner auch in Amerika, Europa und Australien zu
beziehen.
Morris hatte 1859-1861 für sich und seine junge Frau von dem befreundeten Architekten Philip Webb das Red
House in Bexleyheath bei London bauen lassen und war seitdem mit dem Problem vertraut, Ausstattungsgegenstände zu finden, die seinen Vorstellungen entsprachen, die funktional, ansprechend und nicht industriell
72
produziert waren oder kein anderes Material imitierten. Vielmehr war sein Ideal, beruhend auf den Theorien
John Ruskins, dasjenige des mittelalterlichen Handwerker-Künstlers. Die Firma produzierte Möbel, Tapeten,
gewebte und gedruckte Stoffe, Glasfenster, Stickereien, wobei Morris mit Webb und den Künstlern Dante Gabriel Rossetti, Ford Madox Brown und besonders mit seinem engen Freund, dem Maler Edward Burne-Jones,
zusammen arbeitete. Die Mustergestaltung lag weitgehend jedoch in Morris‘ Hand. Je nach Gewerk wurden die
Arbeiten in hauseigenen Werkstätten gefertigt oder an andere Firmen abgegeben.
In der Zeitspanne von 1875 und 1885 entstanden die meisten von Morris’ Flächenmustern für Tapeten und
1
Textilien: 21 von insgesamt 52 Tapeten, 32 von 36 Chintzstoffen, 23 von 26 Webstoffen und ca. 24 Teppiche.
Für die Webstoffe engagierte Morris Louis Bazin, einen Weber aus Lyon. Morris erlernte stets die jeweiligen
Techniken und Verfahren autodidaktisch nach alten Lehrbüchern und durch das Studium historischer Arbeiten,
bevor er in seiner Firma mit der Produktion begann. Er studierte genau Materialeigenschaften und Produktionsverfahren, um dann die seinen Vorstellungen entsprechende Weise zu wählen, zu erproben und an seine
Mitarbeiter weiterzugeben. So wird z. Bsp. vermutet, dass er sich in einem Lehrbuch der Serie „Arts et Métiers“
aus dem 18. Jahrhundert über die Tapisserietechnik informierte und Erfahrungen seines Besuches der GobelinWerkstätten in Paris (1854) zugrundelegte, bevor er selbst an einem kleinen Webstuhl das Tapisserieweben
2
probte. In Hinblick auf Stoffe und Tapeten forderte Morris ein Überdenken der zeitgenössischen Produktion
und eine Schulung an historischen Vorbildern, jedoch keinesfalls eine Imitation. Vielmehr sollten die historischen Vorbilder helfen, eigene zeitgemäße Entwürfe anzufertigen. An ihnen sollten jedoch Vorzüge und Nachteile studiert werden; sie fungierten als Exempel für grundlegende Musterstrukturen. Morris lehnte die grellen
Chemiefarben, die wirre Musterstruktur und das Stilgemisch der viktorianischen Flächenmuster ab. Seine Überlegungen und Vorstellungen zum Flächenornament propagierte er in zahlreichen Vorträgen und Aufsätzen so in
„Some Hints on Pattern-designing“ (1881), „The History of Pattern-designing“ (1882), „The Lesser Arts of Life“
(1882) oder „Textile Fabrics“ (1884).
Morris’ Tapeten wurden bei „Jeffrey & Co.“, Islington, unter Metford Warner produziert. Sie wurden in Handarbeit mit geschnittenen Birnholzplatten in Temperafarben bedruckt, wodurch ein leicht kalkiger Effekt entstand. Die Blöcke wurden bei Barretts of East London geschnitten. Für feine Linien wurden Metallstreifen oder
Nägel ins Holz gefügt. Es haben sich die Firmenbücher von „Jeffrey & Co.” erhalten, die von den späten 1860er
Jahren bis 1919 reichen und über 309 Mustereinträge mit Farbmustern und Angaben des Druckers zur Farbigkeit enthalten.
Das Druckverfahren mit den Holzplatten war aufwendig, da für jede Farbe ein Farbstock geschnitten werden
musste. Die Tapetenbahn wurde auf einem Tisch mit Transportmechanismus ausgelegt. Der Holzstock wurde
auf dem Farbkissen eingefärbt und der Druck durch einen Holzhammer verstärkt. Jede weitere Farbe erforderte ein genaues Übereinanderlegen der Druckstöcke.
Morris’ Musterentwürfe zeigen immer Ornamente, die an Naturformen orientiert und durch organisches
Wachstum bestimmt sind. Dabei lag ihm daran, dass die Muster der Fläche verhaftet bleiben und durch eine
klare, kontinuierliche Struktur bestimmt sind. Sie sollten nicht langweilig sein, zum Entdecken einladen, aber
keinerlei Unruhe vermitteln. So übernimmt Morris vereinfachend Einzelformen der Natur und greift Wachstumsprinzipien der Natur als Grundlage für die Musterstruktur auf. Die meisten seiner Muster kennzeichnen
sich durch eine zweischichtige Komposition mit größeren Vordergrundmotiven aus rankenden Zweigen und
Blumen und einem kleinteiligen stärker stilisierten Muster vor einer abschließenden Hintergrundfläche. Sie sind
durch Einfachheit und Klarheit – sowohl in den Umrisslinien als auch in den verwendeten Farben – bestimmt.
1
2
Charles Harvey, Jon Press, William Morris. Design and Enterprise in Victorian Britain, Manchester 1991, S. 95, Tabelle 6 auf S. 96
Linda Parry, William Morris Textilkunst, Herford 1987, 1. Aufl. London 1983, S. 102; Fiona MacCarthy, William Morris; A Life for our
Time, London 1994, S. 407
73
Die frühen Tapetenentwürfe von 1862/1864 werden durch die Grundeinheit des diagonal eingestellten Zweiges
und des Rhombennetzes geprägt, das kombiniert wird mit einzelnen stärker naturalistisch aufgefassten Formen, so in der Tapete „Trellis“ mit ihrem rasenbewachsenen Spaliergitter, in dem Vögel nach Zeichnungen
Webbs sitzen, in „Daisy“ mit stilisierten Blumen, darunter das namengebende Gänseblümchen, und schließlich
„Pomegranate“/„Fruit“ mit einer diagonalen Anordnung von hintereinander gereihten Obstzweigen. Spätere
Entwürfe wie der Wollstoff „Bird“ (1878) oder auch „Honeysuckle“ (Geißblatt, 1876) bilden dagegen Exempel
3
für das Rhombennetz. Morris empfahl für diese Art der Mustergestaltung italienische Stoffe des 13. und 14.
Jahrhunderts als Vorbild.
Morris’ Musterentwürfe lassen sich in mehrere Phasen einteilen: So finden sich in der Zeit zwischen 1872-1876
eine besonders naturalistische Darstellungsweise mit heller Farbigkeit, gewellten Linien und geschwungenen
4
Kurven, deren Dynamik den Musterrapport verunklärt. In den 1870er Jahren lässt sich auch eine Tendenz zu
größeren Mustern erkennen, die Morris als beruhigender empfand. Die Jahre von 1876-1883 zeigen eine Vorliebe für regelmäßige netzartige Muster in strenger symmetrischer Anordnung mit betontem Rapport um vertikale Spiegelachsen.
Hier scheint Morris Anregungen durch italienische Seidenstoffe des 14.-16. Jahrhunderts zu verarbeiten. Die
Farbigkeit ist nun dunkler und intensiver; es finden sich aufwendig gestaltete Oberflächen mit Prägung, Vergoldung und Lack. Die Zeitspanne von 1883-1890 wiederum wird durch diagonale Kompositionen und einen engeren Anschluss an historische Vorbilder bestimmt. Morris orientierte sich hierfür an italienischen Samtstoffen
aus dem 15. Jahrhundert. Die späteren Musterentwürfe sind durch eine zunehmende Musterklarheit und Stilisierung der Naturformen geprägt. Ab 1888 stammen dann immer mehr Entwürfe von Morris’ Assistenten John
Henry Dearle, die sich durch weniger dynamischen Schwung, eine stärkere Stilisierung, die zurückhaltendere
Farbigkeit, die Bevorzugung einfarbiger Gründe und eine mehr ins Flächige tendierende Auffassung von denjenigen Morris’ unterscheiden.
Nach Morris’ Tod im Jahre 1896 wurde die Firma von dem seit Langem mit Morris zusammenarbeitenden Metallgestalter W. A. S. Benson und den Managern Frank und Robert Smith betreut, während Morris‘ langjähriger
5
Mitarbeiter Henry Dearle die Werkstätten in Merton Abbey leitete. 1905 wurde das Unternehmen an Henry
Currie Marillier verkauft, unter dem es den Namen „Morris & Co. Decorators Ltd.” erhielt. Geschmacksänderungen und der Erste Weltkrieg schadeten dem Unternehmen und forderten eine teilweise Umstrukturierung.
1925 wurde die Firma in „Morris & Co. Art-workers Ltd.” umbenannt, doch blieben die wirtschaftlichen Probleme bestehen. 1926 wurde die Firma „Jeffrey and Co.”, bei der die Tapeten von Morris gedruckt wurden,
durch „Wallpaper Manufacturers Ltd. (WPM)” übernommen, zu der auch die Firma „Arthur Sanderson and
Sons” gehörte. Danach wurde die Produktion der Tapeten in die Sanderson-Fabrik in Chiswick überführt, auch
der Handdruck. „Sanderson” wiederum wurde 1860 durch Arthur Sanderson gegründet, als Firma, die Textilien
und Tapeten für Innenausstattungen entwirft und produziert. Seit 1923 waren sie Hoflieferant des englischen
Königshauses.
1940 erklärte „Morris & Co. Art-workers Ltd.” Insolvenz und wurde anschließend von „Arthur Sanderson &
Sons” erworben, da sie ohnehin bereits die Tapetenproduktion übernommen hatten. In den Jahren nach dem
Zweiten Weltkrieg wurde versucht, die englischen Aspekte der Entwürfe zu betonen bzw. diese an den Zeitgeschmack anzupassen, z. Bsp. durch Änderungen in der Farbigkeit. In den 1970er Jahren wurde begonnen, neben den handgedruckten Stoffen und Tapeten auch preiswertere in Siebdruck anzubieten. In dieser Zeit lässt
sich ein steigendes Interesse an Morris’ Entwürfen beobachten. Dennoch ging die Nachfrage an Tapeten weiterhin zurück, so dass die langjährige Produktionsstätte in Perivale geschlossen wurde und bis in die späten
3
4
5
William Morris, Some Hints on Pattern-Designing, in: William Morris, Collected Works of William Morris, Hrsg. und Einleitung: May
Morris, in 24 Bden, London 1910-1915, Reprint London 1992, S. 185
Peter Floud, Dating Morris Patterns, Architectural Review 126, 1959, S. 14-20, hier S. 15, 17
Zur Geschichte der Firma: Michael Parry, Morris & Co. A revolution in decoration, Denham 2011
74
1980er Jahre nur eine kleine Einheit für Handdruck-Aufträge bestehen blieb. 1982 wurden unter A. L. Taylor die
Stoff- und Tapetenproduktion von „Sanderson“ zusammengelegt und ein Archiv in Uxbridge eingerichtet. 1984
wurde die erste Kollektion von maschinengedruckten Stoffen und Tapeten von Morris’ Mustern herausgegeben, auf die weitere folgten. In den späten 1980er Jahren wurde „Morris & Co.“ wieder als eigenständige Firma
dargestellt. Die Handdruckabteilung wurde nach Lancashire verlegt. 2003 wurden „Sanderson“ und „Morris &
Co.“ von Walker Greenbank PLC übernommen. Die Produktion wurde nun nach Anstey in Loughborough bzw.
nach Standfast and Barracks in Lancaster verlegt. Heute werden die Tapeten maschinell mit Rollen und modernen Farben in Loughborough produziert, wobei das Bestreben besteht, das Erscheinungsbild der handgedruckten Arbeiten zu bewahren.
Die ausgestellte Tapete „Daisy“ ist einer der frühesten Entwürfe von William Morris. Dieser erprobte das Muster in den frühen 1860er Jahren auch als Stickerei in bunten Wollfäden auf indigoblauem Sergestoff für einen
Wandbehang in seinem Schlafzimmer im Red House. Das Muster aus regelmäßig über- und nebeneinander
gereihten stilisierten Gänseblümchen, Akeleien und Nelken auf einem Rasengrund, der durch Kommata-artige
Striche gebildet wird, beruht auf Tapisserien, die in Miniaturen einer flämischen Handschrift der Chroniken
Jean Froissarts aus dem späten 15. Jahrhundert in der Sammlung der British Library in London (MSS Harley
4379-4380) dargestellt sind. Diese entsprechen Blumendarstellungen auf burgundischen Verduren aus dem 15.
und frühen 16. Jahrhundert – Tapisserien mit dem Motiv von Blumenwiesen. Morris variierte diese Vorbilder in
einer späteren Tapete „Lily“ von 1874.
Die heute noch im Handdruckverfahren hergestellten Tapeten werden für die Rekonstruktion und Erneuerung
von Innenausstattungen des späten 19. Jahrhunderts eingesetzt. Dadurch können die damals bei „Morris &
Co.“ direkt bestellten Exemplare durch eine neue Fassung derselben Tapete ergänzt oder ersetzt werden. Dieses betrifft besonders Landhäuser des Arts & Crafts Movement wie Standen oder Wightwick Manor (beide
National Trust), aber auch in Australien und den USA.
75
Glossar
Alle verwendeten technischen Fachausdrücke entsprechen dem „Vokabular der Textiltechniken“ des Centre
International d´Études des Textiles Anciens (C.I.E.T.A).
Anlegetechnik
Sticktechnik, bei der durch Überfangfäden auf dem Stickgrund Anlegefäden festgehalten werden. Am häufigsten angewendet bei Stickereien mit Gold- und Silberfäden, die dann z. T. auch musterbildend mit farbiger Seide
angelegt wurden.
Anschuss/Abschuss
Die ersten/letzten Schüsse in einem Gewebe, die häufig in einer einfachen Bindung gewebt werden und eine
Anfangs-, bzw. Abschlussborte ergeben. Bei Dekorationsstoffen markieren sie innerhalb der Meterware die
Schnittlinien für die weitere Verarbeitung. (nach Jolly, S.241)
Applikationsstickerei
Dem Grundgewebe aufgenähte ausgeschnittene Muster aus andersfarbigen und meist auch andersartigen
Geweben (Seide auf Samt oder umgekehrt). Applikationen sind als älteste Beispiele der Stickerei überliefert, 3.5. Jahrhundert v. Chr.
Atlasbindung (Satin)
Als letzte der drei Grundbindungsarten offensichtlich erst im 13. Jahrhundert entwickelt. Bindung auf der
Grundlage eines Rapports von fünf oder mehr Kettfäden und dergleichen oder mehrfachen Anzahl von Schussfäden. Auf der Gewebe-Kettseite läuft jeder Kettfaden über vier oder mehr nebeneinander liegende Schussfäden und unter dem nächsten Schussfaden. Bildet die Kette in dieser Weise die Oberseite des Gewebes, spricht
man von Kettatlas. Oder auf der Gewebe-Kettseite läuft jeder Kettfaden unter vier oder mehr nebeneinander
liegenden Schussfäden und über dem nächsten Schussfaden. Bildet der Schuss in dieser Weise die Oberseite
des Gewebes, spricht man von Schussatlas. Die Bindungspunkte berühren sich nicht, bzw. liegen weit auseinander. Dadurch wirkt die Oberseite glatt und glänzend. Die Fortschreitungszahl bezeichnet die Zahl der Fäden
zwischen den Bindepunkten zweier Kett- oder Schussfäden und ist wesentlich für die Analyse von Atlasbindungen.
Zeichnung, von Wilckens, S. 381
Baletten
Schmale Streifen aus Pergament, Karton oder Leder, die mit Seidenfäden umwickelt, einzeln oder gebündelt als
Besätze in der Posamenterie und der Stickerei verwendet wurden.
Bandweberei oder Bandwirkerei
Eine Technik zur Herstellung von Bändern und anderen schmalen Textilien mit beidseitig festen Kanten. Textile
Bänder wurden zur Verzierung auf verschiedensten andere Textilien aufgebracht. Im Gegensatz zum sogenannten Brettchenweben, mit dem ebenfalls gemusterte Bänder hergestellt werden, findet die Bandweberei mit
denselben Webtechniken statt wie die sonstige Flachweberei, d. h. die Bänder werden in Leinwand- oder
Ripsbindung mit Hilfe von Bandwebstühlen oder Bandwebkämmen hergestellt.
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Bindung
Kreuzung eines Kett- und eines Schussfadens im Gewebe.
Bindekette
Zusätzliche Kette, die neben den Abbindungen von Schussfäden durch die Hauptkette weitere Bindungen ermöglicht. In Geweben mit mehr als einem Schusssystem liegt die wichtigste Funktion der Bindekette im Abbinden der Liseré- bzw. Lanzierschüsse.
Bizarrer Stil
Bezeichnung für einen Stil von Gewebemustern aus Seide und anderen Materialien aus der Zeit um 1690 bis
1720. Die Muster zeigen „asymmetrische Kompositionen mit exotischen und abstrakten Bildmotiven in zum
Teil widernatürlichen Größenverhältnissen und Perspektivdarstellungen.“ (Jolly, S.241)
Brettchenweben, auch Plättchenweben
Webtechnik zur Herstellung textiler Bänder und Gewebeabschlusskanten mittels Verbindung zweier Fadensysteme. Beim Brettchenweben läuft das Kettfadensystem durch eine Anzahl Webbrettchen aus Holz oder Karton
(früher: Horn oder Pergament) mit einer unterschiedlichen Anzahl von Löchern. Die Bildung des Webfaches
erfolgt durch seitliches Verdrehen der Webbrettchen. Ein in das Webfach eingebrachter Schussfaden verbindet
das Kettfadensystem zu einem Gewebe. Das älteste europäische Brettchengewebe stammt aus einem italienischen Grab aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. Die ältesten Funde in Deutschland werden auf die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. datiert. In Russland, China, Indien, Japan sowie den arabischen Ländern hat sich die Technik
des Brettchenwebens ungebrochen bis in die Gegenwart erhalten, ebenso wie in Skandinavien.
Brokat
Unpräziser Ausdruck für einen Stoff mit reicher, im Webverfahren hergestellter Verzierung. Vor allem für Gewebe mit Gold- und Silberfäden gebraucht. Ohne Bezug auf die Webtechnik (Begriff von der C.I.E.T.A nicht
empfohlen).
Brokatell
Lampasartige Gewebeform, gekennzeichnet durch einen Grund mit Köperbindung aus Lanzierschüssen (meist
Seide), die durch eine Kette abgebunden werden. Das Relief der Musterpartien ist meist atlasbindig. Es entsteht durch Verwendung eines Grundschusses aus grobem Leinen. Den Reliefeffekt ergibt das Spannungsverhältnis zwischen den Ketten und den Schüssen.
Broschieren
Hervorhebung des Musters im Gewebe durch Farben und/oder höherwertiges Material. Bei Baumwoll- oder
Wollgewebe mit Seide, bei Seidengeweben durch Gold- oder Silberfäden. Das Muster entsteht durch einen
Schussfaden, der über die Breite des Musters verläuft, nicht aber über das ganze Gewebe.
Canelé
Bindung mit parallelen Rippen in der Schussrichtung, hervorgerufen durch Kettflottierungen.
Chintz
Einseitig bedrucktes Gewebe aus Baumwolle mit glänzender Oberfläche, die durch das Überziehen mit Wachs
entsteht. Im 17. und 18. Jahrhundert aus Indien nach Europa importiert und dort auch imitiert.
Chits
Chits (Zitse, Perses) ist der Überbegriff für dichte, aber feine Stoffe aus Baumwolle in Leinwandbindung. Ursprünglich wurden Chits aus Bengalen eingeführt, dann auch in Europa produziert.
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Damast
Ein „echter“ Damast ist ein Bildgewebe mit Atlasbindung, es kann ein- oder mehrfarbig sein. Das Gewebe hat
ein Kett- und zwei Schaft-, bzw. Aushebungssysteme. Das Muster ergibt sich durch den Wechsel von Kett- und
Schussbindung und ist über die ganze Webbreite verteilt. Frühere Damaste zeigen einen Wechsel von Kett-und
Schussköper, die späteren fast ausschließlich den Wechsel von Kett- und Schussatlas, der fünf-, sechs- oder
achtbindig sein konnte. Hergestellt wurde der Damast auf Zug- oder Zampelwebstühlen. Die Musterung wird
auf der Grundlage der sogenannten Stiche durchgeführt, d.h. Fadengruppen, die in einer Litze auf den sogenannten Musterschäften angeordnet werden. Die Anzahl der Kettfäden in einem Stich hängt von der verwendeten Grundbindung ab. Beim Zugwebstuhl hat jeder Stich eine eigene Harnischschnur, welche die Kettfäden
mustergerecht aushebt; die Schäfte bilden das Fach, durch das das Weberschiffchen durchgeschossen werden
kann. Dadurch können die einzelnen Stiche unabhängig voneinander angehoben werden, die Reihenfolge der
Litzen ist gleichgültig. Beim Zampelwebstuhl dagegen werden die Zugschnüre jedes Musterschafts oben in
einem Lochbrett geordnet und nach vorne vor die Kammlade geführt. Jede Zugschnur endet mit einem Handgriff, dem sog. Zampel. Diese sind in der Musterreihenfolge nach auf Augenhöhe des Webers so angebracht,
dass er gezielt die einzelnen Schäfte bewegen kann. Das Muster verteilt sich abhängig vom Einzug der Stiche
auf den Musterschäften. Die Zahl der Musterschäfte bedingt die Möglichkeiten der Musterung: Bei 100
Zampeln kann z. B. ein Rosenmotiv maximale 100 Stiche breit sein. „Echter“ Damast ist, durch die Webtechnik
bedingt, an den treppenförmigen, mehrfädigen Abstufungen entlang der Musterkonturen zu erkennen. Das
liegt daran, dass pro ausgehobenen Stich ein voller Rapport der Grundbindung gewebt werden muss. Je größer
die Anzahl der Kettfäden in einem Stich, desto gröber und stufiger wird das Muster. Die Anfertigung der Musterkarten und die Übertragung in den aus Schnürenbündeln bestehenden Lätzzug oder Zampel konnte mehrere
Monate dauern. Beim Zugwebstuhl wurden ein Weber und ein Zieher benötigt, der für das Ausziehen eines
einzigen Rapports zuständig war (Aufwand höher als beim Zampelwebstuhl). Aufgrund der aufwendigen Webtechnik und der großen Zugbelastung wurden Damaste mit hochwertigen, glatten, glänzenden Materialien
hergestellt, also Seide, Kammgarn, selten Leinen, ab dem 20. Jahrhundert Baumwolle.
Obwohl der Damast zuerst in China hergestellt wurde, leitet sich sein Name von der Stadt Damaskus ab, die
zunächst den Seidenhandel bestimmt und dann durch asiatische Weber, die sich dort niederließen. Durch den
Export wurde der Stoff in Europa bekannt. Zunächst waren die Niederlande ein Zentrum für die Damastweberei
in Europa; 1666 wurde erstmals in Deutschland, in Großschönau in der Lausitz, Damast gewebt. „Echter“ Damast wird heute nicht mehr hergestellt. Bei den heutigen Damasten handelt es sich um Jaquardgewebe, für die
der Webstuhl mit einem mechanischen Aufsatz versehen wird, mit dem jeder einzelne Kettfaden unabhängig
voneinander gehoben werden kann. Die einzelnen Litzen sind an Hebeschnüren (Harnischen) befestigt, die an
speziellen Haken (Platinen) hängen. Durch die vertikale Bewegung der Platinen werden bei jeder Maschinenumdrehung einzelne Kettfäden in den oberen oder unteren Teil des Webfaches geleitet. Die Hebungen werden
durch je eine Lochkarte pro Schuss gesteuert. Bei dem 1805 von dem Franzosen Joseph-Marie Jacquard entwickelten Webstuhl handelt es sich um eine der ersten bekannten Anwendungen der Lochkartentechnik überhaupt. Moderne Jacquardmaschinen arbeiten mit bis zu 24.000 Platinen.
Dessinateur
Bezeichnung für einen Künstler, der Musterentwürfe für Seidengewebe erstellte; seine Ausbildung konnte er
an speziellen Akademien, z.B. in Lyon erhalten, das im 18. Jahrhundert als europäisches Zentrum der Seidenweberei Weltbedeutung hatte.
Diasper
Gebräuchlich für eine besondere Art der italienischen Seidengewebe des 12./13. Jahrhundert; Grund und Muster in Leinwandbindung. Jetzt verwendet als Synonym für Lampas (Begriff von der C.I.E.T.A nicht empfohlen).
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Droguet
Seidengewebe des 18. Jahrhundert mit auf verschiedene Weise erzeugten schmalen Musterrapporten. Diese
können z. B. durch flottierende Teile einer Flottierkette über einer Grundbindung gebildet werden. Droguets
liserés bestehen aus Schussflottierungen verschiedener Farbe mit Leinwandbindung auf Köpergrund.
Flor
Fadenteile, die von einem Grundstoff abstehen, z. B. bei Samtgeweben, Noppengeweben, Knüpfgeweben.
Flottierung
Der Teil eines Kett- oder Schussfadens, der von einem Bindepunkt zum anderen mindestens zwei Fäden überspringt, also über diese Strecke freiliegt.
Garn
Ein fortlaufendes, durch Spinnen, Zwirnen oder andere Methoden aus verschiedenen Rohstoffen gewonnenes
Material. Garn bezeichnet den zum Weben oder für andere Textilarbeiten gebrauchten, einfachen oder mehrfachen Faden. Garne werden nach Materialien und Bearbeitungen unterschieden:
Ondé: welliges Garn, entsteht durch die Verzwirnung eines dicken und eines dünnen Fadens unter verschiedener Spannung.
Jaspé: unregelmäßige Zusammenstellung von Fäden verschiedener Farben oder Tonabstufungen.
Chenille: Garn mit eingewebten, kurzen Fadenenden. Hergestellt aus einem Gewebe, dessen Kettfäden in
Gruppen zusammenliegen und dessen Schüsse in der Längsrichtung des Gewebes durchgeschnitten werden.
Die so gebildeten Streifen, in deren Kettfäden die kurzen Fadenenden, Teilstücke der Schüsse, hängen, werden
zu Garn verdreht. Verwendung für Broschierschüsse .
Gaufriert
Ausdruck für mit Hilfe von Modeln oder Walzen auf dem Gewebe eingeprägte Musterung. Nicht für Samt, nur
für andere Stoffarten verwendet.
Gimpe
Zierfaden, dessen ein- oder mehrfädige Seele mit einem oder mehreren Fäden (auch Bändchen) umwickelt ist.
Gros- und Petit-Point
Farbige Stickerei, ausgeführt in Wolle oder Seide auf Leinengrund mit Kreuz-, Perl- oder Plattstich.
Grund
Fläche, von der sich das Muster abhebt; kein webtechnischer Begriff.
Grundschuss, siehe Schuss
Häutchengoldfaden, auch Cyprischer Goldfaden, vgl. Metallfaden. Schmale Streifen von auf der Oberseite
vergoldeten (später auch versilberten) Darmhäutchen, die um eine Seele gesponnen werden; vom späten 10.
bis zur Mitte des 16. Jahrhundert verwendet.
Indiennes
Bedruckte und bemalte Baumwollgewebe, im 17. und 18. Jahrhundert aus Indien nach Europa importiert und
dort nachgeahmt, Produktionszentren waren z. B. im 18. und 19. Jahrhundert Mulhouse und Basel.
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Kantillen
Spiralen aus vergoldetem Silberdraht oder Silberdraht, von Fäden aus Seide, bzw. feinem Draht durchzogen,
meist gerundet zu kleinen Ösen gelegt und mit Durchzugsfäden aufgenäht.
Kette
Die Gesamtheit der vertikalen, für ein Gewebe bestimmten Längsfäden, die auf einem Webstuhl aufgezogen
werden. Der einzelne Faden heißt Kettfaden. Je nach Funktion unterscheidet man verschiedene Arten:
Hauptkette: Auch Grundkette genannt. Führende Kette in gemusterten Geweben mit zusätzlicher Kette.
Bindekette: Zusätzliche Kette, die neben den Abbindungen des Schusses mit der Hauptkette weitere Bindungen ermöglicht. In Geweben mit nur einem Schuss bindet die Bindekette mit diesem einen Schuss. In Geweben
mit mehr als einem Schuss besteht die Hauptfunktion der Bindekette darin, die Lanzier- oder Broschierschüsse
einzubinden.
Füllkette: Zusatzkette, oft aus grobem Faden, die dazu dient, das Relief des Musters zu verstärken, meist nicht
sichtbar.
Flottierkette: Zusätzliche, zur Musterung bestimmte Kette.
Florkette: Ebenfalls eine zusätzliche Kette, aus der über dem Grundgewebe der Flor gebildet wird. Die Florkettfäden werden im Gegensatz zu den Hauptkettfäden nicht auf den Kettbaum, sondern auf bewegliche Spulen
aufgewickelt, die auf einem separaten Rahmen liegen. Während des Webens werden die Florkettfäden über
metallene Ruten geführt, über denen sie kleine Schlaufen bilden, die dann mit einer Klinge aufgeschnitten
werden können oder Schlaufe bleiben. Bei gemusterten Samten wird die Florkette vom Musterharnisch geführt.
Köperbindung
Zweite der drei Grundbindungen auf der Basis von drei oder mehr Kett- und drei oder mehr Schussfäden. Jeder
Kettfaden bindet über oder unter zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Schussfäden und unter oder über dem
nächstfolgenden oder mehreren Schussfäden. Die Bindungspunkte verschieben sich immer in der gleiche Richtung um einen Kettfaden über aufeinanderfolgende Schüsse, wodurch diagonale Grate entstehen.
Zeichnung, von Wilckens, S. 383
Von einem gebrochenen Köper spricht man, wenn der Köpergrat willkürlich gebrochen wird, da sich die Bindungspunkte nicht regelmäßig verschieben. Die Brüche erscheinen aber in regelmäßigen Abständen.
Köper-Schuss-Kompositbindung, synonym für Samit, siehe dort.
Lahn, siehe Metallfaden
Lambrequin
Behang, häufig bogig gerundet und mit Quasten verziert. Abschluss für Fenster, Türen und Betthimmel.
Lamé
Allg. für Gewebe, deren Grund ganz oder teilweise mit Gold- oder Silberschüssen bedeckt ist.
Lampas
Auf gemusterte Gewebe angewendete Bezeichnung, die auf Zugwebstühlen mit zwei Kettsystemen gewebt
werden und damit bis zu vierfarbig gemusterte Gewebe ermöglichen. Das Muster besteht aus durch eine Bindekette abgebundenen Schussflottierungen und aus einem aus Haupt- und Grundschuss gebildeten Grund. Der
Grund oder die Hauptkette kann in Leinwand-, Köper-, Atlasbindung hergestellt sein, die Bindekette bildet das
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Muster. Die Grund- oder Zierschüsse flottieren entsprechend dem Muster auf der Oberseite und werden durch
die Bindekette, meistens in Leinwand- oder Köperbindung zusätzlich zur Hauptbindung abgebunden. Tritt in
italienischen, spanischen und französischen Geweben des späten Mittelalters, bzw. der Renaissance auf, heute
eingesetzt für Möbel und Paramente (Zeichnung, von Wilckens, S. 384).
Zeichnung, von Wilckens, S. 384
Lanzieren
Eintragen des Musterschusses von Webkante zu Webkante.
Lasurstickerei
Mit Goldfäden angelegte Flächen werden dicht von farbigen Seidenfädeüberfangen, um einen funkelnden
Effekt zu erzielen. Angewendet, um Malerei, v.a. in der Spätgotik, nachzuahmen. Siehe auch Nadelmalerei.
Leinwandbindung
Grundbindung mit einem Rapport aus 2 Kett- und 2 Schussfäden. Die Kettfäden laufen abwechselnd über bzw.
unter einem Schussfaden. Die Verkreuzungsart wechselt von Faden zu Faden. Ober- und Unterseite des Stoffes
sind gleich.
Grundbindung mit einem Rapport aus 2 Kett- und 2 Schussfäden.
Die Kettfäden laufen abwechselnd über bzw. unter einem Schussfaden. Die Verkreuzungsart wechselt von Faden zu Faden. Oberund Unterseite des Stoffes sind gleich (Zeichnung, von Wilckens, S.
384, Abb. 388).
Leinwandbindung mit lanziertem Musterschuss, gebunden von den
einfachen Kettfäden in Köper (Zeichnung, von Wilckens, S. 384,
Abb. 389).
Leinwandbindung mit lanziertem Musterschuss, in Leinwandbindung mit jedem fünften Kettfaden (Zeichnung, von Wilckens, S.
384, Abb. 390).
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Liseré
„Unter Liseré versteht man einen schweren seidenen Stoff mit broschierten Blumen und Mustern. Liseré wurde
früher in Lyon, Tours und Paris hergestellt. Es wird produziert mit Hilfe einer Jacquardmaschine.“
Metallfaden
Allg. Bezeichnung für alle Fadenarten, die teilweise oder vollständig aus metallischen Materialien bestehen.
Unterscheidung durch verschiedene Materialien und Herstellungsarten.
Der Lahn wird um die Seele – ein Grundfaden oder Grundfadenbüschel aus Seide, Leinen, Baumwolle oder
Wolle – gewunden. Der Lahn ist ein flacher, schmal geschnittener Streifen aus Metallfolie (Gold, Silber, Silber
vergoldet, Kupfer) oder aus Häutchen oder Lederstreifen mit Metallauflage: Ledergoldfaden, Riemchengoldfaden, Häutchengoldfaden. Aus vergoldetem oder versilbertem Papier: Papiergold-, bzw. Papiersilberfaden. Der
Lahn kann auch allein, ohne Seele, zum Weben verwendet werden. Frisé ist ein Metallfaden mit
Ondégarnseele. Als Metalldraht bezeichnet man einen gezogenen Metallfaden. Als Gespinst werden Seidenfäden bezeichnet, die mit Gold- oder Silberdraht umsponnen sind. Je nach Art des Metalls gibt es echte und unechte Gespinste.
Mise-en-carte
Kolorierte Musterzeichnung auf kariertem Papier und in großem Maßstab als Vorlage für die Einrichtung eines
Webstuhls. Erstellt nach freien Entwurfszeichnungen.
Moquette
Wollsamte, im 17. und 18. Jahrhundert in Nordfrankreich und Flandern hergestellt.
Moiré
Textilien mit einem welligen Ton-in-Ton Effekt. Zwei Ripsgewebe mit der gleichen Schusszahl werden der Länge
nach mit den Oberseiten so aufeinandergelegt, dass die Schussfäden in den Gewebelagen nicht parallel, sondern leicht gegeneinander verschoben liegen. Unter starken Druck gesetzt und durch Verzug entstehen flachgepreßte Partien neben stehengebliebenen Rippen. Beide Partien reflektieren das Licht unterschiedlich: der
Moiré-Effekt erzeugt einen unregelmäßigen Schimmer der Gewebeoberfläche.
Musterrapport
Bezeichnung für die kleinste Einheit von Motiven, die sich im Gewebe ständig wiederholt.
Nadelmalerei
Feine, die Malerei nachahmende Stickerei mit schattierend verarbeiteten, farbigen Seiden. Ausgeführt in Flachund Spaltstichen, die ineinandergreifen. Siehe auch Lasurtechnik.
Naturalismus
Bezeichnung für einen Stil bei Gewebemustern in Seide oder anderen Materialien aus der Zeit um 1730/1745,
der durch malerische Wirkung und die Verwendung von der Natur entlehnten Motiven charakterisiert wird.
Pailletten
Aus Silberblech oder vergoldetem Silberblech gestanzte kleine runde Plättchen, deren Mitte zum Aufnähen
gelocht ist. Als füllende, schmückende Teilchen bereits im Mittelalter verwendet.
Paravent
Mehrteiliger Wandschirm, dessen Einzelteile durch Scharniere verbunden sind, daher beweglich und flexibel
aufstellbar. Die einzelnen Paravent-Flügel sind häufig mit Textil oder Papier bespannt.
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Patrone
1. Eine gewöhnlich auf kariertem Papier angefertigte Zeichnung für die Einrichtung eines Webstuhls. Zeigt die
Art des Einzugs der Kettfäden in die Litzen und die Verschnürung der Schäfte und Tritte.
2. Zeichnung auf kariertem Papier, in der die Bindungspunkte angegeben sind, in der Regel die Stellen, wo die
Kettfäden aufgehoben sind.
3. Zeichnung auf kariertem Papier, in der durch verschieden gefärbte Partien die einzelnen im Stoffe verwendeten Effekte dargestellt werden.
Pékin
Stoff mit parallelen Längsstreifen in verschiedenen Bindungsformen.
Perlstickerei
Perlen werden mit einem eigenen Faden auf dem Grund aufgenäht oder mit Kettstichen befestigt. Neben echten Perlen und perlenförmig geschliffenen Korallen wurden schon früh Glasperlen verwendet.
Points rentrés
Kurze, ineinandergreifende Broschierschuss-Fäden in abgestuften Farbnuancen, eingesetzt, um eine Schattierung im Muster zu erzielen. 1733 von dem französischen Dessinateur Jean Revel erfunden.
Portiere
Schwerer Türvorhang an einer oder beiden Seiten der Tür, kann im Bedarfsfall geschlossen werden.
Posamenterie
Posamenten (passements) sind Besatzartikel, die keine eigene Funktion besitzen, sondern als reines Schmuckelement auf andere Textilien aufgebracht werden, z. B. Bänder und Borten, Kordeln und Quasten, Schnüre und
Tressen, aber auch besponnene Zierknöpfe u.ä. Ursprünglich waren Posamenten nur aus Metallfäden gewirkt,
später wurden mehr und mehr textile Fasern, wie z. B. Seide, verwendet. In der textilen Wanddekoration wurden Posamente z. B. zur Einfassung der Felder der Wandbespannung verwendet und wiederholten sich oft an
den Möbelbezügen und den Halterungen der Vorhänge.
Für Quasten werden Holzmodel mit Nadel und Faden ein- oder mehrstöckig umflochten, mit Mustern überzogen und mit Zierperlen versehen. Die Grundform einer Quaste entsteht, indem ein Bündel Kettfäden in doppelter Länge in Mitte verknotet und die herabhängenden Enden zusammengebunden werden. Am Kopf der Quaste hält ein spezieller Knopf die losen Seidenfäden, die verwobenen Fransen und feinen Kordeln zusammen.
Auch Netze aus Leinenfäden und Metallspiralen konnten integriert werden.
Borten wurden als Verzierungen für Kanten, Abschlüsse und Übergänge an Möbeln, Lampen, Teppichen, Wänden, Vorhängen oder Kleidung verwendet. Anders als bei gestickten Borten braucht es bei der vom Posamentierer gefertigten Art kein extra Gewebe als Untergrund.
Fransen werden als eine der frühesten Zierelemente an Kleidungsstücken, aber auch als Besatz an Polstern,
Vorhängen, Lampenschirmen, Teppichen und Tischdecken angebracht. Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen. Schlingen-, Stängel-, Zacken-, Quästchen-, Ponpon- oder Empirefransen sowie Fransetten.
Posamente entstehen auf Seilmaschinen, Flecht- und Wirkmaschinen in Handarbeit, wobei der PosamenterieWebstuhl einem klassischen, allerdings schmaleren Webstuhl entspricht.
In der Gestaltung der Posamenterien lassen sich entsprechend zu den Wandbespannungen verschiedene Moden ablesen. So wurden im 17. Jahrhundert üppige und bunte Posamenterien bevorzugt. Im 18. Jahrhundert
wurden sie zunehmend harmonisch auf die Stoffe abgestimmt, bis dann besonders in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts wieder reichere Versionen geschätzt wurden.
Reliefstickerei
Über Einlagen aus Werg – das sind kurze Faserstücke aus Leinen, Hanf oder Jute – oder über Schnüren, z. T.
auch über Holz, werden Metall- oder Seidenfäden genäht, „angelegt“, um einen plastischen Effekt zu erzielen.
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Reservemusterung
Durch vorheriges Abdecken, Abbinden, Beizen und dgl. werden Muster von der Färbung ausgenommen.
Rücklaken
Niedriger Wandbehang. Wirkteppiche von entsprechendem Format werden auch Dorsale genannt.
Samit
Bindung mit einer Hauptkette, einer Bindekette und einer
Schussfolge, genannt Passée, aus zwei oder mehreren Schüssen.
Durch die Bewegung der Hauptkette erscheint ein Schuss auf
der Gewebeoberseite, während der andere auf der Unterseite
zu sehen ist. Der Schuss wird durch die Bindekette abgebunden.
Die auf der Oberseite unsichtbare Hauptkette trennt die Schüsse, während die Bindekette den Schuss mit der jeweils für das
Muster notwendigen Farbe in drei- oder vierbindigem Köper
bindet (Zeichnung, von Wilckens, Abb. 391).
Samt
Gewebe mit einem aus einer zusätzlichen Kette oder Schüssen erzeugten Flor. Zumeist Kettsamt, d.h. für die
Florbildung werden eine oder mehrere zusätzliche Ketten gebraucht. Die Florkette läuft während des Webens
über Ruten. Dabei bilden sich über der Grundbindung Schlaufen, die später aufgeschnitten werden können. Die
Rute ist ein Messingstäbchen mit einem kleinen Haken an der Seite, mit dessen Hilfe die Noppen des Gewebes
zerschnitten werden. Neben dem aufgeschnittenem, bzw. gerissenem Samt gibt es den unaufgeschnittenen
Samt, bei dem die Noppen ganz bleiben. So hat der Stufen-, bzw. Reliefsamt eine oder mehrere Florketten,
deren Flor aus verschiedenen Höhen gebildet wird und der aufgeschnitten und unaufgeschnitten sein kann.
Noch genauere Unterscheidung in Velours broderie und Velours ciselé möglich.
Schmuckbrakteate
Einseitig geprägte, meist vergoldete Silberplättchen. Löcher am Rand ermöglichen das Aufnähen als Verzierung.
Schuss
Der waagrecht in die senkrecht eingespannte Kette durch das Fach eingetragene Faden. Als Schussfolge bezeichnet man sämtliche in einem Gewebe aufeinanderfolgende Schüsse bis zu ihrer Wiederholung in Bezug auf
Technik und Material.
Als Grundschuss bezeichnet man den Schuss, der in einem Gewebe mit verschiedenen Schüssen den Grund
bildet. Wenn er an der Musterung beteiligt ist, wird er als liseré bezeichnet.
Der Füllschuss dient dazu, das Relief des Musters zu verstärken, zumeist unsichtbar.
Der Florschuss ist ein zusätzlicher Schuss, dessen Fäden über dem Grund einen Floreffekt bilden. Die Samtrute,
die zur Herstellung von Kettsamten benötigt wird, ist nicht als Florschuss zu bezeichnen. Eine besondere Art
des Florschusses ist der Noppenschuss, dessen Schlingen oder Noppen unaufgeschnitten vom Grund abstehen
und durchgehende Reihen bilden.
Der Lanzierschuss ist ein Musterungsschuss, der von Webkante zu Webkante verläuft, auf der Gewebeoberseite flottiert und dem Muster entsprechend bindet. Auf der Unterseite kann er flottieren, aber auch abgebunden
oder abgeschnitten sein. Anders der Broschierschuss: er wird zur Musterung mit Hilfe von Broschierschützen
eingetragen, ist aber begrenzt auf die Form des Motivs, läuft nicht von Webkante zu Webkante und bricht auf
der Unterseite ab.
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Seele
Faden, meist aus Seide oder Leinen, seltener Wolle oder Baumwolle, der mit Lahn sowie Häutchengold, -silber
oder vergoldeten Papierstreifen umsponnen ist.
Seide
1. Bezeichnung für Sekrete in Fadenform, die von verschiedenen Tieren, v. a. von Seidenraupen des Schmetterlings Bombyx mori ausgeschieden werden. Seide ist die einzige in der Natur vorkommende Endlosfaser.
2. Bezeichnung für Stoffe aus Seide.
Die Seidenraupe scheidet einen aus Fibroin bestehenden Kernfaden aus, der mit einer leimartigen Substanz,
dem sog. Seidenleim oder -bast umgeben ist, und aus dem die Raupe ihren Kokon spinnt. Die abgehaspelten
Fäden mehrerer Kokons werden als Grége, bzw. Bast-, Haspel- oder Rohseide bezeichnet. Durch Abkochen in
Seifenwasser erhält man entbastete Seide, sie wird dünner, geschmeidiger und glänzend. Mit der Behandlung
durch Metallsalze wird sie behandelt, „veredelt“; mit Schwefeldioxid wird sie von ursprünglich gelblich zu weiß
gebleicht. Für 250 gr Seidenfaden benötigt man 3000 Kokons.
Verzwirnte Grégefäden nennt man Mulegarne. Sie können entweder in Z- oder S-Richtung verzwirnt sein. Ist
die Richtung der Drehungsspirale gleich wie der Schrägstrich des Buchstaben „Z“, spricht man von Z-Drehung.
Bei Drehungsspiralen, die der Richtung des Mittelteils des Buchstaben „S“ folgen, handelt es sich um Zwirne
mit S-Drehung. Einfache Garne werden in der Regel rechts gedreht (Z- Drehung) und Zwirne in die Linksrichtung
(S-Drehung).
Unter den Mulegarnen gibt es neben der Pelseide, den um sich selbst gedrehten Grégefaden, Tramé, der aus
zwei oder mehreren leicht verdrehten Grégefäden besteht, und als Schussmaterial Verwendung findet. Zwei
oder mehrere, sehr fest miteinander verdrehte Grégefäden werden Kreppseide genannt. Als Kettseide eingesetzt wird Organzin, das sind zwei oder mehrere miteinander verdrehte Pelseiden. Zu beachten sind die verschiedenen Drehungen (S und Z, jeweils entgegengesetzt, um stärkere Belastbarkeit zu erzielen). Grenadine ist
drei oder viermal stärker verdreht als Organzin. Als Filofloss schließlich bezeichnet man weiches Seidengarn,
das aus vielen, leicht miteinander verdrehten Grégefäden besteht und für Stickereien verwendet wurde. Die
aus den Abfällen gewonnene Seide wird ebenfalls versponnen und in Flock-, das ist die von der Oberseite
schadhafter Kokons gebürstete Seide, und in Florett- oder Schappseide unterschieden. Ganz minderwertige
Abfallseide wird zu Bourettseide versponnen. Neben der Seidengewinnung aus der Zucht des Schmetterlings
Bombyx mori gibt es noch andere wild vorkommende Seiden-Produzenten. Zu den häufig verwendeten Wildseiden gehört die Tussah-Seide, die aus den Kokons des Tussahspinners, des japanischen Eichenseidespinners,
gewonnen wird. Unter Seidengewebe fallen Satin, Atlas, Taft, d. i. ein Seidengewebe mit Leinwandbindung,
sowie Samit, Chiffon, Organza, Georgette, Crepe Satin, Crepe de Chine.
Spitzenmuster-Stil
Bezeichnung für einen Stil bei Gewebe-Mustern in Seide oder anderen Materialien aus der Zeit um 1720/1730.
Es handelt sich um „symmetrische Kompositionen mit hellen, kleingemusterten Ziergründen sowie farbigen,
vegetabilen Motiven.“ (Jolly, S. 247)
Sprengtechnik
Eine Form der Reliefstickerei. Unterlagen aus Karton, Pergament, Leder oder Fäden werden mit Metallfäden
überspannt und entlang der Musterkanten mit kleinen Stichen unsichtbar befestigt.
Tambourierarbeit
Kettenstiche, ausgeführt mit der Tambouriernadel. Sie hat an ihrer Spitze eine winzige Klappe, die sich beim
Ziehen des Fadens durch den Stickgrund schließt und so ein Verrutschen des Fadens verhindert.
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Tapisserie
gewirktes Bildgewebe in Leinwandbindung. Die verschiedenfarbigen dicht an dicht geführten Schüsse werden
nur innerhalb der entsprechenden Farbpartie hin- und hergeführt und decken die Kettfäden vollständig zu.
Tapisserien werden auf speziellen Webstühlen, dem Basselisse-, bzw. Hautlissewebstuhl gefertigt.
Tapissier
Berufsbezeichnung des 17. und 18. Jahrhunderts für den Innendekorateur, der sich aus dem Beruf des Polsterers entwickelte. Er konnte aber auch als Händler und Vermittler für alle in der Innendekoration benötigten
Stoffe und Materialien tätig sein.
Taqueté
Bindung mit einer Hauptkette, einer Bindekette und einer Schussfolge aus
zwei oder mehreren Schüssen. Durch die Bewegung der Hauptkette erscheint ein Schuss auf der Gewebeoberseite, während der oder die anderen auf der Unterseite zu sehen sind. Der Schuss wird durch die Bindekette
in Leinwandbindung abgebunden. (Zeichnung , v. Wilckens, Abb. 393)
Velours ciselé
Auch Stufensamt oder Reliefsamt. Samtart mit einer oder mehreren Florketten, deren Musterung durch aufgeschnittenen oder unaufgeschnittenen Flor gebildet wird. Der geschnittene Flor ist höher als der unaufgeschnittene.
Das Weben
Unter Weben versteht man das Herstellen eines Stoffes durch Verkreuzen von Kette und Schuss mit Hilfe eines
Gerätes in einer bestimmten Technik und Bindung. Auf der einfachsten Webvorrichtung, dem Webrahmen, ist
nur die Leinwandbindung, die einfachste und zugleich dichteste Bindung, herzustellen. Hierzu wird die Kette in
den Rahmen gespannt, ein Teil der Kette wird auf dem „Kettbaum" aufgewickelt und dann zwischen diesem
und dem „Warenbaum " gespannt. Alle Kettfäden sind in den „Gatterkamm" eingefädelt, der Löcher und Schlitze hat, so dass die Kettfäden durch Hoch- und Tiefziehen des Kammes zum Eintrag des Schussfadens geteilt
werden können. Dafür benutzt man das Schiffchen, einen langen, flachen Stab mit einer Kerbe an beiden Enden, auf das der Schuss gewickelt wird. Bei den Webstühlen unterscheidet man im Folgenden, je nach Lage der
Kette, zum einen den Flachwebstuhl mit waagrechtem Verlauf der Kette (eine Sonderform für die Tapisserie ist
der Basselissestuhl) und zum anderen den Hochwebstuhl. Er arbeitet nach dem gleichen Prinzip, nur mit senkrechtem Verlauf der Kette (ebenfalls mit der Sonderform für Tapisserie, dem Hautlissestuhl, s.a. Einführung).
Die einfachste Art des Flachwebstuhls ist der Schaftwebstuhl, er hat ein rahmenartiges Grundgestell aus feststehenden Balken und verschiedenen festen und beweglichen Rollen, den „Bäumen“. Die Kette wird auf einem
Kettbaum aufgebäumt, über den Streichbaum läuft die Kette zu den Litzen, bestehend aus dem Litzenauge und
der Litzenschnur, sie nehmen die Kettfäden auf. Das Einfädeln der Kettfäden in die Litzenaugen ist der Einzug.
Von den Litzen aus läuft die Kette zur Kammlade, die das Blatt hält. Das Blatt besteht aus Trennstegen und
entsprechenden Zwischenlücken, durch die die Kettfäden gezogen werden und in gleichmäßigen Abständen
gehalten werden. Alle Litzen gleicher Funktion sind nebeneinander auf einem Schaft aufgezogen, der aus zwei
miteinander verbundenen Schaftleisten besteht. Eine Gruppe von Litzen, die beim Weben in ihrer Gesamtheit
eine bestimmte Funktion ausüben, bildet einen Harnisch, ebenso die Gesamtheit aller Schäfte. Diese sind an
Mechanismen wie z. B. Rollen oberhalb des Webstuhls aufgehängt und können gehoben oder gesenkt werden.
Durch das Heben und Senken während des Webvorgangs entsteht das sogenannte Fach. In dieses Fach wird
der Schuss mit Hilfe des Schützen, in dem sich die Schussspule mit dem aufgespulten Schussgarn befindet,
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eingetragen. Die Kettfäden auf den Schäften, bzw. die Schäfte selbst werden mit Tritten bewegt, beide Schaftleisten sind mit Hilfe von Querleisten so an den Tritte verschnürt, dass alle Schäfte mit gleicher Funktion durch
den gleichen Tritt zu bewegen sind. Die Art der Verschnürung und die Abfolge der Tritte richten sich nach der
gewünschten Bindung. Den Brustbaum streifend läuft das Gewebe zum Warenbaum und wird dort aufgerollt.
Mit dem Zugwebstuhl stellt man gemusterte Gewebe her, und zwar mit einem Musterharnisch, der einige oder
alle Kettfäden führt. Dieser Harnisch besteht aus Litzen mit anhängenden Gewichten, diese sind an
Harnischschnüren befestigt, die durch gelochte Bretter geführt und in bestimmter Reihenfolge gehalten werden. Alle Harnischschnüre mit gleicher Funktion werden bündelweise an die senkrecht geführten sog.
Colletschnüre gehängt. Um einen Rapport auszuziehen, müssen die Harnischschnüre entweder nach vorn zum
Weber und zur Seite geführt werden, wo sie von einer Hilfskraft ausgezogen werden können. An Zugwebstühlen wurden Bindungsarten wie Samit, Taqueté und Lampas hergestellt, die mit zwei oder mehr Kettsystemen
arbeiten.
Webkante
Seitliche Kanten eines Webstückes, an denen die Schüsse umkehren. Ungemustert und meist durch stärkere
Kettfäden verstärkt. Bei italienischen Seiden des 14./15. Jahrhunderts setzt sich die nur noch wenig verstärkte
Webkante häufig farbig vom Gewebe ab.
Verwendete Literatur:
Anna Jolly, Fürstliche Interieurs, Dekorationstextilien des 18. Jahrhunderts, Abegg Stiftung, Riggisberger Berichte 12, 2005
Barbara Markowsky, Seidengewebe. Kataloge des Kunstgewerbemuseums Köln 8, Köln 1976;
Eva Mühlbächer, Europäische Stickereien vom Mittelalter bis zum Jugendstil, Staatl. Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Berlin 1995;
Leonie v. Wilckens, Die textilen Künste. Von der Spätantike bis um 1500, München, 1991
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Beteiligte Firmen
Anton Buchele Raumgestaltung GmbH
Andreas Buchele
St.-Paul-Straße 10
80336 München
[email protected]
www.buchele-raumgestaltung.de
1895 gründete der Sattler- und Tapezierermeister Anton Buchele ein Raumausstattungsunternehmen. Dieses
wurde 1945 von seinem Sohn Hans Buchele übernommen. Inzwischen kümmern sich der Enkel Anton Buchele
und der Urenkel Andreas um den Betrieb. Der Meisterbetrieb übernimmt innendekorative Gesamtkonzepte
sowie Rekonstruktionsprojekte. Der Betrieb arbeitet mit renommierten internationalen Textilfirmen zusammen
und führt Polsterarbeiten, Vorhänge, Dekorationen, Bühnenvorhänge, Bodenbelagsarbeiten, Wand- und
Deckenbespannungen sowie Wandbeklebungen und Tapezierarbeiten aus.
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Backhausen GmbH
3945 Hoheneich 136
Österreich
www.backhausen.com
Die Firma Backhausen geht zurück auf Franz Backhausen, einen aus Köln stammenden Webergesellen, der
1810 nach Wien zog, wo er seine Meisterprüfung ablegte. Seine Söhne Karl und Johann gründeten 1849 die
Firma „Karl Backhausen & Co.” und richteten 1870 den noch heute aktiven Betrieb im Waldviertel ein. Seit
1869 erhielten viele Wiener Repräsentationsbauten, darunter die Staatsoper, das Parlament, das Burgtheater,
der Musikverein und auch die Paläste des Kaiserhauses ihre textile Ausstattung durch die Firma Backhausen.
Diese wurde 1888 zum „K. & K. Hoflieferanten” ernannt.
2013 wechselte der Eigentümer; die Firma wurde neu organisiert.
1903-1932 war die Firma Hauptlieferant für die Wiener Werkstätten, so dass sich noch heute mehr als 3500
Originalentwürfe von über 300 Künstlern in ihrem umfassenden Archiv historischer Textilentwürfe befinden.
Neben der Produktion aktueller Entwürfe und von Stoffen der Wiener Werkstätten gilt ein Bereich der Firma
der Rekonstruktion historischer Textilien. Diese werden z. T. als flammhemmende Stoffe in Trevira CS hergestellt.
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Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Textilmanufaktur der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Abteilung Restaurierung und Konservierung
Bettina Leppin
Puschkinstraße 19
06108 Halle/Saale
[email protected]
www.textilmanufaktur.de
1945
1946
im Oktober Anmeldung der HAWEBA in Ammendorf bei Halle
Einstellung einer Weberin der damaligen Handwerkerschule Burg Giebichenstein, Beginn der
Textilmanufaktur
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1949
1950
1953
1956
1958
1960
1961
1966
1966-1969
1981
1990
1992
1992
2005
2009
2010
2011
2013
2014
1. Teilnahme an der Grassimesse
Einführung eines Raumtextilienprogramms aus Zellwolle
Nach Verlassen der Betriebsinhaber in Treuhandschaft
Verstaatlichung, dem Rat der Stadt Halle unterstellt
Aufbau von Textilklasse und Teppichmanufaktur durch Prof. Willi Sitte
Umzug in die Puschkinstraße
VEB HAWEBA war die drittgrößte Weberei der DDR mit einer Jahresproduktion von 58.000 m²
mit Fahnenabteilung und Täschnerei u.a.
Teppichmanufaktur wird als Hochwebereiabteilung der VEB HAWEBA angegliedert
Beginn der eigentlichen Produktion von Gobelins, in diesem Jahr wurde die Teppichmanufaktur
Burgbetrieb
Umbenennung in VEB HAWEBA, Betrieb der Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg
Giebichenstein
werden die Adlerstickmaschinen von Prof. Inge Götze auf Einsatzmöglichkeiten für eine künstlerische Nutzung geprüft, Beginn der Stickerei- und Applikationsstickereiabteilung
Umbenennung in VEB Textilmanufaktur Halle Burg Giebichenstein
Nach Treuhandschaft Betrieb des Landes Sachsen-Anhalt
Umbenennung in Staatliche Textil- und Gobelinmanufaktur Halle GmbH, Burg Giebichenstein
Ausweitung des Produktprogramms auf Restaurierungs- und Konservierungsleistungen von Tapisserien, Beginn der Textilrestaurierung
Einstellung einer Diplomrestauratorin Textil und Ausweitung auf Restaurierung/Konservierung
anderer textiler Objekte
Veränderung der Konzeption und Ausrichtung der Textil- und Gobelinmanufaktur Halle und Führung als Profitcenter, Beginn der permanenten Zusammenarbeit mit freien Diplomrestauratoren
als Partner der Textilmanufaktur
Einstellung weiterer Diplomrestauratorinnen Textil und Ausweitung auf europaweite Aufträge
Insgesamt 14 Mitarbeiter in den Bereichen: Textilrestaurierung, -konservierung, Färberei,
Gobelinwirkerei, Stickerei/Näherei, CAD-Weberei, Handweberei, Textildesign
Einstellung einer Diplomdesignerin Textil und ab September eines Auszubildenden zum Gestalter
im Handwerk, Fachrichtung Handweben
Schließung des Betriebes. Die Werkstätten werden an die Burg Giebichenstein Kunsthochschule
Halle verlegt
Neugründung der Textilwerkstatt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle mit den
Abteilungen Textilrestaurierung und –konservierung, Färberei, Gobelinwirkerei, Stickerei/Näherei, CAD-Weberei und Handweberei
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Digital Picture Repro & Medienservice GmbH
Einsteinweg 26
85609 Dornach bei München
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Eschke Seidenmanufaktur
Carl-Spengler-Straße 1
08451 Crimmitschau
[email protected]
www.eschke.de
Die Weberei Eschke wurde 1868 durch Webmeister Robert Eschke in Mühltroff im Vogtland als Baumwollweberei gegründet. 1904 übernahmen seine Söhne Alfred und Richard Eschke die Weberei und erweiterten das
Programm um Gold-, Silber-, Baumwoll- und Seidenweberei sowie Brokate. Nachdem sich die Brüder 1917
trennten, wurde der Betrieb von Richard Eschke weitergeführt. Nach seinem Tod 1943 übernahm Karl Eschke
die Firma. Sie blieb nach dem Krieg bestehen und wurde 1972 zwangsweise verstaatlicht. In Folge erhielt sie
den Namen „veb brokat mühltroff“. Die Leitung verblieb jedoch in Familienhand bei Wolfgang Eschke, der 1992
den Betrieb von der Treuhand als Seidenweberei Eschke GmbH zurückerwerben konnte. Seit 1966 arbeitete die
Firma Eschke eng mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Potsdam zusammen, nachdem die Leiterin der
dortigen Textilateliers, Helene Freifrau Ebner von Eschenbach, die „Richard Eschke KG“ besucht hatte. Auch
nach der Zurückerwerbung wird seit 1993 ein Schwerpunkt der Tätigkeit auf die Rekonstruktion historischer
Seidengewebe gelegt und werden entsprechende Webmaschinen mit besonders hoher Kettfadendichte erworben.
Die Seidenmanufaktur Eschke arbeitet mit hochplatinigen elektronischen Seidenjacquard-Webmaschinen. Der
Vorteil dieses Verfahrens ist, dass durch die digitale Zerlegung des Produktionsprozesses feine Unregelmäßigkeiten in Gewebe und Musterausbildung oder auch Webfehler, die das Erscheinungsbild des Originals wesentlich prägen, vorlagengetreu in die Rekonstruktion eingefügt werden können. Es kann somit eine fadengenaue
Rekonstruktion von Seidendamasten erfolgen. Die Seiden entstehen in engster Zusammenarbeit mit den Auftraggebern, und die Maschinen werden an die jeweiligen Bedingungen des Auftrags angepasst. Zur Färbung
werden synthetische Farbstoffe verwendet, dies nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern hauptsächlich
wegen der Haltbarkeit und Lichtbeständigkeit der Farben. Die Farben werden spezifisch für den jeweiligen
Auftrag ausgewählt. Zunächst entstehen Anwebungen, die gemeinsam begutachtet, überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden und erneute Anwebungen, bis der Stoff frei gegeben wird und der tatsächliche Webprozess beginnt. Anschließend wird der Stoff gewaschen, wenn nötig gestärkt, selten auch mit einer schmutzabweisenden Nanobeschichtung versehen.
Weiterführende Literatur:
Anne-Kathrin Segler, Denise Handte, Wolfram Eschke, Textilien und ihre Rekonstruktion. Über die Wiederherstellung eines authentischen Raumeindruckes, Restauro 5, 2012, S. 31-34
Anne-Kathrin Segler, Wolfgang Eschke, Magie der Seide. Von der Kunst, historische Räume neu zu beleben,
hrsg. von Christian Juranek, Edition Schloss Werningerode Bd. 15, Wettin-Löbejün 2013
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Fortuny
Isola Della Giudecca 805
Venezia 30133
Italien
www.fortuny.com
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Hans Joachim Frindte
Formstecherei Frindte
Krollstraße 64
99974 Mühlhausen
[email protected]
www.formstecher.de
Hans Joachim Frindte absolvierte von 1956-1959 eine Ausbildung zum Formstecher in der Werkstatt seines
Vaters Erich Frindte. 1959 legte er die Gesellenprüfung ab und 1964 die Meisterprüfung. 1986 wurde er mit
dem Titel „Anerkannter Kunsthandwerker“ ausgezeichnet. Hans-Joachim Frindte fertigt Blaudruckmodel für
textile Werkstätten und Model für historische Tapeten. Er restauriert alte Model und fertigt auch Tapetenwalzen an.
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Josef Müller Posamenten GmbH
St.-Paul-Straße 10
80336 München
[email protected]
www.posamenten-mueller.de
Posamenten-Müller wurde 1865 von Josef Müller mit einer Werkstatt in der Kaufingerstraße gegründet. Nach
dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Mannheimer Unternehmer Jost und Schmidt die Traditionsfirma als
Filiale ihres eigenen Unternehmens in der Münchner Pettenkoferstraße. Seit 1980 ist Posamenten-Müller im
Besitz der Familie Buchele. Nachdem Anton Buchele die Manufaktur mit heutigem Sitz in der St.-Paul-Straße
übernommen hatte, wird das Unternehmen seit 1994 von seinem Sohn Andreas Buchele geleitet. PosamentenMüller ist international tätig und arbeitet sowohl im Bereich der Rekonstruktion als auch der modernen Raumausstattung. Gefertigt werden Kordeln, Borten, Raffseile, Raffhalter, Treppenseile und Quasten.
Die Firma arbeitet mit dem Drechsler Peter Seiler zusammen, der für sie die Holzkörper für die Quasten herstellt.
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Julius Hembus Maler- und Stuckwerkstätten GmbH
Palleskestraße 3
65929 Frankfurt am Main
www.historische-tapeten.de
Die Firma Julius Hembus wurde 1894 gegründet und ist seit Langem in der Restaurierung tätig. So war sie an
den folgenden Projekten beteiligt: Frankfurter Dom, Alte Oper Frankfurt, Kurhaus Wiesbaden, ehemalige Villa
Mumm, Gutleutkaserne, Burg Kronberg, Streitkirche Kronberg, St. Johannis Kirche in Kronberg, Schloss Corvey
(Westfalen), Historische Villa Metzler in Frankfurt. Schon der Firmengründer Jakob Hembus arbeitete an der
Restaurierung von Burg Kronberg, besonders in der Schlosskapelle. Als Nachfolger kümmerten sich Paul und
Julius Hembus um die Firma. Nach Paul Hembus’ frühem Tod führte Julius Hembus bis 1983 den Betrieb alleine
weiter. Bis Ende 1999 wurde das Unternehmen von Hans Hembus geleitet. 2000 wurde die Julius Hembus Maler- und Stuckwerkstätten GmbH von dem Höchster Familienbetrieb Moosbrugger übernommen. Hans Moosbrugger, der Inhaber und Geschäftsführer, stammt aus einer Maler- und Stuckateurfamilie, deren Ursprung in
Au im Bregenzer Wald liegt.
Die Tapetenmanufaktur Hembus rekonstruiert seit den 1950er Jahren historische Tapeten im Siebdruckverfahren, wobei bis zu 32 Farben verwendet werden können. Die Tapeten werden nach Resten der originalen Tape91
ten, die z. Bsp. hinter Lamperie (verkleidete Sockelzone), Türstöcken oder Fußleisten erhalten sind, oder nach
zeitgenössischen Fotografien, Interieurbildern, historischen Beschreibungen rekonstruiert. Sie werden nach
Wunsch und Vorlage auf unterschiedlichen Papieren gedruckt, so auf geschöpftem Hadernpapier mit reversiblen leimgebundenen Farben. Der Tapetenfond wird von Hand gestrichen und das Muster im Handdruck aufgebracht.
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Lutz J. Walter
Villa Holfelder
Nöschenröder Straße 46
38855 Wernigerode
[email protected]
www.historische-papiertapeten.de
Gangolf Ulbricht
Mariannenplatz 2
10997 Berlin
Deutschland
[email protected]
www.gangolfulbrichtpapier.com
Lutz J. Walter, Diplom-Ingenieur und Restaurator, hat sich auf die Rekonstruktion historischer Tapeten spezialisiert. Hierbei arbeitet er mit dem Formstecher Hans Joachim Frindte und dem Papiermacher Gangolf Ulbricht
zusammen. Je nach Vorlage wird die Rekonstruktion im Handmodeldruck oder im Maschinenleimdruck umgesetzt.
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Die Posamenten Manufaktur
Tobias Gattermann
Gollierstraße 70 C II
80339 München
[email protected]
www.absperrseile.de
Die Posamenten Manufaktur wurde 1894 von Konrad Frank in der Karlsstraße in Nürnberg gegründet. Während
des Zweiten Weltkriegs wurde der Betrieb der Manufaktur teilweise eingestellt und das Werkstattgebäude
zerstört. Konrad Franks Sohn, Georg Frank, führte den Betrieb seit 1948 mit Unterstützung der in Nürnberg
ansässigen Firma Benedict und Danhäuser fort. 1968 wurde die Firma von dem Mitarbeiter Peter Dörflinger
übernommen. Zu diesem Zeitpunkt entstanden in der Firma sowohl Massenartikel als auch traditionelle, handwerklich gefertigte Posamenten. Als der gelernte Posamentenmacher Tobias Gattermann 1995 die Werkstatt in
Nürnberg übernahm, war bereits die Spezialisierung auf die Sonderanfertigung von Posamenten erfolgt. 1999
zog die Werkstatt nach München um. Der Drechsler Martin Goldhofer vom Tegernsee arbeitet mit der Manufaktur zusammen.
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Volker Illigmann
Hirtengasse 1
95349 Thurnau
[email protected]
www.illigmann.com
Volker Illigmann stammt aus einer Weber-Familie. Entsprechend absolvierte er in einer Weberei eine Ausbildung zum Textilkaufmann. Nach fünf Jahren wechselte er als Assistent des Betriebsleiters in eine Spinnerei. Es
schloss sich ein Studium in Münchberg mit der Prüfung zum staatlich geprüften Textilbetriebswirt an.
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Anschließend arbeitete Volker Illigmann bei einem Textilveredler in Wien und als Akquisiteur in der Weberei
seines Bruders. Nach dem Besuch einer Weberei in Venedig, in der noch auf Webstühlen des 18. Jahrhunderts
gearbeitet wird, entschloss er sich, sich auf die Rekonstruktion historischer Textilien zu konzentrieren und
machte sich 1995 in diesem Bereich selbstständig. Durch sein eigenes Archiv historischer Stoffe und seine engen Kontakte zu vielen internationalen Webereien mit ihren eigenen Archiven verbindet er Rekonstruktion
historischer Gewebe, Suche nach geeigneten Werkstätten und Koordination des Auftrags. Volker Illigmann
arbeitet für die Kirche, öffentliche Institutionen, Königshäuser und private Auftraggeber.
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Sanderson, Zoffany, Morris & Co.
Morris & Co.
Chalfont House, Oxford Road,
Denham, UB9 4DX
Großbritannien
www.william-morris.co.uk
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Tassinari & Chatel
13, rue du Mail
75002 Paris
Frankreich
www.tassinari-chatel.com
Impressum
Galerie Handwerk der Handwerkskammer für München und Oberbayern
„Textile Raumdekorationen“ – eine Ausstellung der Galerie Handwerk
vom 25. Juni bis 26. Juli 2014
Leitung: Wolfgang Lösche
Projektleitung: Dr. Michaela Braesel
Leitung Ausstellungsaufbau: Elke-Helene Hügel
Gestaltung Titelseite: Edda Greif, Foto: Karina Hagemann
Texte zur begleitenden Broschüre: Dr. Michaela Braesel, beruhend auf den Informationen und Textvorlagen der
ausstellenden Firmen und Institutionen; Glossar: Elisabeth Bosch
Bildnachweis: Die Fotos stammen, soweit nicht anders angegeben, von den Ausstellern.
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