Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für
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Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für
Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und diabetologie (DGKED) Therapie mit rekombinantem Wachstumshormon (Somatropin): Fortsetzung und Beendigung Die Fortführung der Hormontherapie mit rekombinantem Wachstumshormon (Somatropin) im Rahmen pädiatrischer Indikationen wurde in den vergangenen Monaten von gesetzlichen Krankenkassen vermehrt hinterfragt und die Erstattungsübernahme gegenüber Eltern und behandelnden Ärzten verweigert. Die Begründung des zur medizinischen Begutachtung herangezogenen MDK war häufig das Erreichen einer bestimmten Körperhöhe, die bezogen auf die Altersgruppe oder auf Erwachsene nicht mehr dem Kleinwuchs zugeordnet wurde (Körperhöhe > 3. Perzentil). Eine Beendigung der Therapie wurde von MDK-Gutachtern sogar auch dann empfohlen, wenn Kinder erst für kurze Zeit erfolgreich mit Somatropin behandelt worden waren, der Abschluss ihres Körperhöhenwachstums aber erst in mehreren Jahren zu erwarten war. Dieser ungewöhnliche Eingriff von Krankenkassen und MDK in die Hormonbehandlung von Kindern macht es erforderlich, dass die medizinische Begründung und die ärztlichen Regeln für die Behandlung mit Somatropin von der Fachgesellschaft klar benannt werden. Die Qualität und die Wirksamkeit der Leistungen der Kostenträger sollen dem allgemein anerkannten medizinischen Standard und den wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen. Für Kinder mit Wachstumshormonmangel (incl. Kinder mit Prader-Willi-Syndrom) ist die Therapie mit Somatropin eine Ersatztherapie für einen krankhaften Mangel an einem Proteinhormon, das für Wachstum und Metabolismus des Kindes essentiell ist. Ein unbehandelter Wachstumshormonmangel verursacht eine chronische Wachstumsstörung mit der Folge eines progredienten Kleinwuchses und eine Veränderung der normalen Körperzusammensetzung mit relevantem Verlust an Muskelmasse, Muskelkraft und Knochendichte sowie einer Zunahme des Stammfettes. Körperliche Veränderungen dieser Art sind Vorboten einer Stoffwechselstörung, die zu einem metabolischen Syndrom hinführen kann. Die Therapie mit Somatropin in einer Dosis von 25-35 µg/kg Körpergewicht /Tag ist eine Substitution des fehlenden Proteins mit dem Ziel einer Normalisierung des Hormonhaushalts, solange es für die gesunde Entwicklung des heranwachsenden Kindes notwendig ist. Das Körperhöhenwachstum des Kindes ist ein Prozess, der bis zum Schluss der Wachstumsfugen anhält. Vor diesem Hintergrund ist es unbestritten, dass diese Hormonsubstitution solange fortgesetzt werden soll, bis der Jugendliche mit Wachstumshormonmangel oder mit Prader-Willi-Syndrom ausgewachsen ist und somit sein genetisches Potential für das Körperhöhenwachstum ausgeschöpft hat. Das Ende des Wachstums gilt dann als erreicht, wenn das in den letzten 6 Monaten dokumentierte Wachstum unter 1 cm liegt und andere Ursachen für eine verminderte Wachstumsgeschwindigkeit ausgeschlossen sind. Es ist empfohlenes Vorgehen nach Absetzen des Somatropins den jungen Erwachsenen mit einer endokrinologischen Untersuchung daraufhin zu evaluieren, ob ein so schwerer Wachstumshormonmangel vorliegt, dass eine Fortsetzung der Therapie auch im Erwachsenenalter angezeigt ist. Dies ist notwendig, um negative metabolische Effekte durch den schweren Mangel an Wachstumshormon zu verhindern. Die empfohlene Dosierung von Somatropin beim Erwachsenen ist niedriger als beim Kind oder Jugendlichen. Bei Wiederbeginn der Behandlung beträgt sie 0.2-0.5 mg als absolute Einzeldosis, diese ist anschließend entsprechend der gemessenen IGF-I Konzentration anzupassen. Eine vorzeitige Beendigung der Somatropin-Therapie im Kindesalter bei nachgewiesenem Wachstumshormonmangel, wie vom MDK in einigen Fällen gefordert, würde eine Rückkehr zu dem krankhaften Hormonmangel und eine erneute Störung von Metabolismus und Wachstum verursachen und ist deshalb strikt abzulehnen. Kleinwüchsige Mädchen mit Ullrich-Turner-Syndrom, kleinwüchsige Kinder mit SHOXHaploinsuffizienz oder mit chronischer Niereninsuffizienz sowie sehr kleinwüchsige Kinder mit Zustand nach erheblicher intrauteriner Wachstumsrestriktion (SGAKleinwuchs-Indikation) können eine normale Körperhöhe im Erwachsenenalter nicht erreichen. Die pharmakologische Therapie dieser Kinder mit Somatropin in einer Dosis von 35-45-50 µg/kg KG/Tag soll eine Normalisierung der Erwachsenengröße bewirken. Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn die Therapie bis zum Ende des Wachstums fortgeführt wird. Dies ist von der Europäischen Zulassungsbehörde EMA auch so formuliert worden. Eine vorzeitige Beendigung der Therapie mit Somatropin hat regelhaft eine Wachstumsstörung in den darauf folgenden Jahren zur Folge, die den zuvor erzielten Körperhöhengewinn wieder zunichtemacht. In diesem Kontext müssen sich Patient und Eltern darauf verlassen können, dass der zu Beginn der Behandlung vom Arzt zugesagte Therapieeffekt eintritt und nicht durch aus ärztlicher Sicht nicht zu vertretende Therapiepausen erheblich gefährdet wird. Autoren: Binder G, Pfäffle R, Wölfle J Korrespondenzadresse: Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie Sprecher: Prof. Dr. Martin Wabitsch Sekretariat: Gabriele Krenn Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin 89075 Ulm e-mail: [email protected]