Südafrika und die EPA Verhandlungen - Goethe

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Südafrika und die EPA Verhandlungen - Goethe
SÜDAFRIKA – Land der Kontraste
The German Gateway to South Africa
Südafrika und die EPA Verhandlungen
Veröffentlicht am 18/11/2010 | 3 Kommentare
Ein Exklusiv-Beitrag von Frau Simone Claar,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Goethe Universität Frankfurt, [email protected]
Im Sommer 2010 hat Südafrika die Verhandlungen mit der
Europäischen
Union
(EU)
über
ein
volles
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) im Rahmen der South
African
Development
Community
Verhandlungsgruppe1
wieder
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
(SADC)
EPA
aufgenommen.
Die
sollen
das
Cotonou
Abkommen, welches 2000 als Nachfolge des Lomé Abkommens2 in
Kraft trat, ablösen. Im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO)
wurde angemahnt, dass die EU den Afrika-Karibik und Pazifik
Staaten (AKP) Staaten besseren Zugang zu den europäischen Markt
gewährten
als
anderen
Entwicklungsländern.
Aufgrund
der
Inkompatibilität mit WTO Regeln bestand aus Sicht der EU (und
anderen
WTO
Abkommen,
Mitgliedern)
die
Zusammenhängen
EPAs,
zu
Freihandelsabkommens
die
mit
Notwendigkeit
verschiedenen
verhandeln.
Im
stehen
nicht
ein
neues
regionalen
Zentrum
dieses
mehr
die
entwicklungspolitischen Elemente – wie in den vorherigen
Abkommen
–
sondern
vor
allem
klare
wirtschafs-
und
handelspolitische Regulierungen. Hierfür gibt es nicht nur von den
betroffenen Staaten Kritik, sondern auch von zivilgesellschaftlichen
© Claar Simone, Universität
Frankfurt
Gruppen in der EU und in den jeweiligen Regionen. Bis Ende 2007
sollten alle EPA Verhandlungen abgeschlossen sein, allerdings hat die EU nur ein vollständiges EPA mit der
Cariforum Region innerhalb der Frist abgeschlossen und mit einigen Staaten Interimabkommen, die den Handel
mit Waren regulieren.
Botswana, Lesotho, Swasiland und Mozambique haben das Interim EPA mit der EU 2009 unterschrieben.
Dieses klärt den zoll- und quotenfreien Zugang zu den jeweiligen Märkten und regelt weitere Schrittweise zur
Liberalisierung von Zöllen. Außerdem haben sich die Staaten dazu verpflichtet eine vollständiges EPA, welches
Handel mit Dienstleistung und Investitionen beinhaltet, in Zukunft zu verhandeln. Namibia hat das EPA in
dieser Form 2009 nicht unterschrieben und Angola hat sich entschieden weiterhin unter Everything But Arms
mit der EU zu handeln. Südafrika das Abkommen Ende 2007 vollständig abgelehnt. Gründe hierfür sind vor
allem inhaltlichen Differenzen wie u.a. die Meistbegünstigungsklausel, welche nicht nur dem Vertragspartner
Zugang zum Markt gewährt, sondern auch Drittstaaten und ein wichtiges Prinzip der WTO ist. Im Kontext der
EPAs ist dies vor allem aus der Sicht der südafrikanischen Regierung problematisch, da somit spezielle Süd-Süd
Handelskooperationen für sensible Bereiche keinen Schutz vor europäischen Zugang mehr gewähren können.
Weitere Punkte sind der Handel mit Dienstleistungen und Themen der Tiefen Integration3, welche den
nationalen Handlungsspielraum einschränken würde. Des Weiteren hatte Südafrika keinen Druck ein neues
Handelsabkommen abzuschließen, da ein Freihandelsabkommen, das sogenannte Trade, Development and
Cooperation Agreement (TDCA) mit der EU besteht. Nach dem Ende der Apartheid hatte Südafrika den Antrag
gestellt mit den anderen afrikanischen Staaten unter das Lomé Abkommen zu fallen. Dieser Antrag wurde von
der EU abgelehnt und Südafrika bekam im Rahmen dessen nur eine assoziierte Mitgliedschaft, was bedeutet,
dass auf politischer Ebene zusammengearbeitet wird, aber nicht auf der Ebene des Handels. Daher verhandelte
die EU mit Südafrika das TDCA, ein Freihandelsabkommen, welches neben der Liberalisierung von Zöllen und
Quoten auch auf die entwicklungspolitische und technische Zusammenarbeit fokkusiert. Diese Aspekte sind
innerhalb des EPA nicht mehr von hoher Relevanz. Des Weiteren besteht für Südafrika die Möglichkeit Lücken
des TDCA im Rahmen der EPA zu beseitigen, u.a. der Zugang für landwirtschaftliche Produkte zum
europäischen Markt ist im Vergleich zu anderen Staaten deutlich schlechter.4
Zu Beginn der EPA Verhandlung hatte Südafrika nur einen Beobachterstatus. Aufgrund der Nachfrage der
Nachbarstaaten und Südafrikas stimmte die EU Südafrikas Wechsel vom Beobachter zum Verhandlungspartner
im Februar 2007 zu. Die regionale Zusammenarbeit und die South African Custom Union (SACU) sollte durch
diesen Schritt gestärkt werden. Allerdings konnte dies durch die Annahme bzw. Ablehnung des Interim-EPA
nicht umgesetzt werden, denn Mitglieder der SACU haben nun unterschiedliche Zölle, was ökonomische und
praktische Probleme hervorruft. In den letzten beiden Jahren gab es immer wieder Treffen zwischen der EU und
der SADC EPA Gruppe, um weitere umstrittene Themengebiete zu besprechen.
© Europarlaments-Präsident Jerzy Buzek mit Jacob Zuma im Oktober
2010 (Quelle: European Union, 2010 – EP)
Trotz der Ankündigung ein vollständiges EPA bis Ende 2010 zu unterzeichnen, scheinen die Parteien noch weit
davon entfernt zu sein. Neben der Tatsache, dass die EU versucht noch neue Themen, wie z.B. Steuern, in das
Abkommen zu integrieren, macht die südafrikanische Regierung sehr deutlich, dass sie keine neuen Themen
diskutieren möchte. Auch bei den Themen Handel mit Dienstleistungen und Bereiche der Tiefen Integration,
wie intellektuelle Eigentumsrechte, lehnt Südafrika strikt ab, während das Nachbarland Botswana schon über
die Ausgestaltung des Handel mit Dienstleistungen diskutiert. Ungeklärte Themen sind noch immer die
Meistbegünstigungsklausel, Rules of Origin und welche Parteien im Vertrag festgehalten werden. Anfang
Oktober machte Jacob Zuma bei seinem Besuch in Brüssel deutlich, dass das EPA bis Ende des Jahres
unterzeichnet wird, allerdings scheint sich herauszustellen, dass diese Frist wohl nicht eingehalten werden kann.
Trotzdem sind alle Stimmen sich einig, dass es wohl im kommenden Jahr ein vollständiges EPA für die Region
geben wird. Neben den Verhandlungen mit dem bisher wichtigsten Handelspartner der EU ist in den letzten
Monaten ein deutlicher Schritt Richtung Osten zu beobachten. Auf die Reise nach China nahm Präsident Jacob
Zuma hunderte von Unternehmensvertretern mit. Auch die Aushandlung eines Freihandelsabkommen der
SACU mit Indien belegt die Tendenz, dass Südafrika und die Region sich nicht nur auf die EU verlassen möchte.
© Jacob Zuma erörtert Ausbau der Beziehungen zur EU (Quelle:
European Union, 2010 – EP)
Nichtdestrotrotz ist die EU für Südafrika ein zentraler Handelspartner und die Chance einen besseren Zugang
auf den europäischen Markt zu erhalten ist für die südafrikanische Ökonomie sicherlich von Vorteil. Allerdings
wird der Wettbewerb innerhalb Südafrikas und in der Region mit europäischen Unternehmen steigen und die
Frage ist, ob dadurch Arbeitsplätze gefährdet sind, was nicht im Interesse der südafrikanischen Gewerkschaften
ist. Die EU profitiert sicherlich von den EPA Abkommen und kann weitere Märkte erschliessen. Allerdings ist
das Risiko für die EU insgesamt deutlich geringer als für die Partnerländer im südlichen Afrika, welche
ökonomisch nicht mit der EU mithalten können. Insbesondere wenn der Handel mit Dienstleistungen und
Themen der Tiefe Integration in das Abkommen mitaufgenommen werden, denn die Mitglieder der EPA SADC
Gruppe haben für viele Themen, wie u.a. intellektuelle Eigentumsrechte und Wettbewerbspolitik noch keine
gemeinsame Strategie. Dies erhöht das Risiko, dass die Position der EU durchgesetzt wird. Der derzeitige Stand,
dass nicht alle Mitglieder der SACU das interim EPA unterzeichnet haben, fordert die Zollunion, aber auch die
regionale Integration heraus. Ein gemeinsames Abkommen würde die Region wieder stärken und auch das
Verhältnis Südafrika mit der Region verbessern. Eine fundierte Analyse der langfristigen Auswirkungen von
Handelsabkommen auf die politische Ökonomie Südafrikas ist für die Einschätzung des Risikos ein EPA
Abkommen abzuschliessen von Nöten, aber steht noch aus.
Bionote
Simone Claar (geb. 1983) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft an der Goethe
Universität Frankfurt. Seit 2009 arbeitet sie an ihrem Dissertationsprojekt zu der politischen Ökonomie
Südafrikas im Kontext der EPA Verhandlungen. Im Zentrum der Analyse stehen die Interessen von diversen
Fraktionen wie Regierung, Gewerkschaften, Unternehmen und Zivilgesellschaft im Bezug zu den Themen der
Tiefen Integration.
———————————————————————————————1 Die SADC ist eine Wirtschaftsgemeinschaft mit 14 Mitgliedern. Allerdings verhandeln in der SADC EPA Gruppe nur Botswana, Angola, Namibia,
Mozambique, Swasiland, Lesotho und Südafrika. Andere Mitglieder der SADC verhandel in der East African Community (EAC) EPA Gruppe mit
der EU.
2 Mehr zu den vorherigen Abkommen bei Spieker, Christoph (2010): Das freihandelspolitische Projekt der EU gegenüber den afrikanischen AKPStaaten. In: FEI (Hrsg.) (2010): Die Außenbeziehungen der Europäischen Union. Hegemonialer Anspruch und umkämpfte Wirklichkeit. Studie Nr.
30. FEI am Institut für Politikwissenschaft, Philipps-Universität Marburg. 48-88.
3 Mehr zu Tiefer Integration bei Claar, Simone und Nölke, Andreas (2010): Tiefe Integration. In: E+Z, 3/2010, 114-117.
4 Mehr zu den EU-Südafrika Handelsbeziehungen bei: Claar, Simone (2010): Handelsbeziehungen der EU mit Südafrika. In: FEI (Hrsg.) (2010):
Die Aussenbeziehungen der Europäischen Union. Hegemonialer Anspruch und umkämpfte Wirklichkeit. Studie Nr. 30. FEI am Institut für
Politikwissenschaft, Philipps-Universität Marburg, 89-106.
Die 2010sdafrika-Redaktion bedankt sich ganz herzlich bei Frau Claar Simone für den hintergründigen Beitrag
und wünscht viel Erfolg bei den weiteren Forschungsarbeiten. Dem Europäischen Parlament gilt für die
Genehmigung zur Fotonutzung ebenfalls unser Dank.
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