Sittenwidriger Lohn = Ausbeutung des Arbeitnehmers

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Sittenwidriger Lohn = Ausbeutung des Arbeitnehmers
Sittenwidriger Lohn = Ausbeutung des Arbeitnehmers – was kann man
dagegen tun?
Vor allem in der heutigen Zeit, wo Wahlsprüche wie „Ende Lohndumping – Ziel
Vereinbarung von Mindestlöhnen“ schlagwortartig benutzt werden, stellt sich die
Frage: Wann ist ein Lohn zu niedrig und damit sittenwidrig und welche Rechte
habe ich als Arbeitnehmer, obwohl ich den Arbeitsvertrag mit diesem niedrigen
Lohn unterschrieben habe?
Nach § 138 II B GB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter
Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an
Urteilsvermögens eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile gewähren
lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Diese
Regelung gilt auch für Arbeitsverhältnisse.
Das Bundesarbeitsgericht hat in zahlreichen Entscheidungen und zuletzt mit
Urteil vom 22. April 2009, Az. 5 AZR 436/08 entschieden, dass ein auffälliges
Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Gegenleistung angenommen werden
kann, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden
Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht.
Maßgebend sei – so die Richter des Bundesarbeitsgerichts – der Vergleich mit der
tariflichen Stunden- oder Monatsvergütung ohne Zuschläge, wobei auch die
besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen sind.
In dem entscheidenden Fall gelangte das Bundesarbeitsgerichts zu der
Erkenntnis, dass die Gesamtumstände, insbesondere die gesetzeswidrig hohen
und zudem unregelmäßigen Arbeitszeiten die Ausbeutung der Arbeitnehmer
verdeutlichen würden. Im Ergebnis gelangt das Bundesarbeitsgericht in seiner
Entscheidung dazu, dass ein Stundenlohn in Höhe von 3,25 EUR netto in einem
Gartenbaubetrieb sittenwidrig ist.
Weiterhin gelangte auch das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 18. März
2009, Az. 6 Sa 1284/08, 6 Sa 1372/08, zu der Ansicht, dass 5,20 EUR pro
Stunde in dem Textildiscounter KIK sittenwidrig seien. Insoweit hielt das Gericht
einen Stundenlohn von 8,21 EUR für angemessen.
Ähnlich entschied auch das Kieler Arbeitsgericht, in dem es einem Praktikanten,
der mit 200,00 EUR pro Monat „abgespeist“ wurde, dass diesem eine
Lohnnachzahlung von ca. 10.000,00 EUR zusteht.
Insoweit entschied das Kieler Arbeitsgericht, dass nicht jeder als Praktikant
bezeichnete Beschäftigte auch ein solcher ist. Sofern nicht der Ausbildungszweck
im Vordergrund stehe, sondern vielmehr die Arbeitsleistung, muss hierfür auch
angemessener Lohn gezahlt werden, so das Arbeitsgericht Kiel.
Ebenso hat das Arbeitsgericht Bremen entschieden, dass ein vereinbarter
Stundenlohn von 5,00 EUR für Arbeitnehmer, die als Auspackhilfen in
Supermärkten beschäftigt sind, sittenwidrig nichtig ist, da er um mehr als 1/3
unter der Vergütung des für den Wirtschaftszweig einschlägigen üblichen
Tarifvertrages zurückbleibt. Der Arbeitgeber wurde deshalb verurteilt, dem
Arbeitnehmer die tarifliche Vergütung nachzuzahlen.
Allein diese kurze Darstellung von aktuellen Urteilen macht deutlich, dass auch
die Rechtssprechung Lohnwucher einen Riegel vorschiebt.
Im Rahmen der gesetzlichen Verjährung besteht daher auch bei Vereinbarung
von sittenwidrigen Löhnen die Möglichkeit, den angemessenen Lohn nachträglich
für die vertragliche Arbeitszeit gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen
und gegebenenfalls diesen auch einzuklagen.
Sollten Sie der Ansicht sein, insoweit eine zu Ihrem Nachteil getroffene
Vereinbarung mit dem Arbeitgeber getroffen zu haben, so beraten wir Sie gern.
Ronny Neumann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Das Recht auf Ihrer Seite
Baehr, Wübbeke & Partner
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Kanzlei Chemnitz
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