Vortrag Wolfgang Tiefensee - Friedrich-Ebert

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Vortrag Wolfgang Tiefensee - Friedrich-Ebert
Friedrich-Ebert-Stiftung - Arbeitskreis „Innovative Verkehrspolitik“
Veranstaltung „Die weitere Reform der Bahn – Rahmenbedingungen für mehr
Schienenverkehr“ am 6. November 2007 in Berlin
Redner: Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zum Thema „Potenziale des Schienenverkehrs“
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich danke Ihnen sehr herzlich für die Möglichkeit, heute bei Ihnen zu sprechen. Das
Thema „die weitere Reform der Bahn“ provoziert dazu, sofort in den aktuellen Stand
der Teilprivatisierung der deutschen Bahn einzusteigen. Und ich könnte mir vorstellen, dass viele von Ihnen besonders an diesem Aspekt des Themas Interesse haben.
Deshalb sollten wir auch viel Raum für die Debatte über dieses Reformvorhaben lassen. Dennoch möchte ich zunächst die Reform der Deutschen Bahn in einen anderen Kontext stellen. In den Kontext einer deutschen und europäischen Verkehrspolitik, die es sich zum Ziel gesetzt hat, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen.
Wir stehen vor enormen Herausforderungen was Mobilität und Verkehrsaufkommen
betreffen. Mobilität könnte zum Wachstumshemmnis für die Wirtschaft in Europa werden, wenn es uns nicht gelingt, die wachsenden Warenströme wirtschaftlich und klimafreundlich zu transportieren.
Die europäische Union rechnet damit, dass bis zum Jahr 2020 das Güterverkehrsaufkommen um 50 Prozent wächst. Es wird ungefähr 1,5 Millionen LKWs mehr
auf den Straßen geben. Und rechnet man die neuen EU Mitgliedstaaten bereits ab
dem Jahr 2000 dazu, geht man von einem Aufwuchs um 70 Millionen PKW bis zum
Jahr 2025 aus.
Dem gegenüber steht eine Infrastruktur, die gerade in den neuen EU Mitliedstaaten
noch ausgebaut werden muss. Man erinnere sich an die Situation um 1990 in den
neuen Bundesländern, dann hat man in etwa ein Bild von dem, was uns momentan
in diesen Ländern erwartet. Die EU hat ihr strategisches Verkehrskonzept, in einen
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Weißbuch zusammengefasst und damit die Diskussion entfacht, wie wir diesen Herausforderungen begegnen können.
Die dort postulierten Thesen sind nicht unumstritten, insbesondere nicht im europäischen Parlament. Wir finden dort zum Beispiel die These, dass jeder Verkehrsträger
an der Stelle eingesetzt werden soll, an der er den größten Nutzen entfaltet – und
zwar ausdrücklich nicht im Sinne einer Priorisierung oder Wertung. Ein Verkehrsträger ist demnach nicht immer und überall besser als ein anderer. Das Fahrrad ist nicht
per se besser als das Flugzeug. Auch die Schiene ist nicht per se an jeder Stelle
besser als die Strasse.
Diese Diskussion ist noch nicht ausgestanden. Ihr folgt die Frage: Wie können wir die
Verkehrsträger besser miteinander verzahnen, besser miteinander verschränken?
Wir legen also ein wesentlich größeres Augenmerk als zuvor auf die Frage, wie kann
technologisch, kostengünstig und schnell der Umschlag vom Binnenschiff auf die
Straße, von der Straße auf die Schiene und vom Seehafen auf die Binnenwasserstraße erfolgen. Die EU setzt ihr Geld ein, um Verkehrsträger effektiver zu machen,
und sie setzt ihr Geld im Rahmen der transeuropäischen Netze ein, um Flaschenhälse (Engpässe) zu beseitigen.
In diese Politik der Europäischen Union muss sich die Politik Deutschlands einbetten.
Wir haben seit etwa anderthalb Jahren unter dem Stichwort „Masterplan - Güterverkehr und Logistik“ eine Strategiediskussion hierüber begonnen. Fachleute des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung haben mit vielen Beteiligten
aus den unterschiedlichsten Bereichen, aus Wissenschaft und Wirtschaft, aber auch
aus Verbänden und Institutionen an einem Tisch gesessen und in den letzten zwölf
Monate intensiv diskutiert: Welche Herausforderungen gibt es? Welche strategischen
Felder müssen beackert werden und welche konkreten Aktionen müssen in Deutschland umgesetzt werden, damit wir die Herausforderungen bewältigen können?
Die Strategie: Wir wollen im ersten Quartal 2008 über ein Flughafenkonzept diskutieren. Brauchen wir zum Beispiel so viele Regionalflughäfen? Über ein Hafenkonzept:
Wie können die Häfen im Norden unserer Republik aufeinander abgestimmt werden?
Wir diskutieren über die Schiene, den Güterverkehr, z. B. über die Frage einer stärkeren Separierung von Güter- und Personenverkehr. Und natürlich auch über die
Straße und die Bewältigung des LKW- bzw. Individualverkehrs.
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Konkrete Projekte, die davon abzuleiten sind, ergeben sich aus den Überlegungen,
wie wir den Verkehr wirtschaftlicher machen können, wie wir Verkehr vermeiden und
unter ökologischen, klimaschutz- und gesundheitspolitischen Aspekten verbessern
können. Dazu gehört es auch den sozialen Gegebenheiten, dem Anschluss von Metropolen, von größeren und kleineren Städten an die Regionen gerecht zu werden.
Wir müssen die Frage beantworten, wie wir für die Bevölkerung auch in der Fläche
Mobilität gewährleisten können. Ein riesiges Spannungsfeld. Und in dieses Spannungsfeld ordnet sich die Frage ein, wie können wir mehr Verkehr von der Straße auf
die Schiene lenken – nicht zuletzt aus Umweltaspekten.
Die Ziele, die wir in Meseberg (Klausur des Bundeskabinetts im August 2007) bzw.
beim G8-Gipfel in Heiligendamm erarbeitet haben, kennen sie. 20 Prozent weniger
Energieverbrauch, gemessen von 1990 bis 2020. 20 Prozent weniger CO2-Ausstoß
und ein Anteil von 20 Prozent der regenerativen Energien am Energiemix.
Große Herausforderungen, die nur zu bewältigen sind, wenn wir sowohl auf der Straße, beim PKW, beim LKW, als auch beim Luftverkehr, der Schiene aber auch der
Binnenwasserstraße alle Möglichkeiten ausschöpfen. Wie ist die Entwicklung beim
Schienen-, beim Güterverkehr? Es ist uns gelungen, im ersten Quartal 2007 6,3%
mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Das sagt noch nichts über den Modal Split
aus. Aber auch der hat sich zugunsten der Schiene in den letzen Monaten verbessert. Zwar wurde das Ziel eines signifikanten Anstiegs noch nicht erreicht, aber die
Trendwende ist geschafft. Die Verkehrspolitik der letzten Jahre hat gegriffen - die
Verkehrs- und die Klimapolitik zusammen.
Wir müssen diese Entwicklung verstetigen und dabei die Bedingungen auf der Straße so gestalten, dass die Schiene attraktiver wird – Stichwort LKW-Maut – aber auch
die Schiene an sich als Verkehrsträger stärken. Und dabei spielen Fragen der Wirtschaftlichkeit, des Klimas, der Lebensqualität, aber auch der Gesundheit eine Rolle.
Ich greife exemplarisch das Beispiel Lärm heraus. In dem Maß, in dem wir mehr Güter über die Schiene transportierten, wächst die Beeinträchtigung durch Lärm. Und
bei mir stapeln sich die Beschwerdeschreiben aus der ganzen Republik, dass wir es
ja offensichtlich geschafft haben, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu
ziehen, aber damit eine Verschlechterung der Lebensqualität einher geht. Nicht zuletzt deshalb haben wir im Etat 2007 die Mittel für den aktiven und passiven Lärmschutz deutlich aufgestockt - auf nun 100 Millionen Euro jährlich. Wir fördern Projekte
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wie die Kompositbremse, die so genannte Flüsterbremse, die nur noch die Hälfte der
Schallemission erzeugt. Ein gigantisches Vorhaben, das in den nächsten Jahren auf
uns wartet. Wenn man bedenkt, dass der Güterwagonfuhrpark nicht nur ein deutscher, sondern ein europäischer ist, dann ist die Größe der Aufgabe beschrieben.
Ein weiteres Thema ist die Harmonisierung innerhalb Europas: Stichwort Lokführerschein, Stichwort Einführung des European Train Control System, ein Standard, der
für alle verbindlich ist. Hier stellt sich die Frage: Wie können wir die Investitionen verstetigen – im Bundeshaushalt und im Haushalt der EU? Es geht aber auch um Fragen der Planungsbeschleunigung und der Finanzierung des Infrastrukturausbaus
hier bei uns. Das Gesetz mit dem wunderschönen, langen Namen: Infrastrukturplanungbeschleunigungsgesetz gilt seit dem 1.1.2007 und die Länge des Namens ist
reziprok zur Wirkung. Wir sind auf gutem Wege mit Public Private Partnership, also
mit der Verbindung von öffentlichen und privaten Finanzträgern, die Verkehrsvorhaben zu beschleunigen und effektiver abzuwickeln.
Soweit zu einigen Themen, die mit der Frage der heutigen Veranstaltungen zusammenhängen. Aktuell treibt uns die Frage um: Wie geht es mit dem Hauptmobilitätsunternehmen, der Deutschen Bahn AG, in Deutschland und in Europa weiter? Die Zeitungen sind voll, und in der Regel sind die Meinungen festgelegt. Und deshalb möchte ich mir jetzt im zweiten und letzten Teil meiner Rede gestatten, noch einmal kurz,
gewissermaßen im Hubschrauberüberflug, die Situation zu schildern, vor der wir stehen.
Mit der Bahnreform der Jahre 1993/94 sind die Weichen gestellt worden für ein privates Unternehmen. Auch wenn es nur eine formelle Privatisierung war, so war es die
Überführung in eine Aktiengesellschaft. Der Gesetzgeber hat damals zweierlei getan:
Er hat den Weg geöffnet für die wirtschaftliche Selbstständigkeit eines Unternehmens, das schwer verschuldet war. Gleichzeitig hat er dem Hauptaktionär, nämlich
dem Bund, die Möglichkeit eingeräumt, den Zügel fest in der Hand zu halten. Auf der
anderen Seite ist das Grundgesetz geändert worden, um einen deutlichen Auftrag zu
formulieren: die Daseinsvorsorge. Dies geschah, um den Auftrag der Mobilitätsgewährleistung – in der Fläche und in den Zentren – grundgesetzlich zu verankern und
dem Bund anheim zu stellen. Das ist ausformuliert in dem berühmten § 87e der besagt, dass die Gesellschaften, die die Infrastruktur halten und erweitern, zu mindestens 50,1 Prozent, also mehrheitlich, im Eigentum des Bundes bleiben müssen.
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Schon in den Veränderungen 1993/94 ist ein nächster Schritt angelegt. Deutschland
hat eine Vorreiterrolle eingenommen und die Schiene für den Wettbewerb geöffnet.
Warum hat man das getan? Weil man die Deutsche Bahn AG für den Wettbewerb
mit anderen Anbietern auf den Schienen fit machen wollte, für die Phase in der die
europäischen Grenzen fallen. Jetzt fallen sie, Schritt für Schritt: zum 1.1.2007 die
Liberalisierung des internationalen Güterverkehrs; zum 1.1. 2010 die Liberalisierung
des internationalen Personenverkehrs.
Dann stand im Jahre 2004/2005 die Frage an, wie gehen wir weiter vor mit unserer
Bahn? Es ist ein Gutachten in Auftrag gegeben worden, dass einen Kunstnamen besitzt. Es heißt PRIMON-Gutachten. Und PRIMON steht für „Privatisierung mit oder
ohne Netz“. Dieses Gutachten stellt also nicht die Frage, ob eine Privatisierung vorgesehen ist, sondern dieses Gutachten beschäftigt sich mit der Frage, auf welche
Weise holen wir private Partner mit ins Boot. Dieses Gutachten, von der vormaligen
Regierung auf Initiative des Deutschen Bundestages in Auftrag gegeben, liegt seit
dem Januar 2006 vor.
Wir müssen die Ziele, die mit der Bahnreform in Zusammenhang stehen und die in
diesem Gutachten beschrieben sind, in den Blick nehmen, wenn es jetzt darum geht
zu beurteilen: Ist die Lösung, die auf dem Tisch liegt, gut oder schlecht? Das Ziel ist
es, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Das Ziel ist, im europäischen Maßstab
Marktanteile zu gewinnen, damit auch in Deutschland Verkehr bezahlbar bleibt. Das
Ziel ist, den Haushalt und den Steuerzahler zu entlasten. Das Ziel ist, die Beschäftigungsverhältnisse bei der DB AG zu sichern. Die Berücksichtigung dieser Ziele im
wirtschaftlichen, im ökologischen und auch im beschäftigungspolitischen Kontext bilden die Grundlage für die Koalition und für die Regierung bei der Einführung der
2. Teilstufe der Reform.
Ich verrate kein Geheimnis, dass hier, wie überall in einer großen Koalition, unterschiedliche Positionen aufeinander treffen. Die eine Position: Es bleibt beim integrierten Konzern. Der integrierte Konzern, der nicht nur Netz und Transport integriert,
sondern auch die Bewirtschaftung des Netzes zumindest so lange, bis das Unternehmen sich erfolgreich am Markt behaupten kann. Der integrierte Konzern ist die
sozialdemokratische Seite.
Die Seite der CDU/CSU: Konsequente Trennung. Trennung von Netz und Betrieb auf
der einen Seite, und Transport auf der anderen. Mit dem Ziel: Wettbewerb. Mit dem
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Ziel einer Privatisierung von 100 Prozent des Transportes und gegebenenfalls, nach
dem Grundgesetz ja möglich, 49 Prozent Privatisierung des Netzes.
Vor diesem Hintergrund waren die beiden Positionen zusammen zu bringen. Der Gesetzentwurf, der dann entstanden ist – auf Basis eines Entschließungsantrags im
November 2006 – und im Juli im Kabinett verabschiedet worden ist, bringt diese Ziele
und Positionen auf einen guten Nenner: Indem wir den integrierten Konzern beibehalten, aber das Eigentum am Netz beim Bund belassen, oder soll ich sagen sofort
wieder auf den Bund überführen, ermöglichen wir sowohl den integrierten Konzern
als auch das Eigentum des Netzes beim Bund zu 100 Prozent. Und wir eröffnen nach
dem Ablauf einer Frist – in welchem Gesetz steht schon so etwas – die Möglichkeit
nach 15 Jahren neu zu entscheiden.
Ich denke wir sind uns einig, die Deutsch Bahn AG braucht frisches Geld. Vom Steuerzahler bekommt sie schon ziemlich viel. Und die Entscheidung ist gefallen, wir
brauchen private Partner, wenn wir nicht den Haushalt zusätzlich belasten wollen.
Wer die weitere Verschuldung der Deutschen Bahn will, was im Hinblick auf die Eigenkapitalquote ohnehin schon so gut wie unmöglich ist, geht einen Irrweg. Oder wer
meint, wir könnten noch so viel Effizienz aus der Bahn herausholen, dass Milliardenbeträge einzusparen sind, der muss spätestens im Angesicht des Tarifkonfliktes und
möglicher Mehrausgaben, die daraus entstehen, sagen: Es wird eher in die andere
Richtung gehen, als dass wir den Gürtel enger schnallen können. Es bleibt also nur
die Alternative: Mehr Steuergeld oder private Partner. Und deshalb werben wir dafür,
und die Mehrheit der Koalition im Bundestag steht dafür, dass wir mit privaten Partnern zusätzliches Geld zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der Deutschen Bahn AG
akquirieren.
Und nun wird gesagt: Warum trennt ihr denn nicht den Konzern und macht das CDUModell. Ich möchte mich gar nicht darauf zurückziehen, dass dies mit dieser Koalition
nicht möglich ist, sondern ich will inhaltlich argumentieren. Ich bin der festen Auffassung, dass wir auf absehbare Zeit dieses erfolgreiche Team, diesen Zusammenschluss von Bewirtschaftung des Netzes und Transport nicht trennen sollten, gerade
auch, da der Wettbewerb bereits seit 1993/94 funktioniert. Und nicht zuletzt spielen
natürlich auch die Beschäftigungsaspekte eine Rolle, der konzerninterne Arbeitsmarkt, der es ermöglicht von einem Bereich in den anderen zu gehen, also Stabilität
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in der Zukunft ermöglicht. In einem Sektor mit 230.000 Beschäftigen ist dies sicherlich auch ein starkes Argument.
Wir stärken die Bundesnetzagentur seit dem Jahr 2006 (erst da hat sie die Aufgabe
vom Eisenbahnbundesamt in Bezug auf die Schiene übernommen) darin, diskriminierungsfreien Wettbewerb zu ermöglichen und diskriminierungsfreier Wettbewerb ist
möglich. Die Anzahl der ex-ante und ex-post Beschwerden hat sich verringert. Die
Agentur sorgt dafür, dass diskriminierungsfreier Zugang nicht nur zu den Schienen
besteht, sondern auch zu den Servicestationen, den Bahnhöfen, den Medien, die
Fahrpläne bekannt machen, und dergleichen mehr.
Es ist also gelungen, die unterschiedlichen Positionen in einen Gesetzentwurf zu
bringen, der es uns erlaubt, privates Kapital zu akquirieren. Und nun liegen auf dem
Tisch unterschiedliche Forderungen. Der Tisch hat, wenn Sie so wollen, 3 Seiten. Die
CDU/CSU hat Wünsche formuliert, die SPD auf ihrem Parteitag ebenfalls, die Länder
interessiert natürlich besonders, ob der Verkehr in der Fläche gewährleistet wird, ob
Schienen abgebaut werden, ob die Regionalisierungsmittel reichen. Und jetzt kommt
es darauf an, die Teilprivatisierung so voran zu treiben, dass diese unterschiedlichen
Forderungen auf einen Nenner gebracht werden, und es wäre ja nicht das erste Mal,
dass jemand behauptet, wir können das nicht schaffen. Ich erinnere an den Sommer
2006, als schon die ersten Totenglöckchen geläutet wurden.
Eine letzte Bemerkung, weil sie mir wichtig ist: Die Frage der Versorgung in der Fläche und auf den Fern- und Mischnetzen. Das ist eine ganz entscheidende Frage, die
nicht zuletzt in der Bevölkerung eine große Rolle spielt. Natürlich entgeht mir nicht,
dass die Privatisierungen, egal ob in Verbindung mit Schiene, Wasser, Strom, Telekommunikation einen ganz schlechten Klang in der Öffentlichkeit haben. Und das
nicht nur wegen der Politik, meine Damen und Herren, sondern auch aus anderen
Gründen. Die Bevölkerung interessiert ganz besonders: Werden wir noch vor Ort unseren Zug, unseren Bahnhof haben? Zusätzlich zum Gesetz werden wir deshalb eine
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Bahn abschließen. Das ist ein
Novum. Erstmalig muss die Bahn darlegen, was sie mit den 2,5 Milliarden Euro, die
sie vom Bund für die Erhaltung des Netzes erhält, tut. Und nicht nur das, sie muss
mit diesem Geld und nur mit diesem Geld die Qualität des Haupt- und des Nebennetzes auf dem gegenwärtigen Stand erhalten oder erhöhen. Alles dass was über die
jährlichen 2,5 Milliarden Euro hinaus nötig ist, muss aus dem eigenen Gewinn der
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Bahn finanziert werden. Das ist Bestandteil der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Das ist also ein Novum. Wir werden bis auf den einzelnen Kilometer der 34
000 Kilometer wissen, welche Qualität wir haben und wie diese Qualität sukzessive
verbessert werden kann. Das ist Punkt eins.
Punkt zwei: Wer auf diesen Schienen fährt, wird nach wie vor im Verantwortungsbereich der Länder liegen: Sie bekommen die Regionalisierungsmittel dafür, sie bestellen, und – wie Sie wissen – haben wir bereits heute über 300 Wettbewerber, das
heißt, der Wettbewerb floriert auf der Schiene. Wir werden eine Regelung dafür finden müssen, dass die Kosten der Länder für den Regionalverkehr die Mittel, die sie
vom Bund dafür erhalten, nicht übersteigen. Es darf nicht sein, das die Länder nicht
in der Lage sind, die Verkehre zu bestellen, für die der Bund verantwortlich ist.
Punkt drei: Der Abbau von Schienen – man sollte korrekter sagen, die Entwidmung
der Strecken. In der Regel reißt ja niemand eine Schiene aus, ich habe allerdings
gelesen, dass es private Sammler gibt, die diese verkaufen. Aber eigentlich wird
nicht abgebaut, sonder es wird entwidmet. Und jetzt, meine Damen und Herren, obwohl wir über Bahn und Schiene reden, möchte ich Sie bitten, sich diesen Gedankengang vor Augen zu führen. Der Transport auf der Schiene ist nicht per se an jeder
Stelle das Optimum in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Ökologie. Sondern es kann
andere Formen des Transports geben, die die Schiene in den Hintergrund treten lassen. Wir haben deshalb in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert ein Streckennetz
aufgebaut, das seinesgleichen sucht, weil es zum Zeitpunkt der Errichtung weder
einen LKW noch einen privat nutzbaren PKW gab. Wir wissen heute, dass über weite
Strecken der Bus, besonders der erdgasbetriebene Bus, eine echte Alternative zur
Schiene sein kann. Und wenn jetzt nicht ideologisch konstatiert wird, das die Schiene
prinzipiell besser als Straße ist, sondern gefragt wird, was ist das wirtschaftlichste,
das ökologischste Verkehrsmittel – dann kann an dieser oder jener Stelle durchaus
die Entscheidung völlig richtig sein, mit Blick auf dieses Ziel, auch Schienen zu entwidmen. In Relation zur Fläche sind in der Vergangenheit überproportional viele
Schienenkilometer in den neuen Bundesländer entwidmet worden. Das ist eine Folge
der Wiedervereinigung und die Folge einer Bereinigung der Verkehrsrelation Straße
zu Schiene in den neuen Bundesländern. Aber man muss selbstverständlich auch
die Neubaumaßnahmen berücksichtigen. Ich erinnere zum Beispiel an eine recht
lukrative Strecke von Frankfurt nach Köln.
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Unserer Gemeinwohlverpflichtung nachzukommen – kostengünstig, diskriminierungsfrei, möglichst effizient und nachhaltig, das ist mit einer Teilprivatisierung der Bahn
AG möglich und durchführbar.
Meine Damen und Herren, ich will nicht verhehlen, die Schwierigkeiten sind nicht
klein und es liegen noch eine Reihe von Bäumen auf den Schienen, ehe wir jetzt die
Teilprivatisierung in den Bahnhof fahren. Ich kann von dieser Stelle aus nur noch einmal dringend warnen, vorschnell die Flinte ins Korn zu werfen oder das Signal auf rot
zu stellen.
Deshalb brauchen wir Mut, um wieder eine Lösung zu finden zwischen unterschiedlichen Positionen. Das zeichnet Politik aus, Entscheidungen voranzutreiben und gute
Lösungen zu finden. Ich bin zuversichtlich, dass dies auch mit diesem Projekt gelingen wird – wir werden diese Herausforderung angehen und bewältigen.
Vielen Dank!
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