Grammer, Felix: Ciceros Pro Archia poeta. Rezeptionsgeschichte
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Grammer, Felix: Ciceros Pro Archia poeta. Rezeptionsgeschichte
Universität Stuttgart Historisches Institut Abteilung Alte Geschichte Hauptseminar: Die Macht der öffentlichen Rede Kommunikation in der späten römischen Republik (WS 11/12) Prof. Dr. Peter Scholz Stuttgart, 28. Oktober 2012 Ciceros Pro Archia poeta Rezeptionsgeschichte der Verteidigungsrede vor Gericht als politische Kommunikation Felix Grammer Holdermannstraße 3 70567 Stuttgart-Möhringen (0711) 717982 [email protected] Matrikelnummer 2187439 Inhaltsverzeichnis 1. Die Macht der öffentlichen Rede............................................................................................3 2. Ciceros Pro Archia poeta.........................................................................................................5 2.1 Zusamenfassung der Rede................................................................................................5 2.2 Historischer Kontext.........................................................................................................5 3. Rezeptionsgeschichte..............................................................................................................7 Wolff 1829..............................................................................................................................7 Drumann 1838........................................................................................................................8 Zumpt 1871............................................................................................................................9 Strenge 1888/1909................................................................................................................10 Reinach 1890........................................................................................................................11 Sternkopf 1907.....................................................................................................................12 Heitland 1909.......................................................................................................................15 Watts 1923............................................................................................................................16 Laurand 1935........................................................................................................................17 Gaffiot 1947.........................................................................................................................18 Taylor 1952...........................................................................................................................19 Ooteghem 1959....................................................................................................................20 Albrecht 1970.......................................................................................................................21 Stockton 1971.......................................................................................................................22 Gruen 1974...........................................................................................................................23 Zicàri 1974...........................................................................................................................24 Haley 1977...........................................................................................................................25 Balsdon 1979........................................................................................................................26 Vretska u. Vretska 1979........................................................................................................26 Haley 1983...........................................................................................................................28 Gold 1987.............................................................................................................................31 Keaveney 1992.....................................................................................................................32 Amarelli u. Lucrezi 1997......................................................................................................33 Paulus 1997..........................................................................................................................33 Steel 2002.............................................................................................................................34 Heubner 2006.......................................................................................................................35 Usher 2008...........................................................................................................................35 Bringmann 2010...................................................................................................................36 Coşkun 2010.........................................................................................................................36 Schmieder 2010....................................................................................................................39 4. Fazit der Rezeptionsgeschichte.............................................................................................43 5. Caesar....................................................................................................................................45 Bibliographie.............................................................................................................................47 1. Die Macht der öffentlichen Rede 3 1. Die Macht der öffentlichen Rede Die große Macht der öffentlichen Rede in der politischen Kultur der Republik ist, bis auf eine Ausnahme1, unbestritten: „Denn diese politische Kultur war ja zunächst durch ihre institutionelle Struktur geprägt, nämlich durch das bekannte System mit seinen typisch stadtstaatlichen Einrichtungen, die – wie der Senat, die Volksgerichte und dann die Geschworenenhöfe und natürlich die Volksversammlungen – durchweg eine groß Mitgliederzahl hatten und die allein schon deswegen auf das Medium der Rede angewiesen waren.“2 Während der Römischen Revolution steigerte sich die Macht der öffentlichen Rede maßgeblich: „Die Bewährung [der Nobilität] erfolgte zur Zeit der späten Römischen Republik vornehmlich auf zivilem, nicht auf militärischem Gebiet: auf dem Forum als Volksredner und vor den Geschworenengerichten als Ankläger oder Verteidiger.“3 „Die ständigen Geschworenenhöfe [...] hatten [...] eine [...] nicht geahnte Auswirkung: Sie machten [...] die Kriminaljustiz zum Forum des politischen Kampfes. Da man hierbei keine Offizialankläger kannte, mußte die Klage von Privatleuten vertreten werden. Es stellte sich mit der Zeit heraus, daß dieses Geschäft vorzüglich dazu taugte, populär zu werden und sich einen Namen zu schaffen, und damit war es, seiner sachlichen Funktion entkleidet, zum Feld politischer Leidenschaft und politischen Ehrgeizes geworden. Der römische Staat hatte sich statt eines Heilmittels [...] einen Sprengstoff [...] einverleibt.“4 Cicero verkörpert die Macht der öffentlichen Rede wie kein anderer. Das Gros seiner Schriften sind Prozessreden5, die eindrucksvoll die Rolle der Gerichtshöfe als Arenen der politischen Auseinandersetzung vor Augen stellen. Vor wie nach seinem Konsulat war es weniger Cicero der Politiker als Cicero der Redner, der von führenden nobilibus in ihren Reihen akzeptiert und als Verbündeter ihres Konkurrenzkampfs gesucht wurde. Oftmals fand sich Cicero zwischen den Stühlen seiner amicis wieder – gerade auch vor Gericht. Ciceros Pro Archia poeta ist einer dieser Fälle, der in der Rezeption der Nachwelt jedoch im Ruf steht 1 2 3 4 5 Vgl. vorliegende Arbeit 41. HÖLKESKAMP, Karl-Joachim: Senatus Populusque Romanus. Die politische Kultur der Republik – Dimensionen und Deutungen. Stuttgart, 2004, 23. SCHOLZ, Peter: Der Senat und die Intellektualisierung der Politik. Einige Bemerkungen zur Krise der traditionellen Erziehung in der späten römischen Republik, in: KRETSCHMANN, Carsten, PAHL, Henning, SCHOLZ, Peter: Wissen in der Krise. Instutionen des Wissens im gesellschaftlichen Wandel. Berlin 2004, 1727, 18. HEUSS, Alfred: Römische Geschichte, Paderborn92003, 137. HÖLKESKAMPs Behauptung, „Die Gerichte galten jedenfalls nicht als die wichtigste Plattform des Redners“ (HÖLKESKAMP: Senatus Populusque Romanus, 232) ist zweifelhaft und zum einen seiner Fixierung auf die contionem und der Auseinandersetzung mit MILLAR, zum anderen der unkritischen Übernahme von Sentenzen der rhetorischen Schriften Ciceros geschuldet. Vgl. HÖLKESKAMP, Karl-Joachim: Rekonstruktionen einer Republik. Die politische Kultur des antiken Rom und die Forschung der letzten Jahrzehnte (HZ, Beihefte, NF Bd. 38), München 2004 bzw. HÖLKESKAMP: Senatus Populusque Romanus, 232ff. 1. Die Macht der öffentlichen Rede 4 politisch, und damit historisch, unbedeutend zu sein6. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass es abgesehen von Ciceros Rede keine Quellen zum Prozess gibt, auf den jedoch selten quellenkritisch eingegangen wird. Für Historiker kaum ein Nischenthema ist die Archiana bei klassischen Philologen populär aufgrund der sprachlichen Eleganz und außergewöhnlichen rhetorischen Strategie. Es gibt noch keinen Beitrag der sich ausschließlich oder hauptsächlich mit den politischen Hintergründen der Archiana befasst. COŞKUNs jüngste Monographie zum Thema ist in vielerlei Hinsicht von hohem Wert, besonders hinsichtlich der Kultur- und Rechtsgeschichte und Rhetorik, bietet jedoch wenig Neues bezüglich der politischen Dimension des Prozesses. Konkret geht es um die Frage, wer hinter der Anklage gegen Archias steckte. Aus Ciceros Rede erfahren wir lediglich den Namen des Anklägers, einer Person, über die erstaunlicherweise weiter nichts bekannt ist. Es scheint wahrscheinlich, dass dieser Niemand den Strohmann einer berühmten Persönlichkeit gab. Als Kriminalfall des Historikers stellt Ciceros Pro Archia poeta nicht die Frage, ob Archias schuldig oder nicht schuldig war, sondern wer aus welchem Motiv hinter der Anklage stand. Das Ziel vorliegender Arbeit ist die Untersuchung des Gros der Beiträge zur Archiana die sich mit der Rede als politischer Kommunikation und den Hintergründen des Prozesses auseinandersetzen. Dabei sollen vor allem zwei Aspekte berücksichtigt werden: erstens, die Thesen zu möglichen Drahtziehern und Motiven hinter der Anklage, zweitens, das Niveau der Quellenkritik hinsichtlich der alleinigen Überlieferung durch Cicero. 6 Vgl. vorliegende Arbeit 12. 2. Ciceros Pro Archia poeta 5 2. Ciceros Pro Archia poeta 2.1 Zusamenfassung der Rede Der folgende kurze Abriss des Prozesses, wie er sich Ciceros Rede zufolge zugetragen hat, beschränkt sich auf das politisch Relevante: Im Jahr 62 wird der Dichter Archias vor einem Geschworenengericht auf dem Forum Romanum von einem Grattius bezichtigt, sich das Bürgerrecht anzumaßen. Über Grattius erfährt man nichts, außer seinem Namen, mit dem ihn Cicero zweimal direkt anspricht7. Über Archias hingegen erfährt man eine ganze Menge, da Cicero ihn und dessen Lebenslauf in seiner Rede in lobender Absicht vorstellt.8 Demnach war Archias ein im Mittelmeerraum gefeierter Dichter aus Antiocheia, der in Rom mit den angesehensten Familien in Kontakt kam und mit vielen verbunden war, insbesondere den Lucinii Luculli, unter deren Namen er als A. Licinius Archias das Bürgerrecht verliehen bekam. Archias hatte ein Lobgedicht auf Marius' Kimbernsieg verfasst, sowie das Epos Mithridaticum, in dem er L. Lucullus pries, den er im ersten und dritten Mithridatischen Krieg persönlich begleitet hatte. Die Anklage fußte wohl darauf, dass keine schriftlichen Zeugnisse mehr erhalten waren, die Archias Bürgerschaft belegen. Cicero versucht dieses Argument zu entkräften, indem er erklärt, weshalb keine schriftlichen Zeugnisse erhalten sein können und ihrer statt, neben einer Gesandtschaft auf Herakleia, M. Lucullus und indirekt auch den verstorbenen Metellus Pius als Zeugen benennt.9 Nur in äußerst geringem Umfang befasst sich Cicero mit den konkreten Vorwürfen der Anklage, die er mittels der prominenten Zeugen als haltlos abtut. Den weit größten Teil der Rede nimmt eine argumentatio extra causam ein: auch falls Archias nicht das Bürgerrecht besäße, hätte er es verdient. Geradezu revolutionärerweise verzichtet Cicero in seiner Rede auf die üblichen Angriffe auf die Person und Partei des Anklägers. 2.2 Historischer Kontext COŞKUN fasst die gängige Forschungsmeinung des politischen Hintergrunds zusammen: „vermutlich stand hinter dem Prozeß eine Intrige seitens der Anhänger des Pompeius, der damals [...] mit den Familien der Licinii Luculli und Caecilii Metelli, um die politische Ordnung des Ostens, damit zugleich aber um Macht und Einfluß in Rom selbst stritt. Der Angriff auf Archias sollte den prominenten 7 8 9 Vgl. Cic. Arch. 8 („ quid enim horum infirmari, Gratti, potest?“) u. 12 („ quaeres a nobis, Gratti, cur tanto opere hoc homine delectemur.“) Zur Vita Archias' vgl. Cic. Arch. 4-7. Vgl. Cic. Arch. 8-11. 2.2 Historischer Kontext 6 Klienten und Lobdichter des L. Lucullus treffen, um so das öffentliche Ansehen des Patrons herabzusetzen“.10 Cicero war amicus sowohl der Luculli, als auch Pompeius und mit Archias war er nicht allein über die Luculli verbunden, sondern erhoffte sich von ihm ein Epos über sein Konsulat. Cicero saß zwischen den Stühlen und „mußte zwischen einem Eintreten für die Lukuller und einer Nichtverärgerung des Pompeius lavieren. Sich aber [...] zurückzuziehen, war für Cicero ohne den Verlust seiner Stellung [...] nicht möglich.“11 Dieser scheinbar unlösbare Konflikt war für Cicero von erheblicher Bedeutung. Ein Jahr nach seinem Konsulat und seiner umstrittenen Bestrafung der Catilinarier, die sich zu einem Bumerang entwickelte, konnte es sich Cicero keinesfalls leisten die Gunst einer oder gar beider Parteien zu verwirken. Mehr noch war es Ciceros Ziel die Optimaten und Pompeius zu versöhnen. Ciceros Lösung des Problems war der Verzicht auf die Herabsetzung des Anklägers, wie sie üblicherweise Teil der rhetorischen Strategie ist, und die anstatt ihrer vorgetragene überlange argumentatio extra causam. 10 COŞKUN, Altay: Cicero und das römische Bürgerrecht. Die Verteidigung des Dichters Archias, Göttingen 2010, 28. 11 VRETSKA, Helmuth, VRETSKA Karl: Marcus Tullius Cicero, Pro Archia poeta. Ein Zeugnis für den Kampf des Geistes um seine Anerkennung, Darmstadt 1979, 3. 3. Rezeptionsgeschichte 7 3. Rezeptionsgeschichte Im Folgenden wurde bewusst auf eine Epochenabgrenzung oder Systematisierung nach inhaltlichen Positionen verzichtet, zugunsten einer chronologischen Darstellung zur besseren Nachvollziehbarkeit der Entwicklung des Forschungsstands. Wolff 1829 WOLFFs Edition der Archiana ist hinsichtlich ihrer Quellenkritik ambivalent. Einerseits bietet WOLFF in der äußeren Quellenkritik, neben einer plausiblen Argumentation zum Problem der genauen Datierung12, grundsätzliche Zweifel an der Authentizität: „Man hat in neuern Zeiten die Aechtheit dieser Rede überhaupt zu bezweifeln angefangen. Wiewohl ich mir in dieser Sache kein entscheidendes Urteil anmaſse; so gestehe ich doch, daſs bei der zweiten Bearbeitung dieser Rede auch bei mir leise Zweifel gegen ihre Aechtheit entstanden sind.“13 Seine Zweifel begründet WOLFF jedoch nicht und unterlässt konkrete Verweise auf die Kollegen, an deren Meinung er sich anzuschließen scheint. Auch hinsichtlich der Frage nach dem dem Prozess vorsitzenden Prätor äußert sich WOLFF kritisch: „Wie kann überhaupt ein so allgemeiner Ausdruck als vir lectissumus, den Cicero von jedem Prätor, von dem er eine gute Meinung hatte, und den er für seinen Clienten gewinnen wollte, gebrauchen konnte, zu einem historischen Beweise dienen? [...] Warum wollen wir nicht lieber gestehen, daſs wir nicht wissen, was wir nicht wissen können?“14 Ein solches Urteil ist kein Eingeständnis von Nichtwissen, sondern eine wertvolle quellenkritische Schlussfolgerung. Neben einer zusammenfassenden Gliederung der Rede enthält WOLFFs „Historische Einleitung“15 zum Archias-Prozess eine Nacherzählung dessen, was Cicero in seiner Rede verlauten lässt. Dort heißt es beispielsweise: „Endlich kam er [Archias] als ein noch sehr junger Mann [...] auch nach Rom, wo er schon vor seiner Ankunft bekannt und geschätzt war. Hier wurde ihm von den edelsten Familien, die seinen Umgang suchten, eine ausgezeichnete Achtung bewiesen. [...] Zu den Männern, die ihn vorzüglich schätzten, gehörten, auſser den Lucullern [...] andre, unter denen Cicero selbst war, der seinem Umgange viel verdankte.“16 Nicht nur übernimmt WOLFF unkritisch Ciceros Schilderung ohne einen Hinweis auf die Tatsache, dass Ciceros Rede als einzige Quelle spricht und somit nicht überprüfbar ist. WOLFF 12 13 14 15 16 WOLFF, Friederich: Des Marcus Tullius Cicero auserlesene Reden. Bd. 1, Altona21829, 465ff. Ebd., 468f. Ebd., 500. Ebd., 461, bzw. 461-469. Ebd., 462. Wolff 1829 8 schmückt die Eckpunkte von Archias Biographie, wie sie Cicero berichtet, zu einer unterhaltenden Schilderung aus. Beispielsweise mittels „Endlich kam er“ erzeugt WOLFF beim Leser Spannung und übernimmt mit Adjektiven wie „bekannt und geschätzt“, „edelsten“, „ausgezeichnete“ und „vorzüglich“ sogar den Sympathie für Archias heischenden Tonfall Ciceros. Erkannte WOLFF hinsichtlich der Frage nach dem vositzenden Prätor noch den „vir lectissumus“ als typische Floskel eines Anwalts,17 so ist es erstaunlich, dass er Ciceros Angabe, dass dieser seinem Mandanten viel verdanke,18 unkritisch folgt. Dies ist umso erstaunlicher, da WOLFF ein negatives moralisches Urteil über Archias fällt: „Drittens müssen wir [...] ein doppeltes Versprechen von Seiten des Archias, Cicero's Thaten zu besingen, annehmen, und er erscheint uns um so tadelnswürdiger, da er doch am Ende sein Versprechen nicht hielt.“19 Daraus wird deutlich, wie unkritisch WOLFF der Schilderung Ciceros folgt. Etwaige politische Hintergründe der Archiana bleiben unberücksichtigt: „Der Umstand nun, daſs Archias nie war censirt worden, gab einem Feinde dieses Mannes, [...] den wir nicht weiter kennen, den Vorwand, dem Archias das Römische Bürgerrecht streitig zu machen.“20 Drumann 1838 DRUMANNs prosopographische Enzyklopädie erkennt den politischen Hintergrund der Archiana und bietet ein plausibles Motiv der Anklage: „Unerwartet wurde er [Archias] im J. 62 bei diesen Beschäftigungen [dem Verfassen von Epigrammen] durch einen Process unterbrochen. In ihm griff man seine Beschützer an; es kann kaum bezweifelt werden, dass der Kläger, ein übrigens unbekannter Mensch, auf Anstiften der pompejanischen Partei handelte, welche im vorigen Jahre durch den Triumph des L. Lucullus eine Niederlage erlitten hatte.“21 „Unerwartet“ meint wohl, dass Archias selbst zu diesem Zeitpunkt keinen konkreten Anlaß zur Klage bot22, jedoch seine amici. Dies ist wohl der erste Beitrag überhaupt, der die These vertritt, dass der Kläger nur als Strohmann handelte und weiterhin, dass er der Strohmann der Anhänger Pompeius' war. DRUMANN bemerkt quellenkritisch bezüglich der Biographie Archias': 17 18 19 20 21 WOLFF: Des Marcus Tullius Cicero auserlesene Reden, 500. Vgl. Cic. Arch. 1. WOLFF: Des Marcus Tullius Cicero auserlesene Reden, 468. Ebd., 464f. DRUMANN, Wilhelm, Art. „A. Licinius Archias“, in: Geschichte Roms in seinem Uebergange von der republikanischen zur monarchischen Verfassung. Oder Pompejus, Caesar, Cicero und ihre Zeitgenossen, Bd. 4, Königsberg 1838, 199-204, 202. 22 Vgl. vorliegende Arbeit 39. Drumann 1838 9 „Nach den Mittheilungen Ciceros über ihn, welche allein zuverlässig sind“23 und lehnt eine Diskussion über die Authentizität der Rede süffisant ab; „Man hat auch diese Rede für unächt erklärt; solche Angriffe und die Vertheidigung können wenigstens die Kräfte üben.“24 Das durchaus kritische Bewusstsein DRUMANNs hinter der Feststellung, dass Ciceros Quelle alleine spricht und somit nicht überprüfbar ist, hält ihn nicht davon ab ähnlich wie WOLFF Ciceros Lebenslauf Archias' ausgeschmückt nachzuerzählen. Da diese Nacherzählung nicht deutlich vom Kommentar getrennt ist, was wohl auch der Form des Lexikonartikels geschuldet ist, werden im Artikel insgesamt Ciceros Aussagen nicht nur als wahr wiedergegeben, sondern durch phantasievolle Ausschmückungen untermauert: „Ciceros Wunsch wurde erfüllt; Archias blieb römischer Bürger. Unter den Fremden, welche sich dieser Auszeichnung erfreuten, war er wegen seines untadelhaften Lebens und wegen seiner seltenen Anlagen und Kenntnisse einer der würdigsten. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit wusste er aus dem Stegreife eine grosse Anzahl schöner Verse vorzutragen.; so oft er denselben Gegenstand behandelte, zeigte er sich neu in Worten und Gedanken“.25 Trotz DRUMANNs Pionierleistung der Erschließung des politischen Kontexts der Archiana ist die innere Quellenkritik seines Beitrags teilweise ähnlich wie WOLFFs von Ambivalenz geprägt. Zumpt 1871 ZUMPTs Monographie zum Kriminalprozess übernimmt, wie WOLFF und DRUMANN, unkritisch Ciceros Behauptung „causa dicta est“26: „Der Process war einfach und wurde ohne Zweifel zu Gunsten des Angeklagten entschieden“27, „die Sachlage war so einfach, der Streitpunkt so unbedeutend, dass es schwerlich weiterer Vertheidigung bedurfte.“28 Wie WOLFF erkennt ZUMPT keine politische Relevanz, trotz DRUMANNs These von 1838. 23 24 25 26 27 DRUMANN: Art. „A. Licinius Archias“, 199. Ebd., 199, Fußnote 3. Ebd., 204. Cic. Arch. 8. ZUMPT, August: Der Kriminalprozeß der römischen Republik. Ein Hilfsbuch für die Erklärung der Klassiker und Rechtsquellen, Leipzig 1871; ND Aalen 1993, 536. 28 Ebd., 218. Zumpt 1871 10 Neben einigen geringfügigen Beiträgen zur äußeren29 und inneren30 Quellenkritik erkennt ZUMPT, ähnlich WOLFF bezüglich „vir lectissumus“31, eine weitere Floskel des Anwalts Cicero: „Ausserdem waren die Gesandtschaften aller Staaten in Rom überaus häufig: es konnte den Gemeinden nie an Eingeborenen, welche ihr Zeugniss persönlich abgaben, fehlen. In seiner Rede für Archias (4, 8) führt Cicero es als etwas Besonderes an, die Gesandten von Heraclea seien nur dieses Processes halber geschickt worden“32. Die drastische Gegenüberstellung von „es konnte [...] nie [...] fehlen“ und „führt Cicero es als etwas Besonderes an“ zeigt, dass zumindest teilweise eine kritische Auseinandersetzung mit Cicero erfolgte. Strenge 1888/1909 Wie WOLFF, DRUMANN und ZUMPT übernimmt STRENGE Ciceros Schilderung des Falls: „Archias [...] meldete sich den Vorschriften des Gesetzes entsprechend innerhalb der festgesetzten Frist bei dem zuständigen Prätor, lieſs seinen Namen in dessen Liste eintragen und wurde so r ö m i s ch e r B ü r g e r.“33 „Cicero übernahm die Verteidigung, die an sich nicht schwierig zu führen war, da die aus Tatsachen gezogenen Schlüsse der Gegner durch einfache Überlegungen als unberechtigt zurückgewiesen und durch glaubhafte, vollgültige Zeugnisse widerlegt werden konnten.“34 Durch Betonungen wie „vollgültige“ gibt STRENGE Ciceros Schilderung nicht nur sachlich wieder, sondern stützt sie auch wortgewaltig. STRENGE färbt seine Schilderung durch latente moralische Wertung: „Im Jahre 62 v. Chr. wagte man das also erworbene Bürgerrecht des Archias anzuzweifeln, da er zweimal [...] wegen seiner jedesmaligen Abwesenheit von Rom dem Bürgerzensus nicht unterzogen worden war und der rechtmäſsige Besitz des Bürgerrechtes von Heraklea sich a k t e n m ä ſ s i g nicht nachweisen lieſs.“35 Im Gegensatz zu WOLFFs negativer Bewertung Archias'36 ist STRENGEs mit „wagte“ positiv. Dies zeigt, wie sehr STRENGE Ciceros unprüfbarer Schilderung folgt. STRENGE erkennt einen politischen Hintergrund der Archiana: 29 Ebd., 536: „Cicero hat seine Rede später ausführerlicher als er sie gehalten, ausgearbeitet.“ 30 „Ciceros Rede ist unmittelbar nach der des Anklägers Grattius gehalten: auf sie folgten die Aussagen von M. Lucullus und den Gesandten von Heraclea.“ ZUMPT: Der Kriminalprozeß der römischen Republik, 218. „Cicero sagt von beiden dicit und dicunt: er wusste bei seiner Rede vorher, was sie aussagen würden.“ Ebd. Fußnote 1. 31 WOLFF: Des Marcus Tullius Cicero auserlesene Reden, 500. 32 ZUMPT: Der Kriminalprozeß der römischen Republik, 290. 33 STRENGE, Julius (Hrsg.): Ciceros Rede für den Dichter A. Licinius Archias. Gotha41909, 1f. 34 Ebd., 2. 35 Ebd. 36 WOLFF: Des Marcus Tullius Cicero auserlesene Reden, 468. Strenge 1888/1909 11 „[D]ie Anklage, deren Spitze sich mehr gegen die angesehene Familie der Lukuller als gegen die Person des Dichters gerichtet haben dürfte: man hoffte jene in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, wenn man diesen des Betruges überführte.“37 STRENGE schließt sich den Thesen DRUMANNs an, ergänzt jedoch einen Konjunktiv „haben dürfte“. Auch bei allgemeinerer Quellenkritik ergänzt STRENGE Konjunktive zum bisher als selbstverständlich vorausgesetzten Freispruch Archias': „Archias ist wahrscheinlich freigesprochen worden. Seine gute Sache und das Ansehen des Redners, der für ihn eintrat, mögen gesiegt haben.“38 Ebenfalls im Konjunktiv bereichert STRENGE die bisher einhellig von der Forschung erkannte Motivlage Ciceros, der sich von Archias ein Epos über sein Konsulat erhoffte, um einen politischen Aspekt: „Daſs aber Cicero gerade, ein vir consularis, der damals als Staatsmann und Redner auf der Höhe seines Ruhmes stand, den Dichter verteidigte, hatte seinen Grund teils darin, daſs er in diesem seinen Lehrer verehrte, teils in der Hoffnung, daſs Archias seine Verdienste als Konsul des vorausgehenden Jahres in einem epischen Liede ebenso feiern werde, wie er die kriegerischen Taten des Marius und Lucullus besungen hatte, teils vielleicht in dem Wunsche, sich dadurch den Lukullern gefällig zu zeigen.“39 Dass STRENGE einen so vorsichtig formulierten Gedanken („teils vielleicht“) dennoch äußert, zeigt, dass er einen größeren politischen Hintergrund der Archiana erahnt, in dem Cicero nicht nur die Rolle Archias' Verteidigers spielt. Reinach 1890 Wie DRUMANN, ZUMPT und STRENGE erschließt REINACH in seiner Edition den politischen Hintergrund der Rede: „Triumphum Luculli inimicorum simultates adeo retardaverunt ut ejus currum Cicero consul demum in Urbem induxerit;“ „Hanc accusationem non tam ad clientem quam ad patronum ejus spectavisse, mos hujus aetatis suadet ut credamus : in judicium caput Archiae, factum Luculli vocabatur.“40 Mit „mos hujus aetatis suadet ut credamus“ geht REINACH über die Andeutungen STRENGEs hinaus, wonach derlei Prozesse typisch waren für die Aristokratie, und ordnet den Prozess als typisch für die ganze Entwicklung der Römischen Revolution zu. 37 38 39 40 STRENGE: Ciceros Rede für den Dichter A. Licinius Archias, 2. STRENGE: Ciceros Rede für den Dichter A. Licinius Archias, 2. Ebd. REINACH, Théodore: De Archia Poeta. Diss. phil., Paris 1890, 17. Reinach 1890 12 Bezüglich der Hintergründe ergänzt REINACH den bisherigen Forschungsstand um weitere Motive: „Quibusnam instigantibus incertum : Lucullum enim ut militaris gloria, ut divitiae, ita invidia atque innumerabilium civium offensio distinguebant, qui populares superbia, milites severitate, equitem innocentia et legibus adversus foeneratores in Asia constitutis, prorsus sibi alienaverat. Cum Pompeio veteres simultates quas, diu obtectas, post legem Maniliam et ereptum Lucullo Mithridatem, ambo erumpere siverant ; Pompeii autem ex Oriente nuntiabatur reditus, adventus quotidie exspectabatur.“41 Damit erweitert REINACH den Kreis der Verdächtigen, die hinter der Anklage Archias' gestanden haben könnten: Einerseits hatte Lucullus nicht nur Pompeius zum Feind. Andererseits mag Pompeius' Rückkehr manchen, die nicht zu dessen engerem Kreis gehört haben, Anlass gegeben haben, sich mit ihm gut zu stellen. REINACH beschäftigt sich näher mit dem juristischen Kontext42 und kommt zu dem Schluss: „Gratii igitur accusatio, quanquam invidiosa et inutilis, fundamento tamen non carebat, immo, ut dicam quae sentiam, vera ac legitima fuisse videtur.“43 REINACH ist der Erste, der kritisch Ciceros Schilderung „causa dicta est“44 und damit deren Übernahme in allen bisherigen Beiträgen zur Archiana deutlich widerspricht. Sternkopf 1907 STERNKOPFs umfassender Aufsatz räumt der Archiana einen neuen höheren Stellenwert ein und geht weit über seinen philologischen Ansatz hinaus. STERNKOPF begründet die rhetorische Beurteilung der Rede mit deren politischen Hintergründen: „Man sieht, daß Tacitus die Rede pro Archia nicht zu den Reden ersten Ranges rechnet, aber auch, warum er es nicht tut. Der Stoff war nicht par, an ihm konnte sich die ganze vis ingenii nicht entfalten, die in Cicero steckte. Daraus folgt natürlich nicht, daß er sie für eine schlechte Rede hielt; im Gegenteil, mir scheint in dem aut vor Licinius Archias45 eine Steigerung zu liegen (,oder selbst');“46 „Es hat mit dieser Abhangigkeit des Redners von seinem Sujet eine ahnliche Bewandtnis wie mit der des Staatsmannes von dem Vaterlande, das er vertritt: als 41 42 43 44 45 REINACH: De Archia Poeta, 17. Ebd., 17-19. Ebd., 19. Cic. Arch. 8. Tac. dial. 37: „Non, opinor, Demosthenem orationes inlustrant, quas adversus tutores suos composuit, nec Ciceronem magnum oratorem P. Quintius defensus aut Licinius Archias faciunt“. Nach: KLOSE, Dietrich (Hrsg.): Dialogus de oratoribus, Stuttgart 1981.Vgl. STERNKOPF: Die Ökonomie der Rede Ciceros für den Dichter Archias, 337. 46 STERNKOPF: Die Ökonomie der Rede Ciceros für den Dichter Archias, 337. Sternkopf 1907 13 Belbinite oder Seriphier hätte auch ein Themistokles nicht die höchsten Ehren gewinnen können.“47 STERNKOPF widerspricht desweiteren ZUMPTs Aussage, dass „der Streitpunkt so unbedeutend“48 war, nicht direkt, überdeckt sie aber indirekt, indem er die Archiana unkonkret zu einem „Denkmal des Ciceronischen Geistes“49 verklärt. Bezüglich der Motive der Anklage äußert sich STERNKOPF vorsichtig: „Wir kennen den Ankläger Grattius anderweitig nicht, und es steht also dahin, was ihn zur Erhebung der Anklage veranlaßt haben mag.“50 STERNKOPF folgt damit WOLFFs selbstkritischer Analyse, die offen aussprach „daſs wir nicht wissen, was wir nicht wissen können“51. DRUMANNs Aussage, dass Grattius ein Strohmann der Pompeianer war, nennt STERNKOPF zwar „Vermutung“, was ihm wohl angemessener schien, stimmt ihr jedoch zu: „Wenn die Rede selbst keine directen Anhaltspunkte für diese Vermutung [DRUMANNs] aufweist, so folgt daraus keineswegs, daß sie unbegründet ist: Cicero hatte alle Veranlassung, den etwaigen politischen Hintergrund zu ignorieren, da er nach den Ereignissen vom Dezember 63 genötigt war, auf die Freundschaft des Pompejus, dessen Rückkehr aus dem Orient bevorstand, mindestens ebensoviel Wert zu legen als auf die Beziehungen zu den vornehmen Gönnern des Archias.“52 STERNKOPF zieht aus den politischen Hintergründen Schlussfolgerungen für die Stichhaltigkeit der Anklage: „Gehört aber der Angriff auf Archias mit in die Reihe der Chikanen, mit denen die Parteigänger des Pompejus die Luculler seit dem Jahre 66 bedrängten [...], so ist es um so wahrscheinlicher, daß die Anklage weniger auf dem Recht als auf Scheingründen, die man zusammengesucht hatte, fußte.“53 Damit widerspricht STERNKOPF REINACHs juristischer Beurteilung, folgt jedoch ihm und STRENGE, was das typisch aristokratische des Prozesses anbelangt. Des Weiteren kombiniert STERNKOPF DRUMANNs und REINACHs54 Thesen, sowie STRENGEs Andeutung55, und erweitert sie um einen wichtigen Beitrag: „nach den Ereignissen vom Dezember 63“ meint Ciceros umstrittene Hinrichtung der Catilinarier56, die ihm viele Feindschaften einbrachte - so viele Feindschaften, dass Cicero „ die Beziehungen zu den 47 48 49 50 51 52 53 54 Ebd. ZUMPT: Der Kriminalprozeß der römischen Republik, 218. STERNKOPF: Die Ökonomie der Rede Ciceros für den Dichter Archias, 338. Ebd., 343f. WOLFF: Des Marcus Tullius Cicero auserlesene Reden, 500. STERNKOPF: Die Ökonomie der Rede Ciceros für den Dichter Archias, 344. Ebd. REINACH: De Archia Poeta, 17: „Pompeii autem ex Oriente nuntiabatur reditus, adventus quotidie exspectabatur.“ 55 „Daſs aber Cicero [...] den Dichter verteidigte, hatte seinen Grund [...] teils vielleicht in dem Wunsche, sich dadurch den Lukullern gefällig zu zeigen.“ STRENGE: Ciceros Rede für den Dichter A. Licinius Archias, 2. 56 Vgl. STERNKOPF: Die Ökonomie der Rede Ciceros für den Dichter Archias, 361. Sternkopf 1907 14 vornehmen Gönnern des Archias“, das heißt den Halt der Optimaten, benötigte, um politisch fortbestehen zu können. STERNKOPF bringt Ciceros politische Lage auf den Punkt: „Cicero stand zwischen den beiden Parteien und wollte es mit keiner verderben.“57 In diesem Zusammenhang vergleicht STERNKOPF die historische Situation der Pro Archia poeta mit De Imperio Cn. Pompei: „[Cicero] war [...] für die lex Manilia [...] eingetreten. Er gab sich aber damals in seiner Rede die größte Mühe, auch den Taten des L. Lucullus gerecht zu werden (vgl. de imp. Cn. Pomp. § 10. 20. 21), was freilich bei seinem Thema einige Schwierigkeiten machte. [...] [Cicero] beantragte einerseits [...] für Pompeius ein zehntätiges Dankfest (de prov. Cons. 11, 27), aber anderseits machte er sich auch um L. Lucullus verdient, indem er dafür sorgte, daß dieser endlich seinen so lange verzögerten Triumph feiern konnte (Acad. pr. II 1, 3). Ebenso nun mußte Cicero auch im Jahre 62 auf zwei Schultern tragen.“58 Ausgehend von der politischen Lage erläutern STERNKOPF Ciceros rhetorische Strategie konkreter: „Es lag in der Natur der Sache, daß er auf das bellum Mithridaticum und die Taten des L. Lucullus zu sprechen kam; aber man versteht, daß er gerade jetzt, wo Pompeius aus dem Mithridatischen Kriege als der eigentliche Sieger zurückkehrte, die Empfindungen der pompejanischen Partei schonen mußte. Aus dieser Rücksichtnahme nun erklärt sich zweierlich: erstens, warum er die Leistungen des L. Lucullus nur so nebenher in dem Abschnitte berührt, der von der Verherrlichung des r ö m i s c h e n V o l k e s durch den Dichter Archias handelt; und zweitens, warum er den Abschnitt, der eigentlich Archias in seinem Verhältnis zu den Feldherren behandeln sollte, so allgemein gestaltete (‚Dichter und Feldherr‘), d a ß a u c h e i n e E r w ä h n u n g d e s P o m p e i u s g e s t a t t e t w a r.“59 STERNKOPF sieht Ciceros Strategie, es sich mit keiner der beiden Seiten zu verderben, als geglückt an: Man muß gestehen, daß Cicero höchst geschickt und discret operirt hat. Die Rivalität der beiden Bekämpfer des Mithridates tritt auch nicht andeutungsweise hervor. Das Lob, das Cicero bei der Besprechung des Archianischen Epos dem römischen Volke für die Siege von 74 bis 66 spendet, mußte auch Pompeius für berechtigt halten; die Art, wie er dabei die Führung des Lucullus betonte, konnte diesen befriedigen und Pompeius nicht kränken.“60 STERNKOPF unterschätzt die Schärfe des politischen Kampfs und der Egos der Persönlichkeiten - hier erschöpft sich sein Gespür für Politik. 57 58 59 60 STERNKOPF: Die Ökonomie der Rede Ciceros für den Dichter Archias, 361. Ebd. Ebd., 362. Ebd. Sternkopf 1907 STERNKOPF untergräbt seine wichtigen Beiträge zum politischen Hintergrund der Archiana beinahe durch eine Überbetonung der persönlichen künstlerischen Motive Ciceros: „Denn was [Cicero] lockte, was ihm seine Aufgabe reizvoll machte, das war eben die Gelegenheit, die sie ihm bot, in seinem und seiner Gesinnungsgenossen Namen bezüglich ihrer Stellung zu Kunst und Wissenschaft eine Erklärung abzugeben, ein Bekenntnis abzulegen und zu begründen. Diese Rede sollte etwas ganz Eigenartiges, etwas noch nicht Dagewesenes werden. [...] Das kam natürlich auch dem Clienten zugute, aber es geschah nicht in erster Linie um des Clienten willen.“61 Hier äußert sich STERNKOPF nicht vorsichtig und kritisch wie bezüglich des politischen Hintergrunds, sondern spekuliert, ohne dies kenntlich zu machen, über die künstlerische Begeisterung Ciceros, die Vorrang vor der Politik gehabt hätte, bezüglich der es an späterer Stelle schlicht heißt: „Die Verteidigung des Archias war ein Dienst, den er den Lucullern leistete.“62 STERNKOPF skizziert den politischen Hintergrund der Rede und bringt Ciceros Dilemma treffend zum Ausdruck, sieht Cicero jedoch eher als Sprachkünstler, denn als politischen Akteur. Erstmals bei STERNKOPF ist bewusst von einer „Inhaltsangabe“63 die Rede, während bei WOLFF, DRUMANN, ZUMPT, STRENGE noch Nacherzählungen, teilweise spekulativ ausgeschmückte Übernahmen von Ciceros Positionen, die Qualität der Quellenkritiken mindern. Heitland 1909 HEITLAND beschreibt in seiner Gesamtdarstellung zur römischen Geschichte den ArchiasProzess als bedeutendes politisches Ereignis: „Another case undertaken by him in this year was of far more serious consequence to himself.“64 Damit misst HEITLAND der Archiana eine größere Relevanz als bisher üblich zu, ähnlich STERNKOPF, jedoch nicht aus philologischen, sondern historischen Gründen. Wie REINACH ordnet HEITLAND den Prozess als typisch für diese Phase der Römischen Revolution ein: „The case [...] was one of those cases, common in Rome, where the object was simply to annoy a political opponent, and where the person accused was not the person aimed at.“ 61 62 63 64 STERNKOPF: Die Ökonomie der Rede Ciceros für den Dichter Archias, 345. Ebd., 362. Ebd., 360. HEITLAND, William: The Roman Republic, Bd. 3, Cambridge 1909, 113. 15 Heitland 1909 16 Das Motiv der Feindschaft zwischen Lucullus und Pompeius, von den bisherigen Beiträgen mehr oder minder unausgesprochen vorausgesetzt, erläutert HEITLAND erstmals explizit: „Archias was under the protection of Lucullus, whom he had accompanied to the East, and whose exploits he sang. Lucullus was an enemy of Pompey, and doubtless bore a hand in the opposition to all proposals meant to gratify his rival. He was the person really attacked, and the real assailants were, not the insignificant accuser, but persons acting on the side of Pompey.“65 HEITLAND nennt Caesar als möglichen Hintermann, eine gänzlich neue These: „We can hardly help suspecting that Caesar had some share in the business.“66 Bezüglich der Motive Ciceros zur Übernahme der Verteidigung stellt HEITLAND fest: „Cicero had a difficult choice to make, but recent events had drawn him nearer to the section of genuine aristocrats of whom Lucullus was one, and away from the ‚popular‘ leaders who were competing with him for the favour of Pompey. Moreover Archias had helped to guide the studies of Cicero in his youth, and above all had actually begun a poem on the glorious deeds of his consulship. But by his action in this case the orator was more deeply committed to the optimates, with the disadvantage of being more moderate than his company and not really one of their leaders. He was more than ever parted from the populares, and the task of conciliating Pompey became at once more necessary and less possible. [...] On the whole the prospects of the future were not reassuring.“ Damit stellt HEITLAND die politischen Motive Ciceros in den Vordergrund und unterstreicht die Bedeutung der Archiana als politische Rede. Watts 1923 WATTS hält die Bedeutung der Archiana für überbewertet und widerspricht damit vor allem STERNKOPF: „This speech, slight and unimportant in its occasion and its subject, has attained [...] to a fame and popularity which few of its author's weightier and profounder efforts have gained.“67. Dabei übersieht WATTS jedoch keineswegs die politische Relevanz der Rede und ordnet sie mit einem besonderen Augenmerk auf Pompeius in den politischen Kontext der Zeit ein: „[Cicero] had been definately marked out as the supporter of order and senatorial tradition as against the forces of anarchy and innovation. It was in Pompey [...] that the hopes of these were centred. Cicero had given them a handle against himself by his violation of the letter of the constitution in having had the conspirators executed without trial ; and their aim was to establish Pompey as dictator, and then, by applying their handle, to bring down Cicero, and with him the whole fabric of senatorial government of which he was the avowed protector.“ 65 HEITLAND: The Roman Republic, 113. 66 Ebd. 67 WATTS, Nevile (Hrsg.): Cicero. The Speeches, London 1923; ND London31961, 2. Watts 1923 Darüber hinausgehend ordnet WATTS die Rolle des Prozesses, ähnlich wie REINACH68, in den größeren Kontext der späten Republik ein: The prosecution of Archias was an episode in this campaign of petty vexation carried on by the Pompeians against the Luculli.“69 Wie HEITLAND beruft sich WATTS zur Klärung des Motivs der Anklage explizit auf die Feindschaft zwischen Pompeius und Lucullus: „Prominent among Pompey's senatorial opponents was [...] Lucullus, who had returned to Rome in 64, after a series of brilliant victories in the East. The fact that he had been supplanted in his command by Pompey exacerbated the mutual antipathy between them. The senatorial party looked to Lucullus to protect them against the encroachments of one who threatened to make himself a despot, and a sort of political guerilla broke out between the partisans of each. Laurand 1935 LAURAND sieht keine politische Dimension in der Archiana, spricht dieses Thema nicht einmal an, sondern sieht den Prozess als Privatangelegenheit Archias': „En homme avisé, Archias s'adresse à Cicéron. Mais n'est pas défendu par Cicéron qui veut. Il promet donc de composer un poème sur le grand consulat : ainsi la conjuration de Catilina va être racontée en vers grecs, que la postérité lira. Cicéron se laisse toucher. Il plaide pour Archias.“70 Der Fall bot Cicero, LAURAND zufolge, keine politische Brisanz – ganz im Gegenteil: „Le sujet n'était guère inspirant : il s'agissait d'inscriptions sur des registres disparus. Mais Cicéron eut une idée de génie : son discours se composa principalement d'une digression : il fit l'éloge des lettres.“71 LAURAND verherrlicht Cicero auf Kosten Archias', den er mehrmals in herablassender Weise für unbedeutend erklärt: „Il y avait en ce temps-là unu pauvre petit poète grec qui vivait à Rome et se disait citoyen romain.“72 „Archias était un bien mince personnage ; mais il a fourni à Cicéron l'occasion d'un chef-d'œuvre. Quant au poème qu'il avait promis, la promesse fut vite oubliée ; mais les rôles ont changé : ce n'est pas Archias qui a immportalisé le consulat de Cicéron ; c'est grâce à Cicèron que le nom d'Archias a gardé quelque célébrité.“73 Belege für „pauvre petit“ und „bien mince personnage“ bleibt LAURAND schuldig. 68 69 70 71 72 73 „mos hujus aetatis suadet ut credamus“, REINACH: De Archia Poeta, 17. WATTS: Cicero, 3. LAURAND, Louis: Cicerón. Paris21935, 37. Ebd. Ebd. Ebd., 37f. 17 Laurand 1935 18 LAURANDS tendenziöse Schilderung Archias' scheint einzig dem Zweck zu dienen den Prozess als politisch irrelevant darzustellen, wobei er das Thema Politik beziehungsweise die Thesen DRUMANNs und Sternkopfs nicht nennt. LAURAND widerspricht jedoch insofern DRUMANN und STERNKOPF, dass seine Interpretation des Falls das Gegenteil der ihrigen ist. Gaffiot 1947 In einem neuen größeren Ausmaß schildert GAFFIOT die politische Lage Ciceros nach dessen Konsulat und die politischen Verhältnisse im Zusammenhang der Römischen Revolution: „La situation en 62 Mais au début de 62, l'affaire de Sulla est un terrible rappel à la réalité. Elle lui montre que la coalition de ses ennemies acharnée à sa perte a trouvé là un prétexte pour l'attaquer lui-même et l'abattre. Adversaires politiques ou simplement jaloux, ils lui reprochent ses origines, comme l'avait fait Catilina. Ce mépris pour l'homme d'Arpinum et en général pour les gens originaires des municipes, Cicéron le signale encore quelque vingt ans après dans sa troisième Philippique : uidete quam despiciamur omnes qui sumus e municipiis (Phil. 3, 6). On lui reproche de se comporter lui, un étranger, comme un roi, comme un tyran ; on l'appelle ironiquement le troisième roi étranger régnant sur Rome après Tarquin et Numa. Ces critiques ont dû le piquer au vif ; et ses ennemis le sentent bien, puisqu'ils les reprennent, témoin le plus âpre d'entre eux, Clodius, qui dans une célèbre séance du Sénat, contée dans une lettre à Atticus (Att. 1, 16, 10), le traite d'homme d'Arpinum, de roi. Certes il se défend victorieusement contre elles et, en plaidant pour Sulla, il se fait absoudre, si l'on ose dire, en même temps que son client ; mais il est assez fin pour comprendre que son rêve de directeur politique s'est écroulé. Il va donc y renoncer. Toutefois, comme il a trop d'orgueil pour se plier à un renoncement complet, il envisage un autre rôle.“74 Als neue These stellt GAFFIOT dabei eine Verbindung her zwischen der Archiana und einem Brief Ciceros an Pompeius: „Ici nous avons un document qui nous permet d'imaginer ce rôle selon toute vraisemblance, c'est une lettre qu'il adresse à Pompée en avril 62 (Fam. 5, 7). Dans cette lettre il exprime sa désillusion de n'avoir pas reçu de Pompée les éloges qu'il était en droit d'attendre après les actes de son consulat et il termine par la phrase suivante : quae cum ueneris, tanto consilio tantaque animi magnitudine a me gesta esse cognosces, ut tibi multo maiori quam Africanus fuit me non multo minorem quam Laelium facile et in re publica et in amicitia adiunctum esse patiare, ' En somme, il voudrait être le second de Pompée, quelque chose comme son conseiller et ce sera sa pensée intime, son rêve nouveau jusqu'au jour où Pompée de retour jettera bas ses illusions. Quelle que soit la date que l'on assigne au pro Archia par rapport à cette lettre à Pompée, que le discours la précède ou la suive, ce sont ces idées-là qui hantent l'esprit de Cicéron et ce sont elles qui donnent la clef de ce que j'ai appelé le problème du pro Archia.“75 74 GAFFIOT, Félix: Pour le poéte Archias, in: Cicéron, Discours Bd. 12, Paris 1947, 7-50, 13f. 75 Ebd. Gaffiot 1947 19 GAFFIOT erkennt ein politisches Motiv Ciceros, das das übliche Motiv des Wunsches nach Verherrlichung des Konsulats durch Archias überragt und sogar „la clef“ zur Analyse der Rede sei. GAFFIOT pointiert seine These, indem er den Charakter dieser Verteidigungsrede vor Gericht als politische Kommunikation, vor allem zwischen Cicero und Pompeius, beschreibt: „Le pro Archia est bien un pro Cicerone, mais il est par-dessus tout une profession de foi politique.“76 Taylor 1952 In der juristischen Beurteilung des Falls übernimmt TAYLOR Ciceros Plädoyer und widerspricht damit REINACH: „The case against him was exceedingly weak, and any lawyer of mediocre ability could have handled it successfully.“77 Politisch misst TAYLOR der Anklage per se keine brisante politische Bedeutung bei: „When Cicero accepted the defense of Archias in the year following his consulate, he turned his attention for a time from the exiting political events of the day to prove that a poet, a friend of Lucullus, was a Roman citizen. Archias was not an important person, and no great issue was at stake.“78 Dabei lässt TAYLOR das Motiv der Feindschaft zwischen Lucullus und Pompeius jedoch nicht außer Acht: „Lucullus, Pompey's greatest rival as a military commander, was a leader of the senate; and that body made no effort to conceal its dislike of Pompey. Since Archias was an intimate friend of Lucullus, whose exploits he had commemorated in a poem, it is usually assumed that the attack on him was in reality an attack on Lucullus, and that the real assailants were men acting on the side of Pompey, of whom Grattius, the accuser, was only a tool.“79 TAYLOR zufolge ist es erst Ciceros Person, die dem Fall eine besondere politische Bedeutung gab: „[...] These are personal motives, understandable enough, which may well have been sufficient to move Cicero to accept the defense of Archias. But it is generally agreed that, just as the attack on Archias was a political manoeuvre, so Cicero's defense was a declaration of his political position.“80 Dabei folgt TAYLOR GAFFIOTs These von der Rede als politischer Kommunikation. Eine „declaration of his political position“ war die Archiana in diesem Sinn wohl vor allem gegenüber Pompeius. 76 77 78 79 80 GAFFIOT: Pour le poéte Archias, 13f. TAYLOR, John: Political Motives in Cicero's Defense of Archias, in: AJPh Bd. 73 (1952), 62-70, 62. Ebd. Ebd., 63. Ebd. Taylor 1952 20 Wie GAFFIOT, auf den er sich explizit bezieht81, sieht TAYLOR einen engen Zusammenhang zwischen der Rede und der Korrespondenz Ciceros und Pompeius': „This passage [Cic. Arch. 16], I believe, can be best understood as an echo of the thoughts that were in Cicero's mind when he wrote to Pompey about the same time to acknowledge an official dispatch and a personal letter [Cic. fam. 5, 7].“82 TAYLOR zufolge hat die Rede zwei Adressaten, die Zuhörer und Pompeius: „These thoughts [Cicero fancying being Pompey's counsellor] give point, I think, to the otherwise pointless discourse in Pro Archia (12-14) on Cicero's own devotion to study. He does not tell his audience that he hopes to be Pompey's intimate friend and counsellor: that would be out of place in the present circumstances. But he does tell them that [...] he is ready to emerge and offer still the wise counsel that might be otherwise lacking among men of action.“83 TAYLOR greift die Vermutung HEITLANDs, auf den er sich direkt bezieht84, auf, dass Caesar in den Archias-Prozess involviert war: „It is even suspected that Caesar had some share in the business, for it is certain that he at this time was trying to win Pompey over to the popular party. These considerations have led scholars to conclude that Cicero in defending Archias took a definite stand and declared himself on the side of the party of Lucullus in the Senate and against the turbulent agents of Pompey as well as against Caesar and his popular party.“85 TAYLOR führt keine Belege an für die angeblichen Thesen („led scholars to concluce“), dass Cicero mittels der Archiana klar für die Optimaten und gegen die Popularen Stellung bezogen hätte, denen er widerspricht: „Cicero may not have been very anxious to have Pompey read this speech. But in any case he could not hide the fact that he was on good terms with Lucullus, and he seems to have thought at this time that he might bring Pompey and Lucullus together in harmony“86. Ooteghem 1959 OOTEGHEM sammelt die bisherigen Beiträge zum Motiv der Anklage Archias', unter Verweis auf DRUMANN, HEITLAND und TAYLOR, und formuliert die Frage: „L'action judiciaire, qui s'appuyait sur la lex Papia de 65, était-elle inspirée par une inimitée personnelle de Grattius à l'égard d'Archias ou bien, ainsi que le pensent Drumann et d'autres, était-elle une revanche des partisans de Pompée 81 „The first one, so far as I know, to suggest a connection between this letter and Pro Archia was Félix Gaffiot in his introduction to the Budé text of the speech“, TAYLOR: Political Motives in Cicero's Defense of Archias, 64, Fußnote 7. 82 Ebd., 64. 83 Ebd., 68. 84 Sowie REID, James: Ciceronis Pro Archia, Cambridge, 1877; ND Cambridge 1899, nach: TAYLOR: Political Motives in Cicero's Defense of Archias, 63, Fußnote 5. 85 Ebd., 63. 86 Ebd., 70. Ooteghem 1959 21 qui, mécontents du triomphe accordé à Lucullus en 63, attaquaient en Archias un ami des Luculli?“87 „Nous hésitons à voir dans l'événement ces arrière-pensées et préférons la manière dont L. Laurand présente les faits“88. OOTEGHEM widerspricht damit DRUMANN, HEITLAND und TAYLOR und schließt sich stattdessen LAURANDs These an, dass der Prozess keine politische Relevanz besaß. Indirekt verweist OOTEGHEM hierbei jedoch auf die Problematik der Quellenkritik, die auf Cicero allein fußt: „Ce qui est certain, c'est qu'Archias avait composé à la gloire de son bienfaiteur et ami Lucullus un poème où il célébrait la campagne de son patron contre Mithridate.“89 Durch den Anschluss mit „ce qui est certain“ relativiert OOTEGHEM seine vorherigen Aussagen. OOTEGHEM widerspricht sich mit der Feststellung: „Ainsi le procès d'Archias fut une revanche éclatante remportée par Lucullus sur ses détracteurs.“ Letztendlich sieht OOTEGHEM trotz seiner Zweifel wohl doch einen politischen Prozess im Fall Archias'.90 Albrecht 1970 Albrechts Kommentar einer Edition für den schulischen Lateinunterricht liefert einen sehr knappen aber interessanten Beitrag: „Beruft der Redner sich so stark auf seine auctoritas und auf die der Freunde des Archias, so beweist dies weiterhin, daß der Fall seine Schwierigkeiten hatte. Standen doch hinter der Anklage nicht weniger einflußreiche Männer91, Parteigänger des Pompejus, vielleicht sogar auch Caesar. So war es keineswegs unnötig, den Fall in einen größeren Zusammenhang zu stellen und zu einer Art Votum für eine anti-individualistische Ruhmesauffassung umzuinstrumentieren.“92 Albrecht sieht vor allem einen politischen Prozess. „[D]aß der Fall seine Schwierigkeiten hatte“ bezieht sich nicht auf die juristische, sondern politische Dimension, wie im Anschluss des Satzes durch „[s]tanden doch“ deutlich wird. 87 OOTEGHEM, Jules van: Lucius Licinius Lucullus. Brüssel 1959, 171; Verweise auf DRUMANN, HEITLAND und TAYLOR. 88 OOTEGHEM: Lucius Liciniu Lucullus, 171f. 89 Ebd., 172. 90 COŞKUNs zusammenfassender Aussage OOTEGHEM lehne „einen politischen Hintergrund explizit ab“ sei damit widersprochen. COŞKUN: Cicero und das römische Bürgerrecht, 87. 91 ALBRECHT verweist an dieser Stelle via Fußnote auf TAYLOR: Political Motives in Cicero's Defense of Archias, 62-70. 92 ALBRECHT, Michael von, VESTER, Helmut: Ciceros Rede Pro Archia. Deutung und unterrichtliche Behandlung, Heidelberg 1970, 16. Albrecht 1970 22 Hinsichtlich seiner Bestätigung der nur von LAURAND bestrittenen These, dass Grattius ein Strohmann war, verweist ALBRECHT lediglich auf TAYLOR, der nicht der Urheber dieser These ist. Die bemerkenswerte Erwähnung Caesars ist wohl ebenfalls von TAYLOR übernommen, beziehungsweise von dessen Verweis auf HEITLAND, jedoch hier ohne Beleg. Stockton 1971 STOCKTON übernimmt Ciceros Darstellung des Prozesses und erinnert damit frappant an die Nacherzählungen von WOLFF, DRUMANN, ZUMPT beziehungsweise vorallem der Autoren des 19. Jahrhunderts vor REINACH: „Archias we met early in Cicero's life. [...] He was now charged before a court“93 STOCKTON lässt es hier durch seine Wortwahl („we met early“) und dem unterhaltsamen Ton („now“) so erscheinen, als ob Archias eine der Forschung nicht allein durch die überlieferte Rede Ciceros wohlbekannte Person wäre. An weiterer Stelle gilt dasselbe: „One of the early influences on Cicero was the Greek poet and scholar Archias, who came to Rome from Antioch at the very end of the second century. When he defended Archias in 62, he paid a generous tribute to his old teacher.“94 Wieder übernimmt STOCKTON das Argument des Verteidigers, dass Cicero, und mit ihm der Staat selbst, Archias eng verbunden wäre. STOCKTONs Interpretation des Motivs der Übernahme der Verteidigung als „generous tribute to his old teacher“ misst dem Prozess keine politische Relevanz zu. Den Theorien DRUMANNs und dessen Nachfolgern über den politischen Hintergrund der Archiana erteilt STOCKTON eine Absage: „Archias was a protégé of Lucius Lucullus. It is therefore widely assumed that the prosecution aimed to attack Lucullus indirectly through his friend, and that Pompey was behind the attack, hoping to prick the balloon of Lucullus's newfound prestige [...]. Had this been so, Cicero's defence of Archias would have been an overt act of opposition to Pompey. But that it was so is pure speculation, and quite unfounded. Pompey was not the only enemy Lucullus had. The name of the persecutor, Gratius, is otherwise unknown, so that nothing can be deduced from it about his possible political connections. Neither in Cicero's speech nor in the observations of the ancient commentator on it is there any hint or suggestion that the giant figure of Pompey may loom behind Gratius. That Cicero should in his speech make something of the importance of his client's patrons, the Luculli, and have little to say about Pompey, is entirely natural. We need only remember Cicero's own personal ties with Archias, [...] who [...] had now embarked on a poem celebrating Cicero's own consulship, to perceive that there is no reason to start any hares to explain why Cicero should have accepted this particular brief. 93 STOCKTON, David: Cicero. A Political Biography, Oxford 1971, 153f. 94 STOCKTON: Cicero, 4. Stockton 1971 23 No more is it reasonable to suppose that Pompey should have been seriously upset that he did.“95 Wie LAURAND sieht STOCKTON im Fall Archias' eine Privatangelegenheit und folgt WATTS' Kritik der Spekulation über etwaige Hintergründe, für die es zu wenig Anhaltspunkte gebe. STOCKTONs Theorie fußt jedoch nicht auf LAURANDs, sondern ist im Gegensatz zu dieser plausibel belegt und frei von Tendenz. STOCKTONs Ablehnung des gemeinhin angenommenen politischen Hintergrunds ist so vehement, dass er die Diskussion für beendet erklärt: „The Archias case has been over-discussed; the evidence is minimal, the weight of speculation preposterous.“96 Gruen 1974 GRUEN betrachtet den Archias-Prozess als politisches Ereignis: „Again the subject was less to secure conviction than to employ the courts as a vehicle for embarrassment of political foes. In the same category belongs the trial of the Greek poet from Antioch, A. Licinius Archias, in 62. [...]Archias, of course, was not the primary target. The gentle and aged poet was harmless – and no political figure. [...] Politics dictated the move. Archias was a showpiece of the Lucullan circle. The poet had recently completed a noble work extolling the exploits of L. Lucullus in Asia. That was a calculated retort to Pompey [...]. There can be little doubt that the trial was designed as a pointed thrust at the coterie that had patronized Archias.“ Damit schließt sich GRUEN den Thesen DRUMANNs, REINACHs und ihrer Nachfolger an. So abgeklärt GRUEN seine These vertritt fällt doch auf, dass er mit „gentle“ eine nicht belegbare Beschreibung Archias vornimmt, die an WOLFFs und teilweise DRUMANNs Ausschmückungen der Darstellung Ciceros erinnern. GRUENs Einschätzung, dass es sich bei Archias um eine „harmless – and no political figure“ gehandelt hat findet sich bereits bei LAURAND, wenn auch sehr tendenziös. GRUEN vermutet nicht nur Anhänger des Pompeius, sondern Pompeius selbst hinter der Anklage: „the trial of Archias takes its proper place in the list of judicial clashes between Pompey and his principal inimici headed by Lucullus, Catulus, and Hortensius.“97 Damit geht GRUEN deutlich weiter als DRUMANN, REINACH, STERNKOPF, HEITLAND, TAYLOR und ALBRECHT, die Anhänger des Pompeius und nicht Pompeius selbst als Drahtzieher der Anklager vermuten. Dass hinter dieser Art von Anklagen als Mittel zum Zweck eine 95 STOCKTON: Cicero, 154. 96 Ebd., 154, Fußnote 13. 97 GRUEN, Erich: The Last Generation of the Roman Repulic. Berkeley 1974, 268. Gruen 1974 24 zeitgemäße Methode stand, deutete STRENGE bereits an und REINACH, HEITLAND, WATTS und GAFFIOT folgten diesem in ihren Thesen; GRUEN schließt sich ihnen damit an. Wie STERNKOPF und TAYLOR sieht GRUEN die politische Dimension des Falls in der schwierigen Rolle Ciceros zwischen der Feindschaft seiner amicis. Die Rede selbst sieht GRUEN jedoch frei von politischen Anspielungen: „It was a delicate role [for Cicero] – with divided loyalties. The orator was not anxious to offend Pompeius Magnus. But he prized good relations also with men like the Luculli [...], who had assisted in his elevation to the consulship. [...] The defense speech was unusual, perhaps a reflection of Cicero's awkward plight. The implicit political struggle is, of course, ignored.“98 GRUENs abgeklärter Ton bei der Klassifizierung und Hervorhebung der Archiana als explizit politische Rede, vor allem „the trial of Archias takes its proper place in the list of judicial clashes between Pompey and his principal inimici“99 ist eine entschiedene Gegenrede zu STOCKTON, der drei Jahre zuvor einen politischen Kontext ausschloss und die Diskussion darüber für beendet erklärte. Zicàri 1974 ZICÀRI schließt sich der Meinung von LAURAND, OOTEGHEM und STOCKTON an, dass der Archias-Prozess kein politischer war: „L'oscurità di Archia ed il fatto che egli avesse potenti protettori tutti appartenenti al partito degli ottimati, hanno condotto la maggior parte degli studiosi a vedere in quest'orazione un fine politico, che poi non son d'accordo nel determinare.“100 Für ZICÀRI stehen persönliche Motive sowohl hinter der Anklage als auch der Verteidigung: „Per quanto si è detto a noi pare che Cicerone, sincero nell'affetto per Archia, legato ai ricordi della fanciullezza ed a una lunga consuetudine, e nell'ammirazione per la poesia di lui, avesse motivi bastevoli per assumerne la difesa;“101 Mit „e nell'ammirazione per la poesia di lui“ übernimmt ZICÀRI, ähnlich STOCKTON, ein Argument Ciceros Verteidigungsstrategie. ZICÀRI vergleicht Pro Archia poeta mit Pro Sex. Roscio Amerino, in der er ebenfalls keinen politischen Hintergrund erkennt: „che poi cogliesse l'occasione per far cosa gradita ad uomini ai quali le vicende del consolato l'avevano avvicinato, può essere; ma sarebbe, se mai, un fine 98 GRUEN: The Last Generation of the Roman Repulic, 267. 99 Ebd. 268. 100 ZICÀRI, Marcello (Hrsg.): Cicerone. La Difesa di Archia, Turin 1974, IX. 101 Ebd., IXf. Zicàri 1974 25 accessorio: non aveva difeso alcuni anni prima il commediante Roscio, di cui era ammiratore ed amico, in un'aridissima causa civile, e certo senza fini politici?“102 Dezidiert widerspricht ZICÀRI DRUMANN und GAFFIOT, auf die er sich direkt bezieht: „Generalemente si crede che l'accusa ad Archia fosse una mossa del partito pompeiano contro i Luculli (ipotesi primamente sostenuta da DRUMANN, Gesch. Roms, IV 202); più stranamente il GAFFIOT sostiene che Cicerone nell'orazione si propone come futuro consigliere e animatore di Pompeo, che, nelle sue speranze dovrebbe divenire il capo degli ottimati (pp. 14 e sgg.).“103 Durch „più stranamente“ schließt ZICÀRI den politischen Hintergrund ebenso entschlossen aus wie STOCKTON („preposterous“104). Haley 1977 HALEY erläutert in seiner Pompeiusmonographie das gängige Motiv der Feindschaft zwischen Lucullus und Pompeius auch mittels eines psychologischen Aspekts: „Pompeius stripped Lucullus of his power to reward or punish and cancelled his regulations and edicts with counter edicts. Pompeius' continued cancellations led to an attack upon his personality, such as the insult that Pompeius was a scavenger who triumphed over victims killed by others.“105 Zum Motiv der Eifersucht zwischen Pompeius und Lucullus verweist HALEY wohl als Erste explizit auf Plut. Luc. 37 und Cato min. 29,3106: „Ἐν δὲ δέλτοις ἀναγραφαὶ τῶν ἤδη δεδομένων χρημάτων ὑπ' αὐτοῦ Πομπηίῳ πρὸς τὸν πειρατικὸν πόλεμον καὶ τοῖς ἐπὶ τοῦ δημοσίου ταμείου, καὶ χωρὶς ὅτι στρατιώτης ἕκαστος ἐνακοσίας καὶ πεντήκοντα δραχμὰς ἔλαβεν.“ 107 „Ἐκ τούτου Λεύκολλος ἐπανελθὼν ἐκ τῆς στρατείας, ἧς ἔδοξε τὸ τέλος καὶ τὴν δόξαν ἀφῃρῆσθαι Πομπήϊος, εἰς κίνδυνον ἦλθε τοῦ μὴ θριαμβεῦσαι, Γαΐου Μεμμίου καταστασιάζοντος αὐτὸν ἐν τῷ δήμῳ καὶ δίκας ἐπάγοντος εἰς τὴν Πομπηΐου χάριν μᾶλλον ἢ κατ´ ἔχθος ἴδιον.“108 HALEY widerspricht GRUENs These, dass Pompeius selbst hinter der Anklage gegen Archias steckte und argumentiert psychologisch: „on a more personal level, he [Pompeius] seemed to prefer men not completely political or financial but rather men with political principles and pleasing solid personalities.“109 Demnach entspräche solche eine Tat eher nicht dem Charakter Pompeius'. 102 ZICÀRI: Cicerone, X. 103 Ebd., IX, Fußnote 5. 104 STOCKTON: Cicero, 154, Fußnote 13. 105 HALEY, Shelley: The Role of Amicitia in the Life of Gnaeus Pompeius Magnus. Diss. phil. (masch.) Ann Arbor 1977; ND Ann Arbor 1978, 66. 106 Ebd., Fußnote 32. 107 Plut. Luc. 37. Nach: ZIEGLER, Konrad: Große Griechen und Römer, Zürich 1970. 108 Plut. Cato min. 29,3. Nach: ZIEGLER: Große Griechen und Römer. 109 HALEY: The Role of Amicitia in The Life of Gnaeus Pompeius Magnus, 107. Haley 1977 26 HALEY geht noch weiter in ihrer psychologischen Argumentation: „His inferiority complex, his unsophisticated dealings with more clever enemies“110. HALEY zufolge fehlte es Pompeius an der Fähigkeit einen solchen zeitgemäßen Prozess zu führen, bei dem mittels eines Strohmanns ein Anhänger der Partei des Gegners, dem geschadet werden soll, angeklagt wird. Kurzum: eine solche Tat würde nicht zu Pompeius passen. Balsdon 1979 In seiner Monographie „Romans and Aliens“ bezieht sich BALSDON auf die Archiana: „These ‚alien acts‘ were strong irritants not only to those against whom they were aimed, because they provoked malevolent informants and were manipulated for political purposes. [...] Prosecutions under the lex Papia in 62 BC against Archias and in 56 against Cornelius Balbus were moves against Lucullus, Pompey and Caesar respectively.“111 Damit spricht sich BALSDON deutlich dafür aus, dass der Archias-Prozess politisch motiviert und gegen Lucullus gerichtet war. Diese an sich alte These ist hier auch eine Antwort auf ZICÀRIs Beitrag fünf Jahre zuvor, der den Prozess als gänzlich unpolitisch sieht. Ob BALSDON von persönlicher Einflussname Pompeius', wie GRUEN, oder allgemeiner Anhänger des Pompeius hinter der Anklage vermutet, wie DRUMANN oder STERNKOPF, bleibt jedoch offen. Eine Einflussname Caesars, der namentlich genannt wird, auf den ArchiasProzess, wie sie HEITLAND, TAYLOR und ALBRECHT für möglich halten, lässt sich nicht eindeutig aus BALSDONs Kommentar entnehmen. Vretska u. Vretska 1979 Die Gebrüder VRETSKA liefern in ihrer herausragenden philologischen Edition der Rede auch einen umfassenden Beitrag zu ihrem politischem Hintergrund. Bereits die Zeit vor dem Prozess wird von den VRETSKAs breiter und prosopographischer als bisher untersucht: „Doch schon am Ende seines Konsulatsjahres sah er [Cicero] sich von mehreren Stellen bedroht. Vor allem hetzte der Tribun Q. Caecilius Metellus Nepos [...] wegen der Hinrichtung der Catilinarier [...] gegen ihn, von denen zwei der Uradelsfamilie der Cornelier angehört hatten. Heftiger Gegner war auch der Tribun L. Calpurnius Bestia [...]. Nun war Metellus Nepos von Pompeius nach Rom gesandt worden, um dort als Tribun die Interessen des Cn. Pompeius zu vertreten [...]. Dieser hätte gern ein Kommando gegen das Heer des Catilina erhalten als Stützpunkt für die kommenden Verhandlungen mit dem Senat. Hinter 110 HALEY: The Role of Amicitia in The Life of Gnaeus Pompeius Magnus, 107. 111 BALSDON, John: Romans and Aliens, London 1979, 101. Vretska u. Vretska 1979 27 den Angriffen gegen Cicero konnte also recht wohl Pompeius stehen, dessen Rückendeckung später Cicero seit seiner Rückberufung aus der Verbannung [...] suchen würde. Da schien also für Cicero Terrain verlorengegangen zu sein. Das mußte er schon um den Jahresbeginn gespürt haben, wie sein Brief (fam. 5,7 vom April 62) zeigt.112 VRETSKA u. VRETSKA greifen STERNKOPFs Schilderung der Hinrichtung der Catilinarier als politischen Hypothek Ciceros auf und wichtiger noch die Entdeckung und These GAFFIOTs, der auch TAYLOR folgt, dass die Korrespondenz Ciceros und Pompeius' ein Schlüssel zur Klärung der Motive ist. Auch den weiteren Verlauf beschreiben die VRETSKAs prosopographisch detaillierter als alle bisherigen Beiträge zum Thema: „Pompeius war also [Cic. fam. 5,7 zufolge] ein unsicherer Kantonist. Dazu hatte Cicero gegen Metellus Nepos eine scharfe Rechtfertigungsrede gehalten. Dieser war indessen unter Protest gegen den Senat zu Pompeius zurückgekehrt und hatte sicher keinen günstigen Bericht über Rom, Senat und auch Cicero gegeben: vielleicht hatte der oben erwähnte, für Cicero bittere Brief des Pompeius schon die Folgen gezeigt. Da mußte Cicero schon weitere Rückendeckung suchen, diesmal in streng optimatischen Kreisen. In dieser Lage kam ihm der an sich unbedeutende Prozeß gegen Archias sehr gelegen. Denn damit konnte er dem bedeutenden Feldherrn L. Licinius Lucullus Ponticus und dessen jüngerem Bruder Marcus gefällig sein - zugleich auch als Dank für die Unterstützung durch Lucius im Senat -, zugleich aber damit ein Gegengewicht gegen Pompeius gewinnen, da beide Männer scharfe innenpolitische Gegner des Magnus waren.“113 Es ist bemerkenswert, dass Cicero bei den VRETSKAs nicht als Opfer zwischen den Stühlen der amici porträtiert wird, sondern als Politiker der aktiv eine Chance erkennt und gekonnt nutzt. Die VRETSKAs belegen dies mittels eines weiteren Briefs: „Cicero beschreibt seine Lage Ende 63 selbst sehr offen und nicht ohne Ironie (fam. 5, 6, 2)“114 „Ego tua gratulatione commotus, quod ad me pridem scripseras velle te bene evenire, quod de Crasso domum emissem, emi eam ipsam domum HS. XXXV aliquanto post tuam gratulationem; itaque nunc me scito tantum habere aeris alieni, ut cupiam coniurare, si quisquam recipiat, sed partim odio inducti me excludunt et aperte vindicem coniurationis oderunt, partim mihi non credunt et a me insidias metuunt nec putant ei nummos deesse posse, qui ex obsidione feneratores exemerit.“115 112 VRETSKA, Helmuth, VRETSKA Karl: Marcus Tullius Cicero, Pro Archia poeta. Ein Zeugnis für den Kampf des Geistes um seine Anerkennung, Darmstadt 1979, 1f. 113 Ebd. 114 Ebd. 2. 115 Cic. fam. 5, 6, 2. Nach: BAILEY, David (Hrsg.): M. Tulli Ciceronis Epistulae ad familiares. Libri I-XVI, Stuttgart 1988. Vretska u. Vretska 1979 28 Die hierbei von den VRETSKAs konstatierte Offenheit und Ironie verstärkt den Eindruck, dass Cicero keineswegs so sehr unter seiner Rolle als Verteidiger des Archias gelitten hätte, wie meist angenommen, beispielsweise von STERNKOPF. Wie bei HEITLAND, TAYLOR und ALBRECHT ergänzen VRETSKA u. VRETSKA den Kreis der möglichen Hintermänner um Caesar, jedoch in für sie typischer weit prosopographischer Tiefe: „Dazu fehlt noch eine Gestalt in unserem Bild: C. Iulius Caesar. Sein Verhalten im vergangenen Jahr [...] war nur voll bedenklicher Pläne; [...] Da er als einzelner nicht zum Ziel gekommen war [...], suchte er jetzt die Verbindung mit Pompeius, unterstützte dessen Plan einer Befehlsübergabe an ihn. Während aber Metellus vor dem Widerstand des Senates wieder zu Pompeius zurückkehrte, blieb Caesar in Rom, konnte sogar die Amtsenthebung, die der Senat über ihn und Metellus verfügt hatte, rückgängig machen: so groß war die Angst vor der Macht Caesars im Hintergrund. [...] Für 59 war mit dem Konsulat dieses für Cicero immer unheimlichen Mannes zu rechnen! Eine Rücksicherung beim Clan der Licinier war da sicher nicht ungünstig. Nur freilich, diese Entscheidung erforderte wieder Vorsicht. L. Lucullus stand sich mit Pompeius schlecht. [...] So mußte Cicero zwischen einem Eintreten für die Lukuller und einer Nichtverärgerung des Pompeius lavieren. Sich aber [...] zurückzuziehen, war für Cicero ohne den Verlust seiner Stellung [...] nicht möglich."116 Die Gebrüder VRETSKA zeichnen aufgrund ihrer gründlichen prosopographischen Untersuchungen ein äußerst differenziertes Bild der politischen Umstände, das letztlich kein Ergebnis im Sinne der Nennung eines Hintermanns der Anklage liefert, jedoch viele neue Hinweise. Teilweise ist der Beitrag der VRETSKAs von einer latenten Bewunderung Ciceros gekennzeichnet, beispielsweise wenn sie den für sein Eigenlob berüchtigten Cicero mit „sehr offen und nicht ohne Ironie“117 als durchaus selbstkritisch beschreiben, die sich womöglich auch im befremdlichen Untertitel der Edition „Ein Zeugnis für den Kampf des Geistes um seine Anerkennung“ niederschlug. Haley 1983 Sechs Jahre nach einem Kommentar in ihrer Pompeiusmonographie118 schrieb HALEY einen Aufsatz der in Gänze „The Politics of the Pro Archia“ gewidmet ist. HALEY lehnt die These des politischen Prozesses nicht ab, hinterfragt aber die Motive: „It has often been argued, most recently by E.S. Gruen in The Last Generation of the Roman Republic, that the charge was a blow aimed at Lucullus, rather than at Archias, by some of the general's political enemies. As Gruen rightly points out, over twenty-five years had lapsed since Archias first applied for citizenship and 116 VRETSKA: Marcus Tullius Cicero, 3. 117 Ebd., 2. 118 HALEY: The Role of Amicitia in The Life of Gnaeus Pompeius Magnus. Haley 1983 29 no one thought it necessary to check his credentials until 62 B.C. If Gruen's conclusion that ‚politics dictated the move‘'119 is correct, it would be useful to know what prompted this political exercise and how Archias came to be its victim. From what we know of Archias, he was not a political figure, but an ageing teacher and poet who found patrons in the important political figures of the time, Metellus Pius, Cato, Hortensius, Cicero, and Lucullus.“120 „Another important difference between the two is that Theophanes took an active part in Pompey's political career, while Archias seems never to have concerned himself with Lucullus's political activities. This being the case, what political gain would come from attacking this scholar of the Lucullan household?“121 Wie VRETSKA u. VRETSKA entdeckt HALEY mittels eines prosopographischen Ansatzes neue Hinweise bezüglich möglicher Motive: „Lucullus, Silanus, and Murena each had justification for resenting Pompey, and the Pompeian supporters, if not Pompey himself, had to have been aware of growing dissatisfaction with their leader. The Pompeians would have been aware, too, of the association of Cicero with the rivals of Pompey, especially Murena. [...] The Pompeians, perceiving that Cicero's loyalty to Pompey was divided, would have been eager to warn him and to harass Lucullus along with any other hostile politicians. The standard way in Roman politics to warn and vex a rival was to persecute his friends. Ideally, the scapegoat in this case had to be associated with both Lucullus and Cicero.“122 HALEY vermutet also, dass sich der Prozess in erster Linie nicht gegen Lucullus, sondern Cicero richtete und diesem eine Warnung sein sollte. Mit der Beschreibung der Anklage als „standard way in Roman politics“ ordnet HALEY, wie REINACH, HEITLAND, WATTS, GAFFIOT und GRUEN den Prozess als typisch für die späte Republik ein. Besonders intensiv spürt HALEY der Frage nach, weshalb ausgerechnet Archias angeklagt wurde: „This being the case, what political gain would come from attacking this scholar of the Lucullan household?“123 „But of the influential friends of these men, why and how did the Pompeians come to choose Archias, a poet with no active interests in politics? It may have come about as follows. Before Pompey's return to Rome, Theophanes had published a ‚Pompeian‘ history of the Mithridatic campaigns and received a grant of citizenship from Pompey. Most importantly, his history would have recalled the ‚Lucullan‘ version written as an epic poem by Archias and the grant of citizenship might have raised questions about Archias's status. Discredit of Archias's citizenship might very well lead to the discredit of Archias's poem which in turn 119 HALEY verweist hier auf GRUEN: The Last Generation of the Roman Repulic, 267. 120 HALEY, Shelley: Archias, Theophanes, and Cicero. The Politics of the Pro Archia, in: CB Bd. 59 (1983), 1-4, 1f. 121 Ebd., 2. 122 Ebd., 2f. 123 Ebd., 2. Haley 1983 30 could lead to the distrust of of Lucullus's achievements during the war and ultimately to the distrust of Lucullus himself. This is conjecture, of course, since the logic of the Pompeians can never be known. Nevertheless, in many ways Archias was an obvious choice. He had several patrons in the political sphere and fulfilled the requirement of close association with Lucullus and Cicero, the very men the Pompeians wanted to harass and admonish. An attack on Archias could be perceived as an attack on Cicero, since Archias was working on an epic poem in praise of Cicero's consulship. Hopefully, Lucullus and his supporters would consume more time gathering evidence to help Archias and have less time to vent their hostility against Pompey.124 HALEY folgt hier dem Motiv des Archias als Stellvertreter Lucullus', erweitert es jedoch um die Möglichkeit, dass möglicherweise auch Cicero getroffen werden sollte. HALEYs kritische Analyse von Ciceros Darstellung des Falls führt zu weiteren Aussagen über die Motive hinter der Anklage Archias': „Cicero's argument does, however, accomplish its purpose to draw attention away from the facts and to portray Cicero not as an attacker of the Pompeians' case but as an honorable pupil repaying a debt. Cicero is careful to smooth any ruffled political feathers. There has been some discussion as to whether any such ruffled feathers existed. David Stockton in Cicero: A Political Biography observes (p. 154) that Cicero's personal ties were sufficient justification for his defense of Archias and concludes that the assumption of Pompey in the shadows of the charge is mistaken and that Pompey probably was not bothered by Cicero's defense of the poet. It is true that there is no definite evidence that Grattius, the prosecutor of Archias, was a Pompeian. However, in the Pro Archia, Cicero is cautious and flattering to all concerned.“125 „If Pompey would not have been anxious over Cicero's defense of Archias, if, indeed, he was not behind the attack of Archias, Cicero need not have felt it necessary to praise Pompey. Cicero did not want his defense to be interpreted by Pompey as an act of disloyalty or rebellion and he was careful to avoid such an interpretation by praising the general.“126 HALEYs Darstellung bietet statt Andeutungen eine ausführliche und umfassende Erklärung der offenen Fragen unter Betonung der Plausibilität („no definite evidence [...] however [...]“). HALEY findet, im Gegensatz zu DRUMANN, einen kausalen Anlass für die Anklage Archias' und bringt ihre These zum politischen Hintergrund damit auf den Punkt: „It was the publication of his history which reminded the Pompeians of Archias, thus explaining why Archias on this occasion became the victum of political vexation and why some other more influential person was not attacked.“127 124 HALEY, Archias, 3. 125 Ebd. 126 Ebd., 4. 127 Ebd. Gold 1987 31 Gold 1987 In ihrer Monographie zur „Literary Patronage“ führt GOLD Archias als Beispiel auf: „Archias is one of the more interesting figures in the annals of patronage. One reason for this is that we know a great deal about him.“128 Ein Hinweis, dass alle Informationen über Archias aus Ciceros Rede stammen unterbleibt bei GOLD. Die Wortwahl „a great deal“ ist in diesem Zusammenhang fragwürdig. In folgendem Fall drückt sich GOLD unpräzise aus: „Cicero used the courtroom as an arena in which to gain attention for his own oratorical abilities as well as for the poetic talents of his longtime acquaintance, Archias.“129 „[A]cquaintance“ ist auch mit „Freund“ zu übersetzen, was hier fragwürdig wäre. In diesem Fall hätte GOLD die vom Anwalt Cicero beschworene Nähe zu seinem Mandanten unkritisch übernommen.130 GOLD spricht den politischen Hintergrund des Prozesses an: „The case itself against Archias was not particularly important; it was actually a pretext employed by the supporters of Pompey to annoy his old enemy Lucullus. Pompey and his friends used Archias as a tool to undermine Lucullus by attacking the legality of Archias's citizenship which Lucullus had sponsored.“131 Damit stand GOLD zufolge auch Pompeius persönlich hinter der Anklage. GOLDs Wortwahl „and his friends“ lässt unklar ob amici oder clientes gemeint sind. GOLDs prosopographische Untersuchung geht nicht der Frage nach den politischen Motiven der Anklage nach, wie bei VRETSKA u. VRETSKA und HALEY, sondern der nach den Patronen des Künstlers Archias: „Let us look first at Archias' relationship with the Luculli. Archias was in the service of L. Lucullus from 88 B.C., when he accompanied him to the East, until Lucullus's death in 59 B.C., for nearly thirty years. Even before this, he had formed an attachment to the elder L. Lucullus, who had arranged for citizenship to be granted to Archias in the town of Heraclea.“ Ähnlich WOLFF schmückt GOLD hier mit „he had formed an attachment“ Ciceros Schilderung der Vita Archias' etwas aus. Im Laufe ihrer Untersuchung führt GOLD all die Namen auf die der Anwalt Cicero im Namedropping zugunsten seines Mandanten nennt, und erklärt sie zu Archias' „patrons“: „Archias, wo had been a prominent citizen of Antioch, had a number of important Roman patrons besides L. Lucullus, his primary patron, notably Q. Metellus 128 GOLD, Barbara: Literary Patronage in Greece and Rome. Chapel Hill 1987, 73. 129 Ebd. 130 Vgl. WOLFFs Entlarvung der Floskeln des Anwalts Cicero, vorliegende Arbeit 8. 131 Ebd. Gold 1987 32 Numidicus and his son Pius, the Catuli, L. Crassus, M. Aemilius Scaurus, the Hortensii, and Cicero.“132 „Archias [...] had many supporters, according to Cicero, and among these were some of the most distinguished men in Rome: Marius, the Catuli, the Luculli, the Metelli, M. Aemilius Scaurus, Cicero, L. Crassus, Drusus, the Octavii, Cato, the Hortensii. The practice of writers having more than one patron was not unusual. Technically, a cliens had only one patronus, in Archias's case Lucullus, who gave to Archias Roman citizenship and from whom Archias derived his nomen, Licinius. It was not out of the ordinary, however, particularly for non-Romans, to have more than one supporter, and Archias [...] seemed to have had several besides the Luculli, including the unknown person from whom he took the name Aulus.“133 Der Begriff des „patron“ wird hier undeutlich, so dass unklar ist ob GOLD die neben Lucullus genannten als „supporter“ im weiteren, oder patroni im engeren Sinn sieht.134 Keaveney 1992 In seiner Lucullusbiographie fasst KEAVENEY den Fall Archias' kurz zusammen: „We do not know the result but [...] the defense [...] make[s] it virtually certain it was acquittal. What is less certain is whether any political significance should be attached to the matter. Two circumstances suggest that it might. The obscurity of the prosecutor [...] and the feebleness of his case strongly points not to the hope of success but the desire to be vexatious. Lucullus was being got at through an attack on one of his friends. Gratius or perhaps somebody standing behind him hoped to make himself pleasing to Pompey.“135 KEAVENEY äußert sich äußerst vorsichtig zu der Frage nach dem Motiv hinter der Anklage („perhaps“), schließt jedoch Pompeius selbst als Drahtzieher aus, ähnlich wie REINACH („somebody [...] hoped to make himself pleasing to Pompey“). Neu ist KEAVENEYs Argumentation, dass der Fall unter anderem deshalb politisch war, weil die Anklage chancenlos gewesen zu sein scheint. Anonsten fasst KEAVENEY nur kurz den Forschungsstand zusammen, wobei er großen Wert darauf legt, Ciceros Schilderung des Falls nicht unkritisch zu übernehmen, sogar einschließlich des suggerierten Gewinnens des Prozesses („[w]e do not know the result“). Amarelli u. Lucrezi 1997 AMARELLI u. LUCREZI ordnen den Prozess als typischen politischen Prozess der späten Republik ein, wie REINACH, HEITLAND, WATTS, GAFFIOT, HALEY und GRUEN: 132 Ebd., 71. 133 GOLD: Literary Patronage, 74. 134 Vgl. GRUEN über die Verwendung der Begriffe in der Rede selbst: „Of course, the terms patronus and cliens were genereally avoided: it would be impolite to call attention to the dependency. Amicus had a better ring to it.“ GRUEN, Erich: Studies in Greek Culture and Roman Policy. Leiden 1990, 79. 135 KEAVENEY, Arthur: Lucullus. A Life, London 1992; ND London 2009, 138. Amarelli u. Lucrezi 1997 33 „Fu in base alla lex Papia, dunque, che Archia, denunziato da un tale Grazzio, fu sottoposto a iudicium publicum. L'accusa, con ogni verosimiglianza, non era motivata da una pura richiesta di rispetto della legalità, ma rientrava nella lotta politica del tempo, e fu probabilmente mossa per colpire, indirettamente, i Luculli.“136 Zum Motiv der Anklage bieten AMARELLI u. LUCREZI keinen eigenen Beitrag, sondern verweisen auf die Gebrüder VRETSKA: „Dietro tale manovra – come ipotizzano H. E K. Vratska – si celava forse l'uomo forte' del momento, Pompeo [...], dei cui disegni Grazzio sarebbe dunque stato un mero esecutore.“137 Die Theorie des Grattius als Strohmann Pompeius' findet sich bereits bei DRUMANN. Zum weiteren politischen Hintergrund stellen AMARELLI u. LUCREZI die These auf, dass Cicero in seiner Rede womöglich Pompeius angreift: „Nella richiesta di Archia (forse anche personalmente sollecitata) l'ambizionissimo Cicerone vedeve un'occasione propizia per accrescere la propria fama con una vittoria di prestigio (cimentandosi in una difesa che, per le caratteristiche personali dell'imputato, gli era decisamente congeniale) e anche, forse, per tentare una prima sfida, cauta e indiretta, contra Pompeo.“138 Diese Theorie wird jedoch nicht weiter erörtert oder zu belegen versucht. Paulus 1997 PAULUS' Kommentar zum Archias-Prozess in seiner Monographie zum römischen Bürgerrecht bietet keine neue These, sondern eine knappe Zusammenfassung des Forschungsstands: „Es wurde bereits erwähnt, daß der Ankläger – ein gewisser Grattius – mit dem [...] Prozeß nicht nur dem Archias das römische Bürgerrecht abgesprochen haben, sondern mit der erhofften Verurteilung vermutlich auch den hinter ihm stehenden Lucullus treffen wollte. [...] Daß [Cicero] gleichwohl die Verteidigung dieses – überdies nicht einmal spektakulären oder kniffligen – Falles übernimmt, liegt zum einen wohl in der verpflichtenden Kraft der Pietät gegenüber seinem alten Lehrer; zum anderen wird auch eine Rolle gespielt haben, daß er seinem Freund Lucullus helfen und – erklärtermaßen – daß er den Dichter zu einer Eloge auch auf seine, des Cicero, Taten verpflichten wollte. Die Hoffnung auf diesen Lohn wurde freilich nicht erfüllt; Archias schrieb kein Loblied zum Ruhme des Cicero.“139 PAULUS betont indirekt den Einfluss der politischen amicitiis der Aristokratie und die Rolle ihrer Prozesse als politische Kämpfe („nicht einmal spektakulären oder kniffligen“). 136 AMARELLI, LUCRECZI: I Processi contro Archia e contro Apuleio, 26. 137 Ebd., 26f. 138 Ebd., 28. 139 PAULUS, Christoph: Das römische Bürgerrecht als begehrtes Privileg. Cicero verteidigt Aulus Licinius Archias und Cornelius Balbus, in: MANTHE, Ulrich, UNGERN-STERNBERG, Jürgen von (Hrsgg.): Große Prozesse der römischen Antike, München 1997, 100-14, 105f. Steel 2002 34 Steel 2002 In ihrer Cicerobiographie spricht sich STEEL für eine ihr zufolge vernachlässigte politische Deutung des Archias-Prozesses aus: „an undesireable consequence of the pro Archia's status as a supremely ‚literary‘ text has been the neglect of the context in which such a defence was made. The oddity of a digression on poetry in a forensic speech has often been noted: but few people have approached the speech from the perspective of how to argue that a Greek poet should keep his Roman citizenship.“140 „The digressions away from legal argument [...] cannot be explained simply in terms of the strength or weakness [...]. In part, digressiveness is, as so often in Cicero's oratory, a response to political implications of the trial. [...] There is fairly general agreement that the prosecution of Archias is an attempt to embarass L. Lucullus, in the context of continuing ill-feeling between him (and more generally, the ‚Optimates‘) and Pompeius“141. STEEL erkennt nicht nur oberflächlich eine vorhandene politische Dimension des Falls, sondern liest zwischen den Zeilen von Ciceros Rede politische Anspielungen: „It is worth noting [...] that the attributes [in Cic. Arch. 21] belong to the war and to Lucullus and not to the poem. [...] The paragraph ends with his saying that whoever treats of these subjects is increasing the reputation of the Romans. That is, Cicero does not say anything about the content of the poem. This silence need not be a cause for concern: it is rhetorically effective to remind the jurors of a recent and ultimately successful military campaign [...]. And if the focus of the poem was the achievements of Lucullus himself, it is understandable that Cicero would not want to commit himself to an account of the Mithridatic War that ignored the achievements of Pompeius, given his own expectations of a useful political partnership with Pompeius. [...] By citing Theophanes as a parallel to Archias, Cicero is deliberately and rather pointedly skating over the differences between their patrons, and the fact that Theophanes' and Archias' accounts of the Mithridatic War were at one level in competition.“142 STEELs ausführliche Beschreibung der auf Ausgleich gesinnten Strategie Ciceros ähneln nur insoweit den Thesen von GAFFIOT, TAYLOR und GRUEN, dass sie Ciceros Lage zwischen zwei Parteien betonen. Auf die Korrespondenz Ciceros und Pompeius' geht STEEL nicht ein. Heubner 2006 In ihrem philologischen und bildungspolitischen Kommentar zur Archiana bietet HEUBNER keine neuen Thesen, bezieht jedoch deutlich Stellung hinsichtlich der Frage nach etwaigen Hintermännern Grattius': 140 STEEL, Catherine: Cicero, Rhetoric, and Empire. Oxford 2001, 78. 141 Ebd., 81. 142 Ebd., 84ff. Verweis auf HALEY. Heubner 2006 35 „denn obwohl L. Lucullus 66 v. Chr. durch Pompeius vom Oberkommando gegen Mithridates wegen Erfolglosigkeit abgelöst worden war, billigte der Senat ihm dennoch im Jahre 63 v. Chr. einen Triumph zu und verminderte damit die Verdienste des Siegers Pompeius. Der sah offenbar in der Anklage und sicher geglaubten Verurteilung des Luculli-Protegés Archias eine Möglichkeit der Genugtuung.“143 „Und Cicero erwartet als anerkannte Authorität, dass die Richter [...] die Anklage als persönliches Machtgerangel Einzelner (Ankläger Grattius als Handlanger des Pompeius) durchschauen.“144 Wie GRUEN und GOLD spricht sich HEUBNER für Pompeius selbst als Drahtzieher der Anklage Archias' aus. Ansonsten beweist HEUBNER kaum Gespür für die historischen Hintergründe des Prozesses, etwa wenn sie unnötigerweise sowie untertreibend feststellt: „Die Luculli spielten in der römischen Politik eine nicht unwichtige Rolle.“145 Den quellenkritischen Hinweis auf die Tatsache, dass Ciceros Rede als einzige Quelle spricht, bietet HEUBNER nicht. Usher 2008 In seiner philologischen Monographie zu „Cicero's Speeches“ bietet USHER eine kurze Zusammenfassung des Archias-Prozesses: „This minor case arose from political skirmishing. Supporters of Pompey, who was still absent in Asia (62 BC), sought to embarass Lucullus by questioning the citizenship of one of his clients, the Greek poet Archias. Cicero's interest in the case may, as he claims, have stemmed mainly from a belief that the poets are desireable members of a civilized society. But his motivation may have been more complex than that. By defending Archias he appeared to be placing himself firmly in the Senatorial/Lucullan camp, but his ambitions for a concordia ordinum required that he should not alienate Pompey and his adherents. Part of his solution to this dilemma is to divest the case of its political clothing, and to seek common ground with the jury through the medium of culture.“146 USHER misst dem Archias-Prozess eine geringe Relevanz zu, jedoch nicht nur als Philologe. USHER lässt den politischen Kontext nicht unberücksichtigt, auch wenn er die typischen politischen Kämpfe der Aristokratie mit „skirmishing“ recht unorthodox beschreibt. Damit steht seine Position im Kontrast zu denen WATTS' und HEITLANDs. 143 HEUBNER, Friederike: Warum sollen wir Ciceros Rede Pro Archia poeta lesen?, in: LUDWIG, Heidrun, HALLPAP, Peter (Hrsgg.): Fünf Jahre Zentrum für Didaktik. Festschrift zum 65. Geburtstag von Will Lutgert, Jena 2006, 74-80, 75. 144 Ebd., 78. 145 Ebd., 75. 146 USHER, Stephen: Cicero's Speeches. The Critic in Action, Oxford 2008, 67. Usher 2008 36 USHER schließt sich der gängigen von DRUMANN, REINACH und STERNKOPF geprägten Theorie an, dass „[s]upporters of Pompey“ hinter der Anklage steckten. Unter konkretem Verweis auf TAYLOR (und indirekt auf GAFFIOT und die Gebrüder VRETSKA) sieht USHER den Schlüssel zur Archiana in der Beziehung und Korrespondenz zwischen Cicero und Pompeius: „There is good reason to suppose that Cicero was thinking of a particular relationship to which this alliance of counsel with executive power might apply; that of himself and Pompey. Certainly, with his own power beginning to decline, it was vital for Cicero to remain as close as possible to Pompey.“147 Bringmann 2010 Im Gegensatz zu STEELs sieht BRINGMANNs Cicerobiographie, wie LAURAND, STOCKTON und zuletzt ZICÀRI, keine politische Dimension im Fall Archias': „Als im Jahre 62 dem Dichter das römische Bürgerrecht bestritten wurde, übernahm Cicero mit Erfolg die Vertretung des Archias vor Gericht, und er publizierte sogar die Rede, obwohl sie keiner großen Staatsaffäre galt. [...] Worum es ihm eigentlich ging, war der Dichter als Herold großer Taten und als Garant ewigen Ruhms. Dabei dachte Cicero natürlich an sich“.148 BRINGMANN sieht allein das Motiv Ciceros dessen Konsulat durch Archias verherrlichen zu lassen und erwähnt die Diskussion um den politischen Hintergrund nicht. BRINGMANN konstatiert weiterhin nicht nur keine engere politische, sondern auch keine sonstige Relevanz der Archiana („publizierte sogar die Rede, obwohl sie keiner großen Staatsaffäre galt“). Auch bezüglich der Relevanz der Archiana bezieht sich BRINGMANN nicht auf die bisherigen Beiträge zum Thema. Coşkun 2010 COŞKUN beklagt das „Fehlen eines angemessenen historischen Kommentars“149 und wird diesem hohen Anspruch in seiner maßgeblichen Monographie zur Archiana gerecht. COŞKUN spricht „lieber von ‚historisch-philologischen Kommentierungen‘ als einem ‚Kommentar‘“150, aufgrund der Vielzahl der Aspekte, die er behandelt. Neben der hervorragenden fortlaufenden Kommentierung, die tatsächlich als fortlaufender Text und nicht als Verzeichnis der einzelnen Stellen erscheint, und einer umfassenden Bibliographie, die der vorliegenden Arbeit von großem Nutzen war, bietet COŞKUN Überblicke über den rechtshistorischen Kontext sowie sein Spezialgebiet, der Inklusion von Fremden. 147 USHER: Cicero's Speeches, 67f. 148 BRINGMANN, Klaus: Cicero. Darmstadt 2010, 111. 149 COŞKUN: Cicero und das römische Bürgerrecht, 8. 150 Ebd. Coşkun 2010 Zu Beginn COŞKUNs Monographie scheint er die Positionen Ciceros unkritisch zu übernehmen, beispielsweise bei der Übernahme Ciceros Darstellung der Vita Archias', „[s]chnell fand er Aufnahme bei den Licinii Luculli“151, die er ausgeschmückt, „[s]einen früheren Freunden blieb er weiterhin sehr eng verbunden“152, mit seinen eigenen Theorien verbindet: „Es ist anzunehmen, dass er an dessen Triumphzug im Jahr 63 teilnahm“153. Zunächst wird die Problematik der alleinigen Überlieferung Ciceros nur indirekt angesprochen: „Der unmittelbare Ausgang des Prozesses ist zwar nicht überliefert, doch [...]“154. Problematisch ist auch COŞKUNS Wortwahl der „Hauptquelle“: „Archias scheint nach der Hauptquelle für seine Biographie, der für ihn gehaltenen Verteidigungsrede, als junges Sprachwunder bei seinem Aufbruch aus Antiocheia nichts anderes mit auf den Weg genommen zu haben als sein herausragendes Talent. Es soll ihm [...]“155 Im Vergleich der Archiana als „Hauptquelle“ wäre die Bezeichnung „Nebenquelle“ für Cic. Att. 1, 16, 10 doch zu vielversprechend. Doch ist im Zitat bereits eine aufkommende differenziertere Quellenkritik erkennbar, der Konjunktive Ausdruck verleihen („scheint [...] zu haben“, „soll“). Diesem Stil der quellenkritischen Konjunktive bleibt COŞKUN weiterhin treu: „Es heißt, dass Archias sich bei seiner Ankunft in Rom sogleich [...] wohlwollende Aufmerksamkeit gefunden habe“156. COŞKUN geht häufig auf den Forschungsstand ein und bewertet auch einzelne Beiträge: „während Francesco Lucrezi (1997) als erster einen rechthistorischen Standpunkt gewählt hat, jedoch zu den entscheidenden Fragen meist eine unhaltbare Position vertritt.“157 Bezüglich der politischen Dimension des Archias-Prozesses bietet COŞKUN eine Darstellung der bisherigen Standpunkte, deren äußerste Knappheit ein Anlass für die vorliegende Arbeit war. Mitunter ist es schwer COŞKUNs Position in seinen Zusammenfassungen des Forschungsstands auszumachen: 151 COŞKUN: Cicero und das römische Bürgerrecht, 25. 152 Ebd. 153 Ebd. 154 Ebd., 28. 155 Ebd., 65. 156 Ebd., 66. 157 Ebd., 8. 37 Coşkun 2010 38 „Die beiden [Lucullus] Brüder gehörten zu den führenden Optimaten ihrer Zeit und wurden spätestens seit 66 politische Gegenspieler des Pompeius [...]. Diese Verbindung war gewiss ein wesentlicher Grund für die Anklage des Archias [...]; Keaveney 1992, 138: ‚The obscurity of the prosecutor ... and the feebleness of his case strongly points not to the hope of success but the desire to be vexatious.158 Gratius (sic) or perhaps somebody standing behind him hoped to make himself pleasing to Pompey‘ [...]. Dabei schreibt ihm Gruen sogar eine Rolle in der Vorbereitung von Pompeius' Triumph zu: Die Desavouierung des Lobdichters schmälere zugleich das Lob des eigentlichen Widersachers Lucullus. [...] Dagegen lehnen Laurand [...] van Ooteghem [...] und Zicàri [...] einen politischen Hintergrund explizit ab. Sie vermuten lediglich eine persönliche Feindseligkeit des Grattius gegen Archias [...]. Jedoch schließen sich beide Erklärungen keineswegs aus. Im Gegenteil könnten Anhänger des Pompeius gerade diese Situation genutzt und Grattius [...] zur Klageerhebung ermutigt, ihn ggf. auch finanziell unterstützt haben. [...] Nun war der Feldherr aber noch weit entfernt, und dass er persönlich die Strippen zog [...] lässt sich weder wahrscheinlich machen noch widerlegen. Auch der von Stockton [...] vorgebrachte Widerspruch gegen die Ansicht, dass Pompeius Drahtzieher des Prozesses gewesen sei, bleibt damit vereinbar.“159 COŞKUNs Leistung und neue These ist die Synthese von bisher scheinbar widersprechender und konkurrierender Thesen. Konkreter wird COŞKUN bezüglich der politischen Hintergründe allerdings nicht, sodass seine neue These in diesem Sinne doch nichts Neues bietet. So heißt es an anderer Stelle, nicht zum Forschungsstand, sondern in der Einführung zum Prozess, dann auch allgemein und vorsichtig formuliert: „Denn vermutlich stand hinter dem Prozess eine Intrige seitens eines Anklägers des Pompeius, der damals mit den Optimaten [...] um die politische Ordnung des Ostens, damit zugleich aber um Macht und Einfluss in Rom selbst stritt. Der Angriff auf Archias sollte wohl den prominenten Freund und Lobdichter des L. Lucullus treffen, um so das öffentliche Ansehen seines Gönners herabzusetzen“.160 Was die Frage nach dem oder den Hintermännern der Anklage betrifft, schließt COŞKUN eine persönliche Einflussnahme Pompeius' nicht aus („ lässt sich weder wahrscheinlich machen noch widerlegen“161) aber legt den maßgeblichen Einfluss auf die Anhänger des Pompeius. COŞKUN greift die These HALEYs aus deren zweitem Beitrag zur Archiana (1983) zum kausalen Anlass der Anklage auf und konkretisiert sie: „Im Verlauf dieser Statthalterschaft sah sich Lucullus indes zunehmenden Anfechtungen seitens seiner römischen Rivalen ausgesetzt. Vor allem Pompeius überschattete seine Leistungen systematisch und ließ dabei keine Gelegenheit aus, 158 An dieser Stelle zititert COŞKUN falsch; der Satz „Lucullus was being got at through an attack on one of his friends“ wird ausgelassen ohne dies kenntlich zu machen. Vgl. KEAVENEY: Lucullus, 138 beziehungsweise vorliegende Arbeit 32. 159 COŞKUN: Cicero und das römische Bürgerrecht, 87. 160 Ebd., 28. 161 Ebd., 87. Coşkun 2010 39 ihn planmäßig zu demütigen. Um 63/62 verfasste Pompeius' Gefolgsmann Theophanes von Mytilene sogar ein Werk, das die Erfolge seines Patrons zu Lasten von dessen Vorgänger pries. Vermutlich erst als Reaktion darauf griff nun auch Archias zur Feder, um die Taten des Schutzherrn wieder in ein rechtes Licht zu rücken. Die Klage der Bürgerrechtsanmaßung mss vor allem im Kontext dieser Rivalitäten innerhalb der römischen Aristokratie gesehen werden, wenngleich sie in Ciceros Apologie aus wohlüberlegten Gründen unausgesprochen bleibt.“162 COŞKUN verweist hier nicht auf HALEY, obwohl deren These, 27 Jahre zuvor, beinahe gleich lautet163. Schmieder 2010 In seinem seine Edition der Rede begleitenden Essay betont SCHMIEDER die politische Relevanz der Archiana. Anstatt der üblichen Nacherzählung der Vita Archias' oder des Prozessverlaufs nach Ciceros Rede heißt es dort schon zu Beginn: „Als Kläger fungierte ein gewisser Grattius, über den weiter nichts bekannt ist. Gleiches gilt für dessen Umgebung wie Hintermänner. [...] Diesem Faktum [...] ist die Annahme geschuldet, daß ein Freispruch für den Dichter erging. Die hierzu tatsächlich gehaltene Rede ist unbekannt [...]. Dieser Prozess, unspektakulär wie selten einer, verweist auf eine Ebene, die unterhalb bzw. jenseits der juristischen sich situiert.“164 Bezüglich der Motive hinter der Anklage schließt sich SCHMIEDER der Meinung der Gebrüder VRETSKA (sowie ungenannt GRUEN, GOLD und HEUBNER) an, dass wohl Pompeius hinter der Anklage stand: „Diese enge Bindung zu den Lucullern läßt vermuten, daß diesen der Angriff auf Archias galt. Denn bereits der ältere Lucius Lucullus, Vater von Lucius und Marcus, wurde, nach seiner Heimkehr als Proprätor aus Sizilien, [...] angeklagt und daraufhin verbannt. Hieran läßt sich erahnen, welche Kräfte und Bestrebungen hinter den altadligen Familien und Geschlechtern Roms in ihren Verzweigungen am Wirken waren. So war z.B. Lucius Lucullus nach dem Erfolg über Mithridates [...] der Oberbefehl entzogen und Pompeius übertragen worden. Zudem mußte er über drei Jahre auf seinen Triumph warten. Daher vermutet Vretska – wohl nicht zu unrecht -, daß im Hintergrund Pompeius die Fäden zog.“165 Auf die Andeutung der VRESTKAs (beziehungsweise HEITLANDs und TAYLORs), dass womöglich auch Caesar der Hintermann sein könnte, geht SCHMIEDER nicht ein. SCHMIEDERs Anlehnung an die VRETSKAs ist bemerkenswert, da SCHMIEDER zwar mit ihren Positionen teilweise übereinstimmt, beispielsweise bezüglich der Motive hinter der Anklage, 162 COŞKUN: Cicero und das römische Bürgerrecht, 68f. 163 „It was the publication of his history which reminded the Pompeians of Archias, thus explaining why Archias on this occasion became the victum of political vexation“. HALEY: Archias, 4. 164 SCHMIEDER, Carsten (Hrsg.): M. Tullius Cicero. Pro Archia poeta, Berlin 2010, 44. 165 Ebd., 45. Schmieder 2010 40 jedoch ein vollständig anderes Bild der Person Ciceros und ihrer Umstände zeichnet. Die VRETSKAs skizzieren Cicero als aktiven Held, wohingegen SCHMIEDER versucht Cicero als Selbstdarsteller zu entlarven, der in Wahrheit ein passives Opfer der politischen Umstände gewesen sein soll: „Vretska [...] ahnt daher, daß jene unbenennbaren Kräfte innerhalb der römischen Gesellschaft und ihrer patrizischen Oberschicht es sind, die Cicero für das Jahr 63 v. Chr. zum Konsul bestimmten. Zweck – so Sallust – sei gewesen, sich des homo novus zu bedienen, um Catilina, der bereits seit längerem inkommodierte, sich zu entledigen. Daß unter den [...] Catilinariern ‘zwei der Uradelsfamilien der Cornelier‘ [...] waren, war ein weiterer Grund, eben Cicero sich die Hände schmutzig machen zu lassen. Die Erledigung dieses ‚jobs‘ war somit als Höhe- wie Endpunkt seiner sogenannten politischen Karriere konzipiert, ohne daß er selbst dabei viel zu entscheiden gehabt hätte.“166 „Wie sehr Cicero dabei als auch insgesamt den Umständen opportun war, zeitigen unter anderem seine Briefe.“167 SCHMIEDERs Quellenanalyse ist daher besonders kritisch und Ausdruck seines prinzipiellen Misstrauens gegenüber Ciceros „Medienstrategie“168 [sic], das weitgehende Konsequenzen für die gesamte Cicero-Forschung fordert: „Aus diesem Blickwinkel ist somit Ciceros gesamtes hinterlassenes Œuvre erneut zu examinieren. Zumal es dieses ist, wodruch über Cicero allein Wissen erlangt wird: Unabhängige, direkte Quellen aus seiner Zeit – sieht man vom etwas später schreibenden Sallust ab – über ihn haben wir nicht, seine Briefe, vermutlich von Tyro oder Späteren herausgegeben, sind mehr als Selbststilisierung denn -wahrnehmung zu bewerten, die Ciceros Persönlichkeit eher verdeckt als Zugänglich macht.“169 SCHMIEDER sieht im Problem der unkritischen Übernahme von Ciceros Schilderungen ein „entropisches Moment des Mediums selbst, das daher rührt, daß eben dieses Medium die Lektüre unterläuft und somit der Reflexion sich entzieht.“170 SCHMIEDERs geforderte Konsequenzen sind begleitet von im Tonfall extrem scharfen pauschalen Angriffen auf die Altphilologie: „Doch auch dies ist lediglich Wiederholung Ciceros Ansicht [...]. Diese Prolongisierung Ciceros Auffassungen [...] macht sie deshalb nicht wahrer, denunziert vielmehr den intellektuellen Inzest innerhalb jener, geistesgeschichtlich- wie -wissenschaftlichen' Tradition, wie er auch heute überwiegend statthat. Eigentlich der philologischen Intelligenz – falls es diese gibt – anzulasten [usw.] Diesem blinden Fleck schuldet sich Ciceros Wirkmächtigkeit bei den Nachgeborenen, zumal sein Œuvre dem Umfang nach das quasi größte Corpus innerhalb der paganen lateinischen Überlieferung stellt. 166 SCHMIEDER: M. Tullius Cicero, 45. 167 Ebd., 46: 168 Ebd., 47. 169 Ebd., 46. 170 Ebd., 48. Schmieder 2010 41 Doch gerade dafür wird Cicero von der Altphilologie geliebt, die ohne seine Schriften bar eines Großteils ihres Gegenstands wie Berechtigung wäre. Oder anders formuliert: Ohne jene Blindheit zerginge ihr Selbstverständnis, das in seiner Traditionalität – trotz Nietzsche – immer noch seinen Gegenstand verfehlt. Ob aus solchem Status quo sie je zu sich selbst kommen wird, steht auf einem anderen Blatt.“171 SCHMIEDERs Rundumschlag bleibt unkonkret und unbelegt, bietet aber eine provokante und – trotz des tendenziösen Tonfalls – wertvolle Unterstützung der vorliegenden Untersuchung der Rezeptionsgeschichte der Archiana, deren Merkmal, dass Ciceros Rede als einzige Quelle spricht, sie besonders anfällig für das „entropisches Moment des Mediums selbst“172 macht. Auch bezüglich der Macht der öffentlichen Rede vertritt SCHMIEDER eine extreme These, nämlich, dass sie keinerlei Rolle gespielt habe: „Mochte die plebs romana – wie er [Cicero] selbst und Sallust uns glauben machen – ihn auch gefeiert haben, zu entscheiden hatte diese nichts: Die Macht lag realiter woanders. Und daß Beifall der plebs in keiner Weise auch nur im geringsten an jene Instanzen rührte, verdeutlicht um so mehr, was eine von Cicero vehement gepriesene ars oratoria tatsächlich bewirkte, zu bewirken vermochte. Denn Resultat einer Rede und somit Ausgang des jeweiligen Prozesses hingen vielmehr von komplexen Bedingungen, dem sogenannten Setting, ab: Wer hatte welche Interessen, wen ließ er dafür auftreten, wer wurde als Gegenredner nominiert, welche Redner standen als Kollegen zur Seite, wer war der bzw. waren die Richter oder Geschworenen, wer bestimmte sie oder verhinderte deren Einsetzung bzw. Auswahl, welches Resultat war wem genehm, welche Rücksichten galt es zu nehmen, über welche Informationen verfügte man etc. ad infinitum. [...] Talent wie Vermögen zu sprechen garantierte dabei lediglich Unterhaltungswert.“173 Die Begründung SCHMIEDERs These ist problematisch, besonders die ahistorische Argumentation über die nicht vorhandene Demokratie, die höchstens HÖLKESKAMP beziehungsweise MILLAR in ihrer Überbetonung der „Crowd in Rome“174 anspricht. SCHMIEDERs Erklärung des „sogenannten Setting“175 ist überflüssig, zumal diese typischen, für den Historiker naheliegensden Fragestellungen, unter anderen auch von den VRETSKAs, auf die sich SCHMIEDER ausdrücklich bezieht, bearbeitet wurden. Im Gegensatz zu SCHMIEDERs ketzerischer These zur angeblichen Blindheit der Altphilologie gegenüber Cicero, vermag sein Kommentar zur Macht der öffentlichen Rede im politischen System Roms nicht zu provozieren. SCHMIEDER übersieht in seiner Fixierung auf die plebem romanam als Publikum der öffentlichen Rede die Kultur der Aristokratie und ihre für die späte Republik typischen 171 SCHMIEDER: M. Tullius Cicero, 48. 172 Ebd. 173 Ebd., 45f. 174 MILLAR, Fergus: The Crowd in Rome in the Late Republic, Ann Arbor 1998. Vgl. vorliegende Arbeit 3, Fußnote 5. 175 SCHMIEDER: M. Tullius Cicero, 46. Schmieder 2010 42 Kämpfe. SCHMIEDER verneint in seiner Argumentation die Positionen HÖLKESKAMPs beziehungsweise MILLARs, die er hier nicht namentlich nennt, bemerkt dabei aber nicht, dass seine Schlussfolgerung eine Lücke hinterlässt, nämlich die Frage: weshalb überhaupt öffentliche Rede, wenn sie „lediglich Unterhaltungswert“ besaß?176 SCHMIEDERs Darstellung der politischen Verhältnisse ist insofern undifferenziert, dass sie geheime Absprachen in der römischen Politik so sehr überbetont, dass darin nicht einmal ein kleiner Platz für die Macht der öffentlichen Rede bleibt. Cicero mag das Aushängeschild der römischen Rhetorik sein, aber induktiv von der vermeintlichen Entlarvung der „Singularität Ciceros Editionspolitik“177 auf die Gesamtbedeutung der Macht der öffentlichen Rede zu schließen ist verfehlt. SCHMIEDERs Essay bietet keine neuen Thesen zum engeren politischen Hintergrund der Archiana, aber einen wertvollen wie sehr kritischen Beitrag zur Rezeptionsgeschichte der Werke Ciceros, dessen Anlass der nur durch Cicero überlieferte Prozess Archias' war. 176 SCHMIEDER: M. Tullius Cicero, 46. 177 Ebd., 47. 4. Fazit der Rezeptionsgeschichte 43 4. Fazit der Rezeptionsgeschichte Die Untersuchung der Beiträge zum politischen Hintergrund des Archias-Prozesses zeigt keine gleichförmige, sondern eine immer wieder durch Gegenthesen unterbrochene Entwicklung. In der Gesamtschau entwickeln die Beiträge immer mehr Gespür für die politische Relevanz der Archiana, als auch für das quellenkritische Problem, dass einzig Ciceros überlieferte Rede spricht. Ausnahmen gibt es; neben besonders krassen Fällen, wie LAURANDs Beitrag voller Tendenz, zeigt sich beispielsweise gerade beim kürzlich verstorbenen renommierten Oxonian STOCKTON, wie verbreitet die Übernahme von Ciceros Positionen durch Nacherzählungen ohne Konjunktive oder entsprechende Hinweise auf die alleinige Überlieferung durch Cicero auch im späten 20. Jahrhundert noch war. COŞKUNs maßgebliche Monographie setzt hier den Wendepunkt durch den Einsatz von quellenkritischen Konjunktiven, die immer wieder die Ausschließlichkeit der Überlieferung Ciceros bewusst machen. SCHMIEDERs vehemente Kritik, zeitgleich mit COŞKUN erschienen, ist aber durchaus berechtigt, wie die Untersuchung der Forschungsliteratur gezeigt hat. Gerade bei derartiger Quellenarmut wie bei der Pro Archia poeta beziehungsweise des Archias-Prozesses ist es die Pflicht des Historikers, diesen Umstand bei allen Überlegungen nie außer Acht und unerwähnt zu lassen. Ob die Auseinandersetzung mit den politischen Hintergründen der Archiana mit dem knappen Überblick COŞKUNs ihr vorläufiges Ende gefunden haben, oder ob SCHMIEDERs provokante These zu einer maßgeblichen Neubewertung des Politikers Cicero führen wird, wird sich zeigen. Während einige Autoren einen politischen Hintergrund der Rede anzweifeln (WOLFF, OOTEGHEM, WATTS) oder gar gänzlich bestreiten (LAURAND, STOCKTON, ZICÀRI), sieht die überwiegende Mehrheit der Beiträge zur Archiana den Prozess als politisch Motiviert, mit Grattius als Strohmann. Ähnlich verhält es sich bei der Frage wessen Strohmann Grattius war. Die Mehrheit geht davon aus, dass Grattius Strohmann der Anhänger Pompeius' war (beispielsweise DRUMANN, STERNKOPF, COŞKUN, HEUBNER) oder von Personen, die sich durch die Anklage Archias' mit Pompeius gut stellen wollten (REINACH). Teilweise ist eine Position der Autoren zur Frage auch nicht erkennbar, beziehungsweise verklausuliert formuliert (HEITLAND: „persons acting on the side of Pompey“178). Bemerkenswert sind die seltener vertretenen und unwidersprochenen These, dass auch Caesar eine Rolle im Hintergrund des Prozesses gespielt haben könnte (HEITLAND, TAYLOR, ALBRECHT, die VRETSKAs) und, dass die Korrespondenz Ciceros und Pompeius (GAFFIOT, 178 HEITLAND: The Roman Republic, 113. 4. Fazit der Rezeptionsgeschichte TAYLOR, die VRETSKAs, SCHMIEDER und knapp auch bei COŞKUN179) Aufschluss gibt über maßgebliche Motive hinter dem Prozess. 179 COŞKUN: Cicero und das römische Bürgerrecht, 135. 44 5. Caesar 45 5. Caesar Kombiniert man die beiden letztgenannten Thesen, beziehungsweise Caesar und das Verhältnis Ciceros und Pompeius, so ergibt sich eine neue Theorie zum politischen Hintergrund des Archias-Prozesses: demnach wäre Grattius der Strohmann Caesars gewesen und der scheinbar im Interesse Pompeius' gelegene Angriff auf die Optimaten, über Archias beziehungsweise Lucullus, sollte einerseits Pompeius und die Optimaten, und andererseits Cicero und Pompeius entzweien. Angesichts Caesars Charakters und politischer Fähigkeiten erscheint es befremdlich, dass ausgerechnet Pompeius persönlich hinter einem Strohmann Grattius gestanden haben soll (GRUEN und teilweise GOLD). HALEY hat bereits psychologisch begründet, weshalb Pompeius als Urheber der Anklage ausscheidet: „on a more personal level, he [Pompeius] seemed to prefer men not completely political or financial but rather men with political principles and pleasing solid personalities.“180 „His inferiority complex, his unsophisticated dealings with more clever enemies“181. CHRISTs Pompeiusbiographie beziehungsweise seine Charakterskizze Pompeius' untersützt die Argumentiation HALEYs: „so zeigte sich rasch, daß ihm [Pompeius, nach seiner Rückkehr Ende 62] im politischen Alltag keineswegs eine dominierende Führungsautorität zuerkannt wurde. Es ist psychologisch verständlich, daß der Mann, der viele Jahre hindurch als Oberbefehlshaber allein entschieden hatte, dessen Willen und Entscheidungen sofort vollstreckt worden waren, dem jedoch Regeln und Finessen, das Spiel der Faktionen, ihre Intrigen, Fallen, Falschheit und Médisance nicht vertraut waren, im senatorischen Mikrokosmos nicht über, sondern zwischen allen Parteien stand.“182 „In charakterlicher Hinsicht ist dagegen seine Unsicherheit, vor allem gegenüber den Angehörigen der alten römischen Aristokratie, unverkennbar. Sie mag mit Pompeius' unzulänglichen Erfahrungen auf innenpolitischem Gebiet zusammenhängen, die dessen geradezu pathologischen Ehrgeiz behindert, auch mit seinen nur geringen rhetorischen Fähigkeiten.“183 Demnach kann Pompeius kaum der Hintermann Grattius' gewesen sein. Auch dem „geradezu pathologischen Ehrgeiz“ beziehungsweise verletzten Stolz gegenüber Lucullus kann die Anklage kaum entsprungen sein; dagegen spricht einerseits, dass Lucullus 180 HALEY: The Role of Amicitia in The Life of Gnaeus Pompeius Magnus, 107. 181 Ebd. 182 CHRIST, Karl: Pompeius. Der Feldherr Roms, München 2004, 101. 183 Ebd., 213. 5. Caesar 46 nicht direkt angegriffen wird und zweitens Pompeius räumliche ferne. Kurzum, die Anklage Archias' als typischer Prozess der Aristokratie der späten Republik war nicht die Art mit der Pompeius Politik machte. Bezüglich des Widerstands gegen Lucullus' Triumph bemerkte DRUMANN über Caesar: „Es war kein Geheimnis, dass der Senat in ihm [Caesar] eine Stütze gegen den gefürchteten und übermächtigen Pompejus suchte [...]; deshalb verstärkte Cäsar den Widerstand [gegen Lucullus' Triumph]; die rath und tathlose Nobilität sollte keinen Anhalt finden, und der Riss zwischen ihr und Pompejus sich erweitern.“184 Diese Einschätzung Drumanns unterstützt die These von Caesar als eigentlichem Drahtzieher hinter der Anklage Archias' und bestreitet die bisher als evident scheinende Ansicht, dass ein Prozess gegen Archias überhaupt in Pompeius' Interesse gelegen habe. Gegen das vermeintliche persönliche Rachemotiv des fernen Pompeius' steht das gewichtigere plausible politische Motiv des präsenten Caesar. 184 DRUMANN: Art. „L. Licinius Lucullus“, 161. Bibliographie 47 Bibliographie ALBRECHT, Michael von, VESTER, Helmut: Ciceros Rede Pro Archia. Deutung und unterrichtliche Behandlung, Heidelberg 1970. 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