1 Predigt über Lk. 10.38-42 am Sonntag, den 28. Juni 2015 in der
Transcrição
1 Predigt über Lk. 10.38-42 am Sonntag, den 28. Juni 2015 in der
1 Predigt über Lk. 10.38-42 am Sonntag, den 28. 39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Juni 2015 in der Laier von Arnbach (bei Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und Neuenbürg, Nordschwarzwald) hörte seiner Rede zu. von Dr. Christoph Mehl, Riedstr. 17, 71634 40 Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm Ludwigsburg zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt alleine dienen? Sage ihr doch, Liebe Gemeinde, als Predigttext hören wir eine Geschichte über Jesus und zwei sehr unterschiedliche Schwestern. Sie steht im Evangelium des Lukas im 10. Kapitel.1 Maria und Marta 38 Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. dass sie mir helfen soll! 41 Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. 42 Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. Amen. So schnell kann‘s gehen! Schon ist die Geschichte zu Ende, in Sekunden an uns vorbeigerauscht! Kurz und knapp, kompakt und 1 Lk. 10,38-42 2 komprimiert – so erzählen die Evangelisten uns Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und lehrt2, die Geschichten über Jesus. Sie lassen uns oft er verkündet das Evangelium vom Reich verwundert und fragend zurück. Und wir Gottes3: „Gott will uns nahe sein, er soll in wünschten, sie hätten sich etwas mehr unserem Leben eine wichtigere Rolle spielen!“ Ausführlichkeit gegönnt! Immer wenn er ein Dorf betritt, verbreitet sich So liegt es an uns, dass wir uns in die die Kunde von ihm in der ganzen Gegend4. Die Geschichte hineindenken, dass wir uns die Erwartungen sind inzwischen gewaltig Mühe machen, die Nebentöne zu hören und gestiegen: Weil Jesus schon nahe bei Jerusalem zwischen den Zeilen lesen. Wir könnten der ist, meinen die Menschen, die von all dem Geschichte einen Besuch abstatten, eine hören, das Reich Gottes werde sofort Zeitreise unternehmen zu jenem Dorf, dem erscheinen.5 Unterdessen vollbringt Jesus Jesus einen Besuch abstattete. Machen wir uns wahre Wunder auf seinem Weg nach auf den Weg! Jerusalem: Blinde sehen, Lahme gehen, Wir nähern uns von Westen her dem Dorf Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote Bethanien. Nur eine kleine Wanderung ist es von Jerusalem in dieses Dorf. Wir wissen: Auf 2 Lk. 13,22 seinem Weg nach Jerusalem zieht Jesus von 3 Lk. 8,1 4 Lk. 4,14 5 Lk. 19,11 3 stehen auf, und den Armen wird das wegzuschicken, was Jesus glücklicherweise Evangelium gepredigt.6 verhinderte.10 Und jetzt sehen wir schon von Ferne: Es Als wir näher kommen sehen wir die Jünger strömen die Menschen auf Bethanien zu, so geschäftig in der Menge drängeln, einige dass bereits ein gefährliches Gedränge umschwärmen Jesus, belegen den Platz zu entsteht7 vor dem Haus der Geschwister Marta, seinen Füssen. Andere wiederum schirmen ihn Maria und Lazarus. Alte Bekannte übrigens: ab vor den neugierigen Menschen, benehmen Hier war Jesus schon oft zu Gast. In diesem sich wichtig wie bodygards, die den Star vor Haus hat Jesus den Lazarus ins Leben seinen Fans schützen wollen. Wir hören einen zurückgeholt.8 Hier hat Maria seine Füße mit der Jünger leicht gestresst ausrufen: Es ist kostbarem Öl gesalbt, worauf sich die Jünger überfüllt, alle raus hier, der Herr muss jetzt über die Verschwendung schrecklich aufgeregt erstmal was zu essen bekommen und wir haben.9 Überhaupt diese Jünger! Sie haben Jünger auch!11 auch schon mal versucht Kinder Am Rande des Geschehens sehen wir eine junge Frau, die sich viel zu schaffen macht, das Essen zubereitet, mit den Töpfen und Geschirr 6 Lk. 7,22 7 Lk. 12,1 8 Joh. 11,1-44 10 Lk. 18,15-17 9 Joh. 12,1-11 11 Nach Lk. 3,20 4 hantiert und leicht verzweifelt wirkt. Es ist schieben sie einfach weg, wir können sie hinter Marta. Sie scheint die einzige zu sein, die hier uns lassen. Wir sind ganz aufmerksam und arbeitet und nicht bloß redet. konzentriert, sind in diesem Augenblick, ganz Inmitten des ganzen Trubels sitzt Jesus. Er hier, ganz bei uns selbst, und zugleich mitten spricht zu denen, die vor ihm sitzen und drin in dem Gespräch mit Jesus. - Wir merken, konzentriert und aufmerksam zuhören. Auch dass wir hier neue Kraft finden. - Wir fühlen Maria ist dabei. Ein Bild von großer uns verstanden und angenommen, wir können Anziehungskraft, ein Ruhepunkt mitten im uns selbst so annehmen wir es gerade sind. - Gewühl. Hier in der Mitte ist die Quelle des Lebens. Das Wir wollen uns das aus der Nähe ansehen und erfahren, was dort gesprochen wird. Erzählt spüren wir und so wird es Maria auch gerade gehen. Jesus ein Gleichnis? Bespricht er mit ihnen Doch plötzlich! durchbricht jemand den inneren schwierige Glaubenssituationen? Wird Kreis. Es ist Marta, der offenkundig der Kragen überhaupt gesprochen? platzt: „Herr, kümmert es dich nicht, dass mich Wir treten hinzu und spüren es: hier in der Mitte finden auch wir zu innerer Ruhe. Den Trubel um uns herum nehmen wir noch wahr, aber wir blenden die Geräusche jetzt aus, meine Schwester alleine dienen lässt? Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll!“ Eine massive Störung! Doch sie trifft uns bei unserem schlechten Gewissen: Recht hat sie doch 5 eigentlich! Maria verhält sich unmöglich! Wenn sorgst dich und mühst dich um viele Dinge. Ein Gäste da sind, muss man helfen, man muss die klein wenig ist aber auch nötig das Eine zu von der Reise müden Leute bewirten. sagen: Maria hat den guten! Teil gewählt, und Außerdem: vielleicht würde Marta auch gerne der soll ihr nicht genommen werden.“ hinsitzen und zuhören, aber an ihr bleibt die Die letzten Worte noch im Ohr, fragen wir uns, ganze Arbeit hängen. Andere sollen auch mal wie das! jetzt wohl gemeint war. Hat er wirklich ran, die Jünger, die offenbar nur wichtig Marta dafür getadelt, dass sie sich über die herumstehen. Wir hoffen nun auf ein Machtwort herumsitzende Maria aufregt? Hören ist besser von Jesus, er sollte also sagen: „Maria, Maria, als Dienen? du machst es dir zu einfach. Marta hat es besser gemacht, denn sie weiß: Erst kommt die Arbeit, dann! kann man sich auch mal hinsetzen und zuhören.“ Das wäre uns doch sehr sympathisch, weil eine solche Antwort die Martas Arbeit ernstnimmt und ihr Wertschätzung gibt. Aber nichts dergleichen! „Der Herr nämlich antwortete ihr und sprach: „Marta! Marta, du Nein, da wir haben wohl nicht richtig zugehört. Wir lassen uns die Worte noch einmal durch den Kopf gehen, wir treten heraus aus dem Kreis, um besser nachdenken zu können. Und nun hören etwas anderes: Es geht hier nicht um einen allgemeinen Grundsatz, - nein, in dieser Situation soll einfach nur gelten: Maria hat auch ihr Recht. 6 Hören und Handeln – alles beides ist doch Schatten der Marta gerät und von den wichtig, jedes hat seinen eigenen Wert. Herumstehenden abgewertet wird, die Jesus vergleicht nicht das Verhalten der einen wahrscheinlich gedacht haben: Was für eine Schwester mit dem Verhalten der anderen. Er faule Schwester, diese Maria! Jesus aber wertet nicht die eine gegen die andere ab. Er besteht darauf: Maria hat gut gewählt, sie hat hat für beide ein Wort. es richtig gemacht. Sie will sich ganz einlassen Er sieht, was Marta tut, ihre Mühe, ihre Arbeit. Er sieht es und sagt es ihr. Da ist kein Tadel dabei! Im Gegenteil: Dass praktisches Tun als Nächstenliebe seinen Wert hat, einen hohen Wert!: Das war bei Jesus immer schon so. Marta bewirtet, und sie schafft damit den Rahmen, in dem die Menschen auf Jesus, auf auf das, was Jesus sagen wird, sie will sich ansprechen lassen, nachdenken und etwas erfahren, was sie selbst betrifft. So will sie Gott dienen, alles andere kann warten. Und Jesus nimmt Maria darin ernst, er befreit sie vom Gastgeberzwang und gesteht ihr zu, dass für sie jetzt das Hören das Wichtigste ist. Gott hören können. So ist ihr Dienst am Man kann nicht immer alles gleichzeitig tun. Nächsten zugleich Gottesdienst, den Jesus Alles hat seine Zeit. Hören und Handeln sind in anerkennt. dieser Szene verteilt auf zwei unterschiedliche Und Maria? Jesus ist wichtig, dass das Verhalten der Maria nicht unangemessen in den Frauentypen, zwei verschiedene Charaktere. 7 Aber Jesus legt die beiden nicht dauerhaft auf Und Maria, die es diesmal zu Füßen Jesu gut ihre Rollen fest. getroffen hat, bleibt nicht ewig dort sitzen. Da Marta ist nicht immer die Praktische sie ihm wirklich zuhört, muss es für sie Folgen Handelnde, die Dienende. Bei der haben, sie wird reden und handeln. Sie folgt Auferweckung ihres Bruders Lazarus zeigt sie ihm nach, vielleicht ist sie eine der beiden großen Glauben und stellt unter Beweis, dass Marias, die später unter dem Kreuz Jesus im sie gut zugehört hat: Ja Herr, sagt sie, ich Streben begleitet. Doch hier in diesem Haus an glaube, dass du der Christus bist, der Sohn diesem besonderen Tag in Bethanien ist für sie Gottes, der in die Welt gekommen ist12. Und die Zeit, um sich zurückzuziehen. hier in diesem Haus in Bethanien ist für sie Zeit Ja, es ist wichtig zu verstehen: Jesus legt uns zu handeln: Das, was sie in Bewegung bringt, nicht unser Leben lang darauf fest, was man ist der Glaube an Jesus, der zu den Menschen für unsere vermeintliche Stärke hält. Manchmal kommt, ihnen hilft und sie zu neuem Tun kann es befreiend sein, aus der Rolle befähigt. Aus diesem Glauben schöpft sie Kraft auszubrechen. Etwa nach anstrengender, und schafft den gastfreundlichen Rahmen, in rastloser Tätigkeit sich einmal hinzusetzen und dem andere sich hinsetzen und zuhören nur zu tun, was gerade gut tut. Kraft zu können. schöpfen, sich auszuruhen und etwas zu hören, was nur für einen selbst gut ist. Einmal nicht an 12 Joh. 11,1 8 andere denken - das muss sein! Nur so kann wie Schwestern, wie Maria und Marta. In der man für andere etwas tun. In der Ruhe liegt die Ruhe liegt die Kraft, um aufzustehen. Und erst Kraft, die Gott uns schenkt, um wieder in dem, was wir dann tun, zeigt sich, ob wir die aufzustehen. Mit neuer Energie wieder an die ermutigende Botschaft Jesu wirklich gehört Arbeit gehen, die Familie unterstützen, in der haben. So wird unser Glaube nur durch beides Gemeinde helfen, in der Firma das Richtige tun. wachsen: durch das Hören und das Handeln. Wir haben das alles aus der Nähe beobachtet Amen. und verstehen nun die Antwort Jesu. So kurz diese Szene auch war, wir haben sie intensiv miterlebt. Und wir nehmen etwas mit, zurück auf unseren Weg, heraus aus der Geschichte, zurück nach [Ort des Gottesdienstes], zurück in den Alltag. Uns ist ganz klar vor Augen geführt geworden: Hören und Handeln - jedes ist wichtig zu seiner Zeit, weil beides seinen eigenen Wert hat. Dabei kann das eine nicht ohne das andere sein. Glauben und Dienen gehören zusammen