Machtlos gegen Schmutzkampagnen im Netz

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Machtlos gegen Schmutzkampagnen im Netz
Machtlos gegen Schmutzkampagnen im Netz | Manuskript
Machtlos gegen Schmutzkampagnen im Netz
Bericht: Knud Vetten
Wenn Friedrich Mülln seinen Namen oder den seiner Organisation im Netz eingibt, stößt er
seit zwei Jahren auf eine massive Verleumdungs-Kampagne:
Friedrich Mülln
„Hier bin ich hinter Gittern, hier bin ich mit einer Prostituierten, da habe ich eine Menge
100-Euro-Scheine auf dem Tisch liegen. Schmutzkampagnerbild, das ist von denen. Das
ganze Netz ist voll mit dem Kram.“
Friedrich Mülln ist seit 16 Jahren als Tierschützer aktiv. Auch wir haben ihn schon begleitet.
Vor gut zwei Jahren gründet er die Soko Tierschutz. Mit teils brutalen Bildern aus der
Geflügelindustrie hat er sich immer wieder öffentlich exponiert. Bemerkenswerterweise
kamen die Kampagnen-Angriffe jeweils nach solchen Veröffentlichungen:
Friedrich Mülln
„Ich werde systematisch als Straftäter und Verbrecher dargestellt. Als Einbrecher, als
Spendenhinterzieher, Betrüger, als Benzindieb, als Bildmanipulator, und ich habe ein
Führungszeugnis, das ist leer.“
Die Täter missbrauchen auch bekannte Plattformen. So wird Stefan Loipfinger ohne es zu
wissen in die Kampagne hineingezogen. Der Journalist hat vor drei Jahren seine Seite „charity
watch“ über die deutsche Spendenwirtschaft eingestellt. Ende 2013 taucht die Seite wieder
auf und warnt vor den angeblichen Betrügereien von Soko Tierschutz. Mit Stefan Loipfingers
Namen und Adresse im Impressum.
Stefan Loipfinger, Charity Watch
„Ich kann mich von dieser Seite charitywatch.info nur absolut distanzieren und will mit
dieser Seite nichts zu tun haben. Wie die arbeiten, entspricht absolut nicht meiner
Arbeitsweise. Was die tun, ist für mich Rufmord und wie sie es tun ist absolut verwerflich
und indiskutabel. … Und Rufmord ist ein Riesenproblem im Internet.“
Stefan Loipfinger schreibt die Betreiber an, die offenbar in der Ukraine sitzen. Auf Druck
nehmen sie seinen Namen und die Adresse aus dem Impressum, ersetzen sie durch
erfundene Angabe. Die Seite aber bleibt einfach weiter im Netz.
Solche Angriffe haben Konjunktur im Internet. Firmen, Organisationen, aber auch
Privatpersonen - es kann jeden treffen. Statistiken gibt es keine, aber Experten sehen eine
Zunahme.
Christan Scherg beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Rufmord im Internet und berät
Betroffene, die mit Kampagnen überzogen werden.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Christian Scherg
„Ich habe heute die Möglichkeit als Betreiber einer Webseite anonym zu bleiben, also gar
nicht in Erscheinung zu treten. Ich kann diese über andere Kanäle registrieren lassen und
ich muss auch auf sozialen Plattformen nicht meinen Klarnahmen angeben, d.hl., dass ich
als die Person die angegriffen wird, sichtbar bin, aber meine Gegnger in der Deckung
bleiben können.
Friedrich Mülln hat schon vorgeraumer Zeit Anzeige wegen Verleumdung gegen Unbekannt
gestellt
Eine Spur führt in die Schweiz. Denn am Anfang hatten die Initiatoren der Kampagne
offenbar Fehler gemacht. Bei der ersten Internetseite gegen Soko Tierschutz ist eine E-MailAdresse hinterlegt, die zu einer realen Person führt.
Sie gehört Thomas S. Er bietet in Hergiswil am Vierwaldstättersee diverse
Internetdienstleistungen an. Und hier residiert seine Firma: Wir konfrontieren ihn mit den
Vorwürfen, er will von all dem nichts wissen.
Thomas S.
Reporter: „Das ist schön, dass Sie herauskommen. Sie sind Herr S?“
„Grüziwohl.“
„Sie sind Herr… das ist ja interessant.“
Interessant ist auch die Auskunft des Providers der E-Mail, die uns vorliegt: lucky tom wurde
bei yahoo angemeldet. Als Besitzer vermerkt: Thomas S. mit Adresse und Telefonnummer..
Als wir ihm das vorhalten, ist er zum Gespräch bereit – aber nur ohne Tonaufzeichnung.
Dabei räumt er ein, dass er im Interview nicht die Wahrheit gesagt habe. Die E-Mail-Adresse
gehöre ihm. Auch besitze er die Fähigkeiten und Kontakte für eine solche RufmordKampagne. Er behauptet nun, es habe wohl jemand seine Identität missbraucht.
Wir fragen beim Justizministerium nach, wie sich Betroffene schützen können. Ergebnis:
Bisher gibt es keine Gesetze, die sich speziell mit dieser Art der Internetkriminalität befassen.
Man müsse sich in solchen Fällen mit anderen Paragrafen wie Verleumdung behelfen. Und
laut Telemediengesetz gebe es auch im Internet die Verpflichtung ein korrektes Impressum zu
führen.
Das alles hilft nicht viel, meint Christian Scherg. Denn bei der Verfolgung von Angriffen aus
fernen Ländern stoßen Betroffene schnell an ihre Grenzen:
Christian Scherg
„Wir werden mit Verleumdungskampagnen leben müssen. Dh. wir müssen damit rechnen,
dass solche Angriffe aus dem Hinterhalt erfolgen können, von irgendwelchen Pnkten in der
Welt, denn wir haben es mit dem World Wide Web zu tun. Da brauchen wir weltweit ein
anderes Verständnis für dieses Medium, was uns Freiheiten eröffnet, was aber
andererseits auch Gefahren birgt."
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Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen im Fall Friedrich Mülln eingestellt.
Begründung: Es fehle am öffentlichen Interesse. So wird wahrscheinlich nie herauskommen,
wer wirklich hinter der Kampagne steckt. Die Opfer bleiben wehrlos.
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