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Your Communication II – Schwerpunkt: Interaction Design, Text: Marcus Klug, M.A.
Über Partisanen, Querulanten und AutoHypnotiseure: Designerische Strategien im medialen
Zeitalter des Spektakels // Vorgeschmack auf etwas Größeres
„Für alle Generationen gilt dasselbe: wer nicht mit der Zeit geht, wird mit
der Zeit gehen müssen...“ (Helmut Qualtinger)
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Your Communication II – Schwerpunkt: Interaction Design, Text: Marcus Klug, M.A.
1. Partisanen, Querulanten und Auto-Hypnotiseure
Der Partisan: Ein Partisan ist einer, der geltende Ordnungen hinterrücks
unterläuft und seinen Gegnern möglichst immer um einige Schritte
voraus ist. Ein Partisan besitzt eine kriegerische Natur: mit viel Mut
ausgestattet und einer gehörigen Portion Selbstbewußtsein greift er immer wieder an und überrascht seine Gegner durch gekonnte „irreguläre“
strategische Manöver.
Der Querulant: Ein Querulant ist einer, der „immer gegen alles ist“. „Ich
bin dagegen, also bin ich“ scheint sein Credo zu sein. Positiv bemerkt
(bei aller Nerverei): Er rüttelt am Bestehenden, indem er aufzeigt, was
daran nicht stimmt, insbesondere dann, wenn ihm persönlich auf den
Schlips getreten wurde.
Der Auto-Hypnotiseur: Ein (Auto-)Hypnotiseur ist einer, der andere und
sich selbst mittels Trance- und Suggestionstechniken in „veränderte Bewußtseinszustände“ zu überführen beabsichtigt. Da er selbst von seiner
Technik (und sich selbst überzeugt sein muss), durchaus auch in völlig
überspitzter Form – so wie z.B. Adolf Hitler –, muss er immer auch „bereitwillige Opfer“ finden. Mitgerissenheit und Aufnahmebereitschaft sind
daher die Grundvoraussetzungen für seine „Tricksereien“. Davon abgesehen kann die Hypnose auch als ein Medium betrachtet werden – z.B.
durch Gestaltung zu überwältigen.
Die Medien: Zu unterscheiden ist zwischen „Medien“ und „Medium“.
Während z.B. das „Medium“ – im Falle der Hypnose – die Schnittstelle
zwischen Hypnotiseur und zu Hypnotisierendem bildet, begreife ich
hier unter Medien die Möglichkeit – in der diffusen Gemengelage von
Internet, Fernsehen, Radio etc. – ihre Kanäle anzuzapfen, um möglichst
weit und (tief) Botschaften „parasitär“ auszustreuen.
Die Idee: Wenn Medien im strategischen Sinne benutzt und gestaltet
werden sollen, ist es durchaus von Vorteil, zunächst Beobachtungen
über sie anzustellen. Medien als spinnenartige Plateaus: besetzt und
durchdrungen von Partisanen, Querulanten und (Auto-)Hypnotiseuren.
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2. Vorhang auf! Die Figuren auf unserer Short-Essay-Bühne:
Bolz: Der Medienpartisan
Qualtinger: Der Verweigerer
Bitch Ray: Die Provokateurin
Geller: der (Auto-)Hypnotiseur
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Your Communication II – Schwerpunkt: Interaction Design, Text: Marcus Klug, M.A.
3. Die Figuren im Spotlight:
Norbert Bolz treibt als Theorist und Essayist „auf Anfrage“ – vorzugsweise an
der Schnittstelle von Medien, Religion, Design und Kommunikation – schon
seit mehr als über zwei Jahrzehnten seinen Schabernack mit Wissenschaft
und Medien. Von vielen Fachkollegen verspottet und ignoriert oder in der Form
seiner publizierten Bücher zumeist von der Kritik zerrissen, weiß Bolz dennoch
wie kaum ein zweiter in Deutschland auf der „Klaviatur der Medien“ zu spielen:
Er kann sicherlich als Figur – in der Herstellung von medialer Aufmerksamkeit
– als Spieler und Partisan charakterisiert werden. „Eigentlich sind diese Spieler
Saboteure des Geheimwesens, der Arkanbereiche unserer Gewaltverhältnisse“
(Dirk Baecker im Gespräch mit Alexander Kluge über Spieler).
Wesentlich interessanter scheint es mit aber noch zu sein, zu untersuchen, in
welcher Form und mit welchen Mitteln Bolz die Medien als Verbreitungskanäle
für seine Botschaften anzapft und wie er sein zumeist provokant dargebotenes Wissen wiederum in anderer Form zu inszenieren weiß. Ein Beispiel: Bolz
schrieb jüngst das Buch „BANG-Design“. Die darin aufgeführten Thesen über
das „Unsichtbare – über das zukünftiges Design auf der Ebene von Atomen,
Genen und Bits“ bildeten neben dem Buch das Manifestgerüst für eine relativ groß angelegte Ausstellung in der Zeche Zollverein in Essen, – die „Entry
2006“.
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Was dabei selbstverständlich nicht vorenthalten werden sollte: Die „Entry“
wurde u.a. von Peter Wippermann (Universität Duisburg-Essen) kuratiert,
der das Trendbüro in Hamburg gegründet hat – „ein Beratungsunternehmen
für gesellschaftlichen Wandel“ – für das – man ahnt es schon – auch Bolz als
„Trendforscher“ tätig ist.
Im Folgenden ein paar lose gesammelte Aussagen und Kommentare zum
medialen Verständnis – was Partisanen wie Bolz – in den Medien treiben
und wie sie diese (auch theoretisch) auslegen und besetzen:
Kommentar zu Bolz, Quelle:
[http://www.goethe.de/wis/fut/dos/gdw/bon/de1622700.htm]
„Das Zitat und das Zitieren sind bei Bolz wichtige Mittel der Argumentation. Mit Blick
auf die `Rhetorik des Cyberspace´, die neue Methodik von Hypermedien und die Verfahren des Hypertext schreibt er: `Auch wer noch traditionell schreibt, schreibt doch im
Grunde keine Bücher mehr, sondern Mosaike aus Zitaten und Gedankensplittern´.“
„Der Medientheoretiker Bolz ist (...) eher in den Medien (...) berühmt, aber dort praktiziert er so souverän, dass er gegenüber den Konkurrenten immer einen kurzfristigen
Standortvorteil ausspielen kann.“
„Das ist sie dann, die Taktik des Medienpartisans, der nicht ohne Grund auf Ernst
Jünger und Carl Schmitt verweist.“
Bolz im Interview über Journalismus und mediale Strategien, Quelle:
[http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19017/1.html]
„Man lässt sich Gelegenheiten vorgeben. Ich denke am liebsten, wenn Sie so wollen,
auf Anfrage. Ich lasse mich von der jeweiligen Fragestellung überraschen und von dem
begeistern, was dann bei meinem Denkprozess passiert“.
„Auf jeden Fall sehr viel flexibles Denken, das ist das Wichtigste, außerdem Kreativität
und Mut. Man muss sich der Stärken der einzelnen Medien bewusst sein und auf allen
Medienklaviaturen spielen können. Wer sich zum Beispiel ausschließlich als Zeitungsjournalist versteht, wird scheitern“.
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Helmut Qualtinger kann – ähnlich wie Norbert Bolz im Theoriegefilde –, als
Partisan angesehen werden, allerdings in einem anderen Metier „beheimatet“:
dem derb-komischen Terrain. Er starb bereits 1986, dürfte aber gerade als
Propagandist und Agitator als „Beispielgeber des Beispiellosen“ (Bazon Brock)
betrachtet werden. So führte er als Performer das Komische an die Grenzen
der Tragik oder ließ die Sprache der Gewalt in die humoristische Fassade
einbrechen. Qualtinger war in seinen Absichten, die er mit seinen Inszenierungen verfolgte, sicherlich auch politisch motiviert. Die österreichische Mentalität und das Leben in der Metropole Wien, zu der er selbst ein ambivalentes
Verhältnis pflegte, war in ihren ganzen Widersprüchlichkeiten und moralischen
Doppeldeutigkeiten sein großes Thema. Qualtinger war Partisan, weil er sein
Publikum hinterrücks mit Wahrheiten konfrontierte, die manchmal unerträglich
waren. Qualtinger war Querulant, weil er quer zu allen Moden und Meinungen –
hier ganz entgegengesetzt zu Bolz – Kritiker und Wahrheitsfanatiker blieb. In
den 1970er Jahren ging er beispielsweise häufiger auf Lesetour; neben eigenen Arbeiten las er dann auch aus fremden Texte, u.a. auch aus Adolf Hitlers
„Mein Kampf“. Zuletzt spielte er den Remigio da Varagine in „Der Name der
Rose“ nach Umberto Ecos Roman – an der Seite von Sean Connery –, bevor
er 1986 verstarb. Gerade diese Figur steht in „Der Name der Rose“ für den
diabolischen Ketzer.
From Name der Rose, Der (1986)
Bernardo Gui: Why did you kill them?
Remigio da Varagine: Why? I don‘t know... why.
Bernardo Gui: Were you inspired by the Devil?
Remigio da Varagine: Yes. That‘s it. I was inspired by the Devil!
I am... inspired by the DEVVVVILLL! Lucifer! I summon you!
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Lady Bitch Ray: – ein Kunstname und zugleich – wie die die sexistisch anmutende Pose auf der Porschehaube mit der Aufschrift „Vagina“ –, ein provokantes
In-Szene-Setzen. Wenn Norbert Bolz „das Aufklärungszeitalter für beendet hält“
und als Essayist „auf Anfrage“ mit seinen provokanten Thesen mal „voll
ins Schwarze“ und mal „in die absolute Leere“ trifft, so vermittelt die selbsternannte Porno-Provokateurin Lady Bitsch Ray zwischen Vulgär-Slang, Hardcore-Deutsch-Rap und weiblicher Emanzipation. Das ganze Spektakel wäre also
nicht weiter bemerkenswert, würde man dabei nicht drei wesentliche Dinge
außer Acht lassen:
1. Mit bürgerlichem Namen heißt Lady Bitch Ray Reyhan Sahin, hat Sprachwissenschaften studiert und überdurchschnittlich abgeschlossen und promoviert
derzeitig auch in diesem Bereich (soviel zum bürgerlichen Teil ihrer Karriere).
2. Aufgrund ihre Herkunft – Reyhan ist Türkin – dürften ihre Provokationen
nicht nur in den Medien zum Teil als abstoßend empfunden werden, sondern
gerade auch aus türkischer Perspektive „Sprengstoff“ darstellen.
3. Bitch Ray ist ein weiteres Beispiel für eine Provokateurin, die längst erkannt hat, wie man mittels MySpace, YouTube usw. maximale Aufmerksamkeit
erzielen kann und dabei gar nicht mehr das „Gewicht der Selbstdarstellung“ auf
Print und Fernsehen legen muss (trotz eines Auftritts bei Maischberger). Die
traditionellen Medienkanäle scheinen immer weiter hinterherzuhängen und man
kann davon ausgehen, dass sie – in Anspielung an McLuhan – möglicherweise
von den einst vordersten Rängen auf die hinteren Plätze verwiesen werden.
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Your Communication II – Schwerpunkt: Interaction Design, Text: Marcus Klug, M.A.
Mit Uri Geller kommen wir von den Medien-Partisanen und Porno-Provokateurinnen zu den (Auto-)Hypnotiseuren. Uri Geller ist gewissemaßen Show-Hypnotiseur und Unterhaltungs-Magier. Zu seinen bekanntesten Tricks gehört das
Verbiegen von Löffeln durch Autosuggestion. Das spricht beim Publikum Teile
des Bewußtseins an, die das logische Denken außer Kraft setzten. Geller spielt
gewissermaßen mit unseren niederen Instinkten.
Der (Auto)Hypnotiseur ist eine Figur, die es zu allen Zeiten gegeben hat. Da wo
Wissenschaft, Fortschritt und Technik sich immer weiter ausbreiten, kehrt die
Magie mit aller Kraft zurück, auch in der Gestalt medialer Mythen.
Seit dem 8. Januar 2008 sucht Uri Geller auf dem deutschen Fernsehsender
ProSieben einen Nachfolger. Die Show läuft unter dem Namen „The next Uri
Geller“ und es sind neun Folgen geplant, obwohl Geller bereis am 17. Januar
1974 in der Wim-Thoelke-Show „Drei mal Neun“ und in der Schweiz auftrat
und seine „übersinnlichen Kräfte“ nur wenig später als billige Tricks enttarnt
wurden.
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Your Communication II – Schwerpunkt: Interaction Design, Text: Marcus Klug, M.A.
Bildnachweis und Kommentierung:
Im Pariser „Espace Louis Vuitton“ hat die Künstlerin Vanessa Beecroft dreißig nackte Models in einem Showroom zwischen Handtaschen, Koffern und diversen anderen Luxus-Requisiten „ausgestellt“.
-> siehe dazu folgenden Artikel: www.faz.net/.../Doc~E283594C54E1D486AB48CDC6FE7A611C8~ATpl~E
common~Scontent.html -.
Quellennachweis:
http://www.goethe.de/wis/fut/dos/gdw/bon/de1622700.htm
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19017/1.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Qualtinger
http://www.kzwei.at/1508.htm
http://profile.myspace.com/ladybitchray
http://de.wikipedia.org/wiki/Uri_Geller
http://gwup.wordpress.com/category/uri-geller/
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