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Tina Maria Hoffmann Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago Saint Gregory the Great Parish Zeitraum 08.09. – 06.10.2008 Mentor Rev. Paul Wachdorf 1 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago Gliederung 1. Saint Gregory the Great Parish - Geschichte 2. Eine kleine Pfarrei 3. Staff – hauptamtliche Mitarbeiter 3.1 Artists-in-Residence 4. St. Gregory the Great High School (SGHS) 5. St. Gregory the Great Mission statement 6. Eucharistiefeiern – Zeiten und Charakter 7. Finanzen 8. Gregor der Große – eine kleine Pfarrei mit eigenem Profil 9. Evangelization through the arts 10. Gute Liturgie 11. Musikprogramm, Konzerte 11.1 Artists-in-Residence 11.1.1 Joseph Malham, Iconographer 11.1.2 QUEST Theatre Ensemble 11.1.3 Rev. Johan Moulder (Director of Arts Alliance of the Archdiocese of Chicago) 12. Visit with Parish Staff – Interviews 13. Was wir in Deutschland von St. Gregory lernen können 13.1 Kultur des Willkommenseins 13.2 Menschen einladen 13.3 Gemeindeprofil wagen 2 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago 1. St. Gregory the Great Parish - Geschichte Die St. Gregory the Great Parish wurde 1904 als deutsche Pfarrei gegründet, von Monsignore Klasen als deutschem Pfarrer. Im Laufe des letzten Jahrhunderts hat sich das Gesicht der Gemeinde mehrfach gewandelt. Heute ist St. Gregory eine gemischte, vielfältige Gemeinde, mit Mitgliedern verschiedenen ethnischen Hintergrunds, namentlich asiatischen, europäischen, afrikanischen, zentralamerikanischen, südamerikanischen und karibischen Wurzeln. Eine große Gruppe mit philippinischem Hintergrund prägt das Gemeindebild. Von Judy, einer mehrfach engagierten Frau der Gemeinde, die unter anderem die Firmanden im Rahmen der Saturday School of Religion unterrichtet, ließ ich mir die Geschichte der Gründung und Namensgebung der Pfarrei erzählen. Um zur Schule zu kommen, mussten viele Kinder aus der Gegend täglich die Bahnlinien überqueren, die damals noch überirdisch durchs Ackerland verliefen. Eines Tages kam dabei ein Junge ums Leben, als er vom Zug überfahren wurde. Sein Großvater sagte daraufhin, „no more!“, nie wieder soll so etwas geschehen, und stiftete die finanzielle Grundlage, um auf der anderen Seite der Schienen eine Schule – und eine Kirche – zu errichten. St. Gregory the Great, der Hl. Gregor der Große, war Gregor I, Papst von 590 bis 604, ca. 540 in Rom geboren. Den Namen bekam die Kirche durch ihren ersten Pastor, den Deutschen Rev. Klasen. Anscheinend wurde sein erster Vorschlag vom Bischof nicht akzeptiert, und so sollte Gregor der Große Namenspatron der neuen Kirche werden, der weitererzählten Geschichte nach deswegen, weil die Schwester von Rev. Klasen, die jahrelang die Organistin der Kirche sein sollte, eine große Liebhaberin der gregorianischen Musik gewesen sein soll. 2. Eine kleine Pfarrei St. Gregory zählt aktuell ca. 700 (im Moment 695) registrierte „Familien“ (families) zu ihren Mitgliedern. Dazu zählen viele Singlehaushalte, sodass die Anzahl registrierter Gemeindemitglieder auf ca. 1100 geschätzt werden kann. Damit ist St. Gregory auch im Vergleich der Erzdiözese Chicago eine kleine Pfarrei. Nichtsdestotrotz verfügt sie über eine große Anzahl von Gebäuden (Kirche, Pfarrhaus, High School, Sport- und Mehrzweckhalle, diverse Häuser) und einen beachtlichen Mitarbeiterstab. 3 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago 3. Staff – hauptamtliche Mitarbeiter Hauptamtliche Mitarbeiter sind: Rev. Paul Wachdorf, Pastor (Pfarrer) 58 Jahre, Verantwortlicher Pfarrer von St. Gregory seit 1 Jahr, vorher Spiritual im Priesterseminar, leitet die Pfarrei. Rev. Brian Fischer, Associate Pastor (Pastor) 55 Jahre, seit 7 Jahren in St. Gregory als Associate Pastor, unterrichtete vorher Liturgie im Priesterseminar, Aufgaben in der Pfarrei: Liturgie, Sakramente. Rev. John Moulder, Resident (im Rectory / Pfarrhaus wohnhafter Priester) 47 Jahre, wohnt seit einigen Jahren im Rectory mit, Auftrag als „Director of Arts Alliance“ der Erzdiözese Chicago, übernimmt in der Pfarrei Messen und Sakramente und hilft bei verschiedenen Gelegenheiten mit. Sr. Barbara Quinn SND, Pastoral Associate (Pastoralreferentin, zertifiziert) 74 Jahre, seit 21 Jahren in der Pfarrei, wichtigster Aufgabenbereich: Social Care (Diakonie) Scott Snider, Pastoral Minister (Pastoralreferent, nicht zertifiziert) 48 Jahre, seit 4 Jahren in St. Gregory, vorher Pastor in einer reformierten Kirche (Kongregationalisten), konvertierte zur Katholischen Kirche, 4 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago Hauptaufgabenbereich jetzt: Sakramentenvorbereitung Katechese für Kinder und Erwachsene, Patrick Godon, Director of Music & Liturgy (Kirchenmusiker) 29 Jahre, seit 5 Jahren in St. Gregory, verantwortlich für die musikalische Jahresplanung der Liturgie, sonntägliche musikalische Gestaltung, Chor, Kantoren, Konzerte usw. John Miaso, Business Manager (Geschäftsführer) 57 Jahre, seit 3 Jahren in der Pfarrei, verantwortlich für die Finanzen der Pfarrei in Zusammenarbeit mit dem Pfarrer und dem Finance Council Bernadette Daniels, Administrative Assistant (Sekretärin) 58, seit 3 Jahren in St. Gregory, verantwortlich für den reibungslosen Ablauf des Tagesgeschäftes, Koordination von Veranstaltungen, Kalender, Räumlichkeiten; Bulletin (Pfarrbrief), Volunteers (Ehrenamtliche) im Empfangsbüro des Parish Centers etc. 3.1 Artists in Residence Als “Artists-in-Residence” (in der Pfarrei angesiedelte Künstler) sind hier beheimatet: Joseph Malham (Ikonograph) Quest Theatre Ensemble (Theaterensemble) Rev. John Moulder (Director of Arts Alliance of the Archdiocese of Chicago, s.o.) 4. St. Gregory the Great High School (SGHS) Relativ selten findet man in der Erzdiözese Chicago High Schools in einer Pfarrei. Viele Gemeinden haben eine Grundschule, die ca. vierzig High Schools sind großteils diözesan. Allerdings ist die St. Gregory the Great High School finanziell großteils unabhängig von der Pfarrei und finanziert sich selbst durch Schulgeld (Tuition) und Fundraising. Die Pfarrei ist Eigentümerin des Schulgebäudes und stellt weitere Räumlichkeiten zur Verfügung, namentlich die Turnhalle. Zusammengearbeitet wird weiters bei Gottesdiensten und diversen 5 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago Veranstaltungen. Das heißt, alle zwei Monate feiert Fr. Paul mit den Schülern eine Schulmesse, und Schüler helfen bei gemeindlichen Veranstaltungen mit. Interessanterweise betonten beide Seiten, also Mitarbeiter in Schule und Pfarrei, bei meinen Interviews, dass sie sich eine bessere Zusammenarbeit von Schule und Pfarrei wünschen, besonders in Form besserer Kommunikation. Noch ein paar Zahlen: Zirka 160 Schülerinnen und Schüler besuchen derzeit die SGHS in den Klassenstufen 9 bis 12, sie werden von zwanzig Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet, zusätzlich gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Mitarbeiter, die für Schülerberatung, Finanzierung, Fundraising und Verwaltung zuständig sind. Ca. 60% der Schüler gehören der katholischen Kirche an. Religionsunterricht ist regulärer Unterrichtsgegenstand für alle Schüler, egal welcher Religion sie angehören. Das Schulgeld (Tuition) beträgt jährlich 7.100 $, dies enthält noch nicht die Gebühren für Schulbücher, Inskription, Nachhilfe usw. Stipendien bzw. finanzielle Hilfe sind möglich. Interessantes Detail am Rande fand ich in der Auflistung der zusätzlichen Kosten (Fees) die „no call fine“, jeder abwesende Schüler, der sich nicht bis 10 Uhr entschuldigt hat, bezahlt dafür 15$. SGHS hat besonders viele Schüler mit Lernschwierigkeiten, die zusätzliche Hilfe brauchen. Die hohe Zahl an Mitarbeitern, die Möglichkeit, die Schüler individuell zu fördern und zu beraten, ist wohl für viele Eltern ein Grund, sich für die SGHS zu entscheiden. 5. St. Gregory the Great Mission statement Interessant aus deutscher Perspektive finde ich die Mission statements, die Pfarreien hier oft haben. Das Mission statement von St. Gregory sei deshalb hier abgedruckt: Embraced by the love of Jesus Christ, united in a communion of worship and service, grateful for all that God has given us, St. Gregory the Great Church accepts its duty to embody the presence of Jesus Christ in the world and to take up the mission He entrusted to us. 6 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago We are committed to: Supporting the people of our community in their quest to live meaning-filled lives centered in the mystery of Christ’s life, death and resurrection; Celebrating and sharing life’s goodness by providing beautiful experiences of prayer, worship and opportunities for fellowship and service; Extending the healing and hospitality of Christ beyond the doors of our church and into the lives of people we are called to serve. Rich in history, rooted in faith and drawn forward in hope, St. Gregory the Great Church exists so that others may come to know and share in the love Christ has for our world. Grund und Basis für alles gemeindliche Tun ist Jesus Christus. Ausgehend davon, sieht die Gemeinde ihren Auftrag in Hilfe zum Leben, zur Sinnsuche, zur Heilung und Gastfreundschaft, zum Dienst an den Menschen. Die Gemeinde versteht ihren Auftrag klar als einen missionarischen: andere Menschen sollen Christi Liebe kennen lernen. 6. Eucharistiefeiern – Zeiten und Charakter Montag bis Samstag 8.30 Uhr: schlichte Werktagsmessen ohne Musik. Immer ein Lektor, immer Kommunion unter beiden Gestalten unter Mitwirkung eines Kommunionhelfers. Samstag 16.30 Uhr und Sonntag 8.30 Uhr: Sonntagsmessen mit musikalischer Gestaltung, Kantor, Liedblatt, zwei Lektoren, mehreren Kommunionhelfern, Kommunion immer unter beiden Gestalten, Greeter / Welcomer sind vor der Messe im Eingangsbereich anwesend. Sonntag 10.30 Uhr: Hochamt. Gestaltung wie oben, zusätzlich ist immer der Kirchenchor in die Gestaltung einbezogen. Die Messe in spanischer Sprache wurde 2008 abgeschafft, da sie nicht mehr genügend besucht wurde und eine der Nachbarpfarreien ein stärkeres Profil für spanischsprachige Gläubige hat. 7 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago Eigene Kinder- oder Familiengottesdienste gibt es nicht, da dafür zu wenig Kinder bzw. Familien zur Pfarrei gehören bzw. zur Messe kommen. 7. Finanzen Ich war doch einigermaßen verwundert, wie sich eine Pfarrei mit nur 700 registrierten Familien so einen großen Mitarbeiterstab leisten kann. Die Mitarbeiter selbst kommentierten in den Interviews, dass sie einfach sehr schlecht bezahlt werden… Im Bulletin vom 28.09.08 wurde der Finanzbericht des vergangenen Geschäftsjahres veröffentlicht (01.07.2007 – 30.06.2008). Dazu schreibt Fr. Paul Wachdorf als Pfarrer folgende Einleitung. In the enclosed report, you will see that as a parish we are experiencing some financial hard times. Our Sunday collections are down significantly from our weekly budgeted amount. We are also experiencing a large amount of deferred maintenance, including a large tuck pointing project for the Church building itself. I realize that all of you are probably experiencing hard times related to the economy, the cost of gas, and the mortgage crisis among other things. But it is my hope and prayer that we can not only get St. Gregory’s back in the black but that we might also have some financial reserves that we can fall back upon in the event of any emergencies that might arise. … Please prayerfully consider increasing your weekly offering to make sure that St. Gregory the Great Parish will remain strong and viable well into its second hundred years. Der Finanzbericht weist darauf hin, dass die Ausgaben im vergangenen Jahr nicht mehr durch Einnahmen gedeckt werden konnten, und dass, wenn diesbezüglich keine Änderung eintritt, bis 2011 sämtliche Ersparnisse aufgebraucht sein werden. Die Einnahmen durch Kollekten sind in den letzten beiden Jahren merklich gesunken (um 16,3%). Zusätzlich steigen die Kosten für Reparaturen für die mittlerweile großteils 60 bis 70 Jahre alten Gebäude. Der Parish Finance Council bringt die Situation folgendermaßen auf den Punkt: „All in our parish need to take note of both trends and understand one clear-cut conclusion. If we don’t manage better results in these areas then the future of St. Gregory’s mission is at risk.” 8 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago Haupteinnahmequelle der Pfarrei sind neben den Kollekten Einnahmen aus Vermietung und Leasing der pfarreieigenen Gebäude. So wurde die frühere katholische Grundschule an eine Grundschule der „Asian Human Services“ vermietet. Um Extrakosten wie z.B. Reparaturen zu decken, wird neben Fundraising-Aktivitäten immer um Spenden der Pfarreimitglieder gebeten, um nicht die wenigen Ersparnisse der Pfarrei angreifen zu müssen. Der Finanzbericht weist auf die ungleiche Verteilung des Spendenaufkommens durch Pfarreimitglieder hin. So geben in Kollekten 19% der 695 registrierten Haushalte mehr als 10$ pro Woche, 3,5% der Haushalte geben wöchentlich mehr als 30$. Alle, die bisher unter 10$ pro Woche gegeben haben, werden aufgefordert, zukünftig mehr beizutragen: „Making weekly planned offerings ist he responsibility of every member of our Catholic community.“ Noch einige interessante Zahlen: Die regulären Sonntagskollekten wurden für das Jahr 2007/2008 mit 355.000$ budgetiert (tatsächliche Einnahmen: 332.021$, eine durchschnittliche Sonntagskollekte bringt ca. sechs- bis siebentausend $ ein), die Gesamteinnahmen mit 842.982$ (tatsächliche Einnahmen: 799.107). Ausgaben: Die größte Ausgabe sind Personalkosten mit 283.040$, die Gesamtausgaben beliefen sich auf 880.036$ (budgetiert: 842.982$). Daraus ergibt sich ein Defizit von 80.929$ im abgeschlossenen Geschäftsjahr. 8. Gregor der Große – eine kleine Pfarrei mit eigenem Profil Sehr bald fällt auf, dass St. Gregory the Great eine kleine Pfarrei ist. Anfangs dachte ich, hier gäbe es nicht so viele Kirchenbesucher wie überall sonst, aber nachrechnen hilft. Die ca. 700 registrierten Familien oder 1100 Personen sind tatsächlich eine kleine Zahl. Der durchschnittliche Messbesuch in der Region Chicago liegt bei ca. 30%, das wären dann 330 Messbesucher pro Wochenende oder 110 pro Messe bei drei Sonntagsmessen. Diese Zahl wird in St. Gregory bei weitem überschritten. Im Umkreis von ca. zwei Meilen befinden sich sechs weitere katholische Pfarreien von vergleichbarer Größenordnung. Zur Gründerzeit ethnisch geprägt als deutsche, irische etc. Pfarreien, haben sich die Profile aller Pfarreien im Lauf der Zeit entwickelt. Fr. Bart Winters, im Amt des Pfarrers Vorgänger von Fr. Paul Wachdorf, erkannte vor ca. fünf bis zehn Jahren frühzeitig, dass eine Pfarrei der Größenordnung von St. Gregory, um langfristig zu überleben, ein eigenes Profil braucht. Was könnte 9 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago das Profil von St. Gregory sein? Im Gespräch und Prozess mit den Mitarbeitern (unter anderem durch das diözesane Programm INSPIRE unterstützt) wurde ein solches Profil entwickelt, unter dem Titel „Evangelization through the arts“. 9. Evangelization through the arts St. Gregory the Great zählt ca. 700 Familien, wobei die wenigsten wirklich Familien sind, die Bezeichnung Haushalte trifft in dem Fall besser zu. Die meisten der 700 Haushalte sind Singlehaushalte, weiters leben viele Paare dort; wenn diese Kinder bekommen, ziehen sie meist weiter aus der Stadt hinaus in Richtung Suburbs, sodass in St. Gregory relativ wenige Familien mit Kindern leben. Wie viele andere Pfarreien in Chicago auch, wechselt jährlich ein hoher Anteil der Gemeindemitglieder durch Weg- und Zuzug. Die Gegend um St. Gregory ist eine Nachbarschaft des Mittelstandes, ihr Gesicht wird u.a. von einer relativ großen Gay-Lesbian-Community (homosexuellen Gemeinschaft) im Stadtteil Andersonville geprägt. Das entwickelte Pfarreiprofil sollte also auf diese demographischen und soziokulturellen Bedingungen abgestimmt sein. Bei der Entwicklung des Profils ging es aber nicht nur um eine Passung mit der innerhalb des Pfarreigebietes wohnenden Bevölkerung, sondern wesentlich auch um die Anziehung neuer Gemeindemitglieder, die zur Zeit keine oder andere Kirchen besuchten. St. Gregory sollte so zur „Destination parish“ werden, das heißt, zu einer Pfarrei, die Menschen für sich als ihre Pfarrei wählen, in der Menschen sich beheimaten und zugehörig fühlen, ohne dort zu wohnen. Das Team entschied sich dafür, dass das neue Pfarreiprofil wesentlich von „Evangelization through the arts“ (Evangelisation durch Kunst) geprägt sein sollte. Die Evangelization through the arts umfasst: Gute Liturgie, das heißt gute Planung und Vorbereitung der Liturgie, gute Musik und gute Homilie in einem schönen Gottesdienstraum Musikprogramm, Konzerte Artists-in-Residence, die in der Pfarrei angesiedelt sind und mit denen die Pfarrei kooperiert 10 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago 10. Gute Liturgie Was bedeutet „gute Liturgie“? Es geht um eine sorgfältig vorbereitete, gut abgestimmte Liturgie. „A harmony … a spirit of reverence … People should leave the church with an experience of God, with the awareness that they have been praying.“ (Rev. Brian Fischer, früher Dozent für Liturgie im Priesterseminar) Dabei sollte die größte Referenz zu Gott gehen, das ist zentraler als der “sense of community” oder “to have a good time”. Dabei merkt Fr. Brian an, dass die amerikanische Kultur sehr „informal“ ist, was eine gute Liturgie, die an sich formal ist, erschwert. (Hingegen erleichtert sie das „welcoming“.) “Along with preaching and greeting, music is the most important aspect of the liturgy.” (Patrick Godon, Director of Music and Liturgy). Patrick kümmert sich um eine sorgfältige Jahresplanung, abgestimmt mit Rev. Brian Fischer. Dabei ist Abwechslung wichtig. Der Kirchenchor singt jeden Sonntag, Kantoren werden von Patrick geschult, verschiedene Musiker eingeladen. Chor und Kantoren sind altersmäßig gemischt, dafür nicht unentscheidend ist wohl das Alter des Musikdirektors – Patrick ist heute 29 und wurde bereits mit 24 eingestellt. In den letzten fünf Jahren sind immer mehr junge Leute musikalisch aktiv geworden. „It’s easy in the neighbourhood to attract young people if you have young people in the staff!” – schließlich leben im Stadtteil viele Singles zwischen zwanzig und vierzig, und auch von außerhalb beteiligen sich junge Leute. Gute Musik bedeutet für Rev. Paul Wachdorf, gut geplante und gut vorgetragene Musik, bei der die Gemeinde beteiligt wird und die eine Vielfalt aufweist. Neben der großen Bedeutung guter Musik ist für ihn gute Homilie wichtig, das bedeutet, dass die Menschen eine Botschaft für die Woche mit nachhause nehmen können. Er betont den Unterschied zwischen „praying the mass“ und „saying the mass“. Gute Liturgie („praying the mass“) lädt die Menschen zur Teilnahme und zum Gebet ein. 11. Musikprogramm, Konzerte Für diesen Bereich ist der Director of Music and Liturgy, Patrick Godon, zuständig. Wichtig ist dabei eine gute Jahresplanung und ein Budget, um verschiedene Musiker einzuladen. Ein idealer Ort ist auch hier wieder der schöne, für Konzerte gut geeignete Kirchenraum. 11 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago 11.1 Artists-in-Residence Seit 2001 hat Fr. Bart Winters verschiedene Künstler eingeladen, sich in der Pfarrei anzusiedeln und hier mit- bzw. zusammenzuarbeiten. Die Künstler haben vielfache Kontakte in die säkulare Welt und in die Welt der Kunst, machen die Pfarrei attraktiv, anziehend, für Menschen von außen und innen. Andererseits bietet die Pfarrei ihnen Räume, Plattform und Beheimatung. Auf vielfache Weise eine fruchtbare Zusammenarbeit. 11.1.1 Joseph Malham, Iconographer Joe war sieben Jahre lang Benediktinermönch, in dieser Zeit lernte er, Ikonen zu schreiben und praktizierte dann noch einige Jahre lang in einem Studio, bis Fr. Bart ihn dann vor sieben Jahren einlud, in der bisher ungenutzten zweiten Etage des Parish Centers den großen Raum mit Dachschrägen als sein Studio einzurichten. Joe ist kein Mitglied des „staff“, bezeichnet sich aber selbst als „part of the family“. Er gestaltet Kunst für die St. Gregory Church, veranstaltet Ausstellungen, lädt interessierte Gruppen ein, gestaltet das Bulletin mit, hilft, wo Hilfe gebraucht wird. 11.1.2 QUEST Theatre Ensemble Vor einigen Jahren zog eine Gruppe junger Theaterspieler (in ihren 20ern), QUEST, mit dem weihnachtlichen Puppentheater „Blue Nativity“ durch die Kirchen der Region und kam so auch zur St. Gregory Church. Fr. Bart lud sie ein, sich in St. Gregory als Artists-in-Residence zu beheimaten, und seither, seit 2002, probt die Gruppe in den Räumlichkeiten der Pfarrei und gibt hier jährlich drei Shows. Grundidee des QUEST Ensembles ist es, unabhängig von finanziellen Möglichkeiten allen Interessierten Zugang zum Theater zu gewähren, weshalb der Eintritt zu den Aufführungen immer frei ist (freiwillige Spenden werden gern entgegengenommen). Am Ende jeder Vorstellung wird ein Wort zum „freien Theater“ gesagt und ein Dank an St. Gregory, dafür, dass die Pfarrei das mit möglich macht. Die Gruppe zieht viele Menschen in die Gemeinderäume, von 2000 Besuchern bei der letzten Show sind geschätzt weniger als hundert Pfarreimitglieder. Die Gruppe macht 12 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago auch kleine Aufführungen z.B. beim Kirchenkaffee (Coffee and…). Auf ihrer jährlichen Tour mit dem Weihnachtsstück „Blue Nativity“ durch ca. zwanzig Kirchen wird St. Gregory stets dankend erwähnt. Wie auch bei den anderen Artists-in-Residence ist die Homepage der Künstler mit der der Pfarrei verlinkt. 11.1.3 Rev. John Moulder (Director of Arts Alliance of the Archdiocese of Chicago) Rev. John Moulder ist Resident Priest, das heißt, er wohnt seit sechs Jahren mit den beiden anderen Priestern der Gemeinde im Rectory (Pfarrhaus) zusammen. Er wurde ebenfalls von Fr. Bart dazu eingeladen, zur Evangelization through the arts beizutragen. Rev. John Moulder hat einen diözesanen Auftrag als Director of Arts Alliance of the Archdiocese of Chicago. Er ist Jazz-Gitarrist, Komponist und Lehrer für Musik an drei Universitäten. Im Rahmen seiner „arts chaplaincy“ pflegt er vielfältige Kontakte zur Kunstwelt (nicht nur zur musikalischen), feiert Eucharistie, spendet Sakramente, veranstaltet Symposien zum Thema Kunst – Theologie – Kirche usw. In St. Gregory ist er im Rahmen von Messen und Sakramenten tätig, tritt aber auch als Gitarrist auf, so sah und hörte ich ihn z.B. mit seiner Band beim St. Gregory Music & BBQ Festival im September 2008. 12. Visit with Parish Staff – Interviews Um neben meinen eigenen Erfahrungen möglichst viele Teile des Puzzles zu sammeln und verschiedene Perspektiven zu hören, habe ich in Einzelgesprächen die Mitarbeiter der Pfarrei interviewt und mit den Artists-in-Residence gesprochen. Der Gesprächsleitfaden für die Interviews beinhaltete folgende Fragen: Wie lange arbeiten Sie bereits in der Pfarrei? Was sind Ihre Aufgaben? Was ist Ihre wichtigste Aufgabe? Was haben Sie vorher beruflich gemacht? 13 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago Wie sind Sie zu dieser Aufgabe hier gekommen? Hat vorher jemand Ihre Stelle besetzt? Was würde passieren, wenn die Gemeinde kein Geld mehr hat und Ihre Stelle gestrichen wird? In welcher Weise kooperieren Sie mit dem Pfarrer und den anderen Mitarbeitern? In welcher Weise kooperieren Sie mit Ehrenamtlichen? Was würden Sie in St. Gregory gern verbessern bzw. verändern? Was ist Ihrer Meinung nach besonders in St. Gregory? Wie zieht St. Gregory neue Gemeindemitglieder an? Haben Sie am Projekt INSPIRE teilgenommen? Welchen Einfluss hat das Projekt auf Ihre Arbeit, Ihr Teamwork, das Gemeindeleben? Ich möchte hier nicht die Interviews abdrucken, jedoch einige Dinge benennen, die mir durch die Interviews klar geworden sind. St. Gregory wird als besonders gastfreundliche Gemeinde betrachtet, in der sich Neuankömmlinge schnell willkommen fühlen. Zu diesem Aspekt habe ich einige Gemeindemitglieder befragt, warum sie die St. Gregory Kirche für sich gewählt haben. Die Aussagen decken sich mit der Perspektive des Parish Staff: Eine schöne, ansprechende Kirche, eine Gemeinschaft, in der sich „Neue“ schnell wohl, willkommen und zuhause fühlen. Die relativ übersichtliche Größe der Pfarrei ermöglicht nicht nur persönliche Kontakte, sondern vermittelt Gläubigen auch den Eindruck, in verschiedenen Diensten gebraucht zu werden. Die Mitarbeiter bezeichnen ihr Team in der vorhandenen Zusammensetzung als sehr gut bis exzellent. Die Mitarbeiter ergänzen sich gut in ihren Charismen, arbeiten großteils selbständig und individuell, die gegenseitige Wertschätzung der Personen und ihrer Arbeit ist sehr hoch. Die aus deutscher Perspektive im Verhältnis zur Zahl der Gemeindemitglieder große Zahl der Mitarbeiter ermöglicht einerseits die Ausgestaltung des Pfarreiprofils und wird andererseits durch niedrige Gehälter ermöglicht. Die Mitarbeiter betrachten die Gemeinde als sogenannte Destination parish. Sie möchten St. Gregory attraktiv gestalten, sodass Menschen diese Kirche als ihre Kirche wählen. Die Schönheit der Kirche wird sehr betont und als Faktor für ein gelingendes Gemeindeleben und schöne Liturgie hoch eingeschätzt. 14 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago Die Evangelization through the arts wird verschieden stark betont, aber von allen mitgetragen. Das diözesane Projekt INSPIRE wird allgemein wertgeschätzt. Die Auswirkungen nach Abschluss des Projektes werden verschieden eingeschätzt. Viele Mitarbeiter und Gemeindemitglieder wünschen sich eine vollere, schließlich eine volle Kirche bei den Sonntagsmessen. Dass Fr. Bart Winters vor zwei Jahren sein Priesteramt niedergelegt und auf diese Weise die Pfarrei verlassen hat, hat Team und Gemeinde in eine Art Schockzustand und dann in Trauer versetzt, deren Auswirkungen noch immer merkbar sind. Nach einem Jahr ohne Pfarrer hat vor einem Jahr Fr. Paul Wachdorf das Amt des Pfarrers übernommen. Die Mitarbeiter stellen nach dieser Umstellung, Trauerphase und Einarbeitungsphase nun einen Bedarf an Neuorientierung sowie Vergewisserung der Ziele bzw. deren Neudefinition in der neuen Teamkonstellation fest. 13. Was wir in Deutschland von St. Gregory lernen können 13.1 Kultur des Willkommenseins Das viel zitierte „You are welcome“ wird auch in St. Gregory the Great groß geschrieben. Viele Gemeindemitglieder, die sich heute in St. Gregory beheimatet fühlen, haben sich die Gemeinde als ihre Gemeinde selbst gewählt. „Hier haben wir uns sofort besonders wohl und willkommen gefühlt“, sagen viele auf die Frage nach den Gründen für ihre Wahl. Natürlich gibt es wie in vielen anderen Gemeinden Chicagos auch hier Welcomer am Eingang der Kirche und einen Pfarrer, der neue Gesichter willkommen heißt und am Ausgang jeden einzelnen begrüßt. Weil St. Gregory eine sehr überschaubare Gemeinde ist, fühlen sich Menschen hier schnell gesehen und kommen relativ leicht in Kontakt mit anderen. Gerade auch die Gay-Lesbian Community (die homosexuellen Bürger aus der Gegend) fühlen sich hier willkommen und machen in St. Gregory mit, nicht etwa in einer eigenen Gruppe, sondern einfach in verschiedenen Diensten, wie alle anderen auch. 15 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago 13.2 Menschen einladen St. Gregory hat vor einigen Jahren begonnen, Künstler zu sich einzuladen, damit sie sich in der Gemeinde beheimaten. Joe Malham hat sich im ersten Stock des Gemeindezentrums als Ikonenschreiber sein Studio eingerichtet, mietfrei. Das QUEST Theatre Ensemble probt in den Räumen der Gemeinde und veranstaltet dort zwei Shows pro Jahr. Father John wohnt mit den beiden Gemeindepriestern im Haus und ist ansonsten Jazzmusiker, unterrichtet und spielt Gitarre. Die Einladungen an die Künstler erfolgten erstmal ohne Fragen zu stellen wie, Was bringt das der Gemeinde? Oder Wie viele Katholiken sind denn unter den Theaterspielern? Die Künstler wurden eingeladen, sich in St. Gregory zu beheimaten. Kunst ist ein Tor von der Kirche in die Welt und von der Welt in die Kirche. Viele Menschen, die nicht viel mit der Kirche zu tun haben, kommen in die Gemeinde, um Theater zu sehen, Musik zu hören, sich eine Ausstellung anzuschauen. Die Gemeinde wird durchmischter, lebendiger. Gemeinde und Künstler bereichern sich gegenseitig. 13.3 Gemeindeprofil wagen So hat St. Gregory sich ein klares Profil gegeben. Hier leben viele Singles, wenige Familien, viele Menschen, die St. Gregory als Gemeinde für sich gewählt haben. St. Gregory hat sich für die Evangelization through the arts, Evangelisation durch die Künste, entschieden, und sich so ein klares Profil gegeben: Künstler werden eingeladen, ein junger Kirchenmusiker eingestellt, besonderer Wert auf die sorgfältige Vorbereitung der Liturgie gelegt. Die eigenen Stärken werden ausgebaut. Dafür gibt es keine Kinderkirche, keine Familiengottesdienste, keine spanische Messe mehr. St. Gregory hat sich für ein bestimmtes Profil entschieden, Gottesdienste in spanischer Sprache und für Kinder gibt es in den Nachbargemeinden. „Wenn wir mittelfristig als Gemeinde überleben wollen, brauchen wir ein starkes Profil und können nicht allen alles sein“, lautet die Devise. Hier sehe ich eine Chance für die Pfarrverbünde und fusionierten Gemeinden in Deutschland: Profile zu schärfen, Stärken auszubauen, Schwerpunkte zu setzen und nicht mehr überall alles anbieten zu müssen. Das erfordert allerdings ein bisschen Mut… Und den wiederum kann man bei den Amerikanern lernen. Nicht erst aus der Geschichte erzählen, wo etwas nicht geklappt hat. Nicht erst mutmaßen, warum es diesmal nicht klappen könnte. Anpacken, ausprobieren, lernen, optimieren! 16 „Saint Gregory the Great Parish“ Erfahrungsbericht St. Gregory the Great, Chicago