ricarda_presseartikel
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Jetzt schauen die Leute, weil sie schön ist Als Kleinkind verlor Ricarda Laboldt ihr ganzes Haar. Heute sieht man ihr dank einer Perücke die Aleopezie nicht an. Für Ricardas Mutter war es eine Horrorvorstellung: Andere Kinder reissen ihrer Tochter die Haare vom Kopf, spielen mit der Perücke. Darum hat sie deren Glatzköpfigkeit lieber nicht künstlich überdeckt. Heute kann die Frau mit den vielen Locken über solche Ängste nur lächeln. Das Zweithaar von Ricarda sitzt fest, das Mädchen kann damit Sport treiben oder schwimmen gehen, ohne dass es auch nur verrutscht. Ebenfalls revidieren konnte die Mutter ihre Meinung, eine Perücke würde künstlich aussehen. Heute fällt Ricarda nicht wegen eines Makels auf, sondern wegen ihrer aparten Schönheit. Dass sie eine Perücke trägt, sieht man nicht. Warum Ricarda keine Haare wachsen, können die Ärzte nicht sagen. Alopezie nennt sich dieser Haarverlust. Ihre gesammte Primarschulzeit stand das Mädchen selbstbewusst zu seiner Eigenart. Viele Erwachsene hätten jeweils blöde gegafft, erinnert sich die Mutter. Trotzdem, die Bedenken gegen Zweithaar wogen stärker als verletzende Reaktionen. Den Ausschlag, dass sie es schliesslich doch mit einer Perücke versucht hat, gab ihr Berufswunsch. Kleinkinderzieherin will Ricarda werden. Als Glatzkopf, wurde ihr brutal beschieden, hätte sie keine Chance auf einen Ausbildungsplatz, „weil du mit deinem Aussehen die Kinder erschreckst.“ Qual der Wahl Die Zweithaarspezialistin Norma Aviolat, der Firma Herzig Interlook, Hair Center am Graben 8 in Aarau, kann sich noch gut an den ersten Besuch von Ricarda bei ihr erinnern. „Häufig kommen Krebspatientinnen zu uns, dann versuchen wir, ihnen eine Perücke herzustellen, in der die Kundinnen genauso aussehen wie vor der Erkrankung. Bei Ricarda war der Fall anders. Weil sie ihr Haar so früh verlor, kann man nicht genau sagen, was ihre natürliche Haarfarbe wäre.“ Also hiess es ausprobieren. Wobei man dazu wissen muss: Im Hair Center hat es ca. 300 verschiedenen Farben auf Lager… „Wir haben sehr viel getestet, kurzes Haar, langes Haar, blond oder brünett. Da Ricarda so hübsch ist, sah sie in allem toll aus. Zuletzt hat sie sich für eine rote Langhaarmähne entschieden. Mit ihr sieht sie komplett anders aus als ohne. Allerdings ist es wohl so, dass sie, die so lange ohne Haare leben musste, sich jetzt halt besonders viel Haar wünscht“, so Norma Aviolat. Das Raffinierte an der Perücke, die das Mädchen jeden Tag auf die Kopfhaut anklebt, ist, dass sie absolut natürlich aussieht. Unten sind die Haare sogar heller, wie von der Sonne gebleicht, und ausgefranst, wie das bei Langhaarfrisuren der Fall ist. Der Teil, an den das Echthaar befestigt ist, ist so dünn, dass man die Kopfhaut durchschimmern sieht. Wer es nicht weiss, wird nie erraten, dass Ricarda ihre Haarpracht nicht guten Genen, sondern dem Können der Zweithaarspezialistin verdankt. „Sie macht alles mit“ Am Anfang fand Ricarda ihr Haar ungewohnt. „Zum Beispiel, wenn mir der Wind eine Locke ins Gesicht blies. Das war für mich absolut neu, teilweise auch störend.“ Ausserdem musste sie den Umgang mit ihrer neuen Behaarung lernen. „Etwa, dass man sich die Haare sanft kämmt“, weiss die Mutter zu berichten. Angst bereitete ihr auch das erste Mal „oben mit“ in der Schule. „Der Lehrer hatte meine Klasse auf mein neues Aussehen vorbereitet, da gab es keine Probleme. Aber gleich am ersten Tag sollten wir Geräteturnen haben. Da hatte ich schon ein Bauchkribbeln vorher, Angst, dass die Perücke runterfällt, wenn ich mit dem Kopf nach unten hänge.“ Ricarda macht eine kleine Pause, dann fährt sie strahlend fort: „Mein Haar blieb, wo es war. Wenn ich mal Kleinkinderzieherin bin, können mich die Kids sogar daran ziehen, ohne dass was passiert.“ Ihre Augen blitzen vergnügt. Ihren Entscheid für eine Perücke hat Ricarda noch nie bereut. Seit 3 Jahren trägt sie ihr Zweithaar nun schon, „und ich habe mich immer damit wohl gefühlt. Ich schäme mich nicht für meine Glatze. Aber ich bin auch stolz auf mein Aussehen mit Haar.“