Back to the roots

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Neuen Schwung kann auch die Rückbesinnung
bringen: Alexander Brenninkmeijer feiert mit seinem
Konzept „Clemens en August“ frappierende Erfolge
Die hochwertigen Stoffe werden
in Österreich und Ungarn verarbeitet – nicht in
den Billiglohnländern China oder Vietnam.
Alexander Brenninkmeijer scheint sich zu freuen. Wie
zum Gruß einer alten Bekannten hebt er die Hand und
schickt ein freundliches „Komme gleich!“ durch das
geöffnete Fenster des Hinterhaus-Lofts runter in den
Hof, der von der Münchner Metzstraße aus kaum einsehbar ist und im irritierenden Widerspruch zum ansonsten bunten Vormittagstreiben im Stadtteil Haidhausen
steht. Vier Atemzüge später öffnet er die Tür. Lächelt,
bittet höflich, hereinzukommen. Der Mann würde eine
ALEXANDER BRENNINK-
gute Figur machen bei den Oberammergauer Passions-
MEIJER
spielen, als Jesus, Petrus oder Judas, schießt es einem
Der Spross aus der C&A-
durch den Kopf – groß, schlank, mit schmalem,
Dynastie lernte das Mo-
bärtigen Gesicht und streng zurückgekämmten
degeschäft von der Pike
kinnlangen Haaren.
auf. Eine Nebenrolle im
Aber der Mann bevorzugt andere Inszenierun-
Konzern wollte er nicht
gen. Er verkauft Mode. Mit Erfolg. Weil er Besonde-
übernehmen.
res für Anspruchsvolle auf den Markt bringt. Auf eine
Weise, die mit dem Regelwerk der gehobenen Modewelt bricht. Keine Prêt-á-Porter-Schauen in Paris,
kein Klinkenputzen bei Einzelhändlern, keine eigenen Läden, keine Anzeigen – auf all das, mit dem
normalerweise in der Branche das Image einer
Marke teuer erkauft wird, verzichtet Brenninkmeijer. Weil das Personal, Zeit und Geld spart.
Stattdessen: Zweimal im Jahr eine Tour durch
große Städte, in denen jeweils für drei Tage in
ausgesuchten Galerien und Museen in Europa,
New York und Tokio verkauft wird.
Das geschieht zu Konditionen, die keine
Preisnachlässe erfordern. Jeans und Hosen kosten
rund 100 Euro, Kleider um die 300 Euro und einen guten Herren-Anzug gibt es für rund 500 Euro. Nicht billig,
aber extrem preiswert für die elegant-moderne Mode
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„Als Lehman Brothers in die Knie gingen,
machten wir mit der Herbstkollektion in Berlin
einen Rekordumsatz von rund 80.000 Euro in drei Tagen“.
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sieht als nach emsigen Arbeiten. „Urlaubszeit“, be-
selben Habitus, der Souveränität und dem Selbstbe-
teuert Brenninkmeijer, „und Besprechungszeit“. Mit
wusstsein, mit dem er redet, zum Stift greift, seine
raumgreifenden Schritten zieht er an den wichtigsten
Mitarbeiter begrüßt, sie auf ihr Zuspätkommen an-
Stationen dieser aufgeräumten 600-Quadratmeter-
spricht oder sich dafür entschuldigt, dass er vergessen
Welt vorbei: lange weiße Arbeitstische, die auf wei-
hat, Kaffee, Tee oder Espresso anzubieten. Ohne großes
ßem Estrichboden stehen; noch längere mit weißen
Tamtam, lässig, ohne nachlässig zu sein, aufmerksam,
Laken abgedeckte Kleiderstangen, die in Zweierreihen
ohne aufdringlich zu sein – eben so, wie einer, der mit
rechts und links die weißen Wände säumen; ein wei-
den unsichtbaren Codes der traditionellen Eliten groß
ßer leerer Raum zum Fotografieren; Metallregale, die
geworden ist.
meterweise Ideen hüten – in Musterordnern, Boxen
Gut vorstellbar, dass ihm das die Türen öffnet zu
und Büchern; Computertische, an denen zweimal im
den ersten Adressen unter den Galerien und Museen,
Jahr Mäntel, Jacken, Hosen, Blusen, Kleider und Pull-
die moderne, zeitgenössische Kunst zeigen und wo er
over kreiert werden, einmal für Männer, einmal für
seine Kunden findet – dem Museum für Angewandte
Frauen. „Ich zeige Ihnen auch noch eben den Keller.“
Kunst (MAK) in Wien etwa, der Produzentengalerie
Also, wieder runter, eine Treppe, zweite Treppe, ei-
in Hamburg, den Berliner Kunstwerken, der Galerie
nen kurzen Blick in den ersten Raum geworfen – „da
Schirn in Frankfurt oder Hauser & Wirth sowie Gale-
ist unser Server drin, unser wichtigstes Werkzeug.“ Im
rie Presenhuber in Zürich. „Auf diese Wertschätzung
zweiten Raum – „das ist unser Lager und unser Ver-
sind wir stolz. Das stützt auch unsere Marke,“ bekennt
sandbereich für die Online-Bestellungen.“ Den Weg
Brenninkmeijer und zeigt auf die Liste an der Wand,
zurück nach oben untermauert Brenninkmeijer mit
auf der die Stationen der Herbsttour aufgelistet sind.
Zahlen: Jeden Tag verließen im Schnitt zehn Pakete
HOCHWERTIG
„Wir starten im Oktober in Wien und Zürich, dann
das Hinterhaus, der Online-Verkauf mache mittlerweile
Statt in Werbung in-
kommt am Wochenende New York. In Holland sind wir
aus hochwertigen Stoffen, die zudem in Österreich
kauf, Marketing und Einkauf kennen gelernt, bevor
rund 30 Prozent aus, das 14-köpfige Team solle im
vestiert „Clemens en
eine Woche, Rotterdam Montag bis Mittwoch, dann
und Ungan und nicht in den inzwischen klassischen
er in Amsterdam Betriebswirtschaft studiert und an-
nächsten Jahr auf 17 wachsen.
August“ in aufwändig
Amsterdam Freitag, Samstag, Sonntag. Dann Deutsch-
bearbeitete Stoffe
land mit Berlin, Köln und anderen Großstädten.“
Schneiderländern China oder Vietnam verarbeitet wer-
KRISENSICHER
schließend in Düsseldorf, Brüssel und London arbei-
Im Besprechungsraum wurden mittlerweile die
den. Eingeladen wird zu den Veranstaltungen nur, wer
Im Krisenjahr 2009
tet. 1998, mit 30 Jahren, steigt er aus, reist mit dem
Stühle geräumt. Die englische Designerin, die für „ein
sich auf der Homepage registriert hat. Brenninkmeijer
stagnierten in großen
Rucksack durch die Länder, die er bis dahin nur aus
Projekt“ gebucht wurde, ist in-
nennt das „Neu-Exklusivität“.
Städten wie London,
der Perspektive des gehetzten Geschäftsmanns kann-
struiert. Brenninkmeijer sagt
„Ein Clemens en August-Anzug
EXPANSION WÄRE SCHÖN
Die Teams vor Ort hätten einen Tag
New York und Tokio die
te. Als er zurückkommt, weiß er: Es ist besser, wenn
„sehr schön“, und mit Blick
NEUE WEGE GEHEN
Verkäufe. In München,
nicht andere die Richtung vorgeben, sondern er selbst.
auf die Besucherin - „Schauen Sie
Das macht viele Menschen neugierig, zumal der Mann
Zürich und Wien hinge-
Die ersten Schritte in die Selbstständigkeit wagt er mit
mal, wo Sie sitzen wollen“. Ein gro-
Bügel, werden in Säcken verpackt
eine nicht alltägliche Geschichte zu erzählen hat und
gen verzeichnete man
dem Münchner Designer Kostas Murkudis, mit dem
ßer ovaler Tisch, weiße Stühle drum
und nummeriert per Overnight im Lkw
einen geschichtsträchtigen Namen trägt: Alexander
ein leichtes Wachstum.
wäre im Laden dreimal so teuer.“
für Ab- und Aufbau, erzählt Brenninkmeijer. Die Sachen bleiben am
er – nach allen Regeln der Branche – ein Modelabel
herum, ein weißer Fußboden, weiße
oder Flugzeug in die nächste Stadt ge-
Brenninkmeijer ist ein Spross des Brenninkmeijer-
aufbaut und dann 2004 beinahe vor dem Aus steht,
Wände, weiße Decke, ein Oberlicht,
bracht. Um 11 Uhr beginnt der Verkauf.
Clans, der seine Wurzeln in den Niederlanden hat und
weil Murkudis das Handtuch wirft. Zurück bleiben zwei
durch das die Augustsonne ihre
Ohne Tamtam. Ganz schlicht, ganz un-
größtenteils in der Schweiz lebt. Der für mehr als 160
halbfertige, hochwertige Kollektionen, ein hervorra-
Strahlen direkt auf die Tischplatte
aufdringlich wird die 10. „Clemens en
Jahre Erfahrung im Textilhandel steht, für Deutschlands
gendes, eingespieltes Team und wenig Geld. Darauf
prallen lässt, erschweren die Orien-
August“-Kollektion präsentiert werden.
einst größtes Textilunternehmen C&A, für einen der
baut Alexander Brenninkmeijer sein neues Vertriebs-
tierung. Einzig das schwarze I-Phone
Wie immer. Und wenn es nach Bren-
führenden europäischen Bekleidungsanbieter und ein
system auf: den tourenden Concept-Store. Sein Label
und der silbergraue Computermoni-
ninkmeijer ginge, sollt das immer so
kompliziertes Geflecht aus Firmen und Tochterfirmen,
nennt er „Clemens en August“ – eine Hommage an
tor an der Stirnseite des Tischovals
weiter gehen. In zwei Jahren könne man
das von Düsseldorf, Brüssel und dem schweizerischen
seinen Ururgroßvater und dessen Bruder, die vor mehr
bieten in dem flirrenden Weiß einen
dann vielleicht in sechs, sieben Städten
Zug aus von Familienmitgliedern gelenkt wird. Immer
als 160 Jahren mit einem Handwagen voller Textilien
Fixpunkt.
parallel touren. „Das wäre schön“, sagt
nach den Prinzipien des Familienkodexes: sehr konser-
von Bauernhof zu Bauernhof tingelten.
vativ, sehr katholisch und sehr verschwiegen.
Brenninkmeijer platziert sich di-
„Hier lang, bitte“. Immer zwei Stufen auf einmal
rekt davor, schiebt seine in klassi-
Alexander Brenninkmeyer hat sich dem entzogen.
nehmend, geht es hoch in den ersten Stock, in die
sche blaue Chinos gekleideten Beine
Acht Jahre war er im Familienunternehmen, hat Ver-
Kreativschmiede, wo es mehr nach Feierabend aus-
entspannt unter den Tisch – mit dem
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sich Brenninkmeijer. |
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