Zielkonflikte oder Machtkonflikte? Streitkultur bei Wikipedia

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Zielkonflikte oder Machtkonflikte? Streitkultur bei Wikipedia
Wikipedia Guide-Camp 2014
1
Benno Heussen
Zielkonflikte oder Machtkonflikte?
Streitkultur bei Wikipedia
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Warum gibt es Konflikte zwischen
Wikipedianern
und wie lösen wir sie?
2
– Wikipedia ist doch eine hierarchiefreie Zone!
– Oder verstecken die Hierarchien sich nur ?
– Wenn ja: warum tun sie das?
– wenn nein – wie kommen dann Konflikte zu Stande?
– Und warum funktionieren die
Konfliktregelungssysteme nicht immer?
– Was kann man besser machen?
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Eine mögliche Antwort
3
– das Bestehen verdeckter Machtverhältnisse in
offenen Systemen
- das soziale Gesetz vom Geben und Nehmen fordert
beim Austausch von Meinungen und Informationen
gegenseitigen Respekt (wird oft vernachlässigt)
- Fehleinschätzung der Rolle der Gefühle beim
Konfliktmanagement
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Konfliktzonen in der Gelehrtenrepublik
Streit um sachliche, auch politische Positionen
Streit um Status , Rang ,Rollen und Interessen
Persönlicher Streit zwischen Personen
– Autoren mit anderen Autoren
– Autoren mit Administratoren+ Mediatoren
– Administratoren mit Administratorenetc.
– Portale mit anderen Portalen
– Autoren, Administratoren, Portale etc.
mit dem Verein
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
4
Konflikt Arten
5
Sachkonflikte
1.
2.
3.
4.
Ziele
Beurteilung/Wahrnehmung
Information
Methoden
Beziehungskonflikte
5.
6.
7.
8.
Rollen
Konkurrenz
Verteilung
Macht
Wertekonflikte
9.
10.
Bewertung
Kultur
Persönliche Konflikte
Honoré Daumier, Zwei Anwälte und der Tod, 19.Jh
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Konfliktarten
6
Zielkonflikt: Die Beteiligten streben unterschiedliche Ziele an.
Beurteilungskonflikt: Die Beteiligten schätzen die Situation sowie Ursache und Wirkung
unterschiedlich ein.
lnformationskonflikt: Die Beteiligten verfügen über unterschiedliche Informationen und
akzeptieren die Informationen der andern nicht: Informationen werden zurückgehalten
bzw. gezielt eingesetzt; es fehlt an Transparenz; Informationsquellen werden diffamiert;
die Zuverlässigkeit der Information wird angezweifelt.
Methodenkonflikt: Die Beteiligten haben - trotz Einigkeit über die Ziele Meinungsverschiedenheiten über den Weg zur Zielerreichung.
Rollenkonflikt: Die gegenseitigen Erwartungen der Beteiligten sind nicht komplementär.
Konkurrenzkonflikt: Rivalitäten zwischen Menschen und Gruppen um Status, Macht und
materielle Vorteile, die mit persönlichen Antipathien vermischt sind.
Verteilungskonflikt: Die Beteiligten sind sich nicht einig über die (gerechte) Verteilung eines
nur beschränkt verfügbaren Gutes.
Bewertungskonflikt: Die Beteiligten haben verschiedene, unvereinbare Wert- und
Glaubensvorstellungen.
Kultur– und Stilkonflikt: Die Beteiligten sind sich unsympathisch, weil sie das Verhalten des
anderen befremdet, verunsichert oder bedroht und dafür keine rationalen Erklärungen
zur Verfügung stehen.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Machtkonflikt: Hinter der Fassade aller anderen Konfliktarten steckt im Kern immer ein – von
den Beteiligten oft nicht erkannter, gelegentlich aber bewusst verschleierter –
Machtkonflikt
Konflikte drehen sich immer um
Machtdifferenzen
7
»Macht ist jede Chance, innerhalb einer sozialen
Beziehung den eigenen Willen auch gegen
Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf
diese Chance beruht.« (Max Weber)
Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie (1922), Mohr Siebeck Studienausgabe 5. Auflage 2002, § 16
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Macht steuert soziale Beziehungen, auch wenn sie nicht
bewusst benutzt oder wahrgenommen wird
Raum:
Mach mir Platz.
Zeit:
Meine Zeit ist kostbarer als Deine.
Handlung:
Du tust, was ich Dir sage.
Information:
Was Du wissen sollst, entscheide ich.
Kommunikation:
Lerne meine Sprache.
Sachliches und geistiges Eigentum :
Was Dein ist, bestimme ich.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
8
Das Problem verdeckter Führungsstrukturen:
9
Unsichtbare Machtverhältnisse lassen sich nicht
kontrollieren
Organisationen bleiben nur stabil, wenn sich
offene oder verdeckte Führungsstrukturen
(Macht, Status, Rolle, Kompetenz, Engagement)
bilden, die allgemein akzeptiert und gesichert werden.
In Organisationen, die Gleichrangigkeit als hohen
kulturellen Wert ansehen, – besonders bei
ehrenamtlichen Tätigkeiten (ADAC, DFB, Rotes
Kreuz, Wikipedia) – bilden sich diese Strukturen
teilweise unterhalb der Oberfläche.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Zwei typische Gegensatzpaare:
CDU und GRÜNE
Brockhaus und Wikipedia
Die sechs Regeln der Macht
1. Macht macht süchtig. Am stärksten ist die Sucht nach Anerkennung, nicht nach: Reichtum, Wissen, Glück ect.
2. Macht ist moralisch neutral (auch gute Menschen brauchen Macht), aber sie tendiert – oft hinter geeigneter Maskierung – zur Arroganz.
3. Macht erzeugt Differenzen und erfordert Widerspruch oder Anpassung – Logik und Gefühle liegen im Streit.
4. Macht findet ihre Grenze nur in anderer Macht – z.B. Konkurrenten, Rechtssystemen, religiösen oder magischen Gegenkräften. Der größte Feind der Macht ist sie selbst.
5. Streit wird – über den konkreten Anlass hinaus – immer (auch) um Macht, Rang, Status und Rolle geführt, und meist durch verletzte Gefühle ausgelöst.
6. Nur die Lösung des Machtkampfes beendet den Streit.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
10
Konfliktmanagement bei Wikipedia
11
– Gespräche zwischen Autoren
– Entscheidungen in Redaktionskonferenzen
– Diskussionen in Barcamps
– Tätigkeit der Administratoren
– Vorschläge von Mediatoren
– Anrufung des Vermittlungsausschusses
– Einschaltung des Ombudsmanns
– Zulassung mehrerer Versionen
– Löschungsantrag
---------------------------------– Konfliktklärung im Verein bei Managementfragen
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Grundsätze für das Konfliktmanagement
Konfliktlösung braucht – im Unterschied zur
den Gefühlsausbrüchen, die das Verhalten in
Konflikten steuern, diese drei:
•
•
•
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Gefühlskontrolle
Fähigkeit zur Strukturierung
Kommunikationsbereitschaft
12
Grundsätze für das Konfliktmanagement
13
Fühlen, Denken, Handeln – Status, Rolle, Macht, Interessen
sind in jedem Menschen anders verknüpft.
Jedoch:
Spiegelneuronen (die eigene emotionale Erfahrungen speichern
und so die Emotionen anderer durch Vergleich mit den
eigenen Gefühlen begreiflich machen („spiegeln“), begründen
die Fähigkeit sich in andere hineinversetzen zu können.
(Rizzolatti 2008)
Aber:
Je gefühlsamputierter, desto weniger. Je weniger bekannt der
andere, desto schwieriger, je fremder, desto unmöglicher, es
sei denn aufgrund von gemeinsamer Erfahrung.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Grundsätze für das Konfliktmanagement
14
Warum ist die Kontrolle des Gefühls so schwierig?
„Erziehung des Gefühls“ (Gustave Flaubert) ist durch bloße
logische Einsicht nicht möglich.
Vertrauen ist das Ergebnis von Erfahrungen,
nicht von Wissen.
Streit entsteht aus der Entwicklung von Misstrauen
und das Hin und her zwischen Vertrauen (als
Hoffnung) und Misstrauen als (Erfahrung).
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Grundsätze für das Konfliktmanagement
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Verstand und Logik brauchen
Gefühle
für Entscheidungen und ihre
Durchsetzung
»Argumente sind Geräusche«
Georg Macioszek: Chruschtschows Dritter Schuh 2012
Gerd Gigerenzer: Bauchentscheidungen (2007)
Thaler/Sunstein: Nudge – wie man kluge Entscheidungen anstößt(2008)
Hofstadter/Sander: Die Analogie – das Herz des Denkens (2014)
Welcher Typ bin ich? www.testedich.de
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Gruppendynamik von Konflikten
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Konflikte um divergierende Interessen strahlen immer in
die umgebenden Netzwerke aus und berühren die
Interessen anderer Personen und Gruppen
1. Familie (im Sinne der Großfamilie)
2. Nachbarn (in Japan: 5 Häuser),
3. Arbeitsbeziehungen und Verbindungen aus anderen
Tätigkeiten ( Vereine/soziale Engagements/ Wikipedia)
4. Gemeinde/Stadt/Stämme (Bayern/Preußen/Sachsen)
5. Nation/Nationenverbund (Deutschland/Europa)
Gruppen erkennt man an einheitlichen Stilelementen
(Sprache, Uniform, Sportkleidung, Haarschnitt, Anzug, Rolex,
Maßschuhe, Outfit von Punks……haben Wikipedianer einen
einheitlichen Stil?)
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Das soziale Grundgesetz vom
Geben + Nehmen
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– bestimmt unerbittlich jeden Aspekt des sozialen
Lebens und gilt vor allem bei:
– Kooperationen » do ut des « (Plan A)
– Konflikten »wie du mir so ich dir«(Plan B)
– Kompromissen »mein Verzicht gegen deinen Verzicht«
Das Verhältnis von Geben und Nehmen prägt
immer die Machtstrukturen und jede Veränderung
verändert auch die Machtverhältnisse.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Unterschiedliche Strategiemodelle
– Harvard Konzept
http://de.wikipedia.org/wiki/Harvard-Konzept
– Friedrich Glasl : 4-Achsen-Modell
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Glasl
– Friedemann Schulz von Thun
http://de.wikipedia.org/wiki/Vier-Seiten-Modell
– Benno Heussen – Sechs-Phasen-Modell
Wenn schon - denn schon - Streiten - aber richtig. Von Machiavelli lernen: Intelligente
Konfliktbewältigung [e-book] 2014
Und viele andere
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
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4-Achsen-Modell oder U-Prozess (nach Glasl)
Fakten und
Wahrnehmungen
Lösungen
Optionen
Wer
Was
Wann
Wie
(Konfliktanalyse)
Abkürzung nicht
hinreichend,
aber beliebt
Interessen
Bedürfnisse
Gefühle
Eigene und die der Konfliktpartner
Angst
Interesse
Sorge
Freude
Lust
Wut
Neid
Enttäuschung
Trauer
19
Was ist mir wichtig?
Was ist Dir wichtig?
Was will ich?
Was willst Du?
Herzlichkeit
Liebe
Neugierde
Emotionaler
Wendepunkt
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
TALK-Modell
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(Begriff : Neuberger – ähnlich Schulz von Thun)
Tatsachen :
Sachebene
– Es ist…
Kontakt:
Ausdruck:
Beziehung
– Wir sind…
Selbstdarstellung
– Ich bin…
Lenkung:
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Appell
– Du sollst…
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Das „Harvard-Konzept“ (Fisher, Ury, Patton - 1981)
Beziehungsprobleme
nein
ja
ja
Positionen
nein
Gemeinsame
Interessen?
ja
nein
Widersprechende
Interessen?
ja
Bereinigen
Dahinter liegende
Interessen erkennen
Optionen entwickeln
nein
Objektive Kriterien
suchen
ja
Bessere Alternativen?
Nicht abschließen
ja
nein
Abschließen
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Das Drehbuch der Konflikte im
6 – Phasen – Modell
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1. Feuer auf dem Dach
2. Panik und Gerede
3. Die Brücken werden verbrannt
4. Krieg
5. Verhandlung
6. Sieg, Niederlage, Vergleich
Der Unterschied zu anderen Modellen:
Es geht nicht nur um gutes Verhandeln, sondern es entstehen Ablaufmodelle
für Konflikte, die zeigen:
Guter Wille allein reicht nicht, um Frieden zu schaffen, man braucht auch
gutes Projektmanagement – und zwar im Bewusstsein:
Krieg ist denkbar!
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategien: 1. Feuer auf dem Dach
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–wenn der Konflikt offen ausbricht–
Tief durchatmen, Zeit gewinnen (den Raum verlassen, schlafen, „Aha“ sagen )
Sich entschuldigen, weil das Ziel den Streit nicht wert ist
(asiatischer Weg: Scham und Schande gilt es zu vermeiden)
In Europa ist es eher Schuld und Sühne, wo Entschuldigungen keine Rolle spielen
.
Schnell entscheiden,
nicht laufen lassen,
nicht warten, dass sich der Konflikt über die Zeit löst (aussitzen, es sei denn dies
wäre die strategische Entscheidung)
Die schnelle Entscheidung soll dafür sorgen, Handlungsmöglichkeiten zu
erweitern:
1.
2.
3.
4.
5.
Flüchten oder Standhalten: Standhalten ist gut um Zeit zu gewinnen, wenn
man den Konflikt nicht ignorieren kann.
Ignorieren - In die Leere laufen lassen
Umgehen – auf einen anderen nahen Termin vertagen
Sofort offen bekämpfen
Partisanenkrieg (sofort verdeckt bekämpfen) im Hintergrund die Fäden
ziehen, alle Taktiken gleichzeitig einsetzen – übliches Verfahren in der
Politik
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 2. Panik und Gerede
24
Wenn alles durcheinander geht
Entweder:
– Erstmal drauf hauen, dann nachdenken
Geschehen Ding hat Verstand (Niccolo Machiavelli)
– In Gefahr und höchster Not, ist der Mittelweg der Tod
(Alexander Kluge)
Oder:
– Positionen sichern
– Abstand entwickeln zu sich und anderen
– Strategien entwickeln, die zur Verhandlung führen können
Machiavelli: Wer keinen Plan B für Krieg hat, kann
Plan A für Frieden nicht wirksam durchsetzen.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 2. Panik und Gerede
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In dieser Phase beginnt die Streitkultur Einfluss zu nehmen:
Es existiert in jeder Kultur ein Set von Regeln, die man kennen (lernen) sollte.
Auch über den eignen Charakter sollte man Bescheid wissen
Verhandlungstypen: Kämpfer, Stratege, Schauspieler
Mancher Streit kann nicht geklärt werden, weil auch die Unterhändler/Vermittler
sich nicht leiden können.
Drohungen und Beleidigungen helfen nicht weiter: sie schwächen nicht den Feind,
sondern machen ihn wütend, weil er sein Gesicht verliert, wenn er nachgibt .
Trotzdem Zorn, therapeutisch einsetzen :
er ist ja da, aber er muss gezielt eingesetzt werden, z. B.
um die Gegenseite auf die Ernsthaftigkeit des Streits aufmerksam zu machen.
Wichtigster strategischer Ansatz:
Den Streit aus der Perspektive des Gegners zu betrachten
Destruktiver Stil führt zu kurzen Ehen (Gottmann 1999)
Tests bei Verlobten verglichen mit Ehedauer; Voraussage zu 91 Prozent korrekt.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 2. Panik und Gerede
26
Schon die 2. Phase braucht Konflikmangement:
•
•
•
•
•
•
•
•
Kann ich das Problem selbst lösen?
Wo muss ich mir Rat holen?
Habe ich die finanziellen Mittel auch einen längeren Konflikt durchzuhalten?
Welche Strategien kommen in Frage?
Welche Informationen brauche ich und welche muss ich en Beratern geben?
Wie sind die Risiken zu bewerten?
Welcher Zeitrahmen steht zur Verfügung?
Wer tut was-wann-wo- und warum?
Management = Fragen stellen, zuhören, entscheiden, durchsetzen
Verantwortung für den Konflikt übernehmen:
•
Weil kein Konflikt ohne einen selbst entstehen kann (sonst hätte man keinen)
•
Weil Konflikte entstehen können, wie Krankheiten – aufgrund von
Konstellationen und nicht von bewusster Böswilligkeit
•
Weil nur mithilfe von Verantwortungsübernahme (eigene) unsinnige
Entscheidungen und Handlungen vermieden werden können
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 3. Brücken werden verbrannt
•
•
•
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Dann wird nicht mehr miteinander geredet oder gar geschrieben (ganz
verboten in dieser Phase), weil Munition für den Gegner.
Rückzug ins Innere und Klärung der inneren Fronten vor dem offenen Angriff.
Das System wird zunehmend selbstreferentiell und stabilisiert sich, bleibt
„dumm“, will nicht lernen und lernt nichts über den Konflikt hinzu.
Nur, wenn nicht mehr gehandelt wird, kann verhandelt werden.
Da direkte Verhandlungen unmöglich: Berater engagieren, Vermittler einschalten,
Aufbau von Strategien: Das Gefühl neigt nicht dazu, negative Folgen zu bedenken
und in die Zukunft hochzurechnen.
In dieser Phase heißt Strategiebildung eins von diesen:
•
•
•
•
•
Flüchten
Sofort anerkennen
Abwarten und wach bleiben
Standhalten:
Aufrüsten: si vis pacem, para bellum (wenn du Frieden willst, musst du
kriegsbereit sein)
Koalitionen bilden
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 4.Krieg
28
Lügen in Zeiten des Krieges: Warum lügen wir?
•
•
•
•
Lügen heißt: durch Reden oder Schweigen etwas anderes
behaupten, als man selbst weiß.
Lügen sind für unsere sozialen Beziehungen unverzichtbar, z.B.
um wertgeschätzte Menschen in Konfliktsituationen nicht zu kränken.
In Notwehrsituationen, um unangemessene Forderungen
stillschweigend abzuwehren.
Lügen werden aber auch eingesetzt, um unlautere Erfolge zu erzielen,
die mit der Wahrheit nicht erreichbar sind. Sie bleiben erfahrungsgemäß
lange sanktionslos. Lügen haben oft eine Chance, sich durchzusetzen,
weil die dahinterliegenden Tatsachen nicht bewiesen werden können.
Lügen stärken das Selbstbewusstsein sogar dann, wenn sie widerlegt
sind.
Aber: Nichts zerstört Vertrauen mehr als die aufgedeckte Lüge!
Folge: nur die offene Korrektur der Lüge und die Entschuldigung
ermöglichen neues Vertrauen !
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 4.Krieg
29
Wenn Krieg unvermeidlich ist:
Divide et impera – Teile und Herrsche,
Sieh zu, dass es keine Koalitionen gibt,
oder wenn doch, dann zerstöre sie:
betrachte jeden Koalitionsteilnehmer
als individuellen Gegner und gehe auf seine
Interessen ein, die oft genug nichts mit denen der
Koalition zu tun haben.(Niccolò Machiavelli)
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Grundsätze für das Konfliktmanagement
Wenn: Krieg der Vater aller Dinge ist (Heraklit)
Dann : ist Kooperation ist die Mutter aller Dinge
(so die Neuro- und Evolutionsbiologen)
Michael Tomasello : Warum wir kooperieren (2010)
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
30
Strategie: 5. Verhandlung
31
5 Bedingungen für die dauerhafte Konfliktlösung
1.
2.
3.
4.
5.
Jede Seite glaubt der anderen
(bis zu einem gewissen Mass), dass der Konflikt wirklich
beendet werden soll und die Verhandlungen nicht nur der
Gewinnung taktischer Vorteile dient.
Der Stil, in dem die Verhandlung geführt wird,
reißt keine neuen Konflikte auf.
Der Inhalt der Vereinbarung erfüllt das Minimum dessen,
was jede Seite sich vorstellt.
Der Vereinbarung gelingt es,
auch die hinter dem Konflikt stehenden Rang- und
Machtfragen neu zu ordnen oder zu bestätigen.
Die Vereinbarung muss die Parteien
auch emotional zufrieden stellen.
.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 5. Verhandlung
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Verhandeln ist ein soziales Ritual
mit eigenen Regeln:
Man sitzt Leuten gegenüber, mit denen man nichts zu
tun haben will, die man aber weder umbringen noch
ignorieren kann, noch kann man ihnen ausweichen.
Daher ist der Verhandlungsstil so entscheidend
und entsprechend kulturell und/oder rechtlich oder
über eigene Verfahrensregeln (etwa in der
Schlichtung oder Mediation) reguliert.
Bismarck zu einem Diplomaten: »Wenn sie in dieser Sache ein Ergebnis haben wollen, schicken sie mir
jemand anderen«.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 5. Verhandlung
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Drei Faustregeln für Verhandlungen:
– erst Fragen
– dann Feststellen
– dann Fordern
Die meisten Leute machen das in der falschen
Reihenfolge : Sie fordern, ohne die Gegenposition
zu kennen.
Grundregel: Wer als erster einen Preis fordert, hat
schon verloren !
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 5. Verhandlung
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Schon bei der Organisation der Verhandlung gibt es Unterschiede, die Macht
und Ohnmacht zu Tage treten lassen:
•
•
•
•
•
•
•
•
Persönlichkeit der Verhandlungsführer
Entscheidungsmacht der Verhandlungsführer
Verhandlungsort
Sitzordnung
Tagesordnung
Sprache
Verpflegung
Technische Organisationsbedingungen
Im Grunde gilt die alte Moderationsregel: Die Bedingungen dürfen die Inhalte
nicht behindern und die Konzentration auf Gegenstandsfernes lenken - weder
intellektuell noch gefühlsmäßig (Störungen haben Vorrang)
Ich-Botschaften = Respekt ist auch gegenüber schwierigen Menschen die
wichtigste Regel (und ein gutes Beispiel für erlaubte Lügen)
Verhandlungen werden zu 80% durch Gesehenes/Erlebtes in der
Verhandlungssituation beeinflusst und nur durch 20% durch Argumente
(Klaus Balzer : Die Mc Kinsey Methode, 2000)
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 5. Verhandlung
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Gedacht ist noch nicht gesagt
Gesagt ist noch nicht gehört
Gehört ist noch nicht verstanden
Verstanden ist noch nicht einverstanden
Einverstanden bedeutet noch nicht angewandt
Angewandt heißt noch nicht erfolgreich angewandt
(Konrad Lorenz, (1903-89), österreichischer Verhaltensforscher, 1973 Nobelpreis)
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 5. Verhandlung
36
Zuhören
Erst fragen, dann fordern
Statt statements: Formulierung der Verhandlungsthemen und Visualisierung der Beziehungen.
Beim Verhandeln Argumente und Gefühle gleichzeitig ansprechen.
Verhandeln geht nicht ohne vorheriges Drehbuch schreiben.
Gewonnen werden Verhandlungen durch Ideen zur Belohnung oder Bestrafung des Gegners
(hier reicht bisweilen schon deren konkrete Darstellung)
Die Komplexität der Ideen zur Lösung muss mindestens so hoch sein wie die Komlexität des Problems.
Ashbys Law – William Ross Ashby 1903-1972= viele kleine interventionen
Ziel von Verhandlungen ist also immer: Die alternativen zu vermehren bzw. zu vergrößern
Misstrauen und Vertrauen:
Nicht misstrauisch sein: prüfen.
Dann ist Vertrauen eventuell da.
Das ist die Voraussetzung für die weitere Verhandlung.
Dietrich Dörner: Die Logik des Misslingens, 2003
Albert Thiele: Argumentieren unter Stress– wie man unfaire Angriffe erfolgreich abgewehrt – 2007
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 5. Verhandlung
37
Einer spricht, einer schreibt, einer schläft
(asiatische Verhandlungsweisheit)
Über das Gute des Schweigens
Wenn etwas nicht klappt oder man angegriffen wird :
Schweigen.
Es dauert nicht lang, bis die Gegenseite fragen wird:
wollen Sie nicht Stellung nehmen?
Immer noch schweigen, bis die Frage kommt:
warum antworten Sie nicht?
Nun gibt es zwei Möglichkeiten:
1. erklären, dass man sich angegriffen fühlt (ich-Botschaft)
aber man vermute ein Missverständnis: Bitte um Aufklärung.
2. auch auf diese Frage wird nicht geantwortet, sondern im
Inhalt weitergemacht – oder vorschlägt etwas an der
Verhandlungsform zu ändern (das vermittelt der Gegenseite,
dass sie sich im Ton vergriffen hat.)
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 5. Verhandlung
Bei schwierigen Verhandlungen hilft
Regeln:
•
•
•
•
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
38
die Auszeit mit folgenden
Unterbrechen, um Zeit zu gewinnen
(und Klarheit, Gefühle und Verstand ins Gleichgewicht bringen)
Die besten Alternativen festlegen
Verhaltensänderungen durchdenken
(Drohen, Irritieren, Vermittler bemühen, Tempo wechseln =
Interventionen planen)
Auffangpositionen vorbereiten(Plan B, Plan C…).
Strategie: 5. Verhandlung
39
Drohung darf nur gezielt und geplant eingesetzt werden, denn:
Selbst drohen ist unklug, zeigt die eigenen Schwächen und
bringt nichts ausser Verärgerung der Gegenseite und deren
heftige Reaktion. Besser: begrenzte Schläge austeilen, die
weitere eigene Möglichkeiten zeigen (Nadelstichpolitik)
Bei gegnerischen Drohungen „ausrechnen“ (Auszeit) was mehr
Schaden anrichtet: nachzugeben oder standhaft zu bleiben.
Und wie viel es einem ausmacht, die damit verbundenen
Folgen zu akzeptieren.
Da man das meistens nicht kann, hilft nur : Drohungen
ausweichen und wenn sie erfolgen, sie zu ignorieren
(so zu tun, als habe man sie nicht verstanden).
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Strategie: 5. Verhandlung
Was geschieht, wenn nichts geschieht
Strategie der Leere
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
40
Strategie: 5. Verhandlung
41
Salamitaktik vermeiden
Teilkompromisse sind unvermeidbar, aber:
Alle eigenen Teilzugeständnisse als Möglichkeiten,
Optionen deklarieren, und solche Optionen
dokumentieren und gegenüberstellen. Dies
geschieht über Formulierungen im Konjunktiv,
»Könnte, eventuell, möglicherweise« etc.am Ende:
Alle Gegenseitigen Zugeständnisse bilanzieren,
so den Wert der Kompromisse sichtbar machen
und erst dann entscheiden
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
6. Sieg, Niederlage, Kompromiss
42
Das Ergebnis von Verhandlungen:
Krieg, Sieg, Niederlage, Kompromiss
– oder gar nichts, weil nichts wirksam umgesetzt
wird.
Bei Verhandlungsstillstand: einfach vom Acker gehen,
oder den Konflikt unlösbar machen, weiter anheizen
etc.
Spieltheorie und Gefangenendilemma zeigen, dass
das Durchsetzen der eigenen Position langfristig
selbstschädigend ist. Kann die Gegenseite zu
dieser Erkenntnis bewegt werden?
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Der Versailler Vertrag 1919; Pariser Abkommen USA/Vietnam 1972; Oslo Friedensprozess
1993 Israel/Palästina
6. Sieg, Niederlage, Kompromiss
43
Wenn es keine Lösungen gibt, muß man ein
Verfahren entwickeln, in dem Lösungen möglich
werden, denn wenn die Kommunikation stirbt, stirbt
auch der Frieden:
– Vermittlung, Mediation, Schlichtung, Prozess
– noch einmal neu verhandeln
– Teilprobleme in die Ausschüsse
– objektive Kriterien für Entscheidungen entwickeln
– Teilprobleme durch Dritte entscheiden lassen
– formale Regeln: der eine teilt, der andere wählt.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
6. Sieg, Niederlage, Kompromiss
44
Der Vermittler hat nur eine wichtige Aufgabe:
die Kommunikation zwischen den Parteien
wiederherstellen.
Dr. Hejo Heussen
Konflikt+Macht
Der
Vermittler
muss
von
beiden
Seiten
gleichermassen
akzeptiert
sein
und
die
Perspektiven beider Seiten wahrnehmen können.
Das ist das Geheimnis seines Erfolgs.
Der Vermittler kann helfen, die fehlenden Elemente zu
erkunden, an denen die Verhandlung bisher
gescheitert ist, Es hilft selten, wenn er selbst mit
klugen Vorstellungen daherkommt, denn Modelle,
die die Parteien selbst nicht entwickeln können,
können sie auch nicht wirksam durchsetzen.

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