AktionärszAhlen des deutschen Aktieninstituts 2014

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AktionärszAhlen des deutschen Aktieninstituts 2014
Aktionärszahlen des 1
Deutschen Aktieninstituts
2014
Weiter rückläufiges
Aktieninteresse in 2014:
Zahl der Aktienbesitzer
sinkt um eine halbe
Million
2
2014
Aktienkultur
leidet erneut
Die Aktienkultur in Deutschland erleidet in 2014 einen erneuten Rückschlag. Rund 500.000 Menschen trennen sich von
Aktien oder Anteilen an Aktienfonds.1 Trotz steigender Kurse an den Börsen sinkt die Zahl der Aktienanleger das zweite
Jahr in Folge. Lediglich rund 8,4 Millionen Anleger oder 13,1 Prozent der Bevölkerung sind am Aktienmarkt engagiert.2
Dies ist das Kernergebnis der jüngsten Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts zur Zahl der Aktienbesitzer.
Verantwortlich für den Rückschlag ist vor allem der Rückgang der Zahl der Aktionäre um rund 400.000 auf jetzt 4,1 Millionen
(bzw. 6,4 Prozent der Bevölkerung). Damit ist der Aufwärtstrend bei den Direktinvestments seit der Finanzkrise vorerst
durchbrochen. Überproportional stark ist zudem die Zahl der jüngeren Anleger gesunken.
Trotz der mittlerweile mehrjährigen Hausse
an den Börsen hat sich damit in 2014 der
langfristige Negativtrend verschärft. Seit
dem Jahr 2001 – dem Jahr des bisherigen
Rekordstandes bei den Aktionärszahlen –
haben sich rund 4,4 Millionen Menschen von
Aktien und Aktienfonds getrennt. Auch das
leichte Plus bei der Gesamtzahl der Aktien­
anleger seit dem Jahr 2010 ist wieder nahezu
aufgezehrt, obwohl der DAX in den letzten
beiden Jahren fast 29 Prozent und seit dem
Konkurs von Lehman im Jahr 2008 immerhin
um 60 Prozent zugelegt hat.3
Verschenktes Vermögen
Diese Entwicklung ist vermögenspolitisch besorgnis­
erregend. Der weit überwiegende Teil der deutschen
Bevölkerung verzichtet auf die Rendite­chancen, die die
Aktienanlage bietet. Die Aktienquote im Geldvermögen
liegt gerade einmal bei gut 7 Prozent, wenn sowohl
börsennotierte Aktien als auch Aktienfonds zusammen­
genommen werden. Durch ihre konservative Anlage­
philosophie verschenken die Menschen viel Geld. Hätten
die Deutschen seit 2001 nur jeden vierten Euro, den sie
Jahr für Jahr bei Banken und Sparkassen neu als Tagesgeld,
Termingeld oder andere Einlagen sparen, in Aktien ange­
Die Gruppe der Besitzer von Aktienfondsanteilen umfasst – wenn nicht explizit anders bezeichnet – auch Besitzer von Anteilen an Gemischten Fonds, die neben
Aktien auch andere Wertpapiere enthalten. 2Alle Prozentangaben beziehen sich auf die Bevölkerung über 14 Jahre. 3Die Aussagen beziehen sich auf den Endstand
des DAX zum Jahresende 2014 bei 9805 Punkten.
1
3
onelle Anleger aus dem Ausland – wie Investmentund Pensionsfonds – sind vermehrt in die Lücke
gestoßen, die deutsche Anleger gelassen haben. Mitt­
lerweile gehört mehr als jeder zweite Anteilsschein
deutscher Börsenwerte einem Investor aus dem Aus­
land.5 Bei manchen Unternehmen des DAX liegt der
Auslandsbesitz sogar bei 75 Prozent.6 Das ist zwar
ein Vertrauensbeweis ausländischer Investoren in
die Leistungsfähigkeit der deutschen Unternehmen.
Leider geht die überaus positive Entwicklung deut­
scher Unternehmen in den vergangenen Jahren aber
immer stärker an den deutschen Anlegern vorbei.
Diesen Trend gilt es umzukehren.
legt, wäre das Geldvermögen heute grob geschätzte
106 Milliarden Euro höher. Pro Haushalt entspräche dies
immerhin einem Vermögenseffekt von über 2.600 Euro.4
Dieser Effekt wäre noch größer, wenn man eine stär­
kere Umschichtung aus neuen Bankeinlagen in die
Aktie annimmt. Je nach Szenario könnten deutsche
Haushalte von dem zusätzlichen Vermögen zwei bis
drei Jahre lang ihre Benzinrechnungen begleichen.
Das nachlassende Interesse der Privatanleger an
der Aktie spiegelt sich auch in den Besitzstrukturen
deutscher börsennotierter Unternehmen. Instituti­
4
Siehe zur Herleitung des Gedankenexperiments das „Spezial“ ab S. 8 dieser Studie. 5Siehe Deutsche Bundesbank, Eigentümerstruktur am deutschen Aktienmarkt: allgemeine
Tendenzen und Veränderungen in der Finanzkrise, in: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, September 2014, S. 19-33, hier: S. 24. 6Siehe Ernst & Young, Wem gehört der DAX,
Analyse der Aktionärsstruktur der DAX-Unternehmen 2014.
Erneut rückläufiges Interesse an der Aktienanlage
in Tausend
nur Aktien
12.853
11.828
12.000
7.159
11.549
10.796
10.314
6.549
10.000
nur Aktienfonds
11.127
10.504
5.617
Aktien und Aktienfonds
6.081
10.317
6.052
5.899
9.490
9.317
6.074
6.270
8.921
8.811
8.385
8.231
8.477
8.441
4.958
5.764
8.000
4.361
5.187
6.789
6.000
5.601
4.731
3.226
4.298
4.586
2.274
2.748
1.681
911
4.000
2.607
1.518
2.088
2.086
1.662
2.014
1.944
627
1.874
1.677
1.365
1.405
1.305
1.749
1.534
1.669
2.000
3.293
3.604
3.487
3.463
3.087
2.912
2.960
2.661
2.730
2.366
2.370
2.188
2.219
2.349
2.357
2.870
2.811
2.474
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Abbildung 1: Aktionäre und Besitzer von Aktienfonds*
*Aktienfonds einschließlich Mischfonds
4
Mitarbeiteraktien fördern,
Finanztransaktionssteuer
ad acta legen
Dazu ist auch die Politik gefordert, mit geeig­
neten Rahmenbedingungen die Menschen
für ein Aktieninvestment zu interessieren.
Aus Sicht des Deutschen Aktieninstituts
bestehen aber zahlreiche widersprüchliche
Rahmenbedingungen, die das Investment in
Aktien hemmen anstatt mit Aktien die Ver­
mögensbildung zu stärken. Dazu zählen u.a.
unzureichende Anstrengungen im Bereich der
ökonomischen Bildung, überzogene Anfor­
derungen an die Aktienberatung und die
steuerliche Diskriminierung der Aktienanlage.
Außerdem ist das Förderniveau für Mit­arbei­
terkapital­
beteiligungen in Deutschland im
internationalen Vergleich zu gering. Auch
bestehen bürokratische Hindernisse, die die
Ausgabe von Belegschaftsaktien erschwe­
ren.7 Die Bundesregierung sollte daher das
Thema Mitarbeiterkapitalbeteiligung endlich
auf die Agenda setzen. Sonst droht die Gefahr,
dass die Belegschaftsaktie in Deutschland
noch mehr auf das Abstellgleis gerät.
Ein weiteres Beispiel für widersprüchliches
Handeln der Politik ist die Finanztransakti­
onssteuer, mit der die Politik jeden Kauf und
Verkauf von Aktien belegen will. So sieht es
jedenfalls die aktuelle Beschlusslage von elf
EU-Mitgliedstaaten vor, die derzeit über ein
einheitliches europäisches Besteuerungskon­
zept verhandeln. Die Politik übersieht dabei
bewusst, dass die Kosten aus der Steuer von
den Banken an die Anleger weitergegeben
werden. Darin unterscheidet sich die Finanz­
transaktionssteuer nicht von der Mehrwert­
steuer. Die Steuer schmälert nicht nur die
Rendite von Aktieninvestments, sondern sie
ist auch ein fatales psychologisches Signal an
die Menschen, die sich gerade im derzeitigen
Zinsumfeld Anlagen mit höheren Rendite­
aussichten zuwenden sollten. Insgesamt wird
die Finanztransaktionssteuer der ohnehin
wenig entwickelten Aktienkultur in Deutsch­
land weiteren Schaden zufügen.
Schließlich kann eine Steuer auf Aktien­
geschäfte nicht mit den Argumenten begrün­
det werden, die die Politik anführt. Angeblich
geht es hauptsächlich darum, die fiskalischen
Kosten aus der Finanzkrise durch eine Besteu­
erung der Finanzmärkte und „schädlicher“
Finanzprodukte zu kompensieren. Die Aktien­
märkte waren aber nicht Auslöser der Krise,
sondern haben wesentlich zur Stabilisierung
des Finanzsystems beigetragen, indem die
Unternehmen durch Kapitalerhöhungen ihre
eigene Risikotragfähigkeit erhöhen konnten.
Damit hat die Finanzkrise gezeigt, dass Aktien
– auch und insbesondere in Zeiten großer wirt­
schaftlicher Unsicherheit – ein wichtiges Instru­
ment der Unternehmensfinanzierung sind.
Ergebnisse für das
Jahr 2014 im Einzelnen
Abbildung 1 auf Seite 3 zeigt die Gesamtzahl
der Aktionäre und Besitzer von Aktienfonds
im Zeitablauf. Im Jahr 2014 hielten etwas
über 8,4 Millionen Personen ein Aktienin­
vestment. Dies entspricht einem Anteil von
13,1 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre.
Im Vorjahr waren es noch 13,8 Prozent bzw.
8,9 Millionen Anleger. Damit hat das Inter­
esse der deutschen Bevölkerung an der Aktie
in etwa wieder das niedrige Niveau wäh­
rend der Finanzkrise erreicht. Im Vergleich
zum Jahr 2001, dem bisherigen Rekordjahr,
hat jeder dritte Anleger (4,4 Millionen) dem
Aktienmarkt den Rücken gekehrt.
Für den jüngsten Rückgang des Jahres 2014
ist vor allem die Entwicklung bei den Aktio­
nären verantwortlich. Waren es 2013 noch
rund 4,6 Millionen Aktionäre, haben sich im
Jahr 2014 fast 400.000 Menschen von ihren
Anteilsscheinen getrennt (Abbildung 2). Dies
entspricht einem Minus von 10 Prozent.
Damit sind heute nur noch rund 4,1 Millionen
Menschen direkt in Aktien investiert (6,4 Pro­
zent der Bevölkerung nach zuvor 7,1 Prozent).
Die Zahl liegt zwar immer noch rund 600.000
7
Siehe hierzu ausführlich das Positionspapier des Deutschen Aktieninstituts, Neuer Schwung für die Belegschaftsaktie in Deutschland, 10.12.2014.
5
über dem Tiefstand der Finanzkrise. Der leicht
positive Trend der letzten Jahre scheint
jedoch vorerst gebrochen zu sein.
Gründen nicht mehr als Belegschaftsaktio­
när sieht. Nur 1,3 Prozent der Bevölkerung
halten überhaupt noch Belegschaftsaktien.
Sollte sich dieses Niveau in kommenden
Untersuchungen bestätigen, hätte die Zahl
der Belegschaftsaktionäre den niedrigsten
Stand erreicht, seit das Deutsche Aktienins­
titut im Jahr 1988 mit den Untersuchungen
begonnen hat.
Hauptverantwortlich für den Rückgang der
Zahl der Aktionäre ist die Zahl der Beleg­
schaftsaktionäre (untere beiden Säulen­
gruppen in Abbildung 2). Nur noch rund
820.000 Menschen sind nach eigener Aus­
sage als Belegschaftsaktionäre an den
„eigenen“ Unternehmen beteiligt (Vorjahr:
rund 1,2 Millionen). Dieses überraschende
Minus von rund 420.000 bedeutet, dass
faktisch jeder dritte Belegschaftsaktionär
im Jahr 2014 die Aktien „seines“ Unterneh­
mens verkauft hat oder sich aus anderen
Immerhin bleibt die Zahl derjenigen, die
Aktien auch unabhängig vom Motiv der
Mitarbeiterbeteiligung halten (obere bei­
den Säulengruppen) mit ca. 3,5 Millionen
Anlegern (Vorjahr: 3,6 Millionen) vergleichs­
weise stabil.
Direktanlage erleidet Rückschlag, vor allem Belegschaftsaktien betroffen
nur Belegschaftsaktien
in Tausend
Belegschafts- und andere Aktien
nur andere Aktien
7.000
6.211
6.000
5.694
4.610
5.005
5.000
4.235
5.000
5.046
4.605
4.515
3.526
3.406
4.000
4.744
4.240
3.698
3.920
3.399
2.857
3.472
3.174
2.458
4.560
3.247
3.321
4.143
4.047
3.891
3.553
3.624
3.654
3.325
3.018
3.000
4.532
2.734
2.607
2.633
2.666
236
253
294
2.000
309
361
369
511
488
495
1.000
489
433
329
314
229
394
398
364
201
1.153
1.297
1.230
1.090
971
979
859
773
943
752
800
710
738
694
763
887
875
617
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Abbildung 2: Zahl der Aktionäre
6
Ein Minus verzeichnet auch der Besitz von Anteilen an Aktienfonds
und Mischfonds, d.h. Fonds, die Aktien enthalten. Mit rund 140.000
ist der Rückgang verglichen mit der Direktanlage in Aktien mode­
rat. Insgesamt beläuft sich die Gesamtzahl der Aktienfondsan­leger
auf rund 6 Millionen oder 9,5 Prozent der Bevölkerung (2013:
9,3 Prozent). Damit ist die Zahl der Anleger in Aktienfonds wieder
auf den Tiefstand während der Finanzkrise gefallen, ist aber immer
noch in etwa zwei- bis dreimal so hoch wie noch Ende der 1990er
Jahre.
Demographie des Aktienbesitzes weitgehend
stabil - aber: weniger junge Aktienbesitzer
An der Demographie des Aktienbesitzes8 hat sich im Jahr 2014
insgesamt wenig geändert. Überproportional viele Aktionäre und
Anleger in Aktienfonds (zusammen: Aktienbesitzer) gibt es nach wie
vor bei Menschen mit einem relativ hohen Bildungsniveau sowie
einem überdurchschnittlichen Haushaltseinkommen.
Siehe zur Demographie im Detail Deutsches Aktieninstitut, Aktionärszahlen 2013, sowie die Datentabellen
unter www.dai.de (Bereich: Studien und Statistiken)
8
Auch liegt der Anteil der Aktienbesitzer an
der Gesamtbevölkerung in den alten Bun­
desländern immer noch deutlich über der Zahl
in den neuen Bundesländern (13,8 Prozent zu
10,3 Prozent). Allerdings fällt auf, dass der Rück­
gang des Jahres 2014 vor allem den Westen
trifft (Abbildung 4). Während hier die Zahl der
Aktienbesitzer von rund 7,5 Millionen um rund
480.000 auf rund 7 Millionen gefallen ist, blieb
sie im Osten mit 1,4 Millionen konstant.
Zudem konzentriert sich der Rückgang der
Aktionärszahlen erneut auf die jüngeren Akti­
onäre unter 40 Jahre (Abbildung 5). Damit
setzt sich der bedenkliche Trend der vergan­
genen Jahre fort. So hat sich im Verlauf des
Jahres 2014 in der Altersgruppe von 20 bis
29 Jahren und in der Altersgruppe von 30 bis
39 Jahren jeweils fast jeder fünfte Aktionär
aus seinen Aktien- oder Aktienfondsinvest­
Aktienfondsanlage mit kleinem Minus
in Tausend
nur Aktienfonds
Aktienfonds und Mischfonds
nur Mischfonds
12.000
9.766
10.000
8.637
8.365
2.633
8.167
7.843
8.000
1.764
7.948
7.947
2.772
2.686
7.129
2.923
2.678
1.097
2.774
952
6.000
6.592
3.138
1.177
4.744
864
842
975
933
6.620
6.036
6.120
5,967
2.633
2.723
2.413
748
6.110
2.261
2.418
2.248
691
788
3.001
2.931
1.162
4.000
3.185
2.308
2.000
8.066
2.575
557
551
391
576
631
658
578
727
236
160
1.591
2.222
3.191
5.649
6.036
4.885
4.380
4.323
4.317
4.243
4.513
3.440
3.293
2.992
3.201
3.409
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Abbildung 3: Zahl der Anleger in Aktienfonds
2013
2014
7
Rückgang der Aktionärszahlen ausschlieSSlich in den alten Bundesländern
in Tausend
8.000
2013
7.525
ment zurückgezogen. In der Altersgruppe von
50 bis 59 Jahren war es „nur“ jeder 20. Die Gruppe
der Über-60-Jährigen konnte dagegen sogar
leicht zulegen. Aktien und Aktienfonds werden
damit mehr und mehr zu einem Anlageinstru­
ment der älteren Generation. Entsprechend liegt
der Anteil der Aktienbesitzer bei den 20-bis29-Jährigen nur noch bei 7,2 Prozent und bei
den 30-bis-39-Jährigen bei 12,1 Prozent. Zum
Vergleich: In der Altersgruppe zwischen 40 und
59 Jahren sind es jeweils knapp über 17 Pro­
zent. Vermögenspolitisch ist diese Entwicklung
bedenk­lich, da gerade die jüngere Generation
bei der nachlassenden Leistungsfähigkeit des
gesetzlichen Rentensystems darauf angewiesen
ist, privat für das Alter vorzusorgen. Aktien soll­
ten ein elementarer Bestandteil dieser Vorsorge
sein, weil sie in der Regel langfristig eine deutlich
über­legene Rendite gegenüber festverzinslichen
Anlagen aufweisen.
2014
7.044
6.000
4.000
1.397
1.396
2.000
0
Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
Abbildung 4: Entwicklung des Aktienbesitzes nach Regionen
Erneut besonders starker Rückgang bei den jüngeren Aktienbesitzern
in Tausend
2013
2014
+4,9
3000
%
2.815
2.683
2500
-5,9
2.131
2000
1.500
%
2.005
-6,7
%
2.064
1.925
-17
,2 %
1.185
1.000
-18,4
%
980
743
606
500
0
20 - 29
30 - 39
Abbildung 5: Aktienbesitz nach Altersgruppen
40 - 49
50 - 59
über 60
8
Die konservative
Anlagementalität kostet
die Deutschen viel Geld
Spezial:
Aktien und Aktienfonds spielen immer
geringere Rolle bei der Geldanlage
2014
4,5 %
2,8%
5,4%
5,8%
0,7%
3,4%
38,2%
39,2%
2001
5,8 %
2,9%
Aktien
Aktienfonds
Sonstige Anteilsrechte*
Andere Fonds
Sonstiges
Anleihen
Bargeld und Einlagen
Versicherungen**
■
■
■
■
■
■
■
■
9,4%
8,4%
30,8%
1,4%
34,9%
0,1 Mio.
1,3 %
Datenquelle: Deutsche Bundesbank (2014 bis 3. Quartal)
6,3%
*einschließlich nicht
notierter Aktien
**einschließlich Ansprüche gg.
Alterssicherungssysteme
Abbildung 6: Struktur des Geldvermögens privater Haushalte 2001 und 2014
Die geringe Zahl der Aktionäre und Besit­
zer von Aktienfonds spiegelt sich in der
insgesamt konservativen Anlagestruktur
privater Haushalte in Deutschland. Diese
geringe Risikoneigung belegt auch
die Statistik zur Vermögensstruktur der
Deutschen Bun­desbank (Abbildung 6).9
Danach steht das Gesamtvermögen an
börsennotierten Aktien in Höhe von der­
zeit gut 226 Milliarden Euro für gerade
einmal 4,5 Prozent des privaten Geld­
vermögens. Der Anteil von Aktienfonds
am Geldvermögen geht aus der Statistik
nicht direkt hervor. Schlägt man jedoch
das in Publikumsaktienfonds10 ange­
legte Geld (knapp 140 Milliarden Euro)
vereinfachend komplett den privaten
Haushalten zu, so summiert sich der
Anteil von Aktieninvestments auf insge­
samt 7,3 Prozent. Das Banksparen – also
die Anlage auf Girokonten, Sparbüchern
oder Termineinlagen – kommt hingegen
einschließlich der Bargeldhaltung auf
39,2 Prozent. In ähnlichen Größenord­
nungen bewegt sich das Versicherungs­
sparen mit 38,2 Prozent.
Alle Daten sind der Finanzierungsrechnung der Deutschen
Bundesbank entnommen. Diese ist unter www.bundesbank.
de in der Rubrik Statistiken/Gesamtwirtschaftliche Rechenwerke zugänglich. 10Siehe Deutsche Bundesbank, Kapitalmarktstatistik, Kap IV. Investmentfonds. 11Für das Jahr 2002
liegt hierzu keine Zinsangabe vor. Daher wurde alternativ
auf die Verzinsung von Spareinlagen mit höherer Verzinsung,
3monatiger Kündigungsfrist sowie einer Laufzeit von 1 bis 4
Jahren zurückgegriffen. Die Annahme über die Zinsen der
Bankeinlagen bestimmt die Höhe der entgangenen Zinsen
und Zinseszinsen naturgemäß in hohem Maße. Unsere
Annahme bewegt sich am oberen Rand dessen, was die Menschen faktisch auf ihre Bankeinlagen erhalten haben dürften.
9
9
Auch die Vermögensstruktur zeigt das rückläufige Interesse
der Deutschen an der Aktienanlage. Analog zum Nega­
tivtrend bei den Aktio­
närszahlen ist die Geldanlage der
deutschen Haushalte seit 2001 noch einmal konservativer
geworden. Damals lagen die entsprechenden Quoten bei
5,7 Prozent (Aktien), 2,9 Prozent (Aktienfonds), 34,9 Prozent
(Bankeinlagen und Bargeld) sowie 30,8 Prozent (Versiche­
rungssparen).
Durch dieses Verhalten verzichten die Menschen de
facto auf Vermögen, weil die Rendite auf Aktien im
Schnitt deutlich über der von Bankeinlagen liegt.
Der seit Ende 2001 entstandene Vermögensschaden
lässt sich zwar nachträglich nicht exakt bestimmen.
Folgendes Gedankenexperiment mag aber einen
Eindruck der Wirkungen vermitteln.
Dabei wird unterstellt, dass ein Teil der Zuflüsse in
Bankeinlagen am Aktienmarkt angelegt worden
wäre. Konkret nehmen wir an, dass jeder vierte
Euro aus neuen Bankeinlagen in den Aktienmarkt
geflossen wäre. Der Zufluss in Bankeinlagen hätte
sich dadurch um rund 186 Milliarden Euro reduziert.
Entsprechend hätten die Sparer auf die Zinsen und
Zinseszinsen auf diese 186 Milliarden verzichten
müssen. Legt man als Verzinsung die jeweils gelten­
den Zinsen auf Termingelder mit einer Laufzeit von
1 bis 2 Jahren zugrunde,11 bedeutet diese Umschich­
tung zunächst einmal einen Zinsverlust in Höhe von
knapp 35 Milliarden Euro.
SPÜRBARER VERMÖGENSSCHADEN
Entsprechend der konservativen Grundhaltung fließen Neu­
anlagen nach wie vor primär in Anlageformen mit wenig Ren­
dite. Abbildung 7 zeigt, dass die jährlichen Zuflüsse in Bank­
einlagen regelmäßig ein Vielfaches der Neuanlage in Aktien
betragen. Per Saldo haben die Menschen seit Jahresanfang
2002 insgesamt gut 744 Milliarden Euro zusätzlich bei Ban­
ken und Sparkassen angelegt, während bei börsennotierten
Aktien mit 27 Milliarden Euro gerade einmal eine schwarze
Null zu Buche steht und aus Aktienfonds sogar netto Erspar­
nisse in Höhe von knapp 4 Milliarden Euro abgezogen wurden.
Neuanlagen flieSSen primär in Anlageformen mit wenig Rendite
Börsennotierte Aktien
in Milliarden
Bargeld und Einlagen
100
91,8
80
74,6
63,9
66,6
64,1
60,9
60
57,5
53,8
51,9
49,2
45,5
40
36,2
28,3
25,3
19,4
20
13
12,1
13,7
5,4
5,9
0
-3,9
-2,4
-2,7
-2,6
-12,2
-20
-40
-44
Datenquelle: Deutsche Bundesbank (2014 bis 3. Quartal)
-60
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Abbildung 7: Zu- und Abflüsse in Aktien und Bankeinlagen seit 2002
2010
2011
2012
2013
2014
10
Diesem Zinsverlust stehen aber die Kursgewinne und
Dividenden und damit der Vermögenszuwachs entge­
gen, den die 186 Milliarden Euro am Aktienmarkt verteilt
über die Jahre erbracht hätten. Legt man auch hier die
jeweiligen Jahresrenditen am Aktienmarkt zugrunde,
ergibt sich ein fiktiver Gesamtertrag aus allen angenom­
menen Zuflüssen von 141 Milliarden Euro.
Bilanz noch besser aus: Die privaten Haushalte hät­
ten sich über zusätzliche 3.500 Euro pro Haushalt
(1.750 pro Person) oder ein zusätzliches Geldver­
mögen von insgesamt 141 Milliarden Euro freuen
können. Dies entspricht immerhin dem Gegenwert
dessen, was deutsche Haushalte in zwei bis drei
Jahren für das Tanken ausgeben.
Dieser Betrag liegt um 106 Milliarden Euro über den fiktiven
entgangenen Zinsen. Ein stärkeres Investment in Aktien
hätte die Menschen also um diesen Betrag reicher gemacht.
Pro bundesdeutschem Haushalt sind das immerhin im
Schnitt gut 2.600 Euro und pro Person immerhin 1.300 Euro.12
Wäre statt jedem vierten sogar jeder dritte Euro aus Neu­
anlagen bei Banken in den Aktienmarkt geflossen, sähe die
Die Aktienquote im Gesamtvermögen wäre durch
eine solche Umschichtung im Übrigen nicht dra­
matisch gestiegen. Statt heute 4,5 Prozent (7,3
Prozent unter Einschluss der Aktienfonds) würde
sie im ersten Szenario rechnerisch bei 7,1 Prozent
(9,9 Prozent) liegen und im zweiten Szenario bei
8,0 Prozent (10,7 Prozent).
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes leben die 80,8 Millionen Bundesbürger in 39,9 Mio. Haushalten (Stand: 2013).
12
Mehr Mut ZU Aktieninvestments wäre belohnt worden
Effekt auf Geldvermögen in Milliarden Euro
Entgangene Zinsen
200
Zusätzliche Aktienerträge
Gesamteffekt
188
141
150
141
106
100
50
0
-50
-35
-46
-100
25,0%
33,3%
Anteil der Umschichtung in die Aktie aus neuen Bankeinlagen
Abbildung 8: Fiktiver Vermögenszuwachs bei Umschichtung aus neuen Bankeinlagen in Aktien zwischen 2002 und 2014
11
Systematik und Methodik der Aktionärsstrukturstatistik
Das Deutsche Aktieninstitut zählt alle Anle­
ger als „Aktienbesitzer“, die entweder direkt
mit Aktien oder indirekt mit Aktienfonds an
der Entwicklung des Aktienmarktes partizi­
pieren.
Wegen der möglichen Überschneidungen
der beiden Gruppen – ein Anleger kann
neben Aktien auch Anteile an Aktienfonds
besitzen – können die beiden Gruppen in der
Darstellung nicht einfach addiert werden.
Deshalb unterscheidet die Statistik des Deut­
schen Aktieninstituts:
(1) Menschen, die nur Aktien, nicht aber
Fondsanteile halten („nur Aktien“),
(2) Menschen, die nur Fondsanteile, nicht
aber Aktien besitzen („nur Aktien­
fonds“), und
(3) die Anleger, die sowohl Aktien und
Anteile an Aktienfonds besitzen
(„Aktien und Aktienfonds“).
Die gleiche logische Struktur in den Über­
schneidungen findet sich innerhalb der
Gruppen der Aktionäre und der Anleger in
Aktienfonds.
Bei den Aktionären wird unterschieden zwi­
schen
(1) Belegschaftsaktionären, die ausschließ­
lich Belegschaftsaktien, aber keine
anderen Aktien halten,
(2) Aktionären, die gar keine Belegschafts­
aktien halten, und
(3) Aktionären, die sowohl Belegschaftsals auch andere Aktien besitzen.
nur
Aktien­fonds
Anleger in
Aktien­fonds
Aktienbesitzer
(= alle Aktien­
investments)
Aktien und
Aktienfonds
und
Aktien­
Aktien­fonds
Aktionäre
nur Aktien
Inwiefern die Anleger in den verschiedenen Untergruppen
auch andere Anlageformen nutzen, z.B. Anleihen, Anteile an
Renten- oder Immobilienfonds, Geldmarktkonten oder Ver­
sicherungen, geht aus der Statistik des Deutschen Aktienin­
stituts nicht hervor. Dass ein Anleger nach unserer Untersu­
chung zum Beispiel „nur Aktien“ hält, bedeutet also, dass er
keine Anteile an Aktien- oder Gemischten Fonds besitzt. Es
bedeutet ausdrücklich nicht, dass er außer Aktien gar keine
andere Anlageform nutzt. Dies würde Deutschen Aktieninsti­
tut auch nicht empfehlen.
Die Anleger in Aktienfonds gliedern sich in
(1) Menschen, die nur Aktienfonds halten,
(2) Menschen, die ausschließlich Anteile an
Gemischten Fonds halten, und
(3) Anleger, die sowohl Anteile an
Gemischten Fonds als auch an Aktien­
fonds besitzen.
Methodisch beruht die Aktionärsstrukturstatistik des Deut­
schen Aktieninstituts auf einer repräsentativen Umfrage von
TNS Infratest. Hierzu werden in insgesamt 12 Wellen jährlich
ca. 28.000 Anleger im Alter von mindestens 14 Jahren zufällig
ausgewählt und weitgehend in einem persönlichen Interview
nach ihren Anlageverhalten befragt. Entsprechend beziehen
sich Prozentangaben im Text auch auf die Bevölkerung mit
mindestens diesem Alter. Mit dem Beginn des Jahres 2013 hat
das Deutsche Aktieninstitut zudem die Statistik generell auf
Ganzjahreswerte umgestellt. Trotz der breiten statistischen
Grundlage unterliegen die Halbjahreszahlen insbesondere
der verschiedenen Untergruppen größeren statistisch beding­
ten Schwankungen, die die Interpretation erschweren.
Die Gruppe der Besitzer von Aktienfonds wird
also weit abgegrenzt. Sie umfasst Aktienfonds
und Gemischte Fonds, die Aktien enthalten.
Die Daten, die dieser Studie zugrunde liegen, können unter
www.dai.de (Bereich: Studien und Statistiken) abgerufen
werden.
frankfurt am Main | 12. februar 2015
Dr. Gerrit fey | Tel. +49 69 92915­41
deutsches Aktieninstitut e.V.
Niedenau 13­19 | 60325 frankfurt am Main
Tel. +49 69 92915­0 | fax +49 69 92915­12
[email protected] | www.dai.de