Verletzungen des ZNS - Humanoids and Intelligence Systems Lab

Transcrição

Verletzungen des ZNS - Humanoids and Intelligence Systems Lab
Fakultät für Informatik – Humanoids and Intelligence Systems Lab – Institut für Anthropomatik
Mittwochs von 12:15-13:45 Uhr
Verletzungen des ZNS
Schädelhirntraumen, Querschnittsyndrome, Sportverletzungen
Uwe Spetzger
Neurochirurgische Klinik, Klinikum Karlsruhe
Computer vs. Gehirn
Obwohl in der reinen Rechenleistungen durchaus vergleichbar, ist die kognitive
Leistung eines Spatzenhirns der eines jeden Supercomputers weit überlegen
Das betrifft insbesondere für die Fähigkeiten:
Mustererkennung und Musterverarbeitung
Lernfähigkeit von zielgerichteter Steuerung der Bewegungen
Überlebensfähigkeit in einer komplexen Umgebung die ständig neue
Anpassungsleistungen erfordert
Wichtige Charakteristika die das Hirn vom Computer unterscheiden und die
zumindest teilweise den trotz der außerordentlich geringen Geschwindigkeit der
neuronalen Schaltkreise erheblichen Performanzvorteil des Gehirn erklären sind:
Hochgradige Parallelverarbeitung
Integration von Spezialhardware in Form funktionsspezischer Neuromodule
Keine Trennung von Hard- und Software
Die Funktion des Gehirns folgt aus seiner Architektur und wird hauptsächlich in der
Auseinandersetzung mit der Umwelt erworben (adaptives & situatives Lernen)
Der Unterschied zwischen Hirn und Computer kommt aber insbesondere
auch in der Robustheit des Hirns gegenüber Störungen aller Art zum Ausdruck
Hirnfunktion und Boxen
Dtsch Arztebl Int 2010; 107(47): 835-9
Boxen – akute Komplikationen und Spätfolgen:
Von der Gehirnerschütterung bis zur Demenz
Boxen hat in den letzten Jahren gesellschaftliche Akzeptanz und große Medienaufmerksamkeit erfahren. Dieser Aufstieg wurde nicht von einer entsprechenden
medizinischen Diskussion über mögliche Komplikationen und Spätfolgen begleitet.
Die relevanteste akute Folge des Boxens ist der regelkonforme Knock-out, der einer
Gehirnerschütterung entspricht. Es ist nachgewiesen, dass neuropsychologische
Defizite länger anhalten als subjektive Beschwerden.
Molekulare Veränderungen belegen eine neuronale und astrogliale Schädigung, die mit
Zahl und Härte der Schläge korreliert (Veränderungen von Gesamt-Tau, beta-Amyloid,
„neurofilament light protein“ (NFLP), „glial fibrillary acidic protein“ (GFAP) und
neuronenspezifischer Enolase).
Das Risiko einer Boxerdemenz als Spätfolge chronischer Hirntraumata hängt mit der
Karrieredauer und den s. g. Nehmerqualitäten eines Boxers zusammen. Es gibt
Gemeinsamkeiten zur Alzheimer-Demenz, wie zum Beispiel eine Risikosteigerung
durch ApoE4-Polymorphismus oder die beta-Amyloid-Plaquepathologie.
Hirnfunktion und Boxen
Boxwettkämpfe wurden 688 vor Christus zu einer olympischen Disziplin. Die Athleten
kämpften ohne Pause, bis der Gegner nicht mehr imstande war, sich zu verteidigen.
Während griechische Kämpfer die Fäuste nur mit Lederriemen umwickelten, wurden im
römischen Reich seit etwa 150 v. Chr. Handschuhe mit Eisen und Blei verstärkt.
Der britische Boxer Jack Broughton führte für Trainings- und Schaukämpfe den
Gebrauch von gedämpften Boxhandschuhen ein, nachdem er einen Gegner
totgeschlagen hatte. Seit 1742 gelten die von Broughton benannten Regeln:
Kampfpause nach einem Niederschlag - keine Schläge unter die Gürtellinie.
Die 1867 vereinbarten Queensberry-Regeln umfassten:
das Tragen von Boxhandschuhen - eine dreiminütige Rundenzeit mit einminütiger
Pause - das Anzählen bis zehn nach einem Niederschlag.
Die Aufprallgeschwindigkeit der Faust zum Kopf kann 10 m/s und mehr betragen. Die
Kraft steigt mit der Gewichtsklasse bis auf mehr als 5 000 Newton an, so dass eine
Translationsbeschleunigung des gegnerischen Kopfes von mehr als 50 g erreichbar ist.
Kampfentscheidend wirken sich vor allem Rotationsbeschleunigungen des Schädels
aus. Dadurch führen Scherkräfte zu einer Stauchung, Zerrung und funktionellen Läsion
zentraler Bahnen im oberen Hirnstamm.
Hirnfunktion und Boxen
Durch Beschleunigung und Aufprall der Hemisphären an der Schädelkalotte können
Coup- und Contre-Coup-Läsionen beim Faustschlag auf den Kopf oder beim Aufprall
des Kopfes auf dem Ringboden entstehen. Diese Verletzungen treten vor allem bei
Profi-Boxern ohne Kopfschutz auf.
Eine Befragung von 632 japanischen Profiboxern ergab, dass fast die Hälfte der
Athleten am Tag nach einem K. o. unter fortbestehenden Symptomen litt:
Kopfschmerzen – Tinnitus – Vergesslichkeit – Hörstörungen – Schwindel – Übelkeit –
Gangstörungen.
Etwa 10 % dieser aktiven Boxer gaben an, ständig unter Vergesslichkeit, Kopfschmerzen und anderen Beschwerden zu leiden.
Innerhalb von 24 h nach einem Schädel-Hirn-Trauma wird bereits deutlich mehr betaAmyloid gebildet (Grundbaustein der Alzheimer-Plaques). 14 schwedische Amateurboxer waren bereit, sich eine Woche sowie drei Monate nach einem Boxkampf lumbal
punktieren zu lassen. Die 1-Wochen-Werte des Gesamt-Tau-Proteins, des „neurofilament light protein“ NFLP und des „glial fibrillary acidic protein“ GFAP waren
gegenüber den 3-Monats-Werten signifikant erhöht, und dies umso deutlicher, je mehr
und je härtere Schläge ein Boxer erlitt. Im Serum war die neuronenspezifische Enolase
noch nach zweimonatiger Kampfpause erhöht. Diese Ergebnisse weisen auf eine akute
neuronale und astrogliale Zellläsion hin.
Hirnfunktion und Boxen
10 - 20 % der Profiboxer leiden unter anhaltenden neuropsychiatrischen Folgeerkrankungen. Die schwerwiegendsten Konsequenzen eines chronisch rezidivierenden
Schädel-Hirn-Traumas bei professionellen Boxern mit langer Karriere sind:
bezüglich Motorik: Tremor, Dysarthrie, Parkinson-Symptomatik, Ataxie, Spastik
bezüglich Kognition: Verlangsamung, Gedächtnisstörung, Demenz
bezüglich Verhalten: Depression, Reizbarkeit, Aggressivität, Kriminalität, Sucht
Fast die Hälfte der Boxer weist nach Beendigung ihrer Karriere einen Mangel an
Wachstumshormon auf und hatten alle ein vermindertes Hypophysenvolumen, zudem
werden gehäuft Riech- und Geschmackstörungen gefunden
Neurochirurgische Aspekte
des Schwindels
Neurochirurgische Aspekte
Schwindel
Objektiver Vertigo:
tatsächliche Bewegung im Raum
Schwerelosigkeit, Fahrgeschäfte Rummelplatz, etc.
Subjektiver Vertigo:
realitätsnahes Bewegungsempfinden
Krankheiten des ZNS (Innenohrs, Visuellen Systems)
Umwelteinflüsse („Sonnenstich“, Höhenkrankheit, etc.)
Intoxikationen (Alkohol, Medikamente, etc.)
Neurochirurgische Aspekte
Anatomische Grundlagen
ZNS Hirnstamm, Hirnnerven, HN-Kerngebiete,
kortikale Projektionsfelder
Kranio-zervikaler Übergang
Wirbelsäule
Gefäßsystem
neuromuskulär
Aa. vertebrales, A. basilaris, etc.
Adäquates Zusammenspiel der einzelnen
Komponenten
Neurochirurgische Aspekte
„neurochirurgisch therapierbarer“ Schwindel
Zerebrale Raumforderungen
Vaskuläre Läsionen
Kranielle und spinale Traumen
Neurochirurgische Aspekte
Schwindel bei kranio-zervikalen Läsionen
Traumen
Tumoren
Angeborenen Fehl- und Mißbildungen
segmentale Instabilität, Halsmarkschädigung
medulläre Kompression
basilläre Impression, dysraphische Störungen
Sportverletzungen
- Verletzungsmuster -
Frauen
Statistik der Sportunfälle in Deutschland. Die Reihenfolge spiegelt die
Häufigkeit, mit der die einzelne Sportart betrieben wird, und ihre
Gefährlichkeit wider.
Männer
Polytrauma (Mehrfachverletzung)
Schädelhirntrauma
Wirbelsäulenverletzung
(HWS – BWS – LWS)
Daniel Albrecht (26 Jahre) stürzte am 22.1.2009 beim Weltcup-Training in Kitzbühl (Streif) mit 138 km/h und zog sich ein
schweres Schädel-Hirn-Trauma zu und lag drei Wochen lang im künstlichen Koma.
Querschnittslähmung - Fahrradunfall
Operative Strategie und Therapie
Narkose
Gardner-Wells Klemme
Reposition
Dekompression
Stabilisierung (ventrale Plattenosteosynthese)
(Relaxierung)
(Traktion)
(durch Zug und offene Reposition)
Strategische Überlegungen
Ursache - Läsion - Mechanismus
Pathologie (strukturelle Begleiterkrankungen)
Welches Segment?
Neurologischer Befund!
Muskulärer & ligamentärer Status
Operationsmethode
(HWS / BWS / LWS)
(Niveau der Schädigung)
(Integrität der WS)
(Stabilität)
Strategische Überlegungen
Alter
Knochenqualität (Osteodensitometrie?)
Mobilitätsgrad (physiologische Belastung)
Einheilung (Biokompatibilität des Materials & Osseointegration)
Begleiterkrankungen (BMI, Rauchen!)
Rigide vs. dynamische Implantate
Individuelle Behandlungsstrategie
Tetraplegie nach Mountainbikeunfall
Primärversorgung (SHT, instabile BWS Fraktur)
4
Cervikale „Herde“ im MRT
Äthiologie und Differentialdiagnosen?
Welche Differentialdiagnosen
kommen in Betracht?
1. Encephalitis disseminata
2. Spinals anterior-Syndrom
3. Hämangioblastom
4. Intramedulläres Cavernom
5. Contusionsherd
6. Neurinom
Traumatischer BSV
Trauma bei degenerativer Vorschädigung
Ersatzteile!?
Wirbelsäule - Bandscheiben
Lumbale Luxationsfraktur
durch Beckengurtverletzung
HWS Hyperflexionsverletzung
3 monatige „konservative Therapie“
Kein neurologisches Defizit! (Schmerz & Lhermitte Z.)
Fakultät für Informatik – Humanoids and Intelligence Systems Lab – Institut für Anthropomatik
Mittwochs von 12:15-13:45
Gehirn und Zentrales Nervensystem
Diskussion & Fragen
Struktur, Informationstransfer, Reizverarbeitung, Neurophysiologie und Therapie
Uwe Spetzger
Neurochirurgische Klinik, Klinikum Karlsruhe