Zielkonflikte oder Machtkonflikte? Streitkultur bei Wikipedia
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Zielkonflikte oder Machtkonflikte? Streitkultur bei Wikipedia
Wikipedia Guide-Camp 2014 1 Benno Heussen Zielkonflikte oder Machtkonflikte? Streitkultur bei Wikipedia Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Warum gibt es Konflikte zwischen Wikipedianern und wie lösen wir sie? 2 – Wikipedia ist doch eine hierarchiefreie Zone! – Oder verstecken die Hierarchien sich nur ? – Wenn ja: warum tun sie das? – wenn nein – wie kommen dann Konflikte zu Stande? – Und warum funktionieren die Konfliktregelungssysteme nicht immer? – Was kann man besser machen? Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Eine mögliche Antwort 3 – das Bestehen verdeckter Machtverhältnisse in offenen Systemen - das soziale Gesetz vom Geben und Nehmen fordert beim Austausch von Meinungen und Informationen gegenseitigen Respekt (wird oft vernachlässigt) - Fehleinschätzung der Rolle der Gefühle beim Konfliktmanagement Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Konfliktzonen in der Gelehrtenrepublik Streit um sachliche, auch politische Positionen Streit um Status , Rang ,Rollen und Interessen Persönlicher Streit zwischen Personen – Autoren mit anderen Autoren – Autoren mit Administratoren+ Mediatoren – Administratoren mit Administratorenetc. – Portale mit anderen Portalen – Autoren, Administratoren, Portale etc. mit dem Verein Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht 4 Konflikt Arten 5 Sachkonflikte 1. 2. 3. 4. Ziele Beurteilung/Wahrnehmung Information Methoden Beziehungskonflikte 5. 6. 7. 8. Rollen Konkurrenz Verteilung Macht Wertekonflikte 9. 10. Bewertung Kultur Persönliche Konflikte Honoré Daumier, Zwei Anwälte und der Tod, 19.Jh Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Konfliktarten 6 Zielkonflikt: Die Beteiligten streben unterschiedliche Ziele an. Beurteilungskonflikt: Die Beteiligten schätzen die Situation sowie Ursache und Wirkung unterschiedlich ein. lnformationskonflikt: Die Beteiligten verfügen über unterschiedliche Informationen und akzeptieren die Informationen der andern nicht: Informationen werden zurückgehalten bzw. gezielt eingesetzt; es fehlt an Transparenz; Informationsquellen werden diffamiert; die Zuverlässigkeit der Information wird angezweifelt. Methodenkonflikt: Die Beteiligten haben - trotz Einigkeit über die Ziele Meinungsverschiedenheiten über den Weg zur Zielerreichung. Rollenkonflikt: Die gegenseitigen Erwartungen der Beteiligten sind nicht komplementär. Konkurrenzkonflikt: Rivalitäten zwischen Menschen und Gruppen um Status, Macht und materielle Vorteile, die mit persönlichen Antipathien vermischt sind. Verteilungskonflikt: Die Beteiligten sind sich nicht einig über die (gerechte) Verteilung eines nur beschränkt verfügbaren Gutes. Bewertungskonflikt: Die Beteiligten haben verschiedene, unvereinbare Wert- und Glaubensvorstellungen. Kultur– und Stilkonflikt: Die Beteiligten sind sich unsympathisch, weil sie das Verhalten des anderen befremdet, verunsichert oder bedroht und dafür keine rationalen Erklärungen zur Verfügung stehen. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Machtkonflikt: Hinter der Fassade aller anderen Konfliktarten steckt im Kern immer ein – von den Beteiligten oft nicht erkannter, gelegentlich aber bewusst verschleierter – Machtkonflikt Konflikte drehen sich immer um Machtdifferenzen 7 »Macht ist jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht.« (Max Weber) Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie (1922), Mohr Siebeck Studienausgabe 5. Auflage 2002, § 16 Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Macht steuert soziale Beziehungen, auch wenn sie nicht bewusst benutzt oder wahrgenommen wird Raum: Mach mir Platz. Zeit: Meine Zeit ist kostbarer als Deine. Handlung: Du tust, was ich Dir sage. Information: Was Du wissen sollst, entscheide ich. Kommunikation: Lerne meine Sprache. Sachliches und geistiges Eigentum : Was Dein ist, bestimme ich. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht 8 Das Problem verdeckter Führungsstrukturen: 9 Unsichtbare Machtverhältnisse lassen sich nicht kontrollieren Organisationen bleiben nur stabil, wenn sich offene oder verdeckte Führungsstrukturen (Macht, Status, Rolle, Kompetenz, Engagement) bilden, die allgemein akzeptiert und gesichert werden. In Organisationen, die Gleichrangigkeit als hohen kulturellen Wert ansehen, – besonders bei ehrenamtlichen Tätigkeiten (ADAC, DFB, Rotes Kreuz, Wikipedia) – bilden sich diese Strukturen teilweise unterhalb der Oberfläche. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Zwei typische Gegensatzpaare: CDU und GRÜNE Brockhaus und Wikipedia Die sechs Regeln der Macht 1. Macht macht süchtig. Am stärksten ist die Sucht nach Anerkennung, nicht nach: Reichtum, Wissen, Glück ect. 2. Macht ist moralisch neutral (auch gute Menschen brauchen Macht), aber sie tendiert – oft hinter geeigneter Maskierung – zur Arroganz. 3. Macht erzeugt Differenzen und erfordert Widerspruch oder Anpassung – Logik und Gefühle liegen im Streit. 4. Macht findet ihre Grenze nur in anderer Macht – z.B. Konkurrenten, Rechtssystemen, religiösen oder magischen Gegenkräften. Der größte Feind der Macht ist sie selbst. 5. Streit wird – über den konkreten Anlass hinaus – immer (auch) um Macht, Rang, Status und Rolle geführt, und meist durch verletzte Gefühle ausgelöst. 6. Nur die Lösung des Machtkampfes beendet den Streit. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht 10 Konfliktmanagement bei Wikipedia 11 – Gespräche zwischen Autoren – Entscheidungen in Redaktionskonferenzen – Diskussionen in Barcamps – Tätigkeit der Administratoren – Vorschläge von Mediatoren – Anrufung des Vermittlungsausschusses – Einschaltung des Ombudsmanns – Zulassung mehrerer Versionen – Löschungsantrag ---------------------------------– Konfliktklärung im Verein bei Managementfragen Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Grundsätze für das Konfliktmanagement Konfliktlösung braucht – im Unterschied zur den Gefühlsausbrüchen, die das Verhalten in Konflikten steuern, diese drei: • • • Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Gefühlskontrolle Fähigkeit zur Strukturierung Kommunikationsbereitschaft 12 Grundsätze für das Konfliktmanagement 13 Fühlen, Denken, Handeln – Status, Rolle, Macht, Interessen sind in jedem Menschen anders verknüpft. Jedoch: Spiegelneuronen (die eigene emotionale Erfahrungen speichern und so die Emotionen anderer durch Vergleich mit den eigenen Gefühlen begreiflich machen („spiegeln“), begründen die Fähigkeit sich in andere hineinversetzen zu können. (Rizzolatti 2008) Aber: Je gefühlsamputierter, desto weniger. Je weniger bekannt der andere, desto schwieriger, je fremder, desto unmöglicher, es sei denn aufgrund von gemeinsamer Erfahrung. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Grundsätze für das Konfliktmanagement 14 Warum ist die Kontrolle des Gefühls so schwierig? „Erziehung des Gefühls“ (Gustave Flaubert) ist durch bloße logische Einsicht nicht möglich. Vertrauen ist das Ergebnis von Erfahrungen, nicht von Wissen. Streit entsteht aus der Entwicklung von Misstrauen und das Hin und her zwischen Vertrauen (als Hoffnung) und Misstrauen als (Erfahrung). Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Grundsätze für das Konfliktmanagement 15 Verstand und Logik brauchen Gefühle für Entscheidungen und ihre Durchsetzung »Argumente sind Geräusche« Georg Macioszek: Chruschtschows Dritter Schuh 2012 Gerd Gigerenzer: Bauchentscheidungen (2007) Thaler/Sunstein: Nudge – wie man kluge Entscheidungen anstößt(2008) Hofstadter/Sander: Die Analogie – das Herz des Denkens (2014) Welcher Typ bin ich? www.testedich.de Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Gruppendynamik von Konflikten 16 Konflikte um divergierende Interessen strahlen immer in die umgebenden Netzwerke aus und berühren die Interessen anderer Personen und Gruppen 1. Familie (im Sinne der Großfamilie) 2. Nachbarn (in Japan: 5 Häuser), 3. Arbeitsbeziehungen und Verbindungen aus anderen Tätigkeiten ( Vereine/soziale Engagements/ Wikipedia) 4. Gemeinde/Stadt/Stämme (Bayern/Preußen/Sachsen) 5. Nation/Nationenverbund (Deutschland/Europa) Gruppen erkennt man an einheitlichen Stilelementen (Sprache, Uniform, Sportkleidung, Haarschnitt, Anzug, Rolex, Maßschuhe, Outfit von Punks……haben Wikipedianer einen einheitlichen Stil?) Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Das soziale Grundgesetz vom Geben + Nehmen 17 – bestimmt unerbittlich jeden Aspekt des sozialen Lebens und gilt vor allem bei: – Kooperationen » do ut des « (Plan A) – Konflikten »wie du mir so ich dir«(Plan B) – Kompromissen »mein Verzicht gegen deinen Verzicht« Das Verhältnis von Geben und Nehmen prägt immer die Machtstrukturen und jede Veränderung verändert auch die Machtverhältnisse. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Unterschiedliche Strategiemodelle – Harvard Konzept http://de.wikipedia.org/wiki/Harvard-Konzept – Friedrich Glasl : 4-Achsen-Modell http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Glasl – Friedemann Schulz von Thun http://de.wikipedia.org/wiki/Vier-Seiten-Modell – Benno Heussen – Sechs-Phasen-Modell Wenn schon - denn schon - Streiten - aber richtig. Von Machiavelli lernen: Intelligente Konfliktbewältigung [e-book] 2014 Und viele andere Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht 18 4-Achsen-Modell oder U-Prozess (nach Glasl) Fakten und Wahrnehmungen Lösungen Optionen Wer Was Wann Wie (Konfliktanalyse) Abkürzung nicht hinreichend, aber beliebt Interessen Bedürfnisse Gefühle Eigene und die der Konfliktpartner Angst Interesse Sorge Freude Lust Wut Neid Enttäuschung Trauer 19 Was ist mir wichtig? Was ist Dir wichtig? Was will ich? Was willst Du? Herzlichkeit Liebe Neugierde Emotionaler Wendepunkt Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht TALK-Modell 20 (Begriff : Neuberger – ähnlich Schulz von Thun) Tatsachen : Sachebene – Es ist… Kontakt: Ausdruck: Beziehung – Wir sind… Selbstdarstellung – Ich bin… Lenkung: Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Appell – Du sollst… 21 Das „Harvard-Konzept“ (Fisher, Ury, Patton - 1981) Beziehungsprobleme nein ja ja Positionen nein Gemeinsame Interessen? ja nein Widersprechende Interessen? ja Bereinigen Dahinter liegende Interessen erkennen Optionen entwickeln nein Objektive Kriterien suchen ja Bessere Alternativen? Nicht abschließen ja nein Abschließen Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Das Drehbuch der Konflikte im 6 – Phasen – Modell 22 1. Feuer auf dem Dach 2. Panik und Gerede 3. Die Brücken werden verbrannt 4. Krieg 5. Verhandlung 6. Sieg, Niederlage, Vergleich Der Unterschied zu anderen Modellen: Es geht nicht nur um gutes Verhandeln, sondern es entstehen Ablaufmodelle für Konflikte, die zeigen: Guter Wille allein reicht nicht, um Frieden zu schaffen, man braucht auch gutes Projektmanagement – und zwar im Bewusstsein: Krieg ist denkbar! Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategien: 1. Feuer auf dem Dach 23 –wenn der Konflikt offen ausbricht– Tief durchatmen, Zeit gewinnen (den Raum verlassen, schlafen, „Aha“ sagen ) Sich entschuldigen, weil das Ziel den Streit nicht wert ist (asiatischer Weg: Scham und Schande gilt es zu vermeiden) In Europa ist es eher Schuld und Sühne, wo Entschuldigungen keine Rolle spielen . Schnell entscheiden, nicht laufen lassen, nicht warten, dass sich der Konflikt über die Zeit löst (aussitzen, es sei denn dies wäre die strategische Entscheidung) Die schnelle Entscheidung soll dafür sorgen, Handlungsmöglichkeiten zu erweitern: 1. 2. 3. 4. 5. Flüchten oder Standhalten: Standhalten ist gut um Zeit zu gewinnen, wenn man den Konflikt nicht ignorieren kann. Ignorieren - In die Leere laufen lassen Umgehen – auf einen anderen nahen Termin vertagen Sofort offen bekämpfen Partisanenkrieg (sofort verdeckt bekämpfen) im Hintergrund die Fäden ziehen, alle Taktiken gleichzeitig einsetzen – übliches Verfahren in der Politik Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 2. Panik und Gerede 24 Wenn alles durcheinander geht Entweder: – Erstmal drauf hauen, dann nachdenken Geschehen Ding hat Verstand (Niccolo Machiavelli) – In Gefahr und höchster Not, ist der Mittelweg der Tod (Alexander Kluge) Oder: – Positionen sichern – Abstand entwickeln zu sich und anderen – Strategien entwickeln, die zur Verhandlung führen können Machiavelli: Wer keinen Plan B für Krieg hat, kann Plan A für Frieden nicht wirksam durchsetzen. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 2. Panik und Gerede 25 In dieser Phase beginnt die Streitkultur Einfluss zu nehmen: Es existiert in jeder Kultur ein Set von Regeln, die man kennen (lernen) sollte. Auch über den eignen Charakter sollte man Bescheid wissen Verhandlungstypen: Kämpfer, Stratege, Schauspieler Mancher Streit kann nicht geklärt werden, weil auch die Unterhändler/Vermittler sich nicht leiden können. Drohungen und Beleidigungen helfen nicht weiter: sie schwächen nicht den Feind, sondern machen ihn wütend, weil er sein Gesicht verliert, wenn er nachgibt . Trotzdem Zorn, therapeutisch einsetzen : er ist ja da, aber er muss gezielt eingesetzt werden, z. B. um die Gegenseite auf die Ernsthaftigkeit des Streits aufmerksam zu machen. Wichtigster strategischer Ansatz: Den Streit aus der Perspektive des Gegners zu betrachten Destruktiver Stil führt zu kurzen Ehen (Gottmann 1999) Tests bei Verlobten verglichen mit Ehedauer; Voraussage zu 91 Prozent korrekt. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 2. Panik und Gerede 26 Schon die 2. Phase braucht Konflikmangement: • • • • • • • • Kann ich das Problem selbst lösen? Wo muss ich mir Rat holen? Habe ich die finanziellen Mittel auch einen längeren Konflikt durchzuhalten? Welche Strategien kommen in Frage? Welche Informationen brauche ich und welche muss ich en Beratern geben? Wie sind die Risiken zu bewerten? Welcher Zeitrahmen steht zur Verfügung? Wer tut was-wann-wo- und warum? Management = Fragen stellen, zuhören, entscheiden, durchsetzen Verantwortung für den Konflikt übernehmen: • Weil kein Konflikt ohne einen selbst entstehen kann (sonst hätte man keinen) • Weil Konflikte entstehen können, wie Krankheiten – aufgrund von Konstellationen und nicht von bewusster Böswilligkeit • Weil nur mithilfe von Verantwortungsübernahme (eigene) unsinnige Entscheidungen und Handlungen vermieden werden können Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 3. Brücken werden verbrannt • • • 27 Dann wird nicht mehr miteinander geredet oder gar geschrieben (ganz verboten in dieser Phase), weil Munition für den Gegner. Rückzug ins Innere und Klärung der inneren Fronten vor dem offenen Angriff. Das System wird zunehmend selbstreferentiell und stabilisiert sich, bleibt „dumm“, will nicht lernen und lernt nichts über den Konflikt hinzu. Nur, wenn nicht mehr gehandelt wird, kann verhandelt werden. Da direkte Verhandlungen unmöglich: Berater engagieren, Vermittler einschalten, Aufbau von Strategien: Das Gefühl neigt nicht dazu, negative Folgen zu bedenken und in die Zukunft hochzurechnen. In dieser Phase heißt Strategiebildung eins von diesen: • • • • • Flüchten Sofort anerkennen Abwarten und wach bleiben Standhalten: Aufrüsten: si vis pacem, para bellum (wenn du Frieden willst, musst du kriegsbereit sein) Koalitionen bilden Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 4.Krieg 28 Lügen in Zeiten des Krieges: Warum lügen wir? • • • • Lügen heißt: durch Reden oder Schweigen etwas anderes behaupten, als man selbst weiß. Lügen sind für unsere sozialen Beziehungen unverzichtbar, z.B. um wertgeschätzte Menschen in Konfliktsituationen nicht zu kränken. In Notwehrsituationen, um unangemessene Forderungen stillschweigend abzuwehren. Lügen werden aber auch eingesetzt, um unlautere Erfolge zu erzielen, die mit der Wahrheit nicht erreichbar sind. Sie bleiben erfahrungsgemäß lange sanktionslos. Lügen haben oft eine Chance, sich durchzusetzen, weil die dahinterliegenden Tatsachen nicht bewiesen werden können. Lügen stärken das Selbstbewusstsein sogar dann, wenn sie widerlegt sind. Aber: Nichts zerstört Vertrauen mehr als die aufgedeckte Lüge! Folge: nur die offene Korrektur der Lüge und die Entschuldigung ermöglichen neues Vertrauen ! Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 4.Krieg 29 Wenn Krieg unvermeidlich ist: Divide et impera – Teile und Herrsche, Sieh zu, dass es keine Koalitionen gibt, oder wenn doch, dann zerstöre sie: betrachte jeden Koalitionsteilnehmer als individuellen Gegner und gehe auf seine Interessen ein, die oft genug nichts mit denen der Koalition zu tun haben.(Niccolò Machiavelli) Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Grundsätze für das Konfliktmanagement Wenn: Krieg der Vater aller Dinge ist (Heraklit) Dann : ist Kooperation ist die Mutter aller Dinge (so die Neuro- und Evolutionsbiologen) Michael Tomasello : Warum wir kooperieren (2010) Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht 30 Strategie: 5. Verhandlung 31 5 Bedingungen für die dauerhafte Konfliktlösung 1. 2. 3. 4. 5. Jede Seite glaubt der anderen (bis zu einem gewissen Mass), dass der Konflikt wirklich beendet werden soll und die Verhandlungen nicht nur der Gewinnung taktischer Vorteile dient. Der Stil, in dem die Verhandlung geführt wird, reißt keine neuen Konflikte auf. Der Inhalt der Vereinbarung erfüllt das Minimum dessen, was jede Seite sich vorstellt. Der Vereinbarung gelingt es, auch die hinter dem Konflikt stehenden Rang- und Machtfragen neu zu ordnen oder zu bestätigen. Die Vereinbarung muss die Parteien auch emotional zufrieden stellen. . Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 5. Verhandlung 32 Verhandeln ist ein soziales Ritual mit eigenen Regeln: Man sitzt Leuten gegenüber, mit denen man nichts zu tun haben will, die man aber weder umbringen noch ignorieren kann, noch kann man ihnen ausweichen. Daher ist der Verhandlungsstil so entscheidend und entsprechend kulturell und/oder rechtlich oder über eigene Verfahrensregeln (etwa in der Schlichtung oder Mediation) reguliert. Bismarck zu einem Diplomaten: »Wenn sie in dieser Sache ein Ergebnis haben wollen, schicken sie mir jemand anderen«. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 5. Verhandlung 33 Drei Faustregeln für Verhandlungen: – erst Fragen – dann Feststellen – dann Fordern Die meisten Leute machen das in der falschen Reihenfolge : Sie fordern, ohne die Gegenposition zu kennen. Grundregel: Wer als erster einen Preis fordert, hat schon verloren ! Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 5. Verhandlung 34 Schon bei der Organisation der Verhandlung gibt es Unterschiede, die Macht und Ohnmacht zu Tage treten lassen: • • • • • • • • Persönlichkeit der Verhandlungsführer Entscheidungsmacht der Verhandlungsführer Verhandlungsort Sitzordnung Tagesordnung Sprache Verpflegung Technische Organisationsbedingungen Im Grunde gilt die alte Moderationsregel: Die Bedingungen dürfen die Inhalte nicht behindern und die Konzentration auf Gegenstandsfernes lenken - weder intellektuell noch gefühlsmäßig (Störungen haben Vorrang) Ich-Botschaften = Respekt ist auch gegenüber schwierigen Menschen die wichtigste Regel (und ein gutes Beispiel für erlaubte Lügen) Verhandlungen werden zu 80% durch Gesehenes/Erlebtes in der Verhandlungssituation beeinflusst und nur durch 20% durch Argumente (Klaus Balzer : Die Mc Kinsey Methode, 2000) Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 5. Verhandlung 35 Gedacht ist noch nicht gesagt Gesagt ist noch nicht gehört Gehört ist noch nicht verstanden Verstanden ist noch nicht einverstanden Einverstanden bedeutet noch nicht angewandt Angewandt heißt noch nicht erfolgreich angewandt (Konrad Lorenz, (1903-89), österreichischer Verhaltensforscher, 1973 Nobelpreis) Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 5. Verhandlung 36 Zuhören Erst fragen, dann fordern Statt statements: Formulierung der Verhandlungsthemen und Visualisierung der Beziehungen. Beim Verhandeln Argumente und Gefühle gleichzeitig ansprechen. Verhandeln geht nicht ohne vorheriges Drehbuch schreiben. Gewonnen werden Verhandlungen durch Ideen zur Belohnung oder Bestrafung des Gegners (hier reicht bisweilen schon deren konkrete Darstellung) Die Komplexität der Ideen zur Lösung muss mindestens so hoch sein wie die Komlexität des Problems. Ashbys Law – William Ross Ashby 1903-1972= viele kleine interventionen Ziel von Verhandlungen ist also immer: Die alternativen zu vermehren bzw. zu vergrößern Misstrauen und Vertrauen: Nicht misstrauisch sein: prüfen. Dann ist Vertrauen eventuell da. Das ist die Voraussetzung für die weitere Verhandlung. Dietrich Dörner: Die Logik des Misslingens, 2003 Albert Thiele: Argumentieren unter Stress– wie man unfaire Angriffe erfolgreich abgewehrt – 2007 Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 5. Verhandlung 37 Einer spricht, einer schreibt, einer schläft (asiatische Verhandlungsweisheit) Über das Gute des Schweigens Wenn etwas nicht klappt oder man angegriffen wird : Schweigen. Es dauert nicht lang, bis die Gegenseite fragen wird: wollen Sie nicht Stellung nehmen? Immer noch schweigen, bis die Frage kommt: warum antworten Sie nicht? Nun gibt es zwei Möglichkeiten: 1. erklären, dass man sich angegriffen fühlt (ich-Botschaft) aber man vermute ein Missverständnis: Bitte um Aufklärung. 2. auch auf diese Frage wird nicht geantwortet, sondern im Inhalt weitergemacht – oder vorschlägt etwas an der Verhandlungsform zu ändern (das vermittelt der Gegenseite, dass sie sich im Ton vergriffen hat.) Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 5. Verhandlung Bei schwierigen Verhandlungen hilft Regeln: • • • • Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht 38 die Auszeit mit folgenden Unterbrechen, um Zeit zu gewinnen (und Klarheit, Gefühle und Verstand ins Gleichgewicht bringen) Die besten Alternativen festlegen Verhaltensänderungen durchdenken (Drohen, Irritieren, Vermittler bemühen, Tempo wechseln = Interventionen planen) Auffangpositionen vorbereiten(Plan B, Plan C…). Strategie: 5. Verhandlung 39 Drohung darf nur gezielt und geplant eingesetzt werden, denn: Selbst drohen ist unklug, zeigt die eigenen Schwächen und bringt nichts ausser Verärgerung der Gegenseite und deren heftige Reaktion. Besser: begrenzte Schläge austeilen, die weitere eigene Möglichkeiten zeigen (Nadelstichpolitik) Bei gegnerischen Drohungen „ausrechnen“ (Auszeit) was mehr Schaden anrichtet: nachzugeben oder standhaft zu bleiben. Und wie viel es einem ausmacht, die damit verbundenen Folgen zu akzeptieren. Da man das meistens nicht kann, hilft nur : Drohungen ausweichen und wenn sie erfolgen, sie zu ignorieren (so zu tun, als habe man sie nicht verstanden). Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Strategie: 5. Verhandlung Was geschieht, wenn nichts geschieht Strategie der Leere Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht 40 Strategie: 5. Verhandlung 41 Salamitaktik vermeiden Teilkompromisse sind unvermeidbar, aber: Alle eigenen Teilzugeständnisse als Möglichkeiten, Optionen deklarieren, und solche Optionen dokumentieren und gegenüberstellen. Dies geschieht über Formulierungen im Konjunktiv, »Könnte, eventuell, möglicherweise« etc.am Ende: Alle Gegenseitigen Zugeständnisse bilanzieren, so den Wert der Kompromisse sichtbar machen und erst dann entscheiden Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht 6. Sieg, Niederlage, Kompromiss 42 Das Ergebnis von Verhandlungen: Krieg, Sieg, Niederlage, Kompromiss – oder gar nichts, weil nichts wirksam umgesetzt wird. Bei Verhandlungsstillstand: einfach vom Acker gehen, oder den Konflikt unlösbar machen, weiter anheizen etc. Spieltheorie und Gefangenendilemma zeigen, dass das Durchsetzen der eigenen Position langfristig selbstschädigend ist. Kann die Gegenseite zu dieser Erkenntnis bewegt werden? Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Der Versailler Vertrag 1919; Pariser Abkommen USA/Vietnam 1972; Oslo Friedensprozess 1993 Israel/Palästina 6. Sieg, Niederlage, Kompromiss 43 Wenn es keine Lösungen gibt, muß man ein Verfahren entwickeln, in dem Lösungen möglich werden, denn wenn die Kommunikation stirbt, stirbt auch der Frieden: – Vermittlung, Mediation, Schlichtung, Prozess – noch einmal neu verhandeln – Teilprobleme in die Ausschüsse – objektive Kriterien für Entscheidungen entwickeln – Teilprobleme durch Dritte entscheiden lassen – formale Regeln: der eine teilt, der andere wählt. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht 6. Sieg, Niederlage, Kompromiss 44 Der Vermittler hat nur eine wichtige Aufgabe: die Kommunikation zwischen den Parteien wiederherstellen. Dr. Hejo Heussen Konflikt+Macht Der Vermittler muss von beiden Seiten gleichermassen akzeptiert sein und die Perspektiven beider Seiten wahrnehmen können. Das ist das Geheimnis seines Erfolgs. Der Vermittler kann helfen, die fehlenden Elemente zu erkunden, an denen die Verhandlung bisher gescheitert ist, Es hilft selten, wenn er selbst mit klugen Vorstellungen daherkommt, denn Modelle, die die Parteien selbst nicht entwickeln können, können sie auch nicht wirksam durchsetzen.