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Letzte Lebenszeichen II Briefe aus dem Krieg Inhalt Vorwort Prof. Volker Hannemann 9 Letzte Lebenszeichen B Karl Berge Für den Pinsel habe ich 15 Zigaretten gegeben 14 ... die Kälte geht durch und durch 16 Dieses Stündchen aber will ich Dir allein schenken 19 Otto Biedenbänder Andreas Borschert Willi Demant Julius Richard Karl Dietrich Benno Fögeling D Wenn Du dann hier nach Krakau kommst 24 Hoffentlich seid Ihr noch alle auf dem Damm 27 F Oft wird man hier sinnlos hineingejagt 32 Der Hölle entronnen!! 35 Franz Friederichs ... sind vorne im Loch, da isst man nicht viel 39 Eduard Funke Wo wir hinkommen, wissen wir noch nicht 47 Wilhelm Friderichs Briefe aus dem Krieg 3 G Johann Gabler Eine griechische Bibel habe ich gefunden 52 Heute Morgen hatte ein Kamerad großes Glück 54 Ein Mensch ist gar nichts 61 Walter Geveler ... bleibe ich Dein Dich über alles liebender Mann Walter 66 Dr. Karl Gilbert Aber es geht ja ums Letzte 69 Bisher sind immer nur die Schwachen untergegangen 70 Friedrich Geiger August Gerull Dr. Theo Goebel Hans Heinrich August Grünitz ... sehr gut mit Wintersachen ausgerüstet H Heinrich Held Ludwig Hölzel 74 Damit will ich Euch Lebewohl sagen 78 Wir sitzen jetzt schon drei Wochen in Schützengräben 81 Heinrich Bernhard Johann Kampert K Obschon ich keine Hoffnung habe 84 Josef Keller Aber wenn der Krieg aus ist 86 Ernst Kittan Das Leben ist soweit ganz erträglich 87 Unsere gegenseitige Liebe macht uns stark 89 Schickt mir bitte ein Bild von mir 92 August Otto Kowalewski ... ich habe dir ein Päckchen und Geld geschickt 95 Bernhard Krieg Hoffentlich holen wir bald die Pferde in Ungarn 98 Franz Krügner Nur die Schuhe und das HJ-Hemd kann ich mitnehmen 102 Hans Kühne So schwer wie diesmal fiel mir das Gehorchen noch nie 104 Michael Kolb Hermann Korfmacher 4 Letzte Lebenszeichen II Peter Lambertz Rolf und Ernst Meier Franz Xaver Miller Rupert Mittermaier Horst Möckel Walter Noebe Heinz Leonhard Panteleit L Sind zum Abmarsch bereit 108 ... aber wir haben eben den verdammten Krieg 112 ... schickt doch bitte gleich etwas zu rauchen 115 ... und ob ich morgen noch leb? 116 Es wird ein sogenannter Abschiedsbrief 118 M N Ich hoffe, dass Du mich immer lieb behalten wirst P Als Mantel habe ich einen dicken Schafspelz 126 Schnell ein paar Zeilen 130 Wie lange noch? 134 ... heute ausnahmsweise mal kein Fliegeralarm 141 Fritz Petermann Christian Martin Petersen Josef Pohl Bernhard Rauh Wilhelm Friedrich Remy Dr. Heinrich Rüling 122 R Ein Tag wie der andere. Nichts als Kampf 144 Ihr werdet nach dem Angriff gleich von mir hören 154 Mit herzlichsten Grüßen an Euch alle 156 Briefe aus dem Krieg 5 Walter Ernst Hans Sandhack S Möge Dich der Himmel gesund erhalten 160 ... behalte Deinen Männe lieb 165 Jeden Tag nur 200 gr Brot und 50 gr Fleisch 166 ... schicke ich Dir ein Paar Lackschuhe 170 Auch bekamen wir zu vieren eine Flasche Wein 172 Vor uns der Russe, hinter uns der Russe 175 Mein Schicksal liegt in Gottes Hand 176 Walter Simon Soll das etwa der ersehnte Sieg und Friede sein? 178 Georg Spieler Auf Euren Jungen könnt Ihr Euch immer verlassen 180 Josef Stadler Ich habe meine Eltern über alle Maßen lieb gehabt 185 Du weißt ja, ich bin ein Sonntagsjunge 190 Wir sind ja so klein geworden 193 Zu Deinem 11. Geburtstag 195 Ostern in Russland 200 Gerhard Thomée Das Liebste, was ich zurücklasse 204 Reinhold Thyssen Wir sind jetzt feste am Bunkerbauen 206 Johannes Treichel Meine liebe einzige Eva 209 Uffz. Viebrock war einer unserer Besten 218 Heinz-Werner Schirrholz Johann Schlerf Gerhard Schmoll Peter Schneider Karl Schön Wilhelm und Georg Schröer Ernst Steinberg Hans Straub Herbert Strugalla Liesbeth Tetzel Cordjohann Viebrock 6 Letzte Lebenszeichen II T V Willi Weber Alfred Weißmeyer Bruno Johannes Wille Fritz Winhard Dr. Joachim Zoller W ... aber der Sieg muss unser sein 222 Dieser ganze Kriegskram gefällt mir nicht mehr 224 Die Nüchternheit gehört hier zur Selbsterhaltung 225 Den Rasierapparat brauche ich nicht momentan 229 Z Bleib stark und sei den Kindern treu! 232 Anhang Alphabetisches Verzeichnis der Einsender 235 Bisher in unserer Volksbund-Buchreihe erschienen 236 Impressum 240 Anmerkung der Redaktion: Die Zeitzeugenberichte in diesem Buch haben wir der aktuellen Rechtschreibung angeglichen. Die teilweise ungenügende Bildqualität bitten wir zu entschuldigen. Briefe aus dem Krieg 7 Vorwort 8 Letzte Lebenszeichen II PROF. VOLKER HANNEMANN Stellvertretender Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Vom Leben fern der Heimat, in Schützengräben und zwischen Kriegshandlungen – Aufzeichnungen und Briefe aus dem Zweiten Weltkrieg Als wir vor zwei Jahren aus einer Flut von Einsendungen das erste Buch der „Letzten Lebenszeichen“ zusammenstellten, war uns die Auswahl nicht immer leichtgefallen. Viele bewegende Briefe mussten beiseitegelegt werden, denn sie konnten nicht alle im ersten Band Platz finden. All die kostbaren Dokumente, aus denen Zeitzeugen unmittelbar von ihrem Erleben zu ihren lieben Angehörigen – und heute Prof. Volker Hannemann, auch zu uns – sprechen, haben wir daher sorgfältig Stellvertretender Präsident aufbewahrt. Die unzähligen Briefe, Notizen, Karten, des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. größtenteils in Fotokopie, aber auch originale, federleichte Feldpostbriefe, verfasst auf dünnstem Papier, die gewissenhaften Abschriften der Familienmitglieder sowie die zahlreichen digital erfassten Unterlagen wanderten also bis auf Weiteres in eine stattliche Reihe von Ordnern. Denn schon zu diesem Zeitpunkt war die Idee naheliegend, einen zweiten oder sogar einen dritten Band herauszugeben. Dieses Vorhaben haben wir jetzt umgesetzt. Auch der zweite Band „Letzte Lebenszeichen“ zeichnet wieder ein dichtes und vielschichtiges Bild vom Leben in Kriegszeiten, den Nöten der Soldaten und ihrer Sehnsucht nach Zuhause, nach der geliebten Frau, den Kindern, den Eltern und Geschwistern. In ihren Briefen bitten Männer, die in ihrem zivilen Leben Bäcker, Jurist, Landwirt, Lehrer, Mechaniker, Müller, Pastor oder Schlosser waren, um selbstgestrickte Strümpfe, Kuchen und Tabak oder Rasierzeug. Sie sammeln Bonbons für ihre Töchter und Söhne und schicken sie über tausende Kilometer von Russland nach Deutschland, um zu sagen: „Ich denke an Euch – vergesst mich nicht!“ Manchmal aber auch rückt der Krieg ganz weit weg, etwa wenn ein Soldat über verirrte Frösche und Schweine in den weit verzweigten Schützengräben berichtet und über die anregenden literarischen Gespräche mit einem Kameraden. Briefe aus dem Krieg 9 Besonders dieser zweite Band weitet den Blick – sowohl was den Zeitraum der ausgewählten Mitteilungen betrifft als auch ihre Form und die Personen, die sie verfasst haben. So stammen nicht alle der letzten Lebenszeichen aus den Zeiten des Krieges und nicht alle direkt aus der Hand der Gefallenen oder Vermissten. Mit Nachrichten von ehemaligen Kameraden oder Heimkehrern über den Tod ihrer Freunde, die zwar den Krieg, nicht aber die Kriegsgefangenenlager überlebt haben, reichen einzelne Botschaften bis über das Ende des Zweiten Weltkrieges hinaus. Zu den Kriegsgefangenenlagern muss man hinzufügen, dass hier jegliche Verbindung zur Familie untersagt war. Auch eine der typischen offiziellen Benachrichtigungen der Wehrmacht über den Tod eines Soldaten wollten wir speziell unseren Lesern der jüngeren Generationen nicht vorenthalten. Neben vielen langen, ausführlichen Briefen und einigen, ganz knappen – und deswegen nicht weniger wirkungsvollen – Texten haben wir auch Auszüge aus Tagebuchaufzeichnungen aufgenommen. Bei Bernhard Rauh enden sie am letzten Tag des Zweiten Krieges. Vor allem Soldaten aus den letzten Monaten, Wochen und Tagen des Krieges kommen dieses Mal zu Wort, darunter junge Männer von knapp 18 Jahren, die ihre Uniform noch mit Enthusiasmus tragen, oder gestandene Familienväter, die erst jetzt eingezogen werden und für welche ebenso die ersten Kampfhandlungen die letzten sein werden. Das ersehnte Ende des Krieges wird da in vielen Briefen zum Thema, auch der Wunsch, endlich aus dem Dreck herauszukommen. Immer wenn von tagelangen Märschen und Wanderungen die Rede ist, ist davon auszugehen, dass es um die Truppe schlecht bestellt ist. So schreibt Dr. Joachim Zoller Ende Januar 1945 aus Ostpreußen an seine Frau: „Noch sind wir am Leben, aber wir werden es kaum erhalten: Überall um uns der Feind.“ Tatsächlich jedoch sind ähnliche, als aussichtslos wahrgenommene Situationen bereits aus Briefen von 1943 herauszulesen. Auf jeden Fall einmalig in Band II der „Letzten Lebenszeichen“ ist das Tagebuch der Liesbeth Tetzel, für dessen Einsendung wir ganz besonders dankbar sind. Es ist das Zeugnis eines jungen Mädchens, das sich gegen die Bedenken ihrer Eltern zur Krankenschwester ausbilden lässt. Nach einer kurzen Station in Paris kommt sie schnell nach Russland zur Versorgung der Soldaten hinter den Kampflinien. Sie steht stellvertretend für die über 200 000 Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges im me- 10 Letzte Lebenszeichen II dizinischen Einsatz in Lazaretten an der Front tätig waren. Auch von ihnen sind viele nicht gesund und lebend wieder nach Hause gekommen. Im Kontext unseres Buches und der Arbeit des Volksbundes verdeutlicht das Beispiel der Liesbeth Tetzel, dass es nicht nur die Soldaten sind, denen unsere Aufmerksamkeit gilt, sondern alle Menschen – gleich welchen Geschlechts oder welcher Herkunft –, die unter Krieg und Gewalt zu leiden haben. Kostbar sind auch die zahlreichen originalen Aufnahmen, die uns die Angehörigen und Förderer freundlicherweise zur Verfügung gestellt habe. Sie geben den Worten ein Gesicht und uns die Bilder – von Vätern mit ihren Kindern auf dem Arm, ihrem Einsatz auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges, sie zeigen die Freude während der Heimaturlaube und ihre Erschöpfung nach langen Märschen durch russische Wälder. Zu lesen ist dieses Buch gleichsam als ehrendes Gedenken, wertvolle Dokumentation und Mahnung an den Frieden. Für sein Zustandekommen ist der Volksbund seinen Förderern zu großem Dank verpflichtet. Ein sehr herzliches Dankeschön geht ebenso an alle unsere Förderer, die uns seit vielen Jahren und Jahrzehnten unterstützen. Wo immer es uns möglich ist, werden wir weiterhin die Suche nach den Vermissten und Toten der Weltkriege fortsetzen und ihr Andenken wahren. Zum Schluss möchte ich noch den persönlichen Wunsch äußern, dass diese Publikation auch das Interesse der jungen Menschen von heute finden möge. Ihr Volker Hannemann Briefe aus dem Krieg 11 Letzte Lebenszeichen 12 Letzte Lebenszeichen II B „Strümpfe musst Du mir jetzt schicken, so viel Du irgend kannst. Die ich hier habe, werde ich Dir zum Anstricken schicken, denn da sind die Füße zu kurz.“ Otto Biedenbänder an seine Frau. Vermisst seit Februar 1942. Briefe aus dem Krieg 13 Karl Berge Eingesandt von Karl Berge (Sohn) Der Gefreite Karl Berge, geboren am 15. September 1900, verstarb am 13. November 1944 im russischen Kriegsgefangenlager Lissitschanks. Am 12. Mai 1944 erhielt die Familie die Nachricht, dass die Kämpfe bei Sewastopol eingestellt seien und der Vater vermisst wird. Brief an den damals 17-jährigen Sohn, der als Soldat bei einem Wachbataillon auf Kreta ist 24.4.1944 Lieber Karl! Da ich augenblicklich Ruhe habe, will ich Dir kurz einige Zeilen schreiben. Deinen Brief vom 14.3. haKarl Berge, Sept. 1943 be ich erhalten und daraus ersehen, dass es Dir auch noch gut geht, was bis jetzt bei mir auch noch der Fall ist, wie Du ja sicher weißt, sind wir am Räumen und da ist allerhand los, ich hoffe, dass wir in den ersten Tagen verladen werden, ich kann Dir ja mitteilen, dass wir in beziehungsweise vor Sewastopol liegen, vorher waren wir einige Tage in der Nähe von Perekop, so dass wir den Weg vom Norden bis zum Süden der Krim gemacht haben, hoffentlich geht es weiter gut und ich komme gesund rüber. Ich gratuliere Dir noch zum Geburtstag und wünsche Dir auch weiter alles Gute. Gruß Dein Vater Brief an die Ehefrau se., den 6.5.1944 Liebe Frau Ich teile Dir mit, dass es mir noch gut geht, was ich auch von Dir hoffe. Heute habe ich Deinen Brief vom 23. erhalten, hoffentlich hast Du die Briefe mit jedes Mal 5 Luftpostmarken erhalten, da nur Luftpost befördert wird. Ich war schon in Unruhe, da die Kameraden schon vor 4 Tagen Post vom 26. und 27. hatten, was hier los ist, wirst Du aus der Zeitung und dem Wehrmachtsbericht erfahren, gestern und heute war es wieder lebhafter. Das Essen ist gut, wie es nun weitergeht, müssen wir abwarten, ich glaube, dass wir doch eines Tages noch auf das Festland kommen, ich bin mal 14 Letzte Lebenszeichen II gespannt, ob der Rasierapparat ankommt, dass alles, was ich hatte, verlorengegangen ist, hatte ich Dir schon geschrieben. Butterbüchse, Rasierapparat und Pinsel habe ich wieder von Kameraden. Für den Pinsel habe ich 15 Zigaretten gegeben, es ist gut, dass Lehr die Bücher bei sich hat, dann hast Du keine Last damit, ich denke, dass ich von Karl auch noch mal Post bekomme. Ich will schließen, Gruß an alle Karl PS: Mach Dir nur nicht zu viel Gedanken, es wird alles seine Wege gehen. Sohn Karl Berge, Aug. 1944 Karl Berge mit seiner Frau und seinem Sohn Karl im Herbst 1939 Briefe aus dem Krieg 15 Otto Biedenbänder Eingesandt von Horst Biedenbänder (Sohn) Otto Biedenbänder wurde am 5. April 1911 in Darmstadt geboren. Auf den Brief an seine Frau, einen Tag nach Neujahr geschrieben, folgen noch einige Tagebucheinträge bis zum 27. Februar 1942. Dann verliert sich die Spur des als Schütze eingesetzten Soldaten. Sein Grab befindet sich vermutlich noch in Welish, Russland. Brief an die Ehefrau 2.1.42 Meine liebe Gretel Heute komme ich endlich wieder dazu, Dir zu schreiben. Den letzten Brief schrieb ich Dir von Holland. Mittlerweile sind wir durch ganz Deutschland und Polen gefahren und wurden hart an der Grenze von der Bahn abgeladen. Wir kamen da am 31.12. um 20 Uhr an und sofort wurde mit dem Entladen begonnen. In drei Stunden waren wir fertig, gingen dann rüber zum Roten Kreuz und feierten dort Silvester. Um 24 Uhr ging ich dann raus, um ganz ungestört mit den Gedanken bei Euch weilen zu können. Sicher warst Du unten bei Mattens, ich habe mir das wenigstens so vorgestellt, und als dann die Glocken das neue Jahr einläuteten, habe ich Dich im Geiste weinen sehen. Ich war ja in ähnlicher Stimmung, aber man kann das hier nicht so merken lassen. Am nächsten Morgen ging es mit den Fahrzeugen 60 km nördlicher und hier haben wir, immer noch in Polen, für voraussichtlich zehn Tage in einer Schule Quartier bezogen, um die Ankunft der gesamten Division zu erwarten. Diese Ruhepause wird uns sehr gut tun, denn die Schlaferei in dem Abteil mit 7 Mann war alles andere als bequem. Hier kann man sich wenigstens mal wieder ausstrecken und sich drehen, wie man will. Betten haben wir ja keine, wir liegen auf Stroh. In dem Saal steht ein großer Kachelofen, der wird gründlich eingeheizt, damit wir von der großen Kälte, die draußen herrscht, nichts merken. Wir hätten ja auf der Bahn bis hinter die Front fahren können, aber anscheinend wollen sie uns nach und nach an die große Kälte gewöhnen, denn je weiter östlicher wir kommen, desto kälter wird es. Ihr könnt Euch keinen Begriff machen, welches Klima hier herrscht, da kann man sich noch so warm anziehen, die Kälte geht durch und durch. Wenn die gesamte Division hier ist, geht es wieder ein Stück weiter, immer etappenweise, bis wir die direkte Front erreicht haben. Wir sollen in den Raum um Moskau 16 Letzte Lebenszeichen II Otto Biedenbänder mit seiner Familie während des letzten Heimaturlaubs Briefe aus dem Krieg 17 zum Einsatz kommen, aber das kann sich ja noch ändern, ich meine den Raum, wo wir eingesetzt werden. Aber noch sind wir tausend Kilometer von Moskau entfernt und bis wir dort hinkommen, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Strümpfe musst Du mir jetzt schicken, so viel Du irgend kannst. Die ich hierhabe, werde ich Dir zum Anstricken schicken, denn da sind die Füße zu kurz. Und dann, liebe Gretel, die Zigaretten! Wenn Du schon wieder etliche beisammenhaben solltest, so schicke sie mir doch bitte in einem Päckchen. Einen Brief beizulegen halte ich für zu gefährlich. Bei dem Transport könnte das Kuvert kaputtgehen und dann wären die Zigaretten fort. Elsa soll auch keine mehr im Umschlag schicken. Ich habe heute den ganzen Tag eine Zigarette geraucht, den Tabak dazu habe ich mit Ach und Krach zusammengebracht. Dass ich seelisch vollkommen krank bin, wenn ich nichts zu rauchen habe, weißt Du ja. Ich warte schon mit Schmerzen auf die Abendverpflegung, denn da bekommen wir drei Stück. Heute Abend wollen wir mal ins Soldatenheim gehen, vielleicht können wir da etliche bekommen. Wir liegen da in einem Nest, den Namen weiß ich nicht, da kann man aber auch gar nichts bekommen. Ich wollte mir ein Bürstchen für die Fingernägel kaufen und eine zum Waschen, für die Unterwäsche usw., ja, das kennen die hier gar nicht. Kannst Du nicht so eine auftreiben? Also vorläufig Bürste und Zigaretten schicken, sonst hätte ich keine Ansprüche für heute, vielleicht noch Zigarettenpapier. Von Dir habe ich bis jetzt noch keine Post empfangen, ist ja auch unmöglich, das wird noch dauern. Für heute will ich schließen, ich hoffe, dass sich Dein Zustand gebessert hat, und verbleibe mit den herzlichen Grüßen und Küssen, auch für die Kinder. Dein Otto 18 Letzte Lebenszeichen II Andreas Borschert Eingesandt von Joseph Borschert (Sohn) Andreas Borschert war Kriegsteilnehmer von 1939 bis zu seiner Gefangennahme im Mai 1944 in Sewastopol. Er verstarb infolge schwerer innerer Verletzungen durch einen Arbeitsunfall mit einer einhergehenden Lungenentzündung am 8. März 1945 in einem russischen Kriegsgefangenlager bei Donezk. Von seiner Tochter, die am 15. Mai 1944 geboren wurde, erfuhr er nichts mehr. Während der Gefangenschaft gab es keine Verbindung zur Familie. Maria und Andreas Borschert mit ihrem Sohn Joseph während des Urlaubs im September/Oktober 1942 Brief an die Ehefrau 25. April 1944, Sewastopol Vor zwei Tagen wurde mir durch Deine beiden Brieflein vom 7.IV. und 11.IV. eine große Freude zuteil, wofür ich Dir herzlich danke. Also in sechs Tagen war der eine Brief hier und hoffe, dass Dich auch die meinigen in derselben kurzen Zeit erreichen, damit Du Dir keine unnötigen Sorgen machen brauchst. Vor allem ist das Gerede, dass wir hier verloren wären, ein großer Quatsch. Täglich werden mit Schiffen und Flugzeugen tausende von Kameraden übergesetzt, so dass bereits die Hälfte weg ist. Aber so eilig ist die Absetzung ja gar nicht, im Gegenteil, die Stellungen sind für uns hier so günstig, dass der Feind, selbst nicht mit seiner Masse an Menschen und Panzern, nichts ausrichten konnte und so wird man versuchen, ihm noch eine gewisse Zeit auf diese günstige Weise hohen Verlust beizufügen. Wir selbst liegen noch in Ruhe und bauen zum Teil sichere Unterkünfte. Also, Liebling, wenn wir auch noch nicht an der Reihe sind zum Übersetzen, so wissen wir doch, dass hier alles prima organisiert ist und die Übersetzung kein Problem ist, da genügend Schiffsraum zur Verfügung steht. Und nun zu Deinem Brieflein: Ich bin überrascht, dass auch in Bamberg mal Bomben gefallen sind. Da kann ich mich gut hineindenken, wie es da zuging. Hoffentlich bleibt Ihr weiterhin verschont. Briefe aus dem Krieg 19 Aber umso erfreulicher waren die Zeilen von unserem Jungen. Da sind wohl die Päckchen von mir nicht mehr angekommen? Wenn ich nur wüsste, wie lange wir noch hier sind und ob ich alles mitnehmen kann. Habe eine Menge Schokolade und Bonbons hier, die ich Euch gerne zukommen lassen möchte. Na, vorerst hebe ich sie auf. Dann ist auch die Füllhalterfrage gelöst. Ich habe z. Zeit sogar 2 Stück. Die größte Sorge wäre eigentlich der Kinderwagen. Ich kann z. Zeit mit dem Kameraden nicht sprechen, da er abkommandiert ist und erst in einigen Tagen zu uns kommt. Aber er hat ja bereits nach Hause geschrieben, damit ihn seine Frau schickt und so hoffe ich, dass er rechtzeitig ankommt. Sonst wüsste ich nichts Neues. Lissis Mann konnte ich hier noch nicht treffen, da seine Division im entgegengesetzten Raum liegt. Vielleicht kannst Du mir im nächsten Brief mitteilen, ob er ebenfalls hier gut angekommen ist. Ich glaube schon, da schon die meisten Kameraden gut zurückgekommen sind. Wollen wir das Beste hoffen. Deine schwere Stunde rückt immer näher und wenn es gut geht, hast Du in 3 Wochen das Schwerste überstanden. Wollen wir Gott bitten, dass er Dir beisteht und alles gut vorübergeht. Ich habe auch in den schweren Stunden des Rückmarsches auf seine Hilfe gebaut und er hat mich auch oft beschützt und aus großer Gefahr geholfen. Mit dem Spruch „Wer auf Gott vertraut, hat wohl gebaut“ wollen wir dem Kommenden entgegensehen. Mit der festen Überzeugung eines baldigen, gesunden und glücklichen Wiedersehens grüßt Dich und Seppi in inniger Liebe und küsst Dich herzlich Dein liebster Mann! Brief an die geliebte Frau 30. April 1944, Sewastopol Innigst geliebtes Fraule! Es ist Sonntagnachmittag. Ich habe soeben mit Kaiser eine Zigarette gequalmt und zwar eine ganz gute Sorte. Er hat auch erwähnt, dass Du sehr dafür eingenommen bist, wenn ich mal etwas rauchen würde. Na, bei guter Laune werde ich in Zukunft Dir schon manches Mal etwas vorrauchen, weißt, bei gemütlichen Plauderstündchen an Deinem lieben Herzen. Ich habe in den letzten Tagen meine Höhle mit ihm geteilt und diese etwas erweitert, damit es bequemer darin wurde. So hat sie sich heute Morgen beim ersten Regen rentabel gemacht, da wir doch schön trocken gelegen hatten. Dieses Stündchen aber will ich Dir allein schenken und will endlich Deine beiden Briefe vom 11. und 12.IV. beantworten, die ich dieser Tage erhalten habe. Ich danke Dir herzlich dafür. Zunächst will ich den vom 11. beantworten, der mir sehr zu Herzen gegangen ist. Ich sehe doch daraus, wie schwer mein Schätzle an ihrem Schicksal trägt und weiß, dass Dein größter Schmerz meinem Wohlergehen gilt. Ich fühle ja 20 Letzte Lebenszeichen II immer Deine Sehnsucht und Liebe zu mir und weiß darum, wie notwendig Du meine Nähe hättest. Wenn ich nur in den nächsten 4 Wochen bei Dir sein könnte, um damit Deine schweren Stunden etwas zu erleichtern. Aber, Liebling schau, wir haben trotz allem noch keinen Grund zu klagen. Wenngleich in schweren Stunden alles ein Ende nehmen möchte und man am liebsten nichts mehr hören und sehen will. Aber uns ist einmal in diesem Leben das schwerste Schicksal beschrieben, das einem Volk begegnen kann. Und so gibt es nur eine Lösung: Diesem genauso hart und entschlossen entgegenzutreten und ihm niemals beugen, so werden wir es auch meistern und der Lohn wird eines Tages nicht gering sein. Ich habe Dir ja schon in einem meiner letzten Briefe geschrieben, von meinem Glauben an unsere Zukunft und unser Glück und bin von seiner Verwirklichung fest überzeugt. Ich konnte bei diesem Rückmarsch zweimal Gottes Hand über mich deutlich spüren und bin ihm für seinen Schutz und Segen immer dankbar. Ich habe in diesem Kampf der vergangenen Jahre schon oft großes Glück gehabt, aber so wie es mir in diesem Jahr hold war, kann ich wohl nur Gott verdanken, der mich in diesen gefahrvollen Stunden sicher geführt und den rettenden Weg gezeigt hat. Soeben ist ein Kamerad meiner Einheit zurückgekommen, der einige Tage abgestellt war, mit dem ich als Letzter auf diesem Marsch einer Umklammerung des Feindes entkommen konnte. Uns war in diesem Moment bewusst, dass es nur den einen Weg zur Rettung gab und wir haben ihn noch glücklich überwunden. Also, Liebling, ich glaube, dass dies bestimmt das letzte große Hindernis dieses Kampfes war und wir wohl Schwereres kaum zu überwinden haben. Hier ist alles getan, um eines Tages unsere sichere Zurückführung zu vollenden. Hoffentlich kann ich Dir bald davon berichten und damit wird auch dann ein baldiges Wiedersehen kommen. Doch eines muss ich Dir noch sagen: Meine Briefe sollen Dir nicht nur Trost bringen, der Dir bald zu viel wird. Ich weiß, dass ich Dir von unserer Lage nichts vormachen brauche und kann; denn da wird zu Hause mehr darüber gesprochen und debattiert, als in Wirklichkeit vor sich geht. Aber das eine sollen sie Dir sagen: den Glauben an unsere Zukunft und unseren sicheren Sieg, den ja die Schwarzseher und vor allem die Schwarzhörer schon seit langen Monaten bezweifeln und unseren tapferen Frauen das Herz immer wieder schwer damit machen. Ich bitte Dich, dem Gewäsch der Heimat aus dem Wege zu gehen und nicht hinzuhören. Wenn Du da aber wieder solche schweren Tage hast, so schreibe mir ruhig davon. Ich muss es wissen, um Dir zu helfen, dass ja meine größte Pflicht ist. In inniger Liebe grüßt und küsst Dich mit unserem lieben Jungen Dein liebster Andreas! Briefe aus dem Krieg 21 22 Letzte Lebenszeichen II D „Den Russen zum Trotze geben wir die Hoffnung nicht auf, und wenn ich erst wieder bei Dir sitze und auf jedem Bein einen unserer beiden Hasies sitzen habe, kann ich Dir mehr darüber erzählen.“ Julius Richard Karl Dietrich in seinem letzten Feldpostbrief aus Russland an seine Familie. Vermisst seit dem 9. Januar 1943. Briefe aus dem Krieg 23 Willi Demant Eingesandt von Arno Demant (Sohn) Willi Demant wurde am 17. Januar 1911 in Düren geboren. Er war zuletzt Obergefreiter bei der Luftabwehr und lag in Krakau (heute Krakow). Dort liegt er noch heute – am 17. April 1944 gestorben an Fleckfieber, ruht er auf der vom Volksbund hergerichteten Kriegsgräberstätte. In seinen letzten Briefen bittet er seine Frau nach Krakau zu kommen. Sie fährt tatsächlich dorthin – um ihren Mann zu begraben. Brief von Willi Demant an seine geliebte Grete Krakau, den 4.4.44 Mein liebes Gretelein, lieber Heinz-Arno! Es ist Dienstagmorgen und ich sitze im Soldatenheim I in Krakau, um Dir einige Zeilen mitzuteilen. Soeben bin ich fertig mit dem Frühstück, und die 4 Marmeladenbrote schmeckten mir ganz gut! Nun wollte ich für morgen schon ein Zimmer mie- Grete und Willi Demant kurz nach der Geburt ihres Sohnes Arno, vermutlich im September 1942, vor dem Haus ihrer Eltern 24 Letzte Lebenszeichen II ten für Dich, aber in dem Hotel kann man Dir nichts mehr besorgen, man muss zum Quartierwart gehen und dort bekommt man ein Zimmer zugewiesen. Wenn Du mir nun ein Telegramm sendest und Du teilst mir mit, dass Du ungefähr dann und dann eintriffst, gehe ich sofort hin und lege ein Zimmer für Dich fest. Solltest Du kommen, so musst Du sehen, wie Du durchkommst. Vielleicht genügen einige Dosen Zigaretten [die Demants führten einen Tabakwarengroß- und Einzelhandel], wenn Du Heinz’ Bescheinigung bekommst. Lass Dich nicht umschicken, denn dafür [...] ich dich zu sehr [...], wenn Du kommst. Kommen musst Du ja, denn man kann nicht wissen, wie lange wir noch hier liegen werden. Tage vergehen, und schnell sind Wochen und Monate daraus geworden. Auf einmal sind wir sicher weg und haben uns nicht mehr gesehen. Mit meinem Urlaub kann es noch 2-3 Monate dauern, genau kann ich dazu nichts sagen, denn bis jetzt sind nur 4 Mann weg. Was ich Dir sonst noch so alles schreiben möchte, will ich [...], bis Du zu mir kommst, Du hast doch auch viel zu sagen, habe ich doch schon mehr als 1 Monat keine Post von Dir erhalten. So will ich hoffen, wenigstens heute einen Brief von Dir zu bekommen, denn Du darfst mich doch nicht so lange warten lassen. Für liebe Grüße und Küsse [...] Dein Mann und Papa Willi Ein weiterer Brief vom gleichen Tag an Grete Den 4.4.44 Mein lb. Gretelein, da mein Spieß heute zum Lehrgang nach [...] fährt und vorher einige Tage Urlaub bekommt, gebe ich ihm zwei Briefe mit. Wenn Du zu mir kommst, so besorge Dir irgendwie eine Bescheinigung und wenn anders nicht möglich, dann soll Dr. Reuter [langjähriger Hausarzt] Dir eine ausstellen. Er kann Dir ja ohne Weiteres bescheinigen, dass Du 14 Tage Erholung dringend benötigst und zwar [...] Wenn Du dann hier nach Krakau kommst, fragt kein ... danach, ob Du nun mich besuchen fährst oder nach Krakau. Also komme zu mir nach Krakau. Also komme zu mir nach Krakau, und wenn es Ostermontag oder Dienstag wird, mir vorher ein Telegramm senden, damit ich ein Zimmer besorgen kann. Ich erwarte Dich unbedingt und enttäusche mich nicht. Recht viele Grüße und Küsse von Deinem treuen Mann und Papa Willi Komme nun bitte zu mir, habe doch so großes Verlangen nach Dir, Gretel. Briefe aus dem Krieg 25 Letzter Brief von Grete an ihren Mann, der ihn nicht mehr erreichte Samstag, 16.4.1944 Mein lieber Willimann, lieber Papi! Heute sollst Du wieder mal viele herzliche Grüße von uns beiden haben. Nun ist es schon am Freitag vor acht Tagen [8.4.1944] gewesen, dass ich Dein Telegramm bekam, und dann nichts mehr. Heute ist mir klar, dass Du mir damit sagen wolltest, ich soll nicht kommen, denn unter den Worten „Komme nicht" kann jeder gemeint sein. Anfangs meinte ich’s umgekehrt und schickte darum die Antwort, dass unser Junge krank ist. Was soll ich nun denken, am Tage vorher noch ein Brief von Dir, und dann so plötzlich inkonsequent. Bist Du eigentlich von Partisanen verwundet oder hast Du eine ansteckende Krankheit oder bist Du ausgerückt? Willimann, wir sorgen uns mal wieder sehr um Dich. Mein lieber Mann, Heinz Arno war ja auch schlimm krank, ich habe es Dir schon mal geschrieben, hoffe, dass Du meine beiden letzten Briefe erhalten hast. 26 Letzte Lebenszeichen II Julius Richard Karl Dietrich Eingesandt von Ralf Dietrich (Enkel) Julius Dietrich wurde am 27. April 1912 in Küstrinchen in der Uckermark geboren und am 2. Januar 1942 als Sanitätsunteroffizier zum Kriegsdienst an die Ostfront eingezogen. Seit dem 9. Januar 1943 gilt er als vermisst. Feldpostbrief an seine Frau Elsbeth und seine kleinen Söhne Peter und Sepp Osten, den 01.01.43 Liebe Mutti, liebe Hasies! Heute haben wir nun den ersten Tag im neuen Jahr hinter uns. In der letzten Nacht war ja ein furchtbares Getöse um uns herum, aber auch die Russen haben Silvester gefeiert und den Luftraum ziemlich mit Eisen bespickt. Es ist aber sehr wenig passiert, denn die Russen haben, weil sie besoffen waren, wahllos in die Gegend geknallt. Zu Silvester bekommen wir zur Verkürzung der Zeit und zur Unterhaltung wieder mit 3 Mann eine Flasche Schnaps und einige StumJulius Richard Karl Dietrich pen. Damit haben wir uns die Zeit vertrieben bis ½ 12 Uhr, dann haben wir uns hingelegt. Um 12 Uhr war natürlich die übliche Begrüßerei und Beglückwünscherei und somit der Schritt ins neue und hoffentlich bessere Jahr getan. An Weihnachtspäckchen oder sonstige Post ist gar nicht zu denken. Zu allem Unglück musste ich noch am vorletzten Tage im alten Jahr umziehen und zwar vom Mannschaftsbunker in den Offiziersbunker. Es war mir gerade nicht angenehm, aber bei Preußens ist Befehl eben Befehl. Da wir nun den ganzen Tag zusammen arbeiten, sind wir uns ja nicht ganz unbekannt und darum ist es einigermaßen erträglich. Gewöhnlich ziehen ja Offiziere nicht mit Mannschaften in einen Bunker zusammen, aber der Not gehorchend haben sie 6 Mann von uns mit reingenommen. Wie auch ich zu der Ehre komm, ist mir nicht ganz klar. Darüber mach ich mir auch keine Gedanken. Wohler würde ich mich bestimmt in einem anderen Bunker fühlen. Am ersten Tag im neuen Jahr haben wir ein für unsere Verhältnisse ganz feudales Mittag gehabt, sogar mit Pudding, welches uns einigermaßen Briefe aus dem Krieg 27 versöhnte. Nun, Ihr Lieben, werde ich heut Schluss machen, denn ich weiß wirklich nichts mehr. Ich warte und warte, bis ich mal von Euch einige liebe Zeilen bekomme, um mal etwas anderes schreiben zu können. Mir geht es den Umständen entsprechend gut, außer einigen kleinen Gebrechen. Die Fingerschiene bin ich heute nicht losgeworden. Grüß bitte alle wieder von mir und teile ihnen etwas von dem, was ich schreibe, mit. Nun, liebe Mutti, liebe Hasies, seid recht herzlich gegrüßt von Eurem nur Euch liebenden Vati. Luftfeldpostbrief an Frau und Kinder Osten, den 6.1.43 Liebe Mutti, liebe Hasies! Schreibe Euch heute wieder einen Brief, damit Ihr wisst, dass ich an Euch denke. Morgen geht wieder Post von uns weg, was mit der Zeit auch seltener wird, aber noch seltener ist der Postempfang. Wie ich schon geschrieben hatte, bin ich ganz gut reingekommen ins neue Jahr. Aber etwas hat sich inzwischen doch wieder ereignet. Im letzten Brief schrieb ich davon, dass ich in den Offiziersbunker einziehen musste. Da wir aber seit zwei Tagen einen neuen Chef haben, welcher erstens aktiv ist und zweitens nach alter Art den Casinobetrieb liebt, mussten wir 6 Lanzer wieder ausziehen. Wir sind aber gar nicht böse darüber, am allerwenigsten ich, denn jetzt sitzen wir 6 zusammen in einem kleinen warmen Bunker. Wenn wir alle 6 am Tisch sitzen, bleibt zwar kein Platz mehr übrig, aber trotzdem möchte ich nicht wieder zurück in den Offiziersbunker. Denn am besten ist doch jeder für sich. Ich habe keine Lust, mich mehr über die Kameradschaft zwischen Offizier und Mann auszulassen. Mir genügt es jedenfalls, was ich bis jetzt mitgemacht habe. Die große Reklame, die immer in den Zeitungen gemacht wird, sollten sie lieber weglassen, denn bis jetzt würde ich für keinen Einheitsführer durchs Feuer gehen. Sonst geht es mir noch ganz gut, wenn auch hin und wieder mal so ein schwacher Moment eintritt, wo einem alles zum Halse hinaushängt, so sind die anderen Momente doch noch stärker. Ich möchte aber gern wissen, wie es Dir und unseren beiden Hasies geht. Hoffentlich seid Ihr noch alle auf dem Damm. Wenn ich das erst wieder fortlaufend erfahren würde, wäre es für mich die größte Freude. Vor einigen Tagen bekam das Lazarett zur Verteilung an die Verwundeten zwei Führer-Päckchen. Nun verteil aber mal zwei solche Dinger an 140 Verwundete, und dann noch gerecht. Meine Fingerschiene habe ich zur Abwechslung auch wieder dran. Grüß wieder alle von mir wie gewöhnlich. 28 Letzte Lebenszeichen II Nun, liebe Mutti, liebe Hasies, seid auch Ihr recht herzlich gegrüßt von Eurem nur Euch liebenden Vati. Drückt mal den Daumen, dass auch ich bald Post von Euch habe. Der letzte Feldpostbrief Osten, den 8.1.43 Liebe Mutti, liebe Hasies! Seit ich den vorigen Brief am 6.1. geschrieben habe, hat sich nichts bei uns geändert. Wir wohnen noch zu 6 Mann zusammen in unserem kleinen Bunker, den wir uns jetzt einigermaßen hergerichtet haben. Morgen werde ich auch meine Fingerschiene los. Ich hoffe, dass die Sache dann in Ordnung ist. Der Finger wird zwar noch etwas steif sein und bei den ersten Bewegungen erhebliche Schwierigkeiten machen, aber der Führer sagt ja auch: Die Schwierigkeiten sind dazu da, dass sie überwunden werden. In den letzten Tagen laufen bei uns allerhand günstige Parolen rum. Hoffentlich ereignet sich für uns auch bald etwas Fühlbares. Außerhalb unseres Kreises soll sich ja allerhand Günstiges abspielen, aber davon merken wir leider nichts. Am Himmel schwirren doch allerhand JUs rum, eigentlich bei jedem günstigen und auch ungünstigen Wetter, welches für uns immer ein gutes Zeichen ist. Den Russen zum Trotze geben wir die Hoffnung nicht auf, und wenn ich erst wieder bei Dir sitze und auf jedem Bein einen unserer beiden Hasies sitzen habe, kann ich Dir mehr darüber erzählen. Nun, liebe Mutti, liebe Hasies, seid recht herzlich gegrüßt von Eurem Euch liebenden Vati. Briefe aus dem Krieg 29 30 Letzte Lebenszeichen II F „So sitzt man in einem ein-meterigen Erdloch und wartet. Für jede Stunde, die man noch am Leben ist, dankt man dem Schöpfer. Über unsere Verluste zu schreiben ist verboten.“ Wilhelms Friederichs im Brief Nr. 913 an seine Ehefrau. Vermisst seit dem 1. April 1944. Briefe aus dem Krieg 31 Benno Fögeling Eingesandt von Walter Fögeling (Bruder) Benno Fögeling, geboren am 5. Januar 1920, wurde 1939 vom Reichsarbeitsdient in die Wehrmacht übernommen. Nach der Teilnahme am Frankreich-Feldzug wurde seine Einheit 1941 dem Deutschen Afrika-Corps zugeteilt. Im Juli 1942 lag die Truppe bei El-Alamein in Stellung. Nach einem Angriff des Gegners wurde Benno Fögeling am 22. Juli 1942 als vermisst gemeldet. Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes gibt 1961 an, dass er bei dem Versuch, sich der Gefangennahme zu entziehen, an diesem Tag gefallen ist. Benno Fögeling (rechts) nach dem Frankreichfeldzug, Köln 1940 Benno Fögeling (links) mit einem seiner Kameraden in Afrika, Ende 1941 32 Letzte Lebenszeichen II Brief an die Familie O. U., den 18.7.1942 Liebe Eltern und Bruder! Gestern erhielt ich Eure lieben Briefe vom 23.6. und 3.7, wofür ich mich recht herzlich bedanke. Inzwischen ist ja hier viel passiert. Über die Einnahme von Marsa Matruh hatte Walter mir schon geschrieben. Inzwischen werdet auch Ihr sicher wissen, dass wir Gott sei Dank nicht bei dem Sturm auf Tobruk dabei waren. Es muss sehr hart gewesen sein. Aber mit uns ist es ja auch kein Kinderspiel gewesen. Oft wird man hier sinnlos hineingejagt. Könnten wir hier nur wegkommen. Ein Jahr Afrika hat uns vollkommen genügt. Vor kurzem trafen wir einige Kerle, die 17 Monate hier sind und noch keinen Urlaub gehabt haben. Also sind die Aussichten für uns fast gar nicht vorhanden. Hoffentlich hat sich Rommel nicht verrechnet. Der Tommy sitzt hier mit seiner ganzen Macht, was wir schon manchmal zu spüren gekriegt. Aber das nützt uns ja alles nichts. Vielleicht klappt auch hier noch der Laden! Dass es bei Euch viel Obst gibt, ist ja wieder ein Plus, da doch auch diese Sachen heute schon rationiert sind. Bald wird das 4. Kriegsjahr anbrechen und wie lange wird es dauern, bis uns wieder der Friede geschenkt wird. So hätten wir uns die Sache doch nicht vorgestellt. Ihr in der Heimat nehmt ja sehr viele Opfer auf Euch, ja, wüsstet Ihr, wie wir hier leben. Wenn man mal an englischen Verpflegungslagern vorbeigekommen ist, so haben wir nicht vergessen aufzuladen. Für eine Zeit gab es Bier genug. Und heute haben wir noch Schinken, Würstchen, Käse, Fisch usw. in Hülle und Fülle. Und was für ein Bier? In Flaschen, aber auch in Dosen und tadellos. So was gab es, oder gibt es bei uns alle Jubeljahre. Könnte man Euch mal eine Büchse Schinken oder Würstchen schicken. Schade, dass so etwas nicht geht. Wenn wir auch gut essen können (trinken ist schwer mau), so ist es hier doch nicht das Richtige! Wie uns zumute ist, hat ein Kamerad in Verse gekleidet. Benno Fögeling (vierter von rechts) mit einigen seiner Kameraden bei der Überfahrt nach Afrika, 1941 Briefe aus dem Krieg 33 Afrika!! Wie habe ich sie mir vorgestellt, Afrika, die andere Welt, so allerlei von Früchten essen und dabei den Krieg vergessen. Leider bin ich schwer enttäuscht, da man hier wird nur gescheucht. Tag und Nacht fehlt hier die Ruh’, für ein paar Stund hat man die Augen zu. Da ist die Hitze und die Fliegen, da soll man noch den Tommy besiegen. Man weiß oft nicht, was hinten und vorn, als hätte man getrunken viele Korn. Da denkt man, er ist eingekesselt, derweil man hat uns gefesselt. Ab und zu fängt man eine Laus, so geht es hier tagein, tagaus. Wenn wir dann nicht mehr schwitzen und abends so beisammensitzen, dann wird nur die eine Frage gestellt, wann kommen wir wieder in die alte Welt? G. Roscher Ja, so ist es! Habe auf der einen Seite so klein geschrieben, weil ich annahm, das Blatt sei schon voll (die Sonne). Aber Ihr werdet es wohl entziffern können. Es grüßt Euch recht herzlich Euer Benno! 34 Letzte Lebenszeichen II Wilhelm Friderichs Eingesandt von Alfons Friderichs (Sohn) Wilhelm Friderichs, geboren am 13. November 1907 in Trier, wurde am 5. Februar 1942 zur Wehrmacht eingezogen und war zuletzt als Melder eingesetzt. Er ist seit dem 1. April 1944 bei Orinin vermisst, wo er an den Kampfhandlungen nördlich des sogenannten HubeKessels teilgenommen hatte. Die Briefe an seine Frau sind mit jedem Jahr neu durchnummeriert. Briefe an die Ehefrau Brief Nr. 814 Wilhelm Friderichs, 1920 6.12.43 Nachdem der Kessel von Tscherkassy von der WaffenSS wieder geöffnet worden ist, bin ich nochmals zu einer neuen Einheit eingeteilt worden und zwar als Inf. Nachrichten M[elder] dem Inf. Regiment 72. Brief Nr. 900 16.1.1944: Glogau/Schlesien Mit einer dreistündigen Verspätung in Glogau gelandet, fahre ich um 12.30 Uhr, Sonntag-Morgen, nach Kowel weiter. In Bullay traf ich einen Urschmitter, der ebenfalls bei der 72. Division ist. Durch Pitts Freudenfeuer (am Bachkopf in Klotten) war ich derart geblendet ... Wer war noch bei Pitt? (Brief Nr. 901 fehlt.) Brief Nr. 902 22.1.1944 Irgendwo schreit ein Käuzchen. Schrill und durchdringend zerriss der Schrei die Stille. Klang wie ein Sportler Wilhelm Friderichs mit Urkunde, 1924 Briefe aus dem Krieg 35 Drohen und in der Wiederholung wie eine Klage, die das Elend einer ganzen Welt verkündet. Noch immer – und voraussichtlich auch noch mehrere Tage – bin ich auf dem Weg nach Birsuhr [?] b. Balta. Dort soll ich mich auf der Frontleitstelle melden. Unstet und flüchtig reist man durch [...]. Da ein anderer Weg vorläufig versperrt ist. Was hat man doch zu Hause einen schönen Schweinestall und der steht leer! Brief Nr. 903 27.1.1944: Jassi/Rumänien Wilhelm Friderichs, 1931 Der Drang nach Hause bewältigte die Heimfahrt in fast 4 Tagen, während die Rückfahrt am 27.1. – nach 13 Tagen Fahrt – noch nicht annähernd abgeschlossen ist. In Warschau verfrachtete man mich in den Orient-Express, 40 Mann in einem Waggon ... (Drei Briefe fehlen.) Brief Nr. 907 3.2.1944 Wenn Ihr in den nächsten Tagen keine Post von mir erhaltet, so liegt kein Grund zur Beunruhigung vor. Wir sollen nämlich mit der JU in den Kessel transportiert werden. Bittet den lb. Herrgott ... (Vier Briefe fehlen.) Brief Nr. 912 8.2.1944 Hart hat uns das Schicksal angepackt. Wir haben heute einen bösen Auftrag bekommen. Sollte ich nicht mehr nach Hause kommen ... Brief Nr. 913 20.2.1944 Unsere Aufgabe ist es, die eingeschlossenen Divisionen herauszuholen. Ausgangspunkt für uns war Nowo-Ukränka. Hier wurde unter Führung des Eichenlaubträgers Baake, Trier, ein Urlauber-Reg. zusammengestellt. Über Usmann, Nowo Archangelsk, 36 Letzte Lebenszeichen II Jerki ging es gegen Schpola. Da wir auf uns selbst gestellt waren, fehlte jede Verbindung mit der Feldpost und eine Schreibmöglichkeit nicht gegeben. Das Wetter war eine Naturkatastrophe, wie ich es noch nie erlebt habe. Tagelang heulte ein eisiger Nordwind, der 30 cm Neuschnee brachte und eine grimmige Kälte. Im heftigen Schneegestöber, durchnässt draußen im Felde stehend – ohne Schlaf und schlechte Verpflegung, keine Decke, so hielten wir 6 Tage und 6 Nächte dem Ansturm der russischen Divisionen stand. Nicht nur mit den russischen Soldaten, sondern im Rücken mit Partisanenbanden, die aufs Beste ausgerüstet waren, hatten wir zu kämpfen. Ein Drama waren die letzten Tage vor Sprengung des Kessels. Als die zusammengeballte Kraft nach einem Ausweg suchte. Meter um Meter wurde hart gekämpft. Während wir bei Beginn der Aktion auf uns gestellt waren, trafen jetzt 400 Panzer ein und 60 Stukas hauten in die russischen Stellungen herein. Es war ein Bild der Vernichtung, wie es die Weltgeschichte selten sah. Mit Unterstützung von DOGeräten und Flammenwerfern gelang die Sprengung des Kessels. Jetzt haben wir den Rückzug zu decken und dafür zu sorgen, selbst wieder herauszukommen. So sitzt man in einem ein-meterigen Erdloch und wartet. Für jede Stunde, die man noch am Leben ist, dankt man dem Schöpfer. Über unsere Verluste zu schreiben, ist verboten. (Zwei Briefe fehlen.) Brief [Brief-Nr. ausgeschnitten] 29.2.1944: Swinerodga Der Hölle entronnen!! Männer, die vom Himmel fallen, haben uns in der Nacht zum 29.2.44 abgelöst. Zwecks Auffrischung und Neuaufstellung, die Division ist zusammen[gerückt], sind wir auf dem Weg nach Polen. Bis nach Nowo Archangelsk geht es vorläufig zu Fuß. Wie man hört, sollen wir nach Reichsdorf (Breslau) kommen. Brief [Brief-Nr. ausgeschnitten] 2.3.1944: Nowo Archangelsk Nach einem infanteristischen Gewaltmarsch von 52 km in N. A gelandet. Wir Wilhelm Friderichs mit seinen beiden Kindern während des letzten Urlaubs im Dezember 1943 in Klotten/Mosel Briefe aus dem Krieg 37 sollen am 5.3. in Uman verladen werden. Näheres erfahrt Ihr noch. Mehr als 60 % betragen die Verluste nicht. Wohl ist kein Offizier und kein Zugführer mehr herausgekommen. Den linken Fuß habe ich mir erfroren. Leider reicht es aber nicht für ins Lazarett. Brief [Brief-Nr. ausgeschnitten] 5.3.1944 Unser Rückmarsch wird sich durch die schlechte Wetterlage um 1 Woche verschieben. Vor dem 15.3. werden wir in Uman nicht verladen. Die Sturm- und Nahkampftage des vergangenen Monats brachten mir das Infanterie-Stürmerkreuz ein. Vorläufig habe ich nur eine Bescheinigung, dass es mir zusteht. Die Verleihung erfolgt bei der Truppe. Brief [Brief-Nr. ausgeschnitten] 9.3.1944 Und wieder wurde alles über den Haufen geworfen. In Nowo Archangelsk erhielten wir den Befehl, uns in Marsch zu setzen – egal wie – durch Anhalter usw. und Winniza (ca. 200 km) zu erreichen. Gott sei Dank haben wir es bis hierhin geschafft. Wie es jetzt weitergeht, das wissen die Götter. Feststeht, dass der Russe im Norden durchgebrochen ist, und dass man von einem Einsatz des Urlauber-Reg. spricht. Hoffentlich kommen wir recht bald zu unserem Haufen, damit wir endlich einmal in den Besitz von Post (auch Weihnachtspost) kommen. Letzter Brief Nr. 920 12.3.1944 Auf dem Wege zu unserer Division hat man uns geschnappt und so wie wir waren eingesetzt. Heute Nacht ist die Grenze an der Nahtstelle zweier Divisionen aufgesprungen, und die Front der Bolschewisten hat sich hineingebohrt. Kommen wir noch einmal zu unserer Division oder bleiben wir als selbständiger Haufen bestehen? Eine andere Feldpostnummer haben wir nicht. 38 Letzte Lebenszeichen II Franz Friederichs Eingesandt von Irene Friese (Tochter) Franz Friederichs wurde am 26. März 1909 in Berlin geboren und erlernte den Beruf des Kunst- und Bauschlossers. Wegen seiner „kriegswichtigen“ Anstellung als Arbeitsvorbereiter war er bis 1944 vom Wehrdienst befreit. Er wurde schließlich als Grenadier eingesetzt und fiel am 5. Januar 1945 bei Lemberg. Franz Friederichs ruht auf der Kriegsgräberstätte in Niederbronn-les-Bains in Frankreich. Brief an die Ehefrau nach Weihnachten 28.12.1944 Liebe Lotte! Franz Friederichs, Herbst 1944 Wir sind gestern in der Frühe zurückgegangen aus der H.K.L. in Ruhestellung. Es war Zeit, denn für das erste Mal hat es mir gelangt. Am 1. Feiertag abends wurde ich in die Stellung gebracht. In der Nacht ist der Amerikaner zurückgegangen und wir dann am 2. Feiertag alle Mann hinterher. Bei einem Waldstück Halt und unser Zug musste den Wald durchkämmen. Als wir zurückgingen, bekamen wir Ari-Beschuss. Wir gingen dann wieder raus und als wir dann zu einem Stück auf dem freien Plan waren, schoss die Ari Trommelfeuer auf uns. Wir mussten zu Boden und dann, so wie wir waren, dort eingekrallt bis zum Abend bleiben und ich hatte meine Feuertaufe weg, und die war nicht von schlechten Eltern. Bewegen durfte sich keiner, dann hat’s gleich gekracht. Zwischendurch vorsichtig in die Tasche gefasst, Zigaretten und Streichhölzer geangelt und geraucht, gebetet und gefroren. So wie wir uns hinwarfen, so mussten wir liegen und um uns hat es ununterbrochen gekracht. Abends ein Stück zurück und wieder Stellung bezogen, dort auf einem freien Plan in einer Rille von einer Panzerkette ohne Decken und Zeltplane gefroren und gebarmt, wann doch nur die Ablösung kommt. Der Boden gefroren, man konnte nicht tiefer und morgens kam dann endlich ein anderer Zug und hat uns abgelöst und zurück in Bunkerstellung. Stunden noch den MGKasten geschleppt und als ich dann angelangt war, war ich froh, so dass ich heute noch fertig bin. Aber es wird ja nicht immer so gehen. 8 Mann hatten Erfrierungen und ich bin wenigstens davon verschont geblieben. Richards Päckchen ist heute zurückgekom- Briefe aus dem Krieg 39 men und hier verteilt worden. Ein Stück Wurst war schon schlecht. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich alles an mich genommen und nicht zum Hauptverbandsplatz nachgeschickt, dann hätte er wenigstens die Zigaretten zurückbekommen. Die schlechte Wurst, ein Stück Speck und 16 Zigaretten hat man mir gegeben. Schade für Richard, mit so viel Liebe gepackt und nun doch nicht an seine Adresse gelangt. Schicke Dir heute Päckchenmarken, aber bitte nichts schicken, sind vorne im Loch, da isst man nicht viel und alles friert zu Eis, und man ist so fertig, da schmeckt es nicht, und hinten ist alles da, dann haben wir Fleisch, Brot, alles, was wir brauchen, wir schaffen es gar nicht. Übrigens schicke bitte an Richards Frau die 30 M. ab, von hier kann ich nichts schicken, habe keine Adresse von Richard, und ich möchte das aus der Welt geschafft wissen. Ich habe hier über 100 M., will mir noch den Wehrsold abwarten, dann schicke ich Geld nach Hause, was soll ich hier damit. Ich kann’s nicht brauchen und Vater kann davon meinen Wagen bezahlen. Dann komm ich wieder, dann werden meine Knochen steif sein von den Strapazen und der Kälte. Zu rauchen hab ich im Moment viel. Wir bekommen hier 8 Zigaretten und ich „fress“ die Dinger nur runter. 40 Zigaretten gab mir Otto Schulze noch. In dieser Hinsicht geht es mir auch noch Hochzeit von Franz Friederichs mit Ehefrau Lotte am 9.7.1939 in der Schule von Schildow mit Bruder Bernhard hinten rechts 40 Letzte Lebenszeichen II Franz Friederichs mit Ehefrau Lotte im Sommer 1939 auf einer Wiese zwischen Berlin-Lübars und Schildow Franz Friederichs (links) und Ehefrau Lotte (rechts) mit Sohn Joachim und Tochter Irene im Sommer 1943 vor dem Haus in Schildow gut. Wirst Dich über den langen Brief wundern, aber ich bin deswegen heute lange aufgeblieben, wer weiß, wann ich mal wieder schreiben kann, und dann vielleicht nur kurz. Habt Ihr wieder schwere Angriffe gehabt? Wie geht es Euch? Post kommt schwer raus und wird wohl auch viel verlorengehen. Habe nur den kurzen Brief erhalten, wo Du mir mitteilst, ich soll über Glienicke fahren und nicht über Lübars, na und der ist ja überholt. Wie geht es Dir, Mutti? Schreib mir oft, Post von der Heimat ist das Schönste, was es für uns jetzt gibt. Und mein kleiner Achi und meine kleine Reni, was machen denn die beiden? Denken sie noch an ihren Papa? Hoffentlich kommt das Päckchen an. Habe jetzt schon wieder 5 Bonbons und eine Walnuss, muss noch mehr werden, dann schicke ich wieder ein kleines Päckchen. Was machen denn Mutter und Vater, sind sie beide noch wohlauf? Und Deine Mutter, wie geht es ihr? Möchte Euch gerne von all dem Überfluss hier was schicken, doch leider geht es nicht, dann würde es Euch ein bisschen besser gehen. An Erika muss ich auch mal schreiben, doch im Moment geht es leider nicht. Was macht mein Eddi? Hat er wenigstens noch Glück und ist bis nach Neujahr im Lazarett? Nun, liebe Lotte, Dir und den Kindern viele Grüße und Küsse und grüß mir die Eltern, Schwiegermutter, Erika und meinen Eddi, und Grüße an Familie Knappe, an Herrn Pfarrer und an Richters. Auf Wiedersehen Dein Franz Briefe aus dem Krieg 41 Letzter Brief an die Ehefrau Lotte zum Jahreswechsel Westen, den 31.12.1944 Liebe Lotte! Vorgestern sind wir aus unserer Ruhestellung herausgezogen und von dort südlich an der Front entlangmarschiert. Morgens waren wir in einem schönen Tannenwald und haben uns hier häuslich eingerichtet. Doch nimm das Wort häuslich nicht wörtlich. Habe mir mit einem Kumpel ein Schützenloch gehackt und geschaufelt, und hinter dem Kopfende haben wir eine Feuerstelle, die leider nur am Tage brennen darf, denn nachts würden uns die Ja.-Bo. etwas auf den Kopf fallen lassen. Wir werden wahrscheinlich heute Franz Friederichs mit seiner Familie im noch rücken und wenn Dich dieser Brief November 1944, bevor er ins Feld musste erreicht, wirst Du wohl schon Näheres aus dem Wehrmachtsbericht erfahren haben. Heute ist es leider etwas kälter und meine Füße, die dicht am Feuer liegen, wollen gar nicht warm werden. Wir haben uns gestern Abend schon um 6 Uhr in unser Loch verkrochen. Um 9 Uhr hat man uns geweckt, Schnaps, einen Trinkbecher voll, und die Mütze voll Gebäck. 1.1.1945 Wollte im Loch des Nachts weiter schreiben, doch es hat nicht geklappt. Es ist 10 Uhr morgens. Neujahr. Und vielleicht werde ich jetzt fertig bis zum Abmarsch. Um ½ 2 wurden wir wieder geweckt und da hieß es Waffen scharfmachen, Karren fertigmachen. Wir können rechnen, dass es jeden Moment weitergeht und noch sind wir hier. Doch die erste Nacht ins Jahr 1945 hat nicht viele schlafen gesehen. Das Gebäck hab ich in der Nacht geknabbert, von dem Schnaps hab ich erst heute bei Tageslicht einen Schluck getrunken. Wie wir in Ruhestellung waren, haben wir auch Schnaps und jeder ½ Flasche Wein bekommen. Den Schnaps hab ich immer unterwegs und trink hin und wieder mal einen Schluck. Heute gab’s eine Rolle Drops, wieder für meine beiden Kleinen. Eine Walnuss, 6 Bonbons und eine Rolle Drops ist jetzt mein Vermögen und wenn ich Gelegenheit habe, dann haut das kleine Päckchen nach Berlin ab. Hoffentlich ist das erste schon dort. Es war ein Streifen Schokolade und zwei Rollen Drops. Es wird wohl jetzt die Zeit kommen, wo die auf der anderen 42 Letzte Lebenszeichen II Seite ein bisschen ins Rennen kommen. Hoffentlich klappt alles, und wir haben in diesem Jahr noch Schluss mit diesem schrecklichen Krieg. Wie mag mein Eddi Silvester verlebt haben? Hoffentlich noch nicht an der Front. Vergiss mir nie, meinem Jungen Grüße zu bestellen, und wenn ich erst wieder weiß, wie seine Anschrift ist, melde ich mich von hier. Ich meine vom Westen, denn hier werden wir wahrscheinlich heute noch verschwinden. Hab eben mein Feuer wieder in Schwung gebracht, meine Pfoten sind immer noch nicht warm. Post kommt keine ran, wer weiß, wo die geblieben ist, vielleicht schon alles verbrannt. Keinen Weihnachtsbrief, nichts, und unsere Frage immer vergeblich. Was macht Ihr nur zu Hause? Geht’s denn immer noch? Lass man den Kopf nicht hängen, nächste Weihnachten sind unser Eddi und Franzl wieder da und der Spuk ist vorbei. Hat der Tommy wieder gehaust? Lass mal, Mutti, so wie es der Herrgott will, so müssen wir es eben nehmen, es wird schon richtig sein, wie es kommt. Bleibt mir nur alle schön gesund, alles andere kommt in zweiter Linie. Was macht denn Vater, Mutter und Schwiegermutter, sind sie alle drei noch auf dem Damm? Macht Euch nicht das Leben schwer. Wenn ich Vergleiche ziehe zwischen dem Westen und Berlin, dann geht es den Berlinern ja noch gut. Nach dem Krieg wird schon alles wieder ins richtige Geleise kommen. Und nun, was machen denn vor allem meine Kleinen, mein kleiner Achi und meine kleine Reni? Fragen sie noch nach ihrem Vati, oder vergessen sie vor lauter Spielen ihren Vati ganz und gar? Hoffentlich erleben beide mal eine bessere Zeit wie wir. Liebe Mutti, jetzt kann ich nicht mehr, denn meine Hände und Füße sind wie Eis. Nach Möglichkeit werde ich oft schreiben, doch es kann sein, dass wir jetzt in diesen Wochen nicht oft zum Schreiben kommen. Drum mach Dir keine Gedanken, aber schreib Du oft, und wenn nur jeder 10. Brief ankommt, bin ich schon zufrieden, sonst hab ich nichts, was mir Freude macht. Nun, auf Wiedersehen. Grüße Euch allen und alles Gute für das Jahr 1945 und Küsschen an Dich, Achi und Reni Euer Vati Anbei noch 2 Päckchenmarken. Wenn Du kannst, mach dem Eddi eine Freude damit. Fr. Neujahrsbrief der Ehefrau 1.1.1945 Mein geliebter Franzl, Neujahrstag ist heute, und Deine Lotte sitzt zu später Stunde und will, nachdem ich 6 Briefchen mit Bildern an die Kameraden fertig geschrieben habe, Dir einen ersten lieben Gruß zum Jahresbeginn senden. Meine allerherzlichsten und besten Wünsche, Geliebter, für Dich in diesem Jahr. Möge es das Jahr des Friedens werden, und uns alle Briefe aus dem Krieg 43 wieder vereinen, das ist mein heißes Flehen. Ich warte so sehnsüchtig auf Nachricht von Dir, ob Du und wie Du gelandet bist. Habe gestern Deine Post vom 20.12. erhalten. Heute schreibt mir Frau Bullan, dass sie von Richard die letzte Post vom 19.12. erhalten aus Kaiserslautern, wonach Richard mit noch zwei Kameraden, als sie vom Kartoffelbesorgen zum Bahnhof kamen, keine Kameraden noch den Zug vorfanden. Ist er wieder bei Dir gelandet oder Du bei ihm? Ich muss so schrecklich viel an Deine Bahnfahrt denken, wie Du mit dem vielen Gepäck so eingepfercht standest. Weihnachten war sehr still für uns alle, wir saßen in der Küche und weinten uns aus. Opa hörte Radio, ob eingeflogen wurde, und die Kinder spielten „Feiern“ und knabberten von ihrem kleinen bunten Teller. Die N.S.V. hatte für die Kleinen ca. ½ Pfd. Butterlinsen geschickt als Weihnachtsgeschenk, da Berni gefallen wär. Ich hab sie genommen, und die Kleinen hatten was zum Naschen. Am 1. Feiertag kam unsere Erika und brachte der Reni das Püppchen, dem Achi das U-Boot und mir eine Einholtasche, alles selbst gebastelt. Sie blieb über Nacht und weinte bitterlich, so verlassen und einsam kommt sie sich vor. Es waren wohl auch für mich die traurigsten, einsamsten Weihnachten und Festtage. Die Sorge um unseren Eddi lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Warte so sehnsüchtig auch auf seine Post. Hat nur kurz seine Ankunft in Berent gemeldet, und dass er auch mit Brille nichts mehr sehen kann. Lieber Franzl, irre ist zu viel gesagt, aber einen völligen Nervenzusammenbruch, das hat unser Junge. Wie eine aufgezogene Maschine, so läuft er umher, ruhelos, die Angst in den Augen, die Gedanken ganz woanders. Den Kopf eingezogen und gebückt wie ein Greis. Schreien könnte ich, mein lieber Vati, was ist aus meinem Jungen geworden, der wird uns nicht alt. So sitze ich und grüble ich, wie helfe ich meinem Kind. Ja, er war für dieses Erleben zu jung. Armes, armes Kind. Ich möchte, wenn es nur ginge, noch einmal hin und mit dem Chefarzt reden, werde versuchen zu schreiben. Aber jetzt ist wieder täglich Alarm, sogar 2 x am Tage und abends, und ich kann auch meine Kleinen nicht alleinlassen. Wenn die Sirene geht, schreit und weint der Achi. Riemers boten mir an, ich solle zu ihnen in den Keller kommen. Ja, was macht man? Gestern ist Gartenfeld wieder das Ziel gewesen. Diese Angst, die bringt einen noch um. Ich will Hildchen schreiben, ob sie die Sicherungsmarken der Sparbücher in Verwahrung nehmen will, denn bei Marthel in der Kaserne ist es auch Ebbe. Und getrennt ist ein bissel vorgesorgt. Nun, mein geliebter Vati, hat Deine Mutti Dir wieder was vorgejammert. Ist es bei Dir auch so kalt? Wo schläfst Du? Ach, du barmherziger Gott, erbarm dich deiner Kinder. Reni fragt täglich, die Erika war da, der Eddi war da, und jetzt, Mamchen, kommt der Papa. Ja, es wäre zu schön. Achilein hört erst beim 10. Mal, aber ich bin zu müde und zu traurig um einzugreifen. Er wird ja auch älter, und dann wird sich auch das legen. So, mein Franzelchen, jetzt müsstest Du Deiner Lotte schönen Kaffee kochen und 44 Letzte Lebenszeichen II Feurich Kekse bringen, und Du bei mir, und mein Kopf in Deinem Arm, und gemeinsam beraten, dann würde das neue Jahr nicht so tieftraurig beginnen. Gute Nacht, Geliebter, und tausend herzliche Grüße und Küsse von Deiner Lotte und Achi und Reni. Frau Hauptner schrieb heute an mich, sie hätte seit 13.12. keine Nachricht. Er ist auch nach dem Westen. F.P.Nr. 666621B, also ist er bei Deiner Truppe. Es folgt ein weiterer Brief am 9.1.1945. Letzter Brief der Ehefrau an ihren geliebten Franz (er war zu diesem Zeitpunkt schon gefallen) 14.1.1945 Mein geliebter Franzl, es vergeht ein Tag nach dem andern und Deine Mutti guckt vergebens nach ein paar Zeilen vom Vati. Ich fühle es, mein Liebster, Du hast es sehr schwer, und ich sehe Dich im Graben stehen bei dieser großen Kälte und friere mit Dir. Ich habe, Geliebter, so große Angst um Dich, lass mich nicht allein. Es geht ja alles mal zu Ende, nur dieser furchtbare Krieg, er nimmt kein Ende. Unser Junge ist heute nicht gekommen, stattdessen schreibt er, er ist nächste oder die kommende Woche k. v. und muss zur Frontleitstelle nach Danzig. Ob er kommt, weiß er noch nicht. Dann zittere ich noch mehr. Wir haben täglich 2/3 x Alarm. Reni hat jetzt eine Tour und lehmt mir jede Nacht das Bettchen ein, obwohl sie oft und lange auf dem Töpfchen sitzt, und Achi hat das letzte Wort. Es geht jetzt schon die ganze Woche zwischen den beiden das Gerede, bald kommt der Eddi und dann kommt der Papa. Ja, es wär nicht auszudenken, wenn es wahr würde, was die beiden Letztes Foto: Familie Friederichs im plappern. Die Woche war Fritzchen hier Dezember 1944 Briefe aus dem Krieg 45 auf 2 Tage und musste sich vom Doktor krankschreiben lassen. Am 13. war sie beim Truppenarzt und der hat sie ab 17.1. gesundgeschrieben. Hat auch nicht viel gehabt. Wir haben große Kälte und zum Heizen kein Material. Vorgestern war Gerd Schlede bei uns und wollte die Feuerung Holz und Kohlen besichtigen, die wir haben. Ich habe ihm gesagt, was draußen am Holzklotz liegt, ist unser Holz. Da sagte er, ich sollte nicht scherzen, er müsste meinen Vorrat aufnehmen. Das war mir doch ein bisschen haarig, und ich sagte, er solle sich nur verpfeifen, ob er sich denkt, der halbe Meter, den wir im 2. Kriegsjahr bezogen haben, der jungt. Es ist keine Kohle da, aber ich kann es auch nicht ändern, auf der Gemeinde sollten sie mal die Heizung ein wenig kleiner stellen, wir sparen ja alle. Heute habe ich Post von Frau Bullau. Richard ist in Marburg, Lahn, Reservelazarett. Hat viel Blut verloren. Schlagader verletzt, auch ist [ein] Granatsplitter im linken Unterarm. So, mein lieber Papi, es ist wieder mal Mitternacht und ein zweistündiger Alarm ließ mich diesen Brief unterbrechen. Heute hat mir Erika paar Bildchen gegeben, aber es ist kaum was geworden, der Film langt nicht. Ich schicke Dir eines zum Ansehen, schicke es mir bitte retour, denn die machen nur noch 1 Abzug und ich werde es dann aufheben, aber angucken sollst Du sie alle und es folgen in den anderen Briefen noch mehr. Wie ist es mit Rauchwaren bestellt. Habe 30 Zigaretten, soll ich sie Dir im Brief oder zusammen im Päckchen schicken? Mir geht es mit dem Herzen gar nicht gut. Ich kriege jetzt so oft Anfälle wie früher. Muss jetzt schnell schließen. Wieder ein Anflug, das 3. Mal und es ist Mitternacht, gleich gibt es Alarm. Also, mein lieber, lieber Franzl, Gottes Schutz mit Dir und den Mantel der Gottesmutter um Dich, und tausend liebe Grüße und Küsse von Deinem Achi, Reni und Deiner sich um Dich sorgenden Mutti. Habe Eddi Deine Post geschickt und er hat sie mir wieder zurückgeschickt und geschrieben, er hätte sich so sehr darüber gefreut, und wenn er auch schlecht lesen kann, aber er hätte sie ein paar Mal gelesen. Gute Nacht, Vati! Anbei 3 Bildchen. Frau Schultze Lützlow schrieb mir heute, ich soll Dich vielmals grüßen. 46 Letzte Lebenszeichen II Eduard Funke Eingesandt von Andrea Funke (Enkelin) Eduard Funke wurde am 23.11.1902 in Büttstedt/Thüringen geboren. Der Ziegeleiarbeiter lebte später mit seiner Familie in Frankfurt. Er wurde erst in den letzten Wochen des Krieges zum Volkssturm eingezogen. Lange Zeit galt er als vermisst. Am 31. Oktober 1955 erhielt die Familie die offizielle Nachricht von der Deutschen Dienststelle, dass er am 18. Februar 1945 im Raum Lebus an der Oder gefallen war, wo er auch beerdigt ist. Letzte Feldpostbriefe an Frau und Kinder (in der Reihenfolge ihrer Ankunft) Weilburg, 10.2.45 (Poststempel 11.2.45) Liebe Toni und Kinder! Die letzten Grüße von hier sendet Euch Eduard. Mir geht es noch gut, was ich von Euch auch noch hoffe. Wir sind fertig eingekleidet und heute Nacht wird es noch abgegeben. Wo wir hinkommen, wissen wir noch nicht. Alles schon feldmarschmäßig ausgerüstet. Ich habe auch noch Kleidung abgegeben. Die soll nach Hause geschickt werden. Wenn Ihr es bekommt, es ist meine Hose, Schuhe, Brotbeutel, es ist in Papier eingepackt. Was noch dabei ist, gehört einem anderen. Die Frau wird es schon abholen. Deshalb viele Grüße, Euer lieber Papa. Macht Euch keine Sorgen. Wann wir eingezogen [...] was wir nicht schreiben können. [Quer über den Brief geschrieben: Auf Wiedersehen] Eduard Funke Briefe aus dem Krieg 47 Eduard Funke mit Ehefrau Toni und den beiden Kindern Hildegard und Gebhard 9.2.45, Nordhausen (Poststempel Nordhausen, 12.2.45) Liebe Hildegard, geht es Dir noch gut. Mir geht es gut. Lieber Gebhard, bist Du auch brav? Liebe Toni und Kinder, die besten Grüße von [...] W. nach Ost sendet Euch Euer Papa 48 Letzte Lebenszeichen II Wir sind auf der Fahrt nach Berlin. Eben sind wir zwischen Kassel und Leinefelde. Das ging schnell mit dem Ausrücken. Seit Samstagmittag sind wir auf der Bahn. Morgen und übermorgen auch noch. Natürlich alles feldgrau. Kein Volksstürmer mehr. Wie lange wir jetzt noch ausgebildet werden, wissen wir nicht. Ich habe ein Päckchen mit Schuhe, Hose, Gamaschen und einem Brotbeutel dort abgegeben. Die sollten es nach Hause schicken. Ich glaube ja nicht daran. Es war mit einem anderem Päckchen zusammengebunden. [...] ist aus [...] Heerstraße. Die Frau wird es dann schon abholen. Seid vorsichtig mit dem [...]. Wo ich hinkomme, denn wir dürfen es ja nicht schreiben. Darum geht auch der Brief mit Marken. Ich hause für die ganze Fahrt mit noch zwei Mann und 8 Pferden im Viehwagen. Seid Ihr alle noch gesund? Mit vielen Grüßen verbleibt Euer Papa. Auf Wiedersehen 9.2.45, Nordhausen (Poststempel Nordhausen, 12.2.45) Liebe Toni und Kinder! Die besten Grüße aus [...] sendet Euch Eduard. Es geht mir noch gut, was ich von Euch auch noch hoffe. Das sind die letzten Grüße vor dem nächsten Sturm. Meine Kameraden sind heute schon im Einsatz. Morgen bin ich auch dabei. So Gott will werden wir es glücklich überstehen. Macht Euch nicht so viel Gedanken. Wie es kommen soll, kommt es doch. Also, Gebhard, jetzt bin ich auf [...]. Ich hatte erst [...] Munition noch [...] fahren. Jetzt sind aber wir Jungens noch [...] gezogen worden. Von [...] ist auch [...]. Sollte irgendmal was mir sein, könntest Dich mit Herrn [...]. in Verbindung setzen. [...] ist Toni [...] Telefonnummer 93736. Also, mit Gott geht es voran. Er wird mich nicht verlassen. Mit vielen Grüßen an alle [...]. 3736 verbleibt Eduard. * *Mit Strümpfen hätt’ ich besser haben müssen. Auf Wiedersehen. Poststempel Müncheberg, 16.2.1945, 14.15 Uhr Neuentempel über Müncheberg (Mark) Liebe Toni Die besten Grüße sendet Euch Euer Papa. Es geht mir noch gut, was ich von Euch allen auch noch hoffe. Wir sind angelangt und auf dem Marsch. Ich habe ein Pferd an der Hand und dippele. Auf 20 km. Eduard ist zwischen Küstrin und Frankfurt a. d. Oder. Es pollert schon schön. Mit vielen Grüßen verbleibt Euer Papa. Auf Wiedersehen. Viele Grüße an [...] Briefe aus dem Krieg 49 50 Letzte Lebenszeichen II G „Man unterzeichnet nicht jahrelang Kriegsberichte mit seinem Namen, um sich für den Fall einer Katastrophe noch irgendwelchen Hoffnungen für das kleine Ich hingeben zu können. Dafür ist dieses Jahrhundert zu konsequent.“ Dr. Theo Goebel in seinem letzten Brief an seine Frau. Am 4. März 1945 nach schweren Verwundungen gestorben. Briefe aus dem Krieg 51 Johann Gabler Eingesandt von Johann Gabler (Neffe) Der am 10. September 1913 geborene Johann Gabler hatte Theologie studiert und war Kaplan in Diessen am Ammersee. Am 1. Juni 1941 wurde er als Sanitäter zur Wehrmacht einberufen, acht Monate später vor Moskau verwundet. Es folgten Lazarettaufenthalte und ein Benefiziat in Diessen, bevor er am 3. März 1945 erneut mit in den Krieg ziehen musste. Er fiel am 20. April 1945 in Niederseibersdorf in Oberschlesien. Johann Gabler, Sanitätssoldat in Miesbach 52 Letzte Lebenszeichen II Brief an die Familie 22.3.1945 Meine Lieben! Gestern schrieb ich Euch auch einen Brief. Heute habe ich auch gerade Zeit, so will ich die Gelegenheit nicht versäumen. Es wird ja ohnehin lange dauern, bis der Brief ankommt. Sicher feiert Ihr schon Ostern. Und wie werden wir es feiern? Im vergangenen Jahr habe ich um diese Zeit schöne Tage in Tutzing erlebt. Dieses Jahr wird es so gehen müssen. Gut, dass man immer solche schöne Erinnerungen neu aufsteigen lassen kann. Kleine Hoffnungslichter, die die für unseren Verstand undurchdringlichen Nächte etwas erhellen. Eine griechische Bibel habe ich gefunden. In der lese ich manchmal, um vieles wieder zu verstehen. Die letzten paar Tage sind etwas ruhiger. Dunkel wird es wieder. Dann gehe ich zu den Kameraden, um sie nach ihren Schmerzen zu fragen. Es ist ja meist junges Gemüse. So grüße ich Euch recht herzlich mit den besten Wünschen Euer Hans Primizbild mit Johann Gabler und Primizbraut, 9.7.1939 Briefe aus dem Krieg 53 Friedrich Geiger Eingesandt von Suse Torlach (Tochter) Friedrich Geiger wurde am 11. Mai 1902 in Lorch geboren. Im Frühjahr 1942 musste er seinen geliebten Schuldienst aufgeben. Aus der Zeit seines Kriegsdienstes als Gefreiter sind ca. 300 Briefe erhalten. Die letzten Briefe stammen aus der Zeit während des Rückzugs der Deutschen aus Russland über Polen nach Litauen. Er fiel am 15. August 1944 und wurde auf dem Friedhof in Schaken (heute Šakiai) in Litauen beerdigt. Vorletzter Brief an seine Frau 11. August 1944 Meine liebe Lies! Ich sitze an meinem Loch im Graben und möchte Dir heute einige Zeilen schreiben, nachdem vorgestern ein Brief an Eva abging. Seit langer Zeit hat es gestern wieder zum ersten Mal geregnet. Nun ist die drückende Hitze zwar weg, dafür aber eine Mordsschmiere im Graben. Die Kleider und Stiefel sind voller Dreck. Aber das geniert mich nicht. Hauptsache ist, dass es nicht nasskalt ist, sondern immer noch warm. Man gewöhnt sich auch daran, die Stiefel 8 Tage lang Tag und Nacht nicht auszuziehen und schläft doch herrlich dabei. Die Front ist verhältnismäßig ruhig. Die Artillerie schickt natürlich täglich ihre Grüße herüber und hinüber. Wie waren wir froh, als einige Batterien kamen und sich gegenüber unserem Graben beim Ivan einschossen. Dies hat ziemlichen Respekt verschafft. Wenn ich durch den Graben gehe, muss ich an manchen Stellen, wo er nicht tief genug ist für meine Größe, immer gebückt laufen, dass einem das Kreuz wehtut. Denn streckt man den Kopf heraus, pfeift’s gleich um die Ohren. Heute Morgen hatte ein Kamerad großes Glück. Er stand an seinem M.G.-Stand und hatte eine Handgranate griffbereit neben sich liegen. Da trifft ein Schuss von Feindseite her die Handgranate, bringt sie zur Explosion, verwundet aber den Kameraden nur ganz leicht, so dass er dableiben kann. Das Essen ist immer gut. Vor 4 Tagen bekam jeder 1 Liter Wein zusätzlich und heute Morgen schon wieder einen halben Liter. Seit ich nichts mehr mit der Verpflegung zu tun habe, schmeckt mir das Essen viel besser, weil man weniger Aufregung hat. Wie der Mensch doch bescheiden wird! An der anderen Grabenwand gegenüber von meinem Loch habe ich ein kleineres Loch hineingestochen, in dem meine paar Hab- 54 Letzte Lebenszeichen II Luise und Friedrich Geiger in ihrem Garten in Oberndorf/Rudersdorf im Wieslaufthal, wo Friedrich Geiger bis zu seiner Einberufung die vierklassige Hauptschule leitete, den örtlichen Gesangsverein dirigierte und im ganzen Dorf sehr beliebt war. Mai 1943 Briefe aus dem Krieg 55 seligkeiten untergebracht sind. Mit dieser kleinen, begrenzten Welt bin ich ganz zufrieden, wenn’s nicht schlimmer kommt. Du fragst an, ob Vermisstsein schlimmer ist als der Tod. Ich sage nein. Den meisten Vermissten, soweit sie in Gefangenschaft geraten, geht es sicher nicht so schlimm, wie man es sich oft vorstellt. Sie müssen natürlich arbeiten, bekommen wahrscheinlich auch ein mageres Essen, aber immer noch im Rahmen des Erträglichen. Es gibt natürlich auch schlimmere Fälle, so z. B. als wir an der Memel lagen. Hier hatte der Russe einen kleinen Brückenkopf gebildet, der von uns hart bedrängt wurde. Mit Hilfe von Fallschirmjägern gelang es dort dem Russen, 22 Mann meiner früheren 2. Kompanie gefangenzunehmen. Da sich der Gegner wieder vorübergehend zurückziehen musste, konnte er die Gefangenen nicht mitnehmen und schoss sie alle nieder. Ich habe die Armen nachher im Kornfeld liegen sehen. Aber das sind Ausnahmen, wie es die Wechselfälle des Kampfes mit sich bringen. Zu dem Thema „Heimatschuss“ möchte ich auch noch einmal Stellung nehmen. In der Schwere des Kampfes wünschen sich wohl die meisten eine leichtere Verwundung, die sie vorübergehend aus der „Scheiße“ herausbringt. Aber man sollte solche Regungen stets unterdrücken. Sie entspringen einem niederen Egoismus, der die eigene Haut retten will, wenn auch die Kameraden weiterhin im Dreck liegen. Aus diesem Grunde ist der Wunsch nach einem Heimatschuss grundsätzlich verwerflich. Es ist auch eine Lästerung gegenüber dem Schöpfer, dem wir dankbar sein müssen, solange wir unsere gesunden Knochen haben. Ebenso denke ich denen gegenüber, die immer in der Heimat sein dürfen und nicht an die Front müssen. Gönne es ihnen doch! Die meisten an der Front würden auch gerne in der Heimat sein, wenn sie es machen könnten. Sie sind also auch nicht besser, sondern sind bloß neidisch. Zudem kann ja einer in der Regel gar nichts dazu beitragen, ob er in der Heimat bleibt oder ob er an die Front kommt. Doppelt verwerflich ist es natürlich, wenn er durch Schmiererei seine Stellung in der Heimat zu halten sucht, am allerverwerflichsten aber für den, der sich schmieren lässt. Halten wir uns um Gotteswillen nicht an die schlechten Vorbilder, sondern vertrauen wir der göttlichen Fügung, wie sie es auch mit uns vorhat. So betrachte ich auch die allgemeine militärische Lage. So schwarz sie auch manchmal aussieht, so dürfen wir doch nicht verzagen. Irgendwie wird der Jammer doch einmal ein Ende nehmen. Und das Beste, um das wir den Herrgott bitten dürfen, ist die Kraft, all das mit Haltung zu ertragen, was auch kommen mag. Das ist mehr wert als aller andere irdische Kram. Mit dieser Haltung wird auch unsere ganze Lebensfreude und der Lebensmut nie versiegen. Dankbar begrüßt man morgens die Sonne, beschaut man die Landschaft. Mit innerem Glück gedenkt man der Lieben zu Hause, mit denen man sich innig verbunden fühlt und die einem das Leben erst lebenswert machen. Und ein sol- 56 Letzte Lebenszeichen II ches Glück strahlt auch auf andere über. Oft schon ging ich durch den ganzen vorderen Graben unseres Abschnitts und da wirken aufmunternde warme Worte oft Wunder. Viele haben eben bisher im Leben nur arbeiten, essen und trinken gekannt und sind jetzt innerlich zu arm, um die Einsamkeit des Grabenlebens zu überbrücken. Wie oft schon haben naive Naturen gefragt: Wozu braucht man die Dichter, Denker, Künstler u.s.w., davon kann man doch nicht essen. Diese Leute haben vergessen, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, dass eben die geistige Speise, die von den großen Männern ausgeht, uns schwere Lagen leichter überwinden hilft. Vor 10 Tagen habe ich wieder 200 M an Dich weggeschickt. Gestern eine Dose Jagdwurst und zwei Fischdosen, Restbestände, die wir nach Auflösung der Einheit verteilt haben. Lasst es Euch schmecken. Wenn ich Euch jetzt im Geiste an mir vorbeiziehen lasse, Dich an der Spitze, dann die lieben Kinder und nicht zu vergessen die gute Großmutter, die jetzt voll und ganz zu uns gehört, dann freue ich mich recht über das Familienglück, das mir beschieden ist. Nun habe ich Dir aber viel geschrieben. Die Zärtlichkeiten, die ich Dir sonst sagen möchte, will ich lieber nicht zu Papier bringen. Nimm an, sie seien von der Art, wie ich sie Dir oft sagte. So wollen wir halt weiterhin leben, hoffen und unsere Pflicht tun. Mit innigem Gruß auch an alle Lieben Dein Friedrich V. l. n. r.: die Kinder Eva (dreizehn Jahre), Suse (sechs Jahre) und Werner (zehn Jahre) mit ihrem Vater beim Sonntagsspaziergang im Mai 1943 Briefe aus dem Krieg 57 Friedrich Geiger mit seinen Töchtern Suse und Eva am letzten Urlaubstag im Mai 1943, bevor es wieder nach Russland zurückging 58 Letzte Lebenszeichen II Letzter Brief an seine Frau 13. August 1944 Meine liebe Lies! Heute auch ein paar Zeilen, obwohl ich nicht viel Neues berichten kann. Denn was passiert auch Neues im Graben? Täglich Artilleriebeschuss herüber und hinüber, dann vereinzeltes Gewehr- und M.G.-Feuer, das abends einige Stunden zu einem vielstimmigen Konzert anschwillt. Täglich kleinere Verbesserungen durch Schanzarbeiten, täglich 2 Mal der Marsch durch den Laufgraben zum Essenfassen. Einzelne Meldegänge zum Einweisen durch das Grabensystem, wenn höhere Herrschaften zur Besichtigung kommen. Gestern habe ich nach längerer Zeit wieder einmal die Stiefel ausgezogen, um die Füße zur Abwechslung in den Genuss des Tageslichts kommen zu lassen. Zu diesem Zweck ging ich durch den Laufgraben ziemlich weit zurück bis zu einer Talsenke, wo man ungesehen vom Feind heraussteigen kann. Dort ist ein Bauernhof mit einem kleinen Teich. Also Stiefel runter, Socken runter, Füße gewaschen, Socken gewaschen, rasiert und siehe da, ein neuer Mensch kommt zum Vorschein. Dann wieder rasch zum Graben, weil der Gegner gern seinen Beschuss auf solche Gehöfte legt, da er dort Artilleriestellungen und Ähnliches vermutet. Im Graben ist man immer noch am sichersten. Heute Morgen bei einem Meldegang entdeckte ich in meinem Graben 4 Schweine verschiedener Größen. Die Tiere waren durch Zufall in den Graben geraten und konnten nicht mehr heraus. So laufen sie kilometerweit, kreuz und quer durch die Gänge und doch ist nirgends ein Ausgang für sie! Noch schlimmer geht es den Fröschen. In Ausübung ihres Weitsprungsportes landen sie in den Gräben und hüpfen dort zu vielen tausenden verzweifelt hin und her, die armen Kerle. Geht man durch den Graben, dann hüpfen oft ganze Schwärme angstvoll vor einem her. Viele, viele werden zertreten, weil man mit dem besten Willen nicht immer auf sie achtgeben kann. Heute Morgen gab’s zur Abwechslung Sekt, 3 Mann eine Flasche. So wird immer wieder für die Truppe gesorgt. So möchte ich mit Dir zusammen auch wieder einmal eine Flasche trinken wie am seligen Weihnachtsabend. O, wie liegt so weit ... Ich glaube, mein Kamerad Kraus, der Unffz. u. Rechnungsf., jetzt nicht mehr bei uns, wird Dir auch noch eine Fleischdose schicken. Mit dem habe ich gut zusammengearbeitet, er ist Lehrer in Nürnberg und im gleichen Alter wie ich. Der hat sich bei der Trennung schier mit Tränen von mir verabschiedet. Hier im Graben traf ich den neuen San.Uffz. (Josef Backs Nachfolger), einen netten Menschen. Er stammt von Kiel, ist Zimmermann von Beruf, hat aber in allerlei Volksbildungskursen sich ein solches literarisches Wissen erworben, dass es mich in Briefe aus dem Krieg 59 Erstaunen setzt. Mit dem lässt sich besser über die schönen Dinge reden als mit den meisten Kollegen im Kreis Waiblingen. Er selber freut sich noch mehr darüber und setzt sich oft her an mein Loch. Und dann steigt die Welt eines Fritz Reuter, Theodor Storm, Hebbel, Klaus Groth u.s.w. vor uns auf im romantischen Schimmer und der raue Krieg versinkt ins Wesenlose. Du glaubst nicht, wie das stärkt und sättigt. Zeitweise kommt’s auch zu einem gemütlichen Plauderstündchen mit dem Kp-Chef, der aus Heilbronn stammt. Er ist ein ruhiger Mann, spricht gutes Schwäbisch und man sitzt zwanglos beisammen, ohne dass irgendein Offiziersfimmel die Sache stört. Man spricht vom Weinbau und Obstbau, von den Lauffener Frühkartoffeln (sein Vater ist selber Kartoffelbauer in Lauffen). Man spricht sogar vom Welzheimer Wald, denn da hinten, hinter Kaisersbach in dem Ebersberg bei der Hägelesklinge, hat er einen Bekannten. Da schwelgt man richtig in Heimatgefühlen. „So wird ihm zur Heimat das ferneste Land.“ Im Graben ist’s wieder trocken geworden, der Regen hörte auf, herrlich scheint die Sonne hernieder in diese merkwürdige Welt. Den verkrusteten Dreck an den Kleidern hat man auch wenigstens wieder grob abgerieben und sieht gleich wieder menschlicher aus. So ist mein Schreiben nun länger geworden, als ich beabsichtigte und ich möchte am liebsten weiterplaudern, aber ich muss jetzt weg zum Essenfassen und da geht der Brief auch gleich mit. Ein andermal mehr! Mit vielen herzlichen Grüßen Dein Friedrich! 60 Letzte Lebenszeichen II August Gerull Eingesandt von Ute Gerull (Schwiegertochter) August Gerull wurde am 29. August 1900 geboren. Das letzte Kriegsjahr überlebte der Soldat nicht. Seine Schwiegertochter berichtet: „August Gerull wollte sich mit einer kleinen abgeschlagenen Truppe in die Heimat durchschlagen, wurde eventuell von Partisanen getötet und gilt als vermisst.“ Brief an die Familie 26.3.45 Liebe Mutti, Peterle und Hänschen! Soeben habe ich zwei Briefe von Dir erhalten, den einen vom 17.1. und den anderen vom 25.1. Ich freue August Gerull mich, nach so langer Zeit doch paar Zeilen erhalten zu haben, wenn sie auch sehr alt sind. So ist mir doch leichter und ich bin ruhiger, wenn ich weiß, dass noch alles gesund und in Ordnung zu Hause ist. Eine Freude geht mir durch und die Tränen stehen in den Augen, wenn ich Deinen Brief lese, wie es Euch geht. Gewiss habt Ihr es schwer. Aber Du weißt nicht, wie es mir zumute ist, wenn ich weiß, meine Frau und Kinder sind vorläufig in Sicherheit und der Tyrannei von Russen entgangen! Deswegen vertraue ich auf Gott und danke ihm, dass er uns bis jetzt geholfen hat. Erstens aus dem Ruhrgebiet, als wir [dort] wohnten, dann von Ostpreußen. Oh Gott, das Leben hätte keinen Wert mehr gehabt, wenn ich wüsste, dass Du, klein Peterle und Hänschen in den Händen der Russen gewesen wären. Darum vertraue ich fest und danke, dass es einen Herrgott gibt und er mir bis jetzt und meiner Familie geholfen hat. Und sollte ich heil oder als Krüppel nach dem Krieg nach Hause kommen, so will ich auch nur einer Sache dienen und das ist unser Herrgott. Ich habe in der kurzen Zeit sehr viel gesehen und ich denke jetzt anders als früher. Ein Mensch ist gar nichts. Solange er lebt, wird er gehetzt und getrieben, keine Stunde, keinen Tag und keine Nacht Ruhe. Und doch hängt jeder an seinem bisschen Leben, wenn das Feuer von allen Kalibern auf ihn trommelt. Ja, so reißt der Krieg viele Wunden in glückliche Reihen. Was ist der Mensch? Gar nichts!!! Diejenigen, die den Krieg angezettelt haben, sollte man in Stücke reißen! Aber die sitzen herrlich und in Freuden im Trockenen in Schmaus und Braus! Briefe aus dem Krieg 61 Nun, wie geht es Dir noch, heute ist zweiter Osterfeiertag. Ja, wie sieht es im Reich aus? Ein Elend und Grausen! Wie sollen die vielen Menschen satt werden? Was macht noch klein Peterle, ist wohl noch gesund, nur dass dem kleinen Engel seine Bäckchen dünner sein werden. Oh Gott, wie ist es schlecht, wenn ein Kind nicht mal satt zu essen hat. Und das arme Hänschen ist jetzt gerade im besten Wachsen und erhält nichts in den Knochen. Gott gebe, dass dieses grausame Gemetzel bald ein Ende nehmen möchte. Wie sieht es jetzt im Garten aus, wohl alles schön grün? Oder haben die Bomben alles dem Erdboden glatt gemacht? Ja, was Hände Arbeit mühsam erbaut mit Schweiß, wird in einer Sekunde vernichtet und dem Erdboden gleichgemacht. Nun, Liebling, ich werde schließen. Verzage nicht und sei tausendmal Du sowie Hänschen und Peterle geküsst von Eurem Vati. Wünsche Hans-Joachim viel Glück zu seinem 10. Geburtstag am 31. April. Vati. August Gerull mit seiner Frau und dem Sohn Hans, 1937 62 Letzte Lebenszeichen II Brief an Zuhause Den 2. April 1945 Liebe Mutti, Peterle und Hänschen! Da ich ein paar Tage nicht geschrieben habe, so will ich Dir paar Zeilen zukommen lassen. Ich habe noch keine Post von Dir, außer dem Brief von Januar. Weiß ja auch gar nicht, ob Ihr noch lebt. Ja, wir leben in einer schlechten Zeit, wer weiß, ob wir uns nochmal hier auf dieser Welt sehen werden! Es ist traurig und man kann bald verzweifeln. Keine Post von zu Hause und der Krieg wird immer härter. Es sollen Menschen gegen Material entscheiden. Man sieht zu, wie die besten Kameraden vor den Augen in Stück gerissen werden. Und jede Sekunde kann dasselbe Los einen selbst treffen. Ich glaube bestimmt, die Welt kann nicht mehr lange bestehen bleiben. Denn was für eine Masse Menschen hingeschlachtet wird, ist überhaupt nicht mehr zu übersehen. Gott soll mir gnädig sein und, wenn es bestimmt ist, so sterben lassen, dass ich bald tot bin. Mein Liebling, sollt ich nicht mehr zurückkommen, so sehe doch, dass die beiden Kleinen im späteren Leben weiterkommen. Ich habe weiter keinen Wunsch oder Dir was vorzuschreiben, sondern nur [...], dass die beiden groß werden möchten und von einem Krieg verschont bleiben. Ich weiß, Du bist alt genug und auch im ganzen Leben tüchtig gewesen und wirst wissen, was Du zu tun und zu lassen hast. Schade, dass das Leben so kurz ist und viele tausende und übertausende nicht mehr ihre Lieben daheim sehen können! So ruft einer noch dem anderen Kameraden im Loch zu: „Lebst du noch?“ Und es ist wirklich Gottes Wunder, wenn man sieht, dass doch, wenn auch nicht alle, so der größte Teil da ist. Dann birgt man zuerst die Kameraden, die schwer verwundet sind, dass die nach dem Verbandsplatz schnell kommen. Dann sieht man nur noch ernste Gesichter und man kommt sich vor wie ein paar Jahre älter. Ich will nicht klagen, habe keinen Grund dazu, bin froh, dass es mich bis jetzt nicht erwischt hat. Mein Haufen ist aufgerieben und ich bin mit 8 Mann aus dem Kessel zurückgekommen. Die anderen sind vermisst oder versprengt, werden wohl bei anderen Einheiten sein. Bin jetzt bei einem neuen Haufen und werde wohl auch da bleiben. Habe gestern an Dich einen Brief geschrieben. Ja, Liebling, Du schreibst, Du wie ich werden anders aussehen, wenn wir uns sehen. Grau werden wir beide sein! Alt werden wir sowieso und es ist gleich, ob wir schneeweiß sind oder nicht. Die Hauptsache ist, dass wir uns im Leben wiedersehen und ich wieder arbeiten und schaffen kann für Euch Lieben daheim. Das ist doch auch nur der ganze Grundsatz für mich und die Aufgaben, die Gott mir gestellt hat. Ich habe ja, wie Du auch weißt, in meinem ganzen Leben keine Ansprüche für mich gestellt, nur die, welche notwendig waren. Und ich sehne mich nach dem Tag, wo ich wieder den Berg raufkomme und mich Briefe aus dem Krieg 63 liebe freudige Gesichter im Flur empfangen. Ja, wenn man so weit von der Heimat fort ist, so steigen einem die Heimatgedanken auf und man liegt wie ich jetzt ein paar Tage auf dem Stroh, auf dem Fußboden, wo schon hunderte Soldaten gelegen haben. Also, das Stroh schon sehr kurz und zertreten und da denkt man so nach, wie es einst war und jetzt ist. Kameraden, die sitzen auf dem Boden und laufen die Runde. Aber es ist nichts Neues, ein jeder hat Angst vor [der] Zukunft. Ja, es kommt vor, dass man sich eine Woche gar nicht waschen kann, sind die Kleider am Leib. Habe ich, seit ich im Einsatz bin, noch nicht runtergehabt. Jetzt kommen die Regentage und der Schlamm ist fast bis zu den Knien. Ja, ein jeder hofft auch, dass dieses Jahr der grauenhafte Krieg ein Ende nehmen wird. Heute hat Iwan wieder anständig getrommelt. Mein Liebling, sehr freue ich mich, dass es unserem kleinen Matz gut geht und er sich des Lebens freut. Ich kann mir so kleinen Kerl vorstellen, wenn er in allen Ecken rumkramt. Er wird immer schlauer und verständiger. Es ist eine Freude, dass er selbst isst und Du mit dem Essen und ihm kein Malheur hast. Also ist er das Gegenteil von Hänschen. Er muss ja dann dick und ausgestopft sein. Der Peterle muss drollig sein, wenn er so dick ist und schneidig durch die Zimmer gehen wird. Schade, dass sein Vati nicht alles sehen kann, er möchte mir viel erzählen. Und Vati würde ihn auch viel verwöhnen. Hoffen wir, dass klein Peterle nicht krank wird und groß wird. Wie steht es mit Hänschen? Gelernt wird jetzt nichts in der Schule. Er soll wenigstens, wenn er zu Hause ist und Zeit hat, viel schreiben und lesen lernen, das ist die Hauptsache. Ein Professor braucht er nicht zu werden, aber doch wenigstens nicht ein Stubbenkopf bleiben. Wie Du schreibst, Liebling, habt Ihr viel Alarm. Ich kann mir das denken, der Raum für das deutsche Volk wird immer kleiner und der Feind kommt immer näher. Habe gehört, dass schwere Kämpfe bei Guben und Großau sind. Und das ist südöstlich von Berlin. Ja, der arme Lanzer hat sein Nötiges getan und auch sich eingesetzt. Und die meiste Kraft ist doch verlorengegangen. Ja, was Anna und Minna geschehen ist, weiß ich noch nicht. Wenn die geraten haben zu flüchten, werden sie ja in Sicherheit sein. Aber die meisten haben es nicht geraten. Ja, das viele Elend, was dieser Krieg der Menschheit gebracht hat, ist nicht zu übersehen. Ich bin mit lauter Ostpreußen zusammen, die warten jeden Tag auf Post und wissen nicht, wo ihre Angehörigen stecken. Ich will gar nicht daran denken. Mein Liebling, werde ich schließen in der Hoffnung, dass Dich mein Brief gesund antrifft, grüßt und küsst tausendmal Dich, klein Peterle und Hänschen Euer Vati. Ich bin noch, Gott sei Dank, gesund. Sofern ich Zeit habe, schreibe ich Dir wieder paar Zeilen. Meine Feldpost-Nr. ist jetzt 64635 B. 64 Letzte Lebenszeichen II Letzter Brief an die Ehefrau und die beiden Söhne 15.4.45 Liebe Mutti, Peterle und Hänschen! Habe gestern neuen Brief vom 22.3. erhalten und habe mich sehr gefreut, dass Ihr noch am Leben seid. Aber der Brief ist sehr alt und seit dieser Zeit hat sich sehr vieles geändert. Du schriebst, dass der Amerikaner in Mainz ist, und jetzt ist er in Eisenach und noch viel weiter. Wie ich gehört habe, soll er schon in Wittenberg sein. Das ist also dicht vor Berlin. Hoffentlich seid Ihr nicht geflüchtet, denn wenn Ihr jetzt noch zu Hause seid, was ich annehme, so habt Ihr wenigstens ein Dach über dem Kopf, wenn das Haus nicht durch Fremdeinwirkung zerstört ist. Denn wo sollen die vielen Menschen auch jetzt hin? Ja, ich habe gehört, dass Kämpfe in Eisenach stattgefunden haben. Ich habe an Euch gedacht und bin noch bis jetzt im Unklaren, wo Ihr steckt und was mit Euch geschehen ist. Es ist ein scheußliches Leben, wenn man nicht weiß, wo die Angehörigen stecken oder ob sie noch am Leben sind. Ich schreibe den Brief auch so auf Geradewohl, weiß nicht, ob er überhaupt Euch antrifft. Habe mich sehr gefreut, dass klein Peterle schon groß ist und die Stachelbeeren schon selbst aus dem Einweckglas rausholt. Ja, der kleine Kerl und auch Hänschen werden jetzt Hunger leiden müssen. Ja, es ist schlimm und wird noch schlimmer werden. Wir leben in einer Zeit, die ungewiss ist. Nun, wie Du siehst, bin ich noch am Leben. Von jetzt in einer Berggegend, wo die Berge etwas höher sind als die in Eisenach. Der Iwan ist nicht weit von uns entfernt. Vorläufig ist es ruhig, bis auf kleine Störungsfeuer. Hoffen wir, dass der Krieg bald ein Ende nehmen möchte und wir uns alle am Leben wiedersehen. Habe [einen] Brief an den Kameraden von Gladbeck geschrieben, mit dem ich in Riga zusammen war. Der Brief ist zurückgekommen mit der Bemerkung: Gefallen für Großdeutschland. Also ist auch ein guter Kamerad von mir gefallen. Nun, liebe Mutti, Peterle und Hänschen, seid alle tausendmal gegrüßt und tausendmal geküsst von Eurem Vati. Hänschen hat Geburtstag am 31. April, wünsche ihm viel Glück und Segen! Vati Briefe aus dem Krieg 65 Walter Geveler Eingesandt von Horst Geveler (Neffe) Walter Geveler, geboren am 24. März 1915 in Duisburg, ist im Raum Orscha-Minsk vermisst. Nach Angaben seines Neffen existiert eine nicht bewiesene HeimkehrerAussage, die besagt, dass der Oberfeldwebel Walter Geveler nach Tagen des Herumirrens mit versprengten Soldaten am 12. Juli 1944 in russische Gefangenschaft gekommen sei. Der Heimkehrer erinnerte sich an den Ort Tschersinsk im Gebiet Orscha und machte die Aussage, dass Oberfeldwebel Geveler zum Zeitpunkt der Gefangennahme verwundet gewesen sei. Die Verwundung sei sehr schwer gewesen und er könne nicht glauben, dass er damit eine Überlebenschance Walter Geveler gehabt habe. Das Hochzeitspaar: Walter Geveler und seine frisch angetraute Ehefrau Annekäthe, 1942 66 Letzte Lebenszeichen II Letzter Brief an seine Frau, die er erst 1942 geheiratet hatte Den 20. Juni 1944 Meine liebste allerbeste Annekäthe! Du wirst erstaunt sein, meine Liebste, dass ich heute Abend schon Deinen lieben Luftpostbrief vom 16.6., den Du nach dem Angriff am 16./17.6. aufgegeben hast, bereits erhalten habe. Vielen herzlichen Dank für die lieben Zeilen. Ich freue mich immer wieder, wenn ich aus Deinen lieben Briefen die große Zuversicht, die auch Du an den Tag legst, ersehen kann. Der Krieg nimmt wahrlich von Stunde zu Stunde an Heftigkeit zu. Die große Entscheidung muss ja nun wirklich bald fallen und dann wird die Zeit kommen, wo ich immer bei Dir sein kann. Was wird das eine Freude geben, mein liebes Schätzchen. Ich kann es kaum fassen. Wollen nur hoffen, dass alles gut vorübergeht. Auf unser stetes Alleinsein freue ich mich jetzt schon riesig. Liebste Frau, hat Onkel Caspar schon Nachricht von Wilfried bekommen? Die Eltern eines Kameraden hier erhielten vor einigen Tagen Nachricht, dass ihr Sohn nunmehr als vermisst gelten könnte. Es ist furchtbar, wenn man über das Schicksal seiner Nächsten keine positive Nachricht erhält. Wir wollen nun aber bei Wilfried nicht gleich das Schlimmste annehmen. – Wie geht es eigentlich dem Lothar? Du hast hier- Walter Geveler (rechts) bei Aktendurchsicht mit einem Kameraden Briefe aus dem Krieg 67 über überhaupt nicht mehr geschrieben. Vor einigen Tagen wurde ein mir sehr nahestehender Kamerad bei einem Stoßtruppunternehmen verwundet. G. s. D. war die Verwundung nicht allzu schwer. Er musste allerdings auch in ein Reservelazarett verlegt werden. Wir hoffen jedoch, dass er in 3 Monaten wieder bei uns sein kann. Mein liebstes Schätzchen, Du kannst wirklich beruhigt sein, z. Zt. ist es bei uns noch einigermaßen ruhig. Man kann jedoch mit größeren Angriffen der Russen rechnen. Ich habe es Dir ja bereits mitgeteilt, dass ich meine Arbeitsstätte in einen Bunker verlegt habe. Man muss sich allerdings sehr mit dem Platz einschränken und vermisst natürlich die warmen erquickenden Sonnenstrahlen. Wir müssen sogar mehrmals am Tag heizen, damit die Feuchtigkeit herauszieht. Liebste Frau, selbstverständlich bin ich damit einverstanden – eigentlich brauchte man hierüber kein Wort zu verlieren –, dass Du Deinen restlichen Urlaub im August nimmst. Eine Ausspannung in Rodenbach wird Dir wirklich mal wieder guttun. Natürlich würde ich, wenn es zu machen wäre, gerne dabei sein und mit dazu beitragen, Dir diese herrlichen Ferientage zu verschönen. Ich traue mir auf jeden Fall dieses noch zu; oder bist Du, liebes Schätzchen, anderer Meinung? Wir können wirklich mehr als zufrieden sein, einen so guten und väterlichen General wiederbekommen zu haben. Für heute, mein liebstes Schätzchen, die Uhr zeigt bereits 2.00 Uhr, will ich schließen. Mit den herzlichsten Grüßen und innigsten „Gute Nacht“-Küssen bleibe ich Dein Dich über alles liebender Mann Walter. Auch an Vater und Mutter herzliche Grüße. Gute Nacht, mein liebsts. Schätzchen! Walter Geveler (rechts) mit einigen seiner Kameraden 68 Letzte Lebenszeichen II Dr. Karl Gilbert Eingesandt von Dr. Martina Tschäpe (Tochter) Karl Gilbert, geboren am 22. November 1903, war Rechtsanwalt, Brillenträger, fast zwei Meter groß und unsportlich – wie seine Tochter berichtet. Die Kämpfe im April bei Ibbenbühren waren seine erste „Feindberührung“. Martina Tschäpe schreibt weiter: „Mein Vater war an der ‚Heeresnachschubtruppenschule‘ Hannover (zuletzt in Ibsingen) untergebracht, von wo aus die Soldaten am 25. März 1945 aufbrachen, um in nächtlichen Fußmärschen bis nach Ibbenbühren zu gelangen. Dort bezogen sie am 1. April (Ostersonntag) Stellung am Dörenther Berg, um an der Straße Münster-Ibbenbühren den ‚Vormarsch der Engländer‘ zu verhindern. Am 3. April mittags wurde mein Vater durch Granatsplitter getötet.“ Karl Gilbert Letzter Feldpostbrief an den Bruder Gottfried Gilbert 28. März 1945 Lieber Gottfried, ich bin glücklich zu wissen, dass Du heil aus Ostpreußen heraus bist und hoffe, Deine neue Feldpostnummer bald zu erfahren. Seit drei Tagen marschieren wir allnächtlich nach Westen, in drei Nächten 110 Kilometer, mit dem Gepäck allerhand für alte Knaben! In vier Wochen hoffte ich, mot. Oberfähnrich zu sein und bei regulärer Truppe, nun werde ich mein kriegerisches Dasein voraussichtlich als Schütze Arsch mit Lametta bei der Infanterie beschließen. Keine Freude, eine Truppe aus lauter Fahnenjunkern, deren jeder sich für besonders gescheit hält. Und Lehrer als Führer. Aber es geht ja ums Letzte. Wäre nur nicht auch jetzt noch so viel Sturheit beim Kommissbetrieb. Schwer, dass die Zukunft der Angehörigen so völlig unklar zurückbleibt. Unmöglich, irgendetwas zu ordnen. Ihr werdet schon im Ernstfalle alles tun, was die Lage ermöglicht. Euch alles Gute! Herzlichst Dein Karl Briefe aus dem Krieg 69 Dr. Theo Goebel Eingesandt von Ernst-Theo Goebel (Sohn) Theodor Goebel wurde am 28. April 1915 geboren. Der ehemalige Schriftleiter der Nationalzeitung in Essen gehörte einer Propagandakompanie an und wurde als Kriegsberichter an der Ostfront eingesetzt, zuletzt vom August 1943 bis zu seiner Verwundung am 20. Februar 1945, die er nicht überlebte. Ihm musste das Bein amputiert werden. Er starb am 4. März 1945. Theo Goebel ruht auf der Kriegsgräberstätte auf dem Städtischen Friedhof in Troppau. Letzter Brief an die Mutter Schlesien, 12.2.45 Meine liebe Mutter! Ein kurzes Lebenszeichen. Von Euch habe ich seit einem Monat nicht gehört. Ich war bis jetzt in Breslau, wurde zurückgeholt, kam gerade noch heraus. Schlecht ist es mir nicht gegangen. Über die seelische Verfassung ein Wort zu verlieren erübrigt sich – sie ist bei uns allen die gleiche. Herzabschnürende Sorge, tägliche Pflichterfüllung und Hoffnung auf ein Wunder. Ich fahre jetzt nach Süden, Richtung Mährisch Ostrau. Gearbeitet habe ich viel, hoffentlich lest Ihr wenigstens mal einen Artikel von mir. – Unsere schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten. Die Russenflut wird und wird nicht kleiner. Und unsere Soldaten vorne müssen Unmenschliches leisten. Täten sie das nicht, wäre der Feind schon am Rhein. Unsere Hoffnung bleibt irgendeine Einigung mit dem Westen, sei es auch unter schwersten Bedingungen. Ihr könnt ja leider auch Kriegsgebiet werden. Ich rate Dir, Mutti, verkrieche Dich irgendwo, aber gehe nicht weg! Der Evakuiertenabend ist der schlimmste. Man lebt weiter seinen Tag, der Mensch hält viel aus. Ein Kamerad hat vor kurzem hier geheiratet, hat sich seine Braut aus dem Kloster geholt. Es gibt sogar noch Romane. Herzensgrüße Dein Theo Letzter Brief an die Ehefrau Schlesien, 14.2.45 (bei Breslau) Meine Hildefrau! Ich schreibe diesen Brief im Quartier bei der Schwester meines Fahrers, in einer kleinen schlesischen Stadt. Zwei Tage Aufenthalt wegen Wagenreparatur. Dann geht es 70 Letzte Lebenszeichen II Theo Goebel mit seinem Sohn Ernst-Theo während der Kriegsweihnachten 1940 Briefe aus dem Krieg 71 weiter südlich in den Raum der oberen Oder. Genau einen Monat bin ich nun unterwegs (von Krakau aus), das Sehen und Erleben dieser Zeit wiegt ein Jahr auf. Unser ganzes Weltbild hat sich verändert. Ich schrieb Dir vor einiger Zeit, dass wir in Litzmannstadt zwei Kinder mitgenommen hatten und in Breslau in den Zug gesetzt. Nun bekamen wir einen Brief von den Eltern, die Kinder sind noch vier Stunden vor ihnen bei den Großeltern in Thüringen angekommen. Etwas sehr Erfreuliches in diesem Wust von Elend und Sorge, dass eine gute Tat so gut zum Ende kam. Artikel geschrieben habe ich fleißig, ich hoffe, dass Du einen zu Gesicht bekamst. Du wirst in diesen Wochen so viel quälende Sorge gehabt haben wie noch nie vorher – Kerlchen, ich bin tagelang wie betäubt durch das Leben gegangen und tue es eigentlich immer noch. Der Krieg selbst sieht dabei eigentlich nicht anders aus wie immer bei russischen Gewaltoffensiven, der wesentliche Unterschied ist nur, dass er uns jetzt an die Substanz geht. Vielleicht ist Dir nun klar, kleine Frau, warum ich so lange darauf drängte, zum Westen versetzt zu werden! Nun sind alle dahin zielenden Pläne natürlich begraben, ich wage gar nicht mehr, mich mit solchen Wünschen nach Berlin zu wenden. Und unsere schöne Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen, sie versank in wenigen Stunden einer Schlacht. Was kommen würde, war mir schon am Abend des 12. Januar ziemlich klar. Was weiter werden soll, ist mir allerdings gar nicht mehr klar. Dass wir weitermachen müssen, bedarf keiner Diskussion, die letzte Hoffnung schwindet erst mit dem letzten Schuss. Meine starke Hoffnung auf einen Ausgleich mit dem Westen, die einige Tage lang durch auffällige Zurückhaltung der anglo-amerikanischen Kriegführung genährt wurde, ist nach der Konferenz von Jalta zunächst begraben worden. Obwohl anzunehmen ist, dass hinter den Kulissen manches vor sich geht, was mit dem großen Geschrei in der Öffentlichkeit nicht viel zu tun hat. Eine große Schlacht im Osten, bei der wir größere Teile der Russen vernichten könnten und wenigstens Schlesien und Pommern wieder ganz befreiten, könnte weittragende Folgen haben. Dass eine solche Schlacht vorbereitet wird, ist sicher. Denn wir bremsen den russischen Ansturm immer noch im Wesentlichen mit den Kräften, die aus dem Zusammenbruch vom Januar übrig geblieben sind. Ans Hungern werden wir in diesem Jahr kommen, aber bis zum Verhungern ist noch ein weiter Weg. Auf jeden Fall wird der Krieg in diesem Jahr noch entschieden, so oder so. Und im schlimmsten Fall, kein Mensch kann mehr als einmal sterben. Hildefrau, wie unter solchen Perspektiven die Erinnerung an ein großes Glück vieler Jahre fast körperliches Leben gewinnt, das brauche ich Dir nur anzudeuten, denn es wird Dir ganz genauso gehen. Wie ich Dich liebe, das weiß ich nun ganz und völlig erst, seit die Hoffnung auf ein Wiedersehen eben doch nur noch eine Hoffnung ist. Irgendetwas sehr Starkes in mir glaubt unverrückt an ein gutes, wenigstens erträgliches 72 Letzte Lebenszeichen II Ende. Aber man ist nicht immer stark. Und so will ich Dir für alle Fälle sagen, dass ich im Schlimmsten mit allen Mitteln versuchen würde, zu Euch zu kommen und ehe Euch ein Feind antastet, bringe ich Euch noch eher selbst um und mich dabei. Ein Leben für Leute meines Schlages und Berufes wäre nach einer Niederlage sowieso auf jeden Fall ausgeschlossen. Man unterzeichnet nicht jahrelang Kriegsberichte mit seinem Namen, um sich für den Fall einer Katastrophe noch irgendwelchen Hoffnungen für das kleine Ich hingeben zu können. Dafür ist dieses Jahrhundert zu konsequent. Aber, Kerlchen, ich kann einfach nicht glauben, dass dieses Volk, das so stark und tapfer ist, das sich so wehrt, das im Grunde allen so überlegen ist, denn sie schaffen ja jeden Kilometer doch nur durch die Übermacht, dass ein solches Volk für den Untergang bestimmt ist. Bisher sind immer nur die Schwachen untergegangen und schwach sind wir weiß Gott nicht. Wo hat es je ein Heer gegeben, das nach solchen Niederlagen so ungebrochen ist! Wenn das deutsche Heer jemals zu kämpfen aufhören würde, dann nur, weil es einfach keine Waffen und Munition mehr bekäme. Ich will von Euch träumen in jeder Stunde, die ich träumen kann. Meine Frau, meine Jungen, ich liebe Euch mehr, als tausend Worte je sagen könnten. Lass Dich streicheln, liebkosen, umarmen, geliebte Frau. Ich sehe Dich unter unserer Lampe sitzen, und wenn Du am Abend in Deinen Sorgen dasitzt, dann weißt Du, dass ich dort bei Dir bin mit allen heimlichen Geistern unendlicher Sehnsucht. Dein Schatzmann Briefe aus dem Krieg 73 Hans Heinrich August Grünitz Eingesandt von Elke Gebhardt (Tochter) Hans Heinrich August Grünitz wurde am 22. Februar 1918 in Ost-Steinbek geboren. Laut Sterbeurkunde von 1949 ist er Ende März im Kriegsgefangenenlazarett Pinjug in Russland verstorben. Ein Arzt, mit dem der Sanitäter zusammen in dem Lazarett war, erzählte, dass die Ruhr die Todesursache gewesen sei. Der letzte Brief an die Schwiegermutter Dora Franck Russland, den 12.1.1943 Meine liebe Mutti! Habe vielen Dank für Deinen Brief vor Weihnachten. Es freut mich, dass mein Brief Dir Freude bereitet hat. Wie ich aus Deinem Brief ersehe, hast Du ein Hemd mit nach Wien geschickt. Hierfür meinen herzlichen Dank. Am 15. soll der Kastl wieder vom Urlaub kommen. Ich will gerne glauben, dass Oma jetzt mit Elke immer spielen muss. Genauso wie Ihr am Weihnachtsabend mit Euren Gedanken bei mir ward, waren meine Gedanken bei Euch. Ich sah den Tannenbaum in der Ecke am Fenster. Du, Mutti, hattest Deinen Platz am Ofen. Und so und so habt Ihr im Licht des Tannenbaumes den Weihnachtsabend verbracht. Abwechslung wird Euch Elke bereitet haben, die ja mit den Spielsachen nicht fertig wurde. Nun wollen wir hoffen, dass ich wieder am nächsten Weihnachtsabend unter Euch weilen kann. Wie geht es Dir gesundheitlich, liebe Mutti? Magdalena schrieb mir, dass Du wieder ein bisschen krank warst. Schone Dich nun, so gut es geht. Von mir kann ich nur das Beste berichten. Du weißt doch, liebe Mutti, „Unkraut vergeit nich.“ Die Kälte ist immer noch auszuhalten. Wir sind aber auch sehr gut mit Wintersachen ausgerüstet. Nun, liebe Mutti, soll es für heute genügen. Darum alles Gute Dir wünschend und auf ein baldiges Wiedersehen grüßt Dich Dein Hans 74 Letzte Lebenszeichen II Letztes gemeinsames Foto von Hans und Magdalena Grünitz, geb. Franck, Oktober 1942 Briefe aus dem Krieg 75 76 Letzte Lebenszeichen II H „Meiner Frau selbst kann ich diese Gefühle und Gedanken nicht schreiben, aber Euch muss ich sie sagen im Erinnern an meine Frau und meine Kinder, die ich Euch ganz ans Herz legen möchte mit der Bitte, sie nie zu verlassen und sie alle drei als mein Vermächtnis zu betrachten.“ Heinrich Held in seinem Abschiedsbrief an seine Geschwister. Vermisst seit Februar 1945. Briefe aus dem Krieg 77 Heinrich Held Eingesandt von Ursula Michel (Tochter) Heinrich Held, geboren am 17. April 1905 in Regensburg, wird seit Februar 1945 vermisst. Als Todesort ist Rastung bei Breslau (heute Wrocław) angegeben. Brief an die Geschwister Breslau, 15.2.1945 Meine lieben Brüder und Geschwister! Wie üblich hat am 13. bei mir sich wieder eine Veränderung eingestellt. Ich bin jetzt bei unserem Kampfbataillon im Stab als Schirrmeister und habe die Kfz zu betreuen. Was noch alles mit uns werden wird, können wir nicht ausdenken, auf jeden Fall sitzen wir hier fest. Ich selbst habe für meine Person jegliche Hoffnung aufgegeben jemals wieder meine Familie zu sehen, es wäre ja ein Wunder, aber ich habe dieses Gefühl ja schon zu Weihnachten gehabt und aus diesem Grunde Euch ja allen eine kleine Erinnerung geschickt. Meiner Frau selbst kann ich diese Gefühle und Gedanken nicht schreiben, aber Euch muss ich sie sagen im Erinnern an meine Frau und meine Kinder, die ich Euch ganz ans Herz legen möchte mit der Bitte, sie nie zu verlassen und sie alle drei als mein Vermächtnis zu betrachten. Mit welcher Sehnsucht ich an sie denke, könnt Ihr Euch ja denken, aber was hilft es mir alles, ich muss oft in der Nacht, wenn ich wach liege, zu beten anfangen, damit ich nicht vor lauter Sehnsucht zu heulen anfange. Es ist hart das Los, aber was will ich denn tun, als ebenso wie meine Kameraden aushalten. Mein körperlicher Zustand ist ziemlich immer noch der gleiche. Nur dass mir zur Zeit mein Herz auch zu schaffen macht. Wäre unser Rückzug um einige Tage später erfolgt, so wäre ich noch nach Litzmannstadt zur Nachuntersuchung gekommen, aber der Rückzug hat ja alles über den Haufen geworfen. Das, was wir dabei erlebt und mitgemacht haben, kann ich gar nicht zu Papier bringen. Du musst Dir nur vorstellen, dass wir als gesamte Belegung noch circa 70 Mann waren, verteilt je nach Tätigkeit auf vier Quadratkilometer. Als gedeckte Lage Trennung vom Feind 18 km, dazwischen noch Infanterie. Stellt Euch vor, wenn man bei der Arbeit ist, wie z. B. ich beim Reifenflicken, und es beginnt auf uns das Feuer aus einer Entfernung von 400 Metern. Beim genauen Hinsehen erkennen wir das Anfahren von ca. 80–90 schweren russischen Panzern, die in ruhiger Marschkolonne sich langsam daherwälzen. Jetzt hieß es rasch handeln. Mit Handgranaten wurde das noch vernichtet, was für den Russen brauchbar war und dann zogen wir 78 Letzte Lebenszeichen II Heinrich Held gemeinsam mit seinen Kindern in glücklicheren Tagen, bevor er in den Krieg ziehen musste und dieser sie für immer entzweite Briefe aus dem Krieg 79 los, ich habe dabei allerhand eingebüßt von meinen persönlichen Dingen. Aber all dies ist nichts im Vergleich zu dem, was wir gesehen haben. Dies alles kann man nie vergessen, besonders nicht die Gefühle und Gedanken, die wir dabei hatten. Besonders, wie war dies alles möglich. Von unserer Einheit haben wir gar nichts mehr zu hören bekommen und so gehören wir jetzt zur Besatzung der Feste Breslau. Liebe Geschwister! Ich habe eingangs Euch gebeten, immer der Meinen zu gedenken und ihnen, soweit es nur möglich ist, zu helfen. So wie Vater an seinem Sterbebett uns alle ermahnte, so bitte ich Euch heute in Erinnerung an ihn um Eure Liebe für die Meinen. Damit will ich Euch Lebewohl sagen und bitte Gott um seinen Beistand für Euch alle. In inniger Geschwisterliebe und Gott beholfen Euer Heini Herzliche Grüße an alle und an Tante Milli ganz besonders. 80 Letzte Lebenszeichen II Ludwig Hölzel Eingesandt von Sylvia Proßl (Nichte) Ludwig Hölzel wurde am 12. Mai 1924 in Bickenbach an der Bergstraße geboren. Am 21. Juli 1943 wurde der junge Soldat vermisst gemeldet. Die Mutter Marie Hölzel hat ihren Sohn nicht für tot erklären lassen, sie hat bis zu ihrem Tod gehofft, dass er wieder heimkommt. Erst im Jahr 2003 konnte sein Schicksal endgültig geklärt werden. Ludwig Hölzel ist in russischer Kriegsgefangenschaft in Krasnyj Lutsch an den Folgen einer schweren Lungenentzündung gestorben. Ein Grab und ein Friedhof sind in Krasnyj Lutsch nicht mehr vorhanden. Passbild von Ludwig Hölzel, Brief an die Tante kurz bevor er zur Wehrmacht eingezogen wurde, Herbst 1942 17.7.1943 Liebe Tante! Möchte Dir mitteilen, dass ich Dein Päckchen mit Briefpapier heute erhalten habe. Meinen herzlichen Dank. Bis jetzt geht es mir noch gut, was ich von Dir auch hoffe. Zur Zeit sind wir bei Belgorod in der Nähe. Du wirst im Wehrmachtsbericht ja schon davon gehört haben. Hoffentlich hat der ganze Gram bald ein Ende. Auf die Dauer kann man das nicht aushalten. Hoffentlich habt Ihr zu Hause wenigstens vor den Fliegern Ruhe. Der Kölner Dom soll doch auch kaputt sein. Wenn das nicht bald ein Ende hat, da werfen uns die Hunde unsere ganze Heimat zusammen. Wir sitzen jetzt schon drei Wochen in Schützengräben, jeden zweiten Tag woanders. Schlafen kann man fast überhaupt nicht. Ein paar Mal hat es auch schwer geregnet. Da wird man so dreckig wie ein Schwein. Wir wünschen uns alle nur das eine: recht bald heraus hier. Für heute sonst nichts Neues. Alles Gute und herzliche Grüße sendet Dir Marie und Georg Hölzel, Bickenbach 1925 Ludwig! Briefe aus dem Krieg 81 82 Letzte Lebenszeichen II K „Aber jede Kugel trifft ja nicht, jetzt heißt es eben Soldatenglück haben und die Zähne zusammenbeißen.“ Franz Krügner im letzten Brief an seine Eltern. Gestorben am 13. Mai 1945 an seinen Verwundungen. Briefe aus dem Krieg 83 Heinrich Bernhard Johann Kampert Eingesandt von Heinrich Kampert (Sohn) Heinrich Kampert wurde am 13. Oktober 1908 in Recklinghausen geboren. Der Obergefreite starb am 31. Mai 1945 in einem russischen Kriegsgefangenenlazarett in Friedrichsthal. Heinrich Kampert, 1943 Letzter Brief an die Eltern Bei Graudenz, 4.2.1945 Liebe Eltern! Obschon ich keine Hoffnung habe, dass der Brief dort ankommt, muss ich doch schreiben. Thea, von der ich fest annehme, dass sie mit unseren Kleinen noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone herausgekom- Foto der Familie Heinrich Kamperts in der Heimat: Sohn Heinrich (fünf Jahre), Ehefrau Dorothea mit Tochter Annemarie (neun Monate), Bernhard (zwei Jahre) und Doris (vier Jahre), 1943 84 Letzte Lebenszeichen II men ist, kann ich überhaupt nicht mehr schreiben, weil ich doch nicht weiß, wo sie steckt. Es ist einfach zum Verzweifeln. Seit unseren Urlaubstagen haben wir überhaupt keine Post mehr von daheim bekommen. Das ist sicher, wenn ich nur geahnt hätte, wie es kommen würde, hätte ich Thea nicht im Stich gelassen. Ich wäre nicht zur Truppe zurückgefahren, erst hätte ich sie in Sicherheit gebracht. Wer konnte das Anfang Januar aber nur ahnen, dass es so kam. Ich habe das Flüchtlingselend hier gesehen und weiß, was Thea mit ihren 4 Kleinen mitgemacht hat. Was müsst auch Ihr um sie ausgestanden haben. Die Hoffnung, dass sie wenigstens nicht beim Iwan ist, hält mich noch aufrecht. Vielleicht wisst Ihr schon Bescheid, wo sie sich nun aufhalten und Ihr werdet es mir dann schnellstens mitteilen. Inzwischen wird sich das Durcheinander wohl ein bisschen gelichtet haben und Thea wird mir selbst schon ihren Aufenthaltsort mitteilen. Mir geht es sonst noch verhältnismäßig gut, wie gesagt, nur die Ungewissheit macht mich verrückt. Was mögen Bernd und Karl [Schwager] noch machen? Wie lange soll dies furchtbare Elend nur noch andauern? Bleibt gesund, Ihr Lieben, und schreibt nur recht bald. Herzlichen Gruß auch an Lotti [Schwägerin] und den Kleinen Euer Heinrich Briefe aus dem Krieg 85 Josef Keller Eingesandt von Manfred Keller (Sohn) Josef Keller, geboren am 22. Dezember 1911 in Witten, ist seit Januar 1945 vermisst. Vermutlich ist er während des deutschen Rückzugs von Radom nach Glogau gefallen. Josef Keller und Ehefrau Josefine, 1942 Josefine Keller mit den Kindern Fini und Manfred während des Heimaturlaubs 1942 86 Letzte Lebenszeichen II Letzter Brief an die Kinder Osten, den 2.12.44 Liebe Fini u. Manfred, liebe Fini u. Manfred, ich habe mich sehr gefreut, dass Ihr mir geschrieben habt. Ich bin auch noch gesund. Es ist ja schön, dass Ihr dem Papa schreibt. Nun kommt bald das Christkind und hoffentlich hat es was für Euch. Seid man schön brav, dann wird es schon was haben. Was Ihr nicht alles habt, einen Hasen habt Ihr gegessen. So was, das ist ja allerhand. Hier laufen auch so viele rum. Wenn wir die Arbeit nicht scheuten, würde ich einen schießen. Du weißt ja, Papa hat doch ein Gewehr. Nun ist die Sache die, der Hase kann so schnell laufen. Aber wenn der Krieg aus ist und Papa kommt nach Hause, bring ich einen mit. Nun, was macht die Rosa denn noch? Und die andern – Tante, Onkel Ferdinand? Tu sie alle von mir grüßen. Ich will nun schließen, seid schön brav und auf Wiedersehn. Manfred, Du kannst aber schön zeichnen. Ernst Kittan Eingesandt von Karl Heinz Kittan (Bruder) Der Mechaniker Maat Ernst Kittan wurde am 9. Dezember 1921 in Himmelsthür geboren. Der junge Soldat zu See kam nicht mehr aus dem Krieg zurück. Brief an die Eltern und die Familie An Bord, den 5.2.1945 Liebe Eltern und liebe Oma! Heute habe ich noch einmal die Gelegenheit, Euch ein paar Zeilen zu schreiben. Seit einiger Zeit sind wir nun schon unterwegs und dieses wird nun wohl die letzte Gelegenheit zum Schreiben sein. Meinen letzten Brief aus dem Stützpunkt und die Kiste werdet Ihr ja hoffentlich erhalten haben. Es war die letzte Kiste, die an der Bahn noch angenommen wurde. Ich glaube ja nicht, dass die Kiste in diesen wirren Zeiten überhaupt ankommt. Es wäre schade um die schönen Sachen, vor allem die Rauchware. Mitnehmen konnte ich sie nicht, sie wären mir unterwegs alle verschimmelt. Na, vielleicht kommt sie doch an. Wie sieht es denn zu Hause aus? Ist Karl Heinz noch auf Urlaub gekommen? Mir geht es bisher noch sehr gut. Das Leben ist soweit ganz erträglich. Bisher ging ja auch alles noch verhältnismäßig ruhig zu. Leider bin ich gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe, ich habe mir an der rechten Hand eine Zellengewebe-Entzündung am kleinen Finger zugezogen, die mich sehr behindert. Aus diesem Grunde muss ich den Brief heute mit der Maschine schreiben, denn mein rechter Arm steckt in der Schiene. Ich hoffe jedoch, dass die Angelegenheit bald wieder in Ordnung ist. In der Hoffnung, dass wir alle diese kritischen Zeiten gut überstehen und auf ein baldiges Wiedersehen in einer friedlichen Heimat grüßt Euch nun alle recht herzlich Euer Erni. Nachricht des Minenräumdienstes Absender: Evangelischer Dekan bei der Deutschen Minenräumdienstleitung Wilhelmshaven, den 6. März 1947 Sehr geehrter Herr Kittan! Auf Grund einer Zusammenstellung der deutschen U-Boot-Verluste, die von alliierter Seite gemacht worden und mir zugegangen ist, wird das U-Boot angegeben: Briefe aus dem Krieg 87 „‚U. 879‘, am 19.4.1945 auf 4219 Nord 6145 West durch U.S.S. ‚Buckley‘ und ‚Reuben James‘ versenkt.“ Diese Angaben bestätigen also die deutsche Annahme über den Totalverlust des Bootes. Ich hatte gehofft, Ihnen eine bessere Nachricht geben zu können, aber leider hat sich meine Hoffnung nicht verwirklicht. Ich verbleibe in Verbundenheit Ihr sehr ergebender [unleserlich] 88 Letzte Lebenszeichen II Michael Kolb Eingesandt von Carolin Buhl (Urenkelin) Michael Kolb wurde am 21. Dezember 1914 geboren. Er ist mit hoher Wahrscheinlichkeit am 11. Januar 1944 auf der ukrainischen Halbinsel Kertsch gefallen. Brief nach Hause Im Osten, den 1. Januar 44 (Odessa) Mein liebes Frauchen! Heute am Neujahrstag wieder einige Zeilen von mir. Ein großer Teil der Komp. ist ins Kino gegangen. Vor 2 Tagen waren wir auch. Es wurde der Film „Hab mich lieb“ gegeben. Da es aber von hier zur Stadtmitte, wo die Kinos sind, ca 5 km sind, bleibe ich lieMichael Kolb ber hier, um meine Knochen für die kommende Zeit zu schonen, da wir wahrscheinlich noch größere Märsche vor uns haben. Nun, auch dies werden wir meistern. Bin bloß gespannt, wie lange wir noch herumkugeln, bis wir an Ort und Stelle sind. Nun, heute Früh habe ich mir zur Feier des Tages 5 Stückchen Kuchen zu je [...] gekauft. Bei uns kosten die Sachen 5 Pfennig. Aber es ist ja gleich. Nur, dass Du Dir einen kleinen Vergleich machen kannst, was die Sachen hier kosten. Ist alles unverschämt teuer. Dies hindert den Landser aber nicht, doch zu kaufen. Ein sehr reiches Land ist das Rumänien. Hier kannst Du alles haben und zwar ohne Marken. War bloß schade, dass man nicht vorher gewusst hat, dass es durch Rumänien geht. Da sieht man eigentlich erst, was wir in Deutschland nicht mehr haben. Aber hoffen wir, dass dies alles bei uns wiederkommt. Und zwar, dass 1944 der Krieg entschieden wird. Liebe Mutti, ich bitte Dich nur, mache Dir um mich keine Sorgen. Es wird schon wieder werden, dass wir uns glücklich wiedersehn. Unsere gegenseitige Liebe macht uns stark. Grüße mir die Kinder, Mama sowie Mary recht herzlich von mir. Dich, mein liebes Muttchen, küsst recht herzlich, indem ich immer Dein Vati verbleibe. Briefe aus dem Krieg 89 Brief an die Frau Osten, 6.1.44 Meine herzallerliebste Rosa! Nach langer Reise angekommen. Heute geht es in die Stellung. Nun, so wollen wir das Beste hoffen, Mutti, dass uns das Schicksal gnädig ist. Sei nur tapfer und stark. Du bist mein Liebstes, was ich ja besitze. Meine Gedanken werden immer bei Dir sein. Sollten meine Briefe mal längere Zeit ausbleiben, nur nicht das Schlimmste fürchten, denn die Postverbindung ist hier sehr unregelmäßig. Luftpostmarken haben wir noch nicht bekommen. Werde Dir regelmäßig schreiben. Feldpostbriefe kannst mir schicken. Hier ist es verhältnismäßig warm und schön. Ein großer Vorteil. Was gibt es sonst für Neuigkeiten? Wie geht es Mama und den Kindern? Hoffentlich seid Ihr alle gesund und munter. Viele Grüße an Mama und die Kinder. Bitte schreibe mir nur recht oft, mein Muttchen. Teile bitte die Fp. No. [Feldpostnummer] an den Gau, Partei undsoweiter mit. Ebenso an Erwin, meine Eltern, Mary. Dich, mein herzallerliebstes Muttilein, küsse ich in Gedanken tausendmal und verbleibe Dein Michael Auf ein glückliches Wiedersehen. Brief an Frau und Kinder Im Osten, den 8.1.44 Meine herzallerliebste Mutti und Kinder! Nachdem ich nach einem langen Marsch meinen Dienst hier aufgenommen habe und ich gleich meine erste Wache schieben muss, schnell vorher einige Zeilen. Die erste große Überraschung habe ich schon hinter mir, dass hier nämlich einige gute Kameraden von mir sind. Als ich hierherkam und in den Bunker ging, fand ich einen Obergefreiten als Uffz., der mit mir 1942 in Pöllma auf Erntehilfe war. Als Zweites einige alte Spezl aus Schlan, unter anderem auch den Plattner. Nun, was sagst Du dazu? Wirst selbst überrascht sein davon. Also doch nicht so fremd hier. Befinde mich ganz nah am Meer, sodass ich mich darin waschen kann. Die Wellen singen ihr Lied. Der Russe ist hier schon gebändigt bzw. er versucht es halt mal ab und zu wieder. Nun ja, deshalb stehen wir ja hier. Hier ist es nach unserem Begriff warm. Schnee hat es bis jetzt noch keinen gegeben. Im Februar soll ja das schönste Wetter hier sein. Will mich mal überraschen lassen. Soweit geht es mir gut. Hoffe dasselbe von Euch allen. Grüße mir unsere Kinder recht lieb von mir. Desgleichen Mama und Mary. Nun, Du wirst Dich genau wie ich schon gewundert haben, dass ich die gleiche Fp. No. [Feldpostnummer] besitze – 3415 E – wie im Jahre 1942. Wenn ich das gewusst hätte. 90 Letzte Lebenszeichen II Aber leider. Könnte schon bald Post von Dir haben, so wird es halt Wochen dauern. Nun ja, ist halt mal das Soldatenlos. Bitte schreibe mir nur fleißig, damit ich recht oft von Dir Post bekomme. Dich, mein liebes Muttchen, küsst aus ganzem Herzen Dein Dich immer liebender Michael Auf ein glückliches Wiedersehn! Michael Kolb mit Ehefrau Rosa Briefe aus dem Krieg 91 Hermann Korfmacher Eingesandt von Ludger Korfmacher (Bruder) Der Gefreite Hermann Korfmacher, geboren am 9. August 1921 in Langenberg, kam am 30. Juli 1943 in Swoboda ums Leben. Hermann Korfmacher ruht auf der Kriegsgräberstätte in Apscheronsk, einem Sammelfriedhof in Russland. Brief an die Mutter Im Felde, den 29.7.1943 Liebste Mutter! Zunächst sende ich Dir viele Grüße! Soeben habe ich meinen Dienst beendet, das heißt, ich habe ein paar Stunden Zeit zum Schlafen. Hermann Korfmacher Aber erst muss ich Dir, Mutter, ein Brieflein schreiben. Ich weiß bestimmt, dass Du schon gewartet hast. Aber, Mutter, vergessen kann man eine Mutter nicht, wie Du es bist. Ja, Mutter, ich darf wohl sagen, in den letzten Tagen hab’ ich oft, sehr oft an Dich und alle im Hause gedacht. Es verging wohl keine Stunde, wo ich nicht den Herrgott gebeten habe, wenigstens Dich, liebe Mutter, noch einmal lebend zu sehen. Es waren Minuten, Stunden, die ich nie im Leben vergessen werde. Ich habe gedacht, es wäre alles verloren. Aber der feste Glaube an unseren Herrgott gab mir immer frischen Mut. Jedes Mal, wenn ich mein kleines Gesangbuch zur Hand nahm, kam ich wieder zur vollen Einsicht. Da steht: Du darfst auf Gottes Hilfe rechnen, wenn du das Deinige getan hast. Also Mut für heute, Gottvertrauen für morgen, dann bist du wieder für 2 Tage geborgen. Noch sehr viel von diesen kleinen Sprüchen und kurzen Stoßgebeten. Dieses Büchlein trage ich schon täglich bei [mir]. Ich habe es aus Sennelager. Mutter, dass es Euch soweit gut geht, hat mir Vater schon geschrieben. Aber ich glaube, Du machst Dir noch zu viel Sorgen um uns. Ich sehe Dich immer im Bette und Du kannst nicht schlafen. Dann sagst Du Dir, was machen meine Söhne, leben sie noch, sind sie krank oder vielleicht verwundet? Ja, ich kann es mir schon so ungefähr vorstellen. Dazu noch die großen Sorgen des täglichen Lebens. Ja, liebe Mutter, ein Mutterherz, wie Du es hast, ist nicht zu ersetzen. Was hat unsereiner das Leben leicht 92 Letzte Lebenszeichen II Hermann Korfmacher (hintere Reihe, erster von links) im Kreis seiner Geschwister gefasst. Kam man nach Hause von der Schule oder Arbeit, dann stand ein gutes fettes Essen auf dem Tisch. Wer hatte es zubereitet? Du, liebste Mutter! Und wie hat sich unsereiner dagegen benommen? Erst heute, wo man vor dem Feinde steht, wo es heißt, das Vaterland zu verteidigen, kommt man zur Einsicht. Aber ich glaube, noch ist es nicht zu spät, sich für das zu bedanken, was man als Kind in der Jugend versäumt hat. Ja, dem Herrgott will ich Dank aussprechen, dass er uns so eine gute Mutter geschenkt hat. Nun, liebe Mutter, glaube ich doch, dass Dir diese Zeilen ein kurzes Dankeswort sind. Du weißt doch wenigstens, dass ich es gut mit Dir, Mutter, meine. Wenn es auch noch oft an den richtigen Ausdrücken fehlt. Die Hauptsache ist ein fester Glaube und Gottvertrauen. Dann hab’ ich auch das Päckchen mit der Brause erhalten, richte bitte an Elisabeth einen Gruß; ich bedanke mich recht herzlichst, und ich hoffte zugleich, dass sie mir noch recht oft eine kleine Freude hiermit macht. Wenn es geht, Mutter, dann kannst Du mir noch eine größere Freude machen, indem Du Elisabeth und Mathilde das nötige Material gibst für einen schönen Kuchen. Ich wäre Dir sehr dankbar. Das Essen ist ja nicht schlecht, aber so ein Kuchen nach Deinem Rezept kann hier an der Front bestimmt nicht schaden. Habe doch mehrere Marken geschickt. Briefe aus dem Krieg 93 Dann habe ich auch 2 Päckchen Rauchwaren einem Bekannten mitgegeben. Sind diese wohl schon angekommen. 100,- RM habe ich auch geschickt. Schickt mir bitte ein Bild von mir. Zum Schluss, liebste Mutter, recht herzliche Grüße an alle im Hause, besonders Vater, Mutter, Tante, Heini, Elisabeth, Gerhard, Mathilde und Ludgerus. Dein Sohn Hermann Also Mut für heute, Gottvertrauen für morgen, schon sind wir für zwei Tage geborgen. Schreib’ bitte recht bald wieder. Grab von Hermann Korfmacher auf der Kriegsgräberstätte in Apscheronsk, einem Sammelfriedhof in Russland 94 Letzte Lebenszeichen II August Otto Kowalewski Eingesandt von Helmut Kowalewski (Sohn) August Otto Kowalewski , geboren am 20. Mai 1908 als das elfte von zwölf Kindern, entstammte einer Landwirtsfamilie. In vierter Generation lebte er mit seinem Vater, seiner Frau und den beiden Kindern in dem kleinen Dorf Priom bei Soldau, Kreis Neidenburg/Ostpreußen. Im Herbst 1942 wurde August Otto Kowalewski zur Wehrmacht einberufen. Ein Jahr später, am 15. September 1943, wurde er bei Ssinjawino, südlich des Ladoga-Sees, als vermisst gemeldet. Seine beiden Kinder haben ihrem Vater mit Hilfe des Volksbundes einen Baum im Friedenspark Sologubowka gewidmet. Letzter Brief an die Ehefrau Geschrieben, den 15.8.1943 Will Dir mitteilen, dass ich noch Gott sei Dank gesund bin, was ich auch Euch allen von ganzem Herzen wünsche. Nun, liebe Mutti, Du hast wohl viel Arbeit gehabt, sonst hast mir diese Woche gar nicht geschrieben und ich möchte wieder von Dir paar Worte gerne lesen und wissen, wie weit Du mit der Ernte bist und was bei Euch Vor dem Elternhaus in Priom, 1936: August Otto Kowalewski mit seiner Schwester Emma hinter seiner Mutter Wilhelmine und Vater Adam Kowalewski Briefe aus dem Krieg 95 Neues ist. Wie ist das Wetter [bei] Euch, habt Ihr so einigermaßen trocken den Roggen reingebracht oder habt Ihr Regen. Hier haben die Leute erst angefangen zu ernten und zwar schneiden sie mit Sichel das ganze Getreide, aber hier haben wir wieder bald jeden Tag Regen, wann sie mit der Ernte fertig werden, weiß ich gar nicht. Liebe Mutti! Wie lange war die Tante bei Dir und wie habt Ihr Euch amüsiert? Wie hat sich mein Helmi an ihr benommen, denn ich träume jede Nacht von Euch. Heute am Sonntag habe ich mich mittags schlafen hingelegt, dann habe ich geträumt, dass ich beide auf dem Schoß gehabt habe und sie geküsst. Ja, liebe Mutti, Gott weiß, ob ich dazu komme, dass ich sie noch küssen werde, denn unsere Division soll versetzt sein, da wo die schweren Kämpfe sind, denn wer weiß, ob ich zurückkomm, aber wir wollen das Beste hoffen, denn Gott ist allgegenwärtig und es liegt alles in seiner Hand, er kann mich auch von dort gesund zurückbringen. Sonst geht es mir ganz gut. Zum Willy habe ich geschrieben, aber bis jetzt bekomme ich noch keine Antwort. Die ganze Woche bekam ich keine Post. Der Hermann lässt sich überhaupt nicht hören. Vorige Woche waren wir Partisanen jagen in den Wäldern, haben aber keine geschnappt, aber möchtest Du sehen die Sümpfe und den Morast bis an die Knie, volle Stiefel Wasser. Wir haben den ersten Tag an die 50 km ge- August Otto Kowalewski (links hinten) mit Ehefrau Berta (links vorne), Sohn Helmut (ein Jahr alt) auf dem Schoß der Tante Auguste und weiteren Verwandten, 1942 in Priom 96 Letzte Lebenszeichen II macht, drei Tage sind wir rumgegangen, wie wir zurückkamen, dann habe ich die Füße nicht gespürt, aber ganz schlimm war es noch nicht, nur auf den Zehen habe ich kleine Blasen gehabt, aber jetzt ist schon alles in Ordnung. Liebe Mutti! Da uns gesagt worden ist, dass wir zum Einsatz kommen, kommen mir verschiedene Gedanken zum Kopf und ich wollte Dich was fragen und gerne wissen. Es wird Dir vielleicht nicht recht sein, musst Dir aber überlegen und mir beantworten. Berta Kowalewski (links) mit den Kindern Zwar wollte ich wissen, falls ich fallen Friedgart und Helmut (an der Hand der Schwägerin), 1942/43 in Priom sollte, ob Du noch heiraten möchtest, denn mir geht’s um die Kinder, Du weißt doch, dass die Kinder von einem Stiefvater nicht so versorgt werden wie vom eigenen Vater. Sonst wenn der Vater lebt und um die Kinder gut steht, dann muss die Stiefmutter auch parieren, dieser Meinung bin ich. Aber, liebe Mutti: Falls Du noch heiraten solltest, dann sieh zu, dass die Kinder gut versorgt werden. Wenn Du willst, dann kannst das Nest verkaufen und Dir in der Stadt ein Häuschen kaufen, aber solange der Vater [Großvater] lebt, dann müsst Ihr noch zusammen sein. Die Kinder, wünsche ich mir, dass sie geschult werden, dass sie nicht so arbeiten brauchen wie ich. Aber wenn Helmi Lust haben wird was lernen, dann lass ihn auch, Geld hast ja so viel und versorgt wirst auch, wenn wir den Krieg gewinnen, heißt es, und wenn wir den Krieg verlieren, dann sind wir alle verloren. Mit Tränen in den Augen schreibe ich Dir diesen Brief, also bitte ich Dich, liebe Mutti, tu mir den Gefallen und schreibe mir, dann werde ich beruhigt. Liebe Mutti, ich habe Dir ein Päckchen und Geld geschickt und eine Päckchenmarke im Brief, hast Du das erhalten oder noch nicht; wenn Du es erhältst, dann schreibe mir. Was ist sonst Neues bei Euch, hoffentlich seid Ihr alle gesund. Sonst habe ich nichts mehr auf dem Herzen. Es grüßt und küsst Euch alle herzlich Euer Vati. Also, liebe Mutti, nimm mir nicht für übel, dass ich Dir die Fragen vorgestellt habe, denn Du weißt ja, wenn ich dort hinkomme, dann steht der Tod vor den Augen. Behüt’ Euch Gott. Herr, schenke uns den siegreichen Frieden, damit wir uns noch alle gesund wiedersehen. Briefe aus dem Krieg 97 Bernhard Krieg Eingesandt von Julia und Katharina Stadelmaier (Verwandte) Bernhard Anton Krieg wurde am 5. Januar 1926 als zweites von vier Kindern in Unterbettringen/BadenWürttemberg geboren. Seine Eltern hatten einen Bauernhof mit Pferdezucht. Im September 1943 wurde der 17-Jährige zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und absolvierte direkt anschließend eine militärische Ausbildung. Da er den Umgang mit Pferden gewohnt war, schloss er sich der Kavallerie an. Nach seinem Heimaturlaub im Sommer 1944 musste Bernhard Krieg im September nach Polen an die Front. Bei einem Gegenstoß der Russen wurde er in Sossnowize (heute Sosnowiec), einem kleinen Dorf bei Miastkowo, zwischen Lomza und Ostroleka, getötet. Bernhard Krieg Letzte Briefe an die Eltern 1.6.1944! Meine Lieben! Will Euch heute noch einige Zeilen schreiben. Mir geht es noch gut und bin gesund. Was ich von Euch auch hoffe. Habe gestern zwei Päckchen eingeschickt u. hoffe, dass Ihr sie auch erhaltet. In dem einen Päckchen ist für den Franz [kleiner Bruder] ein Hemd, zwei Taschenmesser und etwas Wolle. Im anderen Päckchen sind ein paar Strümpfe, Taschentücher und noch etwas Rauchwaren. Die Strümpfe brauche ich jetzt im Sommer nicht. Wenn man ja immer umherzieht, kann man nicht so viel Sachen mitnehmen. In den Brief lege ich eine Halskette für die Rita [kleine Schwester]. Denke, dass ich ihr da eine kleine Freude machen kann. Die Flieger kommen wirklich öfter bei uns. Heute Nacht haben sie in unserer Nähe auch 98 Letzte Lebenszeichen II Bernhard Krieg (rechts) mit seinem Bruder Franz, 1938 Bomben geworfen. Gestern habe ich mich erholt richtig, statt gesoffen in der Stadt. Am Samstag machten wir ein Pferdereiten vor Generalfeldmarschall von Rünnstett. Er ist der oberste Befehlshaber von Nord-Westfrankreich. So ein Pferdereiten vom ganzen Schwadron ist ganz schön. Sonst gibt es bei mir nicht viel Neues. Es wird hier schon ganz warm und haben schon auf dem Freien gebadet. Ist auch schon ziemlich trocken und es dürfte wohl noch mal regnen. Will nun für heute mein Schreiben schließen. Es grüßt Euch alle Bernhard. Stolp, 16.7. 1944! Meine Lieben! Will Euch heute wieder einige Zeilen schreiben. Heute hat es bei uns einmal wieder geregnet. Zu nass wird es ja hier in dem sandigen Boden nicht. Mit dem Heuen werdet Ihr nun fertig sein. Die Ernte wird ja auch nicht so schnell kommen. Die meisten sind nun in Urlaub gefahren. Was tun mit uns morgen, wissen wir noch nicht. Hoffentlich holen wir bald die Pferde in Ungarn. Vorerst müssen wir die Stallungen Familie Krieg (von links): Schwester Adelheid, Mutter Maria, Vater Josef, Schwester Rita, Bruder Franz und hinten zu Pferd Bernhard Krieg Briefe aus dem Krieg 99 machen, bis die frischen Rekruten kommen. Die sollen diese Woche noch kommen. Hier könnte ich es schon vollends über den Krieg aushalten. Es ist ja die Ausbildung vorbei und haben jetzt nun häufiger Zeit. Will nun mein Schreiben für heute schließen. Es grüßt Euch alle Euer Bernhard! Stolp, 17.7.1944! Meine Lieben! Will Euch heute noch einige Zeilen schreiben. Bin eben vom Ausgang zurückgekommen. In der Stadt ist ja nichts los. Habe gestern noch von Frankreich zwei Briefe nachbekommen. So wie der Franz schreibt, will er und der Hans [Freund/Nachbar] ihr Reiten auch lassen. Reitet der Alois [Bekannter aus seiner Heimatstadt] nicht, geht sein Schimmel nicht mehr. Haben sie keinen Neuen gesattelt und die Babett [Pferd] haben sie ganz verlassen. Gestern machten wir einen Pferderitt durch Stolp. Das wäre jetzt schon recht, wenn der Krieg aus wäre und wir könnten die Friedensgarde reiten. Aber ich glaube, es wird noch nicht so schnell etwas. In der Nähe von unserer Kaserne ist ein Flugplatz. Da haben wir immer Luftverkehr. Die Ostfront ist nicht mehr weit weg. Will nun mein Schreiben schließen. Es grüßt Euch alle Euer Bernhard! Bernhard Krieg (links) mit seinen Geschwistern Franz und Rita und zwei Pferden aus der elterlichen Pferdezucht 100 Letzte Lebenszeichen II Lüneburg, 12.8.1944! Meine Lieben! Will Euch heute noch ein Brieflein schreiben. Wahrscheinlich geht’s heute Abend noch ab [Versetzung nach Stolp]. Gepackt haben wir alles. Packen ging ja gut. Wir bekommen einen großen Rucksack. Den sollten wir schon im Urlaub [gemeint ist der Heimaturlaub im Juli] gehabt haben. Lege die Urlaubskarten in den Brief bei und fünfzig Mark. Habe mir von den Karten Brot und Wurst gekauft. Solange ich schon hier bin, hatte ich noch keinen Hunger. Hatten hier auch keinen Dienst mehr gemacht. Muss nun mein Brieflein schließen. Muss noch Marschverpflegung empfangen und noch Gepäck verladen. Die herzlichsten Grüße sendet Euch allen Euer Bernhard. Bei der nächsten Gelegenheit schreibe ich dann gleich. Vorerst könnt Ihr ja nicht schreiben. Gruß an Rita! Osten, 1.9.1944! Meine Lieben! Komm nun heute dazu, Euch einige Zeilen zu schreiben. Schon seit ein paar Tagen ist es ruhiger und bauen jetzt unsere Stallungen besser aus. Hoffentlich kommen keine solchen Tage mehr wie die ersten: Kein Vergnügen ist das Leben im Graben ja auch nicht. Man hat da schon in den ersten fünf Minuten genug. Das einzige Gute ist, dass das Essen noch soweit gut ist und gibt auch ab und zu eine Flasche Wein. Habe auch wieder Zulassungsmarken bekommen u. lege sie hier im Briefe bei. Schicken werdet Ihr ja da nicht viel können. Hoffentlich geht’s bald aus, dass ich wieder nach Hause komm. Josef Trinkle [Nachbar aus seiner Heimatstadt] ist auch hier in unserem Abschnitt. Ich selber habe ihn noch nicht gesehen. Bei mir ist einer von Reutlingen, der hat ihn schon gesehen und hat auch die Ausbildung mit ihm gemacht. Sonst gibt es für heute nicht viel Neues bei mir. Will nun mein Schreiben schließen. Viele Grüße sendet Euch allen Euer Bernhard! Gruß an Rita! Briefe aus dem Krieg 101 Franz Krügner Eingesandt von Horst Krügner (Bruder) Franz Krügner, geboren am 6. Dezember 1928 in Voitsdorf im Erzgebirge, wurde im Januar 1945 mit 16 Jahren zum Reichsarbeitsdienst einberufen und zwei Monate später von der Wehrmacht übernommen. Mit der Versetzung von Prag-Rusin in eine andere Einheit kam er am 8. April 1945 ins Feld. Am 13. Mai 1945 um 8.35 Uhr verstarb der junge Grenadier im Feldlazarett an den Folgen einer schweren Granatsplitterverletzung am Kopf und an der rechten Hand. Franz Krügner ruht heute auf der Kriegsgräberstätte in Linz-St.Martin (Österreich). Franz Krügner Franz Krügner (rechts) mit seinem Vater Franz, seiner Mutter Flora und seiner jüngeren Schwester Elisabeth 102 Letzte Lebenszeichen II Brief an die Familie Prag-Rusin, am 7.4.1945 Meine lieben Eltern und Geschwister! Die besten und letzten Grüße von Rusin sendet Euch Euer Sohn und Bruder Franz. Wie ich Euch schon geschrieben habe, liegen wir in Alarmbereitschaft. Aber haben plötzlich Marschbefehl bekommen und kommen Montag oder Dienstag weg von hier an die Front. Haben eben Pech gehabt, dass Ihr mich nicht mehr besuchen konntet. Höchstens, wenn Ihr den Brief rechtzeitig bekommt, dass Papa und Mama sofort nach Rusin in die Kaserne kommen. Die Zivilsachen wollte ich unter allen Umständen nach Hause schicken, aber es ist unmöglich. Wenn Ihr doch nimmer kommen könnt, muss ich sie halt ungern um Essen und Geld verkaufen. Nur die Schuhe und das HJ-Hemd kann ich mitnehmen. Es tut mir sehr leid, aber ich kann es nicht mit an die Front nehmen. Aber die Hauptsache ist, dass wir den Krieg gewinnen, und dass ich vor allen Dingen wieder „gesund“ nach Hause komme. Aber jede Kugel trifft ja nicht, jetzt heißt es eben Soldatenglück haben und die Zähne zusammenbeißen. Und sollte ich das Glück nicht haben, dass ich nicht mehr in die Heimat zurückkehre, dann verzagt nicht und tröstet Euch mit den anderen. Aber, liebe Eltern und Geschwister, wir vertrauen doch alle zu Gott, denn der Allmächtige wird es schon lenken. Meinem lieben kleinen Horstl wünsche ich viel Glück zum ersten Schuleintritt. Und Liesl viel Glück für die Zukunft. Drum, liebe Eltern und Geschwister, seid tausendmal gegrüßt von Eurem Bruder und Sohn Franz. Franz Krügner (rechts) mit seinen Geschwistern Elisabeth und Horst Briefe aus dem Krieg 103 Hans Kühne Eingesandt von Elisabeth Lallinger-Bronberger (Verlobte) Der Oberleutnant Hans Kühne wurde am 27. März 1920 in München geboren. Am 28. Mai 1939 um 13.30 Uhr erhielt Elisabeth Bronberger von ihm den ersten Kuss ihres Lebens. Hans wurde Sturzkampfflieger. So lebte die gemeinsame Liebe von den unzähligen Briefen, die hin- und hergingen. An Weihnachten 1941 verlobten sie sich. Nach Einsätzen in Stalingrad kam Hans Kühne 1943 zur Erholung nach Griechenland, wo er zwei Tage später, am 24. Juni 1943, in Saloniki (heute Thessaloniki) durch einen englischen Fliegerangriff fiel. Die Nachricht seines Todes erreichte Elisabeth Bronberger am 5. Juli 1943, als sie gerade ihr Brautkleid probierte. Hans Kühne wurde zunächst in Sedes bestattet, dann die Gebeine in ein Kloster über führt und nach weiteren 10 Jahren schließlich nach Dionyssos-Rapendoza Unteroffizier Hans Kühne, 1940 bei Athen. Letzte Nachricht an die Verlobte 22. Juni 1943 Mein liebster Wildfang! Gott sei Dank bekam ich heute endlich nach drei Wochen die erste Post von Dir, und zwar den Brief vom [unklar: 16. Juni 1943]. Ach Wildfang! Du bist froh, dass ich von Deinem bzw. Dir verhassten Russland weg bin und ich habe Zeitlang [süddeutsch für Sehnsucht] nach diesem Land, wie ich Dir ja geschrieben habe. Ich fühle mich elend und – ehrlich gesagt – direkt unglücklich, dass ich hier bin, aber von „Oben“ wird befohlen und ich muss gehorchen. So schwer wie diesmal fiel mir das Gehorchen noch nie. Bitte verstehe mich! Nun gut Nacht. Ich liebe Dich unendlich ... 104 Letzte Lebenszeichen II Erster Grabbesuch von Elisabeth Lallinger-Bronberger in Dionyssos-Rapendoza, Griechenland, September 1975 Briefe aus dem Krieg 105 106 Letzte Lebenszeichen II L „Noch sind wir nicht im Gefahrenbereich, es kann aber jeden Augenblick losgehen.“ Peter Lambertz in seiner letzten Nachricht an die Familie. Gefallen am 10. Juni 1944 in der Normandie. Briefe aus dem Krieg 107 Peter Lambertz Eingesandt von Dr. Albert Lambertz (Sohn) Peter Lambertz, geboren am 12. Februar 1901 in Dremmen (Heinsberg), fiel am 10. Juni 1944 in Bas de Breville bei Caen in der Normandie. Peter Lambertz Letzter Brief an die Familie 6.6.1944 Meine Lieben! Viel Zeit habe ich heute nicht, will Euch, meine Lieben, noch schnell einige Zeilen schreiben. Im Wehrmachtsbericht hast Du sicher heute erfahren, dass hier in unserer Nähe etwas vor sich geht. Noch sind wir nicht im Gefahrenbereich, es kann aber jeden Au- 1939, rechts außen Peter Lambertz 108 Letzte Lebenszeichen II genblick losgehen. Sind zum Abmarsch bereit, ob wir eingesetzt werden, wird sich in den nächsten Tagen entscheiden, wie dann die Lage steht. Nur Kopf hoch und auf unseren Herrgott vertrauen. Er hat uns bisher beschützt, hoffe auch, dass er uns in Zukunft vor allem Unheil bewahren möge. Euch, meine Lieben, alles Gute, herzliche Grüße und 1000 Küsse Euer Peter Haltet mir die Daumen und betet für mich. Familienfeier 1938, Peter Lambertz mit seinen beiden Kindern, zwei und vier Jahre alt Briefe aus dem Krieg 109 110 Letzte Lebenszeichen II M „Wenn man wieder Päckchen schicken darf, schickt doch bitte gleich etwas zu rauchen und vor allen Dingen Butter oder Speck.“ Franz Xaver Miller im letzten Brief an die Familie. Seit 6. Januar 1943 in Stalingrad vermisst. Briefe aus dem Krieg 111 Rolf und Ernst Meier Eingesandt von Klaus Meier (Bruder) Rolf Meier, geboren am 27. März 1923 in Duisburg, war als Offiziersanwärter zum Fronteinsatz im Raum Wizebsk abkommandiert. Nach seinem letzten Brief an die Familie wurden die deutschen Stellungen am 23. Dezember 1943 von den Russen überrannt. Brief von Rolf Meier an die Familie Im Felde, den 21.12.1943 Liebe Eltern u. Ib. Bruder! Die besten Grüße aus der Ferne sendet Euch Euer Sohn und Bruder Rolf. Mir geht es noch gut, was ich Offiziersanwärter Rolf Meier, auch noch von Euch hoffe. Hoffentlich bekomme Duisburg 1943 ich bald die ersehnte Post von Euch. Seit Anfang November habe ich nichts mehr von Euch gehört. Aber ich denke, dass ich Weihnachten wohl mit Post rechnen kann. Ich wandere jetzt fast jeden Tag woanders hin. Gestern habe ich den Zugführer vom 2. Zug vertreten. Als ich wieder zurückkam, lief ein Spähtrupp von uns in die eigenen Minen und 1 Schwerverwundeten u. 2 Leichtverwundete, darunter ein Uffz. und den muss ich jetzt solange vertreten. Hoffentlich kommt der noch vor Weihnachten zurück, damit ich wieder zum Zugbunker komme. Vorgestern hatte unsere Komp. ein Stoßtrupp gemacht, wo sie 1 Gefangenen aus dem Bunker holten und den anderen 3, die noch drin waren, haben sie eine Handgranate hingelegt. Sie sind ohne Verluste wieder zurückgekommen. Ich selbst habe den Stoßtrupp nicht mitgemacht. Am 23.12. muss ich wieder 1 Tag zu einem Gaskursus. Die können mich bald mal alle mit ihren Kursusen den Puckel runterlaufen. Wie mag es Weihnachten zu Hause aussehen und schön wäre es, wenn ich Weihnachten zu Hause wäre, aber wir haben eben den verdammten Krieg, der wohl überhaupt kein Ende nehmen will. Wenn das doch einmal aufhören würde. Im Radio sollen sie ja jetzt 3 mal am Tage spielen „Ich wollt, es müsste einmal ein Wunder geschehen“. Wer weiß, wann dieses Wunder eintreten wird. 112 Letzte Lebenszeichen II So, nun muss ich für heute schließen und wünsche Euch allen nochmals recht frohe Feiertage. Es grüßt Euch herzlich Euer Sohn, Bruder, Schwager und Onkel Rolf Ist Trude u. Liesbeth immer noch in der Eifel? Rolf Meier mit seiner Freundin während eines Heimaturlaubs in Duisburg, 1943 Briefe aus dem Krieg 113 Auch die beiden älteren Brüder Ernst Meier, geboren am 14. Dezember 1911, sowie Fritz Meier, geboren am 22. März 1913, kamen nicht mehr aus dem Krieg zurück. Der Oberfeldwebel Ernst Meier wird im Januar 1943 in Stalingrad vermisst gemeldet, Fritz Meier im April 1945 bei Königsberg. Der letzte Brief von Ernst Meier an die Familie 1.1.1943 Liebe Eltern und Klaus! Zum Jahreswechsel sende ich Euch Lieben die allerherzlichsten Grüße und wünsche Euch für das Jahr 43 alles Gute und volle Gesundheit. Wollen hoffen, dass uns das neue Jahr den endgültigen Frieden und uns 3 eine gesunde Heimkehr bringt, damit wir den nächsten Silvester wieder im Familienkreise feiern können. Dieselben Grüße und Wünsche bestellt bitte an Trude und Christel. Ebenso sende ich der Fam. Möller herzliche Neujahrsgrüße. Bin noch gesund und munter und hoffe von Euch dasselbe. Euren lieben Brief vom 30.11. nebst Geburtstagswünschen habe ich dankend erhalten. Zu Eurer Beruhigung kann ich Euch mitteilen, dass in unserem Abschnitt der Russe sich ruhig verhält. Bin mal gespannt, wo Fritz hinkommt! Aber dass er zur Inf. kommt, glaube ich nicht. Er wird bei der Arie [Artillerie] bleiben. Auch ich freue mich, dass Rolf sein Kursus verlängert worden ist. Wegen Wintersachen braucht Ihr Euch keine Gedanken machen, denn wir sind damit reichlich ausgestattet. Wie es mit der Post und den Paketen ist, habe ich Lisbeth mitgeteilt. Werden wohl bald ankommen. Ja, mit dem Bart ist es schon so eine Sache. Hatte denselben ja schon mal abgeschnitten (und bin damit auf verschiedenen Bildern (Filmen) „ohne“), aber aus Tradition habe ich denselben jetzt wieder stehen lassen. In Bezug auf den Ausgang und Ende des Krieges sind wir voller Zuversicht. Denn der Russe hat seit einiger Zeit so viel Material (vor allem Pz) verloren wie im ganzen Sommer. Und er wird noch mehr verlieren. Wenn Ihr die neuen Waffen (besonders Pz) sehen würdet, die uns die Heimat schickt, dann könntet Ihr unsere Zuversicht verstehen. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Und der Japaner hat ja auch große, militärische Operationen angekündigt u. wo die Schlitzaugen ansetzen, da fallen Späne. Sonst wollen wir also mit Ruhe und Zuversicht den kommenden Wochen entgegensehen und wenn auch unsere Feinde hier u. da mal einen Erfolg erringen, der Enderfolg lag immer noch bei uns. In diesem Sinne will ich nun für heute schließen und es grüßt Euch Lieben recht herzlichst Euer Sohn und Bruder Ernst 114 Letzte Lebenszeichen II Franz Xaver Miller Eingesandt von Margit Gumpinger (Verwandte) Der Feldwebel Franz Xaver Miller wurde am 12. Oktober 1914 geboren. Er ist seit dem 6. Januar 1943 in Stalingrad vermisst. Im zivilen Leben war Franz Xaver Miller Bäcker im eigenen Betrieb in Fischach/Schwaben. Er ist auf der Gedenkstätte in Rossoschka verzeichnet. Brief an die Familie Xaver Miller Im Osten, 23.12.42 Meine Lieben! Da morgen wieder Post weggeht, will ich es nicht versäumen, Euch einige Zeilen zu schreiben. Es ist morgen nun Hl. Abend und da sind meine Gedanken am meisten bei Euch, wie es ja auch bei Euch der Fall sein wird. Unsere Lage ist immer noch dieselbe und so werden wir eben das Weihnachtsfest feiern, wie es eben die Lage erlaubt. Es geht mir soweit ganz gut, wenigstens den Verhältnissen entsprechend. Man muss es eben nehmen, so wie es kommt, daran ist nun mal nichts zu ändern. Unsere heiß ersehnte Weihnachtspost kam leider nicht mehr an. Auch Briefe habe ich von Euch schon längere Zeit keine mehr erhalten. Aber ich glaube nicht, dass etwas verlorengeht, es wird eben später alles ankommen und wir müssen uns mit dem gedulden, was schon da ist. Von der Batterie gibt es eine kleine Sonderzuteilung an Verpflegung, soweit es eben möglich ist, und etwas Zigaretten wird es auch geben. Ich bin herzlich froh gewesen, dass ich einen kleinen Vorrat an Rauchwaren hatte. Denn sonst hätte es schlecht ausgesehen. Aber nun werden sie auch zusehends weniger und das ist schon weniger angenehm. Wenn man wieder Päckchen schicken darf, schickt doch bitte gleich etwas zu rauchen und vor allen Dingen Butter oder Speck. Ihr werdet ja auch Weihnachten geschlachtet haben und dann gibt es schon etwas. Wally wird mit den Kindern schon noch da sein. Bestellt recht viele Grüße an sie, auch an Ziegelmaier und die Verwandten, schreiben kann ich leider keinem. Das Wetter hat sich seit heute sehr verschlechtert, es schneit gewaltig, das hat uns gerade noch gefehlt. Sonst wüsste ich eigentlich heute nichts mehr zu berichten, das wäre vorerst das Wichtigste und so wollen wir eben sehen, was uns das Christkind alles bringt, gearbeitet wird an den Feiertagen nicht. Seid nun recht herzlich gegrüßt und ein recht frohes Wiedersehen in der Heimat. Euer Xaver Briefe aus dem Krieg 115 Rupert Mittermaier Eingesandt von Erika Gruber (Schwägerin) Rupert Mittermaier wurde am 30. Juni 1912 geboren. Im Krieg war er bei den Panzerjägern. Er ist seit dem 27. Juni 1944 im Raum Bobriusk, heute Weißrussland, vermisst. Rupert Mittermaier in Russland, ca. 1944 116 Letzte Lebenszeichen II Brief an die Familie Russland 8.5.44 Liebe Eltern und Geschwister! Will Euch schnell wieder ein Lebenszeichen schicken, damit Ihr Euch nicht unnötig um mich sorgt. Mir geht es gut, bin zufrieden. Wird wohl in den nächsten Tagen etwas lebhafter werden, aber zur Zeit ist es ziemlich ruhig. Die gemütlichen Tage, die ich bei Euch vor kurzem erlebt habe, werde ich nie mehr vergessen, denn für einen Landser sind sie doch das Höchste und Schönste und darum auch wieder das Schwerste, wenn man sich von den Lieben daheim trennen muss. Ich will Euch nochmal danken für alles Schöne und Gute mit einem herzlichen vergelts Gott. Dann möchte ich nicht versäumen, unserer lieben Mutter mein Glückwünsche zum kommenden Muttertag zu übermitteln, denn ich weiß nicht, ob ich so schnell wieder Zeit habe zum Schreiben. Ich muss mir die Zeit stehlen und ob ich morgen noch leb? Jetzt wünsche ich Euch noch alles Gute Euer Bertl Rupert Mittermaier (in Uniform) mit seinen Eltern und Geschwistern, 1941 Rupert Mittermaier (rechts außen) mit Kameraden in Traunstein/Oberbayern, vermutlich 1940 Briefe aus dem Krieg 117 Horst Möckel Eingesandt von Günther Möckel (Bruder) Der Gefreite Horst Möckel ist seit dem 27. Oktober 1943 vermisst – einem Tag vor seinem 33. Geburtstag. Geboren wurde er am 28. Oktober 1910 in Eisfeld. Man nimmt, dass er zwei Kilometer südlich der russischen Ortschaft Pawlowskaja gefallen ist. Abschiedsbrief an den Bruder 5.10.1943 Mein lieber Günther! Seit einigen Tagen stehe ich mit meiner alten Einheit am Dnjepr und versuchen die Russen aufzuhalten, was uns aber kaum gelingen dürfte. Horst Möckel (rechts), 1932 in Limburg an der Lahn im Kreis seiner Familie 118 Letzte Lebenszeichen II Ich will Dir in Eile noch ein paar Zeilen widmen, denn ich weiß nicht, ob ich überhaupt nochmal dazu kommen werde. Es wird also ein sogenannter Abschiedsbrief. Weißt Du, Günther, so leise Ahnungen lassen mich befürchten, dass ich nicht mehr nach Deutschland zurückkehre und hab ich mich schon damit abgefunden. Freilich ist es schwer, so ungewollt aus der Welt zu scheiden, aber das Schicksal ist unerbittlich. Ich habe mir Mühe gegeben, als rechtschaffener Mensch das Leben auszufüllen, und kann mir niemand nachsagen, dass ich mich nicht jederzeit für mein Vaterland eingesetzt habe. Wenn Du auch, lieber Günther, mir wie die anderen Geschwister nicht ganz so ans Herz gewachsen bist, so warst Du mir doch stets ein netter Kerl, und fällt mir auch von Dir der Abschied schwer. Dir selbst wünsche ich für die Zukunft mehr Glück und erinnere Dich des Öfteren an Deinen Bruder Horst. Bitte Trini nichts von den Zeilen sagen, denn es könnte ja sein, dass ich doch mehr Glück habe, aus diesem Dreck zu kommen! Horst Möckel (links in Uniform) mit seinen Geschwistern, 1938 in Limburg an der Lahn Briefe aus dem Krieg 119 120 Letzte Lebenszeichen II N „Meine liebe Mutti, ich kann Dir das alles gar nicht schreiben, wie es war, nur das eine, wir haben uns tapfer geschlagen, es war fürchterlich.“ Walter Noebe an seine Familie. Ohne Lebenszeichen seit dem 21. März 1945 Briefe aus dem Krieg 121 Walter Noebe Eingesandt von Walter Noebe (Sohn) Von Walter Noebe, der am 3. April 1903 in Holzminden geboren wurde, gibt es seit dem letzten Brief an die Familie kein Lebenszeichen mehr. Walter Noebe Letzter Brief an die Familie Frankfurt/Oder, den 21.03.1945 Meine liebe Frau u. Kinder! Will Dir schnell ein paar Zeilen schreiben. Wie geht es Dir, meine liebe Mutti, hoffentlich doch gut und wie geht es unseren Jungens, sind sie auch gesund? Mir geht es gut, ich bin so einigermaßen wieder heil herausgekommen, aber ich war so müde und zerschlagen, dass ich keinen anderen Gedanken hatte als V. l. n. r.: Walter Noebe, die Mutter Luise Noebe, Dieter Noebe, Harry Bader 122 Letzte Lebenszeichen II schlafen, nur schlafen. Dass ich mit heiler Haut davongekommen bin, ist ein Wunder Gottes, aber jetzt habe ich mich wieder etwas erholt und da sind meine ersten Gedanken an Euch, meine Lieben, zu Hause. Meine liebe Mutti, ich warte schon, solange ich vom Urlaub zurück bin, auf Post von Dir. Habe bis heute noch keine Post erhalten. Schreibst Du mir nicht oder bist Du böse, ich hoffe doch nicht. Meine liebe Mutti, ich kann Dir das alles gar nicht schreiben, wie es war, nur das eine, wir haben uns tapfer geschlagen, es war fürchterlich. Nun, liebe Mutti, muss ich schließen und hoffe, dass Du mich immer lieb behalten wirst. Es grüßt und küsst Dich herzlich Dein Walter. Meinen Jungens einen Gruß vom Vater. Walter Noebe Briefe aus dem Krieg 123 124 Letzte Lebenszeichen II P „Es ist jetzt unbedingt eine gespannte Zeit u. Lage u. wohl alle warten auf was Besonderes, was vielleicht das Ende dieses Krieges bringt oder eine völlige Veränderung der Gegner überhaupt.“ Christian Martin Petersen in seinem letzten Brief an Ehefrau und Kinder. Vermutlich gefallen im Zeitraum von Januar bis Mai 1945. Briefe aus dem Krieg 125 Heinz Leonhard Panteleit Eingesandt von Karl-Heinz Panteleit (Sohn) Heinz Leonhard Panteleit, geboren am 5. Juni 1909 in Memel, wurde im Dezember 1939 – drei Wochen nach der Geburt seines Sohnes Karl-Heinz – zur Wehrmacht eingezogen. Er fiel rund einen Monat nach seinem letzten Urlaub im Dezember 1942/Januar 1943 auf dem Rückzug vor Stalingrad am 9. Februar 1943 bei dem Dorf Golowitsche. Über die Grablage ist nichts bekannt. Sein zweiter Sohn Burkhard kam am 21. September 1943 zur Welt. Letzter Brief an die Frau Russland, den 16.1.43, Zeit 0:50 [Uhr] Mein einziges Frauchen! Vor sechs Tagen erhielt ich Deinen lieben Luftpostbrief, für den ich herzlich danke. In meinem Brief vom 10. schrieb ich Dir noch von dem milden Winterwetter und den nächsten Tag ging es schon los mit dem ungeheuren Frost. Wir haben seitdem wieder sibirische Kälte. Deine Kniewärmer haben sich schon prima bewährt. Als Mantel habe ich einen dicken Schafspelz erhalten, der mich sowie die Filzstiefel vor jedem Frost schützen müsste. Hoffentlich habt Ihr noch nicht diesen Frost. Ich denke da an Deinen verkorksten Mantel, den Du doch nicht anziehen kannst. Frieren darfst Du aber nicht, Du Liebe, dann pfeife lieber auf ein schönes Äußeres und ziehe seine Wärme vor. Hast Du eigentlich dem Hornochsen schon geschrieben? Da fallen mir wieder alle meine Sünden ein, die doch eigentlich gar keine sind. Was gab es denn Schöneres für mich, als in meinem Heim fortwährend von Dir u. unserem lieben Jungchen zu träumen. Der Begriff der Zeit hat sich in dem Soldatenleben bei uns sehr verschoben. Ich lebe eben nicht mehr auf die Minute wie früher im Betrieb und dann geht ein Tag nach dem anderen dahin, ehe man ausgeträumt hat. All’ die Ereignisse sind ja so gewaltig, dass einem das persönliche Leben völlig unwesentlich erscheint, vor allem, wenn man auf einem Posten steht, auf dem man seine Kenntnisse und Fähigkeiten gar nicht oder nur selten zum Einsatz bringen kann. Es gibt für mich daher nur ein Hauptziel, gesund wieder zu Dir zurückzukehren, um dann Heinz Leonhard Panteleit, 1941 126 Letzte Lebenszeichen II ganz gleich auf welchem Platze eine voll befriedigende Tätigkeit wieder aufzunehmen. Gott wird mir weiter beistehen, da ich mich vor nichts fürchte. –– Leider komme ich erst heute (17.) dazu, diesen Brief zu beenden, da ich gestern plötzlich abbrechen musste. Grüße bitte Frau Rische und Muttchen u. Kurt besonders von mir. An Muttchen gehen meine nächsten Zeilen, die ich schreibe. Der Film „Die große Liebe“ soll übrigens wunderbar sein. Ich hätte ihn zu gern noch mit Dir gesehen. Sieh ihn Dir bitte an u. denke an mich, wenn Du die hübschen Melodien hörst. Es grüßt u. küsst Dich ganz lieb Dein Dir in einziger Liebe treu ergebener Heini. Karl-Heinzel gib’ bitte ein Küsschen. Soeben höre ich im Radio, dass Euch die Tommys gestern besucht haben. Hoffentlich waren sie nicht bei Euch. Gruß u. Kuss Dein Heini Heinz Leonhard Panteleit mit seinem Sohn Karl-Heinz, 1941 Briefe aus dem Krieg 127 Brief des Kameraden Kurt Runge – ein junger Pfarrer – an die Ehefrau d. 27.IV.1943 Liebe Frau Panteleit! Soeben bin ich von einem 3-wöchigen Lehrgang zu meiner Einheit zurückgekehrt und fand Ihren Brief vom 26.III. vor. Zuerst möchte ich Ihnen in stiller Anteilnahme die Hand drücken im Gedenken an Ihren lieben Mann, meinen Kameraden Heinz. Ich bin mir bewusst, dass es keinen Menschen geben kann, der Ihnen in dieser schweren Zeit etwas Tröstliches sagen kann. Und trotzdem möchte ich Ihnen von der leider nur so kurzen Zeit und den letzten Stunden erzählen, die ich mit Ihrem Gatten verleben durfte. Es ist das grausame Gesetz des Krieges, dass wir immer wieder von Kameraden, die uns nahestanden, fortgerissen werden. Ich bin mit manchem Kameraden ein Stück dieses Krieges zusammen gegangen und habe manchen in der Not des Kampfes schätzen gelernt. Mit meinem Kameraden Heinz war ich fast 1 Jahr zusammen. Was mich immer wieder zu ihm hinzog, war sein so selbstverständlicher Idealismus, an dem große Worte verpufften, und sein unbedingtes Gerechtigkeitsgefühl. Mir sind im Frieden und im Krieg selten Menschen begegnet, bei denen Haltung, Wort und Tat so unlöslich zu einer Einheit verschmolzen sind wie bei Heinz! Heinz Leonhard Panteleit (zweiter von rechts) mit seinen Kameraden, Weihnachten 1942 128 Letzte Lebenszeichen II Liebe Frau Panteleit, glauben Sie bitte nicht, dass ich nur Worte machen will, um Ihnen etwas sagen zu können. Wir alle sind im Kriege stiller und einfacher geworden; und Worte liegen uns nicht mehr. Während der Monate, die wir beide zur Kosakeneinheit kommandiert waren, lagen wir auf einer Stube. Und niemals werde ich diese Stunden am Abend vergessen, da wir beide über die Heimat sprachen, er über seine liebe Familie, und ich über das, was ich mir einmal aufbauen wollte. So rein und innerlich klar konnte nur ein Mensch sprechen, der unerschütterlich und groß in seiner Liebe stand. Ich kann niemals glauben, dass solch ein Mensch durch den Tod für die Seinen verloren ist. Niemals werde ich diese Abende vergessen, da wir zusammen gesungen haben. Ich persönlich habe in diesem Kriege noch keinen Kameraden gefunden, mit dem ich so über die letzten Dinge sprechen konnte wie mit Heinz. Als Heinz von seinem letzten Urlaub zurückkam, war ich bei der Infanterie eingesetzt und konnte ihn nicht sprechen. Als unsere Absetzung vom Feinde begann, stieß er wieder zu uns. Es war am 31. Januar oder 1. Februar. Die letzten schweren Tage haben wir gemeinsam durchgelebt und durchgekämpft. Mich hat der Gott des Krieges noch einmal verschont. Wir waren so glücklich, dass wir beide wieder zusammen waren. Es stand zeitweise recht schlecht um uns. Die Nacht vom 8. auf 9. Febr. haben wir beide noch zusammen Wache gestanden. Keiner ahnte, dass das Dorf schon vom Russen umstellt war. Mit keinem Gedanken haben wir daran gezweifelt, dass wir glücklich rauskommen würden. Gegen 6 Uhr früh versuchten wir durchzubrechen. Wir bekamen sehr schweres Feuer. Der Schlitten, auf dem sich Heinz befand, bekam einen Granatvolltreffer. Uffz. Artler, der selbst schwer verwundet wurde, sah, wie Heinz hinunterglitt. Er war schwer getroffen und hat nichts mehr verspürt. Seine sämtlichen Sachen sind durch den Treffer zerstört. Da die Kameraden, die hinter ihm kamen, auch fast alle gefallen bzw. schwer verwundet sind, war nichts mehr von seinem Eigentum zu retten. Es war alles so schwer, dass ich es heute noch kaum schildern kann. Nur mit wenigen sind wir durchgekommen. Doch eines möchte ich Ihnen noch sagen. Bis zum 25. Januar haben wir Post aus der Heimat bekommen. Ich glaube, dass Heinz die Nachricht, dass Sie ihm noch ein Kindlein schenken werden, bestimmt erhalten hat. Das wollte ich Ihnen, liebe Frau Panteleit, noch einmal kurz von meinem Kameraden Heinz erzählen. Und falls ich noch einmal nach Deutschland kommen sollte, habe ich Ihnen noch vieles zu berichten. Ich wollte keine großen Worte machen, ich wollte Ihnen nur von meinem besten Kameraden etwas sagen. Ich bitte Gott, dass er Sie stärkt für Ihre und seine Kinder. In herzlicher Verbundenheit Ihr getr. Kurt Runge Briefe aus dem Krieg 129 Fritz Petermann Eingesandt von E. P. (Sohn) Der am 6. Februar 1908 in Pegau geborene Fritz Petermann besaß zusammen mit seiner Ehefrau Marie eine kleine Mühle in Crüchern/Landkreis Bernburg. Die Familie war schnell gewachsen – 1939 hatten die Petermanns bereits vier Kinder. Als „Kinderreicher“ wurde Fritz Petermann zunächst vom Krieg verschont. 1940 wurde aber auch er eingezogen, durfte allerdings bei den rückwärtigen Diensten bleiben, zuerst in Frankreich, später in Mainz. Das fünfte Kind wurde 1942 geboren. Am 1. Februar 1945 fiel der Obergefreite Fritz Petermann während eines Bombenangriffs in Mainz. Er ruht auf Fritz Petermann der Kriegsgräberstätte in Wiesbaden-Alt, Südfriedhof. Nachricht an die Ehefrau Marie 29. Januar 1945 Meine Mieke! Schnell ein paar Zeilen, damit Du ein Lebenszeichen von mir hast. Ich werde wohl keine Post mehr von Dir bekommen, denn ich bin doch 2 x umgezogen und ehe die Post nachkommt, dann bin ich schon wieder mal fort. Heute sollte ich schon mit abgestellt werden zu einen sog. Abamkamp.[?], aber da sagte ich dem Spieß, er müsste einen Heizer haben, da bin ich eben noch geblieben. Aber ich denke doch, dass es bald losgeht, aber jedenfalls 8–14 Tage habe ich wieder gewonnen und das ist heute sehr viel. Wie die Lage im Osten ist, weißt Du ja und nun wird es wohl auch bald so sein, dass Tante Gert. und die Küstriner abrücken müssen. Ja, es ist so traurig, aber wie Du siehst, hab ich doch mal wieder ein bisschen Glück gehabt mit meiner Heizerei, vielleicht ist bis dahin schon allerhand passiert. Was macht Ihr so zu Hause, ich bin gerade 14 Tage fort und schon hat sich die ganze Lage so geändert und wenn es noch 14 Tage hier sind, dann ist der Russe in Berlin, wenn es nicht gelingt ihn aufzuhalten. Und ich möchte nur bei Dir noch sein und stecke hier unten, aber nicht verzweifeln, ich komme schon durch, hoffentlich schneller als Du denkst, bin ich bei Euch, pass mal auf! 130 Letzte Lebenszeichen II Fritz Petermann und seine Ehefrau Marie an ihrem Hochzeitstag 1934 Briefe aus dem Krieg 131 Sonst geht es mir gut, mich durchfuhr nur, dass ich ziemlich erkältet bin, aber es wird ja wieder werden. Nun alles Gute und auf ein baldiges Wiedersehen. 1000 Grüße und Küsse von Eurem Vati Brief von Marie Petermann, die noch nichts vom Tod ihres Mannes wusste Crüchern, 8.2.1945 Lieber Fritz! Heute u. gestern bekam ich keinen Brief von Dir. Nun, wie war Dein Geburtstag, hast Du da wenigstens Post von uns gehabt. Das Päckchen wirst Du wohl nicht kriegen, denn wie ich gestern festgestellt habe, hast Du auch den ersten Brief mit Marke abgeschickt u. schließlich nur so einen Absender drauf geschrieben, damit der Brief eben einen Absender hat u. auf diesem Päckchen steht so eine Adresse, so werde ich es wieder zurückbek. Wenn es nicht verlorengeht, schade. Wie geht es Dir, wo magst Du heute sein. Kannst Du Dir denken, wie scheußlich es ist, wenn man dauernd das unruhige Gefühl haben muss, „wo mag Fr. heute sein“, dass Du bis jetzt wieder Glück gehabt hast, ist ja so viel wert. Es sieht schlimm aus, ob wir uns noch mal alle wiedersehen werden, je nachdem wie der Krieg ausfällt, was er für ein Ende hat, davon hängt es ab und das wissen wir nicht. Hier ist Tag u. Nacht Alarm, man wagt sich Zwillinge Johanna und Heinrich, Eckhard, Mutter Marie, Ilse und Fritz (von links), 1943 132 Letzte Lebenszeichen II nicht mehr bis Biendorf. Ich musste heute zum Schuster, aber es verging mir, auch jetzt wieder u. ist es ½ 10 Uhr. Dann meistens morgens 5 Uhr u. dann vormittags, dann nachmittags u. am Abend. Man fragt sich doch so oft, wie lange soll das so weitergehen, das kann nicht mehr lange so weitergehen u. doch vergeht eine Woche u. ein Monat nach dem andern u. es wird schlechter u. immer schlechter. Von Küstrin hab ich noch keine Nachricht. Gertrud kam gestern, Dienstag erst wieder von ihrem Sonntagsausgang u. bat, ob sie gleich wieder nach Köthen fahren könnte, um bei ihrem Bruder zu bleiben, denn ihre Mutter wäre nach Viersen gefahren, ihr Haus, alles ihr Hab und Gut ist kaputtgeschmissen worden u. der Großvater schwer verletzt, diese Hol [?] gehört jetzt mit zur Tagesordnung. Und uns steht das alles noch bevor, schrecklich. Nun, mein lieber Vati, sei recht herzlich gegrüßt u. recht innige Küsse von Deinen Lieben zuhause Deine Frau Wir denken jeden Tag immer an Dich. Fritzchen ist sehr stolz darauf, dass Du das Verdienstkreuz mit Schwertern hast. Wir gratulieren auch. Fritz Petermann mit seiner Kompanie in der Hermannshöhle im Harz Briefe aus dem Krieg 133 Christian Martin Petersen Eingesandt von Ida Waldeck (Tochter) Der DRK-Suchdienst schreibt 1977: „Das Ergebnis aller Nachforschungen führte zu dem Schluss, dass Christian Martin Petersen (geb. 9.3.1912 in Sophien-Magdalenen-Koog) mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den Kämpfen, die von Januar bis Anfang Mai 1945 in Oberschlesien geführt wurden, gefallen ist.“ Ende Februar 1945 war Christian Martin Petersen nach Mährisch Ostrau verlegt worden. Am 18. Juli 1945 – neun Wochen nach seinem letzten Brief – wurde die Tochter Ursula geboren. Christian Martin Petersen bei der Ernte 1940 134 Letzte Lebenszeichen II Brief an die Familie aus Einsiedel Einsiedel, d. 23.3.1945 Liebe Milli, liebe Kinder! Es war mal wieder Zeit, dass wir Raden verließen. Über Nacht hatte sich das Bild ein wenig verändert. Waren alle froh, wie sich unsere Fahrzeuge in Bewegung setzten. Es folgte eine schöne ungestörte Fahrt im Vorgebirge des Riesengebirges (Altvater). Es war herrliches Wetter u. wunderbare Landschaften u. friedliche Täler. Überfüllt v. Flüchtlingen, leider. Sonst möchte man glauben, es wäre Frieden. Jetzt sind wir in Einsiedel bei Würbental. Viel kann ich Dir noch nicht darüber erzählen. Haben [es] uns erst mal im Quartier gemütlich gemacht. 4 Mann, ein Zimmer. Die Leute sind noch alle hier. Wo die Kp. hier eingesetzt werden sollen, weiß ich nicht. Wir sind wenigstens alle froh, dass wir v. der Gegend, wo wir zuletzt waren, ein wenig nach Westen weggekommen sind. An sich ja grade nicht rühmlich. Ob die Leute v. Raden wohl noch alle heil rausgekommen sind, weiß ich nicht. Es kam ja etwas plötzlich u. sie bleiben ja immer, solange es irgend möglich ist. Das ist ja auch zu verstehen, wo man doch ungerne u. schweren Herzens Haus u. Hof vielleicht auf ewig verlässt. Mir taten unsere Quartiersleute so leid, weil sie zusehen mussten, wie wir abfuhren u. sie noch nicht mitkonnten. Waren auch noch nicht fertig mit Packen. Habe an den vorigen Tagen noch etwas mitgeholfen. Aber sie hatten nicht gedacht, dass es so eilen würde. Vielleicht werden die Kp. hier in der Gegend v. Neustadt, Ziegenfels eingesetzt. Die nächsten Tage werden es ja ergeben, was kommt. Sei nun für heute herzlichst gegrüßt u. geküsst v. Deinem Christian Martin, Euer Papa. Viele Grüße an Vater u. alle im Haus! Auf Wiedersehen! Brief an die Familie O. U., d. 30.3.1945 Liebe Milli, liebe Kinder! Von diesem Ort will ich Dir noch schnell einige Zeilen schreiben. Ich warte auf den Lkw, der meine Waren abholt. D. h., mir wird die Zeit schon lange. Nach welchem Ort weiß ich nicht. Jedenfalls bisschen mehr ins Gebirge. Da ist es ja immer ganz schön. Vielleicht ist da ja auch noch bisschen mehr zu essen wie nur Eingemachtes. Dann hat man ja bisschen Zeitvertreib u. ist ganz nahrhaft. So weit v. hier ist es jedenfalls nicht. Mit geht es soweit ganz gut. Dürfte es gerne so bleiben oder besser werden. Lieber ja noch, wenn der Krieg mal aus wäre. Briefe aus dem Krieg 135 Im W. sieht es ja auch recht bedenklich aus, wenn das so weitergeht. – Mann, Mann. – Man weiß bald nicht mehr, was man dazu sagen soll u. wie u. wann das enden soll. Ich wollte nur, ich wäre näher beim Haus wie jetzt. Es geht ja aber so vielen so. Inzwischen ist nun der Wagen gekommen, den ich sehnlichst erwartete und habe mein neues Quartier bezogen. In einem kl. Dörfchen im Tal. Die Bewohner sind noch zum Teil da. Habe mir gleich Eier u. Milch gekauft. Da hatte ich jetzt ein schönes Abendbrot u. werde mich gleich zur Ruhe begeben. Das Abladen hat Zeit bis morgen Früh. – Nur keine jüdische Hast. – Draußen ist unterdessen ein Sauwetter. Die Bauern sind z. Teil angefangen mit dem Arbeiten auf dem Felde, im guten Glauben u. Hoffnung evtl. doch bleiben zu können. Ist ja vielleicht möglich, aber doch wohl sehr fraglich. Wäre ja zu wünschen, dass sie bleiben könnten. Was so die extra Ernährung für uns hier anbelangt, glaube ich, können wir zufrieden sein. An Milch werde ich mich mal wieder dranhalten u. dazu Spiegeleier. Da komme ich wohl wieder bei Kraft. Das soll nur nicht heißen, dass ich ausgehungert bin, aber es ist eben mal was anderes. Nun, liebe Milli, weißt Du ja, wie es sich bei u. mit mir hat, u. ich denke, Du wirst damit zufrieden sein. In der großen Hoffnung, dass es Euch Lieben allen recht gut geht, grüßt u. küsst Dich herzlichst Dein Christian Martin, Euer Papa. Viele Grüße an Vater u. alle im Haus! Brief an Ehefrau und Kinder mit Grüßen an den Vater und die Nachbarn O. U., d. 5.4.1945 Liebe Milli, liebe Kinder! Habe Zeit zum Schreiben, sogar fast Langeweile. Doch nicht die richtige Lust mehr am Schreiben. Ob die Post Dich wohl noch erreicht? Das ganze Kriegsgeschehen hat sich in letzter Zeit derartig verändert, dass sich uns viele Fragen aufwerfen. „Wann u. wie“. –– Wir haben sonst hier nichts auszustehen, haben zum Essen u. Trinken, die Raucherei ist allerdings knapp. Ist allerdings ein Übelstand, doch soll es nicht unsere größte Sorge sein. Der Wehrmachtsbericht interessiert uns z. Zt. am meisten. Wir fragen uns alle, wie lange es so weitergehen soll. Hoffentlich kommen die Russen nicht am Ende noch nach Schleswig-Holstein rauf. Mir scheint ja auch, so wie es z. Zt. steht, als wenn die Westmächte auch nach Hamburg zustoßen. Das wäre v. zwei Übeln ja noch das kleinere, scheint mir. Kiel u. Hamburg ist ja in den letzten Tagen wieder schwer ange- 136 Letzte Lebenszeichen II Das Ehepaar Petersen im Frühjahr 1943 in Hamburg. Christian Martin Petersen war dort zum „Exerzieren und Aufräumen von Bombenschäden“ eingesetzt. Briefe aus dem Krieg 137 Christian Martin Petersen mit seinem ältesten Sohn Oke und seiner damals jüngsten Tochter Christel im Juni 1944 138 Letzte Lebenszeichen II griffen, hoffentlich ging da bei Euch alles klar. Man kann es ja nie wissen. Doch hoffe ich für Euch, meine Lieben, das Beste. Es liegen die Ereignisse der letzten Zeit wie ein Albdruck auf den Menschen u. jeder wartet darauf, es solle sich was ereignen, was Klarheit schafft. Es ist, als stünden wir eben davor u. doch passiert nichts dergleichen. Wie lange wohl noch? Wir sind hier ja z. Zt. in einer eigenartigen Ecke. Ich meine geografisch gesehen. Ihr werdet Euch auch wohl Gedanken in der Weise machen, denke ich. Und viele werden in ähnlich komischer u. nicht allzu aussichtsreicher Lage sein wie wir. Doch wir hoffen ja immer noch das Beste. Wir sind das Abwarten ja gewöhnt u. werden uns weiterhin dran halten in guter Erwartung auf das, was kommt. Mit ist vorerst die Hauptsache, dass ich eines guten Tages mal wieder zu Euch kommen werde. Soll eine Spanne Zeit nicht ausschlaggebend sein. Hauptsache ist, ich komme zurück. Sei für heute herzlichst gegrüßt u. geküsst v. Deinem Christian Martin, Eurem Papa. Viele Grüße an Vater u. alle im Haus! Auf Wiedersehen! Brief an die Familie vor der Abfahrt nach Mährisch Ostrau O. U., d. 6.4.1945 Liebe Milli, liebe Kinder! Wir stehen wieder fertig zum Abmarsch oder vielmehr zur Abfahrt. Solches dauert immer einige Stunden, bis es richtig losgeht. Anscheinend geht es noch mehr südöstlich. Das ist allerdings gar nicht nach unserem Wollen. Von Mährisch Ostrau u. so hat man ja schon früher im Radio gehört. Müssen mal abwarten, in welchen Ort genau man uns hinführt. Es sollen auch wieder Veränderungen u. Kürzungen in der V[ersorgungs]Kp. stattfinden. Bisher blieb ich ja immer noch verschont, aber wer weiß, wie lange noch. Hoffe ja immer dabeibleiben zu können, doch andere bestimmen ja darüber. Ich möchte mal gerne wissen, ob Du noch Post v. mir erhältst oder nicht. Ich habe nun ja auch lange keine mehr bekommen. Ist ja auch immerhin was anderes, wo wir so oft den Standort wechseln u. nicht direkt bei der V[ersorgungs]Kp. sind. So hat es ja immer schon viele Umwege zu machen. Du bist sonst ja immer, was Post anbelangt, einigermaßen v. mir verwöhnt. Nun mache Dir man nicht gleich große Sorgen, wenn vielleicht 3 Wochen lang kein Brief v. mir Dich erreicht. Ich denke mir, dass Annemarie E. auch unter den Verhältnissen der letzten Zeit wenig Post erhält u. wohl mancher anderen Frau mag es so gehen. Hauptsache ist, dass wir eines guten Tages wieder bei Euch eintrudeln. Doch Briefe aus dem Krieg 139 wird sich bis dahin wohl noch vieles ereignen. Das hat es sich ja schon in letzter Zeit genug, woran wir früher niemals damit gerechnet hatten. Es ist jetzt unbedingt eine gespannte Zeit u. Lage u. wohl alle warten auf was Besonderes, was vielleicht das Ende dieses Krieges bringt oder eine völlige Veränderung der Gegner überhaupt. Doch das Letztere kann ich nicht recht glauben. Wir können ja ruhig mal darüber u. über die nahe Zukunft nachdenken, doch ändern können wir nichts daran. Wir hoffen nur, dass wir unsere Lieben alle gesund einst wiedersehen werden. Oke fragt schon gewiss ab u. zu mal, wann Papa wiederkommt u. Ida u. Harald vielleicht auch schon mal, wenn Ihr v. mir sprecht. Mir scheint die Zeit so lange, wo ich v. Euch fort bin, aber in Wirklichkeit ist es ja gar nicht so sehr lang. In großer Hoffnung, dass es Euch immer noch recht gut geht u. Ihr alle gesund u. munter seid grüße u. küsse ich Dich herzlichst Dein Christian Martin, Euer Papa. Viele Grüße an alle! 140 Letzte Lebenszeichen II Josef Pohl Eingesandt von Heidi Pohl (Tochter) Josef Pohl kam am 2. Juli 1894 in Osseg/Oberschlesien zur Welt. Er hatte mit seiner Frau dreizehn Kinder. Zwei Söhne sind mit knapp 18 und knapp 20 Jahren innerhalb von vier Wochen gefallen, ein dritter mit zehn Jahren von einer herumliegenden Panzerfaust der Amerikaner im Mai 1945 in Wallern/Colary in Tschechien getötet worden. Seine Tochter schreibt: „Der Brief ist das letzte Lebenszeichen meines Vaters. Er ist gewissermaßen spurlos verschwunden. Alle meine Bemühungen [...] eine Spur von ihm zu finden, blieben erfolglos. Er ist weder als Gefangener noch als Gefallener irgendwo aufgetaucht.“ Letzter Brief 20. August 1944 Liebe Marichen! Muss Dir auch heute zum Sonntag ein paar Zeilen schreiben, weil ich Nachmittag frei habe. Auch war heute ausnahmsweise mal kein Fliegeralarm. Aber vielleicht kommt er zur Nacht, denn uns geht es alle Tage so, da nimmst du dein Hab und Gut auf den Buckel und gehst auf die Walz so zwei Stunden. Aber es ist alles Sport. Liebe Marichen, ich habe am 20. August ein kleines Päckchen mit Schokolade geschickt. Habt Ihr es erhalten? Bitte schreibe mir Bescheid und hast Du das Paket aus Schönwald erhalten oder nicht und den Brief mit hundert M., hast Du ihn bekommen? Sonst geht es mir noch gut und hoffe es auch von Euch allen. Hier bekommst Du alles zu kaufen, aber nur für rumänisches Geld und teuer, da gehen Euch die Augen über. Wir sind gerade in der Zone, wo die Flieger dauernd zu Besuch kommen und zwar in der Gegend von Bukarest und Prestigni, aber wir machen uns weniger draus aus dem ganzen Zirkus. Es ist hier sehr warm, hier verbrennt man wie ein Neger. Nun, liebe Marichen, bitte Bescheid, ob Du alles erhalten hast oder nicht. Sonst ist alles beim Alten. Nun seid alle recht herzlich gegrüßt von Papa. Gruß an alle Bekannten Briefe aus dem Krieg 141 142 Letzte Lebenszeichen II R „Ein Tag wie der andere. Nichts als Kampf.“ Bernhard Rauh in seinen Tagebuchaufzeichnung der letzten Kriegstage. Am 16. April 1947 in russischer Kriegsgefangenschaft verstorben. Briefe aus dem Krieg 143 Bernhard Rauh Eingesandt von Bernd Rauh (Sohn) Bernhard Rauh, geboren am 11. November 1908 in Worms, war 1939 zum Kriegsdienst eingezogen worden und verstarb 38-jährig am 16. April 1947 in russischer Kriegsgefangenschaft in Drushkowka/Kramatorsk. Ehemalige Kameraden berichteten, er sei am 9. Mai 1945 vom Lager weggegangen, um Wasser zu holen, ist aber nicht mehr zurückgekehrt. Das Tagebuch ist seiner Frau und seinem Sohn Bernd gewidmet. Bernhard Rauh mit seiner Frau und dem neugeborenen Sohn Bernd 144 Letzte Lebenszeichen II Bernhard Rauh mit seinem Sohn Bernd beim gemeinsamen Weihnachtsfest Briefe aus dem Krieg 145 Mein Tagebuch Baumholder, 31.7.44 Diese Aufzeichnungen sind meiner lieben Frau und meinem Jungen gewidmet, denen ich gerne gedenke und die der ganze Inhalt meines Lebens sind. Bernhard Diese Karte zum 36. Geburtstag lag dem Tagebuch Bernhard Rauhs bei. 146 Letzte Lebenszeichen II Tagebuchaufzeichnungen von April bis Mai 1945 1.4.45 Nun ist Ostersonntagmorgen. Sonst wie herrlich und heute wie trostlos. Das Einzige war, dass wir uns heute Morgen eine Tasse Bohnenkaffee machten und ich hatte für uns den Tisch schön gedeckt und so feierten wir unser Osterfest 1945. Anschließend geht es wieder an die Arbeit, denn die Kameraden wollen ja auch versorgt sein. 2.4.45 Zweiter Feiertag, schönes Wetter. Heute wieder einen Brief erhalten v. 15.2. Vielen Dank – er war zwar alt, aber er hat mir als ein liebes Andenken doch eine kleine Osterfreude bereitet. Sonst der übliche Alltag. Heute von Rahmsdorf nach Freudersdorf gezogen, da ich nun wie früher I a Schreiben mitmachen muss. 3.4.45 Ich wohne hier ganz schön, so ähnlich wie im Schwarzwald. Die Menschen sind sehr nett, nur ist es auf meiner Bude kalt, da der Ofen kaputt ist. Morgen fahre oder reite ich wieder in Feuerstellung und so vergeht die Zeit. Und was wird bei Euch zu Hause sein, seid Ihr noch alle am Leben, kann u. werde ich Euch nochmals wiedersehen? Das sind meine ewigen Gedanken und keiner kann uns helfen als unser Herrgott allein. 4.4.45 Auch heute wieder ein toller Tag. Am frühen Morgen losgefahren zur B-Stelle. Gestern Abend überraschenden Besuch vom Chef, nette Unterhaltung. Aber was ist das alles, wenn ich nicht weiß, ob Du und der Bub noch lebt und wo Ihr seid. 5.4.45 Die Sorge um Euch lässt mich nicht los. Was ist ein Leben ohne Euch, gar nichts. Wenn ich hier die Flüchtlinge sehe und die Wohnungen, dann kann ich mir ganz gut ein Bild machen, wie es evt. bei uns aussieht. 6.4.45 Ein Tag wie der andere. Wir sind immer noch in Friedersdorf und der Papierkrieg fängt schon wieder an. Wie wird es Euch zu Hause gehen. Nach all den Nachrichten, die man hört, nicht besonders. Jetzt ist das richtige Aprilwetter, Regen und dabei doch kalt. Gestern Abend musste ich ganz besonders an Euch denken, hoffentlich lebt Ihr noch. Briefe aus dem Krieg 147 7.4.45 Nun ist die Woche schon wieder herum und immer weiter rückt der Tommy nach Deutschland vor. Freund Iwan wird abgehalten, aber was nutzt das alles. Das Leben ist freudlos. Morgen früh gehe ich wieder vor auf B-Stelle. Will mal sehen, was es da wieder Neues gibt. 8.4.45 Sonntag, welch ein herrlicher Tag. Ich ging heute mal in den Wald spazieren. Es war herrlich, nur etwas fehlte mir und das warst Du und der Bub. 9.4.45 Heute Morgen ein Vortrag im Wald über die politische Lage. Abends erfuhr ich, dass man ent. [?] wieder zu Euch schreiben könnte, das habe ich natürlich sofort getan. 10.4.45 Den ganzen Tag unterwegs zur B-Stelle u. Feuerstellung. Da war es herrlich bei unserer Muni-Staffel mitten im Wald, eine große Wiese, Sonnenschein, tummelnde Pferde, ein Bild wie gemalt. 11.4.45 Heute wieder Post erhalten und zwar einen lieben Brief von meinem Schatz vom 2.3.45. Wenn er auch alt war, ich habe [mich] trotzdem über das Lebenszeichen gefreut. Heute schreibe ich Dir wieder. Hoffentlich kommt es an. 13.4.45 Sonnenschein, warm, richtiger Frühling. Heute Nachm. haben wir, anstatt die Felsen für unseren Bunker gesprengt, dem Bauern geholfen, Steine auf seinem Feld zu lesen, denn die gibt es in sehr großer Menge hier und die Leute sind sehr um uns besorgt und da helfen wir auch gerne. Was wird es weiter geben, das sind stets meine Gedanken, werdet Ihr noch leben und wir uns wiedersehen? 14.4.45 Samstag, schon wieder eine Woche herum und immer geht der Krieg noch weiter. Die schlimmen Nachrichten hören aber auch nicht auf. Wo sind unsere Soldaten im Westen, das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Unsere Heeresgruppe steht eisern, wenn alles so wäre, könnte der Krieg niemals verlorengehen. Was werdet Ihr zu Hause machen? Werde ich Euch wiedersehen und Ihr mich. Gott helfe uns dazu. 148 Letzte Lebenszeichen II 15.4.45 Sonntag und der übliche Weg zur B-Stelle. Früh um 6 Uhr los und spät mittags erst wieder heimgekommen. Heute ist es ziemlich kalt und im Gebirge liegt sogar wieder Schnee. Zu meinem Leidwesen habe ich gehört, dass unsere Post nach dem linken Rheinufer alle wieder zurückkommt. Heute probiere ich es mal anders und schreibe Elsa nach Bobstadt, vielleicht kann ich da etwas von Euch, meinen Lieben, erfahren. 16.4.45 Ein Sonnentag. Heute war ich mit dem Bauern Kartoffel stecken, das heißt, alle waren wir mit und es hat uns Spaß gemacht. Ein Fass Bier nahmen wir mit und dann wurde bei der Pause im Wald gemütlich gegessen. Ich saß da mal wieder ganz traumverloren und dachte an Dich und den lieben Bub. Diese herrliche Gegend müsstest Du mal sehen können. Es ist zwar ein harter Schlag Menschen, aber sie halten durch, genau wie Ihr am Rhein, denn Deutschland geht nicht unter, das darf niemals geschehen. 17.4.45 Heute war ich wieder mit im Feld Kartoffel stecken. Beim Frühstück machte ich einen kleinen Spaziergang auf die Waldwiese, weißt Du, zu den schönen gelben Blumen, die wir der Mutter mal als ersten Strauß mitgebracht hatten. Da dachte ich wieder so innig an Dich und unseren lieben Bub. Wo werdet Ihr jetzt sein und wie wird es Euch ergehen. Man darf nur nicht den Glauben verlieren, sonst ist alles verloren. 18.4.45 Der Russe berennt schon wieder unsere Ostfront. Aber wir werden eisern halten, denn solche Verräter wie im Westen sind doch nicht in unseren Reihen. Heute Mittag war ich auf B-Stelle und abends müde zum Umfallen. Unseren Wehrwolf-Sender höre ich jeden Abend und ich freue mich immer, denn noch sind in Deutschland Männer. 19.4.45 Ein Tag wie der andere. Viel Arbeit und immer dieselben Gedanken an zu Hause. Heute Abend wollen wir mal Jupp Göbbels hören, was er uns zu sagen hat. Unsere kleine Erika macht uns immer viel Spaß. Sie ist 3 Jahre und geht mit Messer und Gabel um wie eine Alte. Wir sind beim Herold, wie wir ihn nennen, aufgehoben wie zu Hause und kennen uns auf seinem Feld u. im Wald von Friedersdorf schon ganz gut aus. Heute Abend trinken wir noch gemütlich 1 Fass Bier, denn sonst haben wir ja doch nichts. Briefe aus dem Krieg 149 20.4.45 Mitternächtliche Feierstunde anlässlich des Geburtstages des Führers. Hoch oben auf dem Berg im Angesicht des Feindes wurde ein Holzstoß abgebrannt und dabei des Führers in einer Ansprache gedacht. Gedankenverloren dachte ich auf dem Heimweg nur an Euch, ob Ihr noch lebt und wie es Euch ergeht. Beschütze Euch Gott und er möge Euch beistehen, das sind meine ewigen Gedanken. 21.4.45 Samstag und die Gedanken bei meinem Liebling. Was werdet Ihr machen, lebt Ihr noch? Bei Berlin geht es ja verdammt hart zu, hoffentlich schafft es der Iwan nicht, denn sonst ist alles verloren. 22.4.45 Sonntag und zum ersten Mal wieder im Radio Gottesdienst übertragen. Ob es dazu nicht zu spät ist? Nach Brahnsdorf umgezogen und heute morgen Mack [?]. Waren ausgegeben, denn anschließend sollte wieder Stellungswechsel stattfinden und zwar wieder weit. Wohin wissen wir alle nicht. 23.4.45 Montag und Regen, das passt überhaupt zu dieser Zeit. Wenn es doch nur mal zum Stopp käme, denn der Russe müsste doch aufzuhalten sein. Aber die Sabotage war zu groß. Was wir bei den Polen ließen, das waren die Männer und das sind heute die Soldaten, die gegen uns in Massen anstürmen. Daher lieber tot als in russ. Gefangenschaft. 24.4.45 Jeden Tag dasselbe. Keine erfreuliche Nachricht. Dass ich von Euch nichts mehr höre, das muss ich genauso tapfer ertragen wie Ihr zuhause. Mein einziger Wunsch ist nur der, dass Ihr noch lebt und nach all dem Kampf bauen wir eben neu auf. Die Portionen werden auch knapp, aber satt wird trotzdem noch jeder. Bei uns an der Front ist z. Zt. tiefster Frieden, wenn Iwan wüsste, dass hier nur eine Handvoll Leute wären, dann o weh. Aber es ist doch so, jeder blufft und wird verblufft. 25.4.45 Herrlicher Sonnentag. Besuch vom Chef. Heute wieder den ganzen Tag wieder so sehnsüchtig an Dich, meinen Liebling, u. an unseren lieben Bub gedacht. Ich glaubte manchmal, ich müsste Euch sehen und mit Euch sprechen können. Warum müssen wir aber auch den Krieg so schmählich verlieren. Nur durch Verräter und Lum- 150 Letzte Lebenszeichen II pen wurden wir dazu gezwungen. Aber auch das deutsche Volk lebt noch, es kann und wird niemals aussterben. Wenn Du das gelesen hast, erinnere mich bitte an Jägerndorf (Miezi), da kann ich Dir dann persönlich etwas dazu sagen. 26.4.45 Heute muss ich Dir wieder mit Bleistift schreiben, denn es wird ja wieder gewandert. Ungern verließen wir unsere gastlichen Quartiere, denn was uns winkt, wissen wir ja alle, nur Kampf. Hoffentlich gelingt es uns noch, den Ansturm der Barbaren des Ostens zu brechen, dafür und damit für Euch wollen wir kämpfen. 27.4.45 Tag und Nach marschiert. Über Freudenthal, Bautsch bis nach Fuldek. Dort ein Tag Rast. Ein herrliches Städtchen mit einem auf dem Berg wunderschön liegenden Schloss. Das war mein Wochenende. 28.4.45 Abend ging es wieder weiter. Da auf einmal Stockung, alles wieder zurück und notdürftig Nachtquartier bezogen, denn es hatte nachm. angefangen zu regnen und es hörte auch nicht mehr auf. 29.4.45 Heute hat Iwan schon frühzeitig Rabatz gemacht und wir wanderten wieder gegen 12 Uhr ab. So begann der Sonntag und nach langem Fahren landeten wir in NiederOlmütz bei Neu Titschein in einem Forsthaus, wo wir gut aufgenommen wurden. Da war sogar noch ein nettes Förstertöchterlein, die anfangs mit uns nicht deutsch sprechen wollte, aber dann unsere Sprache doch verstand, aber so sind alle Tschechen. Ich komme gerade von draußen und ich sah, dass der Iwan wieder ringsherum alle Dörfer in Brand gesteckt hat. So etwas ist doch für die armen Menschen bitter. Aber wie wird es Euch ergangen sein. Das sind meine einzigen Gedanken. 30.4.45 Ein Tag wie der andere. Nichts als Kampf. Unsere Batterie kam gerade so wieder heraus. Als ich vorm. draußen war, setzte der Iwan plötzlich zum Angriff an und die Hölle war wieder los. Aber alles geht vorüber. 1.5.45 Mai, der herrliche Monat und nichts als Regen und Kampf gegen einen Feind von Briefe aus dem Krieg 151 vorne, der Seite und den Tschechen von hinten. Eine ganze Batterie bei uns getürmt. Das sind Feiglinge, die die Kameraden in den Stunden der Not im Stiche lassen. Noch halten wir dem übermächtigen Ansturm der Russen stand. Wie lange noch? Und was macht Ihr, meine Lieben, zu Hause? 2.5.45 Dies ist als Soldat unser härtester Schlag gewesen, als heute bekannt wurde, dass unser Führer Adolf Hitler gefallen ist. Die Größe des Reiches ist dahin, eine Führerpersönlichkeit, die einmalig in der Geschichte war, hinübergegangen. Nun sitzen wir hier tief unten im Tschechenland umgeben von Feinden von allen Seiten. Werde ich Euch nochmals wiedersehen, ja, ich will und dieser Glaube wird mir helfen und durch Gottes Führung werde ich wieder zu Euch zurückkommen. Wir liegen hier in Schwersdorf b. Neu Titschein und warten der Dinge, die da kommen sollen. Noch ist unsere Batterie intakt und da werden wir es doch schaffen und wenn es zu Fuß über alle Berge gehen sollte. 3.5.45 Wieder gewandert. Den ganzen Tag über regnete es. Abends kamen wir todmüde nach Mok und fanden wider Erwarten ein gutes Quartier bei den Tschechen. 4.5.45 Heute mal richtig ausgeschlafen. In unserem Quartier ist ein kleiner Junge von 4 Jahren, dem wir in einem halben Tag schon allerhand deutsch beigebracht haben. So nebenbei haben wir dem Mädel unserer Quartiergeber die Ärmel am Pullover zugenäht. Hoffentlich geht es immer weiter westlich, damit wir endlich aus diesem Sack herauskommen, denn ich möchte die Heimat doch wiedersehen. Gestern haben wir noch ein Geschütz verloren u. hatten 5 Schwerverwundete. Das Essensfahrzeug von gestern kam auch nicht zurück. 5.5.45 Heute wieder gewandert. Immer weiter nach Westen abgesetzt. Was wird es geben? 6.5.45 Immer wieder Schlachtflieger u. Angriffe. Tage ohne Ruhe. 7.5.45 Die Batterie erreicht, gute Aufnahme in einem deutschen Dorf. 3 Mädels von dort mitgenommen, damit sie dem Iwan nicht in die Hände fallen. 152 Letzte Lebenszeichen II 8.5.45 Wieder gewandert, immer weiter nach Westen. Der Iwan greift uns mit Schlachtfliegern unaufhörlich an. Das Ende ist da. Alles verbrannt, ein Bild des Jammers, ein Ende, wie es sich Deutschland niemals vorgestellt hat. Wo ist mein Vaterland, das waren und sind meine Gedanken in Deutschlands schwerster Stunde, die wir hier im Wald von Namiehl bei Mahr, Trubau erleben. Dieses Bild lag ebenfalls dem Tagebuch Bernhard Rauhs bei: seine Frau mit Sohn Bernd Briefe aus dem Krieg 153 Wilhelm Friedrich Remy Eingesandt von Hans Remy (Bruder) Wilhelm Friedrich Remy, geboren am 23. März 1920 in Alsbach im Westerwald, wird seit dem 19. August 1941 vermisst. Als Todesort des Schützen ist Alexejewo bei Smolensk (Russland) angegeben. Wilhelm Friedrich Remy als Rekrut 1940 Brief an die Eltern Russland, den 14.8.1941 Liebe Eltern! Will Euch eben noch kurz einige Zeilen schreiben. Wie ich schon vorher schrieb, geht es weiter und ich bin bereits schon wieder in der Bereitstellung zu einem großen und harten Sturmangriff. Wie uns allen bekannt ist, wird es wohl der schwerste Angriff unseres bisherigen Einsatzes werden. Es geht über einen Fluss, auf der anderen Seite ist Wald, und der steckt voller Russen. Ruhepause nach einem langen Marsch durch russische Wälder (Wilhelm Remy links) 154 Letzte Lebenszeichen II Die Russen haben sich hier schwer zur Verteidigung eingebaut. Wir müssen also den breiten Wald durchkämmen. Da könnt Ihr Euch denken, dass das sehr schwer ist. Man kann dabei so richtig aus dem Hinterhalt niedergeschossen werden. Hoffentlich geht alles gut, und dass dieses nicht meine letzten Zeilen sind. Ihr braucht Euch aber deshalb keine unnützen Gedanken zu machen, wenn was geschehen soll, geschieht es doch. Es wird ein Angriff von ganz großem Ausmaß geben. Wir setzen über den Fluss „Düna“. Ich hoffe nun, dass Ihr noch alle gesund und munter seid. Grüßt mir Tante Berta und Onkel Karl, Tante Martha und Fritz. Vor allem Grüße an meine Geschwister Erika, Siegfried, Lothar und Hans-Rudolf. Es grüßt Euch nun herzlichst Euer Wilhelm. Die Bilder, die ich Euch schicke, verwahrt sie mir gut. Ihr werdet nach dem Angriff gleich von mir hören. Wilhelm Remy (links) mit den Geschwistern am Elternhaus, 1932 Briefe aus dem Krieg 155 Dr. Heinrich Rüling Eingesandt von Guntram Voigt (Neffe) Heinrich Rüling wurde am 9. Mai 1913 in Chemnitz geboren. Der studierte Jurist wurde sofort bei Kriegsbeginn eingezogen und in Ostpolen stationiert. Heinrich Rüling nahm am Überfall auf die Sowjetunion teil und erlitt im Oktober 1941 einen Lungendurchschuss. Im Lazarett von Kowno/Kaunas lernte er seine spätere Frau kennen. Am 14. Januar 1943 musste er zurück an die russische Front. Heinrich Rüling fiel am 7. März 1943 bei Mitino, Raum Wjasma südwestlich von Moskau. Brief an Zuhause Im Osten, den 26.2.1943 Liebe Eltern und Gerda! Herzlichen Dank für Vaters Brief vom 9.2. mit den verschiedenen Einlagen. Es kann sein, dass ich in den nächsten Tagen nicht zum Schreiben komme. Es hat nichts auf sich, macht Euch deshalb keine Gedanken darüber. Mir geht es gut, Euch hoffentlich auch. Taschentücher sind bisher noch nicht bis zu mir gekommen, vielleicht wird es noch. Habt Ihr meine Sendung aus Neustettin (eingeschr. Brief, Koffer) alle bekommen? Dass es Großmutter wieder gut geht, freut mich sehr. Von Tutti hab ich gute Nachricht! Mit herzlichsten Grüßen an Euch alle Euer dankbarer Heiner Heinrich Rüling, August 1942 156 Letzte Lebenszeichen II Heinrich Rüling mit seiner Frau kurz nach der Trauung, August 1942 Briefe aus dem Krieg 157 158 Letzte Lebenszeichen II S „Gestern im Wehrmachtsbericht hörte ich, dass das Gautheater zerstört worden ist, wir hätten nicht so lange warten sollen, um hinzugehen. Jetzt ist es aus damit, ist doch schade.“ Peter Schneider an seine geliebte Frau. Gefallen am 8. August 1942 in Russland beim ersten Angriff auf sein Bataillon. Briefe aus dem Krieg 159 Walter Ernst Hans Sandhack Eingesandt von Klaus Sandhack (Sohn) Walter Ernst Hans Sandhack, geboren am 10. August 1913 in Stolp, wurde drei Tage nach seiner letzten Nachricht an seine Frau am 20. Oktober 1942 über dem Kaukasus von russischer Flak abgeschossen. Als Todesort ist ein Kilometer südlich der Mündung der Cholodnaja in die Pschisch angegeben. Brief an seinen Sohn zum zweiten Geburtstag Tg, den 2.8.1942 Meine geliebte Frau! Mein lieber kleiner Klaus! Walter Sandhack, 1942 Wenn Ihr beide heute Deinen 2. Geburtstag feiert, mein Bub, dann ist Dein ferner Papi mit all seinen Gedanken und heißesten Wünschen ganz und gar bei Euch. Mir war es vergönnt, Deinen ersten Geburtstag mit der lieben Mami zusammen in unserem schönen traulichen Heim in Wertheim zu verleben. Mir war es dann weiterhin beschieden, ein Jahr lang Dich zu erleben, Deinen steten Frohsinn und Dein glückliches kindliches Spiel. Du warst und bist unser beider ganzer Sonnenschein, unser höchstes Glück. Ich bin so überaus dankbar, dass ich dieses eine Jahr mit Dir und der Mami zusammen war und bin jetzt so froh, dass die Mami Dich und Du sie hast, wo ich nicht bei Euch sein kann. Ich stehe in diesem Augenblick, da Du Deinen Geburtstag feierst, im Feindesland, bin vielleicht sogar gerade über ihm, um für Dich und Deine Zukunft zu streiten, damit Deutschland endlich frei wird und groß und stark und sich dann seinen Frieden für die kommenden Generationen erhalten kann. Du und die künftigen Geschlechter sollen es einst besser haben als Eure Väter und Eure Jugend genießen können und ein ungestörtes Leben führen. Mein Leben, getragen von den Gebeten Deiner Mutter und meiner Eltern, steht dabei in Gottes Hand. Wenn er will, werde ich einmal wieder ganz zurück zu Euch kommen und weiter wie bisher für Euch sorgen. Wenn er es aber nicht will, dann wird die Mutti meine Stelle mit einnehmen und ganz und gar so sorgen, wie ich es getan hätte. Ich hoffe aber von ganzem Herzen auf eine Rückkehr. 160 Letzte Lebenszeichen II Walter Sandhack mit Ehefrau, 1942 Dich, lieber Bub, bitte ich heute an Deinem Geburtstage, Deiner lieben Mutti und mir ein allzeit lieber und folgsamer, offener und getreuer, tapferer und wahrhaft männlicher Junge und Sohn zu sein. Dazu wolle der Himmel seinen Segen schenken und Dir Deine Fröhlichkeit und Anhänglichkeit bewahren. Deine Mutter hat Dich unter Schmerzen geboren, aber mit einem glücklichen Lächeln Deine Ankunft auf dieser Welt begrüßt und Dich mit ihrer innigsten Liebe für ihr ganzes Leben und darüber hinaus in ihr Herz geschlossen. Ihr ganzes Leben und ihre ganze Kraft gehören Dir. Vergiss das nie im Leben. Der Dank eines ganzen Lebens reicht nicht aus, um das jemals abzustatten. Selbst ich habe ihr für Dein Leben unendlich zu danken und kann es doch auch nur in ganz beschränktem Umfange. Aber ich weiß, dass das Heiligste auf dieser Welt eine Mutter ist. Und das sollst Du auch immer wissen und nie vergessen, mein Junge. Briefe aus dem Krieg 161 Walter Sandhack mit Sohn Klaus, 1942 162 Letzte Lebenszeichen II Du bist jetzt noch klein und verstehst noch nichts von dem, was Dir der Papi da schreibt. Und das ist ganz wunderschön so. Denn noch ist Dein kindliches Gemüt unbetrübt. Es staunt die Dinge dieser Welt an, entdeckt täglich neue und betrachtet sie als Spiel und schönen Zeitvertreib. Dieses sind die köstlichsten Jahre für Dich und auch für Deine Eltern. Und ganz besonders glücklich sind die Eltern zu schätzen, die diese Zeit gemeinsam erleben können und die alles tun können, um ihrem Kind diese Jahre so froh und glücklich wie nur irgend möglich zu machen. Ich weiß, dass das die Mutti in meiner Abwesenheit tun wird und Dein Lächeln und Deine Liebe werden ihr köstlichster Lohn sein. Dir, meine geliebte Frau, möchte ich an dieser Stelle noch einmal sagen, dass ich Dir unendlich für Deine Liebe danke, die mir vor nunmehr zwei Jahren unseren Klaus schenkte. Möge Dich der Himmel gesund erhalten und Dir allzeit die Kraft geben, unserem Jungen eine liebe, fröhliche und sorgende Mutter zu sein! Nur mit Deiner Hilfe wird es ihm möglich sein, so zu werden, wie ich es mir heute wünsche. Mehr denn je werde ich mit meinen Gedanken und Wünschen an Euer beiden Ehrentage bei Euch sein und mit Euch im Stillen dieses Fest begehen. Und dabei will ich nur für mich wünschen, im nächsten Jahre bei der Wiederkehr dieses Tages bei Euch zu sein. Schenke mir der Himmel die Erfüllung dieses Wunsches. Sollte es aber zu unbescheiden sein, dann möchte ich ihn aber in Gesundheit erleben. So empfanget denn beide Ihr, meine liebsten und teuersten Wesen, heute ganz innigste Küsse von mir und seid allerherzlichst gegrüßt von Eurem Papi! Zettelchen an seine Frau 17.10.1942 Wenn es so regnet und so trüb aussieht – sicher wird es gleich wieder anfangen – so legt sich das direkt auf die Stimmung. Es ist doch so. Diese Zeit erinnert einen doch ganz besonders an das große Vergehen. Wenn der Sommer Abschied genommen hat und so langsam das Laub gelb wird und dann welk vom Baume fällt, dann ist es so, als ob ein Stück von uns selbst abfällt und vergeht. So ein Blatt, ein Halm, eine Blume haben uns den Sommer über gegrüßt und unser Auge mit ihren Farben erfreut und beglückt. Es war ein Stück Leben, das uns da grüßte und uns auf allen Wegen begleitete, denn überall sahen wir doch dieses Leben. Und nun vergeht es wieder. Aber eigentlich ist das ja nur das äußere Kleid eines Baumes, eines Rosenstockes oder was es sonst sei. Der Stamm, die Wurzel lebt weiter und schmückt sich in jedem Jahr neu. Der Stamm wird älter, aber sein Kleid erneuert sich in jedem Jahre und vergeht auch in jedem Jahre – bis entweder eines Tages der Stamm zu alt, dass ihn ein Sturmwind entwurzelt, oder bis Menschenhand früher oder später die Axt an ihn legt. So Briefe aus dem Krieg 163 ein Baum sind auch wir Menschen selbst. Wenn der Frühling kommt, blühen wir immer wieder auf, werden stiller und kraftloser, wenn der Winter kommt, um mit dem nächsten Frühling dasselbe Spiel zu wiederholen – bis entweder eines Tages die Kraft zu neuem Leben nicht mehr ausreicht oder eine andere Macht, ein äußerer Umstand schon früher die Axt an den Stamm legt. Das ist nun mal so. Dadurch brauchen wir uns nicht traurig machen lassen. Man kann es nicht ändern. Man kann nur die Zeit gut ausfüllen oder auch nicht. Das Letzte kommt schon von selbst. Und dennoch hängen wir am Leben. Müssen es auch, solange noch Kraft in unseren Herzen und Gliedern ist. Ich liebe dieses Leben auch und lasse mich durch solche Gedanken nicht traurig machen. Ich glaube, wer das kann, steht über dem Leben und hat die Kunst zu leben begriffen. Lass Dich darum durch mein Geschreibsel auch nicht traurig machen. Wenn ich wiederkomme, dann wird um uns glücklichstes strahlendstes Leben sein, auch im tiefsten Winter. Innigst Dein Kerli. Walter Sandhack, 1942 164 Letzte Lebenszeichen II Heinz-Werner Schirrholz Eingesandt von Ursula Staats (Tochter) Heinz-Werner Schirrholz, geboren am 3. Juli 1922 in Bad Gandersheim, war in seinem Zivilleben kaufmännischer Angestellter. Im Januar 1945 wurde der Unteroffizier an die Ostfront nach Schlesien verlegt, er ist seit April 1945 verschollen. Er ließ eine Frau und eine Tochter zurück. Letzter Brief an seine Frau den 6. April 1945 Mein viel zu gutes Schätzchen! Damit Du Dich nicht immer unnütz um mich sorgst, schreibe ich Dir trotz der ungünstigen Gelegenheit diese Zeilen. Es geht uns noch immer saudreckig, und das Leben macht wirklich keine Freude mehr! Man könnte meinen, etwas Schlimmes verbrochen zu haben und deshalb jetzt die Strafe verbüßen zu müssen. Unser neuer Generalfeldmarschall Schörner soll uns ja gerade gestern mit dem nahen Siege wieder große Hoffnung gemacht haben. Niemand wird es uns jedoch verübeln können, anhand der Tatsache, dass die Anglo„Amerikaner“ in Thüringen und die Russen vor Berlin und Wien stehen, dazu etwas skeptisch zu sein. – Bleib mir nun gesund und munter, behalte Deinen Männe lieb und gräme Dich nicht unnütz! Herzl. Grüße an Euch alle und Dir zärtliche Küsschen Dein Heinz-Werner Heinz-Werner Schirrholz, 1944 Mit Ehefrau Luise, 1942 oder 1943 Briefe aus dem Krieg 165 Johann Schlerf Eingesandt von Waltraut Weinländer (Tochter) Johann Schlerf, geboren am 27. September 1912 in Nürnberg, ist seit dem 3. Januar 1943 bei Stalingrad vermisst. Sein Name ist heute vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Rossoschka bei Wolgograd verzeichnet. Brief an Frau und Tochter Russland, den 14.12.1942 Mein liebes gutes Lieschen und liebes Trautel! Hoffentlich hast Du von mir inzwischen schon Nachricht erhalten. Du hast wohl gemerkt, dass die Post sehr langsam geht. Seit dem 23. November habe ich Ehepaar Johann und Elisabeth von Dir nur die schönen Bilder mit unserem Liebling Schlerf, 1939 in Höfen erhalten. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Jeden Tag sehe ich sie mir an. Ich kann mich gar nicht daran sattsehen an dem kleinen Schelm. Sie erinnert mich immer an die Hannelore. Nur den einen Wunsch hätte ich, Dich, liebe Elisabeth, und Trautel noch einmal sehen zu dürfen. Leider musste diese dämliche Offensive der Russen kommen. All unsere schönen Bequemlichkeiten in Perekowka haben wir aufgeben müssen. Hoffentlich haben wir bald Ruhe. Wir alle wünschen nur, dass die Weihnachtspäckchen alle ankommen möchten. All meine schönen Privatsachen haben wir zum größten Teil verloren oder sind dem Russen in die Hände gefallen. Liebe Elisabeth, wenn ich mal nach Hause kommen sollte, werde ich Dir alles selbst erzählen. Nur eines kann ich Dir verraten, dass das, was zur Zeit in unserem Abschnitt von den Landsern geleistet wird, nicht zu beschreiben ist. Ich selbst bin noch bei der Küche, stehe aber gleich hinter der kämpfenden Truppe. Mache Dir bitte nicht so viele Sorgen um mich, denn Du leidest sonst selbst. Mir genügt es schon und bin zufrieden, wenn ich weiß, dass Du gesund bist und unsere gute Trautel gut erziehst. Hoffentlich habt Ihr auch genügend zu essen. Schreibe mir bitte recht bald, damit ich weiß, wie es Dir geht. Ich lege Dir Luftpostmarken bei. Diese werden schneller befördert. Du kannst aber auch gewöhnliche Briefe schreiben. So wünsche ich Dir und Trautel, so Deinen lieben Eltern und Geschwistern alles Gute. Auf Wiedersehen, mein liebes Lieschen, Dein Hans 166 Letzte Lebenszeichen II Kurz vor Weihnachten an Frau und Tochter Russland, den 23.12.1942 Mein liebes gutes Lieschen und Trautel! Möchte Dir und Trautel gerne ein Lebenszeichen von mir geben. Es geht mir soweit noch gut. Bin auch noch gesund und munter. Leider bekomme ich von Dir fast keine Post. Das Gleiche wird auch von mir der Fall sein, denn ich will und kann es Dir, mein gutes Lieschen, nicht mehr länger verschweigen. Du brauchst aber deshalb nicht gleich verzagen, denn wir verlieren den Mut ja auch noch nicht. Seit dem 23. November sind wir vom Donbogen vom Russen vertrieben worden. Wir mussten 6 Tage und Nächte in Richtung Stalingrad über den Don türmen. Nur durch schnelles Handeln unserer Vorgesetzten entgingen wir dem sich immer enger um uns legenden Ring der Russen. Jetzt befinden wir uns zwischen Don und Wolga. Vollständig seit Wochen von allen abgeschnitten. Die Versorgung unserer Armee kann hier nur durch Flugzeuge erledigt werden. Natürlich ist alles sehr knapp. Die größte Freude für uns alle als Weihnachtsgeschenk wäre, wenn wir nur einmal ein ganzes Brot zu essen bekämen. Aber trotzdem werden wir nicht kapitulieren und aushalten, bis wir befreit werden. Liebe Elisabeth, ich schreibe Dir dies alles, damit Du weißt, dass wo und wie ich augenblicklich lebe. Ich kann es Dir nicht verheimlichen und Dich dauernd im Ungewissen lassen. Denn sollte mir etwas zustoßen, so weißt Du wenigstens, wo ich liege. Aber, liebe Elisabeth, weine bitte nicht um mich, denke immer an unsere liebe kleine Trautel, denn Du musst für sie noch lange eine gute Mutti sein. Sollten wir aus dem Kessel herauskommen, dann wird für uns bestimmt wieder gesorgt werden. Vom Armee-General wurde uns sogar die Herausziehung unserer Division versprochen. So warten und hoffen wir Tag für Tag auf unsere Erlösung. Ob wir die Weihnachtspäckchen erhalten, kann ich Dir nicht schreiben. Aber wir verzichten gerne auf alles, wenn wir nur die Heimat und unsere Lieben wiedersehen können. So wünsche ich Dir und Trautel sowie Deinen lieben Eltern und Geschwistern ein gutes neues Jahr. Möge es vielleicht die Entscheidung erzwingen. Lege Dir noch einige Luftpostmarken bei, damit Du laufend schreiben kannst. Grüße auch meine Eltern und Geschwister von mir. Auf Wiedersehen, mein gutes Lieschen und kleine Trautel. Euer Vati! Zweiter Brief vom gleichen Tag Russland, den 23.12.1942 Liebe Elisabeth! Soeben habe ich Deinen lieben Brief vom 18.11. mit großer Freude erhalten. Ich kann Dir nicht sagen, mit welcher Sehnsucht ich darauf gewartet habe, denn ich habe Briefe aus dem Krieg 167 seit Wochen von Dir keine Nachricht erhalten. Dass es Dir in Leipzig gefällt, freut mich wohl auch. Wie froh bin ich, dass Du unsere liebe Trautel hast. Es ist für Dich bestimmt eine Ablenkung. Nur schade, dass ich nicht mit Dir und Trautel das Weihnachtsfest feiern kann. Vielleicht das nächste Jahr. Walter soll ja in Stalingrad sein, wenn das wahr ist, so befindet er sich in der gleichen Lage wie ich. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, ob wir uns dann nicht einmal sehen werden, denn wir sind ja nur 50 Kilometer von Stalingrad entfernt. Sonst geht es mir gut. Ich habe bis jetzt das große Glück, noch bei der Küche zu sein. Man kann aber auch hier seinem Schicksal nicht entgehen. Das Essen lässt viel zu wünschen übrig. Jeden Tag nur 200 Gramm Brot und 50 Gramm Fleisch oder Wurst. Seit Wochen essen wir nur Pferdefleisch. Die Not ist hier nicht zu schildern. Mein liebes Lieschen, verzweifle deshalb nicht, es wird auch mal unsere Befreiungsstunde schlagen. Gib nur den Glauben an unser Wiedersehen nicht auf. So grüße ich Dich im Geiste, Dich und Trautel küssend Dein Hans Auf Wiedersehen, mein liebes Lieschen. Gruß an all Deine Lieben. Weihnachtsbrief an Frau und Tochter Russland, den 25.12.1942 Mein liebes gutes Lieschen und kleine Trautel! Heute am 1. Feiertag sowie schon am Heiligen Abend musste ich besonders viel an Euch denken. Wie könnte es auch anders sein. Ich hoffe doch, dass Du mit Deinen lieben Eltern und Geschwistern einigermaßen gute Feiertage verlebt hast. Und nun will ich Dir kurz mitteilen, wie wir diese Tage verbrachten und dann auch beschenkt wurden. Wie Du bereits erfahren hast, sind wir eingekesselt. Mache Dir aber um Gottes willen nicht zu viele Sorgen, denn wir werden auch wieder herauskommen. Der Führer selbst hat uns jede nur erdenkliche Hilfe von außen her zugesagt. So kam es auch, dass wir die von der Heimat mit so viel Liebe gepackten Pakete vorläufig nicht erhalten werden, das heißt, wenn wir sie überhaupt noch bekommen. Als Geschenk erhielten wir am Heiligen Abend circa 400 Gramm Brot, ein Stückchen Butter, eine kleine Büchse Ölsardinen, eine halbe Tafel Schokolade, Brausepulver und 15 Zigaretten sowie 2 Zigarren. Heute hat es dann zu Mittag Linsen mit Pferdefleisch und einen Pferdeklops gegeben. Trotzdem waren wir froh und zufrieden. Der Russe hat an diesen Tagen bei uns keine Schweinereien gemacht, sodass wir wenigstens davon verschont geblieben sind. Am Heiligen Abend hatte ich in der Nacht noch Wache geschoben. Zur Zeit ist es hier bitterkalt. Die Heimat kann hier für den Infanteristen in seinem Loche nichts mehr opfern. Man muss sich wundern, was der einzelne unter größten Strapazen aushalten muss. Wohl dem, der aus dieser Hölle einmal herauskommt. 168 Letzte Lebenszeichen II Liebe Elisabeth, das war jetzt nur eine ganz kurze Schilderung und Lebenszeichen von mir. Und nun eine gute Nacht, mein Lieschen und liebe Trautel, bleibt gesund, bis ich wiederkomme. Dein Hans Auf Wiedersehen, mein Lieschen und Trautel! Grüße an alle! Brief an Frau und Tochter den 4.1.1943 Mein liebes Lieschen! u. liebe kleine Waltraut! Wieder ist die Sehnsucht so groß nach Euch Lieben. Nur einen kleinen Augenblick sollte es mir vergönnt sein, Dich, liebe Elisabeth, sowie unser herziges Kind einmal wieder in die Arme zu nehmen. Wie geht es Euch gesundheitlich? Ich hoffe doch das Beste. Ich selbst bin nicht ganz auf der Höhe, nur eine kleine Erkältung ist es. Leider müssen wir von unserer schönen Küche weg, denn wir sind anders eingeteilt worden, und da braucht man unsere Küche nicht mehr. Elisabeth Schlerf mit Tochter Waltraut, April 1942 Ich komme wieder ans Geschütz. An unserer Lage hat sich noch nichts geändert. Liebe Elisabeth, sage aber bitte niemanden, was ich Dir so schreibe. Seit November habe ich jetzt von Dir ungefähr drei Briefe erhalten. Wie habt Ihr denn das Weihnachtsfest verbracht? Gerne hätte ich mit Euch einen guten Kaffee und Kuchen gegessen. Was hat denn unser Herzele getan, als sie den Baum sah? Ach, wäre das schön gewesen, wenn ich heuer unseren Weihnachtsbaum hätte wieder selbst putzen dürfen. Es wäre bestimmt schöner gewesen, aber leider. Ich bin ja Gott so dankbar, dass ich wenigstens an Euch noch denken kann. So, sonst gibt es nichts Neues, der Winter ist auszuhalten. Liebe Elisabeth, die gesamte Weihnachtspost wird wahrscheinlich mit dem Vermerk zurückkommen „zur Zeit nicht zustellbar“, brauchst Dir aber deshalb keine Sorgen zu machen.Von Christa habe ich auch einen Brief vom November erhalten. Sage ihr herzlichen Dank, bis ich wieder schreiben kann. Deinen lieben Eltern und Geschwistern wünsche ich alles Gute. Ich freue mich auch, dass unser kleiner Liebling überall freundlich ist. Auf Wiedersehen, mein gutes Lieschen und Trautelkind. Euer Vati! Briefe aus dem Krieg 169 Gerhard Schmoll Eingesandt von Lothar Schmoll (Sohn) Gerhard Gustav Schmoll, geboren am 12. August 1910 in Leipzig, war laut Eintrag im Wehrpass im April 1941 in Belgien. Am 21. April 1941 wurde die Truppe zur russischen Grenze verlegt, wo Gerhard Schmoll bei den Stellungskämpfen an der Front von Sewastopol verletzt wurde. Er starb am 11. Dezember 1941 im Kriegslazarett in Simferopol. Seinen Sohn hat er nur einmal gesehen. Brief an seinen Sohn O. U., den 2.4.1941 Mein lieber Junge! Damit Du die Feiertage recht schön angeben kannst, schicke ich Dir ein Paar Lackschuhe und will hoffen, dass der Krieg nicht mehr zu lange dauert, damit ich auch mal mit Dir spazieren gehen kann. Gerhard Schmoll mit Ehefrau und Sohn, Weihnachten 1940 in Leipzig 170 Letzte Lebenszeichen II Nun will ich hoffen, dass Du recht gut gefolgt hast, damit Dir der Osterhase recht viel schöne Sachen zum Osterfest bringt. Ja, mein lieber Junge, wenn Dein Vati hier draußen so einen kleinen Jungen sieht, da muss er immer an seinen Jungen denken. Nun, mein lieber Junge, hole für die Oma einen schönen Blumenstrauß und gibst ihr auch ein Küsschen und sagst ihr sehr Liebes für Deinen Vati mit. Nun will ich schließen und bleib recht schön brav und sei lieb zu allen, denn es gibt doch nicht Schöneres im Leben, als für jeden etwas Sonnenschein zu bringen. Alles Gute Dein Vati Herzliche Grüße an Mutti und Omi. Grab von Gerhard Schmoll Briefe aus dem Krieg 171 Peter Schneider Eingesandt von Marina Woll (Enkelin) Peter Schneider, geboren am 30. November 1909 in Neunkirchen/Saar, war von Februar bis April 1942 zunächst in Mainz-Kastel stationiert und kam dann ab 5. Juni zum Einsatz in Mittelrussland. Er ist am 8. August 1942 in Gladkoje, neun Kilometer nördlich von Karmanowo in Russland, bei dem ersten Angriff auf sein Bataillon gefallen. Brief an die geliebte Frau Freitag, den 31.07.1942 Liebes Frauchen, will Dir wieder ein paar liebe Zeilen schreiben. Diese Nacht hatte ich Gefangenenwache, das muss jetzt sein, ist ja bei uns nicht nötig. Die gehen sowieso nicht durch. Gestern waren wir nicht auf die Baustelle, wir hatten mal wieder Gewehrreinigen, Appell, Gasmaskenunterricht und zum Schluss noch ein bisschen anderer Zauber wie in der Kaserne Wanderungen und dergleichen. Vor allem aber willst Du ja wissen, wie es mir geht. Kann mich gesundheitlich nicht beklagen. Werde mich nachher noch ein bisschen umlegen. Nach der Gefangenenwache hat man den anderen Morgen frei. Hab ja eben vergessen zu schreiben, dass es gestern den ganzen Tag geregnet hat, auch die zwei Nächte. Heut Morgen sieht es noch nicht besser aus. Hoffentlich habt Ihr zu Hause schöneres Wetter. Hier vergehen wenige Tage, ohne dass es regnet. Gestern sollten wir Post bekommen, durch den Regen können wir vielleicht warten bis Dienstag. Ist auch nicht schlimm, obwohl man sich immer freut, Post zu bekommen. In Zukunft sollen wir ja zwei Mal in der Woche Post erhalten. Das wäre schön, wenn es durchgeführt wird. Dann bekäme man eher Deine lieben Briefe zu lesen und man hätte doch auch öfter die Freude. Gestern im Wehrmachtsbericht hörte ich, dass das Gautheater zerstört worden ist, wir hätten nicht so lange warten sollen, um hinzugehen. Jetzt ist es aus damit, ist doch schade. Aber wir werden uns schon auf eine andere Art freuen, wenn wir nur mal wieder zusammenkommen und das werden wir, wann ist natürlich unbestimmt. In diesem Jahr wohl nicht mehr. Liebe Änni, hier in der Nähe ist auch ein Kino. Hab soeben mal wieder den Brief in der Hand, wo Du schreibst, dass viel Wasser bei Dir geflossen ist. Vielleicht bekomme ich auch mal Gelegenheit, hier ins Kino zu gehen. Es ist ungefähr Dreiviertelstunden von hier entfernt. Weiß aber nicht, ob Sonntag auch was ist, in der Woche hat man keine Zeit. Oder aber ich bekomme mal wieder Wache. Wenn man die andere Wache hat, dann 172 Letzte Lebenszeichen II hat man den Tag darauf frei. Lieber Schatz, aber Du weißt, wenn man keine Gesellschaft hat, dann geht man auch nicht und ich weiß nicht, ob sich noch einer dafür interessiert. Liebe Mama, den Schoppen könnte ich noch leichter missen, aber Du hast Recht, dass mein Traum oder besser gesagt, meine Träume immer zu früh enden. Sie könnten ja auch mal reichen bis ins Bett. Aber lieber ist es mir schon, wenn es mal nicht mehr Traum, sondern Wirklichkeit ist, dass ich mal wieder bei Dir im Bett liege, was auch mal wieder kommt. Mit dem Denken an Euch, vor allem an Dich, hast du Recht. Denke dauernd an Euch, was soll man anders tun. Vorletzte Nacht konnte ich so schlecht einschlafen, da dachte ich auch, wenn jetzt Änni bei dir wäre, dann hättest du ein Schlafmittel. Du wirst mir deswegen doch nicht bös sein. Werde Dir eine Luftfeldpostmarke beilegen, wenn Du mal was Wichtiges hast, kannst Du sie ja verwenden. Wir haben sie gestern bekommen. In der Hoffnung, dass man bald an ein Ende sieht, grüßt und küsst recht herzlich die Kinder, vor allem Dir, lieber Schatz, die herzlichsten Grüße und süßesten Küsse von Deinem Dich immer und innig liebenden und stets an Dich denkenden Peter Werde jetzt schlafen und wäre froh, mal wieder von Dir zu träumen. Gruß an alle Brief an die Frau Donnerstag, den 02.08.1942 Liebes Frauchen, will Dir wieder ein paar liebe Worte schreiben, bin noch gesund und hoffe, dass es bei Euch auch noch der Fall ist. Was ich Dir noch schreiben will; hab heut wieder 100 Mark eingezahlt. Es wäre besser, Du schickst mir die Nummer oder das Postsparbuch, dann kann ich es gleich selbst einzahlen. Aber nur die Nummer langt auch schon. Ich zahl jedes Mal 40 Pfennig. Wenn ich die Nummer hab, weiß ich nicht, wie es ist. Jedenfalls kannst Du mir schicken, was du willst. Die Nummer oder das Postsparbuch. Also, jetzt weißt Du wenigstens Bescheid. Hab auch noch andere Sachen Dir zu erzählen. Wenn es gut geht, dann bekommen wir noch heute Post. Kannst Dir denken, dass jeder froh ist, wenn er was bekommt. Gestern gab es wieder Schokolade und auch Marketenderwaren. Es gab dabei Zigaretten, Zahnpasta, Rasierklingen und sonstige Kleinigkeiten. Auch bekamen wir zu vieren eine Flasche Wein, die wir heut Mittag getrunken haben. Über das Essen heut kann man sich auch nicht beschweren. Es gab mal wieder Nudeln mit Gulasch und Pudding. Es war Vanillepudding mit Schokoladensoße. Es hat großartig geschmeckt. Man müsste immer so ein Essen haben, dann könnte man es einigermaßen ertragen. Es ist eben Briefe aus dem Krieg 173 immer dasselbe Gespräch, wenn man nur zu Haus wäre. Hoffentlich kommt das auch mal wieder. Wenn es nur nicht so lange dauern würde, aber man sieht noch nicht weit, es sind eben große Weiten zu überwinden. Aber das eine steht fest, wenn ich mal komme, dann soll es schön werden. Wenn wir dann warten müssen, bis es wieder alles vorhanden ist, aber das geht dann auch noch vorbei. Lieber Schatz, würde auch mal wieder gern ein wenig Radio hören, aber leider. Aber wie Du hier in dem Brief schreibst, es geht alles vorüber, so wird auch meine Komisszeit einmal vorübergehen. Von wegen dem Treubleiben brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Hab gar kein Interesse sonstwo hinzugehen. Wenn ich mal wieder zu Dir komme, hab ich ja, was ich brauch, und sonst brauch ich’s nicht. Liebe Änni, hier schreibst Du auch von dem Feuerzeug. Bin froh, dass ich es hab. Ich glaub, und wenn Du eins bekommen hättest, es wäre doch nicht so gut wie das, welches Du mir geschickt hast. Lena macht sich bestimmt schön für seinen Peter. Hat auch ganz Recht. Es kann einem, glaube ich, nichts mehr freuen, als dass die Frau sich schön macht, wenn einer nach so langer Zeit wiederkommt. Na, hoffen wir, dass es bei uns nicht so lange dauert, aber sagen kann man nichts. Wer weiß, wie alles kommt. Lieber Schatz, es tut mir leid, dass Hennes nicht mehr Glück hatte. Er muss sich doch bestimmt auch gegrämt haben darüber. Jedenfalls sind wir froh mit unseren Kleinen, aber Pitt seine Gedanken konnte ich nicht haben. Jedenfalls langen die drei uns, aber so was Ähnliches kann man ja auch denken. Hab schon oft daran gedacht, wie ich Dir ja auch schon geschrieben hab, aber was hat man von der Denkerei. Wahrheit muss es werden, dass man mal wieder zusammen ins Bett geht. In der Hoffnung, dass es vielleicht doch schneller geht, als man denkt, grüßt und küsst recht herzlich die Kinder, vor allem Dir, liebe Mama, die herzlichsten Grüße und süßesten Küsse von Deinem Dich immer und innig liebenden Peter Denke stets an Euch. Gruß an alle 174 Letzte Lebenszeichen II Karl Schön Eingesandt von Dr. Dieter Schön (Sohn) Hauptmann Karl Schön, geboren am 10. Oktober 1902, fiel am 8. April 1944 (Ostersonnabend) bei einem russischen Frontdurchbruch bei Blysczanka (Bukowina). Feldpostbrief an die Familie den 6.4.1944 Liebste Frau, liebe Kinder! Morgen soll die erste Möglichkeit bestehen Post abzugeben. Da sollt Ihr doch den ersten Gruß seit langer Zeit haben. Ich bin sehr gespannt, wie es Euch geht. Die letzte Post war vom 25. Februar, die ich erhielt. Wir haben uns seit dem 7.3. ehrlich herum- und durchgeschlagen. Vor uns der Russe, hinter uns der Russe und im Norden und Süden der Russe. Seit dem 25.3. führe ich wieder das Batl.. Wir sind nur noch zwei Offiziere. Am 29.3. haben wir dem Russen einen ordentlichen Schlag versetzt. Dabei habe ich nun zum 4. Male eins abbekommen. Ein Splitter im linken Ohr, so dass ich links z. Zt. nicht hören kann. Ich bin aber weiter bei der Truppe geblieben. Die schlimmsten Tage sind hoffentlich vorbei. Ostern hoffen wir endgültig aus der Pleite heraus zu sein. Nun wünsche ich Euch, meine Lieben, ein gesegnetes Osterfest. Gleichzeitig gratuliere ich Dieter schon zum Geburtstage, da ich nicht weiß, wann wieder Post abgeht. Viele liebe Grüße sendet Euch Euer Vati. Briefe aus dem Krieg 175 Wilhelm und Georg Schröer Eingesandt von Josef H. Schröer (Neffe) Wilhelm Franz Josef Johannes Schröer, geboren am 7. August 1915 in Bocholt, Dienstgrad Sanitäts-Unteroffizier, ist am 5. Juli 1943 bei Majewka (ehemals Ostpreußen) gefallen. Er ist vermutlich als unbekannter Soldat auf die Kriegsgräberstätte in Kursk-Besedino (Russland) überführt worden. Brief von Wilhelm Schröer an die Familie Sonntag, den 4.7.1943 Ihr Lieben! Gerade habe ich mich mit dem Konfrater unserer Division getroffen und wir haben gegenseitig gebeichtet. Das mag Euch zum Trost sein, wenn mir in den nächsten Tagen etwas Ernstliches passieren sollte. Was diese Zeilen bedeuten, werdet Ihr schon wissen, wenn Ihr diesen Brief bekommt. Macht Euch keine Sorgen. Mein Schicksal liegt in Gottes Hand. So wie Er es fügt, ist es in Ordnung. So schrieb ich es schon vorgestern, als ich noch nichts ahnte von den kommenden Ereignissen. Den größten Gefallen tut Ihr mir, wenn auch Ihr zu allem „Ja, Vater!“ sagt. Es ist ein stolzes Gefühl, mit dazu beitragen zu dürfen, den Feind des Christentums zu vernichten. Im Vertrauen auf den Herrgott und die liebe Gottesmutter, die mich weiterhin beschützen werden wie bisher, grüße ich Euch und alle Bekannten und Verwandten. Auf ein frohes Wiedersehen Euer Wilhelm Nachricht des Kompanieführers an die Eltern 1943 Lieber Herr Schröer! Ich habe die schwere Pflicht, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Sohn Wilhelm am 5. Juli, 6.45 Uhr, bei einem eigenen Angriff durch Kopfschuss gefallen ist. Zu dem schweren Verlust, der Sie getroffen hat, möchte ich Ihnen und allen Angehörigen meine herzliche Anteilnahme übermitteln. Die Kompanie wird Ihrem Sohn stets ein ehrendes Andenken bewahren. Uns allen ein lieber und guter Kamerad hat er sein Leben in höchster Pflichterfüllung bei der Fürsorge für verwundete Kompa- 176 Letzte Lebenszeichen II nieangehörige vollendet. Seine Tapferkeit wird uns allen Vorbild bleiben. Suchen Sie einen Trost in der Gewissheit, dass er für eine große und heilige Sache fiel im Kampfe gegen den Bolschewismus für Führer, Volk und Vaterland. Seine letzte Ruhestätte fand Ihr Sohn auf dem Heldenfriedhof in Schernowez, etwa 50 km südlich Orel [eine veraltete Schreibweise der russischen Stadt Orjol], wo er am 8. Juli beigesetzt wurde. Die Nachlasssachen werden Ihnen umgehend übersandt. In aufrichtigem Mitgefühl bleibe ich mit Heil Hitler Ihr gez. Unterschrift Oblt. u. KP.F. Georg Schröer, der ältere der beiden Brüder, wurde am 8. Juli 1912 in Bocholt geboren. Der Obergefreite starb vermutlich am 21. Juli 1944 an seinen Verwundungen im Feldlazarett von Modohn (heute Madona) in Lettland. Am 30. Juli 1944 wurde er vermisst gemeldet. Der letzte Brief von Georg Schröer an seine Ehefrau Lettland, den 16.7.1944 Meiner lieben Frau und Kind. Ganz kurz teile ich Euch mit, dass ich nur durch ein Wunder den Höllen von Opotschka/Wilna entronnen bin und jetzt an einer schweren Krankheit in Lettland im Lazarett liege. Seit dem letzten Brief, den ich Dir schrieb, habe ich weder was zu essen noch zu trinken bekommen. Nächste Tage mehr, ich fühle mich so schlecht, es geht mir aber gut. Bitte, bitte, bitte grüße Deine und meine Angehörigen von mir herzlich. Dein Georg V. l. n. r.: die Brüder Felix, Georg und Franz Schröer Briefe aus dem Krieg 177 Walter Simon Eingesandt von Karl Müller (Soldatenfriedhof- und Gedenkstätten-Stiftung Dürr-Arnsdorf/Schlesien) Walter Simon, geboren am 21. März 1901 in Egeln, ist vermutlich am 16. April 1945 im Kreis Neiße gefallen. Der Gefreite ruht auf dem Soldatenfriedhof Dürr-Arnsdorf (Jarnoltow) in Polen. Brief an die Ehefrau Hain, den 17.2.1945 Liebes Martchen! Heute Deinen Brief, den Du an die Kompanie gesandt hast, dankend erhalten. Es ist das erste Lebenszeichen von Dir seit dem 6.1.1945. Von da ab habe ich keine Post mehr von Dir, außer von Erika, welche mir am 3.1.1945 nochmal schrieb, erhalten. Auch Gerdi hat seit dem 6.1.1945 nichts mehr von sich hören lassen. Ich habe nun dauernd geschrieben an Dich, an Erika und an Gerdi. Bekam aber niemals Antwort, so dass ich mich genötigt sah, an die Stadt Magdeburg zu schreiben. Aber auch von dort warte ich heute noch auf Antwort. Ich nehme nun an, dass die Post verlorengegangen ist, denn ich habe keine Post zurückbekommen, wie Du Dein Telegramm. Nun zur Sache: Also ist es doch eingetroffen, was ich im Geheimen immer befürchtet hatte. Na, Gott sei Dank, dass Ihr am Leben seid, ist auch niemand verletzt? Schreib mir doch mal ausführlich darüber. Ich würde ja gern selbst kommen, aber es gibt einfach keinen Urlaub. Wie war der Angriff? Ich hörte durch Radio immer „Magdeburg – Dessau“. Na, da konnte ich mir schon meinen Vers machen. Wie seid Ihr dort untergebracht, gefällt es Euch dort? Ich glaube, wie es hier bei uns jetzt zugeht, kann sich wohl keiner ein Bild machen. Ich sage Dir einfach: entsetzlich. In dieser bitteren Kälte ziehen die Menschen mit ihrem bisschen in Hast und Eile zusammengepackten Hab und Gut von Ort zu Ort. Die Russen sind überall hinterher. Vielleicht wird es gar nicht lange dauern, und wir müssen auch hier wieder aufbrechen. Die Landstraßen sind überfüllt von wandernden Zivilisten, Militär, Kriegsgefangenen, lange Wagenkolonnen Autos und noch mehr. Ein heilloses Durcheinander, überhaupt keine Ordnung mehr. Überall werden Schützengräben und Löcher ausgeworfen, Barrikaden über die Straßen gebaut, große Panzersperren gemacht u.s.w. Überall ertönt das Donnern der Geschütze, die Geschosse brausen über uns hin. Dazwischen russische Flieger, die alles in Grund und 178 Letzte Lebenszeichen II Boden versenken. Überall weinende Mütter und Kinder. Die Mütter haben ihre Kinder verloren und die Kinder ihre Mütter. Unbeschreiblich, die paar Züge, die noch fahren, sind dermaßen überfüllt, die Leute wollen mit, egal wie. Auf den Puffern, auf den Trittbrettern, selbst auf der Lokomotive und auf dem Tender. Soll das etwa der ersehnte Sieg und Friede sein? Familien zerrissen, die Heimat vernichtet, aus der Heimat vertrieben, Väter und Söhne gefallen u.s.w. Wie das enden wird – ich weiß es auch nicht, das weiß wohl keiner, außer denen, die am Ruder sitzen. Ich hoffe jedoch, dass wir uns alle wiedersehen, wie, das ist ja letzten Endes ganz egal! Sieh nur zu, dass Du die Kinder immer bei Dir hast. Hole auch Gerd um jeden Preis. Wie ist es mit der Abfindung, hast Du [sie] schon bekommen oder nicht? Rechne alles zusammen. Es sind in allem Wohnungseinrichtung, Kleider, Mäntel, Anzüge, Stiefel, Schuhe, sämtl. Wäsche und sonstige Vorräte ca. 3000,- RM. Ich würde alles selbst erledigen, aber man lässt keinen Soldaten hier fort, hier heißt es Kampf bis zum letzten [Mann]. Und wer einmal fort ist von hier, der kommt bestimmt nicht wieder. Und das wissen die Herren genau, darum darf keiner weg, auch in den dringendsten Fällen nicht. Nur, Karlchen – soweit es möglich ist – schreibt nach hier, wenn ich Euch nicht mehr antworten kann, so liegt es nicht an mir. Also, trotz allem Kopf hoch und denke an die Kinder! Nun sei recht herzlich gegrüßt und geküsst auch die Kinder! Walter! Hoffentlich kommt dieser Brief mal durch!! Briefe aus dem Krieg 179 Georg Spieler Eingesandt von Inge Braun (Cousine) Georg Spieler, geboren am 8. November 1928 in Groß Wartenberg (damals in Schlesien), war mit nur 16 Jahren beim Volkssturm. Am 18. April 1945 kam er mit Granatsplittern in Rücken, Lunge, rechtem Unterschenkel und Oberarm ins Breslauer Festungslazarett (Brüderkloster) und verstarb dort an den Folgen seiner Verletzungen am 26. April 1945 gegen zehn Uhr abends. Erst im Juni 1947 erreichte seine Eltern die Todesnachricht Georg Spieler ruht auf der Kriegsgräberstätte in Nadolice Wielkie, Polen. Brief an die Eltern Georg Spieler Breslau, den 15.1.1945 Liebe Eltern! Euren lieben Brief habe ich mit vielem herzlichen Dank erhalten. Liebe Mama, es wird jetzt kaum noch möglich sein, dass Christa [Freundin] mich noch einmal besuchen kommt, denn sie wird nämlich in Kürze an der Banndienststelle angestellt. In Kürze werde [ich] ja für eine Zeit nach Wiesegrade kommandiert, um dort Feldscher[Sanitäter]lehrgänge zu führen, dann kommt meine Entlassung und meine Einberufung zum R.A.D. [Reichsarbeitsdienst]. Also komm ich nun, bis ich 29 Jahre alt bin, nur auf Besuch. Es hört sich vielleicht etwas hart an, aber das kommende Leben wird daher umso leichter für mich sein. Gelobt sei was hart macht; wir sind, d. h., ich bin ein Spielersohn, von den Spielers hat sich bisher jeder so gut und schlecht durchgeschlagen, auch wenn es manchmal nicht leichtgefallen ist. Ich bin mir voll bewusst, das Leben ist ein Kampf, ich habe auch schon davon ein wenig gemerkt, aber dies war vielleicht immer noch ein Kinderspiel gegen das, was ich noch vor mir habe. Bisher hat Gott nur den Starken im Kampf beigestanden, dagegen ist er unerbittlich gegen die Menschen, die unter den Schicksalsschlägen zusammenbrechen. Da heißt es Zähne zusammen und hoch den Kopf, dann ist es bestimmt nicht umsonst. Vor allem eins: Ich werde immer treu und wahr sein, das verspreche ich Euch, worauf Ihr Euch in jeglicher Beziehung auf mich verlassen könnt. Ich habe es gelernt, wie hässlich es ist, wenn ein Mensch unehrlich ist. Solche Kerle werden jetzt 180 Letzte Lebenszeichen II Georg Spieler mit seiner Mutter Anna Briefe aus dem Krieg 181 aus unserer Gemeinschaft unerbittlich herausgestoßen, was auf jeden Fall seine brutale Richtigkeit hat. Auf Euren Jungen könnt Ihr Euch immer verlassen. Ich bin stolz, in unserer Kaserne einer Verantwortung Träger zu sein, die mancher meiner Kameraden nicht imstande wäre. Dies verdanke ich nur, weil ich an Gott glaube und hoffe. In diesem Sinne will ich schließen. Die herzlichsten Grüße und Küsse und alles Gute Euer Sohn Georg Brief an die Mutter Breslau, den 25.1.1945 Liebe Mama! Eure liebe Karte habe ich dankend erhalten. Ich bin überglücklich, dass Ihr in Sicherheit seid. Der Kampf um unsere Heimaterde nimmt immer größere Formen an. Wir werden alles daran setzen, um den Bolschewisten aus dem Lande zu werfen. Du brauchst keine Angst haben, mir passiert nichts. Hannchen [Schwester], bleibe hübsch artig. Es grüßt und küsst Euch alle Euer Georg Gott mit uns! Auch herzliche Grüße an Tante Martha und Kinder Erwin Kutza, Georg Spieler und Hubert Wolf (von links) als Ministranten in Gr. Wartenberg 182 Letzte Lebenszeichen II Brief an Mutter und Schwester Breslau, den 4.2.1945 Liebe Mama und Hannchen! Endlich komme ich dazu, Euch ein paar Zeilen zu senden. Mit geht es gut und ich hoffe von Euch dasselbe. Die Zeit hat es mir nicht eher erlaubt, an Euch ein Lebenszeichen abzugeben. Hoffentlich habt Ihr die letzten beiden Karten erhalten? Seid Ihr alle gesund und munter! Hoffentlich braucht Ihr keine zweite Evakuierung mehr mitmachen. Es wird schon alles wieder glattgehen. Angst braucht Ihr keine zu haben. Wir werden schon wieder den Russen im richtigen Augenblick hinauswerfen. Um mich persönlich braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen, mir passiert schon nichts. Habt Ihr schon etwas von Papa gehört, er hat die Kämpfe um Kempen doch bestimmt mitgemacht, vielleicht haben wir das Glück, uns einmal zu treffen. Ich meine, es ist doch alles schon da gewesen. Liebes Hannchen: Hierdurch möchte ich Dir die herzlichsten Grüße zu Deinem Geburtstage übermitteln. Ich wünsche Dir alles Gute und sei der Mama immer ein Sonnenschein und blei- Hubert Wolf, Georg Spieler und Erwin Kutza (von links) in Gr. Wartenberg/Schlesien Briefe aus dem Krieg 183 be hübsch artig, sieh’ an, Du bist schon ein großes Mädel, schon 8 Jahre, das ist immerhin schon ein hohes Alter, aber eins vergesse nie, den lieben Gott und das Beten. Liebe Mama! Mache Dir um Gotteswillen keine Sorgen um mich, es ist in Wirklich[keit] alles halb so gefährlich. Die Hauptsache ist, dass Ihr in Sicherheit seid, wenn mir ein Bolschewist in die Hände fällt, aus dem mache ich ein Garaus. Rache für Gr. Wartenberg und Oels. Liebe Tante Martha und Kinder! Wie geht es Euch noch so, wie habt Ihr Euch in Eure Heimat eingelebt. Auf jeden Fall könnt Ihr bald wieder in die Heimat zurück. Also, lebt mir alle wohl. Christa [eine Freundin] befindet sich in Berlin. Für heut will ich schließen. Es grüßt und küsst Euch Euer Georg Die Eltern von Georg Spieler und seine Schwester Johanna 184 Letzte Lebenszeichen II Josef Stadler Eingesandt von Dr. Stefan Pfeiffer (Neffe) Josef Stadler wurde am 13. Oktober 1921 in Bärnbach/ Bayern geboren. Seine Eltern waren vermögende Baugeschäftsbesitzer: Sie bauten Bahnhöfe und Kirchen im Bayerischen Wald und in Tschechien. Beim Einsatz in Finnland wurde Josef Stadler am 31. Dezember 1943 verwundet. Der Unteroffizier verstarb am 15. April 1944. Er ruht auf der Kriegsgräberstätte in Rovaniemi-Norvajaervi (Finnland). Brief eines Kriegskameraden an die Familie K., den 30.04.1944 Geehrte Familie Stadler! Es tut mir von Herzen leid, wenn ich erneut Ihr tiefes Leid wachrufe. Ich kann nachfühlen, wie furchtbar Sie dieser Schlag traf. Darüber zu weinen und sich damit der innersten Qual etwas zu entledigen, ist natürlich. Bei solchem Verlust trösten zu wollen, hat etwas bewusst Rohes. Der Schmerz, den Sie, geehrte Familie Stadler, empfinden, ist zu heilig, als dass man gegen ihn angehen dürfte. Sie haben dem Vaterland, wie so viele Eltern, Ihr Bestes gegeben. Mögen Ihnen die folgenden Zeilen nicht nur dumpfe Trauer und Schmerz bringen, möge Ihnen die Schilderung der letzten Stunden Ihres lieben Sepp, sein reines und edles Wesen, welches sich gerade da noch einmal zu vollster Blüte entfaltete, erneut vor Augen führen und Ihnen seine beglückende Erkenntnis schenken, die Sie seelisch wappnen wird, einer Verzweiflung anheim zu fallen. Sepp starb, wie eben nur ein Soldat seines Charakters und Willensstärke sterben kann. Er wusste genau, dass mit seinem Tode unsägliches Leid über seine geliebten Eltern kam. Es war aber Josef Stadler, vermutlich zuhause in Murnau, 1940 Kreidezeichnung: Josef Stadler, von seinen Kameraden Sepp genannt, (eingeschlafen) auf der Wache in Murnau, 1940 Briefe aus dem Krieg 185 Bärnbach 1925. V. l. n. r.: kleiner Knecht, große Dirn, Robert Stadler, Maria Stadler mit Tochter Marianne auf dem Arm, Josef Stadler, Maria Stadler (geb. Meindl) mit Ehemann Max Stadler, eine Magd auch sein letzter und vielleicht sehnlichster Wunsch, dass damit nicht alles Familienglück und jegliche Freude von Ihnen genommen sein möchte. Ich konnte dies des Öfteren seinen Äußerungen entnehmen. Etwa 24 Stunden nach Abgang meines Briefes an Sie, geehrte Familie Stadler, trat in dem Befinden Ihres lieben Sepp eine wahrlich rapide Verschlechterung ein, der ein zusehender Verfall auf dem Fuße folgte. Obwohl von Seiten des Herrn Professors erneut alles Erdenkliche unternommen wurde, so konnte doch das Kommende nicht mehr aufgehalten werden. Meine Fragen, ob er Schmerzen habe, beantwortete Sepp immer mit einem „nein“. Die letzten Worte, die 186 Letzte Lebenszeichen II er mit mir sprach, waren im Wesentlichen folgende: „Ich habe meine Eltern über alle Maßen lieb gehabt. Mein ganzes Streben richtete sich darauf, ihnen immer der Sohn zu sein und zu werden, der ihren Hoffnungen und Erwartungen entspricht. Meine Pläne kann ich nicht verwirklichen, das gesteckte Ziel werde ich nicht erreichen, das Schicksal hat es mir anders bestimmt! Ich hadere nicht mit ihm, ich beuge mich der göttlichen Vorsehung. Euch, meinen geliebten Eltern, danke ich nochmal, zum letzten Mal, von ganzem Herzen für Eure unsägliche Mühe, für all die sorgende, aufopfernde und grenzenlose Liebe, sowie für das immer entgegengebrachte Verständnis. Mit allen Gedanken bin ich jetzt bei Euch und nehme Abschied.“ Wenige Minuten später war der Kräftezerfall bereits so weit fortgeschritten, dass Sepp in einen vollkommen ruhigen Schlaf fiel und 4 Stunden später gegen 00.20 Uhr, ohne noch einmal aufgewacht zu sein, verstarb. Kein schwerer Todeskampf, keine Schmerzen gingen seinen letzten Stunden voraus. Für uns und auch die ihn pflegenden Schwestern gab es keine schönere Pflicht denn die, bis zuletzt bei ihm zu sein. Wir haben einen Kameraden verloren, den wir in der kurzen Zeit aufrichtig lieb gewannen. Wir sehen das von Ihnen, dem Vaterland gebrachte, wirkliche Opfer in seiner vollen Größe. Wie gerne möchten wir Ihr großes Leid mildern und können es doch nicht. Wir können Ihnen nur immer sagen, wie tief Josef Stadler auf der Zugfahrt zum Reichsparteitag 1936 Briefe aus dem Krieg 187 Josef Stadler, vermutlich zuhause in Murnau, 1940 188 Letzte Lebenszeichen II und aufrichtig wir Ihren großen Schmerz mitempfinden, wie er in uns mitklingt. Ich kann Ihnen, liebe Familie Stadler noch sagen, dass Ihr lieber Sepp von den betreuenden Schwestern und Lotten liebevoll gepflegt wurde und ihm jeder Wunsch von den Augen abgelesen worden ist. Aufnahmen von seiner letzten Ruhestätte auf dem hiesigen Heldenfriedhof werden Ihnen in nächster Zeit von verschiedenen Seiten zugehen. Sollten Sie noch Fragen haben und ich in der Zwischenzeit verlegt sein, bitte ich Sie, dieselben an meine Heimatanschrift zu richten: Neustadt an der Aisch, bei Nürnberg, Bismarckstr. 7. Mein persönlicher Wunsch ist es noch, dass Ihnen die tröstende Hand des allmächtigen Gottes in den schwersten Stunden besonders nahe sein möge. Ihr Gerhard Erny Josef Stadler, Finnland 1941 Briefe aus dem Krieg 189 Ernst Steinberg Eingesandt von Dietmar Steinberg (Sohn) Ernst Steinberg wurde am 11. September 1910 in Brune geboren. Der Stabsfeldwebel fiel am 16. Oktober 1944 in Ungarn. Der letzte Brief an seine Frau stammt vom Tag seines Todes. Brief an die geliebte Ehefrau 8.10.44 Meine liebe Mutti, nun habe ich wieder eine halbe Stunde Zeit, um bei Dir sein zu können. Leider nur in Gedanken. Ach, Trudchen, ich denke viel an Dich und male mir den nächsten Urlaub so schön aus. Da will ich Dich aber ganz lieb haben. Ich will Dir dann alles vergelErnst Steinberg ten, was Du durch Deine Treue um mich verdient hast. Wenn doch nur die Zeit erst da wäre. Wir sind nun doch hier in Ungarn eingesetzt. Bis jetzt glaubte ich noch immer, wir kämen nach dem Westen. Mir geht es noch gut. Hoffentlich komme ich auch gut durch den Winter. Wie geht es Dir, meine liebe kleine Mutti, und den Kindern bei der vielen Arbeit? Was machst Du eigentlich? Schreibe mir doch bitte darüber. Aber, Mutti, das versprichst Du mir, dass Du Dich nicht überarbeitest. Wenn es Dir zu viel wird, machst Du Pause. Ich möchte Dich doch noch viele Jahre recht gesund haben. Ich habe Dich ja so lieb, Trudchen, wenn ich jetzt bei Dir sein könnte. Du mit den Kindern, Ihr seid der Inbegriff all dessen, was mein Hab und Gut ausmacht. Wenn ich Euch nicht hätte, würde ich den Sinn der letzten 6 Jahre nicht verstehen. Du bist ein Stück von mir, das mir so fehlen würde, wenn Du nicht mehr für mich da sein würdest, dass ich nicht mehr leben wollte. Trudchen, wenn ich gesund zurückkomme, soll jeder Tag ein Festtag sein, wir können wohl materielle Sorgen haben, aber unsere Liebe kann uns keiner nehmen. Ja, die Motoren brummen wieder. Behüte Euch Gott. Viele liebe Grüße und Küsse von Eurem Vati. 190 Letzte Lebenszeichen II Brief an die Ehefrau 14.10.44 Meine liebe Mutti, Ich muss Dir schreiben, trotzdem ich weiß, dass der Brief Dich kaum erreichen kann. Ich kann ihn nicht fortschicken. Wir sind eingeschlossen im südöstlichen Teil Ungarns. Trotzdem will ich mit Dir und den Kindern wenigstens in Gedanken beisammen sein. Es ging alles so schnell und wir haben sehr viele Verluste an Menschen und vor allem aber an schweren Waffen. Der Russe ist an Zahl und Material weit überlegen. Mir geht es noch gut und ich glaube an das Wunder, hier gesund herauszukommen. Fast ununterbrochen liegt schwerstes Feuer auf unseren Stellungen. Wir wehren uns natürlich mit allen Waffen. Hoffentlich kommt Nachschub an Sprit, Munition und Verpflegung. Wie, ist mir allerdings ein Rätsel. Wie geht es Euch? Hoffentlich seid Ihr gesund und Du machst Dir nicht allzu große Sorgen um mich. Du weißt ja, ich bin ein Sonntagsjunge. Soeben musste ich türmen. Ich hörte Abschüsse vom Granatwerfer und ging in Deckung. 1 m vom Panzer schlug die Granate ein, durchlöcherte unsere letzten beiden Wasserkanister, warf einen Schubkarren auf den Panzer und tötete mehrere Hühner. Augenblick, Mutti, ich bin hier sicher verraten durch Zivilisten. Der Hund schießt zu genau. Ich mache Stellungswechsel – nun schon wieder! – Die Ungarn sind Schweine und ich glaube, die verlassen uns bald. Es gibt keine Ruhe. Für heute Schluss. Viele liebe Grüße und Küsse Euch allen von Eurem Vati Brief an die Ehefrau N., 15.10.44 Meine liebe Mutti. Gestern Abend haben wir mit dem kleinen Haufen versucht, Anschluss an eine andere größere Kampfgruppe der PzDiv. Feldherrnhalle zu finden. Es ist geglückt. Nun ist die Hoffnung wieder gestiegen. Es ist 2 Uhr in der Nacht. Augenblick, bitte! Ich höre den Chef im Funk. Keine Zeit mehr ----- . So, liebe Frau, es ist nun 16 Uhr geworden. Wir haben mit unseren Drillingen und Panzern sowie Grenadieren wieder einen Ring aufgebrochen sowie den Versorgungsweg zum Div.nachschub geöffnet. Endlich können wir unsere Verwundeten zum Kriegslazarett schaffen. Aber wie kommen sie weiter? Ach, Mutti, die letzten Stunden waren toll. Aber wir haben den R. eine Ortschaft entrissen, die an einer wichtigen Straße liegt. Gegessen habe ich schon lange nichts. Soeben bringt mir einer meiner Kommandanten ein Glas eingelegte Pflaumen, darauf habe ich auch gerade Appetit. Wie geht es Euch, seid Ihr noch alle gesund. Es sind ja erst 3 Tage, seitdem der letzte Brief hier eingetroffen ist. Mir kommt es vor wie Jahre. ----- Einen Augenblick Briefe aus dem Krieg 191 musste ich unterbrechen. Der Iwan revanchiert sich wieder durch starkes Artilleriefeuer und Granatwerferzauber. Ich habe Euch lieb und denke sehr viel an Euch. Auf Wiedersehen, Mutti. 20 Uhr. Soeben kommt durch, dass die ung. Regierung die Waffen gestreckt hat. Schweinebande! Na, nun sind wir allein. Also bis morgen, Mutti, und viele Grüße und Küsse von Deinem großen Jungen. Grüße und küsse die Kinder von ihrem Vati. Letzter Brief an die Ehefrau Tetelen, den 16.10.44 Meine geliebte Mutti. Es ist 10 Uhr und wir haben schon wieder unverschämten „Dunst“ auf der Ortschaft. Heute Nacht habe ich in einem Loch an einer Hauswand gut geschlafen, sogar geträumt habe ich von Dir. Nun wollen mal sehen, was uns der Tag bringt. Wir verpflegen uns selbst von reichlichem Geflügelbestand. Zu 3 Mann wollen wir immer eine Gans essen. Hoffentlich wird es was, d. h., wenn uns der Russe in Ruhe lässt und nicht angreift. Kompott ist in den verlassenen Häusern reichlich vorhanden. Also bis nachher, Mutti. Komm, gib mir einen Kuss und bleibe immer meine Mutti. Ich weiß, dass wir uns wiedersehen und wenn es Jahre dauern sollte. Ich habe Dich immer lieb und werde Dich nie vergessen. Immer Dein Ernst 192 Letzte Lebenszeichen II Hans Straub Eingesandt von Alfred Straub (Bruder) Hans Straub wurde am 11. Juni 1923 in Bad Überkingen geboren. Der Grenadier ist seit dem 18. Februar 1943 etwa ein Kilometer südlich von Feodotowka (Russland) vermisst. Brief an die Familie Im Osten, den 12. Februar 1943 Liebe Eltern, lieber Bruder! Seid mir bitte nicht böse, wenn ich Euch so lange nicht mehr geschrieben habe, aber glaubt es, ich konnte bestimmt nicht. Am 20.1. habe ich das letzte Mal geschrieben. Dann konnte ich nicht mehr. Ab Hans Straub 21.1. durften wir nur noch Luftpostbriefe schreiben, aber wie es immer ist, ich hatte natürlich keine Luftpostmarken. Marken bekamen wir erst anfangs Februar und dann war es so, dass ich keine Gelegenheit fand. Ich saß nämlich in der Zwischenzeit nicht im warmen Bunker oder Zimmer. Ich war dauernd auf der Rutsch, teils allein oder mit der Kompanie und ich habe in der Zwischenzeit alles mitgemacht, von dem ich bisher verschont geblieben bin. Zuvor etwas anderes, in der Zwischenzeit habe ich viele Briefe und ein Päckchen mit Gutsele von Euch erhalten. Welche Briefe, schreibe ich Euch später, wenn ich mehr Zeit habe. Teilt mir bitte auch noch mit, wie es bei Euch ist mit der Post, ob Ihr alles schicken dürft oder auch nur noch Luftpostbriefe, dann schicke ich noch mehr Marken. Diesmal 2 Stück. In der Zwischenzeit war ich einmal als M.G.-Schütze eingesetzt. Dann war ich vorne als Funker bei den Schützenkompanien und also ging’s weiter. Ihr wisst ja anscheinend, dass bei uns alles drunter und drüber geht, es ist ja auch so, jetzt sind wir weggekommen nach Noworossijsk. Das heißt, wir sehen es von der Ferne bis jetzt, wie Ihr Altenstadt [?], vielleicht kommen wir noch rein, vielleicht auch nicht. Hoffentlich seid Ihr alle noch gesund daheim. Ich kann dasselbe von mir auch noch sagen. Im Übrigen können wir dem Herrgott auf den Knien danken, dass er uns bis jetzt so durchgeleitet hat. Wir sind ja so klein geworden. Ich glaube fest, dass der Briefe aus dem Krieg 193 Herrgott auch weiterhin uns behütet. Wenn Ihr wieder länger keine Nachricht mehr bekommen solltet, so tröstet Euch, denkt nicht immer gleich das Schlimmste, dann bin ich eben nicht zum Schreiben gekommen. Nun lebt wohl und im Übrigen wollen wir sagen: Befiehl dem Herrn deine Wege, er wird’s wohl machen. Seid tausendmal gegrüßt von Herzen von Eurem Hans Auf Wiedersehen! Hans Straub (Mitte) im Einsatz als Funker 194 Letzte Lebenszeichen II Herbert Strugalla Eingesandt von Klaus Strugalla (Sohn) Herbert Strugalla wurde am 1. Juni 1905 in Breslau geboren. Der Gefreite wird seit dem 5. März 1943 bei Aleschenka (Russland) vermisst. Letzter Geburtstagsgruß an die Tochter Marianne Russland, den 29. April 1942 Meine liebe Tochter! Zu Deinem 11. Geburtstag sendet Dir die herzlichsten Glückwünsche, vor allen Dingen Gesundheit, Dein Vati! Sei Deiner Mutter untertan, Du weißt nicht, was alles sie um Dich gelitten hat. Herbert Strugalla Und solltest Du je an ihr einen Fehler, eine Schwäche entdecken, so denke an die Sonne, die auch Flecken hat und doch alles Leben hervorbringt. Deine Seele aber lebt von Deiner Mutter. Liebe sie aus Deinem ganzen Herzen, denn Du bist gerade so viel wert wie die Liebe zu Deiner Mutter. Erfülle darum Deine Pflichten in der Schule wie auch zu Hause, und gestatte Dir nie und in keinem Falle eine Ausnahme. Fürchte Dich vor niemandem als vor Dir! Dein Wort sei höflich, verspotte niemanden, weil Du damit nur Dich selbst beschimpfst. Deinen Köper stärke und härte ihn ab durch Sport. Alles Schöne ist gut, aber die Rachsucht ist die Gerechtigkeit der Gemeinen, die Hand, mit der Du einem anderen wehetust, verEinschulung von Tochter Marianne, 1937 wundet Dich am meisten. Briefe aus dem Krieg 195 Martha Strugalla mit den drei Kindern Marianne, Klaus und Siegfried, 1944. Zu diesem Zeitpunkt war Herbert Strugalla bereits tot – vermisst seit 1943. 196 Letzte Lebenszeichen II Was Dir innerlich zuwider ist, ist schlecht. Gott ist immer bei Dir, in ihm steht alles! Zum Ende, meine liebe Tochter Marianne, sei froh und harmlos! Du kannst nichts wenden, kein Gram, keine Sorge ändern Dein Schicksal. Deine Heiterkeit sei darum auch in schlechten Tagen hell. Wisse, Du hast kein Ziel als Dich! Nun grüße und küsse ich Dich tausendmal aus weiter Ferne. Mein Schatten ist immer um Dich, in allen Stunden Deines Lebens. O Gott, möge er nie voll Gram auf Dich herabschauen, sondern immer freundlich und segnend. Dies befolge und beherzige! Dein Vati. Grüße mir bitte herzlich die Mutti, Siegfried und den Klaus. Kümmere Dich um die beiden Buben, wenn Du freie Zeit hast. Der Siegfried ist gut, erkläre ihm alles in Ruhe und mit Liebe, dann wird er Dir auch folgen. Ich kenne ihn am besten. Wenn er in die Schule geht, hilf ihm, wenn er etwas nicht kann. Dein Vati Briefe aus dem Krieg 197 198 Letzte Lebenszeichen II T „Gerade ist es 0.00 Uhr und eben komme ich an meine Bude, es war kalt und daher habe ich zuvor ein Gläschen Alkohol getrunken, Deinem lieblichen Bildchen, das heute mit einer schönen Blütenknospe und frischem Grün geschmückt ist, zugelächelt und auf unser gemeinsames Wohl mein Glas geleert!“ Johannes Treichel an seine Frau zum Hochzeitstag. Gefallen zwischen dem 26. und 29. Juni 1944. Briefe aus dem Krieg 199 Liesbeth Tetzel Eingesandt von Ruth Jurk (Schwester) Es war Krieg und Liesa gerade 19 Jahre alt, als Krankenschwestern gesucht wurden. Nach einer einjährigen Ausbildung in verschiedenen Krankenhäusern kam sie am 5. Dezember 1941 in ein Lazarett in Paris. Ihre Begeisterung war groß. Paris – wer kam schon nach Paris? Einige Monate später wurde sie an die russische Front hinter Moskau, nach Roslawl in ein Seuchenlazarett zur Pflege von Fleckfieberpatienten verlegt. Am 21. April 1942 erhielt die Familie ein Telegramm, dass Liesa schwer erkrankt sei. Liesas letzter Brief war am 20. April abgestempelt und ist undeutlich geschrieben. Am 1. Mai wurde die Familie per Telefon vom Tod der Tochter benachrichtigt. Sie starb vermutlich an einer Blutvergiftung. Zu den persönlichen Sachen der jungen Schwester des Deutschen Roten Kreuzes gehörte ihr Tagebuch, das als französisches Lehrbuch getarnt war. Letzte Nachricht an die Eltern Geliebte Eltern und Geschwister! Damit Ihr seht, dass ich noch lebe, recht herzliche Grüße und Gott befohlen. Es strengt mich noch sehr an. Das nächste Mal mehr. Habe alle Briefe und Schriften erhalten. 1000 Dank. Eure Liesa Letzte Tagebucheintragungen 5.4., Ostern. Ostern in Russland. Alles ist noch grau, schmutzig und trübe. Nirgendwo ein bisschen hoffnungsvolles Grün. Eben war ein Hauptfeldwebel da, der die Lazarettwache kontrollierte. Alles in erhöhter Alarmbereitschaft. Diese Nacht sollen russische Fallschirmjäger abspringen. Alles läuft bespickt mit Handgranaten, Munition usw. herum. Unser kleiner Herbert Grilo wünschte mir eben jetzt, nachts ½ 2 Uhr, als Erster ein frohes Osterfest. Nun ist es abends 10 Uhr. Dass ich so ein schönes Osterfest feiern würde, hätte ich ja nicht gedacht. Früh verteilen wir erst kleine Päckchen mit Süßigkeiten an die Patienten. Als ich dann in das Schwesternkasino komme, ist dort ein Tisch gedeckt, dass mir fast die Augen übergingen. Ein neues weißes Bettlaken ist unser Tischtuch. Wir haben zu Ostern Tassen mit Untertassen bekommen, und so ist der Tisch festlich ge- 200 Letzte Lebenszeichen II Liesbeth Tetzel Briefe aus dem Krieg 201 deckt. Aus Pappe und Watte mit Hilfe von Leukoplast haben wir eine Hühnerfamilie und ein Osterhäschen gebastelt. Rotes Röntgenpapier, das zu Streifen geschnitten ist, ziert den Tisch. Tempo-Taschentücher dienen als Servietten. Und dann gibt es Rosinenbrot und Bohnenkaffee. Beides ganz vorzüglich. Nach dem Kaffeetrinken gehe ich mit 2 Schwestern zum Heldenfriedhof. Es ist herrlicher Sonnenschein. Als wir zurückgehen, werden auf der Straße ungefähr 1 000 Rinder zum Schlachten getrieben. Um 10 Uhr ist Feldgottesdienst. Der Raum ist zu klein und so wird der Gottesdienst unter freiem Himmel abgehalten. Es sind schon ungefähr 250–300 Soldaten. Viele sind von außerhalb gekommen. Jubelnd klingt das Lied „Großer Gott, wir loben dich“ auf. Die Predigt macht einen tiefen Eindruck auf all diese rauen Krieger. Diese Andacht unter freiem Himmel bei herrlichem Sonnenschein war bisher die schönste und ergreifendste, die ich erlebt habe. Als wir wieder in unsere Behausung kommen, ist von der Transportkolonne ein Fahrer da, der uns Schwestern zum Kaffee bei ihnen einlädt. Auch ich entschließe mich, einige Stunden Schlaf zu opfern und der Einladung Folge zu leisten. Schnell 2 Stunden geschlafen und um 15 Uhr stehen 2 Pkw vor der Tür. Dann geht’s ab, dem Abenteuer entgegen. Die Wege sind nur Seen und fast bodenlos. An der Unterkunft angekommen, begrüßt uns der Komp. Chef, ein Hauptmann. Sie freuten sich alle sehr, jedenfalls taten sie so, hier in Russland mit deutschen Frauen Ostern feiern zu können. Tischtücher waren die Rückseiten russischer Landkarten, blendend weiß. Und dann kam die Überraschung. Es gab Bohnenkaffee, einen fabelhaften Aprikosenkuchen und Torte, jawohl Torte. Wir trauten unseren Augen kaum. Sie schmeckte wie die schönste Friedenstorte aus der besten Konditorei, Schokoladen- und Buttercremetorte. Und dann kamen Landserhumor und Landserlieder an die Reihe. Wir haben Tränen gelacht und für eine ganze Weile ganz vergessen, dass wir in Russland sind. Es waren gemütliche Stunden. Eine Gitarre und Komiker halfen die Zeit zu verkürzen, so dass wir traurig waren, als die Stunde des Abschieds kam. Wir wurden wieder im Wagen bis vor die Tür gebracht. Nun bin ich müde, aber Dienst ist Dienst. Die russische Schwester ist krank und ich wache mit dem Russen allein. Post habe ich leider nicht bekommen. Etwas Schreckliches ist passiert. Wir erfuhren heute, dass auf der Rollbahn, zwischen Wjasma und Smolensk, ein Wagen mit Schwestern, die auf Urlaub fahren wollten, von Partisanen überfallen wurde. Fahrer und Beifahrer wurden ermordet, während von den Schwestern jede Spur fehlt. 202 Letzte Lebenszeichen II 1.30 Uhr bekomme ich nächtlichen Besuch. Ein Oberleutnant, Unteroffizier und 5 Mannschaften kommen sich aufwärmen. Es ist ein Vorauskommando. Die Truppe kommt von vorn und wird heute früh hier verladen, zum Einsatz an einer anderen Stelle. Habe noch etwas Osterkuchen und die Jungs freuen sich ganz wild darüber. Sie haben von Ostern noch nichts gemerkt. Schon früh Durchbruch 20 russischer Panzer auf der Rollbahn und dann den ganzen Tag unterwegs. 8.4. Die Nacht 7. vom 8. war grässlich. Schon abends ein plötzlicher Todesfall, 4 Nachtwandler und 2 Tobende. Der eine schlägt wild um sich und man darf nicht in seine Nähe kommen, er brüllt und gebärdet sich ganz wild. Den zweiten habe ich 5 mal gefesselt und die Füße geknebelt, aber der Kerl bekommt die Handschlingen immer wieder los und läuft mit den zusammengebundenen Beinen. Er findet ein Taschenmesser auf einem Nachttisch und will die Füße aufschneiden. Es ist furchtbar, dazu noch einige mit schlechten Pulsen. Noch ein paar solcher Nächte und ich bin erledigt. 14.4. Nachts, 2.30 Uhr. Am 12. habe ich die erste Post von Max erhalten. Auch von daheim. Die Freude war groß, dann noch von Frau Reiner, Herta, Margot u. vom Mutterhaus. War um 9 Uhr schlafen gegangen und 11.30 Uhr wieder aufgeweckt. Als ich dann die 6 Briefe vorfand, war es trotz aller Müdigkeit aus mit dem Schlaf. Um 15 Uhr war ich vom Oberzahlmeister der Bäckereikompanie zum Kaffee eingeladen. Schwester Maria habe ich mit dazu eingeladen. Wir gehen erst noch ein Stück auf der Rollbahn nach Moskau spazieren. Dann ist der Oberzahlmeister mit seinem Wachtmeister da und wir gehen zu ihnen. 2 Unteroffiziere und 2 Landser finden sich noch ein. Sie kochen Kaffee und bedienen uns. Es gibt guten Streuselund Butterkuchen, dazu einen Kognak. Einer spielt Ziehharmonika und einer Mundharmonika und so ist es ganz gemütlich. Um 19 Uhr brechen wir auf und mit der Einladung fürs nächste Mal. Aus bestimmten Gründen habe ich aber keine Lust, der Einladung Folge zu leisten. Liesbeth Tetzel in Russland Heute hat es wieder geschneit. Briefe aus dem Krieg 203 Gerhard Thomée Eingesandt von Gisela Ohly (Tochter) Gerhard Thomée, geboren am 11. Juli 1899, fiel am 5. Juni 1940 bei Amiens in Frankreich. Letzter Brief an die Eltern den 8. Januar 1940 Liebe Eltern! Es ist möglich, dass wir schon in wenigen Tagen marschieren. Es kann zwar sein, dass sich der Abmarsch noch um einige Tage verzögert, aber die Wahrscheinlichkeit spricht dafür. Die Zeit zum Handeln ist anscheinend endlich gekommen. Auf alle Fälle möchte ich Euch heute schon schreiben, solange noch Zeit ist. Abschicken werde ich den Brief erst dann, wenn wir wirklich marschieren und Gerhard Thomée Gründe der Geheimhaltung nicht mehr mitsprechen. Unsere Division ist zunächst in Reserve, Anlass zur Sorge um mich zunächst also nicht gegeben. Das schließt natürlich nicht aus, dass eines Tages auch mein Bataillon eingesetzt wird und beweisen muss, was sein Kommandeur und seine Soldaten wert sind. Meine größte und wichtigste Sorge ist dabei die, dass wir uns gut und tapfer schlagen. Die Sorge um mich selbst kommt erst in zweiter Linie. Sollte ich fallen, so geschieht es im heißen Glauben an das neue Deutschland und in der Überzeugung, dass ich meinen Kindern diesen Einsatz schuldig bin. Sie sollen wissen, dass ihr Vater alles darangesetzt hat, um ihnen ein Reich schaffen zu helfen, das für alle Arbeit, Raum und Nahrung bietet. Euch gegenüber, liebe Eltern, liegt mir heute vor allem daran, Euch zu danken. Ihr habt mir eine Erziehung und Ausbildung mitgegeben, die es mir ermöglicht haben, vorwärtszukommen und es im Leben zu etwas zu bringen. Das ist das Beste, was man von seinen Eltern mitbekommen kann. Und deshalb möchte ich Euch heute dafür und für alle andere Liebe und Güte noch einmal aus ehrlichem Herzen danken. Das Liebste, was ich zurücklasse, ist Gertrud und die vier Kinder, die sie mir geschenkt hat. Ich denke mit unendlicher Liebe an sie, denn sie hat mir das größte 204 Letzte Lebenszeichen II Gerhard Thomée mit seiner ältesten Tochter Gisela Glück und die schönsten Stunden meines Lebens geschenkt. Sie hat keine ganz leichte Jugend gehabt, und ihr Verhältnis zu ihren Eltern ist auch heute noch mitunter etwas schwierig, trotz aller elterlichen Liebe. Ich habe ihre Eltern in einem Brief, der gleichzeitig mit diesem abgeht, gebeten, wenn mir etwas zustoßen sollte, ihr und den Kindern ihr Eigenleben zu lassen. Und ich habe an Euch die herzliche Bitte, soweit es Euch möglich ist, Gertrud darin zu helfen. Und tröstet sie, wenn ich nicht wiederkomme, so gut Ihr könnt. Sie ist eine tapfere Frau, und ich bin sehr glücklich über den Stolz, mit dem sie mir immer schreibt. Aber ich weiß auch, dass sie sehr, sehr leiden wird, wenn sie mich verlieren müsste. Unsere Liebe ist so tief und innig, dass sie meinen wird, das Leben habe seinen Sinn und seinen Inhalt für sie verloren. Versucht sie aufzurichten und ihr und unseren Kindern ihren Lebensmut zu erhalten. Ich hoffe zuversichtlich, dass ich wohlbehalten zurückkomme, und bitte Euch, Euch nicht zu sehr zu sorgen. Ich grüße Euch in herzlicher Liebe als Euer dankbarer Sohn Gerhard Briefe aus dem Krieg 205 Reinhold Thyssen Eingesandt von Conrad R. Thyssen (Sohn) Der am 2. Mai 1911 geborene Reinhold Thyssen war im Zivilberuf Pastor in einem Dorf bei Bremen. Er starb am 15. August 1944 als Oberleutnant der Reserve und Kompaniechef bei der Abwehr eines gegnerischen Durchbruchs. Er wurde bei Suwalki begraben und Jahrzehnte später vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge nach Bartosze umgebettet – vermutlich, denn seine Erkennungsmarke wurde nicht gefunden. In der Nacht seines Todes ist das im Brief erwähnte Baby geboren. Brief an die Frau Montag, den 14.8.44 Meine herzliebste Lotte! Es ist so schön ruhig heute Morgen; so will ich die Ruhe ausnutzen, um schon an Dich zu schreiben. Glücklicherweise scheint immer noch die Sonne, wenn sie sich auch manchmal hinter Wolken versteckt. Aber es weht ein kühler Wind. Dies Kon- Reinhold Thyssen, 1940 Ehepaar Thyssen mit Kindern und Großmutter im Garten an der Wümme bei Bremen, Sommer 1942 206 Letzte Lebenszeichen II tinentalklima mit heißen Tagen und kalten Nächten ist nicht mein Geschmack. Mir gefällt die größere Ausgeglichenheit bei uns besser. Heute kamen in meinem Abschnitt wieder einige „Heimkehrer“ durch. So nennen wir die Offiziere und Soldaten, die nach der großen Schlappe bei Minsk sich hinter den Russen her durchschlagen und nun, wo die Front zum Stehen gekommen ist, die Linien zu passieren suchen. Jeden Tag kommen irgendwo welche durch. Oft weinen sie vor Freude, drehen das erste Stück Kommissbrot mit Andacht in den Händen, ehe sie hineinbeißen. Sie sind bis zu über 40 Tagen unterwegs gewesen, wahre Helden an Ausdauer und Zähigkeit! – Wir sind jetzt feste am Bunkerbauen. Hoffentlich werden wir fertig, ehe es mit Regnen anfängt. Wie dankbar müssen wir sein, in all diesen Wochen nur einen ein- Ehepaar Thyssen mit Kindern und Großeltern vor dem Pfarrhaus an der Wümme bei Bremen, Sommer 1942 Briefe aus dem Krieg 207 zigen Regentag gehabt zu haben bisher! Ob heute wohl wieder Post kommt von Dir? Eigentlich zu viel verlangt, wo erst gestern welche kam. Und eines Tages wird dann ja auch die Nachricht von dem Baby kommen – so Gott will! Nun bis zum nächsten Mal, Du, meine liebe, liebe Frau! Nimm ganz viele und zärtliche und liebe Küsse, Du!!, von Deinem Reinhold Foto anlässlich der Verleihung des Eisernes Kreuzes I nach der Erbeutung „feindlichen“ Geschützes, Russland im Sommer 1941. Reinhold Thyssen in der Mitte 208 Letzte Lebenszeichen II Johannes Treichel Eingesandt von Hans Treichel (Sohn) und Rosemarie Zessin (Tochter) Die letzte Nachricht von Johannes Treichel ist einen Tag vor seinem 45. Geburtstag verfasst, der vermutlich zu seinem Todestag wurde. Geboren wurde der Unterfeldwebel am 24. Juni 1899 in Grüssow. Offiziell wird das Todesdatum zwischen dem 26. und 29. Juni 1944 angegeben, als Todesursache Granatsplitter durch Fliegerangriff. Johannes Treichel starb an der Beresina, westlich von Schklow, wo sich auch heute noch sein Grab befindet. Brief an seine Frau Eva zum Hochzeitsjahrestag O. U., den 20.5.1944 Meine liebe einzige Eva! Gerade ist es 0.00 Uhr und eben komme ich in meine Bude, es war kalt und daher habe ich zuvor ein Gläschen Alkohol getrunken, Deinem lieblichen Bildchen, das heute mit einer schönen Blütenknospe und frischem Grün geschmückt ist, zugelächelt und auf unser gemeinsames Wohl mein Glas geleert! Schon gestern und den Tag über war in mir eine stille Fröhlichkeit in Gedanken an unseren großen Tag am 20.5.1926. Wenn er auch nach außen gesehen klein für manchen erscheint, für uns ist er eben der große Tag, den es nur einmal im Leben zweier Liebender, die den Bund der Treue für das Leben in Liebe geschlossen haben, gibt, und daher dieses stille Fröhlichsein am heutigen Tage. Ich fühle mich Dir so nahe, nur Dir, nicht den Kindern, weißt Du, denn Du bist es ja, die mir alles bedeutet, und sollte ich Dich nur an mich binden, um Kinder mit Dir zu zeugen, nein, Dich um mich haben, Dir Gutes, Liebes tun und mit Dir denken, fühlen und handeln, das ist es ja, weswegen ich Dich zur Seite haben musste, denn Deine reine herrliche Seele, das treue liebreizende Herz, sie sind es, die ich brauche, um im Leben nicht schlechter zu werden. Und nun sind fünf lange, bange Kriegsjahre unserer Ehe dahingeflossen! ... Wie sehr hast Du tapfer gekämpft um Deine Lieben, die auch Dir alles bedeuten, und wie sehr hast Du körperliche und seelische Schmerzen empfunden nach all den Sorgen und Nöten. Du kannst gewiss sein, ich habe oft manche Tränen heruntergewürgt in ohnmächtiger Wut über das Geschick, doch es ist, wie wir es nur kennen: Gottes Wege sind so wunderbar und oft ist das uns bitter Erscheinende zum Segen. Ich empfinde so sehr die Gunst des Heilands darin, dass Du, mein Evilein, mein klei- Briefe aus dem Krieg 209 nes, liebes, süßes, kluges Mädel, wieder so fröhlich und still zufrieden, gesund und leidlich munter den Tag verleben kannst und all meine Bitte geht dahin, dass es bis an unser Lebensende so bleiben möchte und wir gemeinsam nach vollbrachtem Leben von dannen gehen könnten. Unsere Kinder haben dank Deiner einzig dastehenden Erziehung ein Herz mit Liebe und Treue zu allem Schlimmen und Guten mitgekriegt. Sie wachsen in ein zwar schweres Leben hinein, aber einmal wird auch wieder Friede sein, werden sie ihr eigenes Heim zimmern und über uns hinauswachsen; und das zum Segen für sie und uns noch mit Dir, meiner geliebten, ewig mir bräutlich erscheinenden süßen Frau, noch erleben zu dürfen, das ist mein Herzenswunsch an diesem Tage. Gott schütze Dich auf allen Wegen, stehe Dir bei in aller Not und Sorge und er tröste Dich allzeit, wenn Dir das Herz schwer ist. Ich will mein Teil als Krieger tun, bittend um ferner Soldatenglück, um auch Dich wieder fest an mein liebesstarkes, liebebrauchendes Herz nehmen zu dürfen. Gute, süße Nacht, Geliebte, Kameradin! – In treuer inniger Liebe bin ich Dein Hans Letzter Brief an die geliebte Frau, der am 23. Juni 1944 beendet wird, ein Tag vor seinem Geburtstag O. U., den 22.6.1944 Meine geliebte Eva! Jetzt habe ich doch einmal Zeit, mit Dir ausführlicher etwas zu plaudern. Wie sind doch alle meine Gedanken nur bei Dir, einmal so still bei Dir sein zu können wie einstmals. Auch im letzten Urlaub war das alles so dumm. Jetzt, könnte ich bei Dir sein, würde ich mich still neben Dich setzen, nur bei Dir sein, wo es sommerlich um uns wäre und fernab die böse Menschheit hauste. Genau so ist es doch, nicht die Welt ist böse, sondern die Menschen sind es in der Unzulänglichkeit, die das Leben so oft unerträglich machen und bei uns beiden traf es stets zu, dass wir uns einsam unter bösen Menschen glücklich fühlten, konnten wir still für uns irgendwann und -wo sein. Dazu sind nun im Laufe der Jahre unserer Ehe unsere drei lieben Kinder gekommen, die sich doch auch so recht unserem engsten Kreis besonders angeschlossen haben. Besonders die jetzige schöne Jahreszeit lädt mit ihrer herrlich-wiedererwachten Natur ganz mächtig zum Ausruhen ein. Und wie sehr gerade auch Du, mein tapferes Mädel, mein einziger Kamerad in diesem Kriege, Ruhe, Besonnenheit, rechte Stille, die dem Herzen Kraft, der Seele Frieden und dem Geist Klarheit bringt, nötig hast, fühlt meine Seele täglich mehr. 210 Letzte Lebenszeichen II Das frisch vermählte Ehepaar Eva und Johannes Treichel am Tag ihrer Hochzeit, dem 20.5.1925 in Köslin Briefe aus dem Krieg 211 Oft treibt’s mich zum Heulen, Dir so wenig zur Seite sein zu können, denn es ist doch genau so, wie ich es Dir jetzt wieder sage: Keinen Menschen habe ich auf der Welt, der zu mir gehört, denn Du. Unsere Kinder sind einstweilen ein Teil unseres Seins, der sich früher oder später von selbst löst, indem er formvollendeter selbstständiger Mensch wird. Wenngleich auch sie, unsere Kinder, einstmals immer noch zu uns gehören werden, liegt es doch in der Natur, wenn sie nach eigener Vollendung streben. Du sollst dann von mir erfahren, wie ich Dein zweites Leben geworden bin, Du mein besseres ich, dem ich weiteres Leben verdanke. Ach, mein geliebtes Herz, all das, was ich Dir so oft sagen möchte, lässt sich gar nicht so schreiben, aber empfinden wirst Du täglich den Pulsschlag meines Herzens. Und quäle Dich bitte nicht mit kleinlich-alltäglichen Dingen ab! Das ist die Sache nicht wert und außerdem bist Du mir in Deiner reinen erhabenen Art zu schade für solches elende Denken. Nebenbei zieht es auch so herab, dass man immerfort weinen könnte, und gerade wir müssen Freude um uns schaffen. Man denke an unser kampfvolles Leben, wie schwer uns alles zuteil wurde, und dann mussten wir alles wieder opfern. Familie Treichel in Stettin am 9.1.1943, dem letzten Urlaubstag von Johannes Treichel. V. l. n. r.: Tochter Hannelore, Ehefrau Eva, Sohn Hans, Johannes Treichel, Tochter Rosemarie 212 Letzte Lebenszeichen II So oft, meine Einzige, sehe ich Deiner Hände Arbeit, des Herzens Qualen um all diese erkämpften Dinge äußeren wie inneren Wertes vor mir, und Bitterkeit erfüllt mich dann doch, wenn Du mir wieder so glücklich schreibst, auch Dir kann irdischer Besitz nichts Innerliches rauben; weiß nur, Du bist gesund bei unseren Kindern, dann danke ich unserem Herrn und Heiland immer wieder für all das stille Glück, das uns nach allem noch erneut geschenkt ist. Nur bei Dir sein möchte ich bald wieder einmal, meine liebe, süße, kleine, tapfere Kameradin. Morgen haben wir den letzten Tag Schule [Armeewaffenschule]. Es ist sehr viel, was in Kürze begriffen werden muss, doch gar nicht so schlimm. Am 24.6. fahre ich ab von hier und freue mich, am 25.6. spät abends Post von Dir, den Kindern vorzufinden. Dort hause ich in einem großen Einmannzelt. Hier scheint jetzt auch bisschen Bewegung in die R. zu kommen, doch ist alles da, sie zu empfangen. Ich führe ja lieber ca. 100 km westlich, aber die Truppe hat sich seit Anbeginn so ziemlich in nächster Nähe der Russen aufgehalten und wir glauben jetzt am allerwenigsten ans Wegkommen. Sehr gespannt habe ich hier täglich die OKW-Berichte usw. verfolgt. Hoffentlich kommt die Bande bald restlos ins Wasser da drüben. Caen, St. Lo, Granville, ..., all diese Fleckchen kenne ich so genau. Damals hatte ich 2 herrliche Lkw zum Befahren aller Wege. Die Landschaft ist dort fast so schön wie unser Pommernland. Ich vermute, wenn es lohnt, kriegen wir sie abgedrängt ins Meer und dazu später England in unsere Hand. Welch’ Aufatmen ginge durch alle guten Menschenherzen, hieße es plötzlich: Friede! Doch einmal schon sind Völkerschaften betrogen worden und ganze Generationen litten bittere Not. Es heißt den Dingen kühl gegenüberstehen. Meist lösen sich so verzwickte Bande auf natürliche Art und großes Simulieren hierüber lohnt sich nicht. – 23.6. Heute war Abschluss, Liebste. Es gab noch viel Interessantes für mich als ältesten Teilnehmer zu sehen. – Leider regnet es jedoch wieder einmal kräftig und dann muss ich mich bisschen vorsehen. Sehr früh geht es morgen zur Truppe. Da freue ich mich auf Deine lieben Grüße und das herrliche Erzählen der Kinder in ihren Briefen und im Nu ist die Heimat, das Heim meiner Lieben um mich, seien auch die äußeren Umstände wie sie mögen. Aber mein Gehilfe hat mir versichert, bin ich zurück, gibt’s was Feines (sicher Kuchen aus Mehl, Zucker und etwas Ei in der Pfanne gebraten – schwäbische Eierkuchen), die esse ich so gerne, nur das Brot gibt’s und die Zutaten von den Russen. Eine Flasche habe ich auch noch aufgehoben. Da werden dann schon Spieß und Chef drauf warten. Ja, mein Liebstes, so ist das nun einmal, alles täglich dransetzen, das karge Dasein zu erhellen – Freude schaffen, so gut es immer noch geht. Briefe aus dem Krieg 213 Zugfahrt mit Kameraden: Johannes Treichel (rechts) Pfeife rauchend und Zeitung lesend Dass man hierbei nicht kleinlich sein darf, ist selbstverständlich. Besondere Zeiten erfordern auch besondere Umstände und eigentlich sollte man jeden Menschen heute im 5. Jahr des größten aller Kriege mit Gewalt zu dieser Ansicht zwingen. Solche verhassten Volksgenossen, wie es sie noch heute zu Tausenden gibt, sollte man zwangsweise in einen solchen Produktionsprozess einweisen, wie ihn eben der jetzt neu beginnende Krieg auf chemischem Gebiet erfordert. Da kämen sie zu dem gerechten Lohn. Vielleicht wären sie auch besser als direktes Futter der Kanonen zu verwenden. Ob uns die augenblickliche Bewegung am jetzigen Platz beließe, weiß man noch nicht. Feststeht, dass es auch hier wieder losgeht und noch lange nicht das letzte Wort des Krieges gesprochen ist. Darüber hinaus hoffe ich auf baldige Aufhebung der U[rlaubs]-Sperre und wäre dankbar, käme ich so zurecht, noch etwas vom Sommer/Spätsommer mit Euch zu haben. Da will ich dann für den Herbst und Winter Vorsorge treffen, so immer es geht. Hole Dir nur viele schöne Blumen morgen ins Zimmer und faulenze, so gut es geht, umher. Lies oder geh ins Kino und versuche immer mehr Freude statt Schmerz oder Ärger zu erlangen. Nun will ich schließen. Wie sehr ich mich nach Dir sehne, fühlst 214 Letzte Lebenszeichen II Auf dem Hänger sitzend Johannes Treichel, ca. Juni 1943 Du bei jedem Gebet mit Deinen Kindern; ich kann wenig beten, aber all’ Deine Grüße sind für mich Gebete, die mir wieder Kraft geben. Mögest auch Du, mein liebes tapferes Mädel, in Deinen Gebeten fühlen, wie mein Mund an dem Deinen hängt, mein Herz an Deinem goldigen Weibes- und Mutterherzen ewig seinen Grund und Anker findet. – Einen einzigen lieben langen Kuss für Dich, mein Mädel. ---Dein Hans Briefe aus dem Krieg 215 216 Letzte Lebenszeichen II V „Immer den Rückzug seiner Männer deckend, blieb er, als es über eine gut vom Gegner einzusehende Straße ging, im Graben liegen. Auf die Rufe seiner sich zurückziehenden Männer gab er keine Antwort mehr.“ Nachricht des Hauptfeldwebels Heinz Schneider an Frau Viebrock über den Tod ihres Mannes. Cordjohann Viebrock fiel am 1. September 1941 in Russland. Briefe aus dem Krieg 217 Cordjohann Viebrock Eingesandt von Hans-Adolf Viebrock (Sohn) Der am 18. November 1910 geborene Unteroffizier Cordjohann Viebrock fiel am 1. September 1941 in Russland. Seine Frau hatte die Nachricht des Hauptfeldwebels gegenüber ihren Kindern bis zu ihrem eigenen Tod nie erwähnt. Nachricht des Hauptfeldwebels Heinz Schneider an die Ehefrau Im Felde, November 1941 Sehr geehrte Frau Viebrock! Da Leutnant Pfeifer nun selbst auf dem Felde der Ehre geblieben ist, will ich Ihren Brief v. 3.10.41 beantworten. Am 1.9.41 hatte Ihr lieber Mann den Auftrag, mit seiner Gruppe auf das Dorf Lossewa-Ssloboda (45 km nordöstlich von Tschernikow) vorzugehen, um festzustellen, ob das Dorf von den Russen besetzt und wie stark der Feind sei. Im Morgengrauen ging der Spähtrupp Viebrock von der Kompanie, die ca. 1,5 km vor dem Dorfe in einen Walde lag. Es gelang Ihrem Manne unbemerkt bis zum Dorfrand vorzukommen, wurde dann aber von den sich im Dorf befindlichen Russen erkannt und beschossen. Nun zog er sich mit seinen Männern zurück. Immer den Rückzug seiner Männer deckend, blieb er, als es über eine gut vom Gegner einzusehende Straße ging, im Graben liegen. Auf die Rufe seiner sich zurückziehenden Männer gab er keine Antwort mehr. Bis zum Abend kehrten er und zwei seiner Männer nicht von diesem Unternehmen zurück. Als am nächsten Vormittag das Dorf gestürmt wurde, machten sich sein Zugführer und einige Männer auf die Suche nach unseren vermissten Kameraden. Sie fanden alle drei tot auf, sie hatten Kopfschüsse. An der Stelle ihres heldenmütigen Kämpfens und Sterbens wurden Ihr lieber Mann und seine zwei toten Kameraden zur letzten Ruhe gebettet. Uffz. Viebrock war einer unserer Besten, ein guter und beliebter Kamerad, der in freudigem Einsatz für seinen Führer bis zum letzten Atemzuge seine Pflicht als Soldat getan hat. Als leuchtendes Beispiel wird uns unser lieber Kamerad Viehbrock stets Vorbild sein und in der Kompanie ein ehrendes Andenken finden. Leider kann ich Ihnen, liebe Frau Viebrock, keine persönlichen Wertsachen Ihres Mannes, die er im Kampf bei sich hatte, zusenden, alle drei Toten waren von den Russen ausgeraubt. In tiefem Mitgefühl und stets zu weiteren Auskünften bereit Ihr Heinz Schneider, Hauptfeldwebel 218 Letzte Lebenszeichen II Cordjohann Viebrock mit seinem kleinen Sohn Hans-Adolf Briefe aus dem Krieg 219 220 Letzte Lebenszeichen II W „Aber trotz allem wäre ich froh, wenn ich erst mal wieder zu Hause wäre und könnte in meinem Beruf arbeiten. Dieser ganze Kriegskram gefällt mir nicht mehr. Das ist keine Arbeit für einen ordentlichen Christenmenschen.“ Alfred Weißmeyer an seine Ehefrau. Ohne Lebenszeichen seit Dezember 1944. Briefe aus dem Krieg 221 Willi Weber Eingesandt von Karl-Heinz Weber (Sohn) und Inge Weber Willi Weber, geboren am 6. Juni 1907 in Langenalb (heute Straubenhardt), fiel am 24. Oktober 1944 an der Ostfront. Brief an den Sohn 29.9.44 Mein lieber Karlheinz! Mit Freuden habe ich Dein Brieflein erhalten, besten Dank dafür. Das ist aber recht, dass es Dir noch gut geht, kann von mir auch nur Gutes schreiben. Das ist ja die Hauptsache, wenn wir alle gesund bleiben, bis der Krieg zu Ende ist, dass wir einander gesund Willi Weber, 1943 wiedersehen. Bete nur jeden Abend, dann komme ich auch wieder in die Heimat zu Euch Lieben zurück. Und sei auch gehorsam der lieben Mama. Ich freue mich, bis ich meine lieben Buben mal wieder sehe. Zu Euch kommen auch jeden Tag die Flieger im Tiefflug und schießen auf die Leute. Gell, wenn nur mal der Krieg aus wäre, ich denke, dass er in diesem Jahr noch ausgeht, aber der Sieg muss unser sein. Lieber Karlheinz, will Dir so ein wenig schreiben, wie es bei uns zugeht. Wir wohnen in einem Keller und von da aus geht ein Graben vor in die Stellung, wir dürfen nur im Graben gehen, weißt, wenn wir oben laufen, schießt uns der Russe ab wie die Hasen. Haben schon viele Verwundete, es wird jeden Tag feste geschossen. Der Iwan liegt sehr nahe bei uns, es ist so weit wie von uns, weißt, vom Haus bis hinauf ans Lamm [Gasthaus Lamm]. Nur sollte ich mehr Zeit haben zum Schreiben, dann hätte ich Dir schon länger geschrieben, aber deshalb darfst Du mir doch mehr schreiben, gell. Lieber Karlheinz, sei nun recht brav und fleißig und mache alles, was die Mama sagt. Ich wünsche Dir alles Gute. Sei herzlich gegrüßt und geküsst von Deinem Papa, auch herzliche Grüße und Küsse an Mama, Waltraud, Lieselotte, Edith, Horstle und Klein-Wilfried. 222 Letzte Lebenszeichen II Familie Weber, Winter 1942 Briefe aus dem Krieg 223 Alfred Weißmeyer Eingesandt von Daniel Riecke (Urenkel) Alfred Friedrich Weißmeyer wurde am 30. Juni 1897 in Magdeburg-Neustadt geboren. Im 1. Weltkrieg war er Matrose der Kaiserlichen Deutschen Marine auf der SMS König. Im 2. Weltkrieg gehörte Alfred Weißmeyer zum nationalsozialistisches Kraftfahrkorps (NSKK), wo er Obertruppführer war. Zuletzt diente Alfred Weißmeyer als Hauptfahrmeister in der Organisation Todt (Speer). Seit Dezember 1944 gab es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Im Jahre 1954 wurde er auf Antrag seines Sohnes für tot erklärt. Letzter Feldpostbrief an seine Ehefrau 06.11.1944 Meine liebe Mutti, heute bekommst einen anderen Brief schon bebildert. Wie gefallen Dir die beiden hübschen Mädchen? Leider bin ich nicht dazu gekommen, sie in natura zu zeichnen. Schön wäre es ja, nicht!!! So vertreibe ich mir die langen Abende. Habe bloß kein richtiges Zeichenpapier und keine passenden Bleistifte. Aber so ungefähr habe ich die Briefzeichnungen hingekriegt. Ich habe auch heute von Dir keine Post bekommen. Du musst wohl mächtig viel zu arbeiten haben. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass bei Deinen Nähereien Dir so mancher Fluch über die Lippen kommt. Ich arbeite ja auch nicht gern. Aber trotz allem wäre ich froh, wenn ich erst mal wieder zu Hause wäre und könnte in meinem Beruf arbeiten. Dieser ganze Kriegskram gefällt mir nicht mehr. Das ist keine Arbeit für einen ordentlichen Christenmenschen. Der Krieg ist in dem Jahr und auch im nächsten Jahr noch nicht aus. Jetzt wird es hier schon merklich kühler. Auch ist mein Zimmer nicht geheizt. Aber ich bin noch froh, dass ich wenigstens ein anständiges Bett habe. Nur ist es möglich, dass wir unser Quartier in nächster Zeit wieder verlassen. Wer weiß, was ich dann wieder für ein Quartier bekomme. Nun will ich aber schließen und zu Bett gehen. Gruß und Kuss Vati Letztes Foto von Alfred Weißmeyer, Schröttersburg, vermutlich im Spätherbst 1944 aufgenommen 224 Letzte Lebenszeichen II Bruno Johannes Wille Eingesandt von Dr. Volker Wille (Sohn) Bruno Johannes Wille, geboren am 18. Mai 1909 in Mannheim, ist seit dem 1. Januar 1943 in Stalingrad vermisst. Name und persönliche Daten des Gefreiten sind auf einem der 107 Granitwürfe des deutschen Soldatenfriedhofs Rossoschka in Russland eingraviert und auch im Gedenkbuch der Kriegsgräberstätte verzeichnet. Letzter, langer Brief an die Ehefrau 28. Dezember 1942 Mein lieber Spatz! Heute kam ich von der B-Stelle zurück, wo ich die Weihnachtstage verbrachte. Schnell gingen die Tage Bruno Johannes Wille dahin u. in vier Tagen ist es bereits Neujahr. Ein neues Jahr bricht an mit neuen Hoffnungen, neuen Enttäuschungen. Werden wir das nächste Weihnachtsfest auch in Russland feiern? Feiern ist eigentlich zu viel gesagt, fragen wir uns lieber, ob wir dazu bestimmt sind, auch das dritte Weihnachten im „Paradies“ zu begehen. Wenn schon, dann wünschten wir uns wenigstens andere Umstände u. eine andere Zeit. Trotz allem muss ich sagen, dass ich das große Los gezogen hatte, obwohl ich nichts dafür konnte, sondern dazu bestimmt wurde. War ich zunächst innerlich gar nicht damit einverstanden, von der Batterie u. meinen 3 Kameraden, mit denen ich den Bunker teile, weg zu sein, so erwies sich der Aufenthalt vorn doch als sehr nahrhaft. Wir erhielten nämlich als einzige der Batterie Sonderzuteilungen an Brot, Wurst u. 200 gr. Schokolade, ja sogar eine Konservenbüchse mit Linsen u. Speck, ein ausgezeichnetes Mittagessen. Von der Battr. [Batterie] erhielten wir außerdem 40 Zigaretten, 200 gr. selbstgebackenes Brot u. aus der Marketenderware jeder etwas. Ich z. B. 1 Schachtel Schuhwichse, Esbit [Trockenspiritus], 2 Bleistifte u. ein kleines Taschenmesser. Alles in allem – mehr als ich erwartet hatte. Da wir vorne in unserem Bunker weder Baum noch Adventskranz hatten, zündeten wir 4 Kerzen an, die wir auf Silberpapier stellten. Das stach gegen die grüne Decke auf dem Tisch gut ab u. sah einigermaßen feierlich aus. Am Heiligen Abend empfingen wir bei der Infanterie guten schwarzen Tee, den wir mit zwei Esslöffel Rum pro Mann würzen konnten. So verleb- Briefe aus dem Krieg 225 ten wir einigermaßen feierliche Stunden. Unser Oberleutnant, welcher die Tage mit vorn war, sprach ein paar herzliche Worte, vor allem auch in Erinnerung an unsere Lieben zu Hause. Dass wir natürlich in Gedanken ganz bei Euch waren, kannst Du Dir denken. Und so wurde manche liebe Erinnerung ausgekramt u. wir schwelgten direkt. So verging der Heilige Abend, so die beiden anderen Tage. Am zweiten Feiertag machte ich mir das Linsengericht warm – das war beinahe neben der Schokolade das Schönste von diesen Weihnachtstagen. Tagsüber gab es zwischendurch Gelegenheit zu lesen. Sonst war die Zeit für mich mit Beobachten am Scherenfernrohr u. die ersten Tage mit Schneeschaufeln ausgefüllt. Der Wind wehte uns fast völlig mit Schnee zu. Das also war mein Weihnachten, um das ich wegen der Sonderzuteilung beneidet wurde. Nun ist wieder Alltag u. das große Warten auf bessere Tage hat wieder begonnen. Einmal muss ja auch hier bei uns alles wieder seinen normalen u. geregelten Gang gehen. Aber wann? Prosit Neujahr! Freitag, den 1. Januar 1943. Prosit Neujahr! Das Heil möge mit uns sein! Mittlerweile sind auch die letzten Tage des alten Jahres abgelaufen. Ein Neues ist angebrochen, ein Jahr, dem all unsere Hoffnungen gelten. Als es 12 Uhr war, griffen wir zu unseren Bechern, die Bohnenkaffee enthielten, stießen an, wünschten uns alles Gute u. gedachten Euch zu Hause. Wir schlossen Euch mit ein in unsere Wünsche u. Hoffnungen, sahen in den Schein unserer 4 Kerzen am Adventskranz u. fühlten, dass auch Ihr an uns dachtet. Gibt es eigentlich eine Entfernung in solchen Augenblicken? Nein! Irgendwo im unendlichen Raum treffen sich unsere Gedanken u. die Verbindung ist da. Nun sind die Kerzen niedergebrannt. Und meine erste besinnliche Minute sei Dir u. unserem Buben geweiht. Wie könnte es auch anders sein. Seid Ihr beiden doch mein Liebstes u. Teuerstes, was ich habe. Es brannten 4 Kerzen – Erloschen ihr schwankendes Licht. Was einmal gebrannt im Herzen, Das leuchtet, verlöschet nicht. Dieser kleine Vers mag Dir zeigen, dass ich noch der Alte bin, wenngleich mich der Ernst der Zeit und die manchmal schweren Stunden haben nüchtern werden lassen. Man muss es hier draußen werden u. auch sein. Wie sollte u. wie wollte man sonst den Anforderungen der Augenblicke u. Stunden gewachsen sein? Die Nüchternheit gehört hier zur Selbsterhaltung, u. es ist besser, man baut wie eine Schnecke um seine 226 Letzte Lebenszeichen II Weichteile eine harte Kruste, als dass man durch die Rauheit der Umwelt Schaden erleide. Im Innern aber bleibt man sich gleich. Ich jedenfalls bin es geblieben. Ich sehe und spüre es an Dingen, die urplötzlich über mich kommen. Mit etwas mehr äußerlicher Ruhe könnte ich sogar an meinen Arbeiten fortfahren, ein Zeichen auch dafür, dass sie echt u. wahrhaftig sind. Denn auch der Kriegszustand – immerhin nur eine kleine Spanne Zeit [in] Anbetracht der großen Aufgaben, die unser harren u. an deren Lösung wir arbeiten – könnte ihnen den Wert nicht nehmen. Ja, mir will es scheinen, als erhielten meine Arbeiten durch den Krieg erst ihren richtigen Wert. Und nun zum neuen Jahr. Es ist angebrochen. Mit Lichtgeschwindigkeit rollt es bereits ab – unaufhaltsam. Wir verweilen zwar u. warten – weil wir Menschen sind auf unsere höchsten Augenblicke – doch es rollt u. rollt. Und das Schicksal hält Schritt. Es tritt neben uns u. hält uns die Hand. Haben wir deshalb Vertrauen zu ihm, lassen wir uns führen. Mag auch die Zeit hineilen, wohin sie will, wir sind behütet, besser behütet, als wenn wir selbst Schicksal spielen wollten. Darum möchte ich Dir heute ein paar Verse, die ich Gebet nenne, mitteilen, die ich in einer Stunde erlebte, als ich im Erdloch lag u. den Kopf nicht heben konnte. Dieses Gebet möchte ich an den Jahresanfang stelle. Gebet! Oh Mutter Erde! Ich glaube an Dich und das Gewaltige, welches um Dich ist bei Tag und Nacht! – Nun erst im Branden der Geschosse, wenn Du erbebst vom Schlag getroffen berstender Granaten, Dein Mund sich öffnet wie in Weh und Leid, erkenn’ ich Deine Macht und Größe, die ewig in sich selber ruht. Und fühle tief in Deinem Schoß gebettet, dass ich nur Erde aus Deinem Atem bin. Ein Hauch – nicht mehr! Du hast ihn mir gegeben als Kraft und Glaube an der Sonne Sieg, die Deinem Haupt das güldne Diadem, die Strahlenkrone Deiner Heiligkeit verliehen und Deine Stirne durch einen Schwesterkuss geweiht. – Erhabene! Erhöre mein Gebet. Gewähre Deinem Sohne in schicksalsschweren Stunden wie bisher Schutz u. Schirm, damit am Ende er von Deiner Gnadenhand gesegnet, in Deinem Lichte stehend, erfüllt vom letzten Sinn zur Zeit des Sonnenuntergangs zu Deiner und der Gottheit Ehre noch immer trunken beten kann: Ich glaube an Dich und das Gewaltige, welches um Dich ist bei Tag und Nacht. O meine Mutter Erde! Briefe aus dem Krieg 227 Damit will ich schließen. Meine letzte Marke verleiht dem Brief hoffentlich Schwingen, damit ich bald Antwort bekomme! Will ich doch wissen, ob unser Bub wieder gesund u. wie es Dir geht. Und um eines bitte ich Dich noch: Schreibe, wenn Du von mir Post bekommst, sofort meinen Eltern, da ich nicht so viel Marken habe u. nicht so viele Briefe abgeben kann. Deinen Brief vom 17.11. habe ich auf Weihnachten erhalten. Er brachte Unruhe wegen Volker, aber trotzdem brachte er auch Freude. Hoffentlich habe ich Anfang Februar mal das Glück, vielleicht aber auch erst Ende Februar, den Hoffnungsvollen endlich, endlich zu sehen. Mit einem Kuss u. dem Wunsche, dass uns Heil widerfahren möge, sei der erste Brief im neuen Jahr abgestoßen. Dein Seppl! Erfreuliche Nachricht: Es besteht Aussicht, dass bis in 10 bis 14 Tagen unsere Weihnachtspost anrollt! 228 Letzte Lebenszeichen II Fritz Winhard Eingesandt von Eberhard Delles (Neffe) Fritz Winhard, geboren am 9. April 1916 ist seit dem 3. März 1942 in Russland vermisst. Brief an die Familie Russland, den 25. Februar 1942 Meine Lieben! In letzter Zeit bekomme ich immer viel Post auf einmal. So auch gestern wieder. Alte und neue Post vom November und von Ende Januar kam etwas. Also alles durcheinander. Aber die Hauptsache ist mir, wenn’s nur kommt und nicht verlorengeht. Unter anderem kam gestern der Brief No. 5 vom 28.1., Passfoto: Fritz Winhard, 1939 mehrere Zeitungen und die Karte von Hubert. Ich danke wieder recht vielmals dafür. Von der Wollsammlung haben wir da hier vorne nichts bekommen. Ist ja alles Schwindel, die, welche so was wirklich brauchen würden, bekommen so etwas einfach nicht, weil zuerst die von weiter hinten alles wegschnappen. Aber den größten Winter haben wir nun schon überstanden, es ist schon bedeutend wärmer. Den Rasierapparat brauche ich nicht momentan. Es gehen schon wieder so Gerüchte bei uns um, dass wir doch bald aus dem Kampf gezogen werden sollten und dann nach Deutschland kommen würden. Aber es hat halt schon so oft so geheißen und war nie wahr. Vielleicht stimmt’s aber diesmal doch, recht wäre es, ich könnte mir gar nichts Schöneres wünschen. Nun für heute wieder alles Gute und vielleicht doch auf ein baldiges Wiedersehen. Euer Fritz Familienbild von 1930/1931: Familie Winhard, v. l. n. r.: Ernst (Bruder), Großmutter, Hubert (Bruder), in der Mitte stehend: Fritz Winhard, Maria (Schwester), Eltern Briefe aus dem Krieg 229 230 Letzte Lebenszeichen II Z „Noch sind wir am Leben, aber wir werden es kaum erhalten: Überall um uns der Feind.“ Dr. Joachim Zoller an seine Ehefrau. Gefallen am 31. Januar 1945. Briefe aus dem Krieg 231 Dr. Joachim Zoller Eingesandt von Dr. Rainer Zoller (Sohn) Joachim Zoller wurde am 15. März 1901 in Königszelt/Schlesien geboren. Er war Gefreiter in der 548. Volksgrenadierdivision. Der Tag seines Todes ist nicht genau bekannt. Er soll am 31. Januar 1945 bei KleinNorgau/Samland in Ostpreußen gefallen sein. Joachim Zoller, Leipzig 1943 Joachim Zoller mit seinen Kindern, Pfingsten 1941, Leipzig 232 Letzte Lebenszeichen II Letzte Feldpostkarte an die Familie Ostpr., 29.1.1945 Liebste Mutti! Noch sind wir am Leben, aber wir werden es kaum erhalten: Überall um uns der Feind. Bleib stark und sei den Kindern treu! Tragt alles gemeinsam, Sein oder Nichtsein. In der höchsten Not hast Du das Recht, über Dich und die Kinder zu verfügen. Ich werde keiner Gefahr ausweichen, aber Unerträgliches nicht ertragen. In Liebe immer Dein und Euer Vati Das Foto zeigt das Ehepaar Zoller, aufgenommen im Sommer 1939 während ihres Jugoslawien-Urlaubs. Briefe aus dem Krieg 233 Anhang 234 Letzte Lebenszeichen II ALPHABETISCHES VERZEICHNIS DER EINSENDER Wir danken allen, die uns ihre privaten Unterlagen (Fotos, Briefe etc.) zur Veröffentlichung anvertraut haben! Berge, Karl Biedenbänder, Horst Borschert, Joseph Braun, Inge Buhl, Carolin Delles, Eberhard Demant, Arno Dietrich, Ralf Fögeling, Walter Friderichs, Alfons Friese, Irene Funke, Andrea Gabler, Johann Gebhardt, Elke Gerull, Ute Geveler, Horst Goebel, Ernst-Theo Gruber, Erika Gumpinger, Margit Jurk, Ruth Kampert, Heinrich Keller, Manfred Kittan, Karl Heinz Korfmacher, Ludger Kowalewski, Helmut Krügner, Horst Lallinger-Bronberger, Elisabeth Lambertz, Dr. Albert Meier, Klaus Michel, Ursula Möckel, Günther Müller, Karl 14 16 19 180 89 229 24 27 32 35 39 47 52 74 61 66 70 116 115 200 84 86 87 92 95 102 104 108 112 78 118 178 Noebe, Walter Ohly, Gisela P. , E. Panteleit, Karl-Heinz Pfeiffer, Dr. Stefan Pohl, Heidi Proßl, Sylvia Rauh, Bernd Remy, Hans Riecke, Daniel Sandhack, Klaus Schmoll, Lothar Schön, Dr. Dieter Schröer, Josef H. Staats, Ursula Stadelmaier, Julia und Katharina Steinberg, Dietmar Straub, Alfred Strugalla, Klaus Thyssen, Conrad R. Torlach, Suse Treichel, Hans Tschäpe, Dr. Martina Viebrock, Hans-Adolf Voigt, Guntram Waldeck, Ida Weinländer, Waltraut Weber, Karl-Heinz und Inge Wille, Dr. Volker Woll, Marina Zessin, Rosemarie Zoller, Dr. Rainer 122 204 130 126 185 141 81 144 154 224 160 170 175 176 165 98 190 193 195 206 54 209 69 218 156 134 166 222 225 172 209 232 Briefe aus dem Krieg 235 BISHER IN UNSERER VOLKSBUND-BUCHREIHE ERSCHIENEN Bücher für Freunde und Förderer Herausgegeben vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Band 1 Erzählen ist Erinnern Kurzgeschichten aus 80 Jahren Volksbund Kassel 1999 240 Seiten Band 2 vergriffen Schicksal in Zahlen Informationen über die weltweite Arbeit des Volksbundes und Verzeichnis der deutschen Kriegsgräberstätten Kassel 2000 240 Seiten Band 3 Vor Leningrad Wolfgang Buff – Kriegstagebuch Ost 29. September 1941 – 1. September 1942 Kassel 2009 120 Seiten Band 4 Menschen wie wir ... Teil I Erinnerung an geliebte Menschen Kassel 2001 240 Seiten Band 5 Menschen wie wir ... Teil II Erinnerung an geliebte Menschen Kassel 2002 240 Seiten Band 6 Weihnachtsgeschichten aus schwerer Zeit (1) Erzählt von Freunden und Förderern des Volksbundes Kassel 2009 240 Seiten Band 7 vergriffen Schicksal in Zahlen Informationen über die weltweite Arbeit des Volksbundes und Verzeichnis der deutschen Kriegsgräberstätten Kassel 2004 240 Seiten Band 8 Stille Nacht, Heilige Nacht Weihnachtsgeschichten aus schwerer Zeit (2) Kassel 2005 240 Seiten Band 9 „Krieg ist nicht an einem Tag vorbei!“ 60 Jahre Kriegsende – Erlebnisberichte von Mitgliedern, Freunden und Förderern des Volksbundes Kassel 2005 240 Seiten Band 10 Narben bleiben Die Arbeit der Suchdienste – 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Kassel 2008 240 Seiten 236 Letzte Lebenszeichen II Band 11 Unter den Sternen Weihnachtsgeschichten aus schwerer Zeit (3) Kassel 2009 240 Seiten Band 12 Namen für Rossoschka Schicksale aus Stalingrad Kassel 2007 240 Seiten Band 13 Niemand, den man liebt, ist jemals tot Spurensuche nach deutschen Gefallenen Kassel 2009 240 Seiten Band 14 Treibgut des Krieges Zeugnisse von Flucht und Vertreibung der Deutschen Kassel 2008 240 Seiten Band 15 Der Frieden braucht viele kleine Schritte Pressefahrten des Landesverbandes Bayern 1955 – 2008 Kassel 2009 240 Seiten Band 16 Frieden hat seine Zeit Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen – Kurzgeschichten, Zitate und Gedanken über eine friedliche Welt Kassel 2009 240 Seiten Band 17 Letzte Lebenszeichen Briefe aus dem Krieg Kassel 2010 240 Seiten Band 18 Kriegskinder Kinder im Krieg Kassel 2011 240 Seiten Band 19 Nichts ist vergessen Gespräche mit deutschen und russischen Kriegsteilnehmern Kassel 2012 192 Seiten Band 20 Letzte Lebenszeichen II Briefe aus dem Krieg Kassel 2013 240 Seiten Briefe aus dem Krieg 237 ? 238 Letzte Lebenszeichen II ? Briefe aus dem Krieg 239 IMPRESSUM Letzte Lebenszeichen II Briefe aus dem Krieg Herausgegeben vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Werner-Hilpert-Straße 2, 34112 Kassel Tel.: Fax: E-Mail: Internet: Spendenkonto: 0561 - 7009 - 0 0561 - 7009 - 221 [email protected] www.volksbund.de IBAN: DE23520400210322299900 BIC: COBADEFFXXX Verantwortlich: Redaktion: Rainer Ruff, Generalsekretär Brigitte Rathmann unter Mitwirkung von Silke Carl René Strack Gestaltung/Satz: Druck: GGP Media GmbH, Pößneck 2013-31 Gefördert durch: Stiftung Gedenken und Frieden 240 Letzte Lebenszeichen II Lützowufer 1, 10785 Berlin www.GedenkenundFrieden.de [email protected] Tel.: 0800 - 7777 - 001 Fax: 0561 - 7009 - 221