Leseprobe - Allitera Verlag

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Leseprobe - Allitera Verlag
Beiträge zur Geschichtswissenschaft
Herausgegeben von Ernst Piper
Alexander Koch
Der Häftlingsfreikauf
Eine deutsch-deutsche
Beziehungsgeschichte
Das vorliegende Buch basiert auf der im September 2012 an der Philosophischen
Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg von Alexander Koch eingereichten Dissertation.
Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:
www.allitera.de
September 2014
Allitera Verlag
Ein Verlag der Buch&media GmbH, München
© 2014 Buch&media GmbH, München
Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, Freienbrink
unter Verwendung von Auszügen aus dem Monatsbericht Nr. 1 von Rechtsanwalt Kurt Behling an die Bundesregierung vom 21.5.1951 zur Tätigkeit der
sogenannten Rechtsschutzstelle, abgedruckt aus: BA Koblenz, B 137/1742
Printed in Germany · isbn 978-3-86906-635-6
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
A. Problemstellung, Begriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . 10
B. Überblick über den Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
C. Forschungsdesign und Untersuchungsgegenstand/-zeitraum . . . 32
D. Quellen und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
1. Die Ursachen des Häftlingsfreikaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
1.1 Die Repression in der SBZ und der frühen DDR . . . . . . . . 44
1.2 Bundesdeutsche Justiz und DDR-Justiz im Vergleich . . . . 54
1.3 Die politischen Gegensätze der beiden deutschen Staaten . . 60
2. Die Anfänge des Häftlingsfreikaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
2.1 Die Initiativen der evangelischen und der katholischen Kirche 76
2.2 Die humanitären Bemühungen des West-Berliner Senats . 92
2.3 Der erste Freikauf der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . 98
2.4 Die Haltung der West-Alliierten und der Sowjetunion . . . 112
2.5 Humanitäres Engagement der Bundesregierung in
Osteuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
3. Der institutionalisierte Häftlingsfreikauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
3.1 Die Entscheidungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
3.2 Die politischen Interessen der beiden deutschen Staaten . . . . 159
3.3 Warenlieferungen statt Bargeldzahlungen . . . . . . . . . . . . . . 184
3.4 H-, F- und K-Fälle: Technokratische Begriffe für
menschliche Schicksale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
3.5 Die Unterhändler: Wolfgang Vogel und Jürgen Stange . . . 222
4. Die freigekauften Häftlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
4.1 Politische Gegner der SED-Diktatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
4.2 Fluchthelfer, Flüchtlinge und Ausreiseantragsteller . . . . . . 259
4.3 Haftentlassungen in die DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
4.4 Inhaftierte Agenten und die Rolle der Nachrichtendienste . . 286
4.5 Kriminelle unter den freigekauften Häftlingen . . . . . . . . . 296
5. Der Freikauf und die Entspannungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
5.1 Die neue Ost- und Deutschlandpolitik der
sozial-liberalen Koalition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
5.2 Die Probleme der DDR durch ihre
internationale Einbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
5.3 Innenpolitischer Streit um humanitäre Fragen in
der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
6. Die Rolle der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
6.1 Das Bemühen um Diskretion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
6.2 Öffentlichkeit als Druckmittel gegenüber der DDR . . . . . 337
7. Die Folgen des Freikaufs in der DDR in den 1980er Jahren . . . . 345
7.1 Die Einnahmen: Ein stabilisierender Faktor für
die DDR-Volkswirtschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
7.2 Die Auswirkungen auf Bevölkerung und
staatliche Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
Archivalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
Quelleneditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
Berichte, Dokumentationen, Erinnerungen (u. a.) . . . . . . . . . . 407
Interviews/Zeitzeugenbefragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
Tabelle zu den von der Bundesregierung freigekauften
Häftlingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
Auszüge aus dem Monatsbericht Nr. 1 von Rechtsanwalt
Kurt Behling an die Bundesregierung vom 21.5.1951 zur
Tätigkeit der sogenannten Rechtsschutzstelle . . . . . . . . . . . . . . 447
Vorwort
Die vorliegende Studie basiert auf meiner Ende September 2012 an der
Philosophischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
eingereichten Dissertation mit dem Titel »Der Häftlingsfreikauf. Eine
deutsch-deutsche Beziehungsgeschichte«. Die Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades (Dr. phil.) wurde von Prof. Dr. Edgar Wolfrum
als Erstgutachter und Prof. Dr. Cord Arendes als Zweitgutachter betreut und am 27.9.2012 abgegeben, die Disputation erfolgte am 6.2.2013.
Der Forschungsstand wurde gegenüber der Dissertation von Ende 2012
aktualisiert.
Das Verfassen dieses Buches stellte in vielerlei Hinsicht eine große
Herausforderung dar. Zu seinem Entstehen und erfolgreichen Abschluss haben viele Menschen mit wertvollen Hinweisen beigetragen.
Leider können sie an dieser Stelle nicht alle genannt werden. Zuerst
möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Edgar Wolfrum besonders
danken, der mich gerade in schwierigen Phasen meines Projektes unterstützt hat. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Cord Arendes, der bereit war, das Zweitgutachten für diese Studie zu übernehmen. Einen
großen Beitrag zum Gelingen dieses Buches leistete neben meiner
Universität auch die Friedrich-Ebert-Stiftung, die mir mit einem
Promotionsstipendium überhaupt erst ermöglicht hat, ausführliche Recherchen für diese Studie vorzunehmen. Die Hinweise vieler
hilfsbereiter Personen, zum Beispiel von anderen Wissenschaftlern
oder von diversen Mitarbeitern in verschiedenen Archiven, Stiftungen und Organisationen, eröffneten neue Erkenntnisse und Perspektiven. Ihnen allen gehört mein Dank. Als besonders hilfreich
erwiesen sich aber vor allem zahlreiche Zeitzeugen, die mir für diese
Studie geduldig Rede und Antwort standen. Das gilt im Besonderen
auch für die Zeitzeugen, die im Verlauf der umfangreichen Recherchen zwar befragt wurden, aber letzten Endes aufgrund der Vielzahl
der interviewten Personen nicht in die Studie aufgenommen werden
konnten. Die Interviews mit verschiedenen Mitarbeitern des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen (BMB) waren für
das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Untersuchung besonders
aufschlussreich. Allen Zeitzeugen gebührt mein ganz besonderer
Dank.
Ein weiterer Dank gilt meinen Eltern und meinen Freunden, die
mich finanziell und/oder moralisch auch in schwierigen Phasen des
7
Projektes unterstützt haben. Alle genannten und zahlreiche ungenannte Personen haben zum erfolgreichen Abschluss dieser Studie
beigetragen.
Alexander Koch
Weiterstadt, August 2014
8
3. Der institutionalisierte Häftlingsfreikauf
Die beachtliche Kontinuität im Häftlingsfreikauf kann nicht als
selbstverständlich betrachtet werden. Der Freikauf war in seinen Anfangsjahren seitens der Bundesregierung keineswegs als eine »dauerhafte Einrichtung« im deutsch-deutschen Verhältnis geplant gewesen,
sondern er sollte – zumindest für einige Entscheidungsträger, wie den
amtierenden Minister Erich Mende – eigentlich nur eine zeitlich und
quantitativ begrenzte Aktion sein.717 Dennoch wurde der Freikauf
schließlich bis 1989 durchgeführt. Auch der äußerst skeptische Staatssekretär Krautwig sprach sich beispielsweise 1965 trotz aller Bedenken
für dessen Fortsetzung aus, soweit das die politische Lage zulasse.718
Mit Recht kann deshalb ab 1964 im Ergebnis von einer Institutionalisierung des Häftlingsfreikaufs gesprochen werden. Zunächst mussten
aber auf beiden Seiten zahlreiche praktische Probleme gelöst werden.
Hierbei konnte auf die Erfahrungen, die bei der Freilassung der acht
politischen Häftlinge 1963 gemacht worden waren, zurückgegriffen
werden. Die Verhandlungen wurden weiterhin von den Rechtsanwälten Vogel und Stange geführt. Die beiden Anwälte waren jedoch
keine Entscheidungsträger, sondern Unterhändler. Der Kreis der Entscheidungsträger wurde auf beiden Seiten klein gehalten. Allerdings
mussten diverse weitere Instanzen für die Durchführung des Freikaufs eingebunden werden. In der Bundesrepublik waren mehr Institutionen und Personen mittelbar am Freikauf beteiligt, zum Beispiel
indem sie dem BMG Hinweise auf in der DDR Inhaftierte gaben. Die
wirtschaftliche Abwicklung wurde auf bundesdeutscher Seite einem
Bevollmächtigten übertragen.719 Lange Zeit übernahm Ludwig Geißel
diese Aufgabe.720
Vgl. Mende: Von Wende zu Wende 1962–1982, S. 141 f.
Vgl. EZA Berlin, 742/277 (Vermerk Krautwigs vom 15.9.1965). Krautwig stand
neben dem Häftlingsfreikauf auch Austauschaktionen prinzipiell skeptisch gegenüber. Vgl. Hammer (Bearbeiterin): Sonderedition »Besondere Bemühungen«,
S. XVI (aus der Einleitung).
719
Vgl. Deutscher Bundestag (Hg.): Drucksache 12/7600, S. 2718.
720
Vgl. EZA Berlin, 742/277 (Vermerk von Krautwig vom 15.12.1964).
Vgl. ebf. Deutscher Bundestag (Hg.): Drucksache 12/7600, Dokument 673,
S. 2718.
717
718
129
3.1 Die Entscheidungsträger
Von Anfang an machte die DDR völlige Diskretion zu einer zentralen Bedingung für die Durchführung des Häftlingsfreikaufs.721 Offizielle Verhandlungen von staatlichen Vertretern konnten vor diesem Hintergrund
kaum im Interesse der DDR liegen. Die Bundesregierung wollte wiederum
alles vermeiden, was als staatliche Anerkennung der DDR hätte ausgelegt
werden können, weshalb sie ebenfalls keine staatlichen Verhandlungsführer akzeptierte.722 Darum wurde auch künftig auf Vogel und Stange,
wie beim Freikauf von 1963, zurückgegriffen, zumal sie als Anwälte der
Schweigepflicht unterlagen und bereits mit der Materie vertraut waren.723
Eine weitere Überlegung auf bundesdeutscher Seite war, dass Anwälte
wahrscheinlich weniger bürokratisch arbeiten würden als Behörden.724
Die Bundesregierung band die Rechtsschutzstelle eng in den Freikauf
ein, da sich diese auf dem Gebiet der politischen Häftlinge in der DDR
große Kenntnisse erworben und eine Vielzahl von entsprechenden Daten
gesammelt hatte.725 Sie war damit eine wichtige Anlaufstelle für die Angehörigen von Inhaftierten. Neben Vogel und Stange und ihren Kollegen
und Mitarbeitern – in Vogels Kanzlei waren das beispielsweise Dieter Starkulla und Klaus Hartmann, bei Stange Herbert Taubert – waren auch die
Rechtsanwälte Alfred Musiolik, Helmut Sehrig, Wolf-Egbert Näumann
und Ülo Salm von der Rechtsschutzstelle am Häftlingsfreikauf beteiligt.726
Besonders in den 1980er Jahren wirkten die Rechtsanwälte Wolf-Eckhard
Jaeger und Barbara von der Schulenburg sowie der Nichtjurist Hans Jörgen Gerlach maßgeblich bei Familienzusammenführungen mit.727 Über
Jahrzehnte war außerdem Rechtsanwalt Gernot Preuß in Haft- oder Familienzusammenführungsfällen engagiert.728
Vgl. Rehlinger: Freikauf, S. 65 f.
Vgl. ebenda, S. 44 f.
723
Vgl. ebenda, S. 31 und S. 45.
724
Vgl. Hammer (Bearbeiterin): Sonderedition »Besondere Bemühungen«, S. 626
(Dok. Nr. 401, Bericht Rehlingers an Minister Wehner vom 30.5.1969).
725
Vgl. Interview mit Jan Hoesch am 6.7.2009 in Berlin.
726
Seit 1971 war Rechtsanwalt Sehrig mit seiner Kanzlei im Auftrag des BMB als
»Zivilrechtsschutzstelle« mit Anbindung an das Gesamtdeutsche Institut tätig.
Musiolik konzentrierte sich auf Häftlinge, Näumann und Salm kümmerten sich
um strafrechtliche Fälle. Vgl. hierzu: Völkel: Die besonderen Bemühungen der
Bundesregierung um Haftentlassung und Übersiedlung aus der DDR. Teil 1. In:
Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Heft 1/2008, S. 40.
727
Vgl. Interview mit Ludwig Rehlinger am 21.2.2009 in Eichwalde.
728
Gernot Preuß stand für die Studie dankenswerterweise für Rückfragen in einer Mail
vom 16.2.2010 und in einem telefonischen Interview am 16.10.2010 zur Verfügung.
721
722
130
Außer in seiner Funktion als Unterhändler betätigte sich Stange ebenso
im Bereich der Familienzusammenführung und in strafrechtlichen Fällen.
Stanges Schwerpunkt lag auf Anklagen nach Paragraf 249 (»Gefährdung
der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten«) des DDR-Strafgesetzbuches.729 Dieser Paragraf war 1979 mit dem 3. Strafrechtsänderungsgesetz geschaffen worden und brachte eine erhebliche Verschärfung des
politischen Strafrechts in der DDR mit sich.730 Aber noch im gleichen Jahr
erließ Honecker eine Amnestie.731 Das zeigt erneut, wie schwer es sowohl
für die DDR-Bürger als auch für die Bundesregierung war, die Politik der
SED richtig einzuschätzen. Deswegen waren die Rechtsschutzstelle und
das 1969 gegründete Gesamtdeutsche Institut – Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben (BfgA) mit ihren differenzierten Kenntnissen über die
DDR für die bundesdeutsche Seite sehr wichtig.732 Die Rechtsschutzstelle
war auch für die Befragung der freigekauften Häftlinge im Bundesnotaufnahmelager Gießen verantwortlich, was von den Anwälten Musiolik und
Näumann übernommen wurde.733 Sie mussten die Identität der Häftlinge
verifizieren, den politischen Hintergrund ihrer Verurteilung überprüfen
und sich nach »Haftkameraden« erkundigen, die ebenfalls aus politischen
Gründen in DDR-Gefängnissen einsaßen.
Norbert Lawrenz war in den 1980er Jahren innerhalb des BMB Ansprechpartner für die Betreuung und Beratung von Angehörigen der
Häftlinge bzw. Ausreiseantragsteller.734 Dieser Komplex stellte für das Ministerium eine besonders diffizile Aufgabe dar. Der Schriftverkehr bzw.
auch die notwendigen Gespräche mit den Angehörigen wurden überwiegend von den Anwälten der Rechtsschutzstelle vorgenommen. Sie entlasteten das BMG auch dadurch, dass sie die notwendigen Kontakte zu den
Korrespondenzanwälten in der DDR wahrnahmen. Seit 1964 wurde der
institutionalisierte Häftlingsfreikauf mit der DDR aufgrund der hierfür
notwendigen finanziellen Mittel allein von der Bundesregierung getra-
Vgl. Völkel: Die besonderen Bemühungen der Bundesregierung um Haftentlassung und Übersiedlung aus der DDR. Teil 1. In: Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Heft 1/2008, S. 40.
730
Vgl. Raschka: Justizpolitik im SED-Staat, S. 125–127.
731
Vgl. ebenda, S. 181–187.
732
Detlef Kühn, der ehemalige Präsident der BfgA, stand für diese Untersuchung
dankenswerterweise in einem telefonischen Interview am 20.1.2010 für Rückfragen zur Verfügung.
733
Vgl. telefonisches Interview mit Wolf-Egbert Näumann am 9.9.2009.
Vgl. ebf. Interview mit Jan Hoesch am 6.7.2009 in Berlin.
734
Vgl. telefonisches Interview mit Norbert Lawrenz am 31.1.2011.
729
131
gen.735 Jedoch sollten die wirtschaftlichen Gegenleistungen an die DDR
zukünftig nicht mehr in Form einer Bargeldübergabe, sondern durch
Warenlieferungen erfolgen.736 Hierbei wurde die bundesdeutsche Seite im
Wesentlichen von zwei Überlegungen geleitet: Der DDR sollten keine Devisen zur Verfügung gestellt werden, und außerdem sollten die gelieferten
Güter möglichst der DDR-Bevölkerung zugutekommen.737
Der Häftlingsfreikauf und der gesamte humanitäre Bereich wurden
vom BMG bzw. später BMB politisch verantwortet und koordiniert.738 Innerhalb des Ministeriums waren allerdings nur wenige Personen mit der
heiklen und komplizierten Materie befasst, denn der Kreis der Beteiligten
sollte auch hier möglichst klein gehalten werden.739 Dabei mussten viele
Teilaufgaben allerdings delegiert werden. Rechtliche Fragen zur Rehabilitierung der Häftlinge nach dem Freikauf sowie zahlreiche Recherchen
zur DDR übernahm dabei die BfgA, die dem Ministerium unterstand und
von diesem finanziert wurde.740 Der DDR-Regierung missfiel die Existenz des BMG allein schon deshalb, weil es aus Sicht der SED-Führung
für den gesamtdeutschen Anspruch der Bundesrepublik stand.741 Das war
für sie ein wesentlicher Grund, die Kontakte im Rahmen des Freikaufs
möglichst geheim zu halten. Aber auch der Bundesrepublik war klar, dass
sie indirekt mit dem MfS verhandelte, wenn sie erfolgreich politische Häftlinge aus den DDR-Gefängnissen freibekommen wollte. Dieses MfS hatte
aber auch politisch motivierte Verhaftungen und Entführungen von Menschen zu verantworten, wie zum Beispiel von den beiden Juristen Walter
735
736
737
738
739
740
741
Vgl. ADW, HG St 7814 (Vermerk von Geißel vom 20.7.1964).
Vgl. Deutscher Bundestag (Hg.): Drucksache 12/7600, S. 309 f.
Vgl. Rehlinger: Freikauf, S. 54 und S. 66.
Vgl. Völkel: Die besonderen Bemühungen der Bundesregierung um Haftentlassung und Übersiedlung aus der DDR. Teil 1. In: Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Heft 1/2008, S. 38.
Vgl. Interview mit Edgar Hirt am 7.7.2010 in Bonn.
Vgl. ebf. persönliches Gespräch mit Armin Volze am 3.3.2010 in Bonn.
Sowohl Edgar Hirt als auch Armin Volze standen dankenswerterweise für viele
Rückfragen zur Verfügung.
Vgl. Völkel: Die besonderen Bemühungen der Bundesregierung um Haftentlassung und Übersiedlung aus der DDR. Teil 1. In: Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Heft 1/2008, S. 38.
Vgl. Meyer: Herbert Wehner, S. 305.
132
Linse742 und Erwin Neumann743 , dem Journalisten Karl Wilhelm Fricke744 ,
dem Gewerkschafter Heinz Brandt745, dem ehemaligen SED-Funktionär
Robert Bialek746 , dem antikommunistischen Widerstandskämpfer Alfred
Weiland747 und weiteren Personen748. Die beiden deutschen Staaten mussten beim Freikauf also nicht nur mit dem Gegner im Kalten Krieg verhandeln, sondern auch noch mit Ministerien der Gegenseite, die bei den
jeweiligen Verhandlungspartnern auf besonders große Ablehnung stießen.
Das war ein weiterer Grund, Unterhändler einzusetzen.
In der DDR war vor allem aufgrund der gewünschten Geheimhaltung
nur eine kleine Anzahl von Personen mit der direkten Abwicklung des
Häftlingsfreikaufs befasst.749 Allerdings mussten für einzelne Aspekte
des Freikaufs dann doch diverse Instanzen herangezogen werden, was die
Anzahl der Mitwisser in der DDR zwangsläufig immer weiter erhöhte.
Um eine effektive und einigermaßen diskrete Zusammenarbeit zwischen
beiden Staaten zu garantieren, war nachvollziehbar, dass beide Seiten an
höchster Kontinuität bei den am Häftlingsfreikauf beteiligten Personen
interessiert waren. Personalwechsel konnten immer mit Schwierigkeiten
verbunden sein, was sich beispielsweise beim Ministerwechsel von Rainer
Barzel zu Erich Mende gezeigt hatte. So brachte Barzel seine Unzufriedenheit über Mende in einem Brief von 1964 an Bundeskanzler Erhard
zum Ausdruck, in dem er Mendes mangelnde Diskretion in Bezug auf
den Häftlingsfreikauf kritisierte.750 Auch Rehlinger äußerte sich ähnlich
über Mende.751 Die Kirchen kritisierten Mende ebenfalls, nachdem dieser
Vgl. Schuller, Wolfgang: Walter Linse. In: Fricke; Steinbach und Tuchel (Hg.):
Opposition und Widerstand in der DDR, S. 289–294.
743
Vgl. Mampel, Siegfried: Der Untergrundkampf des Ministeriums für Staatssicherheit gegen den Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen in West-Berlin. Berlin 1999 (4. neubearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage; 1. Auflage
erschien 1994), S. 47–52.
744
Vgl. Fricke, Karl Wilhelm: Akten-Einsicht. Rekonstruktion einer politischen
Verfolgung. Berlin 1997 (4. Auflage; 1. Auflage erschien 1996), S. 41–52.
745
Vgl. Posser: Anwalt im Kalten Krieg, S. 254–287.
746
Vgl. Klier, Freya: Robert Bialek. In: Fricke; Steinbach und Tuchel (Hg.): Opposition und Widerstand in der DDR, S. 210–215.
747
Vgl. Kubina, Michael: Alfred Weiland. In: Ebenda (Fricke; Steinbach und Tuchel), S. 56–60.
748
Vgl. Leonhard, Wolfgang: Meine Geschichte der DDR. Reinbek bei Hamburg
2008 (Taschenbuchausgabe; Buch erschien 2007), S. 131–137.
749
Vgl. Lippmann: Moderner Menschenhandel – Freikauf politischer Häftlinge aus
der DDR. In: Conze; Gajdukowa und Koch-Baumgarten (Hg.): Die demokratische Revolution 1989 in der DDR, S. 68–71.
750
Vgl. BA Koblenz, B 136/3203 (Schreiben von Barzel an Erhard vom 9.10.1964).
751
Vgl. Brief von Ludwig Rehlinger vom 20.5.2009.
742
133
vor dem Ausschuss für gesamtdeutsche und Berliner Fragen vertrauliche
Informationen zum Häftlingsfreikauf vorgetragen hatte, die anschließend
an die Öffentlichkeit gelangt waren, und die Kirchen deshalb den Freikauf
gefährdet sahen.752 Trotz aller Schwierigkeiten wurde der Freikauf in der
Amtszeit Mendes in einem größeren Umfang etabliert und bis zu seinem
Ausscheiden aus dem Ministeramt Ende 1966 auch weitergeführt, bevor
Herbert Wehner diese Aufgabe als verantwortlicher Minister übernahm.753
Während seiner Amtszeit als Minister delegierte Mende Detailfragen zum
Häftlingsfreikauf im Wesentlichen an Rehlinger, da dieser bereits unter
Minister Barzel wichtige Erfahrungen gesammelt hatte.754 Außerdem bearbeitete Karl-Friedrich Brodeßer, Mendes persönlicher Referent, viele
Anfragen von verzweifelten Angehörigen von DDR-Bürgern, die sich in
humanitären Notlagen befanden.755 Um einen möglichst reibungslosen
Ablauf des Freikaufs sicherzustellen, fanden in Bonn Anfang Juli 1964 Gespräche von Vertretern des BMG, des Bundeswirtschaftsministeriums, der
Rechtsabteilung der Bundesregierung, sämtlicher im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, des Diakonischen Werkes bzw. der evangelischen
Kirche, dem Generalbundesanwalt und den involvierten Rechtsanwälten
statt.756
Zunächst mussten praktische Fragen geklärt werden: Wie sollten die
Häftlinge überhaupt aus den DDR-Gefängnissen in den Westen gebracht werden? Welches Transportmittel sollte eingesetzt werden? Aus
Kostengründen und im Interesse der Geheimhaltung schienen Busse
besonders geeignet zu sein.757 Sie mussten in keinen Fahr- oder Flugplan integriert werden. Bis 1987 hielt die DDR an diesem Ablauf fest,
bevor es zu einer Veränderung kam. In den letzten zwei Jahren des
Freikaufs erfolgte in den meisten Fällen die Entlassung der politischen
Häftlinge aus dem Gefängnis zunächst in ihre früheren Heimatorte.
Dort erhielten sie kurzfristig die Ausreisegenehmigung und durften
752
753
754
755
756
757
Vgl. BA Koblenz, B 137/3332 (Schreiben von Kunst und Wissing an Mende vom
25.4.1966).
Vgl. Rehlinger: Freikauf, S. 39–71 und S. 78.
Vgl. telefonisches Interview mit Ludwig Rehlinger vom 30.9.2009.
Vgl. Archiv des Liberalismus (AdL), A 24–97 (Aus dem Bestand von Wolfgang
Mischnick; Vermerk von Mischnick an Brodeßer vom 15.12.1965 mit Anlage;
Bittgesuch einer Angehörigen als Beispiel für Mischnicks humanitäres Engagement, der 1948 selbst aus der DDR geflohen war).
Vgl. Kruse: Politik und deutsch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen von 1945 bis
1989, S. 167.
Vgl. zu den Bussen der Firma »Reicherts’ Reisen«: Diekmann: Freigekauft,
S. 48 f. und S. 59.
134
per Zug ausreisen.758 Die Familienangehörigen der freigekauften politischen Häftlinge konnten in den 1980er Jahren im Normalfall ebenfalls
zeitnah ausreisen.759
Bevor politische Häftlinge über den Freikauf ausreisen konnten,
wurde ihre Strafe in der Regel vom zuständigen Gericht auf Bewährung
ausgesetzt.760 Ende der 1980er Jahre betrug diese Bewährungszeit normalerweise zwei Jahre, was aufgrund ihres Freikaufs in den Westen praktisch ohne jede Bedeutung war. Von der Staatsanwaltschaft wurde hierzu
zunächst eine »Strafaussetzung auf Bewährung« nach Paragraf 349761 der
DDR-Strafprozessordnung beantragt. Das zuständige Gericht bzw. der
beauftragte Richter verfügten meistens auf der Basis von Paragraf 45 des
DDR-Strafgesetzbuches die entsprechende »Strafaussetzung auf Bewährung«. Besondere Ironie war hierbei, dass vom Gericht sinngemäß festgestellt wurde, der Inhaftierte könne deshalb auf Bewährung entlassen
werden, weil der Strafzweck erfüllt sei. Teilweise wurde sogar betont, es
könne damit gerechnet werden, dass der Verurteilte in Zukunft gewissenhaft seine Pflichten erfüllen werde. Hierbei handelte es sich um vorgegebene Verfahrensabläufe. Die Juristen hatten in Wirklichkeit keinen
Einfluss auf den Freikauf.762 Die politischen Häftlinge, die für eine Haftentlassung in den Westen vorgesehen waren, wurden seit der zweiten
Hälfte der 1960er Jahre normalerweise zwischen ein bis vier Wochen –
der Zeitunterschied ergab sich daraus, wie viele Modalitäten im jeweiligen Einzelfall noch zu regeln waren – in die Untersuchungshaftanstalt
(UHA) des MfS in Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz) gebracht.763
Vgl. Lippmann: Moderner Menschenhandel – Freikauf politischer Häftlinge aus
der DDR. In: Conze; Gajdukowa und Koch-Baumgarten (Hg.): Die demokratische Revolution 1989 in der DDR, S. 71.
759
Vgl. BStU, Archiv der Zentralstelle, MfS – ZAIG 7513, S. 6 (MfS-Dienstanweisung (MfS-Nr. 7/89) vom 23.2.1989; »Ständige Ausreisen von Strafgefangenen in
die BRD«).
760
Vgl. Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 12916//2959; 12916//2961;
12916//2966; 12916//3149 und 12916//3150 (In den genannten Signaturen sind
Beispiele von 1987, 1988 und 1989 zu den beschriebenen Verfahrensabläufen enthalten.).
761
Vgl. Schroeder: Das Strafrecht im realen Sozialismus, S. 155. Mindestens die
Hälfte der Strafe musste verbüßt sein, bevor eine Aussetzung der Strafe erfolgen
konnte.
762
Rudi Beckert, ehemaliger Richter am Obersten Gericht der DDR, hatte eine
durchaus kritische Einstellung zum Häftlingsfreikauf. Vgl. Beckert, Rudi: Glücklicher Sklave. Eine Justizkarriere in der DDR. Berlin 2011, S. 83. Er beantwortete
dankenswerterweise Fragen für diese Studie in einem Brief vom 27.2.2011.
763
Vgl. Lippmann: Moderner Menschenhandel – Freikauf politischer Häftlinge aus
758
135
Die große Masse der freigekauften politischen Häftlinge durchlief deshalb vor ihrer Entlassung die UHA in Karl-Marx-Stadt, nämlich etwa
30.000 Personen, was fast 90% aller Freigekauften entspricht.764 Viele
politische Häftlinge hofften deshalb, aus dem normalen DDR-Strafvollzug endlich nach Karl-Marx-Stadt auf den dortigen »Kaßberg« verlegt
zu werden.765 Hier befand sich das von den Häftlingen so bezeichnete
»Vogel-Haus« bzw. der »Vogelkäfig«.766 Das war der Gefängnistrakt, in
dem die für den Freikauf vorgesehenen politischen Häftlinge untergebracht waren. Diese wurden von den Untersuchungshäftlingen, die in
einem anderen Trakt einsaßen, strikt getrennt.767 Innerhalb des Gefängnistraktes der für den Freikauf vorgesehenen politischen Häftlinge gab
es jedoch im Regelfall keine Isolation mehr, sondern meistens einen für
DDR-Verhältnisse relativ lockeren Umgang mit den Inhaftierten.768 Für
die UHA in Karl-Marx-Stadt bzw. generell für alle UHA in der DDR
war die besonders linientreue Hauptabteilung XIV des MfS zuständig.769
der DDR. In: Conze; Gajdukowa und Koch-Baumgarten (Hg.): Die demokratische Revolution in der DDR 1989, S. 71.
Vgl. ebf. Wölbern, Jan Philipp: Mit dem Wunderbus nach Gießen. Der Häftlingsfreikauf und die Stasi-U-Haftanstalt in Karl-Marx-Stadt. In: Aris und Heitmann
(Hg.): Via Knast in den Westen, S. 51.
764
Zahlen aus: Wölbern: Der Häftlingsfreikauf aus der DDR 1962/63–1989, S. 479.
765
Vgl. Schmidt, Helmuth und Weischer, Heinz: Zorn und Trauer. Als politischer
Gefangener in Zuchthäusern der DDR. Essen 2006, S. 211.
Vgl. im Besonderen zum Gefängnis auf dem Kaßberg: Aris, Nancy und Heitmann, Clemens (Hg.): Via Knast in den Westen. Das Kaßberg-Gefängnis und
seine Geschichte. Leipzig 2013; Gerber, Beate: DDR geheim: Vom Chemnitzer
Kaßberg in den Westen. Deutschland 2012 (Dokumentarfilm für den MDR).
766
»Vogel-Haus« zitiert nach: Lippmann: Moderner Menschenhandel – Freikauf politischer Häftlinge aus der DDR. In: Conze; Gajdukowa und Koch-Baumgarten
(Hg.): Die demokratische Revolution 1989 in der DDR, S. 74.
»Vogelkäfig« zitiert nach: http://www.orte-der-repression.de (Homepage betrieben von der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über
Orte politischer Verfolgung in der SBZ/DDR). Auf dem Kaßberg soll eine Gedenkstätte entstehen (vgl. http://www.gedenkort-kassberg.de).
767
Vgl. Aris, Nancy: Das Kaßberg-Gefängnis: Historischer Überblick und Verortung im Gefängnissystem der SBZ/DDR. In: Dieselbe und Heitmann (Hg.): Via
Knast in den Westen, S. 25.
768
Vgl. Wölbern: Mit dem Wunderbus nach Gießen. Der Häftlingsfreikauf und
die Stasi-U-Haftanstalt in Karl-Marx-Stadt. In: Aris und Heitmann (Hg.): Via
Knast in den Westen, S. 51.
769
Vgl. Sélitrenny, Rita: Doppelte Überwachung. Geheimdienstliche Ermittlungsmethoden in den DDR-Untersuchungshaftanstalten. Berlin 2003. Der ehemalige
politische Häftling Hans-Christian Maaß bestätigte, dass nach seinen Erfahrungen in Karl-Marx-Stadt besonders ideologisch gefestigtes Personal eingesetzt
worden war. Vgl. persönliches Gespräch mit Hans-Christian Maaß am 19.4.2010
136
Für die Entscheidung, die politischen Häftlinge vor ihrem Freikauf in
Karl-Marx-Stadt zu konzentrieren, waren wahrscheinlich Größe und
bauliche Gegebenheiten maßgebend.770 So war die UHA in Karl-MarxStadt die größte der DDR.771 Zuvor waren die meisten Freigekauften vor
ihrer Freilassung in der Strafvollzugsanstalt Berlin II (in der Magdalenenstraße) konzentriert worden; dort vorgenommene Baumaßnahmen
hatten aber ein Ausweichen ohnehin notwendig gemacht.772 Es ist leicht
vorstellbar, dass die vielen Verlegungen von politischen Häftlingen in die
UHA in Karl-Marx-Stadt sowohl beim Strafvollzugspersonal als auch
bei den Inhaftierten Fragen und Gerüchte über den Freikauf aufkommen
lassen mussten.773 Dieser konnte auf die Dauer nicht verborgen bleiben.
In den meisten Fällen wurden die Häftlinge in Karl-Marx-Stadt neu
eingekleidet und zudem besser verpflegt und medizinisch versorgt, als das
im normalen Strafvollzug in den DDR-Gefängnissen der Fall war.774 Aus
Prestigegründen musste der DDR daran gelegen sein, dass die Häftlinge
in einem möglichst guten körperlichen und äußeren Zustand in die Bunin Berlin. Hans-Christian Maaß stand dankenswerterweise für diese Studie für
Rückfragen zur Verfügung.
770
Vgl. Beleites, Johannes: Abteilung XIV: Haftvollzug. Berlin 2004, S. 63 (MfS –
Handbuch, Teil III/9 aus der von der Abteilung Bildung und Forschung des BStU
herausgegebenen Reihe: Anatomie der Staatssicherheit: Geschichte, Struktur und
Methoden).
771
Vgl. Lippmann: Moderner Menschenhandel – Freikauf politischer Häftlinge aus
der DDR. In: Conze; Gajdukowa und Koch-Baumgarten (Hg.): Die demokratische Revolution 1989 in der DDR, S. 68.
Vgl. Wölbern: Mit dem Wunderbus nach Gießen. Der Häftlingsfreikauf und
die Stasi-U-Haftanstalt in Karl-Marx-Stadt. In: Aris und Heitmann (Hg.): Via
Knast in den Westen, S. 49.
772
Vgl. ebf. derselbe (Wölbern): Mit dem Wunderbus nach Gießen. Der Häftlingsfreikauf und die Stasi-U-Haftanstalt in Karl-Marx-Stadt. In: Aris und Heitmann
(Hg.): Via Knast in den Westen, S. 49.
Vgl. ebf. derselbe: Der Häftlingsfreikauf aus der DDR 1962/63–1989, S. 478.
773
Vgl. Rehlinger: Freikauf, S. 56 f. Ein ehemaliger politischer Häftling schilderte,
dass in Cottbus sogenannte »Transporthörner« existierten – Inhaftierte tröteten
hierbei mit Blechkannen aus den Zellenfenstern – mit denen sie Verlegungen nach
Karl-Marx-Stadt ankündigten. Vgl. Diekmann (Hg.): Freigekauft, S. 157. Die
Häftlinge wurden zwischen den Gefängnissen meistens in Eisenbahnwaggons
transportiert, die von den Inhaftierten ironisch »Grotewohl-Express« genannt
wurden. Vgl. Diekmann (Hg.): Freigekauft, S. 93.
774
Vgl. Lippmann: Moderner Menschenhandel – Freikauf politischer Häftlinge aus
der DDR. In: Conze; Gajdukowa und Koch-Baumgarten (Hg.): Die demokratische Revolution in der DDR 1989, S. 74. Im Stasi-Jargon war deshalb auch von
der sogenannten »Peppelanstalt« (sic!; aus einem bei Diekmann abgedruckten
MfS-Dokument) die Rede, zitiert nach: Diekmann (Hg.): Freigekauft, S. 76.
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