Visuelle Informationsvermittlung in TV-Nachrichten

Transcrição

Visuelle Informationsvermittlung in TV-Nachrichten
Visuelle Informationsvermittlung
in TV-Nachrichten
Marian Steinbach <[email protected]>
Versicherung
Visuelle Informationsvermittlung in TV-Nachrichten
Hiermit versichere ich,dass ich die Arbeit – bei einer Gruppenarbeit den
entsprechend gekennzeichneten Anteil der Arbeit – selbstständig angefertigt habe und keine anderen als die angegebenen und bei Zitaten kenntlich
gemachten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Nebenthema zum Diplom an der
Köln International School of Design (KISD)
Fakultät Kulturwissenschaften der
Fachhochschule Köln
Lehrgebiet Audiovisuelle Medien
Betreuung Prof. Björn Bartholdy <[email protected]>
Ort, Datum
Dank
Ich danke ganz herzlich allen, die mich in dieser
sehr intensiven Zeit der Diplomarbeiten mit Rat und
Tat unterstützt haben. Allen voran meinen Eltern,
Andreas, Anna und Sebastian. Auf Euch ist Verlass!
Dank gilt auch dem WDR, namentlich Herrn Rudolf
Lang, für die großartige Hilfe im WDR Printarchiv.
Köln, März 2005
Urheberrechtsvermerk
Selbstverständlich unterliegt diese Arbeit dem
Urheberrecht. Wie gewöhnlich darf sie zu Zwecken
der Lehre und Forschung gelesen und zitiert werden.
Eine kommerzielle Nutzung durch Dritte erfordert
die vorherige, schriftliche Einverständniserklärung
des Autors.
Unterschrift
Inhalt
1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2
2.1
2.1.1
2.1.2
2.1.3
2.1.4
2.2
2.3
Einblick in die TV-Nachrichtenforschung . . . . . . . . . . .
Untersuchungen formaler Kriterien . . . . . . . . . . . . . . .
Auditive und visuelle Informationsvermittlung . . . . . . . .
Präsentationsformen: Sprecher- und Filmbeiträge (NiF) .
Illustrierender Gehalt des Bildmaterials . . . . . . . . . . . .
Gestalterische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhaltliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nutzungsmodalitäten und Aufmerksamkeit . . . . . . . . . .
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3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
3.1.5
3.1.6
3.1.7
3.1.8
3.2
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
3.2.5
3.2.6
3.2.7
3.3
Detaillierte Betrachtung von Nachrichtensendungen
ARD Tageschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sprecher/Moderatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kamera und Schnitt im Studio . . . . . . . . . . . . . . .
Studio/VR-Set . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Standard-Grafik und Animation . . . . . . . . . . . . . . .
Besondere Einstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Karten und Infografik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Besondere Darstellungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . .
ZDF heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kamera und Schnitt im Studio . . . . . . . . . . . . . . .
Studio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Splitscreens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grafik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Besondere Darstellungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . .
RTL aktuell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.3.1
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3.3.4
3.3.5
3.3.6
3.3.7
3.4
3.4.1
3.4.2
3.4.3
3.4.4
3.4.5
3.4.6
3.5
3.5.1
3.5.2
3.5.3
3.5.4
3.5.5
3.5.6
Struktur . . . . . . . . . . . . . . . .
Moderation . . . . . . . . . . . . . .
Kamera und Schnitt im Studio
Studio. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Splitscreens. . . . . . . . . . . . . .
Grafik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Besondere Darstellungsmittel .
Pro7 Newstime . . . . . . . . . . .
Struktur . . . . . . . . . . . . . . . .
Moderation . . . . . . . . . . . . . .
Kamera und Schnitt im Studio
Studio. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Splitscreens. . . . . . . . . . . . . .
Grafik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
SAT.1 News . . . . . . . . . . . . . .
Struktur und Moderation . . . . .
Kamera und Schnitt im Studio
Studio. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Splitscreens. . . . . . . . . . . . . .
Grafik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Besondere Darstellungsmittel .
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40
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41
43
4
4.1
4.2
4.3
4.3.1
Auswertung der Betrachtung . . . . . . . . .
Studio und Moderation . . . . . . . . . . . . .
Grafik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bildeinsatz in Filmbeiträgen . . . . . . . . .
Archivmaterial ohne Kennzeichnungung .
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5
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
5
1 Einleitung
Das Fernsehen ist für einen großen Teil der Bevölkerung das wichtigeste
Informationsmedium geworden. Es trägt maßgeblich zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Dabei gibt es Anzeichen, dass gerade die Informationsvermittlung durch Fernsehnachrichten weit hinter den Erwartungen der Macher
zurück bleibt. Einer Umfragen zufolge1 verstehen 88 Prozent der tagesschauZuschauer bestimmte Begriffe aus den Beiträgen nicht. Die Einschaltquoten
von Fernsehnachrichten sinken langfristig. Viele erwachsene Fernsehzuschauer gucken stattdessen Kindersendungen wie „logo!“ und „Sendung mit
der Maus“2.
Wenn alleine schon die Informationsvermittlung durch Fernsehnachrichten mangelhaft funktioniert, wie zahlreiche Studien belegen, kann durchaus hinterfragt werden, ob die Darbietung der Nachrichten die Möglichkeiten
des Mediums optimal ausnutzt. Fernsehnachrichten gelten trotz der Bebilderung als auditives, sprachorientiertes Medium. In dieser Arbeit wird vor allem
die Nutzung des visuellen Kanals in den Nachrichten genauer betrachtet.
Publizistikforscher stellen fest, dass sich die Kriterien für das, was als
Nachricht im Fernsehen gezeigt wird und was nicht, in der letzten Zeit um
einen wesentlichen Faktor erweitert haben3. So hat sich die Visualität eines
Themas als Kriterium neben Aktualität, Relevanz und anderen Faktoren etabliert. Fernsehjournalisten stehen unter einem zunehmenden „Bilderzwang“,
also unter dem Druck, Meldungen bebildern zu müssen. Unter dem herrschenden Aktualitätsdruck läuft dies oft auf nichtssagenden, mißverständlichen oder schlimmstenfalls der journalistischen Ethik entgegengesetzten
Bildeinsatz hinaus. Diese Arbeit zeigt Beispiele für derartige Verfehlungen
anhand von Beobachtungen fünf verschiedener Fernsehnachrichtensendungen an mehreren Tagen im Dezember 2004 und Januar 2005. Sie sammelt
zudem Nachweise für den Versuch, mit Mitteln des Informationsdesigns die
Aussage von Nachrichten und den Informationstransfer zu unterstützen.
1
vgl. Sat+Kabel (2003); Netzzeitung (2003)
2
vgl. Koischwitz (2003)
3
vgl. Brosius u.a. (1996), Ruhrmann u.a. (2003)
7
2 Einblick in die
TV-Nachrichtenforschung
Nachrichten im Fernsehen sind ein in vielen Gebieten der wissenschaftlichen Forschung behandeltes Thema, natürlich mit ganz unterschiedlichen
Schwerpunkten. Soziologen interessieren sich vorrangig dafür, welche
Bedeutung die Nachrichten für die Gesellschaft haben, welche Selektionskriterien greifen und wie die Nachrichten die Rezipienten in ihrer Meinungsbildung beeinflussen. Kognitionspsychologen interessieren sich für
die unmittelbar am Individuum nachweisbaren Wahrnehmungseffekte von
TV-Nachrichten. Sie untersuchen emotionale Reaktionen auf das Gezeigte
sowie Erinnerbarkeit und Verständlichkeit der Inhalte und Einflüsse der Darstellungstechniken darauf. Publizistikforscher schließlich untersuchen das
Gebiet vorrangig mit dem Versuch, Einhaltung oder Mißachtung journalistischer Prinzipien zu überprüfen, die Entwicklung des Fernsehjournalismus in
diesem Feld nachzuvollziehen und die Einflüsse der Produktionsfaktoren auf
die Nachrichtengestaltung zu erklären.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit ist der Einfluss bestimmter Darstellungs- und Gestaltungsmittel auf die Wahrnehmung sowie die Aspekte, die
die Darstellung beeinflussen. Entsprechend werden hier einige Forschungsarbeiten kurz vorgestellt, die diesen Bereich berühren.
Betrachtet man Nachrichten als Komunikation, lässt sich die Effizienz
der Kommunikation daran bemessen, was beim Adressaten „ankommt“. Das
ultimative und idealistische Ziel des Journalisten ist, dass seine Nachricht
gehört/gesehen, verstanden und behalten wird.
In zahlreichen Studien mit ganz unterschiedlichen Ansätzen wurde
versucht, das Verstehen und Erinnern von Fernsehnachrichten in Zahlen
auszudrücken1. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen tendenziell in dieselbe
Richtung: Wir verstehen und behalten von dem, was wir in den Nachrichten
sehen, offenbar nur einen Bruchteil. In seinen empirischen Untersuchungen kommt Ruhrmann (1989) zu folgendem Ergebnis, das als Modell eines
mehrstufigen Informationsverlustes verstanden werden kann.
Von den täglich durchschnittlich 13 gesendeten Meldungen einer
Nachrichtensendung erinnern Rezipienten am darauffolgenden Tag nur drei
(23,6%) definitiv. Von diesen drei definitiv erinnerten Meldungen kann ca.
40% des Nachrichtentexts wiedergegeben werden. Ungefähr 76% dieser
Wiedergaben sind korrekt. Jedoch weist Ruhrmann nach, dass, obwohl
immer noch etwa drei Viertel dieser Wiedergaben im Wortlaut richtig sind,
ein Anteil von ca. 35% davon mißverstanden wurden. Daraus folgt, dass nur
etwa 3% der Nachrichteninhalte, die am Vorabend gesehen wurden, behalten und richtig verstanden wurden2. Obwohl es ohne Lektüre der Originalquelle nicht leicht nachzuvollziehen ist, wie man den Informationsverlust
so genau beziffern kann, leuchten die Größenordnungen im einzelnen doch
9
ein. Man muss dazu sagen, dass Ruhrmann nicht unter Laborbedingungen
getestet hat, wo Menschen versucht haben, eine Höchleistung im Erinnern
von Nachrichten zu erbringen. Stattdessen hat sein Team Menschen zufällig
ausgewählt, die am Vorabend eine Nachrichtensendung gesehen haben und
diese nacherzählen lassen, was sie behalten haben.
Man muss hier anmerken, dass die vielen Studien zu dieser Fragestellung durch die unterschiedlichen Forschungsmethodiken auch unterschiedliche Arten der Erinnerung getestet haben. In einigen Studien wurde die
Erinnerung anhand von Multiple-Choice-Fragebögen untersucht, was einen
grundsätzlichen Unterschied zu Ruhrmann‘s Ansatz darstellt. Denn vorgegebene Fragen stellen eine wesentliche Hilfestellung bei der Rekonstruktion
dar. Die Werte für die somit „gestützte Erinnerung“ (engl. „cued recall“ oder
„aided recall“) sind ungleich höher als die der nicht gestützten Erinnerung
(engl. „free recall“) und nicht miteinander vergleichbar.
Für Journalisten stellt sich die Frage, welche Faktoren die Aufnahme
und das Verständnis von Nachrichten beeinflussen. Dieser Frage sind ebenfalls eine Reihe von Studien nachgegangen.
2.1 Untersuchungen formaler Kriterien
Viele dieser Studien legen ein Modell der „begrenzten Wahrnehmungskapazität“ (engl. „limited capacity model“ of information processing) des
Menschen zugrunde. Dieses besagt, dass man annimmt, dass jeder Mensch
nur eine begrenzte Informationsmenge in einer bestimmten Zeit verarbeiten
kann. Daraus ergibt sich, dass die Dichte der Informationen je Zeiteinheit
einer Nachrichtensendung ausschlaggebend für die Aufnahmefähigkeit
ist. Wenn dem so wäre, müsste man eine Nachricht nur beliebig langsam
vermitteln, damit sie vollständig behalten würde. Offenbar reicht also dieses
einfache Erklärungsmodell alleine nicht aus. Viele weitere Faktoren spielen
eine Rolle und werden in Studien untersucht.
10
2.1.1 Auditive und visuelle Informationsvermittlung
Ein zentraler Aspekt der Untersuchungen ist die Beziehung zwischen der
auditiven und der visuellen Informationsvermittlung bei Fernsehnachrichten. Grundsätzliche Fragestellungen sind, auf welchem Kanal Informationen
besser vermittelt werden können bzw. wie sich die beiden Kanäle gegenseitig
beeinflussen.
Drew und Grimes (1989) untersuchten in einer empirischen Studie im
Vergleich die Erinnerung von Bild- und Toninhalten sowie das Verständnis
der Nachrichten für verschiedene Bedingungen: Sie bereiteten eine Reihe
von NiF-Beiträgen (Nachricht im Film) vor, die unterschiedlichen Kriterien
entsprach. Die Beiträge wurden zunächst mit Bildmaterial versehen, das
dem Inhalt der gesprochenen Nachricht weitestgehend entsprach. Die Nachrichtenforscher sprechen hier von „audio-visueller Redundanz“. Dieselben
Beiträge wurden ein zweites mal so bebildert, dass sich keine Entsprechung
zwischen Tonspur und Bildmaterial feststellen ließ („audio-visuelle Dissonanz“). Aus diesem Material bildeten sie verschiedene „Sendungen“, eine
mit ausschließlich audio-visuell redundantem Material, eine weitere mit
ausschließlich audio-visuell dissonantem Material und eine dritte mit einer
Mischung aus redundanten und dissonanten Beiträgen. Diese Sendungen
wurden je einer Gruppe von Studenten vorgeführt. Zum Vergleich wurden je
einer weiteren Gruppe nur die Tonspur bzw. nur die Videospur der Beiträge
präsentiert.
In der Auswertung wurde die Erinnerung für die sprachlichen und
bildlichen Informationen sowie das Verständnis der Nachrichten getestet. Im
Ergebnis war das Verständnis der Nachrichten bei der Gruppe am größten,
die das audio-visuell redundante Material gesehen/gehört hatte. Am schlechtesten schnitt hingegen die Gruppe ab, die das nicht-reduntantes Material
konsumiert hatte. Offenbar wirkte das dissonante Bildmaterial störend für
die Erinnerung und das Verständnis der Nachrichten. Gezeigt wurde auch,
dass sich die Zuschauer der nicht-redundanten Beiträge besser an das
Bildmaterial erinnern konnten. Drew und Grimes schließen daraus, dass bei
Betrachtung eines audio-visuell dissonanten Beitrags der Verarbeitung des
Bildmaterials der Vorzug gegeben wird.
2.1.2 Präsentationsformen: Sprecher- und Filmbeiträge (NiF)
Einige Studien versuchen den Vor- und Nachteilen der verschiedenen
Präsentationsformen von Meldungen in TV-Nachrichtensendungen auf den
Grund zu gehen. Die beiden traditionellen Formen sind einmal der Sprecherbeitrag (in der englischsprachigen Litaratur „talking head“ genannt) und
die „Nachrichten im Film“ (NiF). Edwardson u.a. (1976) kommen in einer
Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Erinnerung und Verständnis in beiden
Fällen nahezu identisch sind.
Brosius (1991) erweitert den Versuch von Edwardson und vergleicht
die Erinnerungsleistung von Versuchspersonen, die Meldungen in verschiedenen Formaten und verschieden zusammengestellten Sendungen gesehen
hatten. So wurden einer Gruppe insgesamt acht Meldungen ausschließlich
in Form von vom Sprecher vorgetragenen Beiträgen präsentiert, bei denen
der Sprecher in einer Studiosituation zu sehen war („talking head“). Eine
andere Gruppe sah die Meldungen mit identischem Sprecherton, allerdings
bebildert in Form nachrichtentypischer NiF-Beiträge. Eine dritte Gruppe
sah wieder die selben Meldungen, aber abwechselnd als Sprecher- oder
NiF-Beitrag. Die Versuchspersonen konnten sich an die Filmbeiträge aus
der gemischten Sendeform am besten erinnern. Unter den Gruppen, die nur
jeweils ein Format gesehen hatten, wurden die Filmbeiträge besser erinnert
als die reinen Sprecherbeiträge. Die Erinnerung sowohl für Wortmeldungen
als auch für die Filmbeiträge war in der gemischten Sendeform besser, als in
der reinen Form.
Hier werden mehrere Dinge verdeutlicht. Zunächst bestätigt Brosius
viele Studien, in denen die Wort-Bild-Redundanz als förderlich für die Erinnerung von Nachrichtenbeiträgen genannt wird. Weiterhin deutet die Studie
an, dass der Aufbau der Sendung insgesamt ebenfalls eine Auswirkung auf
Verständnis und Erinnerung haben kann. Und in einer genaueren Unter-
suchung, welcher Beitrag in der obigen Studie am besten erinnert wurde,
kommt er zu dem Ergebnis:
„[...] that pervasive visuals can enhance comprehension and that
journalists selecting appropriate visuals can still contribute to an
optimal understanding of their message.“ (vgl. Brosius 1991, S.
40).
2.1.3 Illustrierender Gehalt des Bildmaterials
Zur Vertiefung dieser Erkenntnis trägt auch eine weitere Studie von Brosius
u.a. (1996) bei. Darin wird vor allem die Wirkung von typischem Standardmaterial, das routinemäßig zur Bebilderung von Meldungen eingesetzt wird,
mit der von tatsächlich auf den Sprachinhalt abgestimmtem, illustrativem
Material verglichen. Die Autoren führen darin aus, dass die Fernsehnachrichten in ihrer Entwicklung immer mehr zur Bildberichterstattung tendieren und
dabei ein regelrechter Bebilderungszwang entstünde. Dies habe die Produktion von wenig aussagekräftigem Standardmaterial zur Folge. Bekannte
Beispiele dafür sind Bilder von Politikern bei Staatsbesuchen (Politiker tritt
aus Flugzeug, Politiker begrüßt Politiker, Politiker sitzen nebeneinander und
reden, Politiker schütteln sich die Hand) oder Sitzungsterminen (Limousine
fährt vor Gebäude vor, Politiker steigt aus Auto aus, Politiker schreitet vorbei
an Kameras, Politiker betritt Sitzungssaal). Zitat:
„The pictures have a standardized form, and at best a meager
information content. They document the actuality of the report
and give the illusion of political participation, nothing more. One
could say that the pictures document the occasion, for example a
state visit, while the news text describes the subject matter involved, for example the relation between the two states concerned.“
(vgl. Brosius u.a. 1996, S. 181f)
11
Für den experimentellen Vergleich von Beiträgen, die mit Standardmaterial
bebildert wurden und solchen, die illustratives Material zeigen, wurden Meldungen aus deutschen Nachrichtensendungen neu bebildert. Die Originalbeiträge, beispielsweise über den israelischen Ministerpräsident, der Ägypten
besucht um dort mit der Regierung die Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten zu diskutieren, waren mit dem oben beschriebenen Standardmaterial versehen. Für die alternativen Versionen wurde Bildmaterial zum
eigentlichen Thema, also z.B. die israelische Siedlungspolitik, herangezogen.
Im Ergebnis zeigte sich, dass die Beiträge mit tatsächlich illustrierendem Bildmaterial besser erinnert wurden als die mit dem typischen Standardmaterial. Letzte schnitten nicht besser ab, als eine reine Audio-Version
des selben Beitrags. Die sich aufdrängende Schlussfolgerung ist, dass in
Bezug auf die Erinnerung und das Verständnis ein gänzlicher Verzicht auf
Bildmaterial keinen Nachteil gegenüber dem Einsatz von Standardmaterial
bringt.
Bebilderung des Themenüberblicks
Inhalt Standbild
Landkarten
Beschriftungen
Filmisches Material
Schlagzeilen im Themenüberblick
Grafische Darstellungen
Erinnerung insgeamt
Abbildung 2.1: Einfluss bestimter Unterstützungsformen auf die Erinnerungsquote, nach
Goertz und Schönbach (1998), S. 125
2.1.4 Gestalterische Aspekte
Während die generelle Darbietungsform von Nachrichten und die Bebilderung, wie oben beschrieben, in vielerlei Hinsicht empirisch untersucht
wurde, hat die Forschung den Einfluss der Gestaltung auf Erinnerung von
Nachrichten bisher kaum beachtet3.
Goertz und Schönbach (1998) beschreiben die Gestaltung von Nachrichtensendungen als Balanceakt, der zwei Zielen dient: die Erinnerung an
Information verbessern und die Sendung insgesamt attraktiver machen. Die
Autoren gingen anfangs davon aus, dass es sich hierbei um Gegensätze handelt. Allerdings stellen sie in Anlehnung an vorangegangene Untersuchungen
(namentlich von Werner Früh, 1980) fest, dass „eine leichte Überforderung
der Zuschauer durch formale Reize“ deren Aufmerksamkeit so stimuliere,
„dass die vermittelten Informationen mit einer größeren Bereitschaft aufgenommen werden“4.
In ihrer Studie ermitteln Goertz und Schönbach unter anderem die
Erinnerung an bestimmte Meldungen in verschiedenen Nachrichtensendun-
12
gen und werten danach aus, welche Gestaltungsmittel in diesen Meldungen
verwendet wurden. Dabei stellen sie fest, dass sich die Erinnerung an eine
Meldung (hier zum Thema „Luftbrücke nach Ostbosnien“) leicht verbesserte,
wenn diese mit mehr als zwei Darstellungsformen präsentiert wurde. Das
bedeutet, sie wurde nicht alleine als Sprechermeldung oder als Korrespondentenbericht gezeigt, sondern z.B. als eine Kombination aus beidem und
einem anschließenden Interview mit dem Korrespondenten.
Ein anderer Teil ihrer Studie bezieht noch weitere Gestaltungsmittel
in die Analyse ein. Dabei wurde gezählt, wie oft eine Unterstützungsform
eingesetzt wurde und dann, wie oft eine so unterstützte Information erinnert
wurde. Der Quotient daraus für verschiedene Mittel ist in Abbildung 2.1
ersichtlich.
Das zeigt, dass Informationselemente, die durch das Bildmaterial
im Themenüberblick transportiert wurden, besonders gut erinnert wurden.
Inhalte, die über grafische Darstellungen vermittelt wurden, wurden hingegen seltener erinnert. Der Mittelwert der Erinnerung aller in irgendeiner Form
unterstützten Informationselemente betrug 16 Prozent. Es muss angemerkt
werden, dass für diese Untersuchung Berichte zu nur vier verschiedenen
Themen, diese jedoch aus fünf verschiedenen Nachrichtensendungen,
herangezogen wurden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass jede
Unterstützungsform innerhalb dieses Testfeldes jeweils in der für sie idealen
Art und Weise eingesetzt wurde.
häufig
2.2 Inhaltliche Kriterien
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Nachrichtenforschung nicht
nur den Auswirkungen formaler Aspekte auf die Lernbarkeit von Nachrichten widmet. Denn bei der Untersuchung, welche Nachrichten sich Nutzer
besonders gut merken können, lassen sich leicht Zusammenhänge zwischen
persönlichen Interessen und dem Inhalt der gemerkten Nachrichten beobachten. Das Stichwort lautet hier „Relevanz“.
Zu den besonders einfach nachweisbaren Kriterien für die persönliche
Relevanz (von Sozialpsychologen auch als „Themensalienz“ bezeichnet)
gehört beispielsweise ein örtlicher Bezug zwischen Ereignis und Betrachter
oder die persönliche Betroffenheit von einer Gesetzesänderung, Tarifverhandlung etc.
In einer experimentellen Studie von Knobloch u.a. (2002) wurde Probanden aus Texas und Alabama eine fiktive Geschichte über den Ausbruch
einer Krankheit präsentiert. Bei jeweils einem Teil der Probanden wurde der
Ausbruch der Krankheit in Texas, bei dem anderen Teil in Alabama verortet.
Das Ergebnis zeigt, dass Probanden sich besser an die Geschichte erinnerten, wenn sie gelesen hatten, dass die Krankheit in ihrer Gegend ausgebrochen war.
Nutzung
Nebenbeinutzung
selten
16–29
30–49
50–69
70+
Abbildung 2.1: Häufigkeit der Nutzung und Nebenbeinutzung von Fernsehnachrichten nach
Altersgruppen, nach Kuhlmann und Wolling (2004)
gung neben anderen Aktivitäten betrieben wird. Eine umfangreiche Auswertung von Fragebögen und Tagebuchdaten von Kuhlmann und Wolling (2004)
zeigt unter anderem die Nutzung und Nebenbeinutzung von 300 Teilnehmern nach Programmsparten.
Die Zahlen verdeutlichen, dass – wie auch in anderen Sparten – vor
allem jüngere Nutzer den Fernsehnachrichten zunehmend geteilte Aufmerksamkeit widmen. Ältere Menschen hingegen gucken Nachrichten vemehrt
ohne Nebenbeschäftigung.
2.3 Nutzungsmodalitäten und Aufmerksamkeit
Viele Studien habe die Informationsaufnahme von Nachrichten-Betrachtern
unter Laborbedingungen getestet. Einige Untersuchungen zur Nutzung des
Fernsehens zeigen jedoch, dass das Fernsehen zunehmend als Beschäfti-
1
vgl. Ruhrmann (1989), S. 25
2
vgl. Ruhrmann (1989), S. 90ff
3
vgl. Goertz und Schönbach (1998), S. 111f
4
vgl. Goertz und Schönbach (1998), S. 112
13
3 Detaillierte Betrachtung von
Nachrichtensendungen
Bei diesem Kapitel handelt es sich um eine detallierte Beschreibung fünf
verschiedener Nachrichtensendungen im deutschen Fernsehen. Hier werden
zunächst Beobachtungen festgehalten und mit Beispielen dokumentiert.
Eine Auswertung dieser Details erfolgt im nächsten Kapitel.
3.1 ARD Tageschau
Die tagesschau der ARD war die erste deutsche Fernsehnachrichtensendung
und ist nach wie vor die mit der höchsten Einschaltquote und der größten
Reichweite. Die bis zu zwölf produzierten Sendungen am Tag werden an bis
zu 18 Zeiten in der ARD und vielen anderen Sendern ausgestrahlt1.
Das Programm unterscheidet sich zwischen den Wochentagen und
dem Wochenende. Im gemeinsamen Vormittagsprogramm von ARD und ZDF
wechseln sich wöchentlich tagesschau und heute ab. Tagesthemen und
Nachtmagazin sind zwar formal mit der tagesschau verwandt, werden hier
aber nicht generell mit behandelt, sondern gezielt genannt, wenn Vergleiche
zur tagesschau oder anderen Sendungen es erfordern.
(a) Sprecher der 20-Uhr-Ausgabe
(b) Moderatorin der 15-Uhr-Ausgabe
Produziert wird die tagesschau von ARD-aktuell, der Nachrichten-Abteilung
der ARD. Der Hauptsitz und die Studios befinden sich in Hamburg, die
Redaktion arbeitet jedoch mit Redaktionen in den verschiedenen ARD-Rundfunkanstalten und Korrespondentenbüros im Ausland zusammen2.
Die Gestaltung der tagesschau hat seit ihrer Erstausstrahlung im
Dezember 1952 mehrere Überarbeitungen erfahren. Diese Neugestaltungen
geschahen in der Regel im Zuge mit allgemeinen Überarbeitungen des ARD
Corporate Design, zuletzt im Jahr 19953.
3.1.1 Struktur
Die verschiedenen Ausgaben der tagesschau unterscheiden sich in ihrer Länge und im Moderationsstil. Die Sendungen um 15, 17 und 20 Uhr dauern
15 Minuten, die anderen zwischen drei und zehn Minuten. Entsprechend
unterscheiden sich die Themenauswahl und die Aufbereitung.
Nicht alle Sendungen enthalten eine Wettervorhersage. Die 15-UhrAusgabe („tagesschau um Drei“) beinhaltet als einzige eine persönlich
moderierte Wettervorhersage, alle anderen Ausgaben zeigen ausschließlich
grafisch aufbereitete Wetterkarten und Prognosen, kommentiert von einem
Off-Sprecher.
Die tagesschau eröffnet immer mit der wichtigsten Meldung, die
zunächst vom Sprecher oder Moderator verlesen oder anmoderiert wird (vgl.
Abschnitt 3.1.2).
Die wichtigsten Themen werden in verschiedener Form präsentiert.
Eröffnet wird ein wichtigeres Thema zunächst vom Sprecher bzw. Moderator.
Danach werden normalerweise Bildbeiträge eingespielt. Sind diese länger
(zwischen 30 Sekunden und, in Ausnahmefällen, mehreren Minuten), werden sie live von einem Off-Sprecher kommentiert. Im Fall von Korresponden-
Abbildung 3.1: Sprecher und Moderatorin der Tagesschau
15
tenbeiträgen kann das der Korrespondent selbst sein, sonst übernimmt dies
ein Live-Studiosprecher.
Wird nur ein kurzer Bildbeitrag eingespielt, spricht/verliest der Nachrichtensprecher oder der Moderator gelegentlich selbst den dazugehörigen
Kommentar, während der entsprechende Beitrag läuft. Seine Rede läuft also
kontinuierlich weiter, während das Bild vom Studio zum Beitrag und zurück
wechselt.
3.1.2 Sprecher/Moderatoren
Die tagesschau kommt mit einem Sprecher bzw. einem Moderator aus. Lediglich die Wettervorhersage der tagesschau um drei wird von einem zweiten
Moderator kommentiert.
Die Darstellung des Sprechers unterscheidet sich zwischen der moderierten und nicht moderierten Form. Bei der Hauptausgabe, die von einem
Sprecher begleitet wird, sehen Zuschauer den Sprecher hinter seinem Tisch,
auf dessen Oberfläche Papier, Mikrofon und Hände des Sprechers zu sehen
sind (vgl. Abbildung 3.1 a). Der Sprecher liest die Texte meist vom Blatt ab,
seltener wird auch vom Teleprompter abgelesen. Aber auch in diesem Fall
nimmt der Sprecher zu jeder Meldung ein neues Blatt in die Hände und legt
das vorige zur Seite.
In der moderierten Form sehen Zuschauer nur den Kopf und Oberkörper der Moderatorin, die Hände bleiben verborgen (vgl. Abbildung 3.1 b).
Ihre Darstellung ist dadurch größer als die des Sprechers. Die Texte verliest
die Moderatorin ausschließlich vom Teleprompter. Durch die vergrößerte
Abbildung 3.4: Intro-Animation Tagesschau um 20.00 Uhr
16
Darstellung und den dauernden Blick zur Kamera entsteht hier eine stärkere
Präsenz, die Moderatorin kommt dem Zuschauer näher als der Nachrichtensprecher.
3.1.3 Kamera und Schnitt im Studio
Die Sprecher- oder Moderatorenkamera ist völlig unbewegt. Nur in der
Eingangs- und Ausgangssequenz sehen die Zuschauer der tagesschau Bilder
einer Kamerafahrt: Am Anfang bewegt sich eine Kran-Kamera auf den Sprecher zu, am Ende von ihm weg.
3.1.4 Studio/VR-Set
Das Studio der tagesschau besteht für die Zuschauer aus kaum mehr als
einem Hintergrund, der einen unscharfen Ausschnitt einer Weltkarte zeigt.
Darüberhinaus sieht man in den Ausgaben mit Sprecher einen Tisch.
3.1.5 Standard-Grafik und Animation
Intro-Animation
Vor der Hauptausgabe der tagesschau um 20 Uhr zeigt das Erste mehrere
Werbespots. Der letzte Spot wird in einem Fenster auf dem tagesschauHintergrund über der Uhr gezeigt. Die Sendung beginnt immer um punkt
20:00:00 Uhr mit einem Gongschlag, gefolgt von den Worten „Hier ist das
(a)
(b)
(c)
(d)
Abbildung 3.2: Studio und Inserts der Tagesschau um drei
Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau“ und der Logo-Animation, begleitet von einem Jingle. Die Logo-Animation mündet in einer Studio-Einstellung und schließlich einem Schnitt auf die Sprecher-Kamera. Diese Sequenz
dauert insgesamt etwa 15 Sekunden. Der Sprecher begrüßt die Zuschauer
stets mit den selben Worten „Guten Abend, meine Damen und Herren“ (vgl.
Abbildung 3.4).
Die Eröffnung der Kurzausgabe um 17.45 Uhr fällt knapper aus. Hier
wird kurz die Uhr gezeigt, mit einem Gong beginnt eine Logo-Animation, dier
hier nur fünf Sekunden dauert. Nach einem Schnitt wird sofort der Sprecher
gezeigt.
zeigt. Wenn sich ein Beitrag mit einem Unternehmen oder einer Organisation
befasst, wird in manchen Fällen anstelle eines Fotos das Logo des erwähnten
Unternehmens gezeigt. Handelt ein Beitrag von mehreren Organisationen
oder mehreren Personen, werden teils auch mehrere Portraits oder Logos
neben- oder untereinander eingesetzt.
Die Inserts werden hart, das heißt ohne jegliche Überblendungseffekte
eingeblendet bzw. überblendet. Innerhalb einer Meldung findet kein Wechsel
des Inserts statt.
Inserts
Zu jedem NiF-Beitrag zeigt die tagesschau in einer Bauchbinde den Namen
des Autors. Die Bauchbinde erscheint immer erst einige Sekunden nach
Beginn des Beitrags. Damit haben Zuschauer die Möglichkeit, zunächst die
Bilder zu interpretieren und danach zusätzliche Information zu lesen.
Namen von Interview-Partnern, Korrespondenten und sprechenden
Persönlichkeiten werden in der Regel mit Name und ggf. ihrer Funktion
ebenfalls in einer Bauchbinde angezeigt.
Gestalterisch sind die verschiedenen Typen von Bauchbinden einheitlich. Sie unterscheiden sich nur durch den darin gezeigten Text. Alle
Bauchbinden zeigen zudem die tagesschau Wortmarke (vgl. Abbildung 3.5)
und stärken damit die Wiedererkennbarkeit der Sendung.
Zu jedem Beitrag, der vom Sprecher bzw. Moderator vorgetragen wird, wird
aus Zuschauersicht links vom Sprecher eine Abbildung eingeblendet (vgl.
Abbildung 3.2). Dabei handelt es sich immer um unbewegtes Material. Meist
werden Fotografien, häufig aber auch Landkarten eingesetzt, und zwar in
der Regel querformatig. Die Größe ist unterschiedlich, die vertikale Position
variiert je nach der Überschrift, die darüber platziert wird.
Häufig werden, beispielsweise zur Illustration der Äußerungen von oder
Meldungen zu bekannten Persönlichkeiten, Portraitfotos dieser Personen
gezeigt. Dabei wird der Nachname der Person üblicherweise darunter ange-
Bauchbinden
17
(a)
(b)
(c)
(d)
Abbildung 3.5: Bauchbinden der Tagesschau
Die Bauchbinden erstrecken sich nur über etwa die Hälfte der Bildschirmbreite. Hierdurch kommt es zu Platzproblemen, weshalb Funktionsbezeichnungen teils abgekürzt werden müssen. Aus „Vorsitzender Bündnis
90/Die Grünen“ wird z.B. „B.90/GrüneVorsitzender“ (vgl. Abbildung 3.5).
3.1.6 Besondere Einstellungen
Splitscreen / Bild im Bild
Bei der tagesschau wird die Live-Zuspielung eines Korrespondenten normalerweise nach einem harten Schnitt im Vollbild gezeigt. In Ausnahmen
wird jedoch auch weiteres Bildmaterial eingespielt, wofür dann zwei Fenster
parallel dargestellt werden. Der Korrespondent ist dabei im kleineren Fenster
zu sehen, wärend das Bildmaterial im größeren Fenster abläuft (vgl. Abbildung 3.6).
3.1.7 Karten und Infografik
Abbildung 3.6: Splitscreen
bei der Tagesschau
18
Gelegentlich wird in der tagesschau rein grafisches Bildmaterial verwendet.
Ein häufiger Fall hierfür sind Landkarten, die sowohl als statische Inserts
eingesetzt werden als auch in manchen Fällen bildfüllend und teils animiert.
Ein Beispiel hierfür findet sich in der Berichterstattung zur Flutkatastrophe
vom Dezember 2004. Dort wurde zunächst in einer Übersicht der indische
Ozean gezeigt. Aus dieser Ansicht wurde in die Karte „hinein gezoomt“,
wodurch die betroffenen Inselregionen in Süd-Ost-Asien in den Mittelpunkt
rückten (vgl. Abbildung 3.7).
Immer wiederkehrende Grafik-Elemente sind außerdem auch die Lottozahlen
und die Fußballergebnisse sowie die Bundesliga-Tabelle. Die Lottozahlen
werden durch eine statische Grafik angezeigt, während der Sprecher oder
Moderator die gezogenen Zahlen vorliest (vgl. Abbildung 3.8 a). Bei den
Fußballergebnissen handelt es sich um eine animierte Grafik. Hier wird Zeile
für Zeile durch einen Pfeil und einen Rahmen hervorgehoben, während der
Sprecher das jeweilige Ergebnis vorliest. Zusätzlich sind bei Ergebnissen
und Liga-Tabellen die Hintergründe, unscharfe Zeitlupen-Aufnahmen von
Fußballspielern, animiert (vgl. Abbildung 3.8 b und c).
Zusätzlich zu diesen festen Bestandteilen bestimmter tagesschauSendungen werden vereinzelt Grafiken im Rahmen von Beiträgen eingesetzt.
So werden beispielsweise neue Wirtschaftsprognosen mit Tafeln illustriert,
auf denen die wichtigsten Daten und Trends der Prognose schriftlich oder
mit Hilfe simpler Symbolik, wie z.B. eines Pfeils, dargestellt werden (vgl.
Abbildung 3.8 d und e). Hierbei werden häufig die einzelnen Bestandteile
der ansonsten statischen Tafel nacheinander eingeblendet.
In einem Bericht über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur
Unrechtmäßigkeit des Verbots von Studiengebühren wurde eine Deutschlandkarte eingesetzt, auf der die Bundesländer anhand der Grenzlinien zu
erkennen waren (vgl. Abbildung 3.8 i). Während die Moderatorin erklärte,
welche Bundesländer gegen das Verbot geklagt hatten und welche künftig
Studiengebühren einführen wollten, wurden diese grau eingefärbt. Weiterhin
wurden die drei Bundesländer, in denen das Studium weiterhin gebührenfrei
bleiben sollte, rot eingefärbt.
Die tagesschau-Ausgaben, die sich innerhalb der Sendung detailiert
mit bestimmten Börsenwerten befassen, zeigen hierzu häufig Kurs-Charts
(vgl. Abbildung 3.8 f). Auch diese werden in mehreren Schritten eingeblendet. Zunächst wird der Hintergrund gezeigt, danach das Liniendiagramm
ohne Beschriftung darübergeblendet. Zuletzt kommt die Beschriftung hinzu.
Weitere Verwendungen von Tafeln sind beispielsweise die Einblendung
eines Originalzitats (vgl. Abbildung 3.8 g) aus einem Dokument oder einer
Verlautbarung, oder die Anzeige von Hinweisen auf weitere Informationenen
oder z.B. Spendenkonten.
3.1.8 Besondere Darstellungsmittel
Das einzige Darstellungsmittel, abgesehen von der Montage, das bei der
tagesschau im Beobachtungszeitraum gefunden werden konnte, waren
Weißblenden bei einem Interview. Hierdurch sollen offenbar Schnitte von
Interviewbestandteilen offensichtlicher erkennbar gemacht werden.
Abbildung 3.7: Karten-Zoom bei der Tagesschau
19
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
(h)
(i)
Abbildung 3.8: Tafeln in der
Tagesschau
20
3.2 ZDF heute
3.2.3 Kamera und Schnitt im Studio
ZDF heute wird mehrmals täglich gezeigt, die Hauptsendung ist täglich um
19 Uhr und dauert 20 Minuten.
Bei ZDF heute gibt es mehrere Kameraeinstellungen für die Moderatoren.
Die Kamerafahrt bei der Eröffnung geht (vgl. Abbildung 3.9 a) in eine nahe
Einstellung über, die den Kopf und einen Teil des Oberkörpers des Moderators zeigt. (vgl. Abbildung 3.9 b). Diese Einstellung (oder eine ähnliche) wird
auch später in der Sendung wieder gezeigt. Zur Präsentation der Nachrichtenmeldungen wird der Moderator dann halbnah an einem Tisch gezeigt (vgl.
Abbildung 3.9 c). Es kommt vor, dass diese Einstellung mittels Aufzieher
aus der Nahaufnahme erreicht wird.
Bei der Übergabe des Hauptmoderators an den Sportmoderator wird
eine Halbtotale gezeigt, auf der beide Moderatoren nebeneinander zu sehen
sind (vgl. Abbildung 3.9 h), bevor dann die nächste Einstellung den Sportmoderator halbnah zeigt (vgl. Abbildung 3.9 i). Die Übergabe zurück zum
Hauptmoderator erfolgt ebenfalls über eine Halbtotale, jedoch diesmal in
einem anderen Winkel (vgl. Abbildung 3.9 j). Ähnlich funktioniert die Übergabe an die Moderatorin des Politbarometer (vgl. Abbildung 3.9 d, e, f). Hier
werden noch häufiger Halbtotale aus verschiedenen Winkeln eingesetzt, um
einen Dialog zwischen Hauptmoderator und Moderator des Politbarometer
einzufangen.
Zum Ende der Sendung bewegt sich die Kamera entgegengesetzt der
Intro-Fahrt weg von der Nahaufnahme zur Totalen (vgl. Abbildung 3.9 k, l).
3.2.1 Struktur
Die Hauptausgabe um 19 Uhr eröffnet mit einer Intro-Animation, die in eine
Themen-Vorschau übergeht. Hier werden drei Themen mit kurzer Bildeinspielung und angezeigter Themenüberschrift angekündigt, die der Moderator
gleichzeitig vorliest und jeweils mit einigen Worten anreißt. Dazwischen
erscheint ein jeweils charakteristischer Trenner. Nach dem dritten Thema,
normalerweise das Wetter, erscheint das Logo der Sendung, danach folgt
eine Kamerafahrt auf den Moderator zu, bei der man kurz das Studio zu
sehen bekommt. Die ganze Einführung dauert ca. 40 Sekunden.
Der erste Teil der Sendung widmet sich einem oder mehreren Hauptthemen, wonach weitere Meldungen gezeigt werden. Der Moderator gibt
dann für den Sportteil an einen weiteren Moderator ab. Zum Schluss erhält
noch einmal der Moderator das Wort und beendet die Sendung mit einem
Hinweis auf die folgende Wettervorhersage sowie die nächste Sendung und
einer Verabschiedung.
3.2.2 Moderation
3.2.4 Studio
Die Moderatoren der heute-Sendung lesen ihren Text vom Teleprompter
ab, halten also nahezu ununterbrochen Augenkontakt mit der Kamera. Die
Hauptausgabe wird von zwei Personen moderiert, wobei die zweite ausschließlich für den Sportteil zuständig ist. Die kürzeren Sendungen werden
jeweils nur von einer Person moderiert. Eine Ausnahme von dieser Regel
bildet die Freitagssendung jeweils dann, wenn im Anschluss das Politbarometer folgt. Hier trägt eine dritte Moderatorin im Studio einige Ergebnisse
aus aktuellen Umfragen vor.
Das heute-Studio bekommen die Zuschauer zu Beginn und zum Schluss der
Sendung jeweils kurz in der Totalen gezeigt. Es besteht aus einem halbrunden Moderationstisch und den Hintergründen, die offenbar aus echten
Studiobauten bestehen. Der Hintergrund hinter dem Hauptmoderator ist
offensichtlich ein Blue Screen, der eine „neutrale“ Weltkugel zeigt, während
der Nachrichtenmeldungen jedoch der Platz für Inserts bietet.
21
Abbildung 3.9: Kameraeinstellungen im heute-Studio
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
(h)
(i)
(j)
(k)
(l)
22
Abbildung 3.10: Splitscreen bei ZDF heute
Der Hintergrund des Sportmoderators ist weniger vielseitig. An einer Seite ist
die blaue Hintergrundfläche durch Holzpanele begrenzt. Inserts werden nur
innerhalb eines fest positionierten Panels an der Wand gezeigt.
3.2.5 Splitscreens
Bei Live-Schaltungen zu Korrespondenten werden Korrespondent und Moderator zeitweise in der Splitscreen-Ansicht gezeigt (vgl. Abbildung 3.10). Über
dem Bild des Korrespondenten wird hier der Name des Orts, an dem sich
dieser befindet, eingeblendet. Als Übergang zwischen Moderatoren- und Korrespondenten-Nahaufnahme wird das Bild jeweils groß- bzw. kleingezoomt.
3.2.6 Grafik
Inserts
Wie bei der ARD tagesschau werden auch bei heute die Inserts links (aus
Zuschauersicht) vom Moderator eingeblendet. Allerdings lässt sich eine
größere Bandbreite verschiedener Gestaltungstechniken aufzeigen. Die
Standardversion zeigt eine Abbildung, häufig ein Foto, in einem festgelegten
Rahmen und darunter eine Bildunterschrift (vgl. Abbildung 3.11 a). Seltener
kommt es vor, dass keine Bildunterschrift angezeigt wird, dann wird das Bild
normalerweise in einem größeren Format dargestellt (vgl. Abbildung 3.11
b). Bei ZDF heute werden, im Gegensatz zur tagesschau, auch Foto- und
Grafik-Collagen eingesetzt (vgl. Abbildung 3.11 c, e, h). Zum Thema „Wahl
im Irak“ beispielsweise wurde eine Collage aus der irakischen Flagge, den
Umrissen des Landes auf der Landkarte und Ankreuzfeldern gezeigt (vgl.
Abbildung 3.11 c). Handelt ein Beitrag hauptsächlich von einer Person, wird
in der Regel ein Portraitfoto als Insert verwendet (vgl. Abbildung 3.11 d).
Bei Mitgliedern der Bundesregierung wird zusätzlich ein schwarz-rot-goldener Bundesadler gezeigt (vgl. Abbildung 3.11 e). Unternehmen und Organisationen werden häufig durch deren Logos repräsentiert, wie in Abbildung
3.11 (f) zu sehen. Bei Berichten zu Ländern oder Staatenbündnissen werden
besonders häufig die Landesflaggen verwendet (vgl. Abbildung 3.11 g, h).
Die Inserts im Sportteil haben ausnahmslos nur eine Größe. Hier werden
ausschließlich einzelne Fotos oder Abbildungen eingesetzt, jedoch keine
Bildunterschriften.
Da die Inserts fast immer statisch sind, fällt es umso eher auf, wenn
diese Regel mal gebrochen wird. Es kommt aber vor, beispielsweise vor der
Berichterstattung zur Düsseldorfer Modemesse. Hier wurden zahlreiche Fotos
durch den Insert-Rahmen bewegt. Die Worte der Moderatorin dazu: „Ein
frischer Wind weht durch Deutschland, jedenfalls in Sachen Mode.“
Bauchbinden
Bauchbinden übernehmen auch bei ZDF heute mehrere Funktionen. Sie
dienen z.B. zur Anzeige von Name und Funktion von interviewten Personen.
Bei NiF-Beiträgen werden sie genutzt, um den Ortsnamen einzublenden. Zu-
23
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
(h)
(i)
Abbildung 3.11:
Inserts bei ZDF heute
24
Abbildung 3.12: Bauchbinden
bei ZDF heute
(a)
(b)
(c)
Abbildung 3.13: Landkarten-Zoom bei ZDF heute
sätzlich können sie auch während der Moderation dazu dienen, zusätzliche
Informationen oder Internetadressen anzuzeigen. Auch bei heute sind die
Bauchbinden unbewegt und besitzen ein einheitliches Format. Lediglich die
Schriftgröße variiert, je nach Textmenge (vgl. Abbildung 3.12).
Karten
Auch beim ZDF werden Landkarten eingesetzt, um geographische Zusammenhänge zu erklären. Um aus einer Übersicht auf eine Detailansicht zu
überblenden, erscheint bei heute eine Animation, bei der in der Übersichtskarte ein Rechteck markiert wird. Der Inhalt dieses Rechtecks wird dann bis
zur Bildschirmgröße aufgezogen und zeigt die Region im Ausschnitt detailierter (vgl. Abbildung 3.13).
25
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
(h)
(i)
Abbildung 3.14:
Tafeln bei ZDF heute
26
Abbildung 3.15: Infografik bei ZDF heute
(a)
(b)
(c)
Abbildung 3.16: Animation zum TsunamiFrühwarnsystem bei ZDF heute
Tafeln
Zur Darstellung von Daten und Fakten werden Tafeln eingesetzt. Zu den Anwendungsgebieten gehören Fußballergebnisse, Lottozahlen, Personennamen
und Portraits sowie Textzitate (vgl. Abbildung 3.14).
Infografik
Zur Veranschaulichung von Trends oder zur Erklärung komplizierterer
Zusammenhänge werden auch typische Diagramme eingesetzt. Abbildung
3.15 (a) und (b) zeigen zwei Grafiken aus einem Bericht über die aktuelle
Pannenstatistik des TÜV. Jeden Freitag werden Auszüge aus der folgenden
Politbarometer-Sendung vorgestellt (vgl. Abbildung 3.15 c). Die Diagramme werden in der Regel schrittweise aufgebaut, je nach Art des Diagramms
unterschiedlich.
Komplexere Erläuterungen werden auch durch schematische Visualisierungen unterstützt. So wurde beispielsweise im Januar 2005 die Information, wie ein Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean funktionieren
kann, durch eine Animation unterstützt. Während der Off-Sprecher das
Konzept erklärte, wurden nacheinander die Komponenten des Systems dargestellt und deren Verbindungen angezeigt (vgl. Abbildung 3.16).
27
Abbildung 3.17: Verfremdete Szene in der
3.2.7 Besondere Darstellungsmittel
heute-Sendung (27.1.2005, 19 Uhr)
Bei der heute-Sendung finden sich auch in den filmischen Beiträgen erwähnenswerte Besonderheiten, die unter den bisherigen Stichworten noch nicht
dargestellt wurden.
Normalerweise werden Nachrichtenbeiträge nicht eigens mit Musik
unterlegt. Umso auffälliger ist es, wenn es einmal gemacht wird, wie z.B. bei
einem Bericht von der Düsseldorfer Modemesse „CDP“, bei dem vor allem
Modelle auf dem Laufsteg gezeigt und die kommenden Modetrends erörtert
wurden4.
In der Berichterstattung zum Schiedrichterskandal Anfang 2005
finden sich mehrere Szenen, in denen ältere Aufnahmen (Archivmaterial)
des Schiedsrichters Hoyzer auf dem Spielfeld gezeigt werden. Der Sprechertext befasst sich gleichzeitig nicht konkret mit den Bildern, sondern
eher allgemein mit dem Betrugsfall. Das Bildmaterial von Hoyzer auf dem
Spielfeld wird teilweise in Zeitlupe abgespielt. Auch werden Farbaufnahmen
in Schwarzweiß umgewandelt. Der Sprechertext während dieser Umwandlung
lautet „Ein schlimmer Schatten auf dem deutschen Fußball, knapp 500
Tage vor Beginn der Weltmeisterschaft“5.
Zum selben Thema wird auch eine Szene aus einem Café, in dem
angeblich beteiligte des Betrugsfalls Kontakt zur „Wettmafia“ aufgenommen
haben, gezeigt. Die Bilder sind schwarzweiß, die Gesichter der Personen
sind unkenntlich gemacht6. Im Beitrag findet sich jedoch kein Hinweis auf
das Zustandekommen dieser Bilder, weshalb angenommen werden muss,
dass das ZDF die Bilder umgefärbt hat, um den Eindruck von nachgestellten
Aufnahmen oder einer versteckten Beobachtungskamera zu erwecken.
Ein noch auffälligerer Verfremdungseffekt findet sich auch in einem
Bericht des heute-journal zum Thema „Vaterschaftstests“7. Dort wird ein
Mann gezeigt, der sich in ein Kinderbett beugt und mit einem Wattestäbchen
eine Speichelprobe von einem Baby entnimmt. Die Szene ist in Schwarzweiß
umgewandelt und zusätzlich solarisiert (vgl. Abbildung 3.18).
Abbildung 3.18: Solarisationseffekt
im ZDF heute-journal
28
3.3 RTL aktuell
zu sehen sind, die lässig noch ein paar Worte wechseln, während sich die
Kamera wieder entfernt.
RTL aktuell wird einmal täglich um 18.45 Uhr ausgestrahlt. Die Sendung
dauert wochentags 25 Minuten, die Wochenendausgabe „RTL aktuell weekend“ dauert 20 Minuten.
3.3.2 Moderation
3.3.1 Struktur
RTL aktuell beschäftigt in jeder Sendung typischerweise drei Moderatoren.
Der Hauptmoderator, auch als „Anchor“ bezeichnet, hat dabei das erste und
letzte Wort und leitet sowohl zum Sport- als auch zum Wetter-Moderator
über.
Die typische RTL aktuell Sendung beginnt mit einer Übersicht über drei
wichtige Themen der Sendung, ähnlich wie bei ZDF heute. Die Themen
werden kurz im Bild gezeigt, dazu schriftliche Schlagzeilen. Der Moderator
spricht kurze Anreißertexte zu jedem Thema. Dann wird das Studio in einer
Ranfahrt, ausgehend von der Halbtotale, gezeigt, in der Moderator und
Sportmoderator zu sehen sind, die das Publikum begrüßen. Nach einem
Schnitt zeigt die Kamera den Moderator halbnah, der den ersten und normalerweise wichtigsten Beitrag anmoderiert. Nach der Anmoderation folgt ein
NiF-Beitrag.
Nachdem in dieser Folge mehrere Beiträge präsentiert wurden, kündigt
der Moderator einen weiteren, bereits zu Beginn der Sendung angekündigten
Beitrag an, leitet jedoch zunächst auf einen weiteren Block mit Meldungen
über. Dieser umfasst etwa fünf NiF-Beiträge, die insgesamt etwa eineinhalb
Minuten umfassen. Zu Beginn jeden Beitrags wird eine Themenüberschrift
angezeigt, die der Off-Sprecher auch vorliest. Ein optischer und akustischer
Trenner markiert den Übergang zum jeweils nächsten Beitrag.
Nun werden erneut Beiträge, anmoderiert vom Moderator, gezeigt,
allerdings noch nicht der bereits zweimal angekündigte. Danach wird an den
Sportmoderator übergeben. Dieser präsentiert ebenfalls mehrere Beiträge mit
eigener Anmoderation und gibt schließlich an den Hauptmoderator zurück,
der nur noch das Wetter ankündigt und dann an den Wetter-Moderator weitergibt. Dieser kommentiert einige Grafiken und Animationen zur Wetterlage
und -vorhersage. Die Sendung endet mit einer Verabschiedung durch den
Hauptmoderatoren in der Halbtotalen, auf der er und der Sportmoderator
3.3.3 Kamera und Schnitt im Studio
Die Kameraeinstellungen bei RTL aktuell verhalten sich noch einmal dynamischer als bei ZDF heute. Auch hier gibt es eine Haupt-Einstellung, die den
Anchor links von der Bildmitte (aus Zuschauersicht) und von eingeblendeten
Inserts platziert. Es kann jedoch auch vorkommen, dass mittels Schnitt von
dieser Haupteinstellung in eine nähere Einstellung, die den Anchor diesmal
mittig zeigt, gewechselt wird.
Besonders auffällig ist die ebenfalls vorkommende Kombination aus
einer Ranfahrt zum Anchor von der halbnahen Einstellung zur Nahaufnahme,
kombiniert mit einer Seitwärtsbewegung der Kamera.
Für den weiteren Sendungsverlauf gibt es eine weitere halbnahe
Einstellung für den Anchor, der diesmal rechts im Bild positioniert wird und
neben sich mehr Freiraum für Grafik lässt.
Zur Übergabe zwischen Anchor und Sport-Moderator wird, wie beim
ZDF, eine Halbtotale verwendet, die beide Personen gleichzeitig zeigt. Die
Einstellungen für den Sport-Moderator ist dann eine typische halbnahe,
Moderator rechts im Bild, daneben Raum für Inserts.
Bei der Präsentation des Wetters wechelt die Kamera dynamisch zwischen leicht unterschiedlichen Einstellungen, wobei sowohl die Entfernung
als auch der horizontale Betrachtungswinkel geändert werden.
Auch bei RTL aktuell wird die Sendung mit einer „Wegfahrt“
von der Halbtotalen beendet.
29
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
(h)
(i)
(j)
(k)
(l)
Abbildung 3.19: Inserts bei
RTL aktuell
(m)
30
(n)
(o)
3.3.4 Studio
3.3.6 Grafik
Die Moderatoren sitzen oder stehen vor einem langen, leicht gerundeten
Tisch, in dessen Oberfläche offenbar mehrere Monitore eingelassen sind.
Bei dem Hintergrund handelt es sich offenbar um ein VR-Set. Die gebogen
Hintergrundfläche wird flexibel bespielt. Mal zeigt sie drei Monitor-artige
Fenser nebeneinander, in denen Weltkugeln in verschiedenen Größen und
Bildausschnitten rotieren.
Die halbnahen Moderatoren-Einstellungen deuten einen halbtransparenten Studiohintergrund an, hinter dem mehrere Pseudo-Monitore mit
bewegtem Bild zu erkennen sind.
Die Wetter-Moderation spielt sich ebenfalls vor einem transparent anmutenden VR-Hintergrund ab, durch den man angedeutet Glasfenster eines
anderen Gebäudeteils erkennen kann. Zudem beinhaltet der Set mehrere
virtuelle, senkrechte Säulen, von denen eine wirkt als würde sie die Projektionsfläche für die Wettergrafiken tragen.
Inserts
3.3.5 Splitscreens
Gespräche mit Korrespondenten werden bildlich auf verschiedene Arten
realisiert. Das Live-Bild des Korrespondenten wird beispielsweis als Hintergrund-Insert eingeblendet. Der Anchor dreht sich dabei schräg nach hinten,
um anzudeuten, dass er sich dem Bild des Korrespondenten zuwendet, wo er
tatsächlich eine grüne, blaue oder violette Wand ansieht.
Eine andere Form ist die als Splitscreen realisierte, ähnlich der des
ZDF. Hier werden beide Gesprächspartner nah in einem vertikal halbierten
Bild gezeigt. Die beiden Bilder werden jeweils mit einer Animation auf Vollbildgröße gebracht, wenn nur eine einzelne Person gezeigt werden soll.
Bei RTL aktuell gibt es eine große Bandbreite verschiedener Arten von
Inserts. Im Unterschied zur ARD tagesschau und ZDF heute kann festgestellt
werden, dass hier niemals Bildunterschriften oder Überschriften eingesetzt
werden, die die Interpretation der Bilder leiten könnten.
Es werden sowohl einzelne Fotos als auch Fotocollagen, Grafiken oder
Collagen aus Grafik und Fotografien eingesetzt. Es kommt auch in Ausnahmefällen Bewegtbild zum Einsatz. Landkarten werden bei RTL nicht nur
statisch angezeigt, sondern häufig animiert. So kann sich beispielsweise der
angezeigte Kartenausschnitt, eine Markierung oder Beschriftung während der
Anzeige ändern.
Die Formate der Inserts sind durchaus unterschiedlich. Bilder und
Illustrationen sind meist unscharf umrandet, so dass sie sich weich in den
Hintergrund einfügen (vgl. Abbildung 3.19).
Die Bandbreite der Stilmittel zur Ausgestaltung der Inserts ist recht
groß. Um einem Bild von einer Naturkatastrophe einen authentischere
Wirkung zu verleihen, wird dieses beispielsweise mit den typischen Anzeige-Elementen aus dem Sucherbild eines Video-Camcorders überlagert (vgl.
Abbildung 3.19 m). Um die Bedrohlichkeit der Situation für den DFBSchiedsrichter Robert Hoyzer zu illustrieren, wird dessen Foto mit einem
Bild von düsteren Gewitterwolken hinterlegt, aus denen unregelmäßig Blitze
aufleuchten (vgl. Abbildung 3.19 h).
Bauchbinden
Bei RTL aktuell werden verschiedene Arten von Bauchbinden eingesetzt, die
auch unterschiedlich gestaltet sind. Die Namen der Moderatoren werden auf
einen effektvoll eingeblendeten Hintergrundbalken, Buchstaben für Buchstaben einzeln einfliegend, positioniert. Die Bauchbinden in NiF-Beiträgen sind
einfacher. Dort bewegt sich nur die Weltkugel der RTL aktuell Bildmarke.
31
Abbildung 3.20: Landkarten bei RTL aktuell (I)
Abbildung 3.21: Landkarten bei RTL aktuell (II)
Karten
Karten werden sehr flexibel gehandhabt. Wie auch beim ZDF, wird häufig
eine Übersichtskarte gezeigt, aus der dann ein Ausschnitt vergrößert wird
(vgl. Abbildung 3.20). Auffällig ist, dass nicht nur Länder- und Ortsnamen
in die Karten eingetragen werden, sondern je nach Bericht noch andere
relevante Merkmale.
In einem Bericht über ungewöhnlich starke Schneefälle im Mittelmeerraum wurden die Gebiete, in denen besonders viel Schnee gefallen war, mit
weißen Flächen auf einer Landkarte markiert.
32
Ein anderer Beitrag berichtete von einem Bootsunglück bei einer Insel an
der thailändischen Ostküste. Mit dem Off-Text „Nach der Flutkatastrophe
hatten viele Urlauber von den zerstörten Ferienzentren an der Westküste auf
die verschonten Inseln im Osten umgebucht“ wurde die betroffene Küstenregion auf der Karte hervorgehoben. Erst danach wurde die Karte zu der Insel
„gezoomt“, an der sich das Unglück ereignet hatte (vgl. Abbildung 3.21).
(a)
(b)
(c)
(d)
Abbildung 3.22: Tafeln bei RTL aktuell
(e)
(f)
Abbildung 3.23: Besondere Darstellungstechniken bei RTL aktuell
(a)
(b)
(c)
(d)
33
Abbildung 3.24: Nachgestellte Szene bei RTL aktuell
3.3.7 Besondere Darstellungsmittel
Bei RTL aktuell kommen häufiger 3D-Animationen zum Einsatz. Für die
Illustration der Funktionsweise eines Tsunami-Frühwarnsystems wurde ein
3D-Animationsfilm gezeigt. Auch zur Erklärung des Hergangs eines Zugunglücks in den USA wurde eine 3D-Animation verwendet (vgl. Abbildung 3.23
a und b).
In einem Bericht über häusliche Gewalt8 setzte RTL aktuell gleich
mehrere Techniken zur Dramatisierung in Kombination ein. Zunächst bewegt
sich eine handgeführte Kamera schnell durch einen Hausflur zum Fahrstuhl.
Der Sprechertext dazu: „Der Ehemann hatte sogar das Lenkrad aus dem
VW-Bus seiner Frau abmontiert, damit sie nicht vor ihm fliehen konnte. Doch
erst nach dem Polizeieinsatz zu Silvester wurde ihm verboten, sich seiner
Frau zu nähern“. Danach kommt eine Expertin zu Wort, die sich zur Auswir-
34
kung von Gewalt zwischen Ehegatten äußert. Während ihres Kommentar wird
eine offenbar nachgestellte Szene gezeigt. In starker Zeitlupe und schwarzweiß eingefärbten Bildern sieht man einen Mann, der in einem Schlafzimmer
offenbar gegen eine Frau handgreiflich wird.
Eine weitere Besonderheit ist der Einsatz der Zeitraffer-Technik in
einem Bericht über Sportartikel. Hier wurde den Zuschauern ein neuartiger Schlitten vorgestellt. Das Bildmaterial, dass den Reporter dabei zeigte,
wie er das Gerät startklar macht, wurde mit stark erhöhter Geschwindigkeit
abgespielt.
Darüber hinaus gehören auch die Weiblenden zum Schnitt von Interviews in das Repertoire von RTL aktuell.
3.4 Pro7 Newstime
3.4.2 Moderation
Pro7 Newstime läuft täglich um 20 Uhr, also gleichzeitig mit der Hauptausgabe der ARD tagesschau. Der Marktanteil 2004 betrug 5,2 Prozent.
Bei Newstime teilen sich eine Moderatorin und ein Moderator die Rolle des
Anchor. Beide sprechen ungefähr gleich viel und werden auch sonst in etwa
gleichermaßen prominent inszeniert, während bei RTL und ZDF deutliche
Unterschiede zwischen der Darstellung von Anchor und Sportmoderator
wahrzunehmen sind. Auch ist die Aufgabenverteilung bei Newstime nicht so
strikt, dass beispielsweise einer nur den Sport moderieren würde. Vielmehr
geben die beiden Moderatoren laufend ab, teilweise sogar innerhalb einer
Anmoderation.
3.4.1 Struktur
Die Sendung beginnt mit einem Schlagzeilen-Block, der drei Themen vorab
ankündigt. Dazu wird jeweils Bildmaterial gezeigt, dazu spricht eine OffStimme. Danach beginnt die sehr aufwändige Intro-Animation der Sendung,
ein 3D-Flug durch eine virtuelle Stadt hinein in ein virtuelles NachrichtenGebäude (vgl. Abbildung 3.25). Eine Sprecherstimme begrüßt die Zuschauer
zur Sendung „live aus dem Pro7 Infocenter“ und stellt die Moderatoren vor.
Abbildung 3.25: Intro-Animation von Pro7 Newstime
35
Abbildung 3.26: Typische Kameraeinstellungen bei Pro7 Newstime
3.4.3 Kamera und Schnitt im Studio
Durch den dynamischen Moderationsstil kommt es zu einer recht aktiven
Kamera und häufigen Schnitten bei den Studioeinstellungen. Wie Abbildung
3.26 zeigt, gibt es neben den typischen halbnahen Moderatoren-Einstellungen auch mehrere Variationen der Halbtotalen, die der gemeinsamen
Moderation bzw. der Übergabe dient. Die nahen Einstellungen werden teils
auch in Form von dezenten Ranfahrten dynamisiert.
3.4.4 Studio
Das aufwendig gestaltete VR-Studio, das bereits bei der oppulenten IntroAnimation eingeführt wird, ist ein transparenter erscheinender Raum mit
einem auffällig rot-weißen, hakenförmigen Tisch. Der gebogene Hintergrund
36
wird durch (ebenfalls rein grafische) vertikale Glaspanele strukturiert, auf
denen Weltkarten zu sehen sind. An zwei horizontalen Linien orientieren sich
eingeblendete Inserts.
Ähnlich wie bei RTL aktuell, jedoch noch ausgeprägter, wird hinter
dem teiltransparent VR-Hintergrund bewegtes Bildmaterial gezeigt. Im Fall
von Newstime handelt es sich um die Silhouetten von Menschen, die sich
durch das Bild bewegen oder teils stehenbleiben, als würden sie sich miteinander unterhalten. Hierdurch soll offenbar die Lebendigkeit des eingangs
erwähnten (und in der Intro-Animation visualisierten) „Pro7 Infocenter“
dargestellt werden.
Abbildung 3.28: Inserts bei Pro7 Newstime
3.4.5 Splitscreens
Live-Schaltungen zu Korrespondenten werden mit dem Bild des Korrespondenten als Studio-Insert eingeleitet, wie in Abbildung 3.27 (a) zu sehen.
Während des Gesprächs wenden sich beide Moderatoren dem Studiohintergrund zu, um die Dialogsituation zu verdeutlichen. Zur Einspielung weiteren
Bildmaterials wird dieses in einem Fenster angezeigt, dazu in einem weiteren Fenster das Bild des Korrespondenten (vgl. Abbildung 3.27 b).
(a)
(b)
3.4.6 Grafik
Abbildung 3.27: Korrespondent bei Live-Schaltung in Pro7 Newstime
Inserts
Die Inserts bei Newstime sind fast immer Collagen aus Bildmaterial unterschiedlicher Art. Sie werden nicht einfach eingeblendet, sondern erscheinen
37
Abbildung 3.29: Bauchbinden bei Pro7 Newstime
mit verschiedenen Effekten mal in einer Art „Jalousie-Blende“ oder fahren
seitlich ins Bild.
Eine Besonderheit bei Newstime sind rein typografische Inserts, die
einzelne Themen in Form einer Schlagzeile, wie z.B. „Die Todes-Welle“ einleiten. Auch diese Schlagzeile baut sich effektvoll Zeile für Zeile auf.
Bauchbinden
Bauchbinden werden für die Einblendung der Namen von Moderatoren im
Studio genutzt sowie für die Anzeige von Namen und Funktionen von Personen, deren Rede im Wortlaut wiedergegeben wird. Zusätzlich erscheint eine
Bauchbinde am Schluss der Sendung, um auf Angebote im Fernsehtext und
im World Wide Web hinzuweisen (vgl. Abbildung 3.29).
Ähnlich den Inserts, werden auch die Bauchbinden mit einem charakteristischen „Jalousie-Effekt“ ein- und ausgeblendet.
3.5.1 Struktur und Moderation
Die Sendung beginnt mit einem Schlagzeilen-Block, bei dem – wie auch
in anderen Sendungen – drei Themen angerissen werden. Zum Kamerabild
erscheint eine Bauchbinde mit der Schlagzeile. Der Hauptmoderator der
Sendung spricht dazu einen Text aus dem Off. Nach der dritten Schlagzeile
folgt eine Intro-Animation, die in eine Kamerafahrt in das Studio übergeht.
Dabei eröffnet eine andere Off-Stimme die Sendung und nennt den Namen
des Moderators.
Sobald dieser im Bild gezeigt wird, begrüßt er seinerseits die Zuschauer und stellt den Sportmoderator vor10, der ebenfalls die Gelegenheit nutzt,
die Zuschauer willkommen zu heißen.
3.5 SAT.1 News
Die Sendung SAT.1 News wird täglich ausgestrahlt, wochentags mehrmals.
Die Hauptausgabe wird um 18.30 Uhr übertragen. Der Marktanteil im Jahr
2004 betrug 10,9 Prozent9.
38
Seite gegenüber:
Abbildung 3.30 – Typische Kameraeinstellungen bei SAT.1 News
39
Abbildung 3.31: Live-Schaltungen
bei SAT.1 News
Der nun beginnende Hauptteil der Sendung besteht aus Beiträgen, die vom
Hauptmoderator anmoderiert und dann als NiF fortgesetzt werden. Die eingangs angekündigten Schlagzeilen-Themen sind darin eingestreut, begonnen
wird jedoch mit der ersten Schlagzeile.
Zwischen den Beiträgen werden besondere Präsentationsformen eingebunden. So kommt es vor, dass der Moderator seinen Platz verlässt und sich
vor einer Projektionsfläche positioniert, wo er Bildmaterial kommentiert oder
per Live-Schaltung ein Gespräch mit einem Korrespondenten führt.
Nach der letzten Meldung übergibt der Moderator an den Sport-Moderator.
Dieser präsentiert ebenfalls mehrere Meldungen, meist mit kurzer Anmoderation. Nach dem Sport folgt das Wetter, das von einer weiteren Person
moderiert wird.
Kurz vor Schluss der Sendung führt der Moderator dann in der Regel
noch ein kurzes Gespräch mit der Moderatorin der nachfolgenden „Blitz“Sendung über die Themen ihrer Sendung. Die Sendung schließt mit einer
Verabschiedung durch den Moderator.
wird in unterschiedlichen Nah- und Halbnah-Einstellungen gezeigt. Für die
Übergabe zwischen den Moderatoren gibt es eine Halbtotale, die auch mit
langsam seitlich bewegter und schwenkender Kamera ausgeführt wird. Eine
Besonderheit ist die Aktion an der „Tafel“ links im Studio (aus Zuschauersicht). Wenn der Haupt- oder Wettermoderator dort agiert, folgt die Kamera
ihm dorthin und wechselt dann zwischen verschiedenen näheren oder halbtotalen Einstellungen und zoomt dynamisch hin und her.
3.5.3 Studio
Das virtuelle Studio von SAT.1 News besteht aus einem zentralen Moderationstisch vor blauem Hintergrund und einer seitlich „angebrachten“ Präsentationsfläche für das Wetter. Darüberhinaus sind im Hintergrund (virtuelle)
Studiobauten und mehrere Monitore zu erkennen, die keine erkennbare
Funktion erfüllen.
3.5.4 Splitscreens
3.5.2 Kamera und Schnitt im Studio
Da auch bei SAT.1 News bis zu drei Moderatoren im Studio agieren, ergeben
sich notwendigerweise mehrere Kameraeinstellungen. Der Hauptmoderator
40
Bei SAT.1 News werden Live-Schaltungen auf drei verschiedene Arten dargestellt. Das Gespräch zwischen Moderator und Korrespondent wird entweder
an der Tafel seitlich im Studio gezeigt (vgl. Abbildung 3.31 a), oder der
Abbildung 3.32: Inserts bei SAT.1 News
Korrespondent erscheint auf einem Pseudo-Display hinter dem Moderator
(vgl. Abbildung 3.31 b). Wird weiteres Material während der Live-Schaltung
eingespielt, kommt dafür eine „Fenster“-Darstellung wie in Abbildung 3.31
(c) zum Einsatz.
Abbildung 3.33: Bauchbinden bei SAT.1 News
3.5.5 Grafik
Inserts
Inserts bestehen auch bei SAT.1 News praktisch ausschließlich aus Bildcollagen. Wenn in Ausnahmefällen ein einzelnes Foto platziert wird, dann
niemals mit rechteckigem Beschnitt, sondern auf dem Hintergrund freigestellt. Die Inserts werden nicht eingeblendet, sondern erscheinen durch
den Schnitt im Studio bzw. den Wechel von Filmbeitrag zur Studiokamera.
Bewegtes Material wird hier nicht verwendet. Auffallen ist, dass keinerlei
Schrift verwendet wird. Es werden also weder abgebildete Personen schriftlich benannt, noch werden die Themen der Beiträge überschrieben.
41
Abbildung 3.34: Tafeln bei
SAT.1 News
Bauchbinden
Tafeln und Infografik
Die Bauchbinden erscheinen mit einer auffälligen Animation. Zunächst
erscheint ein waagerechter Balken im Bild, aus dem sich dann eine weitere
Fläche nach unten „ausrollt“. Das Ausblenden geschieht auf umgekehrtem
Wege. Die Bauchbinden zeigen immer das Logo der Sendung.
Vollbild-Grafiken werden in einem stark vereinheitlichten Format präsentiert.
Oben befindet sich immer eine Titelzeile, die ggf. einen zusätzlichen Untertitel enthalten kann. Die eigentlichen grafischen Inhalte stehen darunter
auf einer transparenten Fläche über einem orangefarbenen Ausschnitt einer
Weltkugel (vgl. Abbildung 3.34). Wie auch in anderen Sendung üblich, werden die Tafeln schrittweise aus mehreren Bestandteilen aufgebaut.
42
Abbildung 3.35: Farbverfremdung
in SAT.1 News
3.5.6 Besondere Darstellungsmittel
Auch bei SAT.1 werden gelegentlich Verfremdungseffekte eingesetzt, um
eine bestimmte Aussage zu bekräftigen. In der Berichterstattung zum Skandal um Robert Hoyzer wurde eine Aufnahme, die diesen inzwischen geständigen Schiedsrichter in einem verschneiten Wald zeigt, zusätzlich mit einem
Blaustich versehen und in Zeitlupe abgespielt (vgl. Abbildung 3.35).
1
z.B. 3Sat, BR Alpha, EinsExtra, EinsFestival, EinsMuxx, HR, NDR,
Phoenix – mit Dolmetscher für Gehörlose, RBB, SWR, WDR
2
vgl. ARD-aktuell (2005)
3
vgl. Wirtz (2004), S. 18
4
heute-Sendung vom 30. Januar 2005, 17 Uhr
5
heute-Sendung vom 26. Januar 2005, 19 Uhr
6
heute-Sendung vom 27. Januar 2005, 19 Uhr
7
heute-journal vom 12. Januar 2005
8
RTL aktuell vom 27.1.2005
9
vgl. Medienforschung (2005)
10
nicht jede Sendung hat einen Sportteil, daher ist nicht immer ein
Sportmoderator anwesend
43
44
4 Auswertung der Betrachtung
Zunächst lässt sich festhalten, dass sich die Nachrichtensendungen insgesamt sehr ähnlich sind. Sie halten sich weitgehend an etablierte Standards,
sei es in Bezug auf die Dramaturgie, die Kamera, das Studio, die Sprache
oder den journalistischen Stil. Dennoch ist es interessant, innerhalb dieser
Gleichförmigkeit das Augenmerk auf die kleinen, durchaus wesentlichen
Unterschiede zu lenken.
4.1 Studio und Moderation
Wie gesehen, gibt es immer wiederkehrende Elemente in den Nachrichtenstudios, egal ob diese real oder virtuell konstruiert sind. So werden Nachrichten praktisch immer von Moderatoren oder Sprechern an einem Tisch
präsentiert1.
Dahinter befindet sich eine Fläche, auf der Einblendungen dargestellt
werden. Meist befindet sich im Hintergrund wenigstens eine (komplett oder
teilweise angezeigte) Weltkarte oder -kugel. Zur weiteren Pflichtausstattung
gehören Bildschirme, die selten einen besonderen Zweck erfüllen, sondern
stattdessen abstraktes Material anzeigen.
Der Trend in der Studiogestaltung geht offenbar zu einer Transparenz,
wenn auch nur zu einer virtuellen. Pro7 und RTL erlauben den Zuschauern
einen scheinbaren Durchblick durch die Studiorückwand, wo im Fall von
Pro7 die Schattenrisse von Menschen, teils an Computern, und bei RTL
weniger erkennbare Dinge zu sehen sind. Diese Gestaltungsmittel deuten in
Richtung des amerikanischen Nachrichtensenders CNN, der seit geraumer
Zeit anstelle von Grafik im Hintergrund einen Einblick in das Redaktionsbüro
zeigt. Damit wird Authentizität und eine permanente Aktivität im Sinne des
Nachrichtenjournalismus suggeriert.
Das ebenfalls aus dem amerikanischen Fernsehen importierte AnchorPrinzip scheint sich auch hierzulande stärker durchzusetzen, was bei allen
hier präsentierten Sendungen, abgesehen von der tagesschau, mehr oder
weniger stark ausgeprägt ist. Diese nimm ohnehin eine Sonderrolle innerhalb
dieses Vergleichs ein. Nicht nur, dass sie meist mit nur einem Sprecher bzw.
Moderator auskommt, auch die Einstellung der Studiokamera ändert sich
während der ganzen Sendung nicht. Auf dekorative Elemente wie Displays
oder Pseudo-Aktivitiät im Hintergrund wird dort ebenfalls verzichtet.
4.2 Grafik
Zu den oben erwähnten Standards gehören auch die eingeblendeten „Inserts“ zur Illustration von Sprechermeldungen bzw. zur Hinterlegung von
Anmoderationen eines Themas. Hier ist vor allem markant, dass nur tagesschau und heute konsequent typografische Themenüberschriften einsetzen.
Die drei anderen Sendungen verzichten fast gänzlich darauf. Nur Pro7
überschreibt die Themen ihrer zu Beginn der Sendung im Themenüberblick
angekündigten Themen noch einmal in der Sendung.
Ansonsten gilt für Inserts, dass fast ausschließlich Bildcollagen eingesetzt werden. Eine Ausnahme ist hier die tagesschau. Beim ZDF wechseln
Collagen und einfache Fotos. Durch den Einsatz von Collagen versuchen die
Sender, immer zum Thema passendes Bildmaterial zu zeigen. Es werden
eben keine neutralen Portraits von Persönlichkeiten mehr verwendet, sondern Bilder der Person in Kombination mit anderem Bildmaterial, Flaggen
oder Symbolen. Beim ZDF besteht noch eine gewisse Systematik darin, dass
beispielsweise Kanzler und Bundesminister stets mit einem Bundesadler
abgebildet werden. Andere Sender handhaben das weit flexibler.
In RTL aktuell vom 25.1.2005 wurde beispielsweise der Bundeskanzler vor einem Hintergrund gezeigt, auf dem Wachtürme und Mauern wie die
eines Konzentrationslagers zu sehen waren. Thema des Beitrags war eine
Gedenkstunde in Berlin anlässlich des sechzigsten Jahrestags der Befreiung
des KZ Ausschwitz-Birkenau. Dazu hatte der Bundeskanzler gesprochen. In
diesem Kontext kann die Grafik im Studio als „Bundeskanzler Schröder in
Ausschwitz“ interpretiert werden. In Ausschwitz hatte ebenfalls eine Gedenkfeier stattgefunden, bei der Schröder jedoch nicht anwesend war.
45
Es sei dahingestellt, ob diese Interpretation jemandem von Vor- oder Nachteil sein könnte. Jedenfalls ist sie unrichtig.
Eine interessante Frage, die nicht leicht zu beantworten ist, stellt sich
angesichts der größeren Komplexität der Bildcollagen gegenüber einfachem
Fotomaterial: lenken die Bilder ab? Diese Frage muss auch gestellt werden, wenn hin und wieder animiertes Material als Insert eingesetzt wird.
Ob nun durchs Bild schwebende Modefotos, Schneeflocken oder zuckende
Blitze über einem Skandal-Schiedsrichter, animiertes Bildmaterial lenkt die
Aufmerksamkeit auf sich. Die Frage ist, inwiefern dies dem Ziel der Informationsvermittlung durch den Sprecher/Moderator zuwiderläuft.
Zu den nützlichen Entwicklungen zählen sicherlich die dynamischen
Landkarten, wie sie von den meisten Sendern inzwischen eingesetzt werden.
Vor allem, wenn die Karten bildfüllend gezeigt werden und lange genug im
Bild bleiben, so dass Zuschauer das Gezeigte einordnen können, dienen sie
dazu, Ereignisse auf einer mentalen Landkarte der Betrachter zu verankern.
Die teilweise eingesetzten Tafeln und Grafiken innerhalb der Nachrichtenbeiträge können jedoch nicht immer überzeugen. Grundsätzlich ist
es sicherlich lobenswert, dass dort, wo besonders Zahlen und Fakten im
Vordergrund eines Berichts stehen, etwa die aktuellen Arbeitslosenzahlen,
Grafik eingesetzt wird, um diese zu verdeutlichen. Hier begnügt sich jedoch
die ARD beispielsweise mit dem bloßen Ausschreiben der Zahlen, anstatt
sie in Diagrammform zu veranschaulichen, womöglich sogar als zeitlichen
Verlauf. Allerdings benötigen Zuschauer auch eine gewisse Zeit und entsprechende Hilfestellungen, um Diagramme zu entschlüsseln und zu verstehen.
Das ZDF zeigte zur aktuellen Mängelstatistik des TÜV eine Grafik, auf der ein
Balkendiagramm zu sehen war2. Die Überschrift der Grafik: „TÜV Auto-Report 2005 – Platzierungen unter den Top Ten“. Jeder der acht Balken repräsentierte offensichtlich eine Automarke, wie die Beschriftungen verrieten.
Die Länge des Balkens und eine ebenfalls angezeigte, dazu proportionale
Zahl, ließen sich jedoch aus der Grafik nicht deuten. Sie zeigten lediglich
im Vergleich zwischen den oberen und unteren Automarken ein „Mehr“ und
„Weniger“ an. Leider trug auch der Sprechertext nicht zum Verständnis der
Grafik bei.
46
Auch bei RTL aktuell, wo recht häufig grafische Visualisierungen gezeigt
werden, kommt es zu zweifelhaftem Grafikeinsatz. In der Berichterstattung
über die Flutwelle in Südost-Asien wurden beispielsweise ein Tafel gezeigt,
die die aktuellen Vermisstenzahlen illustrieren sollte. Die Grafik enthält vier
textliche Stichpunkte, die recht willkürlich gruppiert und teils mit einem
Pfeil verbunden wurden. Ein Zusammenhang zwischen dem vom Sprecher
mitgeteilten und dem in der Grafik gezeigten lässt sich kaum herstellen. Eine
solche Grafik wirkt eher wie eine Verlegenheitslösung.
4.3 Bildeinsatz in Filmbeiträgen
Über die Wirkung von Standardmaterial in Filmbeiträgen ist bereits im
Abschnitt 2.1.3 etwas gesagt worden. Es wird nicht nur häufig Bildmaterial
gezeigt, das praktisch ohne jeglichen Informationsgehalt ist. Auch kommt es
zu seltsamen Konstellationen zwischen Inhalt und Bild, wie in einem Fall bei
ZDF heute3. Thema des Berichts war eine Rückrufaktion von BMW. An der
Fünferreihe wurden Mängel an der Sitzheizung festgestellt, die zu leichten
Verbrennungen führen können. Das dazu gezeigte Bildmaterial zeigt einen
entspannten Fahrer in einem Fünfer BMW, dann Außenaufnahmen eines
BMW, der sich zügig durch die Landschaft bewegt – typisches IndustriefilmMaterial, dass gut von BMW selbst stammen könnte. Abgesehen von dem
geringen Nachrichtenwert der Meldung war das Bildmaterial kaum dazu
geeignet, ein Problem mit dem Fahrzeug zu visualisieren. Ähnlich wirkt es,
wenn SAT.1 News einen Beitrag über die Festnahme eines Raubkopierers4
zur Hälfte mit Spielfilm-Ausschnitten und Szenen eines Kinospots gegen
Raubkopierer illustriert.
4.3.1 Archivmaterial ohne Kennzeichnungung
Bei vielen Nachrichtensendungen ist es offenbar nicht mehr üblich, Archivmaterial als solches zu kennzeichnen. Dieses Beispiel beschreibt ein solches
Fundstück aus K1 Nachrichten vom 13. und 26. Januar und SAT.1 News
vom 29. Januar 2005.
Abbildung 4.1: Schily-Szene aus den K1-Nachrichten vom 13. und 26. Januar 2005
In den K1 Nachrichten vom 13. Januar wird in einem Beitrag über die zu
erwartenden Kosten des neuen deutschen Reisepasses eine Szene von etwa
vier Sekunden Länge gezeigt (vgl. Abbildung 4.1). Darin sieht man den
Innenminister Otto Schily schnellen Schrittes ein Gebäude betreten, vorbei
an einem Mirkrofon mit „Reuters“-Aufschrift. Den Journalisten, der das Mikrofon hält, sieht man nicht. Die Frage, die er Otto Schily stellt, ist nur leise
zu erahnen, da sie vom Off-Kommentar (gewollt) übertönt wird. Otto Schily,
der kurz innehält und sich dabei offenbar dem Journalisten mit seiner Frage
zuwendet, winkt ab und geht, leicht kopfschüttelnd und ansonsten kommentarlos weiter ins Gebäude. Der Off-Kommentar zu dieser Szene lautet: „Doch
das Innenministerium wiegelt ab, bisher seien alle Zahlen reine Spekulation.“ Während dann Bilder von einer Produktionsstraße für Pässe gezeigt
werden, geht der Kommentar weiter. „Erst in ein paar Monaten könne man
die Kosten für den neuen Pass beziffern.“.
Dann die K1 Nachrichten vom 26. Januar: Das Thema des Beitrages
ist hier eine mögliche Initiative zur Änderung des Versammlungsrechts, um
Aufmärsche radikaler Gruppierungen vor symbolträchtigen Orten wie dem
Brandenburger Tor oder dem Holocaust-Mahnmal zu verhindern. Es wird
dieselbe, oben beschriebene Szene gezeigt, die bereits am 13. Januar zum
Thema Reisepass verwendet wurde, wieder wird der O-Ton vom Off-Kommentar überlagert. Dieser lautet dieses mal: „Auch Innenminister Schily
will das Demonstrationsrecht für Rechtsextreme drastisch einschränken, ...“
und setzt sich über Bildern von singenden Neonazis fort mit den Worten „
... , ein Verbot für Versammlungen durchsetzen, wenn dort NS-Gedankengut
verbreitet werden soll.“.
Ein drittes mal kann man die Szene in den SAT.1 News vom 29.
Januar sehen. Diesmal lautet das Thema „Krawalle bei Demonstration gegen
NPD-Aufmarsch in Kiel“. Die Schily-Bilder werden hier bei dem folgend
Kommentar eingesetzt:
„Beim Thema NPD-Verbot aber scheiden sich die Geister. Innenminister Otto Schily gibt einem erneuten Antrag keine Chance.
Jetzt aber halten einige Verfassungsrichter ein neues Verbotsverfahren für möglich.“
Da nicht anzunehmen ist, dass ein Reuters-Reporter am 13. Januar den
Innenminister zu drei Themen – Reisepass, Versammlungsrecht und NPDVerbot – gleichzeitig befragt hat, kann das Bildmaterial im besten Fall zum
ersten Thema aufgezeichnet worden sein. Denkbar ist aber auch, dass es
sich um noch älteres Material handelt, dass mit keinem der behandelten
Themen im Zusammenhang steht.
Da das Material in keinem der Fälle als Archivmaterial gekennzeichnet
ist, müssen Betrachter jedoch in allen Fällen annehmen, die Bilder seien
aktuell und eigens für den gezeigten Bericht aufgezeichnet worden. Der
47
entstehende Eindruck ist in etwa der: Ein nicht gezeigter Reporter von Reuters versucht, dem gehetzten Innenminister einen Kommentar zum Thema
Kosten des neuen Reisepasses bzw. Demo-Verbot zu entlocken. Der Innenminister zeigt sich nicht willens, die Frage zu beantworten, sondern winkt
ab und geht schnellen Schrittes weiter. Welche Interpretationen Betrachter
hieraus entwickeln, kann zumindest erahnt werden. Da der Minister sich in
der gezeigten Situation nicht eben medienfreundlich zeigt, sondern dem
Journalisten – der hier stellvertretend für den Zuschauer agiert – die Antwort
verweigert, wird er als unsympatisch, arrogant, unnahbar wahrgenommen. Im
Kontext der gesamten Beiträge können auch differenzierte Interpretationen
angenommen werden.
Im Fall des Reisepass-Berichts kommen unmittelbar vor der SchilySzene mehrere dazu befragte Bürger zu Wort, die sich verständnislos bis empört über die zu erwartenden hohen Kosten für das neue Ausweisdokument
äußern. Gefolgt von den besagten Bildern und dem oben beschriebenen
Off-Kommentar („Doch das Innenministerium wiegelt ab ...“), entsteht der
Eindruck, als interessiere sich das Innenministerium nicht für die Sorgen der
Bürger um den teuren Reisepass oder habe keine Absichten, die Bürger über
die zu erwartenden Lasten zu informieren.
Der NiF-Bericht zum Demo-Verbot für Rechtsradikale beginnt mit
folgendem Kommentar:
„Neonazis vor dem Brandenburger Tor, solche Bilder soll es künftig nicht mehr geben. Die Union will dort deshalb ein Demonstrationsverbot durchsezten, so, wie es bereits vor dem Reichstag
existiert.“
Es folgt ein Interview mit Wolfgang Bosbach, stellvertretender Fraktionschef
der CDU Bundestagsfraktion, der sagt:
„Eine solche Regelung wünschen wir uns unter anderem auch
für das Brandenburger Tor und für das Holocaust-Mahnmal.
Denn wenn dort demnächst wieder oder zum ersten mal Neonazis
48
aufmarschieren, dann gehen diese Bilder um die Welt und sie
schädigen das Ansehen unseres Landes sehr, sehr nachhaltig.“
Direkt im Anschluss an das Interview folgt die Schily-Szene mit dem
Kommentar „Auch Innenminister Schily will das Demonstrationsrecht für
Rechtsextreme drastisch einschränken ...“. Eine Interpretationsmöglichkeit:
Während der Unions-Experte sich ernsthaft und konkret äußert, fiele dem
Innenminister dazu nichts ein; die Initiative käme von der Opposition, die
Regierung springe auf einen fahrenden Zug auf. Eine andere: Das Thema
Demo-Verbot sei der Regierung, ganz im Gegensatz zur Opposition, nicht
wichtig genug, als dass man einem Reporter dazu Auskunft geben müsse.
Im dritten Fall drängt sich eine ähnlich negative Interpretation auf.
Der Innenminister ist offenbar nicht bereit, das NPD-Verbot noch einmal zu
thematisieren. Ganz im Gegensatz zu den Verfassungshütern in Karlsruhe,
die gleich im Anschluss gezeigt werden, ebenfalls ohne aktuellen Bezug.
Die Feststellung, wie die Bilder in ihrem jeweiligen Zusammenhang
tatsächlich vom Betrachter gedeutet werden, müsste in einer aufwendigen
Untersuchung vorgenommen werden, die leider im Rahmen dieser Arbeit
nicht durchführbar ist. Es kann jedoch auch ohne eine solche Untersuchung
zusammengefasst werden, dass der Bildeinsatz in den K1 Nachrichten hier
kein Ruhmesblatt für den Bildjournalismus darstellt. Nicht nur werden
Archivaufnahmen ohne Zusammenhang zum Thema umgenutzt (was der eigentliche Inhalt der Frage des Reporters war, bleibt ungeklärt). Die Nutzung
dieses Materials hätte, auch wenn es jeweils im Zusammenhang mit dem
behandelten Thema entstanden wäre, durch die Einbettung in den jeweiligen
Kontext, überwiegend nachteilige Beurteilungen Otty Schilys respektive der
Bundesregierung zugelassen. Die Tatsache, dass die Szene kaum über vier
Sekunden lang ist, vermindert ihre Bedeutung nicht. Vielmehr darf angenommen werden, dass sie dadurch von Zuschauern noch weniger bewußt
und kritisch interpretiert wird, Sinn und Unsinn der Darstellung also kaum
hinterfragt werden.
1
Eine radikale Ausnahme von diesem Konzept bietet der Sender
„EuroNews“, der die Nachrichten vor allem aus Gründen der
Vielsprachigkeit ohne Studio und Moderatoren präsentiert.
2
Sendung vom 25.1.2005, 17 Uhr
3
Sendung vom 28.12.204, 19 Uhr
4
Sendung vom 29.1.2005
49
50
5 Fazit
Der Bildeinsatz in den Fernsehnachrichten kann durchaus zwiespältig
betrachtet werden. Der Aufwand, der betrieben wird, um Bildmaterial zu
produzieren und zu zeigen, ist immens. Eine zunehmde Zahl an Nachrichtensendungen auf immer mehr Kanälen werben um die Gunst der Zuschauer, die sich offenbar von Nachrichten immer häufiger abwenden. Im
Konkurrenzkampf um die geringe verbleibende Aufmerksamkeit – und damit
letztendlich um die Einschaltquote – zeigen die Sender sich in ihrer Not
erfinderisch. Immer ausgeklügelter werden die Sendungskonzepte, immer
virtueller die Studios und immer variantenreicher die Moderation. Davon
bleibt auch der Bildjournalismus nicht unberührt. Wo früher Worte herhalten
mussten, um Konzepte wie zum Beispiel eine Salzvergiftung zu erklären,
werden heute mit erheblichem Aufwand Computeranimationen hergestellt,
die das eigentlich unzeigbare, nämlich die Dehydration und das Schrumpfen
innerer Organe, verdeutlichen sollen.
Weil die Produktion von Bildmaterial teuer ist, bedient man sich gerne
verschiedenster Quellen. Wer über eine Rückrufaktion eines Autoherstellers
berichtet, bedient sich beim Hersteller selbst, der bereitwillig Bilder von
telegenen Testfahrern in vorteilhaft gefilmten Autos zur Verfügung stellt. Wer
einen Bericht über Raubkopierer sendet, bedient sich bei der Filmindustrie,
die gerne kostenlose Sendezeit für ihre Werbespots in Anspruch nimmt. Wer
über die fragwürdige Verteilung von Eintrittskarten für die Fußball-Weltmeisterschaft berichtet, nutzt am besten direkt die von der FIFA zur Verfügung
gestellten, animierten und glänzenden Tortendiagramme. Gewisse Stereotype
werden ganz offensichtlich mit dem immer gleichen Archivmaterial bedient.
Kennzeichnungen der Herkunft des Bildmaterials sucht man vergleblich,
sonst würden manche Sendungen die Kennzeichnung „Archivmaterial“ vermutlich gar nicht mehr ausblenden.
Die richtige Visualisierung zum Thema kann die Aufnahme von
Informationen verbessern. In der Praxis aber werden Firmen durch deren
Hauptgebäude, die Regierung durch das Kanzleramt, das Parlament durch
das Reichstagsgebäude, das Bundeserfassungsgericht durch Menschen in
roten Roben dargestellt. Eigentliche Sachverhalte werden in dieser plumpen
Form der Verbildlichung nicht verdeutlicht. Dort hingegen, wo man versucht,
zum Beispiel den Hergang eines Zugunglücks durch eine Computeranimation
zu verdeutlichen, stellt sich die Frage, ob es wirklich nötig ist, zu zeigen,
welcher Wagon sich wie in den anderen verkeilt hat. Zu gerne wird bei solch
überzeugendem Bildmaterial übersehen, dass es sich bei derartigen Darstellungen oft nur um bebilderte Vermutungen handelt. Beim Zuschauer
wird daraus ein „mit eigenen Augen“ gesehenes Bild. Der Grad der Manipulierbarkeit dieser Bilder wird nur gelegentlich ins Bewusstsein gerufen.
Zum Beispiel dann, wenn sich die Beweise der U.S.-Regierung für irakische
Massenvernichtungswaffen in Form von aussagekräftigem Bildmaterial als
Fälschungen, als visuelle Formulierung von Lügen, erweisen, die die Nachrichtenmedien bereitwillig verbreitet haben.
Ein wirklicher Mehrwert für die Zuschauer lässt sich trotz des Aufwands, den die Sender im Kampf um die Bilder betreiben, selten feststellen.
Wenn dies so bleibt, wird das Interesse der Zuschauer mit aller Wahrscheinlichkeit weiter schwinden.
Die Gestaltung von Nachrichten im Sinne von hoher Attraktivität und
optimaler Informationsvermittlung kann nach meiner Überzeugung kein
Widerspruch sein. Die Aufgabe – auch für Designer – muss lauten, neue
Konzepte für die Vermittlung tagesaktueller Informationen zu entwickeln und
dabei mutiger als es die Sender bislang tun, mit den etablierten Konventionen der Standardbebilderung zu brechen.
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Glossar
Bauchbinde
Einblendung von Textinformationen, in der Regel am unteren Bildrand.
NiF
Kurzform für „Nachricht(en) im Film“, Bezeichnung für einen filmischen
Nachrichtenbeitrag.
VR-Set
Virtuelles Studio
Weißblende
Überblendung, bei der vom Videobild auf eine rein weiße Fläche und dann
auf das nächste Videobildgeblendet wird. Wird mit einer Dauer von nur
wenigen Einzelbildern häufig zum Schnitt von Interviews eingesetzt.
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Literaturverzeichnis
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