Erlass - Gesetzessammlung des Kantons St.Gallen

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Erlass - Gesetzessammlung des Kantons St.Gallen
Gesetzessammlung des Kantons St.Gallen
161.3
Gesetz
über die disziplinarische Verantwortlichkeit der
Behördemitglieder, Beamten und öffentlichen Angestellten
(Disziplinargesetz)
vom 28. März 1974 (Stand 1. Januar 2013)
Der Grosse Rat des Kantons St.Gallen
hat von der Botschaft des Regierungsrates vom 29. August 19721 Kenntnis genommen und
erlässt als Gesetz:2
I. Geltungsbereich
Art. 1*
(1.)
Grundsatz
Dieses Gesetz regelt die disziplinarische Verantwortlichkeit:
a) der Magistratspersonen;
b) der vom Volk, Kantonsrat, Kantonsgericht oder von einem Kreisgericht
gewählten Mitglieder der Gerichte und anderer Justizbehörden;
c) von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kantons, soweit die besondere
Gesetzgebung für diese anstelle der personalrechtlichen Massnahmen nach
dem Personalgesetz vom 25. Januar 20113 die disziplinarische Verantwortlichkeit vorsieht;
d) der Mitglieder der obersten Leitungsorgane von selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten und Körperschaften. Vorbehalten bleiben besondere gesetzliche Bestimmungen und zwischenstaatliche Vereinbarungen;
e) der vom Volk gewählten Behördemitglieder der Gemeinden;
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1
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ABl 1972, 1396.
nGS 9, 569; nGS 16–53. Vom Grossen Rat erlassen am 13. Februar 1974; nach unbenützter
Referendumsfrist rechtsgültig geworden am 28. März 1974; in Vollzug ab 1. Mai 1974.
sGS 143.1.
nGS 16–53
161.3
f)
der in einem Arbeitsverhältnis mit der Gemeinde, dem selbständigen öffentlichrechtlichen Gemeindeunternehmen, der selbständigen öffentlich- rechtlichen Kindes- und Erwachsenenschutzeinrichtung, dem Zweckverband oder
dem Gemeindeverband stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn
das Reglement oder die Verbandsvereinbarung für diese die disziplinarische
Verantwortlichkeit vorsieht.
Art. 2*
1
Ausnahmen
a) Kantonsrat
Auf die Mitglieder des Kantonsates findet dieses Gesetz keine Anwendung.
Art. 3*
b) abweichendes Recht
Dieses Gesetz findet keine Anwendung, soweit eidgenössische Erlasse und kantonale Gesetze4 abweichende Vorschriften enthalten.
1
Abweichende Vorschriften kantonaler Verordnungen sind zulässig, soweit ein
eidgenössischer Erlass oder ein kantonales Gesetz die Regelung der disziplinarischen Verantwortlichkeit auf den Verordnungsweg verweist.
2
Den kantonalen Gesetzen sind die allgemeinverbindlichen Grossratsbeschlüsse
und die vom Kantonsrat abgeschlossenen rechtsetzenden Staatsverträge gleichgestellt.5
3
Der katholische und der evangelische Konfessionsteil können im Rahmen ihrer
Autonomie6 abweichende Vorschriften7 erlassen.
4
II. Disziplinarfehler und Disziplinarmassnahmen
Art. 4
(2.)
Disziplinarfehler
Als Disziplinarfehler gelten:
a) eine schuldhafte Verletzung der Amts- oder Dienstpflicht;
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2
Art. 51 bis 53 des Erziehungsgesetzes, sGS 211.1 (in Revision); Art. 17 Abs. 2 PG, sGS 451.1;
Art. 53FSG, sGS 871.1.
Abs. 3 ist insofern überholt, als die Erlassform des allgemein verbindlichen Grossratsbeschlusses seit Vollzugsbeginn der Kantonsverfassung vom 10. Juni 2001 (sGS 111.1) seit 1. Januar 2003 nicht mehr besteht. Rechtsetzende Staatsverträge werden heute als zwischenstaatliche Vereinbarungen mit Verfassungs- oder Gesetzesrang bezeichnet. Die Zuständigkeit zum
Abschluss liegt bei der Regierung; dem Kantonsrat obliegt die Genehmigung.
Art. 110KV, sGS 111.1.
Art. 146 ff. der Kirchenordnung der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen,
sGS 175.11.
161.3
b) ein schuldhaftes Verhalten ausser Amt oder Dienst, das mit dem Amt oder
dem Dienst offensichtlich nicht vereinbar ist.
Art. 5
Disziplinarmassnahmen
Disziplinarmassnahmen sind:
a) schriftlicher Verweis;
b) Geldleistung bis Fr. 2000.–;
c) Unterbrechung der periodischen Besoldungserhöhung;
d) Versetzung in eine tiefere Besoldungsklasse;
e) Versetzung in das provisorische Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit, längstens aber für die Dauer von zwei Jahren;
f) Versetzung in ein anderes Amt oder in einen anderen Dienst;
g) Einstellung im Amt oder im Dienst bis zu drei Monaten mit Entzug oder Kürzung der Besoldung;
h) Androhung der Entlassung;
i) Entlassung aus dem Amt oder dem Dienst.
1
2
Mehrere Disziplinarmassnahmen können miteinander verbunden werden.
3
Andere Disziplinarmassnahmen sind nicht zulässig.
Art. 6
Beanstandung
Ist der Disziplinarfehler geringfügig, so tritt an die Stelle einer Disziplinarmassnahme die schriftliche oder mündliche Beanstandung durch den unmittelbaren
Vorgesetzten.
1
Art. 7
Ermessensgrundsatz
Ob ein Disziplinarfehler zu verfolgen ist und welche Disziplinarmassnahmen zu
verhängen sind, wird nach pflichtgemässem Ermessen entschieden.
1
Im übrigen richtet sich die Art der Massnahme nach dem Verschulden, dem bisherigen Verhalten und der dienstlichen Stellung des Fehlbaren sowie nach Umfang
und Bedeutung der verletzten oder gefährdeten Amts- oder Dienstinteressen.
2
Art. 8
Verwirkung
Ein Disziplinarfehler kann nur verfolgt werden, wenn die Disziplinarbehörde die
Untersuchung innert drei Monaten anordnet, nachdem ihr der Disziplinarfehler
und der Fehlbare bekanntgeworden sind.
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Art. 9
Verjährung
a) der Verfolgung
Die Verfolgung eines Disziplinarfehlers verjährt innert zwei Jahren nach dessen
Begehung. Die Verjährung wird durch jede Untersuchungshandlung oder Verfügung gegen den Fehlbaren und durch jedes Rechtsmittel unterbrochen. Mit jeder
Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
1
Die Verfolgung des Disziplinarverfahrens verjährt trotz der Unterbrechung vier
Jahre nach der Begehung.
2
Wird ein Strafverfahren eingeleitet, so gelten die strafrechtlichen Verjährungsfristen8, wenn sie länger sind.
3
Art. 10
b) der Vollstreckung
Die Vollstreckung von Disziplinarmassnahmen verjährt in einem Jahr nach dem
Eintritt der Rechtskraft.
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2
Für die Vollstreckung von Geldleistungen beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre.
Art. 11
Zuweisung der Geldleistung
Die Geldleistung fällt dem Gemeinwesen zu, dessen Behörde die Disziplinarmassnahme angeordnet hat.
1
III. Disziplinarrechtspflege
Art. 12*
1
(3.)
Zuständigkeit zum Erlass von Disziplinarmassnahmen
Zum Erlass von Disziplinarmassnahmen ist die Disziplinarbehörde zuständig.
Disziplinarbehörde ist:
a) der Kantonsrat für die Mitglieder der Regierung, des Kantonsgerichtes, des
Verwaltungsgerichtes, der Anklagekammer und den Staatssekretär;
b) die Regierung:
1. für die vom Volk oder Kantonsrat gewählten Behördemitglieder des
Kantons und der Gemeinden;
2. für die Mitglieder der obersten Leitungsorgane von selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten und Körperschaften. Vorbehalten bleiben besondere gesetzliche Bestimmungen und zwischenstaatliche Vereinbarungen;
2
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Art. 97 ff. des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937, SR 311.0.
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c)
das Kantonsgericht für die vom Volk, Kantonsrat, Kantonsgericht oder von einem Kreisgericht gewählten Mitglieder der Gerichte und anderer Justizbehörden. Es entscheidet eine Disziplinarkammer von fünf Mitgliedern;
d) das Verwaltungsgericht für die Mitglieder der Verwaltungsrekurskommission
und des Versicherungsgerichtes;
e) die Anklagekammer für die Erste Staatsanwältin oder den Ersten Staatsanwalt,
die Leitenden Staatsanwältinnen und Leitenden Staatsanwälte sowie die
Leitende Jugendanwältin oder den Leitenden Jugendanwalt;
f) die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber nach Art. 9 des Personalgesetzes vom
25. Januar 20119 in den übrigen Fällen.
Art. 13*
Disziplinarkommission
a) des Kantonsrates
Der Kantonsrat bestellt zur Untersuchung von Disziplinarfällen seines Disziplinarbereiches und zur Antragstellung eine Disziplinarkommission aus seiner Mitte.
1
Art. 14
b) des Regierungsrates
Die Regierung wählt zur Untersuchung von Disziplinarfällen ihres Disziplinarbereiches eine Disziplinarkommission von fünf Mitgliedern.
1
In der Disziplinarkommission sollen das Personal, das Personalamt und die
Gemeindebehörden vertreten sein. Es darf ihr kein Mitglied des Regierungsrates
angehören. Den Personalverbänden steht für die Wahl des Personalvertreters das
Vorschlagsrecht zu.
2
3
Der Vorsitzende darf nicht der öffentlichen Verwaltung angehören.
Art. 15
c) der übrigen Disziplinarbehörden
Die übrigen Disziplinarbehörden wählen eine ständige Kommission von fünf
Mitgliedern oder setzen von Fall zu Fall eine Disziplinarkommission von drei Mitgliedern ein. Art. 14 dieses Gesetzes wird sachgemäss angewendet.
1
Art. 16
1
Disziplinaruntersuchung
a) Anordnung
Die Disziplinaruntersuchung wird von der Disziplinarbehörde angeordnet.
Auf die Untersuchung kann im Einverständnis mit dem Fehlbaren verzichtet werden, wenn der Tatbestand unbestritten ist und als Disziplinarmassnahme nur ein
Verweis in Frage kommt.
2
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sGS 143.1.
5
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Art. 17*
b) Antrag
Ein Behördemitglied oder ein Angestellter kann die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung gegen sich selbst beantragen.
1
Die Disziplinarkommission hat von sich aus die Anordnung einer Disziplinaruntersuchung zu beantragen, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass ein schwerwiegender Disziplinarfehler vorliegen könnte.
2
Art. 18
c) Untersuchungshandlungen
Die Untersuchungshandlungen werden in der Regel vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission durchgeführt.
1
Sie können einem andern Mitglied der Disziplinarkommission übertragen werden.
2
Auf Antrag der Disziplinarkommission kann die Disziplinarbehörde einen Aussenstehenden mit den Untersuchungshandlungen betrauen.
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Art. 19
d) Abschluss
Die Disziplinarkommission stellt nach Abschluss der Untersuchung der Disziplinarbehörde einen begründeten Antrag.
1
Dem Betroffenen ist Gelegenheit zu geben, zum begründeten Antrag der Disziplinarkommission Stellung zu nehmen.
2
Art. 20
Aussetzung der Disziplinarmassnahmen
Wird im Lauf eines Disziplinarverfahrens wegen des gleichen Tatbestandes gegen
den Betroffenen ein Strafverfahren eröffnet, 10 so können die Disziplinaruntersuchung und die Verfügung einer Disziplinarmassnahme ausgesetzt werden.
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Art. 21
Vorsorgliche Disziplinarmassnahme
Die Disziplinarbehörde kann die Versetzung des Betroffenen in ein anderes Amt
oder in einen anderen Dienst oder die Einstellung im Amt oder im Dienst vorsorglich verfügen, wenn sonst die Disziplinaruntersuchung wesentlich erschwert oder
das Interesse des Amtes oder Dienstes erheblich geschädigt würde.
1
Dem vorsorglich Versetzten oder Eingestellten darf die Besoldung weder entzogen noch gekürzt werden.
2
10
6
Art. 10 Abs. 2, Art. 19 Abs. 2 und Art. 53 StP, sGS 962.1.
161.3
Art. 22
Einstellung des Disziplinarverfahrens
Scheidet der Betroffene aus dem Amt oder dem Dienst aus, so wird das Disziplinarverfahren eingestellt, wenn nicht wichtige öffentliche oder private Interessen
entgegenstehen oder der Betroffene die Fortsetzung des Verfahrens verlangt.
1
Art. 23*
…
Art. 24
Ergänzendes Recht
Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, wird das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege11 sachgemäss angewendet.
1
IV. Schlussbestimmungen
Art. 25
12
Art. 26
13
Art. 27
14
Art. 28
15
Art. 29
16
Art. 30
17
Art. 31
Aufhebung bisherigen Rechts18
Art. 32
Vollzugsbeginn
1
(4.)
Die Regierung bestimmt, wann dieses Gesetz in Vollzug tritt. 19
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18
19
sGS 951.1.
Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
Überholt durch Übertretungsstrafgesetz vom 13. Dezember 1984, sGS 921.1.
In Vollzug ab 1. Mai 1974, ABl 1974, 432.
7
161.3
* Änderungstabelle - Nach Bestimmung
Bestimmung
Erlass
Art. 1
Art. 1
Art. 2
Art. 3
Art. 12
Art. 13
Art. 17
Art. 23
Änderungstyp
Grunderlass
geändert
geändert
geändert
geändert
geändert
geändert
geändert
aufgehoben
nGS-Fundstelle
16–53
47–31
47–149
47–31
47–31
47–31
47–31
47–31
44–52
Erlassdatum
28.03.1974
25.01.2011
24.04.2012
25.01.2011
25.01.2011
25.01.2011
25.01.2011
25.01.2011
01.06.2008
Vollzugsbeginn
01.05.1974
keine Angabe
01.01.2013
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
01.01.2011
* Änderungstabelle - Nach Erlassdatum
Erlassdatum
28.03.1974
01.06.2008
25.01.2011
25.01.2011
25.01.2011
25.01.2011
25.01.2011
25.01.2011
24.04.2012
8
Vollzugsbeginn
01.05.1974
01.01.2011
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
01.01.2013
Bestimmung
Erlass
Art. 23
Art. 1
Art. 2
Art. 3
Art. 12
Art. 13
Art. 17
Art. 1
Änderungstyp
Grunderlass
aufgehoben
geändert
geändert
geändert
geändert
geändert
geändert
geändert
nGS-Fundstelle
16–53
44–52
47–31
47–31
47–31
47–31
47–31
47–31
47–149