2 Grundlagen
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2 Grundlagen
Analysenmesstechnik in flüssigen Medien Ein Handbuch für Praktiker Dr. Jan Bösche Ulrich Braun Matthias Kremer Reinhard Manns Dr. Jürgen Schleicher Bemerkung Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten. Einleitung Nach dem Erfolg der ersten Auflage dieses Buches liegt nun eine zweite erweiterte und aktualisierte Version vor. Die Autoren haben die Informationen aktualisiert und um neue Themen erweitert. Gerne nehmen wir auch weiterhin Anregungen und Wünsche der Leserschaft entgegen. Das vorliegende Buch wendet sich an Praktiker, die im täglichen Betrieb mit elektrochemischen Messgrößen zu tun haben und für die Projektierung, den Einkauf, die Inbetriebnahme und Wartung der zugehörigen Mess- und Regeltechnik Verantwortung tragen. Zu den wichtigsten Messgrößen der Umwelt- und Verfahrenstechnik gehören der pH-Wert, die Redoxspannung, die elektrolytische Leitfähigkeit, gelöster Sauerstoff, freies Chlor, Chlordioxid und Ozon, Wasserstoffperoxid-Konzentration und Peressigsäure sowie Ammoniak. Diese Messgrößen sind kapitelweise behandelt. Nach der Vermittlung von Grundlagenwissen werden die Aufbaumöglichkeiten von Messketten vom Sensor über die Armatur zum Messumformer gezeigt. Anschließend erhält der Leser Beispiele für Anwendungen in der Praxis mit hilfreichen Tipps. Das Thema Qualitätssicherung, Fehler und Störungen sowie deren Beseitigung behandelt das nächste Kapitel. Auf die jeweils geltende Gesetze, Vorschriften, Normen und Verordnungen wird im Kapitel Quellenangaben hingewiesen. Fulda, im April 2012 Kapitel 1: Kapitel 2: Kapitel 3: Kapitel 4: Kapitel 5: Messung des pH-Wertes Messung der Redoxspannung Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS Reinstwassermessung Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon Kapitel 6: Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure Kapitel 7: Messung von Ammoniak Kapitel 8: Messung von gelöstem Sauerstoff Dipl.-Ing. (FH) Matthias Kremer Ulrich Braun Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher Dr. Öznur Brandt Vielen Dank an Herrn Dr. Jan Bösche (Produktmanager der JUMO GmbH & Co. KG, Fulda) für den ergänzenden Themenkomplex „Armaturen“ in den Kapiteln 1 und 2. JUMO GmbH & Co. KG Moritz-Juchheim-Straße 1 36039 Fulda, Germany Telefon: +49 661 6003-714 Telefax: +49 661 6003-605 E-Mail: [email protected] Internet: www.jumo.net Nachdruck mit Quellennachweis gestattet! Teilenummer: 00526103 Buchnummer: FAS 637 Druckdatum: 2012-04 ISBN: 978-3-935742-16-0 Messung des pH-Wertes ................................................................ 1 Messung der Redoxspannung ........................................................ 2 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS ................................ 3 Reinstwassermessung .................................................................... 4 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon ...................................................................... 5 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure ........................ 6 Messung von Ammoniak ................................................................. 7 Messung von gelöstem Sauerstoff ................................................ 8 1 2 3 4 5 6 7 8 Kapitel 1 Messung des pH-Wertes Dipl.-Ing. (FH) Matthias Kremer 1 Bemerkung Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten. Vorwort Der pH-Wert ist die wohl häufigste Messgröße in der Analytik. Der pH-Wert hat eine herausragende Bedeutung in der Wasser- und Umweltanalytik, so wie in nahezu allen Bereichen der Industrie. Ob in einer Molkerei die Qualität eines Käses stimmt, das Wasser in einer Trinkwasserversorgung Korrosionsschäden verursacht oder die Fällung in einer Aufbereitungsanlage für Galvanikabwässer Schwermetallionen optimal fällt, hängt u. a. vom pH-Wert ab. Die grundlegenden elektrochemischen Zusammenhänge und typische Anwendungen will dieses Buch in allgemein verständlicher Form darstellen. Außerdem werden Hinweise auf den Stand der Technik bei den Messumformern/Reglern und Sensoren für diese Messgröße gegeben. Wir bemühen uns, diese Informationen zur pH-Messung stets auf dem neuesten Stand zu halten und rufen die Leserschaft dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mitzuarbeiten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen. 1 Fulda, im April 2012 Dipl.-Ing. (FH) Matthias Kremer Inhalt 1 Einleitung .......................................................................................... 9 2 Grundlagen ..................................................................................... 11 2.1 Allgemeines ....................................................................................................... 11 2.2 Elektrochemische pH-Messung ...................................................................... 13 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 Aufbau der pH-Messkette ............................................................................................... pH-Messkette ................................................................................................................. Die pH-Glaselektrode ...................................................................................................... Bezugselektrode ............................................................................................................. 3 Messtechnik ................................................................................... 25 3.1 Aufbau einer Prozessmesseinrichtung ........................................................... 25 3.1.1 3.1.2 3.1.3 Messkette ....................................................................................................................... 25 Abgeschirmte Messleitung ............................................................................................. 27 Messumformer/Regler .................................................................................................... 28 3.2 Armaturen .......................................................................................................... 30 3.2.1 3.2.2 3.2.3 Eintaucharmaturen .......................................................................................................... 30 Durchflussarmaturen ....................................................................................................... 32 Wechselarmaturen .......................................................................................................... 33 3.3 Inbetriebnahme der Messeinrichtung ............................................................. 35 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 Messort ........................................................................................................................... Messbedingungen .......................................................................................................... Installation ....................................................................................................................... Kalibrieren ....................................................................................................................... Pufferlösungen ................................................................................................................ 3.4 Weitere Methoden zur pH-Messung ............................................................... 39 3.4.1 3.4.2 Elektrochemische Methoden .......................................................................................... 39 Optische Methoden ........................................................................................................ 42 3.5 Digitale pH-/Redox-Sensoren .......................................................................... 43 4 Anwendungen ................................................................................. 45 4.1 Abwasserreinigungsanlagen ........................................................................... 45 4.1.1 4.1.2 Zulauf der Anlage ............................................................................................................ 46 Faulturm .......................................................................................................................... 46 4.2 Bäder .................................................................................................................. 47 13 14 16 19 35 35 36 37 37 4.3 Galvanikbetriebe ............................................................................................... 49 4.3.1 4.3.2 Galvanikbäder ................................................................................................................. 49 Entgiftung ........................................................................................................................ 50 4.4 Kraftwerke ......................................................................................................... 52 4.5 Trinkwasserversorgungsanlagen .................................................................... 53 4.6 Trinkwassertalsperren ...................................................................................... 54 Messung des pH-Wertes 1 Inhalt 1 5 Qualitätssicherung ......................................................................... 55 5.1 Wie genau ist der pH-Messwert? .................................................................... 55 5.2 Dokumentation .................................................................................................. 55 5.3 Wartung ............................................................................................................. 57 5.3.1 5.3.2 Kritische Einflüsse auf die Bezugselektrode ................................................................... 60 Kritische Einflüsse auf die pH-Elektrode ......................................................................... 61 5.4 Reinigen ............................................................................................................. 62 5.5 Kalibrieren ......................................................................................................... 62 5.6 Lagerung der Messkette .................................................................................. 62 6 Quellenangaben ............................................................................. 63 6.1 EU-Richtlinien ................................................................................................... 64 Messung des pH-Wertes 1 Einleitung Die Erfolgsgeschichte von JUMO ist eng mit der Glastechnik verbunden. Ihren Ursprung hat sie im Jahr 1907 mit Hermann Juchheim, dem Vater des Firmengründers der heutigen M. K. JUCHHEIM GmbH & Co KG, MoritzJuchheim. Bereits 1934 wurde in Ilmenau/Thüringen die Firma Gebrüder Juchheim gegründet, die sich mit der Herstellung von Glasthermometernbeschäftigte. Seit 1947 wurden dann Labor- und Industriethermometer am neuen Standort im hessischen Fulda unter dem Markennamen JUMO produziert. Basierend auf diesen Erfahrungen im Umgang mit dem Werkstoff Glas begann man in den 1970er Jahren mit der Produktion von Glasteilen für elektrochemische Sensoren für pH-Wert, Redox-Potenzial, Leitfähigkeit und Temperatur. Aus diesen Anfängen ist die heutige Produktlinie JUMO Analysenmesstechnik hervorgegangen. Die Produktion von pH- und Redoxelektroden hat inzwischen den Erfolg der Glasthermometer überholt. JUMO ist heute einer der größten Produzenten von elektrochemischen Sensoren in Europa. Eine Vielzahl von Kunden beziehen ihre Elektroden aus dem Hause JUMO mit ihrem eigenen Firmenlogo – die Produktion solcher OEM-Versionen und von Sonderbauformen ist eine unserer Stärken. Neben den pH- und Redox-Elektroden werden auch die benötigten Schutzarmaturen, elektronischen Messverstärker und Regler gefertigt. Messzellen für elektrolytische Leitfähigkeit, gelöst Sauerstoff, Chlor,Chlordioxid, Ozon und ein patentierter Wasserstoffperoxid-Sensor komplettieren inzwischen das Lieferprogramm. Die Fertigung von elektrochemischen Sensoren wird heute in teil- und vollautomatisierten Arbeitsschritten vollzogen. Damit wird eine konstanthohe Qualität erreicht. Computergestützte Messplätze, z. B. bei der Endkontrolle, sichern zusätzlich die Einhaltung der qualitätsrelevanten Parameter. Jede einzelne JUMO-Elektrode ist deshalb vor dem Versand stückgeprüft. Erfahrene Mitarbeiter/innen in der Glasbläserei fertigen vom Einzelsensor bis zur Großserie verschiedenste Bauformen für nahezualle denkbaren Anwendungsfälle. Von Anfang an wichtig war die Erarbeitung des Know-Hows der Membrangläser. Deren „Rezepturen“ sind ein wesentlicher Bestandteil einer qualitativ hochwertigen pH-Elektrode. Heute kann JUMO pH-Membrangläser für die unterschiedlichsten Anwendungen aus eigener Forschung liefern. Aber auch die anderen Bestandteile einer pH- und Redoxelektrode und deren Gesamtaufbau müssen auf die entsprechende Applikation hin optimiert sein. Flüssige, hochviskose Bezugselektrolyte und Hochtemperatur-Gels bis 135 °C sorgen mit einem Patronenableitsystem für eine stabile Referenzspannung; diese ist bei potenziometrischen Messungen ein Garant für reproduzierbare Messwerte. JUMO pH- und Redoxelektroden finden heute in nahezu allen Bereichen ihren Einsatz: Trink- und Schwimmbadwasser, kommunale und industrielle Abwässer, Neutralisationsanlagen, Endkontrollen, chemische Industrie, Prozess- und Spülwässer, Lebensmitteltechnik, Labormessungen, Biotechnik und Aquaristik. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 9 1 1 Einleitung 1 10 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.1 Allgemeines „pH“ ist vom lateinischen pondus hydrogenii (Gewicht des Wasserstoffs) oder auch vom lateinischen potentia hydrogenii (Wirksamkeit des Wasserstoffs) hergeleitet. Wasserstoffionen Beim pH-Wert geht es also um Wasserstoff oder genauer Wasserstoffionen. Seit 1924 ist nachgewiesen, dass Wasserstoffionen in wässrigen Lösungen nicht existieren. Die für den pH-Wert verantwortlichen Spezies sind Oxoniumionen (H3O+) bzw. Hydroniumionen (H9O4+). Der Begriff „Wasserstoffionen“ ist jedoch derart verbreitet, dass es üblich ist, ihn anstelle der Begriffe „Oxoniumionen“ oder „Hydroniumionen“ zu verwenden. Im Wasser und in wässrigen Lösungen entstehen Wasserstoffionen bei der Dissoziation von Säure- oder Wassermolekülen. Reines Wasser dissoziiert (zerfällt) in Wasserstoffionen (H+) und Hydroxidionen (OH-). + H + OH H2 O - (1) Bei Raumtemperatur entsteht die verschwindend kleine Menge von 10-7 mol/l Wasserstoffionen, das entspricht 0,0000001 g in einem Liter Wasser. Eine Säure enthält weit größere Mengen an Wasserstoffionen. Das Chlorwasserstoffmolekül dissoziiert in Salzsäure zu hundert Prozent in Wasserstoffionen und Chloridionen (Cl-). + H + Cl HCl - (2) Salzsäure (HCl) mit einer Konzentration c(HCl) = 1mol/l enthält 1 g/l Wasserstoffionen, also 10 Millionen mal mehr als das reine Wasser. Auch das Lösen von Alkalien beeinflusst die Menge der Wasserstoffionen in der wässrigen Lösung. Natriumhydroxid ist in Natronlauge (NaOH) ebenfalls zu nahezu 100 % in Natrium- (Na+) und Hydroxidionen (OH-) zerfallen. + Na + OH NaOH - (3) Je mehr Hydroxidionen vorhanden sind, desto kleiner ist der Anteil an dissoziierten Wassermolekülen. Natronlauge mit einer Konzentration c(NaOH) = 1 mol/l enthält 0,00000000000001 g/l Wasserstoffionen, also 10 Millionen mal weniger als das reine Wasser. Dafür ist die Hydroxidionenkonzentration 10 Millionen mal größer. Je mehr Wasserstoff- oder Hydroxidionen eine Lösung enthält, desto aggressiver reagiert sie. pH-Wert Die Zahlen für die Wasserstoffionen-Konzentration sind sehr unpraktikabel und unübersichtlich. Sören Peter Lauritz Sörensen, ein dänischer Chemiker, vereinfachte dies, indem er 1909 den Begriff „pH“ einführte. Er verwendete einfach den negativen dekadischen Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentrationen. Wasserstoffionenkonzentration Exponentialdarstellung pH-Wert 0, 000 000 000 001 mol/l 10-12 mol/l 12 0, 000 000 1 mol/l 10-7 mol/l 7 1 mol/l 100 0 mol/l Tabelle 1: pH-Skala mit Konzentrationsangaben JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 11 1 2 Grundlagen pH-Skale Die pH-Werte wässriger Lösungen lassen sich in eine pH-Skale einreihen. Diese Skale reicht von den stark sauren bis zu den stark basischen Lösungen. Salzsäure 0 1 2 Sauer Abbildung 1: 1 Wasser 3 4 5 6 7 Neutral Natronlauge 8 9 10 11 12 13 14 Basisch (Alkalisch) pH-Skale mit stark sauren bis zu stark basischen Lösungen Sauer Sauer sind Lösungen mit einen pH-Wert kleiner als 7, sie enthalten mehr Wasserstoffionen als Hydroxidionen. Neutral Neutral sind Lösungen mit einem pH-Wert von 7, sie enthalten gleiche Mengen Wasserstoff- und Hydroxidionen (der genaue Neutralpunkt hängt von der Temperatur ab). Basisch Basisch sind Lösungen mit einen pH-Wert größer als 7, sie enthalten weniger Wasserstoffionen als Hydroxidionen. Aktivität Die Wirkung der Wasserstoffionen hängt jedoch nicht von ihrer Konzentration ab, sondern von ihrer Aktivität. Lösungen mit gleichen Wasserstoffionen-Konzentrationen können unterschiedlich aggressiv sein. Der Grund ist die gegenseitige Beeinflussung aller in der Lösung enthaltenen Ionen. Sulfationen in einer Schwefelsäure beeinflussen Wasserstoffionen anders, als z. B. Nitrationen in einer Salpetersäure. Eine Chloridkonzentration c(Cl-) = 100 g/l beeinflusst die Wasserstoffionen stärker als eine Chloridkonzentration von c(Cl-) =1 g/l. Die heute gültige Definition des pH bezieht sich daher auf die Aktivität der Wasserstoffionen und nicht mehr auf deren Konzentration. Definition „pH ist definiert als der mit (-1) multiplizierte dekadische Logarithmus der molalen Wasserstoffionenaktivität aH, geteilt durch die Einheit der Molalität m0 = 1 mol kg-1“. Diese Definition gilt für Wasserstoffionenaktivitäten von 100 bis 10-14 mol/l also für einen Bereich von pH = 0 bis pH = 14. 12 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.2 Elektrochemische pH-Messung Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten den pH-Wert zu messen: colorimetrisch, photometrisch oder elektrochemisch (Kapitel 3.4 „Weitere Methoden zur pH-Messung“). Verschiedene Messverfahren können zu unterschiedlichen Messergebnissen führen, die im Prinzip alle richtig sind. Damit aus dieser Tatsache keine Verwirrung entsteht, ist in der nationalen und internationalen Normung festgelegt, dass der pH-Wert elektrochemisch mit einer Glaselektroden-Messkette gemessen wird. Grundlage aller genormten Verfahren zur pH-Messung ist daher das elektrochemische Messprinzip. Eine weltweit gültige Festlegung für den pH-Wert gibt es erst seit 1999 (IUPAC, Provisional Recommendations). Dies war möglich, nachdem England die eigene pH-Skale zu Gunsten der in allen anderen Ländern verwendeten Bates-Guggenheim-Konvention aufgab. Irland und viele asiatische Länder verwendeten bis dahin die englische pH-Skale. 1 2.2.1 Aufbau der pH-Messkette Der Sensor für die Messung ist die pH-Messkette. Sie besteht aus zwei elektrochemischen Halbelementen, es sind die Mess- und die Bezugselektrode. An der Messelektrode bilden Wasserstoffionen ein vom pH-Wert der Messlösung abhängiges Potenzial. Das Potenzial der Bezugselektrode bleibt vom pH-Wert unabhängig und ist konstant. Die Differenz zwischen den beiden Potenzialen bestimmt das elektrische Signal des Sensors, es ist die Messkettenspannung. mV mV pH Abbildung 2: pH Aufbau des pH-Messkreises Die pH-Messung erfolgt dabei • mit einer Glaselektrode (Messelektrode) mit pH-sensitivem Membranglas und • einer Bezugselektrode (Referenzelektrode) mit möglichst pH- und temperaturunabhängigem Potenzial oder • mit einer Einstabmesskette (bauliche Vereinigung von Glas- und Bezugselektrode) JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 13 2 Grundlagen 2.2.2 pH-Messkette Die bauliche Vereinigung dieser beiden Halbzellen zu einer „pH-Messkette“ (oder auch „pH-Einstabmesskette“) erfolgte erstmals in den 1950er Jahren. Ein Ziel war es, einen in der täglichen Praxis einfacher verwendbaren Sensor zu erhalten (nur ein Sensorgehäuse, nur ein Anschlusskabel). Auch die Verkleinerung der Probenvolumen bei Labormessungen war nun möglich. 1 1 2 7 6 3 2 5 4 2 4 5 Abbildung 3: 1 3 5 7 14 pH-Glaselektrode, links; pH-Einstabmesskette (Glas- und Referenzelektrode), mitte; Referenzelektrode (Bezugselektrode), rechts Einfüllöffnung Ag/AgCl-Ableitsystem Glasmembran Referenz-Ableitsystem Messung des pH-Wertes 2 4 6 Innenelektrolyt Diaphragma Referentelektrolyt JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Kennlinie der pH-Messkette Kennlinie Spannung Steilheit: ca. -59 mV/pH Nullpunkt: ca. pH 7 1 pH Abbildung 4: Kennlinie einer pH-Messkette Den Zusammenhang zwischen pH-Wert und Spannung beschreibt die Nernst-Gleichung: a2 R T E = E 0 – ------------ In ----n F a1 E: E0: R: T: n: F: a1: a2: (4) Messkettenspannung Standardspannung des Referenzsystems Allgemeine Gaskonstante (= 8.314 J k-1 mol-1) Absolute Temperatur [K] Ladungszahl des Wasserstoffions: n = 1 Faradaykonstante (= 96485 C mol-1) Aktivität der Wasserstoffionen in der Messlösung Aktivität der Wasserstoffionen im Innenpuffer (konstant) R T 2,303------------------------------ Der Ausdruck wird in der Praxis als Nernstspannung (k) bezeichnet und stellt die F theoretische Steilheit einer pH-Messkette dar. Bei einer Temperatur vom 25 °C entspricht das einer Spannungsänderung von 0,059 V bzw. 59 mV pro Zehnerlogarithmus (pH-Einheit). Eingesetzt in die Nernst‘sche Gleichung ergibt sich nach Zusammenfassung folgende Gleichung: E = k’ pH – pH 0 (5) pH: pH der Messlösung pH0: pH-Koordinate des Kettennullpunktes k’: tatsächliche (bei der Kalibrierung ermittelte) Steilheit Der Kettennullpunkt entspricht dem pH-Wert, bei dem die Messkettenspannung E = 0mV beträgt. Mess- und Bezugelektroden gibt es in verschiedenen Bauformen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 15 2 Grundlagen 2.2.3 Die pH-Glaselektrode Die Glaselektrode ist der leistungsfähigste Sensor für die pH-Messung. Ihr Arbeitsbereich deckt praktisch den gesamten pH-Bereich ab. Lediglich für stark alkalische Lösungen sind spezielle Membrangläser notwendig. Die Glaselektrode ist von guter Beständigkeit, pH-Messketten können mehrere Jahre halten und sind in den meisten Messmedien verwendbar. Moderne Bauformen sind derart robust, dass auch die häufig gefürchtete Zerbrechlichkeit von Glas für die meisten Anwendungsfälle kein Problem darstellt. 1 Wie entsteht das Potenzial an der Glaselektrode? Das pH-empfindliche Element ist die Glas-Membran, meist eine Kuppe am unteren Ende der pHMesskette. Die Membran besteht aus einem speziellen Silicatglas. An der Oberfläche einer messbereiten Glasmembran sind Wasserstoffionen gebunden. Abbildung 5: Potenzialbildung Die Oberfläche der Membran ist elektrisch negativ geladen. Wasserstoffionen tragen eine positive elektrische Ladung. Die gebundenen Wasserstoffionen und das Silicat gleichen ihre elektrischen Ladung gegenseitig aus. Während der Messung tauscht die Membran Wasserstoffionen mit der Messlösung aus, bis ein Gleichgewicht zwischen beiden Medien eingestellt ist. Die Anzahl der an der Membran gebundenen Wasserstoffionen hängt von der Aktivität der Wasserstoffionen in der Messlösung ab. Bei einem niedrigen pH-Wert ist die Aktivität der Wasserstoffionen sehr hoch und viele Wasserstoffionen bedeuten viele gebundene Ionen an der Membran. Das negative Potenzial des Silicates ist weitestgehend ausgeglichen. Bei einem hohen pH-Wert ist die Aktivität der Wasserstoffionen sehr gering. Wenig Wasserstoffionen bedeuten wenig gebundene Ionen an der Membran. Die Membran ist sehr negativ geladen. Hochohmigkeit Glas ist ein schlechter elektrischer Leiter, d. h. der Widerstand ist sehr hoch. Die elektrische Ladung auf dem Membranglas ist sehr gering. Für die Messung bedeutet dies, das sowohl das pHMeter bzw. der pH-Messumformer/-Regler und alle elektrischen Verbindungen einen sehr hohen Eingangs- bzw. Isolations-Widerstand (R 1012 ) aufweisen müssen. Jeder Kurzschluss (z. B. Feuchtigkeit, falsche Leitung) verursacht Messfehler und kann die Messkette schädigen. Der Abstand zwischen der Messkette und dem Messumformer sollte so gering wie möglich sein. Im einfachsten Fall genügt ein einfacher Zweidraht-Messumformer nahe der Messstelle. Sind größere Leitungsstrecken zwischen Messelektrode und Messverstärker nicht zu vermeiden kann ein Impedanzwandler zu Stabilisierung des Signals eingesetzt werden. Meist sind diese batteriebetrieben und senken den Innenwiderstand der pH-Elektrode soweit, dass die Übertragung des pH-Signals (pH-Spannungspotenzial) störungsfrei möglich ist. 16 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Membranglas und -formen Der pH-sensitive Teil der Einstabmesskette besteht aus speziellen Glasmischungen, deren Rezepturen das Know-How der Hersteller darstellen. Für verschiedene Anwendungsgebiete gibt es auch verschiedene Glassorten, leider gibt es weder Normen noch einheitliche Bezeichnungen. Da Membranglas egal welcher Sorte im Prinzip „durchsichtig“ ist färben die Hersteller die Gläser mit unbedenklichen Zusätzen zur besseren Unterscheidung ein. 1 Abbildung 6: Membranglasformen JUMO bietet z.B. folgende Glassorten: UW-Glas Niederohmige, universell einsetzbare Glasmischung für allgemein wässrige Medien (früher auch „U-Glas“) HA-/HT-Glas Hochalkali-/Hochtemperaturglas, für Anwendungen über pH 12 oder bei höheren Mediumstemperaturen (> 90 °C) C-Glas Fluoridbeständigeres Glas (Medien mit Flusssäureanteilen bis 1000 mg/l) TT-Glas Tieftemperatur-Glas für spezielle Messungen bei -30 ... +30 °C CM-Glas Membranglasmischung besonders geeignet für Einstichelektroden DS-Glas Glassorte für Elektroden, die (dampf-)sterilisiert werden müssen Untersuchungen haben ergeben, dass die meisten heute verwendeten Glassorten sehr gute Linearitäten aufweisen und es hier kaum Qualitätsunterschiede bei den Herstellern gibt. Der Innenwiderstand solcher Glasmembranen bzw. der Einstabmessketten liegt zwischen 20 und 1000 MOhm - je nach Glassorte und Membranglasform. Man kann sagen, dass hochohmigere Gläser auch chemisch/thermisch resistenter und deshalb oftmals bei Hochtemperaturelektroden zu finden sind. Die Hochohmigkeit kann dann aber auch Probleme bei der Messwertstabilität mit sich bringen, wenn Messverstärker oder Verkabelung gealtert sind. Standardelektroden für Trinkwasseranwendungen liegen meist im Bereich um bzw. unter 100 MOhm (bei 20 °C). Der Innenwiderstand aller pH-Elektroden steigt während der Lebensdauer ständig an. Extreme pH-Werte und Temperaturen können diesen Prozess beschleunigen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 17 2 Grundlagen 1 Abbildung 7: Membranformen Die optimale Form der Membran richtet sich nach der Anwendung. Für wässrige Lösungen eignen sich eine Zylinder- oder (Halb-)Kugelform. Diese Membranen sind robust und gut zu reinigen. Für Messungen im Einstich, z. B. in Obst und Fleisch, sind spitze Nadelmembranen besser geeignet. Für Messungen auf Oberflächen sorgt eine Flachmembran für den guten Kontakt mit dem Messgut, z. B. Haut oder Papier. Die Kegelmembran ist eine optimale Form für viele Anwendungen im Prozess. Sie ist robust und hat in fließenden Messlösungen eine gute Selbstreinigungswirkung. Je nach Bauform der Membran ergeben sich unterschiedliche Innenwiderstände der Elektrode. In der Regel sind kleine Membranformen auch sehr hochohmig und bedürfen einer besonders sorgfältigen elektrischen Anschaltung an Messverstärker. 18 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.2.4 Bezugselektrode Die Bezugselektrode ergänzt die pH-Elektroden zur Messkette. Ihre Bauform und ihr Zustand beeinflusst wesentlich die Zuverlässigkeit der Messwerte und den erforderlichen Wartungsaufwand. Am weitesten verbreitet ist die Silber/Silberchloridelektrode (Ag/AgCl). Diese Bezugselektrode hat sich für die meisten Anwendungen gut bewährt und durchgesetzt. Nicht oder nicht mehr so häufig sind z. B. Kalomel-, Kupfer/Kupferiodid- und Thalamid-Bezugselektroden. Wie funktioniert eine Silber/Silberchlorid-Bezugselektrode? 1 1 2 3 4 5 6 Abbildung 8: 1 3 5 Referenzelektrode Anschlusskopf Glas- oder Kunststoffkörper Elektrolyt JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 4 6 Einfüllöffnung Ableitsystem (Patrone) Diaphragma Messung des pH-Wertes 19 2 Grundlagen Ableitsystem oder Patrone Das Ableitsystem ist im einfachsten Fall ein mit Silberchlorid beschichteter Silberdraht. Er hat zwei Funktionen: er verbindet den Elektrolyten mit dem Anschlusskabel und er ist der stabile elektrische Bezugspunkt für die Spannungsmessung. Der Ableitdraht funktioniert wie eine ionenselektive Chloridelektrode. Sein Potenzial hängt von der Chloridkonzentration des Bezugselektrolyten ab. Als Elektrolyt dient eine konzentrierte Kaliumchlorid (KCl-)-Lösung (c (KCl) = 3mol/l). Da die ChloridKonzentration des Elektrolyten nahezu konstant bleibt, ist auch das Potenzial der Bezugselektrode stabil. Hochwertigere Industrie- und Prozess-Messketten enthalten anstelle des beschichteten Silberdrahtes eine mit Silberchlorid gefüllte Patrone (Abbildung 9). 1 Abbildung 9: Patronenableitsystem In der Patrone sättigt sich der Elektrolyt mit dem Silberchlorid. Der restliche Elektrolyt innerhalb der Referenzelektrode bleibt nahezu frei von Silberionen. Bei Referenzelektroden mit diesem Patronenableitsystem gibt es keine Probleme durch schwerlösliche Silberverbindungen, wie das bekannte „schwarze Diaphragma“, durch Silbersulfid. Bei geringer Leitfähigkeit erübrigt das System die früher übliche spezielle Kaliumchloridlösung (c (KCl) = 1 mol/l). Elektrolytfüllung der Bezugselektrode Die Füllung der Referenzelektrode ist je nach Messkettentyp und Anwendung entweder • eine flüssige Elektrolytlösung (Konsistenz „wie Wasser“) • eine hochviskoses KCl-Gel (Konsistenz „wie Honig“) oder • ein stark verfestigtes KCl-Polymerisat (feste Matrix) Der klassische Elektrolyt ist eine Kaliumchloridlösung c (KCl) = 3 mol/l. Im Labor liefern Messketten mit einer flüssigen Elektrolytlösung in der Regel die besten Ergebnisse. Diese Elektrolytform stellt den sichersten Kontakt zur Messlösung her. Anwendung auch bei Schliffelektroden. Für die kontinuierliche Messung reiner Wässer wie Trink-, Schwimmbecken- oder Grundwasser, ist die Standzeit einer flüssigen Kaliumchlorid-Lösung zu gering. Der Elektrolytverlust führt selbst bei einem Keramik-Diaphragma zu unangenehm kurzen Wartungsintervallen von nur wenigen Wochen. Auch können solche Elektroden nur mit bestimmten Druckarmaturen unter Mediumsdruck betrieben werden. In diesem Fall hat es sich bewährt, die Elektrolytlösung etwas einzudicken und mit einer Salzvorlage zu versehen (hochviskose Lösung). Die Referenzelektrode ist praktisch „randvoll“ mit Kaliumchlorid gefüllt. Dieser Vorrat ist spätestens bei der Inbetriebnahme der Messkette in kristalliner Form (Salzringe oder Salzschüttung) innerhalb der Referenzelektrode sichtbar. Dieser Vorrat ist eine der Grundlagen für das außergewöhnlich stabile Messverhalten und lange Standzeit dieser Messketten. 20 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Das Festelektrolyt-Gel besitzt eine feste Matrix. Es zeichnet sich durch seine hohe Druckbeständigkeit aus, womit diese Messketten die einzig praktikable Lösung für die Messung in Druckleitung und -behältern sind. Insbesondere bei wechselnden Drücken und Temperaturen in einer Applikation verhindert das feste Gel ein Eindringen von Messmedium durch Pumpeffekte. 1 Abbildung 10: Salzringe als zusätzliches Salzdepot erhöhen die Standzeit der pH-Einstabmessketten Diaphragma Die elektrische Verbindung zur Messlösung kann z. B. ein für den Elektrolyten durchlässiges Diaphragma herstellen. Elektrolytionen gelangen über das Diaphragma in die Messlösung und sorgen damit für den Ladungstransport. Je durchlässiger ein Diaphragma ist, desto zuverlässiger funktioniert der Ladungstransport und um so stabiler ist das Potenzial der Bezugselektrode. Der erhöhte Elektrolytverbrauch vermindert allerdings auch die Standzeit des Elektrolyten. Je durchlässiger ein Diaphragma ist, um so eher können auch Chemikalien und Stoffe in die Bezugselektrode selbst eindringen und dort chemische Reaktionen auslösen. Dies kann zum Ausfall der Elektrode führen. Die richtige Auswahl des Diaphragmas für die jeweilige Applikation ist deshalb sehr wichtig, um die Standzeit des Sensors zu maximieren. Wie die Membran ist auch das optimale Diaphragma von der jeweiligen Anwendung abhängig. Hersteller von pH-Elektroden bieten deshalb meist eine größere Auswahl an verschiedenen Diaphragmen an. Rein elektrisch gesehen stellt das Diaphragma einen nicht gewollten ohmschen Widerstand dar, der entsprechend die Messeigenschaften von realen pH- oder Redox-Elektroden verschlechtert. Abbildung 11: pH-Messkette Keramik- oder Zirkon-Dioxid-Diaphragma JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 21 2 Grundlagen 1 Abbildung 12: Glasfaser-Diaphragma Abbildung 13: Ringförmiges PTFE-(Teflon©-)Diaphragma Abbildung 14: Loch-/Ringspalt-Diaphragma (Abb. Ringspalt) Standard bei hochwertigen Industrie-Elektroden für allgemein wässrige Medien ist heute ein punktförmiges Diaphragma aus Zirkondioxid (Abbildung 11). Dieses hat optimale Diffusionseigenschaften, d. h., der Salzaustausch zwischen Messlösung und Elektrolyt ist sehr linear und gleichmäßig; insbesondere bei Gel-Elektroden oder Elektroden mit hochviskoser KCl-Lösung ist dies von Bedeutung. Bei preiswerten Elektroden kommt oftmals eine einfachere Keramikqualität zum Einsatz. Je nach Anwendung können bis zu drei Diaphragmen eingeschmolzen werden. Die Erhöhung der Anzahl der Diaphragmen erlaubt den Einsatz der Elektroden auch bei niedrigen Leitwerten, z. B. im Reinwasserbereich bis ca. 50 µS/cm. Ausserdem weisen Elektroden mit mehreren Punktdiaphragmen eine geringere Anströmempfindlichkeit auf. 22 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Für Messungen in Reinstwasser (elektrolytische Leitfähigkeit < 10 µS/cm) empfehlen sich ausschließlich Elektroden mit Schliff-Diaphragma. Auf der Kapillarwirkung beruht das Funktionsprinzip des Glasfaser-Diaphragmas (Abbildung 12). Ein Bündel aus Glasfasern wird in eine Gummisicke eingesteckt. Diese werden häufig in Trink- und Schwimmbadwasser eingesetzt (z. B. JUMO ecoLine-Serie mit Kunststoffschaft). Das PTFE-Ring-Diaphragma (Teflon©) (Abbildung 13) kommt in Elektroden zum Einsatz, die in sehr stark verschmutzten Medien eingesetzt werden. Durch die „selbstreinigende“ Wirkung des Teflonmaterials und die große ringförmige Fläche eignet sich die Elektrode insbesondere auch bei fett- und ölhaltigen Medien. Klassischer Einsatz zum Beispiel in Kläranlagenzuläufen. Das Loch-/Ringspalt-Diaphragma (Abbildung 14) ist eigentlich kein Diaphragma, sondern ein offener Übergang zwischen Festelektrolyt und Messmedium. Dieser Übergang kann punktförmig (Loch) oder ringförmig (Ringspalt) sein. Eine Verblockung des „Diaphragmas“ (Loch oder Ringspalt) kann hier so gut wie ausgeschlossen werden, da der verwendete JUMO-Festelektrolyt im Medium etwas aufquillt und dadurch ein Selbstreinigungseffekt erreicht wird. Einsatz meist in stark verschmutzten Medien, Pasten, Farben, pigmentierten Medien. Nachteil ist bei herkömmlicher Herstellung ein starkes Aussalzen, da dem physikalischen Effekt der Osmose kein Hindernis im Weg steht: die Elektrolytlösung mit der höhermolaren Salzlösung neigt dazu, Salz an das meist salzärmere Messmedium abzugeben und damit einen Ausgleich des osmotischen Druckunterschiedes herzustellen. Abbildung 15: Schliff-Diaphragma Das Schliff-Diaphragma ist ein klassisches Diaphragma aus dem Laborbereich, findet sich aber auch in besonderen Anwendungen der pH- oder Redox-Online-Messtechnik wieder. Ist die elektrolytische Leitfähigkeit des Messmediums sehr gering, z. B. in Reinstwasseranwendungen, wird eine pH-Elektrode mit flüssigem KCl-Elektrolyten eingesetzt. Diese wird über einen Schlauch aus einem separaten KCl-Gefäß ständig mit Elektrolyt versorgt. Das flüssige KCl diffundiert zwischen der Schliffhülse und dem Elektrodenschaft in möglichst definierter Menge durch. Eine weitere Diaphragma-Bauform ist z. B. das Platin-Diaphragma (ein Bündel von feinen Platindrähten wird zu einem Zopf gewickelt und in den Glasschaft der Bezugselektrode eingeschmolzen). JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 23 1 2 Grundlagen Auch Diaphragmen aus Holz und anderen Materialien sind hergestellt worden. Alle diese Ausführungen sollten für bestimmte Anwendungen ein Optimum an Funktionssicherheit bieten. Erfolgreich durchgesetzt haben sich aber nur die in Abbildung 11 bis Abbildung 14 dargestellten Versionen. 1 24 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik Die Grundlage der pH-Messtechnik bildet bis heute die Glaselektrode. Sie ist die Methode der nationalen und internationalen Normen und Referenzverfahren. Alle weiteren Methoden dienen dazu, Anwendungen abzudecken, in denen die Messung mit einer Glaselektrode nicht möglich bzw. nachteilig ist (z. B. kurze Standzeit oder hoher Wartungsaufwand). Die pH-Messung erfolgt je nach Anwendung im Labor mit einem Handgerät vor Ort oder in einer kontinuierlichen Messung im Prozess. Für alle Anwendungen, bei denen ein vollständiges Bild über das pH-Verhalten des Wassers notwendig ist, gibt es keine Alternative zur Online-Messung, dies trifft selbstverständlich besonders auf Regeleinrichtungen zu. Zur Kontrolle der Prozessmesseinrichtung kann ein Handmessgerät eine wertvolle Unterstützung sein. Bei richtiger Dokumentation geben die Vergleichsmesswerte jederzeit Auskunft über den Zustand des Prozessmesssystems. Kalibrier- und Wartungszeitpunkte lassen sich durch Vergleichsmessungen exakt festlegen. 3.1 Aufbau einer Prozessmesseinrichtung Der Begriff Messeinrichtung umfasst die komplette, zur pH-Messung verwendete Geräteausstattung, bestehend aus: • pH-Geber: pH- und Bezugselektrode oder pH-Einstabmesskette • Eintauch- oder Durchflussarmatur • abgeschirmtes Messkabel • Messumformer/Regler (mV-Meter) 3.1.1 Messkette Abbildung 16: pH-Einstabmessketten Die pH-Einstabmesskette besteht aus einer pH-Glaselektrode, umgeben von der Bezugselektrode. Der Schaft kann aus Glas oder auch aus Kunststoff bestehen. Für die Anwendung wichtige Bauelemente sind die Füllung der Bezugselektrode, der Elektrolyt, weiterhin eine Öffnung am unteren Ende der Bezugselektrode, das Diaphragma, und eine Glaskuppe am unterem Ende der Messkette, die Glasmembran. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 25 1 3 Messtechnik Elektrolyt und Diaphragma Der Elektrolyt und das Diaphragma müssen je nach Anwendung aufeinander abgestimmt sein. Für stark verschmutzende Flüssigkeiten, wie Abwasser, Suspensionen oder Emulsionen, sind verschmutzungsunempfindliche Diaphragmen erforderlich, z. B. Ringspalt oder Schliff. Ein verfestigter Elektrolyt, Gel- oder Polymerisat mindert den Elektrolytausfluss und somit den Wartungsaufwand. Für optisch relativ reine Wässer, wie Schwimmbecken- und Trinkwasser, sind Elektrolytlösungen (evtl. etwas eingedickt) besser geeignet. Aufgrund der geringeren Viskosität sind hier feinporigere Diaphragmen, z. B. Keramik- oder Glasfaserdiaphragmen, notwendig. Für viele Anwendungen darf der Elektrolyt keine oder möglichst wenig Silberionen enthalten. Sulfidhaltige Lösungen, aber auch salzarme Wässer, bilden schwerlösliche Silberverbindungen im Diaphragma, dies kann zu einer Störung der pH-Messung führen. 1 Membranformen Die Membran kann je nach Anwendungszweck unterschiedlich ausgeführt sein. Besonders robust für den betrieblichen Einsatz sind Kugel- und Kuppenmembranen. Diese Messketten sind wenig abriebempfindlich und leicht zu reinigen. Integrierter Temperatursensor Der Temperaturwert ist eine grundlegende Information für die Temperatur-Kompensationsfunktion des Messumformers, außerdem soll er häufig als zusätzliche Information zum pH-Wert dokumentiert werden. Besonders günstig sind daher Messketten, in denen ein Temperatursensor bereits integriert ist. Für beide Sensoren ist nur eine Einbaustelle und ein Anschlusskabel erforderlich. Ein Problem war bisher allerdings, dass jeder Hersteller sein eigenes Anschlusssystem entwickelte, was zu einer Inkompatibilität der Messeinrichtungen verschiedener Hersteller führte. Aufgrund der berechtigten Forderungen von der Seite der Anwender prüfte ein Expertenkreis des NAMUR (Normierungsarbeitsgemeinschaft für Mess- und Regelungstechnik in der chemischen Industrie) die unterschiedlichen Anschlusssysteme nach genau definierten Kriterien. SMEK-Anschlusskopf Abbildung 17: SMEK-Anschlusskopf (links) und VP-Anschlusskopf (rechts) Das Ergebnis war eine klare Empfehlung für den von JUMO favorisierten SMEK-Anschluss. Auf Wunsch sind aber auch Messketten mit den sehr robusten VP (Variopol/Variopin)-Anschlussköpfen erhältlich. Da es sich bei pH-Messketten um Verschleißteile handelt, sollte gut überlegt sein, ob Versionen mit integrierten Temperaturfühlern verwendet werden sollten: bei jedem Messkettenwechsel wird der Temperaturfühler mit entsorgt und muss wieder neu mitbezahlt werden. 26 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.1.2 Abgeschirmte Messleitung 1 2 3 4 5 1 Abbildung 18: Abgeschirmte Messleitung 1 3 5 Innenseele Halbleitende Schicht Äußere Isolierung 2 4 Innere Isolierung Kupfergeflecht Um eine einwandfreie Übertragung des Messsignals zu erhalten, werden in der pH-Messtechnik nur spezielle Koaxialleitungen verwendet. Sie stellen die elektrische Verbindung zwischen dem Sensor und dem Messumformer her. Die pH-Leitungen weisen einen speziellen Aufbau auf. Zusätzlich zu einer Kupferschirmung ist eine halbleitende Schicht vorhanden. Ungeeignet sind handelsübliche Antennen- oder Computerkabel. Die Kabel dürfen aufgrund der Hochohmigkeit der pH-Messkette nicht über Klemmen geführt werden. Außerdem ist die Kabelleitungslänge möglichst kurz zu halten – alleine schon wegen der Notwendigkeit der Messkettenkalibrierung. Bei Kabelleitungslängen über 15 m wird z. B. ein auf die Elektrode aufschraubbarer Impedanzwandler (JUMO-Typenblatt 202995) empfohlen. Er reduziert den hohen Innenwiderstand der Messkette und erlaubt die fehlerfreie und signalstabilisierte Messwertübertragung an einen nachgeschalteten Messumformer. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 27 3 Messtechnik 3.1.3 Messumformer/Regler Der Messumformer hat u. a. die Aufgabe, das hochohmige Spannungsssignal der pH-Messkette auf die pH-Skale umzurechnen und diese Werte als Anzeige- und/oder Normsignal wieder zur Verfügung zu stellen. Der Messumformer enthält in der Regel eine Kalibrierroutine zur Messkettenjustierung mit Pufferlösungen. Häufig sind die Messumformer auch gleichzeitig als Regler ausgeführt, die z. B. die Dosierung von Säuren und Laugen zur pH-Wert-Korrektur durchführen können. Außerdem berücksichtigen die Messumformer die Mediumstemperatur, entweder durch manuelle Eingabemöglichkeiten oder durch einen eigenen Messeingang für den Temperatursensor. 1 Abbildung 19: pH-Messumformer/Regler JUMO dTRANS pH 02; Einbaugehäuse (links) und Aufbaugehäuse (rechts) Abbildung 20: JUMO AQUIS 500 pH - Messumformer/Regler für pH-Wert, Redox-Spannung, NH3-(Ammoniak-)Konzentration und Temperatur; Aufbaugehäuse (rechts) 28 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 1 Abbildung 21: pH-Messumformer JUMO ecoTRANS pH 03 für die Hutschienenmontage JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 29 3 Messtechnik 3.2 1 Armaturen Elektrochemische Sensoren sind empfindliche Messgeräte. Um diese zum einen optimal in den Prozess einbinden zu können und zum anderen vor mechanischer Beschädigung zu schützen, ist der Einsatz von entsprechenden Armaturen notwendig. Durch optionale Zubehörteile wird zudem verhindert, dass die Sensoren bei abgelassenem Tank „trocken stehen“ und der Sensor zerstört wird. Andererseits sollte eine möglichst „trockene“ Entnahme des Sensors zur Prüfung, Reinigung und Kalibrierung möglich sein. Deshalb sind in der Förderleitung Absperrventile und eine passende Rohrleitungsführung vorzusehen. Bei Leitungen mit höherem Druck müssen die Sensoren vor Druckschlägen (Pumpenlauf oder Ventilabschaltungen) geschützt werden. Elektrochemische Sensoren sind optimaler Weise drucklos in einem Bypass zu montieren. Armaturen für einen Sensor sind zum Einsatz von pH- und Redox-Einstabmessketten geeignet. Es lassen sich typischerweise drei Arten von Armaturen unterscheiden: • Eintaucharmaturen • Durchflussarmaturen und • Wechselarmaturen 3.2.1 Eintaucharmaturen Eintauch-Armaturen ermöglichen nicht nur eine Messung an der Oberfläche der Flüssigkeit, sondern auch in der Tiefe. Diverse Befestigungselemente und Zubehörteile ermöglichen die Montage an fast allen Behältern. Gebräuchlicherweise werden die Eintaucharmaturen aus Polypropylen (PP) gefertigt und in Eintauchlängen bis 2000 mm geliefert. Es stehen für besondere Zwecke aber auch andere Materialien (z. B. Edelstahl 1.4404) zur Verfügung. Enthält das Prozessmedium verschmutzende und verblockende Inhaltsstoffe, die die Sensorspitze und das Diaphragma des Sensors verblocken, so ist von Zeit zu Zeit eine Sensorreinigung erforderlich. Um diese Reinigung automatisiert durchzuführen, können Eintaucharmaturen mit einer Sprühreinigung ausgestattet werden (Abbildung 22). Dazu wird über eine Zuleitung das gewünschte Reinigungsmittel (z. B. Wasser, verdünnte Salzsäure) oder Luft druckbeaufschlagt über eine Reinigungsdüse an die Sensorspitze geführt. Die Reinigung findet direkt im Prozess statt. Die Reinigungsflüssigkeit wird folglich in den Prozess eingeblasen. Er ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Prozess durch das Reinigungsmittel verunreinigt wird. Diese Art der Reinigung ist in Wasser- und Abwasseranwendungen eher unbedenklich, verhindert jedoch den Einsatz in hygienischen Anwendungen. Zudem ist die Reinigungswirkung per se begrenzt. Abbildung 22: Eintaucharmatur Typ 202821 mit integrierten Sprühreinigungsdüsen 30 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik Wird der Behälter oder Tank diskontinuierlich betrieben, so muss sichergestellt werden, dass die Sonde nach dem Entleeren nicht trocken steht. Zu diesem Zweck können Eintaucharmaturen mit einer sogenannten Nasshalteschale ausgerüstet werden. Diese wird am unteren Ende der Armatur (Abbildung 23) mittig befestigt und funktioniert nach dem Prinzip einer Schaukel. Die Schale besitzt an einer Seite einen Schwimmkörper. Ist der Behälter mit Flüssigkeit gefüllt, bewirkt der Auftrieb des Schwimmers, dass die Nasshalteschale sich vom Sensor wegdreht (Abbildung 23, links). Beim Entleeren des Behälters hingegen schwingt die Nasshalteschale zurück und stülpt sich über die Sensorspitze. Die verbliebene Restflüssigkeit in der Schale verhindert in diesem Fall das Austrocknen des Sensors (Abbildung 23, rechts). 1 Abbildung 23: Einsatz einer Nasshalteschale bei gefülltem Behälter (links) und bei entleertem Behälter (rechts) JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 31 3 Messtechnik 3.2.2 Durchflussarmaturen Durchflussarmaturen ermöglichen die Messung direkt in Rohrleitungen oder im Bypass dieser Leitungen. Sie schützen die eingebauten Sensoren vor Bruch und sorgen durch Ihre spezielle Bauform für eine korrekte Anströmung des Sensors zur Vermeidung von Messfehlern. Sie sind für den Einbau von drei Messsensoren (Abbildung 24, links) oder einem Messsensor (Abbildung 24, rechts) erhältlich. Durch sofortiges Reagieren des Sensors auf Messwertänderungen im Medium werden die Totzeiten in der Regelstrecke gering gehalten. Bei Armaturen ohne eigenem Durchflussgefäß muss bauseits sichergestellt werden, dass der Sensor nicht „trocken steht“ (Einbaubeispiel siehe Abbildung 25). 1 Abbildung 24: Durchflussarmatur Typ 202810/03 mit durchsichtigem Schauglas für den Einsatz von bis zu drei Sensoren (links) Ein syphonartiger Aufbau stellt sicher, dass die Sensoren auch bei Unterbrechung des Durchflusses nicht trocken stehen (links) und Schrägsitzarmatur Typ 202810/01 für einen Sensor (rechts) Abbildung 25: Einbaubeispiel Schrägsitzarmatur Typ 202810/01 32 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.2.3 Wechselarmaturen Für Anwendungen, die keine Unterbrechung des Mediumflusses erlauben, ist der Einsatz von Wechselarmaturen sinnvoll. Diese fungieren als „Schleuse“ und ermöglichen das Herausnehmen der Sensoren aus dem Medium zwecks Reinigung, Kalibrierung oder Sensorwechsel unter Prozessbedingungen, ohne durch Absperrventile den Mediumfluss zu unterbrechen. Auch ist ein seitlicher Einbau in einen Behälter möglich, welcher dann eine Sensorentnahme ohne vorherige Behälterentleerung erlaubt. Wechselarmaturen können manuell oder pneumatisch betrieben werden. Zur optimalen Anbindung an den Prozess stehen dem Anwender unterschiedliche Materialien und Anschlussvarianten zur Verfügung. Einige Varianten bieten zudem eine mechanische Sicherungseinrichtung, die das Einfahren des Tauchrohres der Armatur in den Prozess verhindert, sobald kein Sensor eingebaut ist. Dies schützt den Bediener vor unbeabsichtigtem Kontakt mit dem Messmedium. 1 2 3 4 Abbildung 26: JUMO Manuelle Wechselarmatur Typ 202822 (links) und JUMO pneumatische Wechselarmatur Typ 202823 mit integrierter Spülkammer und Einfahrsperre bei eingebautem Sensor (rechts) 1 3 Antriebseinheit mit Anschlüssen Spülanschluss „OUT“ 2 4 Spülanschlüsse „IN“ Tauchrohr (in Position „Messen“) Im Gegensatz zur manuellen Wechselarmatur (Abbildung 26, links) lässt sich mit einer pneumatisch betriebenen Wechselarmatur (Abbildung 26, rechts) mit integrierter Spülkammer die Reinigung des Sensors automatisieren. Zum Einsatz kommt diese Art von Armatur bei anspruchsvollen Prozessen, bei denen der Sensor besonderen Belastungen ausgesetzt ist und innerhalb kürzester Zeit verschmutzt (z. B. Messung in der Rauchgaswäsche, wo Feststoffpartikel am Sensor anbacken). Der Sensor ist (wie auch bei der manuellen Version) in einem beweglichen Tauchrohr (4) fixiert. Um ihn in den Prozess zu fahren, wird über Pneumatikanschlüsse der Antriebseinheit (1) der Armatur JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 33 1 3 Messtechnik 1 Druckluft zugeführt. Der pneumatische Antrieb fährt das Tauchrohr zusammen mit dem Sensor in das Prozessmedium. Ist eine Reinigung des Sensors erforderlich, wird der Sensor aus dem Prozess in die Position „Service“ hinein in die Spülkammer der Armatur gefahren. Das Tauchrohr verschließt die Kammer zum Prozess hin. Diese wird durch Dichtungen geschützt, damit keine Prozessflüssigkeit eintreten kann. Beim Erreichen der „Service“ Position befindet sich die Sensorspitze nun in der Spülkammer der Wechselarmatur. Dieser kann durch einen externern Spülanschluss [„IN“ (2)] eine Reinigungsflüssigkeit druckbeaufschlagt zugeführt werden. Im Inneren der Spülkammer richten Düsen die Reinigungslösung gezielt auf den Sensor und erlauben eine optimierte Reinigung des Sensors von Belägen und Verschmutzungen. Nach erfolgter Reinigung wird der Sensor durch die Antriebseinheit wieder in die Position „Messen“ gefahren. Abbildung 27 zeigt die schematische Darstellung einer vollautomatischen Reinigung mit der pneumatischen Wechselarmatur Typ 202823, einer optionalen Steuereinheit für die automatische Steuerung und Überwachung der Wechselarmatur und Reinigungsventile sowie den Messumformer JUMO AQUIS 500 pH mit Waschkontakt zum Starten der Steuereinheit. Die Steuereinheit enthält eine vorkonfigurierte Reinigungssequenz mit Vor- und Nachreinigungsfunktion, die sich in der Praxis bewährt hat. Die Reinigungszeiten für bis zu zwei Reinigungslösungen, Messintervalle und Startzeiten können an die jeweilige Anforderung angepasst werden. Abbildung 27: Schematische Darstellung einer vollautomatischen Reinigung mit Messumformer JUMO AQUIS 500 pH, Steuerung, Wechselarmatur Typ 202823, Steuereinheit und Reinigungsventilen 34 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.3 Inbetriebnahme der Messeinrichtung 3.3.1 Messort Nach der Wahl einer optimalen Messeinrichtung muss diese in Betrieb genommen werden. Die Inbetriebnahme umfasst nicht nur die Montage der Messeinrichtung, sondern auch die Wahl des richtigen Messortes. Die Messeinrichtung zeigt jeweils den pH-Wert an, der am Ort der Messung herrscht. Vorgaben für die Wahl des Messortes geben z. B. anwendungsorientierte Normen und Verordnungen, wie die DIN 19643 zur Messung des Schwimmbeckenwassers oder das Merkblatt M 256 der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV). 3.3.2 Messbedingungen 1 Die einwandfreie Messung setzt Kenntnisse einiger wichtiger Einflussgrößen der pH-Messung voraus. Temperatur Die Messkettenspannung hängt von deren Temperatur ab. Während die Messkette bei 10 °C für einen pH = 8 etwa -56 mV abgibt, so sind es für den gleichen Wert bei 25 °C schon -59 mV. Der Mess-umformer muss die Temperatur der Messkette kennen, um den richtigen pH-Wert berechnen zu können. Bei relativ konstanter Temperatur genügt es, den Temperaturwert am Messumformer per Hand einzustellen (z. B. in Bädern). Bei veränderlichen Temperaturverhältnissen ist ein Messumformer mit Temperatursensor zu empfehlen. Das Gerät stellt automatisch den Wert für die Messkettensteilheit für den aktuellen Temperaturwert ein. Abweichung von der eingestellten Temperatur pH-Wert 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 -20 -0,34 -0,27 -0,20 -0,14 -0,07 0,00 +0,07 +0,14 +0,20 +0,27 +0,34 -15 -0,25 -0,20 -0,15 -0,10 -0,05 0,00 +0,05 +0,10 +0,15 +0,20 +0,25 -10 -0,17 -0,14 -0,10 -0,07 -0,03 0,00 +0,03 +0,07 +0,10 +0,14 +0,17 -5 -0,08 -0,07 -0,05 -0,03 -0,02 0,00 +0,02 +,03 +0,05 +0,07 +0,08 -1 -0,02 -0,01 -0,01 -0,01 0,00 0,00 0,00 +0,01 +0,01 +0,01 +0,02 0 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 1 +0,02 +0,01 +0,01 +0,01 0,00 0,00 0,00 -0,01 -0,01 -0,01 -0,02 5 +0,08 +0,07 +0,05 +0,03 +0,02 0,00 -0,02 -0,03 -0,05 -0,07 -0,08 10 +0,17 +0,14 +0,10 +0,07 +0,03 0,00 -0,03 -0,07 -0,10 -0,14 -0,17 15 +0,25 +0,20 +0,15 +0,10 +0,05 0,00 -0,05 -0,10 -0,15 -0,20 -0,25 20 +0,34 +0,27 +0,20 +0,14 +0,07 0,00 -0,07 -0,14 -0,20 -0,27 -0,34 Die vorher erwähnte Temperaturkompensation berücksichtigt nur die temperaturbedingte Änderung der Nernst-Spannung! Eine evtl. temperaturabhängige Verschiebung des chemischen Gleichgewichtes, kann die Temperaturkompensation nicht ausgleichen! [1] W. Oelßner, J. Zosel, F. Berthold, H. Kaden, Investigation of the dynamic response behaviour of ISFET pH sensors by means of laser Doppler velocimetry (LDV), Sensors and Actuators, B, Chem 26-27 (1995) pp. 345-348. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 35 3 Messtechnik 1 Druck Der Druck wirkt zum einen auf das Referenzsystem der Bezugselektrode und zum anderen auf den pH-Wert. Der Einfluss auf das Referenzsystem lässt sich durch Wahl einer entsprechend druckfesten Messkette leicht berücksichtigen. Unter druckfesten oder auch wartungsarmen Elektroden versteht man solche mit einem verfestigten Bezugselektrolyten. Dieser hat den Vorteil, dass kein Messmedium über das Diaphragma in den Bezugselektrodenraum eindringen kann, da der „feste“ Bezugselektrolyt eindringendem Messmedium einen mechanischen Widerstand entgegensetzt. Alternativ kann bei Messungen unter Druck natürlich auch eine Elektrode mit flüssigem Bezugselektrolyt verwendet werden, welcher seinerseits mit einem etwas höheren Druck als das Messmedium beaufschlagt wird. Auf diese Weise ist stets sichergestellt, dass immer Bezugselektrolyt aus dem Diaphragma austritt. Selbstverständlich muss der Verlust der Bezugselektrodenflüssigkeit im Vorratsgefäß regelmäßig ausgeglichen werden. Diesen Wartungsaufwand vermeidet man nach Möglichkeit durch den Einsatz der bereits erwähnten wartungsarmen Elektroden. Neben den Auswirkungen auf die pH-Elektrode kann der Druck auch physikalische Vorgänge im Messmedium hervorrufen, die sich durch pH-Schwankungen bemerkbar machen: In Wässern, die pH-aktive Gase, wie Ammoniak, Kohlendioxid oder Schwefelwasserstoff enthalten, ändert der Druck den pH-Wert. In basischen Lösungen nimmt der pH-Wert bei zunehmendem Druck zu (z. B. NH3 in Wasser) und in sauren nimmt er ab (z. B. SO2 in Wasser). Erfolgt eine Vergleichsmessung unter normalen Druckbedingungen, so ist das Messergebnis entsprechend höher bzw. tiefer. Häufig erhöht bei niedrigerem Druck ein Ausgasen des gelösten Gases diesen Effekt. Anströmung Fast immer finden kontinuierliche Messungen im fließenden Wasser statt. Jede Messkette reagiert mehr oder weniger stark auf die Wasserbewegung. Während neue Messketten noch relativ unempfindlich gegenüber Änderungen der Anströmung reagieren, so kann der Effekt bei verbrauchten Messketten erhebliche Messwertabweichungen verursachen. Eine regelmäßige Kontrolle der Anströmempfindlichkeit gibt Auskunft über den Zustand der Messkette. Bei einer zu großen Anströmempfindlichkeit ist der Austausch der Messkette notwendig. 3.3.3 Installation Hinweise auf den einwandfreien Betrieb der Messeinrichtung liefert bereits eine systematische Installation einzelner Bauteile. Zunächst erfolgt die Installation des Messumformers. Die Prüfung mit einem Spannungsgeber (pHSimulator) weist den einwandfreien Betrieb nach. Als nächster Schritt erfolgt der Anschluss des pH-Gebers (Sensor mit Armatur). Als Nachweis für den einwandfreien Zustand kann eine Vergleichsmessung des Wassers in einem Eimer (oder sonstigen, nicht geerdeten Gefäßen) und der vorgesehenen Messstelle bringen. Beide Werte sollten unter Berücksichtigung der zeitlichen Veränderungen (Abbauprozesse) übereinstimmen. Bei beiden Messungen müssen die Membran und das Diaphragma vollständig in das Wasser eintauchen. Zeigt dieser Test, dass keine Störung vorliegt, beginnt der Anschluss der peripheren Geräte (Schreiber, Dosierung, Regler usw.). Nach Anschluss eines jeden Gerätes ist zu prüfen, ob sich der vom Messumformer angezeigte Wert signifikant ändert. 36 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.3.4 Kalibrieren Nach der Installation muss der Messumformer auf die Messkette justiert werden. Hierfür stehen drei Verfahren zur Verfügung, das Einpunkt-, Zweipunkt- und Dreipunktkalibrierverfahren. Einpunktkalibrierung Die Einpunktkalibrierung ist das optimale Verfahren für Anwendungen, bei denen eine Vergleichsmessung mit einem Handgerät einfach möglich ist. Für dieses Verfahren wird der pH-Wert des Messmediums möglichst nahe der Messstelle des Messumformers mit einer kalibrierten Handmesseinrichtung gemessen. Der vom Messumformer angezeigte Wert wird einfach durch Justieren des Kettennullpunktes auf den Wert der Handmesseinrichtung eingestellt. Dabei geht man üblicherweise von einer Steilheit aus, die Nernst-Verhalten (vergleiche Kapitel 3.3.2 „Messbedingungen“) zeigt, also Steilheit gleich 100 %. Zweipunktkalibrierung Die Zweipunktkalibrierung ist das gängige Kalibrierverfahren für die pH-Messung. Zum Kalibrieren dienen zwei Pufferlösungen, z. B. mit den pH-Werten pH = 7 und pH = 4. Basische Lösungen bringen aufgrund ihrer Instabilität keine Vorteile. Obwohl Mikroprozessorgeräte eine beliebige Reihenfolge der Pufferlösungen zulassen, ist es sinnvoll, mit der neutralen Lösung pH = 7 zu beginnen. Dreipunktkalibrierung Soll die Kalibrierung einen besonders großen Messbereich abdecken, so erweitert ein dritter Punkt den kalibrierten Messbereich. Dieser Wunsch kann z. B. bestehen, wenn der Messbereich von pH = 4 bis pH = 9 mit erhöhter Anforderung an die Genauigkeit reichen soll. 3.3.5 Pufferlösungen pH-Pufferlösungen dienen als Kalibriermittel für die pH-Messeinrichtungen. Es handelt sich um wässrige Lösungen mit bekannten pH-Werten. Nach ihren Eigenschaften sind Pufferlösungen in primäre Referenz-Pufferlösungen, sekundäre Referenzpufferlösungen und Technische Pufferlösungen unterschieden. Primäre Referenzpufferlösungen weisen die geringste Unsicherheit der pH-Werte (U(pH) = 0,003) auf. Sie kommen vorwiegend in den metrologischen Instituten zum Einsatz und sind im Handel nicht erhältlich. Sekundäre Referenzpufferlösungen haben die gleiche Zusammensetzung wie primäre Lösungen. Die Unsicherheit der pH-Werte liegt bei U(pH) = 0,006. Diese Lösungen benötigen Hersteller von Technischen- und Arbeits-Referenzpufferlösungen, sowie Kontroll- und Qualitätssicherungs-Laboratorien. Technische Pufferlösungen sind Lösungen für die Praxis, ihre Unsicherheit liegt im Bereich von U(pH) = 0,01 bis U(pH) = 0,05. Technische Pufferlösungen sind die robusten Lösungen. Sie sind relativ unempfindlich gegenüber Verschmutzungen und Verdünnungen und daher für die Kalibrierung von Betriebs- und Handmesseinrichtungen bestens geeignet. pH-Pufferlösungen gibt es für nahezu den gesamten Bereich der pH-Skale. Für die Routine reichen zwei Lösungen mit pH-Werten von ca. pH = 7 und pH = 4 für einen pH-Bereich von pH = 2 bis pH = 10. Basische Pufferlösungen sind häufig sehr instabil, und viele pH-Messketten reagieren in ihnen sehr träge. In den basischen Lösungen sind Minder-Steilheiten daher eher die Regel. Praktikable Kalibrierungen mit basischen Pufferlösungen sind lediglich unter Luftabschluss der Lösungen und relativ großen Einstellzeiten zu erreichen. Dieser Aufwand lohnt sich nur für Messungen im Labor. Durch den Luftabschluss wird eine pH-Wert-Veränderung der Pufferlösung durch die Aufnahme von atmosphärischem Kohlendioxid vermieden. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 37 1 3 Messtechnik Häufig ist von der Rückführbarkeit der Pufferlösungen die Rede. Die Rückführbarkeit bezieht sich auf den pH-Wert der pH-Pufferlösung. Es bedeutet, dass der pH-Wert direkt oder über Zwischenlösungen (z. B. sekundäre Referenzpufferlösung) gegen eine primäre Referenzpufferlösung von Hersteller geprüft wurde. Beispiel Technische Pufferlösung oder r sekundäre Referenzpufferlösung Technische Pufferlösung r primäre Referenzpufferlösung r primäre Referenzpufferlösung Die Rückführung der pH-Werte ist eine Grundlage für die Berechnung der Unsicherheit. 1 Hinweis Beim Kalibrieren muss bedacht werden, dass sich der pH-Wert der Pufferlösung mit der Temperatur ändert. 38 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.4 Weitere Methoden zur pH-Messung 3.4.1 Elektrochemische Methoden Antimon- und Wismutelektrode Glaselektroden sind sehr vielseitig einsetzbar. Spezielle Glassorten erweitern den Anwendungsbereich bis in den stark alkalischen Bereich oder auf flusssäurehaltige Lösungen. Dennoch sind dieser Messtechnik Grenzen gesetzt. Bei zu niedrigen pH-Werten greift Flusssäure auch das beste Glas an und auch eine robuste Glaselektrode erreicht nicht die Beständigkeit eines Metalls. Die Antimonelektrode kann diese Bereiche extremer Anwendungsbedingungen abdecken. Es handelt sich bei dieser Elektrode einfach um einen Stab aus Antimonmetall. Die Potenzialbildung erfolgt an der Metalloberfläche. Beim Antimon hängt das Gleichgewicht jedoch von der Hydroxidionenaktivität ab, woraus sich über das Ionenprodukt des Wassers die Wasserstoffionenaktivität berechnen lässt. Antimonelektroden sind mechanisch und chemisch sehr robust. Sie eignen sich für Messungen in Flusssäure oder für die Kontrolle des pH-Wertes bei einer Kalkmilchfällung. Der Zusammenhang zwischen elektrischem Potenzial und pH-Wert ist nicht so linear wie bei einer Glaselektrode. Antimonelektroden können bei Temperaturen bis 80 °C im Bereich zwischen pH = 1 und pH = 10 eingesetzt werden. Der Kettennullpunkt einer Antimonelektrode liegt bei pH0 = 0 ±1,5. Die Steilheit liegt meist im Bereich zwischen k´= 51 mV und k´= 60 mV pro pH. Auch das Halbmetall Wismut kann in Analogie zum Antimon für pH-Messungen im Bereich zwischen pH = 6 und pH = 10 eingesetzt werden. Die Messumformer für Antimon- oder Wismutelektroden müssen auf den von den GlaselektrodenMessketten abweichenden Kettennullpunkt justierbar sein, wie z. B. der Messumformer JUMO dTRANS pH 01. ISFET ISFET steht für ionenselektiver Feldeffekttransistor. Diese Sensoren unterscheiden sich weniger durch das Membranmaterial von den anderen Sensortypen als durch ihre Konstruktion. Diese Sensoren haben sehr kleine Abmessungen, eine kurze Ansprechzeiten [1]. Für die hochohmige pH-Messung mit Glaselektroden ist ein leistungsfähiger Messverstärker (Transistor) notwendig. Die üblichen Messgeräte weisen einen Widerstand von mindestens 1012 O auf. Der Grund hierfür ist u. a. der hohe Widerstand der Glasmembran. Der Verstärker ist häufig im Messgerät, in der Armatur oder in einer zwischen der Messkette und dem Messgerät installierten Einheit eingebaut. Je weiter die Membran vom Verstärker entfernt ist, desto träger und störempfindlicher ist die Signalübertragung. Bei einem langen Übertragungsweg bedeutet jede pHÄnderung ein zeitraubendes Erzeugen und Verschieben von elektrischen Ladungen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 39 1 3 Messtechnik S 1 2 3 7 6 4 1 5 Abbildung 28: ISFET-Sensor 1 3 5 7 Bezugselektrode Gate-Bereich mit H+-ionensensitiver Schicht (z. B. Ta2O5) p-Si Substrat Isolation 2 4 6 Messmedium n-Si Drain n-Si Source Bei einer ISFET-Elektrode bildet die Membran eine Einheit mit dem Verstärker. Ein Vorteil ist daher das gute Ansprechverhalten und die verringerte Störempfindlichkeit. Da eine Miniaturisierung von Transistoren kein Problem darstellt, sind ISFET-Elektroden eine interessante Alternative im Bereich biologischer und medizinischer Anwendungen. In Abhängigkeit vom Membranmaterial weisen ISFET-Elektroden eingeschränkte Messbereiche, eine schlechtere Linearität, in einigen Fällen Lichtempfindlichkeit, geringere Standzeiten und Beständigkeiten auf. Dies sind sicher einige Gründe dafür, dass ISFET-Elektroden bisher vorwiegend bei Betriebsmessungen mit Handgeräten und für Labormessungen in der Biologie und Medizin zum Einsatz kommen. Ein weiterer Nachteil der ISFET-pH-Elektroden ist, dass jede Elektrode nur mit einem spezifischen Anzeige-/Regelgerät funktioniert. Deswegen sind die ISFET-pH-Elektroden in der Regel mit gewöhnlichen pH-Metern nicht kompatibel. Daraus folgt, dass diese Elektroden eine reduzierte Flexibilität bei den entsprechenden Prozessen bieten und durch Glaselektroden nicht ersetzbar sind. Schließlich wird auch bei der pH-Messung mit ISFET´s eine Bezugselektrode benötigt. Diese kann als herkömmliches Bezugssystem ausgeführt sein, was den Größenvorteil des ISFET´s teilweise wieder zunichte macht. Andere Lösungen in ISFET-Technik, sogenannte REFET´s (Referenzfeldeffekttransistor), wiesen bisher nur eine unzureichende Langzeitstabilität auf. Die JUMO ISFET-pH-Einstabmesskette ist ein glasloser Sensor zur Erfassung des pH-Wertes von wässrigen Lösungen. Das Ausgangsignal der JUMO ISFET-pH-Einstabmesskette (sowie der Glaselektrode) kann von einem Anzeige-/Regelgerät, z. B. JUMO AQUIS 500 pH weiter verarbeitet werden (Abbildung 29). [2] 3-A Sanitary Standards definieren die Anforderungen an lebensmittelechte Werkstoffe, die auch für Reinigungs- und Desinfektionsvorgänge geeignet sein müssen. Diese Standards sollen die Produktqualität sicherstellen und somit die Gesundheit des Endverbrauchers schützen. 40 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 1 Abbildung 29: JUMO AQUIS 500 pH - Messumformer/Regler für pH-Wert, Redox-Spannung, NH3-(Ammoniak)-Konzentration und Temperatur (links) und JUMO dTRANS pH 02 - Messumformer/Regler für pH, Redox, Ammoniak, Einheitssignale und Temperatur (rechts) Eine JUMO Messkette besteht aus einem ISFET-Sensor, einem Kabel inklusive Vorverstärker und z. B. einem JUMO AQUIS 500 pH oder einem JUMO dTRANS pH 02 nach Abbildung 29. Abbildung 30: ISFET-pH-Einstabmessketten für Food-/Getränketechnik mit hygienischem Design (links) und allgemeine Messungen im Trinkwasserbereich (rechts) Die ISFET-pH-Einstabmesskette kann in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Molkereien, Käsereien, Pharmazie sowie in allen hygienischen Produktionsprozessen mit Anforderungen nach 3-A Sanitary Standards [2], ohne Armaturen eingesetzt werden. Da die ISFET-pH-Einstabmesskette bruchfest ist, kann sie in allen Prozessen angewendet werden, in denen keine Glaselektroden eingesetzt werden dürfen. Des Weiteren hat die ISFET-pH-Einstabmesskette eine gute Ansprechgeschwindigkeit und Messgenauigkeit, auch bei niedrigen Temperaturen, und liefert stabile Messwerte bei Temperaturschwankungen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 41 3 Messtechnik 3.4.2 Optische Methoden Colorimetrie Die einfachste Messeinrichtung besteht aus der Sonne (Tageslicht) als Lichtquelle, einen pHIndikator und dem menschlichen Auge. Es genügt, die Wasserprobe in ein Glasgefäß (Küvette) zu füllen und eine Indikatorlösung dazu zugeben. Die Indikatorlösung besteht aus einer chemischen Substanz, die je nach pH-Wert eine unterschiedliche Farbe aufweist. Durch Vergleich der Färbung mit einer Farbskala ist der pH-Wert einfach zu bestimmen. Es ist eine beliebte Messmethode für Einzelmessungen z. B. in privaten Schwimmbecken. 1 Hohe Genauigkeitsansprüche kann die Colorimetrie nicht erfüllen. Der Messwert hängt u. a. vom Tageslicht und dem Farbempfinden des Anwenders ab. Je nach Indikator können die in der Probe enthaltenen Substanzen oder einfach nur durch gelöste Salze, Farbverfälschungen verursachen. Die Messbereiche überdecken häufig nur einen engen pH-Bereich. Test-Stäbchen Die pH-Messung mit einem Teststäbchen verläuft analog dem colorimetrischen Verfahren. Der pHIndikator ist lediglich auf einen Kunststoffstreifen als Träger aufgetragen. Zur Messung genügt es, den Streifen in die zu prüfende Lösung zu tauchen und den pH-Wert durch Vergleich mit einer Farbskala zu bestimmen. Durch die Kombination mehrerer Indikatoren haben Teststäbchen zum Teil recht große Messbereiche. Neben den von der Colorimetrie bekannten Problemen kann es beim Teststäbchen durch das Ausbluten des Indikators zu zusätzlichen Messabweichungen kommen. Teilweise ist der pHIndikator deswegen chemisch an das Trägermaterial gebunden, um ein Ausbluten zu vermeiden. Die Unsicherheiten der colorimetrischen Methoden oder der Teststäbchen ist bei weitem größer als bei den elektrochemischen Methoden. Bei Indikatorstäbchen sind im Handel Produkte erhältlich mit einer pH-Auflösung von pH = 0,5 oder schlechter. Fotometrie Auch die fotometrische pH-Messung arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie die Colorimetrie. Die Messung der Farbintensität erfolgt hier jedoch mit einem Fotometer. Diese Geräte enthalten eine Lampe als Lichtquelle und ein Siliziumphotoelement als Lichtempfänger. Die fotometrische pHMessung liefert reproduzierbarere Werte wie die Colorimetrie. Durch die größere Empfindlichkeit des Lichtempfängers ist die Auflösung der Messwerte außerdem besser. Die Messung mit einem Phenolrotindikator ist eine im Bäderbereich sehr verbreitete Messmethode. 42 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.5 Digitale pH-/Redox-Sensoren Die Miniaturisierung leistungsfähiger Elektronik ist in den letzten Jahren stark vorangeschritten. Dies hat auch die Entwickler von Sensoren und Messgeräten dazu beflügelt, neue Ansätze bei der Messwertbestimmung zu suchen. Der klassische Aufbau der analogen Messtechnik – insbesondere bei elektrochemischen Messgrößen wie pH und Redox – ist die Trennung des Sensors von weiterführender Elektronik. Dies hat gute Gründe. Die meisten elektrochemischen Sensoren haben ein vergleichsweise kurzes „Leben“, da es sich um Verschleißteile handelt. In bestimmten Anwendungen haben pH-Sensoren oft nur eine Lebensdauer von wenigen Wochen und Monaten. Eine im Sensor integrierte elektronische Schaltung zur Vorverstärkung oder digitalen Messwertumformung wird damit ebenfalls zum „Wegwerfprodukt“. Ist der Sensor verschlissen, so werden alle Teile zu Sondermüll. Neben der ökologischen Seite ist es auch eine ökonomische Frage, ob dies der Anwender auf Dauer möchte. Alles hat seinen Preis: Die Sensoren mit integrierter digitaler Elektronik sind deutlich teurer als herkömmliche analoge. In einigen Nischenanwendungen oder bestimmten Prozessbereichen kann es sinnvoll sein, dass der Sensor durch eine „Elektronik an Bord“ bestimmte Betriebsdaten, Maximal- und Minimalwerte oder Grenztemperaturen abspeichert. Solche Daten bringen aber meist nur dem Sensorhersteller Vorteile: Er kann schnell sehen, ob der Kunde den Sensor stark belastet hat. Damit lassen sich Gewährleistungsansprüche leichter ablehnen. Ein echter Vorteil kann sein, dass der Sensor bereits im Betriebslabor kalibriert werden kann. Bei Messpunkten im Freien oder an schwer zugänglichen Orten wird es der Anwender zu schätzen wissen, wenn er nicht mit Puffer- und Prüflösungen bei Minustemperaturen hantieren muss. Nicht zu unterschätzen ist auch die verbesserte Signalübertragung. Ein digitalisiertes Sensorsignal hat bei der Übertragung Vorteile gegenüber hochohmigen analogen Sensor-Originalsignalen. Ein Nachteil aller am Markt heute schon erhältlichen digitalen Sensorsysteme ist die fehlende Absprache der Hersteller untereinander. Die Systeme sind durch die Bank weg proprietär, d. h. man kann die Sensoren verschiedener Hersteller nicht untereinander austauschen. Die Variantenvielfalt ist oft noch sehr eingeschränkt. Hat man mit den Sensoren eines Herstellers Probleme, kann man nicht einfach zu einem Sensor eines anderen Herstellers greifen. Gleiches gilt für das damit verbundere Preis- und Belieferungsdiktat. Damit begibt man sich freiwillig in eine absolute Abhängigkeit von einem bestimmten Elektrodenhersteller. Lockangebote („undles“) sollen den Kunden für ein solches digitales Paket bestehend aus Sensor, Kabel und Messverstärker (warum wird der eigentlich noch benötigt?) begeistern. Spätestens beim Nachkaufen der verschlissenen Sensoren wird dann richtig Geld verdient. Die Vorgehensweise wurde hier wohl von den Tintenstrahldruckern abgeschaut – verdient wird mit der Tintenpatrone (= Verschleissteil) und nicht am Gerät. Der Anwender muss sich also die Frage stellen, ob ein schneller Einstieg in eines der digitalen Sensorsysteme für den eigenen Anwendungsbereich aus ökonomischer, ökologischer und technischer Sicht sinnvoll und notwendig ist. In den meisten Anwendungen sind die Vorteile eines digitalisierten pH- oder Redox-Sensors unterrangig. Der analoge Sensor mit seiner herstellerunabhängigen Verfügbarkeit und seinem für Verschleißteile unschlagbaren Preis-/Leistungsverhältnis ist und bleibt der Marktstandard. Dies kann man auch der entsprechenden DIN 19263 entnehmen. Dort wird die klassische (analoge) pH- oder Redox-Elektrode beschrieben und der Standard definiert. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 43 1 3 Messtechnik 1 44 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen pH-Messungen gibt es in allen Bereichen der Technik und des Umweltschutzes. Je nach Anwendung findet die Messung im Labor, mit einem Handgerät vor Ort oder kontinuierlich, z. B. im Prozess, statt. Folgende praktische Anwendungsfälle sollen etwas genauer betrachtet werden. Die pH-Messung in: • Abwasserreinigungsanlagen • Bädern • Galvanikbetrieben • Kraftwerken • Trinkwasserversorgungsanlagen sowie • Trinkwassertalsperren 4.1 Abwasserreinigungsanlagen pH 2 1 3 4 pH 6 5 Abbildung 31: Schema einer kommunalen Abwasserreinigungsanlage 1 3 5 Sandfang Belebtschlammbecken Gasbehälter 2 4 6 Vorklärbecken Nachklärbecken Faultum In Abwasserreinigungsanlagen eingesetzte pH-Messeinrichtungen unterliegen z. T. extremen Belastungen: • das Wasser ist stark verschmutzend. In einigen Fällen belasten Inhaltsstoffe oder physikalische Bedingungen die verwendeten Sensoren • eine aggressive Umgebungsluft wirkt auf den elektronischen Teil der Messeinrichtungen • Wartungsarbeiten müssen auch unter rauen Bedingungen möglich sein Für die Analytik im Abwasser stehen Merkblätter der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) zur Verfügung. Die pH-Messung ist im Merkblatt M 256 beschrieben. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 45 1 4 Anwendungen 4.1.1 Zulauf der Anlage Die pH-Messung im Zulauf der Anlage dient dem Schutz der Kanalisation und Gebäude. Abwässer mit einem pH-Wert unter 6 oder über 9 führen zu kostspieligen Materialschäden. Ein kurzzeitiges Über- oder Unterschreiten des zulässigen pH-Bereiches hat in der Regel keine Folgen. Die größeren Wassermengen in den Becken der Anlage reichen, um kleinere Säure- oder Basemengen ausreichend zu verdünnen und zu neutralisieren. Bei langfristigen oder häufigen Überschreitungen ist es jedoch erforderlich, den Verursacher ausfindig zu machen und die Einleitungen zu unterbinden. Soll die Überwachung des Zulaufs wirksam sein, so muss sie kontinuierlich rund um die Uhr stattfinden. Zur Messung ist eine fest installierte Messeinrichtung mit entsprechenden Aufzeichnungsmöglichkeiten erforderlich. 1 Messeinrichtung Ein Problem für die pH-Messung stellen die großen Mengen an Faserverunreinigungen sowie Fett und Öl dar. Die pH-Messkette verzopft und belegt. Derart verschmutzte Messketten sind extrem träge und liefern falsche Messwerte. Die Armatur sollte einen möglichst glatten Schaft haben und an einer Stelle mit möglichst guter Wasserströmung frei aufgehängt (pendelnd) sein. Zöpfe an der Armatur sollten in regelmäßigen Abständen entfernt werden. Um ein schnelles Verstopfen der Bezugselektrode zu vermeiden, sollte sie einen Ringspalt haben. Grundsätzlich ist je nach Belastung eine 14-tägige Reinigung der Messkette zu empfehlen. Fett und Ölbeläge auf der Membran lassen sich mit etwas Geschirrspülmittel und warmem Wasser leicht entfernen. In Abwasserreinigungsanlagen sind Blitzeinschläge eine der häufigsten Ursachen für schwere Schäden an der Messeinrichtung. Der Umformer sollte daher über einen guten Überspannungsschutz verfügen. 4.1.2 Faulturm Allgemeines Eine weitere Messstelle für den pH-Wert ist der Schlamm im Faulturm. Der pH-Wert wirkt wesentlich auf die Aktivität der Mikroorganismen. Die in diesem anaeroben Prozess vorkommenden Mikroorganismen reagieren weit sensibler auf ihre Umweltbedingungen als ihre aeroben Verwandten. Bei auch nur geringen pH-Änderungen können Populationen verschwinden und andere entstehen. Extreme Abweichungen töten die Mikroorganismen schließlich. Bei einem pH-Wert unter 7 (Neutralpunkt) kippt der Schlamm um (saurer Schlamm), es entstehen stinkende Faulgase (u. a. Schwefelwasserstoff). Die gewünschte Volumenabnahme geht nun nur noch langsam und im geringen Umfang voran. Der so entstehende Schlamm ist schleimig und nur schwer zu entwässern. Unter basischen Bedingungen im Bereich von pH = 7 bis pH = 8 tritt die gewünschte geruchlose Methanfaulung ein. Die genaue Überwachung und Einstellung des pH-Wertes ist hier eine Voraussetzung für eine optimale Methangasproduktion. Messeinrichtung Die permanente pH-Überwachung ist praktisch nur mit einem direkt in die Hauptleitung eingebauten Geber, also einer stationären Messeinrichtung zu realisieren. Der Geber ist bei diesen Messungen erhöhten Belastungen ausgesetzt: • ein hoher Feststoffanteil des Schlammes führt zu starken Verunreinigungen • der Überdruck belastet besonders das Referenzsystem der pH-Messkette • Schwefelwasserstoff vergiftet das Referenzsystem 46 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen Kontrollmessungen Die stationären Messeinrichtungen sollte direkt im Abwasser, also im Kanal bzw. Becken kontrolliert werden. Biologische Abbauvorgänge oder z. B. Redoxreaktionen können die Aussage einer noch so genauen Messung im Labor leicht in Frage stellen. Besser ist eine Messung mit einer Handmesseinrichtung direkt vor Ort. 4.2 Bäder Die Überwachung der Beckenwässer ist im §11 Bundesseuchengesetz und den Badewasserverordnungen der Länder vorgeschrieben. Nähere Angaben zur Wasseraufbereitung enthält die Norm DIN 19643. Der pH-Wert und das Chlor sind hierbei die wichtigsten Messgrößen. Der pH-Wert soll innerhalb eines Bereiches von 6,5 bis 7,5 liegen. Bei einem pH-Wert über 7 binden Basen einen Teil der sauren Desinfektionsmittel. Je höher der pH-Wert ist, um so geringer ist die Wirkung der Desinfektionsmittel. Beispiel Bei pH = 8 ist die Konzentration der unterchlorigen Säure auf 30 % vermindert. Weiterhin mindern hohe pH-Werte die Wirkung von Flockungsmitteln und fördern die Bildung von Belägen an den Beckenwänden. Ab einem pH-Wert über 8 zerstören die Basen schließlich den natürlichen Säureschutz der Haut. Bei zu tiefen pH-Werten greifen Säuren das Beckenmaterial an, vermindern ihrerseits die Wirkung der Flockungsmittel und verstärken die Bildung von gebundenem Chlor (Chloraminen). pH-Wert Wirkung Hautreizung 8,5 Kalktrübungen 8,0 Beeinträchtigte Al-Flockung 7,5 7,0 Hallenbadgeruch 6,5 Korrosionserscheinungen 6,0 Beeinträchtigung der Flockung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 47 1 4 Anwendungen Messung Eine pH-Regeleinheit in der Wasseraufbereitungsanlage stellt den pH auf einen optimalen Wert von etwa pH = 7,2 ein. Dieser pH-Wert gewährleistet einen ökonomischen Betrieb der Anlage. Die Einstellung erfolgt durch die kontrollierte Zugabe von Säure oder Lauge. Die Messstelle befindet sich in der Regel zwischen Faserfänger und Filter. Möglich ist jedoch auch eine Messung direkt im jeweiligen Becken. 1 4 1 pH 3 2 Abbildung 32: pH-Messung in Badebecken 1 3 Schwimmbecken Filter 2 4 Rohwasser Reinwasser Die pH-Messkette ist im Beckenwasser kaum Verschmutzungen ausgesetzt. Das beste Messverhalten zeigen hier Messketten mit Elektrolytlösung (eventuell etwas eingedickt) und Keramikdiaphragma. Die Bauform muss für einen, wenn auch geringen Überdruck, in der Messleitung ausgelegt sein. Messketten mit einem Referenzelektrolytgel altern sehr schnell. Neben den häufigeren Ausgaben für neue Messketten sind ein erhöhter Wartungsaufwand und schlechtere Regelergebnisse die Folgen. 48 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 4.3 Galvanikbetriebe Die pH-Messung dient zur Kontrolle von Galvanikbädern und von Entgiftungsprozessen. 4.3.1 Galvanikbäder In einem Galvanikbad erhalten Gegenstände aus unedleren Metallen, wie Zink oder Eisen, eine schützende Oberfläche. Es kann sich hierbei z. B. um eine Kupfer- oder Nickelschicht handeln. Ein Zinküberzug kann bei Eisen als Korrosionsschutz wirken, wie es die verzinkten Karosserien bei Automobilen belegen. Das Auftragen der Metallschicht erfolgt meist elektrolytisch in speziellen Elektrolytbädern. Einige Beispiele hierfür sind: • Saures Kupferbad: eine schwefelsaure Kupfersulfatlösung • Cyanidisches Kupferbad: eine Lösung von Kupfercyanid, Natriumcyanid und Natriumkarbonat • Diphosphat-Kupferbad: eine annährend neutrale Lösung von Kaliumdihydrogenphosphat, Kupferdiphosphat, Ammoniak und Glanzzusätzen • Nickelbad: eine Lösung von Nickelsulfat, Nickelchlorid und Borsäure mit einem pH im Bereich von pH = 3,5 bis pH = 4,5 • Saures Zinkbad: Zinksulfat, Zinkchlorid, Natriumsulfat und Schwefelsäure mit einem pH im Bereich von pH = 3 bis pH = 4 • Alkalisches Zinkbad: eine Lösung von Zinkcyanid, Natriumcyanid und Natriumhydroxid Messung Galvanikbäder stellen für die pH-Messung, und insbesondere die kontinuierliche Messung besondere Anforderungen. Die elektrochemische pH-Messung beruht auf der Spannungsmessung im Bereich von hundertstel bis einigen zehntel Volt, der hierbei fließende Strom ist vernachlässigbar klein. Für eine galvanische Beschichtung liegen mehr als ein Volt im Bad an und es fließen Ströme bis 10 A pro dm2. Bei einer geerdeten pH-Messung fließen Ströme über die Bezugselektrode ab. Die Messwertanzeige hängt in diesem Fall von der Spannung des Galvanisierprozesses ab. Ein weiteres Problem ist die bis 80 °C reichende Temperatur. Als Faustregel gilt, dass eine Temperaturerhöhung von 10 K die Haltbarkeit der Messkette halbiert. Besonders im oberen Temperaturbereich sind besondere Hochtemperaturmessketten notwendig. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 49 1 4 Anwendungen 4.3.2 1 Entgiftung Cyanid-Entgiftung Ein weiteres Beispiel der industriellen Anwendung einer pH-Messung ist die Entfernung von Cyaniden aus Abwässern. Cyanidhaltiges Abwasser wird in Durchlaufbehandlungsanlagen aufbereitet. Diese bestehen aus den Komponenten • Reaktor (Behälter) • Mischer (Rührer) • Mess- und Regeleinrichtung (Erfassung verschiedener Parameter) • Dosierglieder (Ventile und Pumpen) • Chemikalienspeicher (Vorratsbehälter) und • Konzentratspeicher (Zwischenlagerung) Cyanid und die Stammverbindung Cyanwasserstoff (HCN) sind sehr giftige Substanzen. Die Giftigkeit beruht darauf, dass beide Stoffe mit schwermetallhaltigen Fermenten (Enzymen) des menschlichen Organismus sehr stabile Komplexe bilden und die Fermente dadurch in ihrer Wirkungsweise blockiert werden. Aus diesem Grund ist die Entfernung des Cyanids aus dem Abwasser zwingend notwendig. Die wässrige Lösung des Cyanwasserstoffs ist unter dem Namen Blausäure allgemein bekannt. Die Entgiftung des cyanidhaltigen Abwassers erfolgt in Teilreaktionen, die im nachfolgenden beschrieben werden: • Oxidation des Cyanid zu Chlorcyan • Hydrolyse des Chlorcyan zu Cyanat • Oxidation des Cyanat zu Kohlensäure und Stickstoff Entgiftung Wie schon erwähnt, wird die Entgiftung in Durchlaufbehandlungsanlagen durchgeführt. Hier wird das Abwasser zunächst dem Reaktor zugeführt. Für die Entgiftung ist ein pH-Wert von mindestens pH = 10 notwendig, der hier eingestellt wird. Im sauren pH-Bereichen kommt es zur Bildung von Cyanwasserstoff. Durch Zugabe von Natriumhypochlorit-Lösung (NaOCl) setzt sich das Cyanid zu Chlorcyan (ClCN) um (Reaktion 1). Chlorcyan ist ein ebenfalls giftiges Gas mit einer hohen Löslichkeit in Wasser (25 Liter ClCN-Gas/Liter Wasser). Im nächsten Reaktionsschritt erfolgt die Umwandlung in das ungiftige Cyanat (CNO-). Diese Reaktion läuft nur bei sehr hohen pH-Werten ab. Da die erste Teilreaktion nicht pH-abhängig verläuft, wird schon zu Beginn der Entgiftung der hohe pH-Wert eingestellt. Im Allgemeinen wird die Gesamtreaktion mit einem Überschuss von 20 % an NaOCl durchgeführt. Bei den eingangs erwähnten Bedingungen ist die Entgiftung innerhalb von max. 20 Minuten abgeschlossen. Um sicherzustellen, dass alles Cyanid umgesetzt wurde, bestehen aber die genehmigenden Behörden auf Verweilzeiten zwischen 40 und 60 Minuten. Im letzten Teilabschnitt wird das oben erhaltene Cyanat bei pH-Werten um 7 - 8 zu Kohlensäure und Stickstoff oxidiert. Diese Reaktion verläuft innerhalb von 30 Minuten (Reaktion 3). Ist die Entgiftung abgeschlossen, folgen als weitere Schritte die Neutralisation, Sedimentation, Filterpresse und Endkontrolle, bevor das gereinigte Abwasser dem Kanalnetz zugeführt wird. Reaktion 1: - - 2 CN + 2 OCl + 2 H 2 O 2 ClCN + 4 OH - (6) Chlorcyan 50 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen Reaktion 2: 2 ClCN + 4 OH - - - 2 CNO + 2 Cl + 2 H 2 O (7) Cyanat Reaktion 3: - 2- - 2 CNO + 3 OCl + H 2 O - N 2 + 2 CO 3 + 3 Cl + 2 H + (8) Chromat-Reduktion Bei der Chromat-Reduktion werden giftige Chromationen in Chrom(III)ionen umgesetzt. Chromat fällt an bei: • Elektrolysen (Glanz- und Hartchrom) • Beiz- und Ätzbädern • Herstellung von Aluminium • Chromatierbädern Entgiftung Chromat wird im sauren Bereich aus dem Abwasser entfernt. In Abhängigkeit vom pH-Wert bildet sich im alkalischen Bereich Chromat (CrO42- ); im sauren Bereich Dichromat (Cr2 O72- ). Im Reaktor wird der pH-Wert und die Redoxspannung erfasst. Liegt der pH-Wert über 2,5 wird entweder mit verdünnter Schwefelsäure oder mit Salzsäure der pH-Wert auf 2,5 eingestellt. Ein konstanter pH-Wert ist für die quantitative Umsetzung der Reaktion erforderlich. Bei der Chromat-Entgiftung ist darauf zu achten, dass keine anderen sauren Abwässer in die Anlage eingeleitet werden. Die Umwandlung der giftigen Chrom-(VI)-Verbindungen in Chrom-(III)-Verbindungen erfolgt nach der folgenden Reaktionsgleichung: 2- CrO 4 + 4 H 2 O + 3 e - - Cr(OH) 3 + 5 OH (alkalisch) (9) Chromat 2- + Cr 2 O 7 + 14 H + 6 e - 2 Cr 3+ + 7 H 2 O (sauer) (10) Dichromat JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 51 1 4 Anwendungen 4.4 1 Kraftwerke In Kraftwerken dient Wasser zur Dampferzeugung. Um gefährliche Ablagerungen1 zu vermeiden, muss das Kesselspeisewasser frei von gelösten Substanzen sein. Lediglich ein Alkalisierungsmittel, z. B. Ammoniak, darf enthalten sein. Durch Auffangen und Kondensieren des Wasserdampfs kann das Kondensat wieder zur Kesselspeisung verwendet werden. Bei diesem Kondensat handelt es sich praktisch um destilliertes Wasser. Reines Wasser ist besonders bei einem Wert unter pH = 7 sehr aggressiv. Korrosionsschäden können leicht ein kleines Vermögen kosten. Das Problem ist, dass reines Wasser auch erhebliche Probleme in Bezug auf die Messtechnik verursacht. Bereits kleinste Verunreinigungen können den pH-Wert deutlich beeinflussen, eine Probenahme für die Messung ist praktisch nicht machbar. Der pH-Wert muss im Durchfluss gemessen werden. Messeinrichtung Die Analytik des Beckenwassers ist in den DVGW-Merkblättern behandelt. Für pH-Messungen sind spezielle Messeinrichtungen notwendig. Kontamination Alle Teile der Messeinrichtung, die mit dem Wasser in Kontakt kommen, Armatur und Durchflusszelle, sollten aus rostfreiem VA-Stahl bestehen. Sind Kunststoffteile notwendig, so dürfen diese keine Substanzen an das Wasser abgeben. Die Messkette sollte einen neutralen Elektrolyten enthalten, eine silberchloridhaltige Bezugselektrolytlösung reagiert z. B. sauer. Ideal ist eine Zweistabmesskette, bei der die Bezugselektrode nach der Messelektrode im Durchflussgefäß angebracht ist. Aufgrund des relativ hohen Widerstandes des Wassers ist eine Messkette mit geringem Membranwiderstand zu empfehlen. Auch das Diaphragma sollte einen möglichst kleinen Widerstand aufweisen, z. B. Ringspaltdiaphragmen. Bei Keramikdiaphragmen steigt der Widerstand durch eindringendes Wasser schnell erheblich an. Die Elektrolytlösung sollte silberfrei sein. Die Löslichkeit des Silberchlorids nimmt beim Kontakt der Elektrolytlösung mit dem Wasser erheblich ab. Im Diaphragma (Kontaktstelle Elektrolyt/Wasser) entstehen schwerlösliche Silberchlorid-Ablagerungen. Das Kesselwasser hat eine Leitfähigkeit unter = 50 µS/cm, so dass ein normaler pH-Messumformer für die Messung ausreicht. Beim Kondensat kann die Leitfähigkeit unter = 1 µS/cm betragen. In diesem Fall ist ein Umformer mit hochohmigem Eingang für die Bezugselektrode zu empfehlen. Damit elektrische Ladungen abfließen können, muss die Messeinrichtung gut geerdet sein. Durchfluss Jede pH-Messkette reagiert auf die Anströmung des Wassers. Je niedriger die Leitfähigkeit und je höher die Durchflussgeschwindigkeit ist, desto stärker ist dieser Effekt wirksam. Die niedrigen Leitfähigkeiten des Kesselspeisewassers und besonders des Kondensates können den Messwert leicht mehrere Zehntel, selbst bis zu einer pH-Einheit, ändern. Eine wirksame Maßnahme ist die Reglung der Durchflussmenge des Messgefäßes. Alternativ-Verfahren Alternativ ist es möglich, pH-Werte der Wässer aus den Werten für die Leitfähigkeit oder den Ammoniakgehalt zu schätzen. Der Leitfähigkeitswert gibt jedoch nur eine Information, wie weit der pH-Wert maximal vom Neutralpunkt (pH = 7) abweichen kann. Eine Aussage, ob das Wasser sauer oder basisch reagiert, ist über den Leitfähigkeitswert nicht möglich. Das Abschätzen aus dem Ammoniakgehalt führt leicht zur Schätzung zu hoher pH-Werte. 1 52 Ein Belag der Kesselwände hat eine wärmeisolierende Wirkung und erhöht den Energieverbrauch. Platzt ein Teil des Belages, so kommt es zur lokalen Überhitzung des Kesselwassers und unter Umständen zur Kesselexplosion. Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 4.5 Trinkwasserversorgungsanlagen Allgemeines Die pH-Messung des Trinkwassers dient der Hygiene und dem Schutz der Leitungsnetze. Die wesentliche Aussage des pH-Wertes betrifft das Kalk/Kohlensäuregleichgewicht. Der im Wasser gelöste Kalk steht mit dem gelösten Kohlendioxid in einem chemischen Gleichgewicht. Die Mengen an Kalk und Kohlendioxid hängen bereits vom verwendeten Rohwasser ab. Enthält das Wasser zuwenig Kohlendioxid, so scheidet es Kalk ab und belegt die Wasserleitung. Bleibt dieser Zustand über einen längeren Zeitraum bestehen, so wächst die Leitung zu. Kritischer ist ein Überschuss von Kohlensäure; er löst die Kalkschicht auf. Ohne schützende Kalkschicht ist das Leitungsmaterial der Korrosion preisgegeben. Durch Lösen von Schwermetallen oder Eindringen von Fremdwasser kamen in der Vergangenheit wiederholt Menschen zu Schaden - im Extremfall zu Tode. Messeinrichtung Optimal ist der pH-Wert, wenn er dem Calcitsättigungs-pH-Wert entspricht. Es handelt sich hierbei um einen Wert, der aus der Zusammensetzung des Wassers berechnet wird. Entspricht der pHWert des Wassers diesem Wert, so kommt es weder zu Kalkabscheidungen, noch zum Lösen der Kalkschutzschicht. Nach der deutschen Trinkwasserverordnung soll der pH-Wert im Bereich von pH = 6,5 bis pH = 9,5 liegen. Die Calcitlösekapazität (Kalklösevermögen) am Ausgang des Wasserwerks darf einen Wert ss(CaCO3) = 5 mg/l nicht überschreiten; die Forderung gilt als erfüllt, wenn der pH-Wert am Wasserwerksausgang pH = 7,7 überschreitet. Bei der Mischung von Wasser aus zwei oder mehr Wasserwerken darf die Calcitlösekapazität im Verteilungsnetz den Wert von 20mg/l nicht überschreiten. Die Calcitlösekapazität und der pH-Wert für das Kalkkohlensäure-Gleichgewicht sind aus der Zusammensetzung des Wassers berechnete Werte. Die pH-Messung stellt sicher, dass der pH-Wert des Wassers dem Calcitsättigungs-pH-Wert entspricht bzw. der Wert pH = 7,7 überschritten ist. Bei einem zu geringen pH-Wert ist das Wasser mit einem entsprechenden Entsäuerungsverfahren zu behandeln. Die Trinkwasserverordnung gibt vor, dass das zur pH-Messung eingesetzte Messverfahren eine Richtigkeit von 0,2 pH-Einheiten und einer Präzision von 0,2 pH-Einheiten aufweisen soll. Bei der Wahl der Messkette sind z. B. der Wasserdruck, die Durchflussgeschwindigkeit und die Leitfähigkeit wichtige Einflussgrößen. Da Verschmutzungseffekte keine wesentliche Rolle spielen, ist eine ausreichend druckfeste Messkette mit Bezugselektrolytgel und Keramikdiaphragma für diese Anwendung geeignet. Eine Einpunktkalibrierung macht den meist aufwändigen Ein- und Ausbau überflüssig, schont die Messkette und reduziert den Einfluss der Anströmung durch das Trinkwasser. Vergleichsmessung Für die Interpretation von Vergleichsmessungen können Druckunterschiede eine wichtige Rolle spielen. Der Einfluss des Kohlendioxids auf den pH des Wassers hängt u. a. vom Wasserdruck ab. Dieser kann in den Wasserleitungen leicht 6 bar und mehr betragen. Je höher der Druck ist desto saurer reagiert das Wasser. Bei einer Drucksenkung gast Kohlendioxid aus, z. B. bei einer Probenahme. In diesem Fall nimmt der pH-Wert zu. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 53 1 4 Anwendungen 4.6 1 Trinkwassertalsperren Allgemeines Der Aufwand für die Trinkwasseraufbereitung hängt vom zur Verfügung stehenden Rohwasser ab. Eine Quelle für das Trinkwasser sind z. B. Trinkwassertalsperren. Die Beschaffenheit des Wassers im Versorgungsnetz ist in der Regel sehr konstant. In der Talsperre beeinflusst bereits die Witterung den Zustand des Wassers (lange Trockenheit, starke Regenfälle). Bei hohem Nährstoffangebot kann es innerhalb weniger Tage zur Massenentwicklungen von Phytoplankton (Algen) kommen, die ebenso schnell wieder absterben können. Hochwassereinbrüche wirken innerhalb weniger Stunden. Zur Steuerung der Talsperren sind daher Messeinrichtungen notwendig, die schnell und ohne großen Aufwand eine Information über den Wasserzustand erlauben, z. B. die Trübung, der Sauerstoffgehalt der pH-Wert, die elektrische Leitfähigkeit und die Wassertemperatur. Messeinrichtung Die Messtechnik ist relativ unproblematisch. Je nach Messstelle genügt eine Messkette mit Eintauch- oder Durchflussarmatur. 54 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung Der Begriff Qualitätssicherung bezog sich früher im wesentlichen auf die Herstellung von Erzeugnissen, z. B. Stereoanlagen, Messgeräte oder Käse. Die Analytik war ein Mittel zum Nachweis der Qualität. Im Rahmen der GLP und Zertifizierungsmaßnahmen, z. B. nach ISO 9000, mussten sich auch Laboratorien im Rahmen von Standardarbeitsvorschriften (SOP) stärker mit Fragen zur Qualität von Messverfahren und Messwerten auseinandersetzen. Dieser Prozess setzte sich stetig fort, so dass heute auch in der Prozessmesstechnik Regeln zur Qualitätssicherung einzuhalten sind. Beispiele hierfür sind die Merkblätter der LAWA (Länderarbeitsgemeinschaft Wasser), die Richtlinie in den Deutschen Einheitsverfahren ENV ISO 13530 oder das Merkblatt der Abwassertechnischen Vereinigung ATV-DVWK M 704. 5.1 Wie genau ist der pH-Messwert? Eine Antwort zur Genauigkeit von Messwerten ist praktisch nicht möglich. Die Angabe der Genauigkeit setzt voraus, dass der wahre Messwert bekannt ist. Dies ist in der Praxis nicht der Fall. Schätzen lässt sich die Unsicherheit eines Messwertes. Der Begriff „Schätzen“ sollte jedoch nicht mit dem Begriff „Ungefähr“ assoziiert werden, sondern mit einer fachkundigen Beurteilung. Die Angabe, dass die Unsicherheit U(pH) ±0,4 beträgt, sagt aus, dass der wahre pH-Wert der Mess-lösung mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % maximal um pH = 0,4 vom Messwert abweicht. Bei Halbieren des Wertes für die Unsicherheit beträgt die Wahrscheinlichkeit nur noch 67 %. Die Kenntnis der Unsicherheit kann besonders für Betriebsmessungen bedeutend sein. Es geht z. B. um die Frage „Wann ist ein Grenzwert überschritten?“. Beispiel Für den pH-Wert ist ein Grenzwert von pH = 7,6 angegeben, und der Messwert ist pH = 7,4 mit einer Unsicherheit U(pH) ±0,4. Obwohl der Messwert pH = 7,4 noch unter dem Grenzwert liegt, besteht ein Risiko von 67 %, dass eine Grenzwertüberschreitung vorliegt. Es ist somit sehr gut möglich, dass eine Vergleichsmessung einen Messwert von pH = 7,7 ergibt. Erst bei einem Wert von kleiner pH = 7,2 ist eine Grenzwertüberschreitung nahezu (jedoch nicht völlig) ausgeschlossen. Maßnahmen zur Qualitätssicherung tragen wesentlich zur Minderung der Unsicherheit bei. 5.2 Dokumentation Ein wesentliches Element der Qualitätssicherung ist die Dokumentation aller für die Messung relevanten Informationen. Die Aufzeichnungen dienen als Nachweis für den Zustand der Messeinrichtung und natürlich des Messgutes. Über größere Zeiträume gesammelte Messwerte sind ein gutes Fundament, auf dem Entscheidungen: • zur Wartung der Messeinrichtungen • zur Steuerung der Wasserparameter • zur Fehlersuche bei Störungen • oder zum Neuerwerb vom Messmitteln möglich sind. Voraussetzung für diese und weitere Möglichkeiten ist die vollständige Dokumentation der Messwerte und der Bedingungen, unter denen die Werte erhalten wurden. Dies umfasst die Messbedingungen, Daten der Kalibrierungen und Prüfungen sowie Angaben zur verwendeten Messeinrichtung. Die Dokumentation soll vollständig, gut lesbar und verständlich aufgebaut sein, so dass es auch nach langen Zeiträumen möglich ist, Sachverhalte zu klären. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 55 1 5 Qualitätssicherung Das Aufzeichnen der Messwerte erfolgt normalerweise bereits durch den Messumformer. Für dosierende und regelnde Messeinrichtungen sind zusätzlich Aufzeichnungen von Messungen mit Handmessgeräten zu empfehlen. Eine Regeleinrichtung zeigt unabhängig von ihrem Zustand den Sollwert an. Eine Drift der Messkette gleicht sie z. B. durch eine verstärkte Säure- oder Basedosierung aus. Vergleichswerte zeigen diese Fehldosierung und den Umfang der Abweichung direkt an. 1 Allgemeine Angaben Ein Journal sollte alle Daten über die Messstelle, Messeinrichtung und eventuell durchgeführte Serviceleistungen enthalten: • Bezeichnung und Ort der Messstelle • Genaue Anschrift eines Ansprechpartners • Seriennummern der Bauteile der Messeinrichtung • Anschaffungs- und Inbetriebnahmedatum der Messeinrichtung • Datum und Grund von Reparaturen • Name und Anschrift des Dienstleisters für Service- und Reparaturmaßnahmen Kalibrierdaten Ein Kalibrierprotokoll sollte folgende Daten enthalten: • Bezeichnung und Ort der Messstelle • Seriennummern der Bauteile der Messeinrichtung • Name des Bearbeiters • Bezeichnung, Seriennummer und Haltbarkeitsdatum der verwendeten Pufferlösungen • Art der Kalibrierung (Einpunkt- oder Zweipunktverfahren) • Datum und Daten der Kalibrierung (z. B. Anströmverhalten, Ansprechverhalten, Kettennullpunkt, Steilheit) Messwerte Aufzeichnungen für die Messwerte sollten zusätzlich Angaben zum Datum, Uhrzeit und relevanten Begleitparametern enthalten, z. B. Angabe der Temperatur. Sonstige Angaben Zur vollständigen Dokumentation gehören die zur Messung verwendeten Verfahrensbeschreibungen, inklusive der Beschreibungen für Kalibrierungen, Justiervorgänge, Wartung und Lagerung der Messeinrichtung. Weiterhin sollen alle Gebrauchsanleitungen und sonstigen Vorschriften sowie Anweisungen im Dokumentationsordner hinterlegt sein. 56 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.3 Wartung Eine Messeinrichtung und besonders Messketten altern in Abhängigkeit von den Messbedingungen. Verschleiß und Verschmutzungen schränken ihre Zuverlässigkeit ein und verursachen Mess-abweichungen. Regelmäßiges Kalibrieren hilft, unzuverlässige Bauteile zu erkennen und sie, z. B. durch Reinigung, wieder in einen einwandfreien Zustand zu versetzen. Zwischen den Kalibrierungen ist eine Störung der Messfunktion nur anhand der aufgezeichneten Messwerte zu erkennen. Eine Störung kann sich durch streuende oder von bisher gewohnten Erfahrungswerten abweichende Messwerte zeigen. Die Entscheidung, ob ein normales Ereignis vorliegt oder ein Eingreifen notwendig ist, sollte auf Basis der dokumentierten Daten erfolgen. Streuende Messwerte Streuende Messwerte allein sind noch kein Hinweis auf eine Störung. Die Streuung kann in normalen Änderungen des Wassers bzw. der Messlösung oder im Messverfahren ihre Ursache haben. Messgröße Referenzwert Messwerte Beobachtungszeitraum Abbildung 33: Streuende Messwerte Das Streuen der Messwerte nimmt mit dem Alter der Messkette mehr und mehr zu. Dieser Effekt ist bei Handmessgeräten besonders gut zu beobachten. Die Ursache kann eine verbrauchsbedingte Trägheit der Messkette sein. Bei kontinuierlichen Messeinrichtungen macht sich dieser Effekt durch streuende Kalibrierdaten und meist durch zu kleine Steilheitswerte bemerkbar. Ursache der Trägheit kann ein verbrauchter Elektrolyt oder eine z. B. mit Kalk verschmutzte Membran sein. Eine träge Messkette kostet nicht nur Arbeitszeit, sondern sie kann auch Probleme bei Dosier- und Regelmesseinrichtungen verursachen. Das Maß für die Streuung ist die Standardabweichung, z. B. s = 0,07. Dieser Wert sagt aus, dass zwei von drei Werten maximal um pH = 0,07 vom Mittelwert der Messergebnisse abweichen. Jeder dritte Wert weicht stärker als pH = 0,07 vom Mittelwert ab. Die LAWA empfiehlt eine Abweichung in Größe des doppelten Wertes der Standardabeichung als Warngrenze, in unserem Beispiel entspricht dies einer Abweichung von pH = 0,14. Diese Abweichung ist so groß, dass kaum noch ein Zufall hierfür verantwortlich sein kann. Eine Wartung der Messeinrichtung ist dringend zu empfehlen. Weicht ein Messwert um mehr als das Dreifache vom Mittelwert ab, so liegt eine Außerkontrollsituation vor, also eine eindeutige Änderung der Messbedingungen oder der Messeinrichtung. Die Klärung der Ursache ist dringend zu empfehlen, auch wenn der Messwert selbst noch innerhalb des JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 57 1 5 Qualitätssicherung für den Prozess zulässigen Bereiches liegt. Driftende Messwerte Der als „Driften“ bezeichnete Vorgang ist eine normale Eigenschaft einer Messeinrichtung. Die Messeinrichtung (oder bei einer Regeleinrichtung das Handmessgerät) zeigt pH-Werte, die beständig zu- bzw. abnehmen. Messgröße Referenzwert Messwerte 1 Beobachtungszeitraum Abbildung 34: Driftende Messwerte Ursache für die Drift ist in der Regel die Bezugselektrode. Der Elektrolytverlust, zunehmende Anströmempfindlichkeit und auch Vergiftungen ändern das Potenzial der Elektrode. Diese Potenzialänderung äußert sich im Driften der Messkette. Das aus dem Elektrolytverlust resultierende Driften beschleunigt sich am Ende der Standzeit derart, dass nur noch ein Wechsel der Elektrolytlösung oder der Messkette Abhilfe schafft. Vergiftungen entstehen, wenn z. B. Sulfidionen aus dem Wasser in die Bezugselektrode dringen und das Silber/Silberchloridsystem in ein Silber/Silbersulfidsystem umwandeln oder das Diaphragma blockieren. Cyanidionen können das Silber/Silberchlorid-System schädigen, indem sie das Silberchlorid auflösen. Der Elektrolytverbrauch und die Vergiftung verursachen beim Kalibrieren einen stark verschobenen Kettennullpunkt. Eine Anströmempfindlichkeit fällt beim Kalibrieren häufig nicht auf. Deutlich zeigt sich der Effekt beim leichten Bewegen der Messkette im Wasser. Das Messgerät zeigt bei der bewegten Messkette andere Messwerte für das Wasser als im unbewegten Zustand. 58 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung Plötzliche Messabweichungen Tritt eine deutliche Messwertänderung innerhalb weniger Minuten ein, ist eine elektrische Störung wahrscheinlich. Es kann jedoch auch einfach sein, dass die Messkette nicht mehr ins Wasser taucht. Messgröße Referenzwert Messwerte 1 Beobachtungszeitraum Abbildung 35: Plötzliche Messabweichnung Eine elektrische Störung verursacht eine konstante Messabweichung. In vielen Fällen tritt die Messabweichung auch periodisch bei einer ein/ausschaltenden Störspannungsquelle auf. Extrem instabile Werte Zeigt der Messumformer unrealistische und sehr instabile Werte an, weist dies auf einen unterbrochenen Stromkreis hin, z. B. Kabelbruch, gebrochene Messkette oder unterbrochenen Kontakt in einer Buchse. Sehr instabile Werte liefert die Messkette auch bei einem blockierten Diaphragma, z. B. durch Kalk, Fett oder Öl. Keine Reaktion Bleibt der angezeigte Messwert auch nach Wechsel der Messlösung unverändert, so ist dies ein deutlicher Hinweis auf einen Kurz- oder Nebenschluss. Das Messgerät zeigt meist Werte im Bereich von pH = 7 ±0,5 an. Feuchtigkeit Dringt Feuchtigkeit in die elektrischen Verbindungen, so verhält sich die Messkette ähnlich wie eine verbrauchte Messkette. Im Unterschied zu einer verbrauchten Messkette treten die Symptome deutlicher und in erheblich kürzerer Zeit auf. Häufig weist die Messkette nach dem Verdunsten der Feuchtigkeit wieder einwandfreie Werte auf. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 59 5 Qualitätssicherung 5.3.1 Kritische Einflüsse auf die Bezugselektrode 1 1 2 3 Abbildung 36: Bezugselektrode 1 Reduktion • • • • 3 Vergiftung (Elektrolyt) • • • • • Sulfide Cyanide Ammoniak Schwermetalle Reduktionsmittel Beläge (Diaphragma) • • • • 60 Kurzschluss Feuchtigkeit im Kabel/Stecker falsche Leitung Halbleiterschicht nicht entfernt 2 Ablagerungen Fette Protein organische Substanzen Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.3.2 Kritische Einflüsse auf die pH-Elektrode 4 3 1 1 1 3 2 Abbildung 37: pH-Elektrode 1 Chemie 3 • Flusssäure, pH <5 • Hochkonzentrierte Alkalien • Starke Säuren Beläge • • • • Kalk Gips Fette Proteine JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Mechanisch 4 • Haarrisse • Sand, Steine • Vibrationen Alterung • hohe Temperaturen • extreme pH-Werte Messung des pH-Wertes 61 5 Qualitätssicherung 5.4 Reinigen Zeigt die Messeinrichtung ein Verhalten, das auf eine gestörte Messkettenfunktion hinweist, so ist das Reinigen eine meist wirkungsvolle Maßnahme, um die Störung zu beheben. Das Reinigungsmittel hängt grundsätzlich von der Art der Verschmutzung ab. In den meisten Fällen reicht warmes Wasser mit etwas Haushaltsspülmittel, um Fette und Öle zu beseitigen. Kalk- oder Eisenoxidbeläge lassen sich mit Essig, Zitronensäure oder verdünnter Salzsäure entfernen. Die Membran nie mechanisch reinigen. Auch das Ab- oder Trockenwischen der Membran kann zu Störungen der Messfunktion führen. Nach dem Reinigen die Messkette mit entionisiertem Wasser (destilliertes Wasser) spülen. 1 5.5 Kalibrieren Das Kalibrieren ist nach jeder Wartung (z. B. Reinigen oder Austausch der Messkette), spätestens nach etwa 3 bis 4 Wochen Betriebsdauer, zu empfehlen. 5.6 Lagerung der Messkette Messketten sind nur begrenzt lagerfähig. Lagervorräte sollten nach etwa einem Jahr aufgebraucht sein. Eine Messkette nicht längere Zeit an einem abgeschalteten Gerät angeschlossen lassen. Die benutzte Messkette gründlich reinigen und einlagern. Zum Lagern der Messkette • eine evtl. vorhandene Nachfüllöffnung schließen • die Schutzkappe mit Elektrolytlösung füllen • die gereinigte Messkette in die Schutzkappe stecken • bei längeren Lagerzeiten regelmäßig prüfen, ob genügend Elektrolytlösung in der Schutzkappe ist Die Messkette so lagern, dass keine Feuchtigkeit an den Stecker gelangt. 62 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 6 Quellenangaben Abwasserbehandlungsanlagen sind genehmigungspflichtig. Dadurch ergeben sich für den Betreiber einer solchen Anlage eine Reihe von Pflichten. Diese sind unter anderem: • Einleitungsgenehmigung der Behörde muss vorliegen • bei Neuerrichtung bzw. Umbau von Anlagenteilen müssen die Einleitgenehmigungen neu beantragt werden • festgelegte Grenzwerte sind einzuhalten • Abwasser ist, falls gefordert, den Anforderungen entsprechend zu untersuchen und zu kontrollieren • die rechtlichen Grundlagen sind in entsprechenden EU-Richtlinien, Bundesgesetzen, Landesgesetzen und kommunalen Bestimmungen festgelegt; die in der Übersicht aufgeführten EU-Richtlinien werden kurz- oder mittelfristig in nationales Recht umgesetzt Anhand der nachfolgenden Tabellen kann man sehr gut erkennen, dass Planung, Bau, Inbetriebnahme von Abwasserbehandlungsanlagen keine leichte Aufgabe darstellen und man eine Vielzahl von Paragraphen und Bestimmungen zu beachten ist. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung des pH-Wertes 63 1 6 Quellenangaben 6.1 1 EU-Richtlinien • Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV 2001) • 98/83/EG Trinkwasserrichtlinie • DIN 19266 pH-Messung, Referenzlösungen zur Kalibrierung von pH-Messeinrichtungen, Januar 2000 • DIN 19267 Technische Pufferlösungen vorzugsweise zur Eichung von Technischen Messanlagen, August 1978 • DIN 19268 pH-Messung von klaren wässrigen Lösungen, Mai 2007 • DIN 19643-1 Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser, Teil 1 Allgemeine Anforderungen, April 1997 • DIN 38404 Teil 5 Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung, Physikalische und physikalisch chemische Kenngrößen (Gruppe C), Bestimmung des pH-Wertes (C5), Januar 1984 • ISO 10523 Water quality - Determination of pH, 1994 64 Messung des pH-Wertes JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Kapitel 2 Messung der Redoxspannung Ulrich Braun 2 Bemerkung Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten. Vorwort Neben dem pH-Wert ist die Redoxspannung eine der häufigsten Messgrößen in industriellen und kommualen Abwasseranlagen sowie in Trink- und Badewasser-Überwachungseinrichtungen. Die grundlegenden elektrochemischen Zusammenhänge und typische Anwendungen will dieses Kapitel in allgemein verständlicher Form darstellen. Außerdem werden Hinweise auf den Stand der Technik bei den Messumformern/Reglern und Sensoren für diese Messgröße gegeben. Wir bemühen uns, diese Informationen zur Redoxspannungsmessung stets auf dem neuesten Stand zu halten und rufen die Leserschaft dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mitzuarbeiten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen. Fulda, im April 2012 Ulrich Braun 2 Inhalt 1 Einleitung ........................................................................................ 69 1.1 Begriffsbestimmung Oxidation - Reduktion - Redox-Reaktion ................... 69 2 Grundlagen ..................................................................................... 71 2.1 Entstehung der Spannung ............................................................................... 71 2.2 Gleichungen ...................................................................................................... 75 3 Messtechnik ................................................................................... 77 3.1 Armaturen .......................................................................................................... 77 3.1.1 3.1.2 3.1.3 Eintaucharmaturen .......................................................................................................... 77 Durchflussarmaturen ....................................................................................................... 79 Wechselarmaturen .......................................................................................................... 80 3.2 Elektroden ......................................................................................................... 82 3.3 Messleitung ....................................................................................................... 83 3.4 Messumformer .................................................................................................. 83 3.5 Inbetriebnahme der Messung .......................................................................... 84 3.6 Fehlerursachen ................................................................................................. 85 3.6.1 3.6.2 3.6.3 Fehler Bezugselektrode .................................................................................................. 85 Kalibrierung ..................................................................................................................... 85 Negative Einflüsse auf die Messung ............................................................................... 86 3.7 Digitale pH-/Redox-Sensoren ......................................................................... 87 4 Anwendungen ................................................................................. 89 4.1 Cyanid-Entgiftung ............................................................................................. 89 4.2 Chromat-Reduktion .......................................................................................... 91 4.3 Nitritoxidation .................................................................................................... 92 4.4 Schwimmbadbeckenwasser-Überwachung .................................................. 94 5 Qualitätssicherung ......................................................................... 95 5.1 EU-Richtlinien ................................................................................................... 95 6 Quellenangabe ............................................................................... 97 Messung der Redoxspannung 2 Inhalt 2 Messung der Redoxspannung 1 Einleitung 1.1 Begriffsbestimmung Oxidation - Reduktion - Redox-Reaktion Ein früher zunächst nur sehr schwer zu erklärender Vorgang war das Phänomen der Verbrennung. Dabei nahm man an, dass jeder brennbare Stoff einen „Feuerstoff“ (Phlogiston) enthalte und dieser bei der Verbrennung freigesetzt wird. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts erkannte der französische Chemiker Lavoisier, dass bei der Verbrennung Sauerstoff verbraucht wurde. Er nannte diesen Vorgang Oxidation und übertrug diesen Namen auf alle Vorgänge, bei denen ein Stoff mit Sauerstoff reagierte. Die Rückführung des entstandenen Metalloxids in seinen ursprünglichen Zustand und später auch die Abspaltung von Sauerstoff bei einer chemischen Reaktion wurde als Reduktion bezeichnet. Die Reduktion war somit der gegenteilige Vorgang des Begriffes Oxidation. Auch viele andere Reaktionen der Chemie unterscheiden sich äußerlich nicht von der Verbrennung, aber an ihnen ist kein Sauerstoff beteiligt. Beispiele hierfür sind: • Reaktion von erhitztem Natrium mit Chlor • Reaktion von Wasserstoff mit Chlor • Reaktion von Schwefel mit Chlor Aus diesem Grund und auf Grundlagen der neuen Untersuchungsmethoden begann man den Begriffen Oxidation und Reduktion einen neuen Sinn zu geben. Betrachtet man die Vorgänge näher, die sich bei der Verbrennung von Natrium in Chlor abspielen, erkennt man, dass das Metallatom sein Außenelektron abgibt und zu einem positiv geladenen Ion (Kation) wird. Das freigewordene Elektron wird vom Chloratom aufgenommen, das dadurch zu einem negativ geladenen Ion (Anion) wird. Chloratom (Cl -) Chloratom (Cl) 18e - 17e17p 18nU Elektronenaufnahme 17p+ 18n0 e11p 12n0 11p + 12n0 Elektronenabgabe 10e - 11e Natriumatom (Na) Natriumatom (Na+) Elektronentransfer Abbildung 1: Anordnung der Ionen im Kristallgitter Kochsalzkristall Bildung Kochsalz Die Ursache hierfür liegt in der so genannten Oktett-Regel. Diese besagt, dass viele Atome Moleküle oder Ionen bilden, bei denen die Anzahl der Elektronen auf der äußeren Schale der eines Edelgases entspricht. Ihr kennzeichnendes Merkmal ist, dass die äußerste Schale komplett mit acht Außenelektronen besetzt ist. Diese so genannte Edelgaskonfiguration stellt eine stabile JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 69 2 1 Einleitung Konfiguration dar. Die meisten Edelgase gehen aus diesem Grund keine oder nur sehr schwer chemischen Reaktionen mit anderen Stoffen ein. Grundsätzlich geben Metalle bei Redoxreaktionen Elektronen ab, welche ein Reaktionspartner aufnimmt. Bei der Reaktion von Wasserstoff mit Chlor findet zwar keine Abgabe von Elektronen statt, stattdessen wird eine Atombindung gebildet. Dabei wird das Chloratom stärker an das Wasserstoffatom gezogen. Aufgrund dieser Tatsache hat man für diesen Vorgang, bei dem einem Atom, Ion oder Molekül Elektronen entzogen werden, diesen Vorgang als Oxidation bezeichnet. Oxidation = Elektronenabgabe Da aber Elektronen nie allein in einem System vorkommen können, ist immer ein Partner dabei, der diese Elektronen aufnimmt. Im Falle der Reaktion des Natriums ist es das Chloratom. Diesen Vorgang, eine Aufnahme von Elektronen bezeichnet man als Reduktion. Reduktion 2 = Elektronenaufnahme Diese Vorgänge sind immer miteinander gekoppelt. Bei jeder Redox-Reaktion muss die Anzahl der abgegebenen Elektroden gleich der aufgenommenen Elektronen sein. Man spricht daher auch von einer Elektronenübertragung. Redox-Reaktion = Elektronenübertragung Für das oben aufgeführte Beispiel kann man auch sagen, dass das Natrium oxidiert, und dass das Chlor reduziert worden ist. + Na Na + e - Cl + e Cl - (1) - Andere typische Beispiele von Redox-Reaktionen sind • Auflösen von Metallen in Säure • Oxidation von Eisen-(II) zu Eisen-(III) durch Kaliumpermanganat (KMnO4) • Oxidation von schwefliger Säure (H2SO3) zu Schwefelsäure (H2SO4) durch KMnO4 70 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.1 Entstehung der Spannung Substanzen, die anderen Stoffen Elektronen wegnehmen können (sie oxidieren können), werden als Oxidationsmittel bezeichnet. Es sind also nicht nur Stoffe, die leicht Sauerstoff abgeben können, z. B. Wasserstoffperoxid oder Kaliumpermanganat, sondern alle Stoffe, die in der Lage sind Elektronen aufzunehmen. Auf der anderen Seite sind alle Stoffe, denen leicht Elektronen entzogen werden können, als Reduktionsmittel zu bezeichnen. Am Ende des vorigen Kapitels haben wir bereits einige Vorgänge kennengelernt, die druch RedoxReaktionen hervorgerufen werden. Aber auch die bekannten Erscheinungen • Rosten von Eisen oder • Grünspanbildung bei Kupferdächern beruhen auf Redox-Reaktionen. In der Technik von großer Bedeutung ist die Reduktion von Metalloxiden mit unedlen Metallen. Ein Beispiel für solch eine Reaktion ist der Hochofenprozess für die Stahlgewinnung. Dabei kommt es zu einer Redox-Reaktion zwischen den Eisenoxid-Erzen und der zugefügten Kohle als Reduktionsmittel. Bei den Verdrängungsreaktionen fällt auf, dass man die Stärke von Oxidations- und Reduktionsmitteln leicht in einer „Redoxreihe“ festlegen kann. Dies erreicht man durch einen Vergleich ihrer Redoxpotenziale. Anhand dieser Redoxreihe kann man den oxidierenden oder reduzierenden Charakter einer Spezies ablesen. Reduktionspotenzial nimmt zu Tabelle 1: Metall Normalpotenzial in Volt Redoxsystem Lithium -3,05 Li Kalium -2,92 K Calcium -2,76 Ca Natrium -2,71 Na Magnesium -2,34 Mg Aluminium -1,67 Al Mangan -1,05 Mn Zink -0,76 Zn Chrom -0,56 Cr Eisen -0,44 Fe Kobalt -0,28 Co Nickel -0,23 Ni Zinn -0,14 Sn Blei -0,12 Pb Wasserstoff 0,00 1/2H2 H+ Kupfer +0,35 Cu Silber +0,80 Ag Quecksilber +0,85 Hg Platin +1,2 Pt Gold +1,36 Au Oxidationspotenzial nimmt zu Li+ + e- K+ + e- Ca2+ + 2 eNa+ + e- Mg2+ + 2 eAl3+ + 3 e- Mn2+ + 2 eZn2+ + 2 e- Cr3+ + 3 e- Fe2+ + 2 e- Co2+ + 2 eNi2+ + 2 e- Sn2+ + 2 ePb2+ + 2 e+ e- Cu2+ + 2 eAg+ + e- Hg2+ + 2 ePt2+ + 2 e- Au3+ + 3 e- Elektrochemische Spannungsreihe Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 71 2 2 Grundlagen Folgende Bedeutungen können wir aus dieser Reihe entnehmen: • auf der linken Seite steht die reduzierte Form • auf der rechten Seite die oxidierte Form und die Anzahl der abgegebenen Elektronen • von oben nach unter nimmt das Oxidationspotenzial zu, d. h. es wird immer schwerer die Elektronen abzugeben Li ist das Reduktionsmittel (reduzierte Form), das addiert werden kann und Li+ das Oxidationsmittel (oxidierte Form), das reduziert werden kann. 2 Jedes Metall verdrängt das in der Reihe über ihm stehende Metall aus seiner Salzlösung. Häufig spricht man von edlen und unedlen Metallen. Die edlen, chemisch nur schwer angreifbaren Metalle stehen unten in der Spannungsreihe: Silber (Ag), Gold (Au), Platin (Pt). Dementsprechend sind an der Spitze die unedlen Metalle angesiedelt: Natrium (Na), Kalium (K), Magnesium (Mg). Die Ursache für das Entstehen dieser Redox-Spannung ist also im unterschiedlichen Verhalten der Metalle zu sehen. Ob jetzt ein Metall als Oxidations- oder als Reduktionsmittel wirkt, ist sehr stark vom Reaktionspartner abhängig. Als Beispiel soll die Reaktion von Kupfer (Cu) mit Silber (Ag) näher betrachtet werden. Reaktion Cu/Ag: Cu + 2 Ag + Cu 2+ + 2 Ag (1) In dieser Gleichung wirkt Kupfer gegenüber Silber als Reduktionsmittel und es ändern sich die Oxidationsstufen der eingesetzten Metalle. Dabei ändert sich die Oxidationsstufe des Kupfers von 0 auf +2. Das Silber ändert sich von +1 auf 0. Kupfer gibt also Elektronen ab, die vom Silber aufgenommen werden. Ein weiteres Beispiel eines Kupfer-Zink-Elementes zeigt ein anderes Verhalten. Zn + Cu 2+ Zn 2+ + Cu (2) In diesem Fall nimmt das Kupfer Elektronen vom Zink auf und wirkt somit als Oxidationsmittel. Das Kupfer ändert hier seine Oxidationsstufe von +2 auf 0, während das Zink seine von 0 auf +2 ändert und in Lösung geht. Den Übergang in eine andere Oxidationsstufe kann man quantitativ und qualitativ erfassen. Für die oben beschriebenen Reaktionen heißt das: Das Bestreben des Kupfers in den Ionenzustand zu gehen, hängt in hohem Maße von der Konzentration des Kupfers in der Lösung ab. Je höher die Konzentration an Kupferionen in der Lösung, desto schwieriger wird es für das Kupfer in Lösung zu gehen. Für die Messung der Spannungen werden üblicherweise Lösungen mit einer Konzentration von 1 mol/l verwendet. Der Aufbau einer solchen Messzelle aus einem Metall und seiner entsprechenden Salzlösung nennt man Halbelement (Abbildung 2). Um die Spannung zu messen, werden zwei Halbelemente zu einem Element zusammengeschlossen. Die zwischen den Metallstäben auftretende Spannung wird als Maß, für das Bestreben eines Stoffes in Lösung zu gehen, herangezogen. Eine aus zwei Halbelementen zusammengesetzte Zelle 72 Messung der Redoxspannung Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen wird auch galvanische Zelle genannt. Dabei wird chemische Energie (in Form der Salzlösungen) in elektrische Energie (Gleichspannung) umgewandelt. Zn Pt Wasserstoff Zink-Elektrode ++ Zn Zn Zn ++ Zn Zinksulfatlösung Abbildung 2: Platinblech Salzsäure 2 Halbelement (links) und Normal-Wasserstoff-Elektrode (rechts) Die bekannteste galvanische Zelle ist die Taschenlampenbatterie. In ihr wird aus einem ZinkManganoxid/Kohle-Element die Spannung von 1,5 V erzeugt. Im allgemeinen wird dieses Element daher auch als „Zink-Kohle-Batterie“ bezeichnet. In Abbildung 3 ist der schemasche Aufbau der Batterie dargestellt. 1 2 3 4 5 6 Abbildung 3: 1 3 5 Zink-Kohle-Batterie Metallkappe (+) Zinkbecher (Anode) mit Ammoniumchlorid getränkte Pappe (Elektrolyt) Ausgabe 2012-04 2 4 6 Kohlestab (Kathode) Mangan(IV)oxid Metallboden (-) Messung der Redoxspannung 73 2 Grundlagen Für wissenschaftliche Arbeiten hat sich als zweites Halbelement die Normal-Wasserstoff-Elektrode (NWE) durchgesetzt. Alles was bisher über Metalle gesagt worden ist, trifft auch für den Wasserstoff zu. Das Potenzial (Spannung) wurde willkürlich für die NWE gleich Null gesetzt und ist der Referenzpunkt für die Ermittlung der Spannungswerte. Die so erhaltenen Spannungen werden als Standard- oder Normalpotenziale bezeichnet. Die Spannungen sind umso höher, je weiter die beiden Normalpotenziale auseinanderliegen. Alle Metalle, die in der Reihe über dem Wasserstoff stehen, verdrängen diesen aus verdünnten Säuren. So löst sich ein Zinkblech in einer verdünnten Salzsäurelösung unter Wasserstoffbildung auf. Wiederholt man den gleichen Versuch mit einem Kupferblech passiert nichts, weil Kupfer in der Reihe unter dem Wasserstoff steht und daher keine Elektronen an diesen abgeben kann. Da die Handhabung einer NWE für industrielle Anwendungen nicht geeignet ist, wird in der industriellen Messtechnik auf andere Bezugssysteme zurückgegriffen. Als ein Standard hat sich hierbei die Silber-Silberchlorid-Bezugselektrode (Ag/AgCl) etabliert (Abbildung 4). 2 Abbildung 4: Bezugselektrode 74 Messung der Redoxspannung Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.2 Gleichungen Zahlenmäßig zu erfassen, ist dies über die aus der pH-Messung bekannte Nernst-Gleichung: RT E = E 0 – ------- In K nF (3) Bei 25 °C erhält man mit dem Zehnerlogarithmus: [D]K = [C] -----------------[A] [B] 0,059 E = E 0 – --------------- Ig K n (4) K = Gleichgewichtskonstante der Reaktion n = Anzahl der Elektronen Mit Hilfe der Nernst-Gleichung kann nun rechnerisch der Wert bei unterschiedlichen Konzentrationen1 ermittelt werden. Der Temperatureinfluss auf das Redoxpotenzial ergibt sich aus der Nernst-Gleichung. Zusätzlich kann die Gleichgewichtslage einer Redoxreaktion durch den pH-Wert beinflusst werden. Zusammen mit dem Redoxpotenzial gibt man daher noch Temperatur und pHWert an. Beispiel Galvanisches Zn/Cu-Element, c = 1 mol/l für beide Lösungen Reaktionsgleichung: Zn + Cu 2+ A+B Zn 2+ + Cu (5) C+D Die Konzentration von festen Stoffen ist unveränderlich und wird gleich 1 gesetzt. Zn und Cu entfallen. Dadurch ergibt sich für die obige Gleichung folgende Formel: 2+ 0,059 Zn Cu E = E 0 – --------------- lg ----------------------2+ n Zn Cu 0,059 1 E = E 0 – --------------- lg --n 1 2+ 0,059 cZn E = E 0 – --------------- lg --------------2+ n cCu (6) 0,059 E = 1,10V – --------------- 0 = 1,10V 2 Ändert man jetzt die Konzentration der Kupfersulfatlösung auf einen Wert von c = 0,01 mol/l, ändert sich der Wert für das erhaltene Normalpotenzial wie folgt: 1 Statt der Aktivität der Komponenten wurde hier näherungsweise die Konzentration verwendet. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 75 2 2 Grundlagen 0,059 1 E = 1,10V – --------------- lg ----------2 0,01 (7) 0,059 E = 1,10V – --------------- lg 100 2 E = 1,10V – 0,059 = 1,04V Die Spannung ist kleiner geworden. Die Reaktion hat nicht mehr die gleich große Triebkraft wie zu Anfang mit der konzentrierten Lösung. Hieraus ist aber ersichtlich, dass man mit Hilfe der Normalpotenziale und der Konzentration der beteiligten Lösungen die Spannung des jeweiligen RedoxSystems auch rechnerisch ermitteln kann. Die hierbei erzeugte Spannung bezeichnet man auch als elektromotorische Kraft (EMK). 2 76 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik Die einzelnen Bestandteile, die zur ordnungsgemäßen Funktion einer Redox-Messung benötigt werden, sollen im Folgenden ausführlicher vorgestellt werden. 3.1 Armaturen Elektrochemische Sensoren sind empfindliche Messgeräte. Um diese zum einen optimal in den Prozess einbinden zu können und zum anderen vor mechanischer Beschädigung zu schützen, ist der Einsatz von entsprechenden Armaturen notwendig. Durch optionale Zubehörteile wird zudem verhindert, dass die Sensoren bei abgelassenem Tank „trocken stehen“ und der Sensor zerstört wird. Andererseits sollte eine möglichst „trockene“ Entnahme des Sensors zur Prüfung, Reinigung und Kalibrierung möglich sein. Deshalb sind in der Förderleitung Absperrventile und eine passende Rohrleitungsführung vorzusehen. Bei Leitungen mit höherem Druck müssen die Sensoren vor Druckschlägen (Pumpenlauf oder Ventilabschaltungen) geschützt werden. Elektrochemische Sensoren sind optimaler Weise drucklos in einem Bypass zu montieren. Armaturen für einen Sensor sind zum Einsatz von pH- und Redox-Einstabmessketten geeignet. Es lassen sich typischerweise drei Arten von Armaturen unterscheiden: • Eintaucharmaturen • Durchflussarmaturen und • Wechselarmaturen 3.1.1 Eintaucharmaturen Eintauch-Armaturen ermöglichen nicht nur eine Messung an der Oberfläche der Flüssigkeit, sondern auch in der Tiefe. Diverse Befestigungselemente und Zubehörteile ermöglichen die Montage an fast allen Behältern. Gebräuchlicherweise werden die Eintaucharmaturen aus Polypropylen (PP) gefertigt und in Eintauchlängen bis 2000 mm geliefert. Es stehen für besondere Zwecke aber auch andere Materialien (z. B. Edelstahl 1.4404) zur Verfügung. Enthält das Prozessmedium verschmutzende und verblockende Inhaltsstoffe, die die Sensorspitze und das Diaphragma des Sensors verblocken, so ist von Zeit zu Zeit eine Sensorreinigung erforderlich. Um diese Reinigung automatisiert durchzuführen, können Eintaucharmaturen mit einer Sprühreinigung ausgestattet werden (Abbildung 5). Dazu wird über eine Zuleitung das gewünschte Reinigungsmittel (z. B. Wasser, verdünnte Salzsäure) oder Luft druckbeaufschlagt über eine Reinigungsdüse an die Sensorspitze geführt. Die Reinigung findet direkt im Prozess statt. Die Reinigungsflüssigkeit wird folglich in den Prozess eingeblasen. Er ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Prozess durch das Reinigungsmittel verunreinigt wird. Diese Art der Reinigung ist in Wasser- und Abwasseranwendungen eher unbedenklich, verhindert jedoch den Einsatz in hygienischen Anwendungen. Zudem ist die Reinigungswirkung per se begrenzt. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 77 2 3 Messtechnik Abbildung 5: 2 Eintaucharmatur Typ 202821 mit integrierten Sprühreinigungsdüsen Wird der Behälter oder Tank diskontinuierlich betrieben, so muss sichergestellt werden, dass die Sonde nach dem Entleeren nicht trocken steht. Zu diesem Zweck können Eintaucharmaturen mit einer sogenannten Nasshalteschale ausgerüstet werden. Diese wird am unteren Ende der Armatur (Abbildung 6) mittig befestigt und funktioniert nach dem Prinzip einer Schaukel. Die Schale besitzt an einer Seite einen Schwimmkörper. Ist der Behälter mit Flüssigkeit gefüllt, bewirkt der Auftrieb des Schwimmers, dass die Nasshalteschale sich vom Sensor wegdreht (Abbildung 6, links). Beim Entleeren des Behälters hingegen schwingt die Nasshalteschale zurück und stülpt sich über die Sensorspitze. Die verbliebene Restflüssigkeit in der Schale verhindert in diesem Fall das Austrocknen des Sensors (Abbildung 6, rechts). Abbildung 6: Einsatz einer Nasshalteschale bei gefülltem Behälter (links) und bei entleertem Behälter (rechts) 78 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.1.2 Durchflussarmaturen Durchflussarmaturen ermöglichen die Messung direkt in Rohrleitungen oder im Bypass dieser Leitungen. Sie schützen die eingebauten Sensoren vor Bruch und sorgen durch Ihre spezielle Bauform für eine korrekte Anströmung des Sensors zur Vermeidung von Messfehlern. Sie sind für den Einbau von drei Messsensoren (Abbildung 7, links) oder einem Messsensor (Abbildung 7, rechts) erhältlich. Durch sofortiges Reagieren des Sensors auf Messwertänderungen im Medium werden die Totzeiten in der Regelstrecke gering gehalten. Bei Armaturen ohne eigenem Durchflussgefäß muss bauseits sichergestellt werden, dass der Sensor nicht „trocken steht“ (Einbaubeispiel siehe Abbildung 8). 2 Abbildung 7: Durchflussarmatur Typ 202810/03 mit durchsichtigem Schauglas für den Einsatz von bis zu drei Sensoren (links) Ein syphonartiger Aufbau stellt sicher, dass die Sensoren auch bei Unterbrechung des Durchflusses nicht trocken stehen (links) und Schrägsitzarmatur Typ 202810/01 für einen Sensor (rechts) Abbildung 8: Einbaubeispiel Schrägsitzarmatur Typ 202810/01 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 79 3 Messtechnik 3.1.3 Wechselarmaturen Für Anwendungen, die keine Unterbrechung des Mediumflusses erlauben, ist der Einsatz von Wechselarmaturen sinnvoll. Diese fungieren als „Schleuse“ und ermöglichen das Herausnehmen der Sensoren aus dem Medium zwecks Reinigung, Kalibrierung oder Sensorwechsel unter Prozessbedingungen, ohne durch Absperrventile den Mediumfluss zu unterbrechen. Auch ist ein seitlicher Einbau in einen Behälter möglich, welcher dann eine Sensorentnahme ohne vorherige Behälterentleerung erlaubt. Wechselarmaturen können manuell oder pneumatisch betrieben werden. Zur optimalen Anbindung an den Prozess stehen dem Anwender unterschiedliche Materialien und Anschlussvarianten zur Verfügung. Einige Varianten bieten zudem eine mechanische Sicherungseinrichtung, die das Einfahren des Tauchrohres der Armatur in den Prozess verhindert, sobald kein Sensor eingebaut ist. Dies schützt den Bediener vor unbeabsichtigtem Kontakt mit dem Messmedium. 2 1 2 3 4 Abbildung 9: 1 3 JUMO Manuelle Wechselarmatur Typ 202822 (links) und JUMO pneumatische Wechselarmatur Typ 202823 mit integrierter Spülkammer und Einfahrsperre bei eingebautem Sensor (rechts) Antriebseinheit mit Anschlüssen Spülanschluss „OUT“ 2 4 Spülanschlüsse „IN“ Tauchrohr (in Position „Messen“) Im Gegensatz zur manuellen Wechselarmatur (Abbildung 9, links) lässt sich mit einer pneumatisch betriebenen Wechselarmatur (Abbildung 9, rechts) mit integrierter Spülkammer die Reinigung des Sensors automatisieren. Zum Einsatz kommt diese Art von Armatur bei anspruchsvollen Prozessen, bei denen der Sensor besonderen Belastungen ausgesetzt ist und innerhalb kürzester Zeit verschmutzt (z. B. Messung in der Rauchgaswäsche, wo Feststoffpartikel am Sensor anbacken). Der Sensor ist (wie auch bei der manuellen Version) in einem beweglichen Tauchrohr (4) fixiert. Um ihn in den Prozess zu fahren, wird über Pneumatikanschlüsse der Antriebseinheit (1) der Armatur 80 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik Druckluft zugeführt. Der pneumatische Antrieb fährt das Tauchrohr zusammen mit dem Sensor in das Prozessmedium. Ist eine Reinigung des Sensors erforderlich, wird der Sensor aus dem Prozess in die Position „Service“ hinein in die Spülkammer der Armatur gefahren. Das Tauchrohr verschließt die Kammer zum Prozess hin. Diese wird durch Dichtungen geschützt, damit keine Prozessflüssigkeit eintreten kann. Beim Erreichen der „Service“ Position befindet sich die Sensorspitze nun in der Spülkammer der Wechselarmatur. Dieser kann durch einen externern Spülanschluss [„IN“ (2)] eine Reinigungsflüssigkeit druckbeaufschlagt zugeführt werden. Im Inneren der Spülkammer richten Düsen die Reinigungslösung gezielt auf den Sensor und erlauben eine optimierte Reinigung des Sensors von Belägen und Verschmutzungen. Nach erfolgter Reinigung wird der Sensor durch die Antriebseinheit wieder in die Position „Messen“ gefahren. Abbildung 10 zeigt die schematische Darstellung einer vollautomatischen Reinigung mit der pneumatischen Wechselarmatur Typ 202823, einer optionalen Steuereinheit für die automatische Steuerung und Überwachung der Wechselarmatur und Reinigungsventile sowie den Messumformer JUMO AQUIS 500 pH mit Waschkontakt zum Starten der Steuereinheit. Die Steuereinheit enthält eine vorkonfigurierte Reinigungssequenz mit Vor- und Nachreinigungsfunktion, die sich in der Praxis bewährt hat. Die Reinigungszeiten für bis zu zwei Reinigungslösungen, Messintervalle und Startzeiten können an die jeweilige Anforderung angepasst werden. 2 Abbildung 10: Schematische Darstellung einer vollautomatischen Reinigung mit Messumformer JUMO AQUIS 500 pH, Steuerung, Wechselarmatur Typ 202823, Steuereinheit und Reinigungsventilen JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 81 3 Messtechnik 3.2 Elektroden Metallelektroden bestehen aus einem Glas- oder Kunststoffschaft, an dessen unterem Ende ein Metallstück bestimmter Form eingeschmolzen ist (Pt-Kuppe, Pt- oder Au-Stift). In Verbindung mit einer Bezugselektrode entsteht eine komplette Messkette. Abbildung 11: Platin-Metallelektrode 2 Die Bezugselektrode hat die Aufgabe, bei potenziometrischen Messungen ein konstantes Potenzial zu liefern, gegen welches das Potenzial der Metallelektrode gemessen wird. Sie besteht aus einem Glas- oder Kunststoffschaft, der mit dem Bezugselektrolyten (häufig 3 molare bzw. gesättigte Kaliumchloridlösung flüssig oder geliert oder mit einem Kaliumchlorid-Festelektrolyt) gefüllt und mit einem Ableitsystem versehen ist. Ein Diaphragma (Keramik, Glasseide oder PTFE) in der Schaftwand, stellt die leitende Verbindung zwischen dem Elektrolyten und dem Messmedium her. Abbildung 12: Bezugselektrode Eine Redox-Einstabmesskette enthält Metall- und Bezugselektrode in einem Schaft und stellt somit eine komplette Messkette dar. Es wird nur eine Einbaustelle benötigt. Abbildung 13: Redox-Einstabmesskette 82 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.3 Messleitung Um eine einwandfreie Übertragung des Messsignals zu erhalten, werden in der pH- und RedoxMesstechnik nur spezielle Koaxialleitungen verwendet. Sie stellen die elektrische Verbindung zwischen dem Sensor und dem Messumformer her. Die Leitungen weisen einen speziellen Aufbau auf. Zusätzlich zu einer Kupferschirmung ist eine halbleitende Schicht vorhanden. Ungeeignet sind handelsübliche Antennen- oder Computerkabel. Die Kabel dürfen nicht über Klemmen geführt werden. Außerdem ist die Kabelleitungslänge möglichst kurz zu halten – alleine schon wegen der Notwendigkeit der Messkettenkalibrierung. Bei Leitungslängen > 15 m wird der Einsatz eines Impedanzwandlers (JUMO-Typenblatt 202995) empfohlen. Dieser wird direkt auf die Elektrode aufgeschraubt und kann bei Redox-Messungen zur Stabilisierung des Signales verwendet werden. Zudem erlaubt er die fehlerfreie Messwertübertragung an einen nachgeschalteten Messumformer. 3.4 Messumformer Regelung Der Messumformer hat die Aufgabe, das Signal der Redox-Elektrode aufzubereiten. Im einfachsten Fall ist dies mit einem Zweidraht-Messumformer zu realisieren. Hierbei wird das Elektrodensignal in ein Signal von 4 ... 20 mA umgewandelt und kann so direkt an eine nachgeschaltete SPS weitergegeben werden. Hier wird der Redox-Wert angezeigt und geregelt. Ist eine Anzeige vor Ort erforderlich, kommen Schalttafeleinbaugeräte zum Einsatz. Für die Montage vor Ort sind Geräte mit Vor-Ort-Gehäusen oder separate Aufbaugehäuse lieferbar. Die meisten der heute erhältlichen Geräte sind Mikroprozessorgeräte, die individuell an die jeweilige Messstrecke angepasst werden können. Der Messbereich liegt im Bereich von ±1200 mV. Für die Regelung einer Redox-Reaktion kommen Grenzwertregler zum Einsatz. Eine punktgenaue Dosierung der eingesetzten Chemikalien ist meist nicht erforderlich. Ein Überschwingen des Redox-Wertes ist nicht so problematisch wie bei der pH-Messung, da z. B. bei Entgiftungsreaktionen im Allgemeinen ein Überschuss des Entgiftungsmittels eingesetzt wird. Der Einsatz eines Impedanzwandler ist normalerweise nicht notwendig. Er kann aber gerade bei großen Leitungslängen verwendet werden, um das Signal der Messung zu stabilisieren. Abbildung 14: JUMO AQUIS 500 pH (links), JUMO ecoTRANS pH 03 (mitte) und JUMO dTRANS pH 02 (rechts) JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 83 2 3 Messtechnik 3.5 Inbetriebnahme der Messung Je nach Anwendungsfall muss für die Redoxmessung auch auf die richtige Wahl der Elektrode geachtet werden. Für stark oxidierende Medien, wie z. B. die Chromatreduktion oder die Cyanidentgiftung, eignen sich Goldelektroden bzw. Einstabmessketten mit Goldstiften. Für Anwendungen im Schwimmbadbereich oder bei der Nitritoxidation kommen Elektroden mit Platin als Elektrodenmetall zum Einsatz. Ein weiteres wichtiges Kriterium stellen der Elektrolyt und das Diaphragma dar. Für Mediumstemperaturen bis 90 °C können gel-gefüllte Elektroden verwendet werden. Liegen die Temperaturen höher, empfiehlt sich der Einsatz von Flüssig-KCl-Elektroden oder der Einsatz von Einstabmessketten mit speziellem Hochtemperatur-Elektrolyten. Ist das Messmedium mit starken Verunreinigungen behaftet, werden Elektroden mit Schmutz abweisendem PTFE-Diaphragma eingesetzt. Es können aber auch Einstabmessketten mit einem festen Bezugselektrolyt und Loch- oder Ringspalt-Diaphragma verwendet werden. Hier ist eine „offene Verbindung“ zwischen Messmedium und Elektrolyt vorhanden. Besteht die Gefahr der Verblockung durch Ausfällungen oder Ähnliches nicht, kann die Elektrode mit einem Keramik-Diaphragma versehen sein. 2 Hat man die geeignete Elektrode ausgewählt, so ist beim Einbau der Elektrode darauf zu achten, dass das Metallteil und das Diaphragma gut in die Messlösung eintauchen, da sonst die Messung nicht funktioniert. Bei industriellen Anwendungen (z. B. Entgiftungsreaktionen) empfiehlt sich der Einsatz eines Reinigungssprühkopfes um anfallende Verunreinigungen zu entfernen. Eine Kalibrierung zu Beginn der Messung, wie bei pH-Messungen üblich, ist nicht notwendig. Die Elektroden sind sofort einsatzbereit. Sollte sich der Messwert nur langsam einstellen, so kann die Ursache hierfür in einer Passivierung der Metalloberfläche liegen. Abhilfe kann man hier schaffen, in dem man die Elektrodenoberfläche vorbehandelt. Hinweise hierzu enthält z. B. die DIN 38404, Teil 6: • • • • Entfetten und Reinigen mit Reinigungsmitteln Spülen mit Wasser Behandeln mit Salzsäure Spülen mit Wasser Die weitere Vorbehandlung richtet sich nach der Höhe der zu erwartenden Redox-Spannung und nach der verwendeten Metallelektrode. Bei Einsatz von Goldelektroden ist keine weitere Vorbehandlung notwendig. Platinelektroden werden wie folgt weiterbehandelt: • bei Messung im oxidierenden Medium: Spülen mit einer Ammoniak-Lösung, w(NH3) = 25 % • bei Messung im reduzierenden Medium: Spülen mit Eisen(II)-sulfat- oder Eisen(III)-citrat-Lösung, Spülen mit Wasser in beiden Fällen Hat man diese Hinweise beherzigt, steht einer fehlerfreien Redoxmessung nichts mehr im Wege. 84 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.6 Fehlerursachen 3.6.1 Fehler Bezugselektrode Steilheitsänderungen kommen bei Redoxelektroden nicht vor. Treten trotzdem falsche Messwerte auf, so ist meist eine verschmutzte (kontaminierte) Oberfläche der Elektrode hierfür verantwortlich. Abhilfe kann hier leicht erreicht werden, indem man die Elektrode einer Reinigung unterzieht (destilliertes Wasser, Überschleifen des Elektrodenmetalls mit feinem Scheuerpulver ohne Bleichmittel auf Chlor- oder Sauerstoffbasis). Das Ansprechverhalten der Elektrodenmetalle Gold und Platin hängt von deren Vorgeschichte und Vorbehandlung ab. Bei einem Wechsel des Mediums mit oxidierenden Eigenschaften zu einem Medium mit reduzierenden Eigenschaften oder umgekeht, muss ggf. eine längere Wartezeit in Kauf genommen werden, bis sich ein konstantes Potenzial einstellt. Dies gilt z. B. auch für die JUMOPufferlösung 468 mV. Auch bei den vermeintlich inerten Metallen Gold und Platin kann ein oxidierendes Medium zu einer Veränderung der Oberfläche (Bildung einer Oxidschicht) führen. Platin kann in stark reduzierenden Lösungen Hydride bilden. Die Oberfläche von Redoxelektroden stellt sich erst allmählich auf ein neues Medium ein. Um diese Zeit abzukürzen, kann man die in DIN 38404, Teil 6 empfohlenen Vorbehandlungen für oxidierende bzw. reduzierende Medien einsetzen (Kapitel 3.5 „Inbetriebnahme der Messung“). Pauschale Ratschläge können hier nicht gegeben werden. Die Vorbehandlung ist von dem vorliegenden Messmedium abhängig, ggf. muss eine geeignete Vorbehandlung durch eigene Versuche ermittelt werden. Die Vorbehandlung, die sich als beste Möglichkeit erwiesen hat, sollte dann immer in der gleichen Weise praktiziert werden. Die beschriebenen Oberflächenphänomene an den Elektrodenmetallen können dazu führen, dass die Redoxpotenziale machmal relativ schlecht reproduzierbar sind. Abweichungen von ±25 mV gelten als normal. Gut reproduzierbare Ergebnisse erhält man nur in stark beschwerten Redoxsystemen mit guter Reversibilität. Der Begriff „Beschwerung“ bei Redoxsystemen findet seine Analogie in „Pufferung“ bei Säure-/Basen-Systemen. Bei maximal beschwerten Systemen gilt cred = cox , hierzu gehören beispielsweise auch Redoxpuffer. 3.6.2 Kalibrierung Bei einer Verschiebung der Messwerte kann man eine Ein-Punkt-Kalibrierung durchführen. Bei der Ein-Punkt-Kalbrierung wird der Elektroden-Nullpunkt mit Hilfe einer Pufferlösung (z. B. JUMOPufferlösung 468 mV) neu bestimmt. Der Abgleich auf den neuen Nullpunkt geschieht automatisch im Messumformer nach Starten des Kalibrierprozesses. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 85 2 3 Messtechnik 3.6.3 Negative Einflüsse auf die Messung 1 2 2 3 Abbildung 15: Kritische Einflüsse auf das Bezugssystem 1 Reduktion • • • • 3 Kurzschluss Feuchtigkeit im Kabel/Stecker Falsche Leitung Halbleiterschicht nicht entfernt 2 Vergiftung (Elektrolyt) • • • • • Sulfide Cyanide Ammoniak Schwermetalle Reduktionsmittel Beläge (Diaphragma) • • • • Ablagerungen Fette Protein Organische Substanzen Fehlfunktion im Bezugssystem durch • Feuchtigkeit in der Leitung • falsche Kontaktierung • Halbleiterschicht nicht entfernt • Nebenschluss im Steckerkopf 86 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.7 Digitale pH-/Redox-Sensoren Die Miniaturisierung leistungsfähiger Elektronik ist in den letzten Jahren stark vorangeschritten. Dies hat auch die Entwickler von Sensoren und Messgeräten dazu beflügelt, neue Ansätze bei der Messwertbestimmung zu suchen. Der klassische Aufbau der analogen Messtechnik – insbesondere bei elektrochemischen Messgrößen wie pH und Redox – ist die Trennung des Sensors von weiterführender Elektronik. Dies hat gute Gründe. Die meisten elektrochemischen Sensoren haben ein vergleichsweise kurzes „Leben“, da es sich um Verschleißteile handelt. In bestimmten Anwendungen haben pH-Sensoren oft nur eine Lebensdauer von wenigen Wochen und Monaten. Eine im Sensor integrierte elektronische Schaltung zur Vorverstärkung oder digitalen Messwertumformung wird damit ebenfalls zum „Wegwerfprodukt“. Ist der Sensor verschlissen, so werden alle Teile zu Sondermüll. Neben der ökologischen Seite ist es auch eine ökonomische Frage, ob dies der Anwender auf Dauer möchte. Alles hat seinen Preis: Die Sensoren mit integrierter digitaler Elektronik sind deutlich teurer als herkömmliche analoge. In einigen Nischenanwendungen oder bestimmten Prozessbereichen kann es sinnvoll sein, dass der Sensor durch eine „Elektronik an Bord“ bestimmte Betriebsdaten, Maximal- und Minimalwerte oder Grenztemperaturen abspeichert. Solche Daten bringen aber meist nur dem Sensorhersteller Vorteile: Er kann schnell sehen, ob der Kunde den Sensor stark belastet hat. Damit lassen sich Gewährleistungsansprüche leichter ablehnen. Ein echter Vorteil kann sein, dass der Sensor bereits im Betriebslabor kalibriert werden kann. Bei Messpunkten im Freien oder an schwer zugänglichen Orten wird es der Anwender zu schätzen wissen, wenn er nicht mit Puffer- und Prüflösungen bei Minustemperaturen hantieren muss. Nicht zu unterschätzen ist auch die verbesserte Signalübertragung. Ein digitalisiertes Sensorsignal hat bei der Übertragung Vorteile gegenüber hochohmigen analogen Sensor-Originalsignalen. Ein Nachteil aller am Markt heute schon erhältlichen digitalen Sensorsysteme ist die fehlende Absprache der Hersteller untereinander. Die Systeme sind durch die Bank weg proprietär, d. h. man kann die Sensoren verschiedener Hersteller nicht untereinander austauschen. Die Variantenvielfalt ist oft noch sehr eingeschränkt. Hat man mit den Sensoren eines Herstellers Probleme, kann man nicht einfach zu einem Sensor eines anderen Herstellers greifen. Gleiches gilt für das damit verbundere Preis- und Belieferungsdiktat. Damit begibt man sich freiwillig in eine absolute Abhängigkeit von einem bestimmten Elektrodenhersteller. Lockangebote („undles“) sollen den Kunden für ein solches digitales Paket bestehend aus Sensor, Kabel und Messverstärker (warum wird der eigentlich noch benötigt?) begeistern. Spätestens beim Nachkaufen der verschlissenen Sensoren wird dann richtig Geld verdient. Die Vorgehensweise wurde hier wohl von den Tintenstrahldruckern abgeschaut – verdient wird mit der Tintenpatrone (= Verschleissteil) und nicht am Gerät. Der Anwender muss sich also die Frage stellen, ob ein schneller Einstieg in eines der digitalen Sensorsysteme für den eigenen Anwendungsbereich aus ökonomischer, ökologischer und technischer Sicht sinnvoll und notwendig ist. In den meisten Anwendungen sind die Vorteile eines digitalisierten pH- oder Redox-Sensors unterrangig. Der analoge Sensor mit seiner herstellerunabhängigen Verfügbarkeit und seinem für Verschleißteile unschlagbaren Preis-/Leistungsverhältnis ist und bleibt der Marktstandard. Dies kann man auch der entsprechenden DIN 19263 entnehmen. Dort wird die klassische (analoge) pH- oder Redox-Elektrode beschrieben und der Standard definiert. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 87 2 3 Messtechnik 2 88 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen Die folgenden typischen Anwendungsfälle sollen nachstehend etwas genauer betrachtet werden: • die Cyanid-Entgiftung • die Chromat-Reduktion • die Nitritoxidation und • die Schwimmbadwasser-Überwachung Auf die rechtlichen Aspekte wird im Kapitel 5 „Qualitätssicherung“ eingegangen. 4.1 Cyanid-Entgiftung Entfernung von Cyaniden Ein Beispiel der industriellen Anwendung einer Redox-Messung ist die Entfernung von Cyaniden aus Abwässern. Cyanidhaltiges Abwasser wird in Durchlaufbehandlungsanlagen aufbereitet. Diese bestehen aus den Komponenten: • • • • • • Reaktor (Behälter) Mischer (Rührer) Mess- und Regeleinrichtung (Erfassung verschiedener Parameter) Dosierglieder (Ventile und Pumpen) Chemikalienspeicher (Vorratsbehälter) und Konzentratspeicher (Zwischenlagerung) 2 Cyanid fällt an im Abwasser von: • • • • Galvanikbetrieben Wärmebehandlungsbetrieben Leiterplattenfertigung und bei mechanischen Werkstätten Cyanid und die Stammverbindung Cyanwasserstoff (HCN) sind sehr giftige Substanzen. Die Giftigkeit beruht darauf, dass beide Stoffe mit schwermetallhaltigen Fermenten (Enzymen) des menschlichen Organismus sehr stabile Komplexe bilden und die Fermente dadurch in ihrer Wirkungsweise blockiert werden. Aus diesem Grund ist die Entfernung des Cyanids aus dem Abwasser zwingend notwendig. Die wässrige Lösung des Cyanwasserstoff ist unter dem Namen Blausäure allgemein bekannt. Die Entgiftung des cyanidhaltigen Abwassers erfolgt in Teilreaktionen, die im Nachfolgenden beschrieben werden: • Oxidation des Cyanid zu Chlorcyan • Hydrolyse des Chlorcyan zu Cyanat und • Oxidation des Cyanat zu Kohlensäure und Stickstoff Entgiftung Wie schon erwähnt, wird die Entgiftung in Durchlaufbehandlungsanlagen durchgeführt. Hier wird das Abwasser zunächst dem Reaktor zugeführt. Für die Entgiftung ist ein pH-Wert von pH 10 notwendig, der hier eingestellt wird. Im sauren pH-Bereichen kommt es sonst zur Bildung von Cyanwasserstoff. Durch Zugabe von Natriumhypochlorit-Lösung (NaOCl) setzt sich das Cyanid zu Chlorcyan (ClCN) um (Reaktion 1). Chlorcyan ist ein ebenfalls giftiges Gas mit einer hohen Lös- JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 89 4 Anwendungen lichkeit in Wasser (25 Liter ClCN-Gas/Liter Wasser). Im nächsten Reaktionsschritt erfolgt die Umwandlung in das ungiftige Cyanat (CNO-) (Reaktion 2). Diese Reaktion läuft nur bei sehr hohen pH-Werten ab. Da die erste Teilreaktion nicht pH-abhängig verläuft, wird schon zu Beginn der Entgiftung der hohe pH-Wert eingestellt. Im Allgemeinen wird die Gesamtreaktion mit einem 20%-igen Überschuss an NaOCl durchgeführt. Bei den erwähnten Bedingungen ist die Entgiftung innerhalb von max. 20 Minuten abgeschlossen. Um sicherzustellen, dass alles Cyanid umgesetzt wurde, bestehen aber die genehmigenden Behörden auf Verweilzeiten zwischen 40 und 60 Minuten. Im letzten Teilabschnitt wird das oben erhaltene Cyanat bei pH-Werten um 7 - 8 zu Kohlensäure und Stickstoff oxidiert. Diese Reaktion verläuft innerhalb von 30 Minuten (Reaktion 3). Ist die Entgiftung abgeschlossen, folgen als weitere Schritte die Neutralisation, die Sedimentation, die Filterpresse und die Endkontrolle, bevor das gereinigte Abwasser dem Kanalnetz zugeführt wird. Reaktion 1: - - 2 CN + 2 OCl + 2 H 2 O 2 2 ClCN + 4 OH - (8) Chlorcyan Reaktion 2: 2 ClCN + 4 OH - - - 2 CNO + 2 Cl + 2 H 2 O (9) Cyanat Reaktion 3: - - 2 CNO + 3 OCl + H 2 O 90 Messung der Redoxspannung 2- - N 2 + 2 CO 3 + 3 Cl + 2 H + (10) JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 2 Abbildung 16: Reaktionsverlauf der Cyanidentgiftung 4.2 Chromat-Reduktion Bei der Chromat-Reduktion wird das giftige Cr6+ in Cr3+ umgesetzt. Chromat fällt an bei: • • • • Elektrolysen (Glanz- und Hartchrom) Beiz- und Ätzbädern Herstellung von Aluminium und Chromatierbädern Chromat-Entgiftung Chromat wird im sauren Bereich aus dem Abwasser entfernt. In Abhängigkeit von der Konzentration an H+-Ionen bildet sich im alkalischen Bereich Chromat (CrO42-); im sauren Bereich Dichromat (Cr2O72-). Im Reaktor wird der pH-Wert und die Redoxspannung mit einer pH-Einstabmesskette bzw. einer Gold-Einstabmesskette erfasst. Liegt der pH-Wert über 2,5, wird entweder mit verdünnter Schwefelsäure oder mit Salzsäure der pH auf 2,5 eingestellt. Ein konstanter pH-Wert ist für die quantitative Umsetzung der Reaktion erforderlich. Die Umwandlung von Chrom-(VI) in Chrom-(III) verläuft spontan und äußert sich durch einen Potenzialsprung von einigen 100 mV in Richtung negativer Werte. Bei der Chromat-Entgiftung ist darauf zu achten, dass keine anderen sauren Abwässer in die Anlage eingeleitet werden. Diese könnten durch enthaltene Metalle weitere Redoxsysteme bilden, die letztendlich dazu führen, dass der Potenzialsprung nur noch als Drift zu erkennen ist. Abhilfe kann hier geschaffen werden durch die Zugabe eines starken Reduktionsmittels (z. B. Natriumdithionit). Dadurch werden die anderen Redoxsysteme lahm gelegt. Geringe Mengen sind hier bereits ausreichend. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 91 4 Anwendungen Die Umwandlung der giftigen Chrom-(VI)-Verbindungen in Chrom-(III)-Verbindungen erfolgt nach den folgenden Reaktionsgleichungen: 2- CrO 4 + 4 H 2 O + 3 e - - Cr(OH) 3 + 5 OH (alkalisch) (11) Chromat 2- + Cr 2 O 7 + 14 H + 6 e - 2 Cr 3+ + 7 H 2 O (sauer) (12) Dichromat Als mögliche Entgiftungsmittel können Schwefeldioxid, Sulfite oder Eisen-(III)-verbindungen verwendet werden. Bei Einsatz von Schwefeldioxid (SO2) müssen diese Anlagen abgedeckt und mit einer Absaugeinrichtung versehen werden. 2 Abbildung 17: Reaktionsverlauf bei der Chromatentgiftung Da man Chrom als Schwermetall aus dem Abwasser entfernen möchte, fällt man das im sauren pH-Bereich lösliche Cr3+ durch Neutralisation als Cr(OH)3 aus. 4.3 Nitritoxidation Nitrite sind die Salze der salpetrigen Säure HNO2. Als Zwischenprodukte treten Nitrite auch bei der Nitrifikation und Denitrifikation auf. Diese Zwischenprodukte müssen durch entsprechende Behandlungsmaßnahmen aus dem Abwasser entfernt werden. Dabei werden die Nitrite zu Nitrat oxidiert. Die gebräuchlichste Variante der Nitritoxidation ist die Behandlung des Abwassers mit Natriumhypochlorit-Lösung. Diese Reaktion verläuft am schnellsten in schwach saurem Medium bei 92 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen pH-Werten von 3 - 4. Der Nachweis der Reaktion wird über eine Redoxmessung überwacht (Potenzialsprung). Reaktionsgleichung HNO 2 salpetrige Säure + - + HClO NO 3 Hypochlorit Nitrat + 2H + Cl - (13) Durch Anwesenheit von organischen Verbindungen im Abwasser besteht hierbei jedoch die Gefahr der Bildung von chlorierten Kohlenwasserstoffen. Dies kann man umgehen, wenn man statt Natriumhypochlorit-Lösung mit Wasserstoffperoxid arbeitet. Auch hierbei erhält man als Endprodukt der Umsetzung Nitrat. Der Verlauf der Reaktion ist folgender: HNO 2 + H2 O2 NO 3 salpetrige Wasserstoffperoxid Säure - + + H + H2 O (14) Nitrat Um die Bildung von nitrosen Gasen im schwachsaurem Medium zu verhindern, empfiehlt sich erst die geeignete Menge an Wasserstoffperoxid zuzusetzen und dann den geeigneten pH-Wert einzustellen. Da bei der Oxidation auch Stickoxide entstehen, ist auch hier der Einsatz einer Abdeckung und einer Absauganlage erforderlich. nitrithaltig pH 4 Redoxpotenzial nitritfrei nitrithaltig OCl- -Überschuss NaOCl-Zugabe Abbildung 18: Reaktionsverlauf bei der Nitritentgiftung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 93 2 4 Anwendungen 4.4 Schwimmbadbeckenwasser-Überwachung Im Bundesseuchengesetz ist im §11 festgelegt, wie Schwimm- oder Badebeckenwasser beschaffen sein muss. Es muss so beschaffen sein, dass für den menschlichen Organismus keine Schädigung zu befürchten ist. Aus diesem Grund muss Schwimmbeckenwasser einer besonderen Behandlung zugeführt werden. Dabei spielen der pH-Wert und die Redoxspannung eine wichtige Rolle. Der pH-Wert ist wichtig für die Flockung, die Filtration und die Desinfektion des Wassers. So setzt z. B. ein zu hoher pHWert die desinfizierende Wirkung von Hypochlorit herab. Über die Redoxspannung kann eine Aussage über die keimtötende Wirkung des Schwimmbadwassers gemacht werden. Im Idealfall liegt die Redoxspannung im Bereich von etwa 700 mV. Wird dieser Wert in größeren Bereichen über- oder unterschritten, müssen entsprechende Eingriffe bei der Chlordosierung eingeleitet werden. Die DIN 34408, Teil 6 empfiehlt zur Messung der Redoxspannung in Gewässern eine Durchflussarmatur, um den störenden Einfluss des Luftsauerstoffs auszuschalten. 2 94 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung Abwasserbehandlungsanlagen sind genehmigungspflichtig. Dadurch ergeben sich für den Betreiber einer solchen Anlage eine Reihe von Pflichten. Diese sind unter anderem: • Einleitungsgenehmigung der Behörde muss vorliegen • bei Neuerrichtung bzw. Umbau von Anlagenteilen müssen die Einleitgenehmigungen neu beantragt werden • festgelegte Grenzwerte sind einzuhalten • Abwasser ist, falls gefordert, den Anforderungen entsprechend zu untersuchen und zu kontrollieren Die rechtlichen Grundlagen sind in entsprechenden EU-Richtlinien, Bundesgesetzen, Landesgesetzen und kommunalen Bestimmungen festgelegt. Die in der Übersicht aufgeführten EU-Richtlinien werden kurz oder mittelfristig in nationales Recht umgesetzt. Anhand der nachfolgenden Tabellen kann man sehr gut erkennen, dass Planung, Bau, Inbetriebnahme von Abwasserbehandlungsanlagen keine leichte Aufgabe darstellt und man eine Vielzahl von Paragraphen und Bestimmungen zu beachten hat. 5.1 2 EU-Richtlinien • 98/83/EG Trinkwasserrichtlinie • 91/271/EWG Behandlung von kommunalem Abwasser • 80/778/EWG Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch • 79/869/EWG Messmethoden, Häufigkeit der Probenahmen und Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung • 76/160/EWG Qualität der Badegewässer • 75/440/EWG Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung • Abwasser-/Entwässerungssatzungen der Gemeinden und Zweckverbände JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 95 5 Qualitätssicherung 2 96 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 6 Quellenangabe • Hollemann-Wiberg Lehrbuch der Anorganischen Chemie, de GruyterVerlag Berlin, 1976 • J. Falbe, M. Regitz Römpp - Chemie Lexikon, Thieme Verlag Stuttgart, 1992 • W. Funk, P. Schär Praktikerwissen - Analysenmesstechnik, Verlag J. Mainz GmbH Aachen, 1996 • L. Hartinger Handbuch der Abwasser- und Recyclingtechnik, Hanser-Verlag München, 1991 2 • H. Ebert Elektrochemie, Vogel Verlag Würzburg, 1979 • M. Kawecki, G. Braun Neue Grenzwerte zur Wasser- und Abwasserqualität, Forum Verlag, Merching • DIN 38404, Teil 6, Mai 1984 Bestimmung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung der Redoxspannung 97 6 Quellenangabe 2 98 Messung der Redoxspannung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Kapitel 3 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns 3 Bemerkung Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten. Vorwort Die Leitfähigkeitsmessung ist eine einfach durchzuführende Messtechnik zur Bestimmung und Überwachung der Gesamtsalzkonzentration in Wässern. Sie ist in vielen Bereichen der industriellen und Umweltanalytik zu finden. Ob es in einer Molkerei um die Reinigung der Abfüllleitungen oder im Kraftwerk um den Schutz des Kühlsystems geht, stets hängen die richtigen Maßnahmen vom Leitfähigkeitswert ab. Die zu Grunde liegenden elektrochemischen Zusammenhänge und typischen Anwendungen, stellt dieses Kapitel in allgemein verständlicher Form dar. Außerdem werden Hinweise auf den Stand der Technik bei den Messumformern/Reglern und Sensoren für diese Messgröße gegeben. Wir halten die Informationen zur Leitfähigkeitsmessung, Konzentration und TDS stets auf dem neuesten Stand und rufen unsere Leser dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mitzuarbeiten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen. Fulda, im April 2012 Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns 3 Inhalt 1 Einleitung ...................................................................................... 103 2 Grundlagen ................................................................................... 105 2.1 Motivation von Normen .................................................................................. 105 2.2 Methoden zur Leitfähigkeitsmessung .......................................................... 106 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 Allgemeines ................................................................................................................... Die Zellenkonstante ...................................................................................................... Wechselspannung ........................................................................................................ Messprinzipien .............................................................................................................. Induktiver Sensor .......................................................................................................... Auswahlhilfe .................................................................................................................. 3 Messtechnik ................................................................................. 113 3.1 Aufbau einer Prozesseinrichtung .................................................................. 113 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 Sensoren ....................................................................................................................... Armaturen ..................................................................................................................... Messumformer/Regler .................................................................................................. Leitungsmaterial/Anschlussleitung ............................................................................... 3.2 Inbetriebnahme der Messeinrichtung ........................................................... 117 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 Messort ......................................................................................................................... Kalibrieren/Justieren ..................................................................................................... Messbedingungen ........................................................................................................ Referenzlösungen ......................................................................................................... 4 Anwendungen ............................................................................... 123 4.1 Abwasserreinigungsanlagen ......................................................................... 123 4.2 Galvanikanlagen .............................................................................................. 123 4.3 Getränkeabfüllanlagen ................................................................................... 124 4.4 Kraftwerke ....................................................................................................... 125 4.5 Pharmazie ........................................................................................................ 127 4.6 Vollentsalzungsanlagen .................................................................................. 128 4.7 Konzentrationsmessungen ............................................................................ 129 5 Qualitätssicherung ....................................................................... 131 5.1 Dokumentation ................................................................................................ 131 5.2 Wartung ........................................................................................................... 133 5.3 Probleme/Maßnahmen ................................................................................... 135 5.4 Reinigung ......................................................................................................... 136 5.5 Prüfmöglichkeiten vor Ort .............................................................................. 136 5.6 Lagerung des Sensors ................................................................................... 137 106 107 108 109 111 112 113 114 114 116 117 117 119 122 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 3 Inhalt 6 Quellenangabe ............................................................................. 139 3 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 1 Einleitung Die Messung der elektrolytischen Leitfähigkeit (Konduktometrie) ist nach der pH-Wert-Messung die in der Betriebsmesstechnik am häufigsten eingesetzte elektrochemische Messmethode. Sie wird seit mehr als 100 Jahre in der betrieblichen Praxis verwendet. Die üblichen Messwerte bewegen sich je nach Anwendung beginnend < 1 µS/cm bei Reinstwasser über ca. 1000 µ/S/cm (1 mS/cm) bei Trinkwasser bis > 100 mS/cm bei Reinigungslösungen (verdünnte Säuren und Laugen). Die meisten im Wasser gelösten Feststoffe sind Salze. Diese liegen dann als Elektrolyte (hydratisierte Kationen und Anionen) vor. Durch die Messung dieses Parameters kann demzufolge eine erste schnelle Online-Bewertung der Wasserqualität erfolgen. Je niedriger der gemessene Wert, umso weniger Salze/Schmutz wird im Wasser vermutet. Im Gegenschluss wird bei hoher Leitfähigkeit eine hohe Salzkonzentration vermutet. Da diese Messmethode auf alle Salze anspricht, also unspezifisch ist, ist eine Aussage um welches Salz oder um welche Kombination von Salzen es sich handelt nicht möglich. Diese Eigenheiten und weitere Punkte werden im weiteren Verlauf behandelt. 3 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 103 1 Einleitung 3 104 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.1 Motivation von Normen Die Leitfähigkeit2 ( )3 sagt aus, wie gut ein Material den elektrischen Strom leitet. Bei Metallen ist es die Bewegung von Elektronen, die für den Stromfluss sorgen. Bei wässrigen Lösungen übernehmen Ionen den Ladungstransport. Ionen entstehen beim Lösen von Salzen, Säuren oder Laugen. Je mehr Ionen in der Flüssigkeit vorhanden sind, desto besser leitet sie den Strom. Na Cl Na+ Abbildung 1: Cl- Salze dissoziieren in positiv und negativ gelandene Ionen Dieser Zusammenhang zwischen der Ionenkonzentration und der Fähigkeit den elektrischen Strom zu leiten, macht die Leitfähigkeit zu einer interessanten Messgröße in der Wasseranalytik. Sie eignet sich hervorragend für die Bestimmung der Konzentration der gelösten Salze. Bei der Leitfähigkeitsmessung liegt das Ergebnis nicht in mg/l oder Prozent vor, sondern als Leitfähigkeitswert in S/m (Siemens pro Meter). In der Praxis sind die Untereinheiten µS/cm und mS/cm gebräuchlich. S/m S/cm mS/cm µS/cm S/m 1 0,01 10 10.000 S/cm 100 1 1.000 1.000.000 mS/cm 0,1 0,001 1 1.000 µS/cm 0,000 1 0,000 001 0,001 1 Tabelle 1: 3 Umrechnung von Leitfähigkeitseinheiten Einen Bezug für den Zusammenhang zwischen der Salzkonzentration und der Leitfähigkeit gibt die folgende Tabelle wieder. Wasser bzw. wässrige Lösung Leitfähigkeitsbereich bei 25°C Salzkonzentration Reinstwasser 0,055 µS/cm 0 mg/l Vollentsalztes Wasser 0,055 bis 2 µS/cm 0 bis 1 mg/l Regenwasser 10 bis 50 µS/cm 5 bis 20 mg/l Grund-, Oberflächen- und Trinkwasser 50 bis 1000 µS/cm 20 bis 50 mg/l Meerwasser 20 bis 60 mS/cm 10 bis 40 g/l Kochsalzlösung 77 bis 250 mS/cm 50 bis 250 g/l Tabelle 2: 2 3 Beispiele für Leitfähigkeitswerte Genau handelt es sich um die spezifische elektrische Leitfähigkeit. Das Symbol für elektrische Leitfähigkeit war (Kappa) oder auch (Chi). Seit 1993 ist es nach europäischer Normung laut EN 27888 (Gamma). JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 105 2 Grundlagen 2.2 Methoden zur Leitfähigkeitsmessung 2.2.1 Allgemeines Das Grundprinzip der Leitfähigkeitsmessung ist bei allen Methoden gleich: Das Messgerät erzeugt über die Messlösung eine elektrische Spannung. In Abhängigkeit von der Leitfähigkeit fließt ein elektrischer Strom. Je nach Methode oder Anwendung hält das Messgerät das Spannungssignal konstant und registriert die Änderung des elektrischen Stroms oder es hält den Wert für den Strom konstant und wertet die Spannungsänderung aus. Spannungsmessung Strommessung Elektrisches Potenzial Elektrischer Strom Elektrische Spannung Elektrisches Potenzial 3 Abbildung 2: Schema eines Leitfähigkeitssensors Beide Messprinzipien basieren auf dem Ohm´schen Gesetz: U 1 R = ---- = ---I G (1) R: Elektrischer Widerstand I: Elektrischer Strom U: Elektrische Spannung bzw. für die Leitfähigkeit umgewandelt G: Leitwert I = ---- K U (2) : (spezifische) elektrische Leitfähigkeit I: Elektrischer Strom U: Elektrische Spannung K: Zellenkonstante Bei konstanter Spannung nimmt der Strom proportional mit der Leitfähigkeit zu. Bei konstantem Strom nimmt die Spannung bei steigender Leitfähigkeit ab. Wie aus dem Ohm´schen Gesetz ersichtlich ist, handelt es sich bei Leitfähigkeitsmessungen eigentlich um Widerstandsmessungen. Der Kehrwert I/U macht aus dem Widerstand den Leitwert. 106 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.2.2 Die Zellenkonstante Sowohl der Widerstand als auch der Leitwert hängen von den Dimensionen des elektrischen Leiters ab. Die Länge und die Fläche des Leiters bestimmen die Zellenkonstante. A Randfeld L Randfeld Abbildung 3: Schematische Darstellung der aktiven Fläche Bei einer geringen Länge des Leiters stehen die Elektroden dicht beieinander. Je geringer der Abstand zwischen den Elektroden ist, desto geringer ist der Widerstand der Messlösung. Der Einfluss der Elektroden auf die Ionen nimmt zu. Eine große Fläche des Leiters ist gleichbedeutend mit großen Elektrodenflächen. Je größer die Flächen der Elektroden sind, desto geringer ist der Widerstand der Messlösung. Mit zunehmenden Flächen gelangen immer mehr Ionen in den Einflussbereich der Elektroden. Die Fläche des elektrischen Leiters ist in der Regel größer als die Elektrodenfläche. Die Elektroden wirken nicht nur auf Ionen, die sich direkt zwischen den Elektrodenflächen, sondern auch auf solche, die sich auf Randfeldern befinden. Der Einfluss der Elektrodenrandfelder auf die Ionen nimmt mit dem Abstand ab. Begrenzt sein können die Randfelder durch die Konstruktion der Zelle oder den Einbauort, z. B. Rohrwände. Diese Einflüsse sind in der Zellenkonstante berücksichtigt: L K = --A (3) K: Zellenkonstante L: Länge des Leiters A: Fläche des Leiters Somit handelt es sich bei der (spezifischen) elektrischen Leitfähigkeit um eine stoffspezifische Größe, welche im Gegensatz zum Leitwert G nicht von geometrischen Faktoren abhängt. Den genauen Wert für die Zellenkonstante ergibt eine Kalibrierung mit einer Referenzlösung, deren temperaturabhängige Leitfähigkeit bekannt ist. Auf die Konstanz der Zellenkonstante haben mehrere Faktoren Einfluss. Es sind mechanische, chemische und elektrische Faktoren zu nennen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 107 3 2 Grundlagen Der mechanische Faktor rührt einerseits von den Fertigungstoleranzen und andererseits von den während des Betriebs auftretenden temperaturbedingten Längenänderungen ab. Die Fertigungstoleranzen werden durch die Kalibrierung mit Referenzflüssigkeiten ausgeglichen. Temperaturbedingte Längenänderungen werden schon während der Konstruktion der Zelle berücksichtigt und minimiert. Der chemische Faktor tritt zwangsläufig bei höheren Leitfähigkeiten auf und ist unter dem Begriff Polarisation bekannt. Gegen diesen Effekt helfen nur Anpassungen der verwendeten Materialien der Zelle und Optimierung der Messfrequenz des Messumformers. Der elektrische Faktor fällt bei niedrigsten Leitfähigkeiten ins Gewicht. Hier sind möglichst kleine Messfrequenzen zu verwenden, damit die kapazitiven Einflüsse des Leitungsmaterials und des Sensors keine unzulässigen Messwertverfälschungen erzeugen. Vor allem der chemische Faktor erzwingt verschiedene Zellenausführungen (Zellenkonstanten und Zellenmaterialien) für die unterschiedlichen Messbereiche. Zellenkonstante 3 Kapazitive Einflüsse Abbildung 4: Quasi konstante Zellenkonstante Polarisationseffekt Leitfähigkeit Einflüsse auf die Zellkonstante 2.2.3 Wechselspannung Der elektrische Strom zwischen den Elektroden hängt von der Bewegung der Ionen in der Messlösung ab. Die Ionen bewegen sich während der Messung auf die jeweils entgegen gesetzt geladene Elektrode zu. Jedes Ion, das an eine der Elektrodenoberflächen gelangt, gleicht einen Teil der Spannung zwischen den Elektroden aus. Da es nicht mehr beweglich ist, blockiert es den Stromfluss. Diesem Effekt (Polarisation) kann eine Wechselspannung entgegenwirken. Durch den ständigen Wechsel der Polarität gelangt nur eine geringe Ionenmenge an die Elektroden, und dies auch nur für eine kurze Dauer. Je mehr Ionen die Lösung enthält, also je höher die Leitfähigkeit ist, desto höher muss die Frequenz sein, die das Messgerät verwendet, um eine Polarisation der Elektroden vorzubeugen. Moderne Messgeräte (z. B. der Messumformer/Regler JUMO dTRANS CR 02) passen die Messfrequenz dem Messbereich an, um optimale Messergebnisse zu erzielen. 108 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.2.4 Messprinzipien • konduktives Prinzip: Zwei-Elektrodensensoren, Vier-Elektrodensensoren • induktives Prinzip Zwei-Elektrodensensoren Es ist die einfachste Bauform für einen Leitfähigkeitssensor. Für die allgemeine Betriebsmesstechnik sind Zwei-Elektrodensensoren völlig ausreichend. Diese Zelle besteht aus zwei Elektroden und einem Schaft, der die beiden Elektroden fixiert. Zwischen den Elektroden liegt eine konstante Wechselspannung an. Der über die Messlösung fließende Strom ist das Messsignal. Bei diesem Zellentyp kommt es je nach Anwendungszweck auf die Zellenkonstante und die Beschaffenheit der Elektrodenoberfläche an. Strommessung Strom Spannung Abbildung 5: 3 Schema eines Zwei-Elektrodensensors Eine kleine Zellenkonstante bedeutet ein großes Messsignal. Für kleine Leitfähigkeitswerte ist dieser Effekt erwünscht. Bei höheren Messwerten kann es die Aufnahmefähigkeit des Messgerätes überfordern. Die optimale Zellenkonstante ist somit eine Frage des Messbereiches. Beispiel-Anwendungen Leitfähigkeitsbereich Destillat, Kondensat, Reinst-, vollentsalztes Wasser < 10 µS/cm K 0,1 cm-1 Grund-, Oberflächen- und Trinkwasser < 10 ... 10.000 µS/cm K 1 cm-1 Meerwasser und Salzlösungen > 10 mS/cm K 10 cm-1 Tabelle 3: Zellenkonstante Zellenkonstante für verschiedene Leitfähigkeitsbereiche mit Beispiel-Anwendung Bei Sensoren mit einer Konstante K 0,1 cm-1 sind die Elektrodenoberflächen glatt, um das Einstellverhalten bei kleinen Leitfähigkeiten zu verbessern. Sensoren mit einer Konstante K > 0,1 haben raue Elektrodenoberflächen, um die Neigung bei höheren Leitfähigkeitswerten zu polarisieren, zu mindern. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 109 2 Grundlagen Vier-Elektrodensensoren Die Sensoren enthalten zwei Elektrodenpaare. Ein Paar misst den Strom, der über die Messlösung fließt, das zweite die über die Messlösung anliegende Spannung. Strommessung Spannung/Strom Spannung Spannungsmessung 3 Abbildung 6: Schema einer Vier-Elektrodensensoren Vorteil der Vier-Elektrodensensoren ist die Unempfindlichkeit gegenüber störenden Widerständen, wie z. B. durch lange Anschlussleitungen, Verschmutzungen oder durch Polarisation. Diese Effekte führen zu Minderbefunden, da sie die von den Elektroden an die Messlösung angelegte Spannung reduzieren. Das zweite Elektrodenpaar erfasst die Spannung über die Messlösung. Das Messgerät kann einen störenden Widerstand auf Basis der gemessenen Strom-/Spannungswerte der beiden Elektrodenpaare durch eine elektronische Anpassung berücksichtigen. Das Konduktometer berechnet den Leitfähigkeitswert nach der Gleichung (2): I = ---- K U (4) : (spezifische) elektrische Leitfähigkeit I: Elektroscher Strom U: Elektrische Spannung K: Zellenkonstante Ein zusätzlicher Widerstand, z. B. ein Schmutzbelag, verringert den Strom und die Spannung stets im gleichen Verhältnis. Da das Messgerät beide Größen misst kann es, innerhalb seiner Spezifikationen, den Leitfähigkeitswert berechnen. Beispielanwendung: CIP-Prozesse in Pharma-/Bioprozessen reinigen z. B. mit Lauge (Messwerte im mS/cm-Bereich) und „End-Spülen“ mit z. B. VE-Wasser (Messwert um ca. 5µS/cm). In Kombination mit entsprechenden Messgeräten (z. B. JUMO dTRANS CR 02 bzw. JUMO AQUIS 500 CR) kannmit einer Messstelle der komplette Prozess überwacht werden. 110 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.2.5 Induktiver Sensor (1) (2) (3) (4) Abbildung 7: 1 3 Schematische Darstellung eines induktiven Sensors Sensorkörper (PEEK) Temperaturfühler 2 4 3 Messspulen Flüssigkeitsschleife Bei dieser Zelle ersetzen zwei Spulen die Elektroden. Eine der Spulen ist die Erregerspule. In dieser Spule fließt ein Wechselstrom, der ein Magnetfeld im Umfeld der Spule erzeugt. Im Kern der Spule befindet sich die Messlösung. Das Magnetfeld der Spule induziert in der Messlösung den zur Messung notwendigen Stromfluss. Der in der Messlösung fließende Strom erzeugt seinerseits ein Magnetfeld. Dieses Magnetfeld induziert in der zweiten Spule (Empfängerspule) einen Wechselstrom mit der dazugehörigen Spannung. Die Spannung der Empfängerspule hängt direkt von dem in der Messlösung fließenden Strom, also von der Leitfähigkeit ab. Da ein Magnetfeld auch über ein Kunststoff- oder Teflonrohr wirkt, ist kein direkter Kontakt der Spulen mit der Messlösung notwendig. Die Vorteile dieser kontaktlosen Messtechnik sind offensichtlich. Die Messung aggressiver Medien, wie Säuren oder Laugen, ist problemlos möglich. Hohe Leitfähigkeiten können keine Polarisationseffekte und somit keine Minderbefunde verursachen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 111 2 Grundlagen 2.2.6 Auswahlhilfe Messwert/Anforderung < ca. 50 µS/cm Messprinzip Sensor-Beispiel • Zwei-ElektrodenPrinzip Mögliche Anwendung • Rein- und Reinstwasser • RO-Wasser • EDI-Wasser ca. 50 µS/cm < • Zwei-ElektrodenPrinzip • Induktiv • Trinkwasserüberwachung • einfache Spülprozesse • Induktiv • • • • • Vier-ElektrodenPrinzip • CIP • Bio-/Pharmaprozesse < ca. 30 mS/cm saubere Medien (keine Beläge) 3 > ca. 50 µS/cm Verschmutzung/Beläge (z. B. Öl, Fett, Kalk) möglich Molkerei, Brauerei CIP Konzentrationsmessung Aufschärfungen Chemikalien 1 µS/cm < < 600 mS/cm hohe Dynamik eine Einbaustelle Tabelle 4: Auswahlhilfe 112 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik Das optimale Konduktometer hängt von der jeweiligen Anwendung ab. Im Labor sind es Tischgeräte, vor Ort Handmessgeräte und für eine kontinuierliche Messung im Prozess Messumformer. Für alle Anwendungen, bei denen ein vollständiges Bild über den Salzgehalt eines Wassers notwendig ist, gibt es keine Alternative zur kontinuierlichen Messung. 3.1 Aufbau einer Prozesseinrichtung Der Begriff Messeinrichtung umfasst die komplette, zur Leitfähigkeitsmessung verwendete Geräteausstattung, bestehend aus: • • • • Leitfähigkeitsgeber (Sensor) Eintauch- oder Durchflussarmatur Messumformer (Messgerät) Anschlussleitung 3.1.1 Sensoren Zwei- und Vier-Elektrodensensoren bestehen aus einem Schaft und den Elektroden, wichtig für die Anwendung ist die Zellenkonstante und die Beschaffenheit der Elektrodenoberflächen. Leitfähigkeit: 10 µS/cm: > 10 µS/cm bis 10 mS/cm: > 10 mS/cm: Abbildung 8: 3 Zwei-Elektrodensensoren K 0,1 /cm, glatte Elektrodenflächen Induktive-, Zwei- oder Vier-Elektrodensensoren K 1 /cm, raue Elektrodenflächen Induktive- oder Vier-Elektrodensensoren K 1 /cm, raue Elektroden Zwei-Elektrodensensoren mit Zellkonstante K = 0,01 (links) und K = 0,1 (rechts) JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 113 3 Messtechnik 3.1.2 Armaturen Armaturen dienen der Befestigung und dem Schutz des Sensors. Eintaucharmaturen ermöglichen nicht nur eine Messung an der Oberfläche der Flüssigkeit, sondern auch in der Tiefe. Diverse Befestigungselemente und Zubehörteile ermöglichen die Montage an fast allen Behältern. Gebräuchlicherweise werden die Eintaucharmaturen aus Polypropylen (PP) gefertigt und in Eintauchlängen bis 2000 mm geliefert. Es stehen für besondere Zwecke aber auch andere Materialien (z. B. V4A) zur Verfügung. Durchflussarmaturen ermöglichen die Messung direkt in Messgutförderleitungen oder im Bypass dieser Leitungen. Für alle Armaturen gilt, dass sie gut zugänglich angebracht sein müssen, um die regelmäßige Wartung und Prüfung der Sensoren zu ermöglichen. Ein Wechsel des Sensors sollte jederzeit ohne größeren Aufwand realisierbar sein. Bei der Montage der Sensoren ist darauf zu achten, dass das Randfeld (Kapitel 2.2.2 „Die Zellenkonstante“) nicht gestört wird. D. h. es muss immer ein Mindestabstand zwischen Sensor und begrenzender Fläche (Rohrwandung, Behälterwandung ö. ä.) eingehalten werden. 3.1.3 Messumformer/Regler 3 Der Messumformer hat die Aufgabe, das Signal des Sensors aufzubereiten. Hierbei wird das Sensorsignal in ein Normsignal (z. B. Stromsignal I = 4 ... 20 mA) umgewandelt und kann so direkt an eine nachgeschaltete SPS oder Dosiereinheit weitergegeben werden. Diese übernehmen die Anzeige und die Regelung der Leitfähigkeit. Ist eine Anzeige vor Ort erforderlich, kommen entsprechende Schalttafeleinbaugeräte zum Einsatz. Für die Montage vor Ort sind entsprechende Aufbaugehäuse oder spezielle Geräte mit Vor-Ort-Gehäusen lieferbar. Die meisten der heute erhältlichen Geräte sind Mikroprozessorgeräte, die individuell an die jeweilige Messstrecke angepasst werden können. Diese Anpassung umfasst einerseits die Kalibrierung der Zellenkonstante und andererseits die Kalibrierung des Temperaturkoeffizienten (Kapitel 3.2.2 „Kalibrieren/Justieren“). Für die Regelung der Leitfähigkeit kommen hauptsächlich Grenzwertregler zum Einsatz. Abbildung 9: Messumformer/Regler für Leitfähigkeit, TDS, Widerstand, Einheitssignale und Temperatur JUMO dTRANS CR 02; Schalttafelgehäuse (links) und Aufbaugehäuse (rechts) 114 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik Abbildung 10: JUMO AQUIS 500 CR - Messumformer/Regler für Leitfähigkeit, TDS, Widerstand und Temperatur 3 Abbildung 11: Kopfmessumformer JUMO CTI-750 - mit Edelstahlgehäuse (rechts), abgesetzte Version mit Kunststoffgehäuse (links) JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 115 3 Messtechnik 3.1.4 Leitungsmaterial/Anschlussleitung Aufgrund der modernen und präzisen Messtechnik der heutigen Messumformer sind nur noch wenige Punkte bei der Wahl des Leitungsmaterials zu berücksichtigen wie z. B. • als Leitungsmaterial sollte eine abgeschirmte Steuerleitung zum Einsatz kommen • die Leitungsführung sollte stets direkt sein, d. h. Klemmdosen, nachträgliche Kabelverlängerungen oder Zwischenstecker sollten vermieden werden • die Leitungen nicht parallel zu Leitungen größerer elektrischer Verbraucher führen Geeignete Anschlussleitung: z. B. JUMO-Typ 2990-9 (Längenangabe) - 0 3 116 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.2 Inbetriebnahme der Messeinrichtung 3.2.1 Messort Nach der Wahl einer optimalen Messeinrichtung folgt die Inbetriebnahme. Sie umfasst nicht nur die Montage der Messeinrichtung, sondern auch die Wahl des richtigen Messortes. Die Messeinrichtung zeigt jeweils nur den Leitfähigkeitswert an, der am Ort der Messung herrscht. Vorgaben für die Wahl des Messortes geben z. B. anwendungsorientierte Normen und Verordnungen. 3.2.2 Kalibrieren/Justieren Für die Installation genügt es, die Zellenkonstante auf die Angaben in der Anleitung zum Sensor einzustellen. Zur Prüfung der einwandfreien Funktion des Messumformers sind Prüfwiderstände erhältlich. Diese Widerstände simulieren einen definierten Leitfähigkeitswert. Während der Prüfung muss der Temperaturkoeffizient auf 0%/K eingestellt sein! Kalibrieren der Zellenkonstante Produktionsbedingt unterliegen die Zellenkonstanten handelsüblicher Zellenabweichungen von bis zu ±10%. Dies erscheint nur bei erster Betrachtung sehr ungenau zu sein – ein falsch eingestellter Temperaturkoeffizient kann wesentlich größere Messfehler zur Folge haben. Im Normalfall, d. h. bei höheren Leitfähigkeitsmessbereichen, spielt die „Ungenauigkeit“ der Zellenkonstanten praktisch keine Rolle. Bei Inbetriebnahme einer Leitfähigkeitsmessstelle können – bei höheren Anforderungen an die Messgenauigkeit – Sensor, Messleitung und Messumformer durch den Inbetriebnehmer oder bei Wartungen durch den Servicetechniker, aufeinander abgestimmt werden. Hierzu bieten moderne Messumformer (z. B. der JUMO dTRANS CR 02) umfangreiche Möglichkeiten (z. B. automatische Bestimmung der Zellenkonstanten, Kalibrieren mit Referenzlösungen.). Die Zeitabstände zwischen zwei Kalibrierungen sind vom Einsatzgebiet des Sensors abhängig. Der Temperaturkoeffizient ( ) Die Leitfähigkeit einer Lösung ist temperaturabhängig; deshalb müssen für eine ordnungsgemäße Messung sowohl die Temperatur als auch der Temperaturkoeffizient der Messlösung bekannt sein. Die Temperatur kann entweder mit einem Temperaturfühler (z. B. Pt100 oder Pt1000) automatisch gemessen werden oder sie muss vom Anwender manuell eingestellt werden. Der Temperaturkoeffizient kann vom Leitfähigkeits-Messumformer automatisch ermittelt oder manuell eingegeben werden. Auch hier stellt der JUMO dTRANS CR 02 entsprechende Kalibrierroutinen zur Verfügung. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 117 3 3 Messtechnik T [°C] 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 0 0,0 -12,5 -25,0 -37,5 -50,0 -62,5 10 0,0 -7,5 -15,0 -22,5 -30,0 -37,5 20 0,0 -2,5 -5,0 -7,5 -10,0 -12,5 25 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 30 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 40 0,0 7,5 15,0 22,5 30,0 37,5 50 0,0 12,5 25,0 37,5 50,0 62,5 60 0,0 17,5 35,0 52,5 70,0 87,5 70 0,0 22,5 45,0 67,5 90,0 112,5 75 0,0 25,0 50,0 75,0 100,0 125,0 80 0,0 27,5 55,0 82,5 110,0 137,5 90 0,0 32,5 65,5 97,5 130,0 162,5 100 0,0 37,5 75,0 112,5 150,0 187,5 Tabelle 5: 3 Tk [%/K] Änderung der Leitfähigkeit in % in Abhängigkeit der tatsächlichen Temperatur [°C] und des tatsächlichen Temperaturkoeffizienten [%/K], Referenztemperatur 25 °C Leitfähigkeit Leitfähigkeit 2 bei 75 °C Leitfähigkeit 1 bei 25 °C 25 °C 75 °C Temperatur Abbildung 12: Leitfähigkeit einer Lösung bei unterschiedlichen Temperaturen. Im Beispiel ist die Leitfähigkeit 2 ca. doppelt so hoch wie die Leitfähigkeit 1. Beispiel Bei einer tatsächlichen Temperatur von 75 °C und einem realen Temperaturkoeffizienten von 2 %/K ändert sich die Leitfähigkeit um 100 %; d. h. sie verdoppelt sich! 118 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik Konsequenz Ein Gerät ohne Temperaturkompensation zeigt im Gegensatz zu einem Gerät mit korrekt eingestellter Temperaturkompensation den doppelten Wert an. 3.2.3 Messbedingungen Die einwandfreie Messung setzt Kenntnisse einiger wichtiger Einflussgrößen der Leitfähigkeitsmessung voraus. Temperatur/Temperaturkoeffizient/Referenztemperatur Die Leitfähigkeit hängt außer von der Salzkonzentration auch von der Temperatur ab. Da nur die Salzkonzentration von Interesse ist, kompensiert das Messgerät den Temperatureinfluss. Es rechnet den gemessenen Leitfähigkeitswert auf eine Referenztemperatur um. Das heißt, das Messgerät zeigt nicht den Leitfähigkeitswert an, den die Messlösung gerade hat, sondern einen Wert, den die Lösung bei der Referenztemperatur haben würde. Bei einer geänderten Messlösungstemperatur bleibt der angezeigte Wert unverändert. T [°C] Tk [%/K] 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 0 -50,0 -37,5 -25,0 -12,5 0,0 12,5 25,0 10 -30,0 -22,5 -15,0 -7,5 0,0 7,5 15,0 20 -10,0 -7,5 -5,0 -2,5 0,0 2,5 5,0 25 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 30 10,0 7,5 5,0 2,5 0,0 -2,5 -5,0 40 30,0 22,5 15,0 7,5 0,0 -7,5 -15,0 50 50,0 37,5 25,0 12,5 0,0 -12,5 -25,0 60 70,0 52,5 35,0 17,5 0,0 -17,5 -35,0 70 90,0 67,5 45,0 22,5 0,0 -22,5 -45,0 75 100,0 75,0 50,0 25,0 0,0 -25,0 -50,0 80 110,0 82,5 55,0 27,5 0,0 -27,5 -55,0 90 130,0 97,5 65,0 32,5 0,0 -32,5 -65,0 100 150,0 112,5 75,0 37,5 0,0 -37,5 -75,0 Tabelle 6: 3 Anzeigefehler in % bei falsch eingestelltem Temperaturkoeffizienten, Temperaturkoeffizient der Messlösung 2,0 %/K, Referenztemperatur 25 °C Beispiel Bei einer aktuellen Temperatur von 75 °C und einem am Gerät eingestellten Temperaturkoeffizienten von 1 %/K ist der angezeigte Messwert bezogen auf den tatsächlichen Wert um 50 % zu hoch. Die Referenztemperatur ist je nach Anwendung auf 25 °C oder 20 °C festgelegt. Hierbei sind die Leitfähigkeitswerte bezogen auf T = 20 °C stets niedriger als die auf T = 25 °C bezogenen Werte. Für Trinkwasser (Temperaturkoeffizient ca. 2,1 %/K) beträgt der Unterschied der Anzeigewerte 10,5 %. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 119 3 Messtechnik T[°C] Tk [%/K] 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 0 50 40 30 20 10 0 -10 10 30 25 20 15 10 5 0 20 10 10 10 10 10 10 10 25 0 2,5 5 7,5 10 12,5 15 30 -10 -5 0 5 10 15 20 40 -30 -20 -10 0 10 20 30 50 -50 -35 -20 -5 10 25 40 60 -70 -50 -30 -10 10 30 50 70 -90 -65 -40 -15 10 35 60 75 -100 -72,5 -45 -17,5 10 37,5 65 80 -110 -80 -50 -20 10 40 70 90 -130 -95 -60 -25 10 45 80 100 -150 -110 -70 -30 10 50 90 Tabelle 7: 3 Anzeigedifferenz in % bei unterschiedlicher Referenztemperatur von Betriebsund Referenzmessgerät sowie abweichender Einstellung des Temperaturkoeffizienten am Referenzmessgerät, Temperaturkoeffizient beim Betriebsmessgerät 2,0 %/K, Referenztemperatur am Betriebsmessgerät 25 °C, Referenztemperatur am Referenzmessgerät 20 °C Beispiel Bei einer aktuellen Temperatur von 40 °C und einem am Referenzgerät eingestellten Temperaturkoeffizienten von 2,5 %/K zeigt das Betriebsmessgerät 20 % mehr an, als das Referenzgerät. Jede Messlösung zeigt ein individuelles Temperaturverhalten. Bei Grund-, Oberflächen-, Trink- und kommunalem Abwasser nimmt die Leitfähigkeit, bezogen auf den Leitfähigkeitswert bei T = 25 °C, um 2,1 %/K zu. Für die Temperaturkompensation, also das Umrechnen auf den Wert einer Referenztemperatur, enthält das Messgerät eine mathematische Funktion, die Temperaturkompensationsfunktion. Der Temperaturkoeffizient kennzeichnet das Temperaturverhalten der Messlösung und muss dementsprechend eingestellt sein. Messlösung Temperaturkoeffizient Temperaturbereich Kaliumchlorid C(KCl) = 0,01 mol/l (25 °C) 1,9 %/K = 18 ... 25 °C Phosphorsäure C(H3PO4) = 0,01 mol/l (25 °C) 0,9 %/K = 18 ... 25 °C Salzsäure C(HCl) =0,01 mol/l (25 °C) 1,4 %/K = 18 ... 25 °C Tabelle 8: Beispiele für Temperaturkoeffizienten Die Leistungsfähigkeit der Temperaturkompensation ist einfach prüfbar: • Messlösung auf Referenztemperatur (±1 K) temperieren • Leitfähigkeit messen und notieren 120 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik • Messlösung um ca. 10 K erwärmen bzw. abkühlen. Es dürfen keine Substanzen durch chemische Reaktionen, Ausfällungen oder Ausgasen, verlorengehen • die Differenz zum Wert bei der Referenztemperatur entspricht der Messabweichung aufgrund der Temperaturkompensation; gegebenenfalls den Temperaturkoeffizienten auf das Verhalten der Messlösung einstellen Höhe h Schmutz und Beläge Lösung ite Bre b Länge l 3 Abbildung 13: Reale Elektroden in einer Messlösung Schmutz auf den Elektroden führt, durch die Verringerung der Fläche der Elektrode, zu einem kleineren Messwert. Bei einem Zwei-Elektrodensensor erhält das Messgerät nur das Stromsignal. Für den Spannungswert verwendet es die an die Elektroden des Sensors angelegte Klemmspannung. Bei einem Belag auf den Elektroden erhält das Gerät nur das geringere Stromsignal und berechnet einen zu kleinen Wert für die Leitfähigkeit. Vor einer Messung sollte sichergestellt sein, dass der Sensor einen einwandfreien Zustand aufweist. Der Zustand lässt sich mit einer Referenzlösung feststellen: • • • • Temperaturkoeffizient am Messumformer auf 0 %/K stellen Referenzlösung auf die Referenztemperatur ±1 K temperieren (20 °C oder 25 °C) Sensor mit etwas Referenzlösung spülen Leitfähigkeit der Referenzlösung messen und mit dem Soll-Wert für die Referenzlösung vergleichen Kaliumchloridkonzentration Leitfähigkeit bei 20 °C Leitfähigkeit bei 25 °C C(KCl) = 0,01 mol/l 1278 µS/cm 1413 µS/cm C(KCl) = 0,1 mol/l 12,2 mS/cm 12,9 mS/cm C(KCl) = 3 mol/l 275 mS/cm 298 mS/cm Tabelle 9: Leitfähigkeiten typischer Referenzlösungen • bei einer zu großen Messabweichung die Elektroden des Sensors reinigen JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 121 3 Messtechnik Polarisation Zur Messung wird eine Wechselspannung verwendet. Das Messgerät erhöht die Frequenz mit zunehmender Leitfähigkeit. Bei Zwei-Elektrodensensoren gibt es jedoch stets eine maximale Leitfähigkeit, ab der die Polarisation nicht mehr vollständig zu unterbinden ist, es kommt zu deutlichen Minderbefunden. Diese Minderbefunde treten bei induktiven und Vier-Elektrodensensoren nicht auf. 3.2.4 Referenzlösungen Referenzlösungen dienen als Kalibriermittel für die Messeinrichtung. Es handelt sich um wässrige Kaliumchloridlösungen mit bekannten Leitfähigkeitswerten. Nach ihren Eigenschaften sind Referenzlösungen in primäre Referenzlösungen, sekundäre Referenzlösungen und Arbeits-Referenzlösungen unterschieden. Primäre Referenzlösungen weisen die geringste Unsicherheit der Leitfähigkeitswerte (U( ) = 0,03 %) auf. Sie werden vorwiegend in den metrologischen Instituten eingesetzt. Sekundäre Referenzpufferlösungen haben die gleiche Zusammensetzung primärer Lösungen. Die Unsicherheit der Leitfähigkeitswerte liegt bei U( ) = 0,12 %. Arbeits-Referenzlösungen sind Lösungen für die Praxis; ihre Unsicherheit hängt vom Hersteller ab, sollten jedoch im Bereich von U( ) ±0,4 % bis U( ) ±1 % liegen. Arbeits-Referenzlösungen sind bestens für Kalibrierungen von Betriebs- und Handmesseinrichtungen geeignet. 3 Referenzlösungen gibt es für den Bereich von etwa 100 µS/cm bis zu 10 mS/cm. Für höhere Werte stehen Empfehlungen für die Herstellung entsprechender Lösungen zur Verfügung. Es genügt eine der Lösungen, um den oberen Teil des zulässigen Messbereiches zu prüfen. Störende Einflüsse, wie die Polarisation oder Schmutz, wirken sich hier am deutlichsten aus. Häufig ist von der Rückführbarkeit der Referenzlösungen die Rede. Die Rückführbarkeit bezieht sich auf deren Leitfähigkeitswert. Es bedeutet, dass der Leitfähigkeitswert direkt oder über Zwischenlösungen (z. B. sekundäre Referenzlösung) gegen eine primäre Referenzlösung vom Hersteller geprüft wurde. Beispiel Arbeits-Referenzlösung r sekundäre Referenzlösung r primäre Referenzlösung oder r Arbeits-Referenzlösung r primäre Referenzlösung Die Rückführung der Leitfähigkeitswerte ist eine Grundlage für die Berechnung der Unsicherheit. 122 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen Leitfähigkeitsmessungen sind in vielen Bereichen der Technik und des Umweltschutzes von Bedeutung. Je nach Anwendung findet die Messung im Labor, mit einem Handgerät vor Ort oder kontinuierlich, z. B. im Prozess, statt. Folgende praktische Anwendungsfälle sollen etwas genauer betrachtet werden: Die Leitfähigkeitsmessung in • • • • • • • Abwasserreinigungsanlagen Galvanikanlagen Getränkeabbfüllanlagen Kraftwerken Pharmazie Vollentsalzungsanlagen und Konzentrationsmessungen 4.1 Abwasserreinigungsanlagen Die Leitfähigkeit häuslicher Abwässer ist etwas höher als die des in der Gegend verwendeten Trinkwassers. Je höher der Leitfähigkeitswert für das Trinkwasser ist, desto geringer fällt die relative Zunahme bei den Abwasserwerten aus. Leitfähigkeitsmesseinrichtungen sind in kommunalen Abwasserreinigungsanlagen nur vorhanden, wenn industrielle Einleitungen eine stärkere Zunahme der Leitfähigkeit erwarten lassen. Häufiger sind Leitfähigkeitsmesseinrichtungen in industriellen Anlagen vertreten, wie folgende Beispiele zeigen sollen. Die Messeinrichtung hängt von der Art der Verschmutzungen, der Temperatur oder auch chemischen Angriffen ab. In Bezug auf Verschmutzungen sind Vier-Elektrodensensoren (Messungen in Becken und Gerinnen) oder induktive Sensoren (Messungen in Leitungen oder bei aggressiven Abwässern) optimal. Bei Abwässern, die mit signifikanten Mengen an Chemikalien belastet sind und/oder große Temperaturschwankungen aufweisen, sollte der Messumformer einen ausreichend großen Einstellbereich für den Temperaturkoeffizienten zur Verfügung stellen. 4.2 Galvanikanlagen Das Wasser der Spülbäder fließt in einem Kreislauf. Ein Ionenaustauscher entsalzt es, bevor es zurück in das Spülbecken gelangt. Die ionogenen Inhaltsstoffe des Spülwassers halten die Ionenaustauscherharze zurück. Diese Substanzen fallen bei der Regeneration in konzentrierter Form jedoch in geringen Flüssigkeitsmengen an. Der Ionenaustauscher reagiert nicht auf das Volumen des Wassers, sondern auf dessen Salzlast. Da sich durch die Regeneration der Harze der Gesamtsalzgehalt im Abwasser mindestens verdoppelt, kommt es auf ein Minimieren des Gesamtsalzeintrages an. Dies lässt sich durch Standspülen oder langsam durchflossenes Vorspülen erreichen. Die Konzentration einer einzelnen Standspüle soll im Mittel 10 % des vorhergegangenen Prozesswassers nicht überschreiten. Sehr günstig ist daher eine Vorspülkaskade. Das Reinwasser soll für die meisten Zwecke eine Leitfähigkeit von weniger 30 µS/cm besitzen. Eine Standardmesseinrichtung ist für diese Anwendung ausreichend. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 123 3 4 Anwendungen 4.3 Getränkeabfüllanlagen Getränkeabfüllanlagen, sei es für Bier, Limonade, Milch oder Wein, stellen besonders hohe Anforderungen hinsichtlich der Hygiene. Dies gilt in Hinsicht auf den Verbraucherschutz als auch für die Haltbarkeit der Getränke. Nach einem Abfüllvorgang werden die Tanks und Leitungen gründlich gereinigt. Wichtig ist ein anschließender Spülvorgang, der das Reinigungsmittel vollständig beseitigt. Ein zu langer Spülvorgang erhöht zum einen die Kosten für die Frischwasserzufuhr, zum anderen nimmt das Abwasservolumen unnötig zu. Die Leitfähigkeitsmessung bietet gleichzeitig die Möglichkeit, die Konzentration des Reinigungsmittels zu kontrollieren und den genauen Zeitpunkt für dessen anschließende Beseitigung zu bestimmen. Der Sensor muss den manchmal sehr aggressiven und heißen Reinigungsmitteln widerstehen können und für die bisweilen sehr hohen Leitfähigkeitswerten geeignet sein. Ideal für diese Anwendung ist die induktive Messtechnik, da die Messeinrichtung selbst keinen Kontakt mit der Messlösung hat. 3 Frischwasser pH i. Lf. CIP-Rücklauf Heißwasser Stapelwasser i.Lf. Lauge i.Lf. Säure CIP-Vorlauf Zum Abwassersammeltank (Neutralisation/ Endkontrolle/Kanal) pH i.Lf. Getränkeproduktion, Abfüllanlage usw. Der Messumformer sollte variabel auf das Temperaturverhalten der Messlösung einstellbar sein, da die Temperatur und das Temperaturverhalten der Spüllösungen zwischen den Spülvorgängen stark variieren können. Abbildung 14: Prinzipbild einer CIP-Anlage 124 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 4.4 Kraftwerke Allgemeines Für den Gebrauch in Kraftwerken ist besonders reines Wasser notwendig. Dieses Wasser hat den Nachteil, dass es sehr aggressiv ist und erhebliche Korrosionsschäden verursachen kann. Erst nachdem ein Wasser eine Anzahl an Vorbehandlungsschritten durchlaufen hat, ist es im Kraftwerk verwendbar. Kesselspeisewasser Das Kesselwasser dient zur Dampferzeugung. Beim Verdampfungsprozess bleiben gelöste Verunreinigungen zurück, sodass deren Konzentration mit der Zeit zunimmt. Bei zu hohen Konzentrationen lagern sich gefährliche Deckschichten an den Kesselwänden ab. Die Wärmeisolation der Deckschicht kann die Leistungsfähigkeit des Kessels leicht um mehr als 10 % mindern. Beschädigungen der Deckschicht in Verbindung mit einer lokalen Überhitzung des Wasser führten in der Vergangenheit wiederholt zu Kesselexplosionen. Das Zuführen von Kesselspeisewasser dient daher nicht nur als Ersatz für das verdampfte Kesselwasser, sondern es muss gleichzeitig die Konzentration der Verunreinigungen senken. Das Kesselspeisewasser selbst soll möglichst frei von gelösten Substanzen sein, lediglich ein Alkalisierungsmittel, z. B. Ammoniak, darf vorhanden sein. Die Grenze für die Wasserverunreinigungen ist über den Langlier-Index aus der Leitfähigkeit berechenbar. Sie ist für das Kesselspeisewasser auf (25 °C) = 0,2 µS/cm festgelegt. Kondensat Das durch Kondensieren des Wasserdampfs aufgefangene Wasser hat eine derartige hohe Reinheit, dass es direkt wieder zur Kesselspeisung verwendbar ist. Es handelt sich praktisch um destilliertes Wasser. Allerdings können Verunreinigungen durch ein Leck der Kondensatorkühlung in das Kondensat gelangen. Selbst kleine Leckagen lassen sich jedoch durch einen Vergleich der Leitfähigkeitswerte, vor und nach der Kühlung, sofort feststellen. Kühlwasser Um die Generatoren vor Korrosionsschäden zu schützen, ist auch hier eine hohe Reinheit des Wassers im Kühlwasserkreislauf notwendig. Ein hoher Sicherheitsgrad vor Korrosionsschäden lässt sich durch drei im System angeordnete Leitfähigkeitsmessstellen erreichen. Ist bei zwei der drei Messstellen der Grenzwert überschritten, wird eine Notabschaltung ausgelöst. Messung Reines Wasser stellt erhebliche Anforderungen an die verwendete Messtechnik. Bereits kleinste Verunreinigungen aus der Luft oder des Materials der Messeinrichtung können die Leitfähigkeit deutlich erhöhen. Die Leitfähigkeitsmessung wird daher im Durchfluss gemessen. Das Material des Sensors und des Durchflussgefäßes dürfen nicht selbst die Leitfähigkeit beeinflussen, wie es z. B. bei Verwendung von Glas der Fall ist. Für diese Anwendung haben sich Sensoren und Gefäße aus VA-Stahl bestens bewährt. Reinstwasser hat eine sehr niedrige Leitfähigkeit. Eine Zellenkonstante von K = 0,1 cm-1, besser K = 0,01 cm-1, ist eine Voraussetzung für ein ausreichendes Messsignal des Sensors. Eine weitere Maßnahme zur Verstärkung des Messsignals ist ein vor dem Sensor angebrachter, stark saurer Ionenaustauscher. Er verstärkt das Signal um einen Faktor 3 bis 4, weil enthaltene Kationen gegen Wasserstoffionen mit einer höheren Äquivalenzleitfähigkeit ausgetauscht werden. Des Weiteren beseitigt der Austauscher den störenden Einfluss des Alkalisierungsmittels. Eine bedeutende Eigenschaft des Messumformers ist die Temperaturkompensation. Beim Kondensator ist die Temperatur vor dem Kühler deutlich höher als dahinter. Um auch kleine Leitfähigkeitsdifferenzen sicher erkennen zu können, muss der Umformer die beiden Werte zuverlässig JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 125 3 4 Anwendungen auf die Referenztemperatur kompensieren. Im Kühlsystem unterscheiden sich die Temperaturen durch die räumliche Trennung der Messstellen. Erst eine zuverlässige Temperaturkompensation macht den Vergleich der Messwerte möglich. Das Temperaturverhalten bei diesen sehr niedrigen Leitfähigkeiten hängt von zwei Faktoren ab. Es sind • die Eigenleitfähigkeit des Wassers und • die Leitfähigkeit der gelösten Substanzen Leitfähigkeit in µS/cm 0,300 0,250 0,200 0,150 0,100 0,050 0,000 0 10 3 20 30 40 50 60 Temperatur in °C Abbildung 15: Gesamtleitfähigkeit des Wassers (helle Linie), Eigenleitfähigkeit des Wassers (schwarze Linie) Das Temperaturverhalten der Eigenleitfähigkeit des Wasser entsteht im Wesentlichen durch die Dissoziation der Wassermoleküle und die Viskosität des Wassers. Dieses Verhalten ist sehr stark ausgeprägt. Moderne Messumformer für Leitfähigkeitsmessung im Reinstwasser berücksichtigen diese Zusammenhänge bei der Temperaturkompensation automatisch (siehe auch Kapitel „Reinstwassermessung“). 126 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 4.5 Pharmazie Die pharmazeutische Industrie verwendet Wasser, das den Anforderungen der nach USP (water conductivity <645>) entsprechen muss. Die Entscheidung, ob ein Wasser geeignet ist oder nicht, hängt von der Leitfähigkeit und vom pH-Wert ab. Messung Die Leitfähigkeitsmessung erfolgt unkompensiert. Die Messwertewerte dürfen hierbei die Grenzwerte folgender Tabelle nicht übersteigen: Temperatur in °C Leitfähigkeit in µS/cm Temperatur in °C Leitfähigkeit in µS/cm 0 0,6 55 2,1 5 0,8 60 2,2 10 0,9 65 2,4 15 1,0 70 2,5 20 1,1 75 2,7 25 1,3 80 2,7 30 1,4 85 2,7 35 1,5 90 2,7 40 1,7 95 2,9 45 1,8 100 3,1 50 1,9 - - 3 Tabelle 10: USP-Grenzwerte nach water conductivity <645>, Stage 1 Kohlensäuretest (Stage 2) Sollte der Wert dennoch höher sein, gibt es noch zwei Testverfahren, bei deren positivem Ergebnis die Verwendung des Wassers noch zulässig ist. Die Wasserprobe wird bei einer Temperatur von = 25 ±1 °C stark gerührt. Beträgt der Leitfähigkeitswert maximal 2,1 µS/cm, so ist das Wasser für die Produktion nutzbar. Bei einem höheren Wert muss eine pH-Messung die Entscheidung über die Verwendbarkeit des Wassers bringen. pH-Test Ein Zusatz von 0,3 ml gesättigte Kaliumchloridlösung pro 100ml Wasserprobe erfolgt, um die pHMessung zu stabilisieren. Die Temperatur soll während der Messung konstant 25 ±1 °C betragen. Der gemessene pH-Wert muss nun zwischen 5,0 und 7,0 liegen. Weiterhin darf die Leitfähigkeit der Messlösung die folgenden Tabellenwerte nicht übersteigen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 127 4 Anwendungen pH Leitfähigkeit in µS/cm pH Leitfähigkeit in µS/cm 5.0 4,7 6.1 2.4 5,1 4,1 6.2 2.5 5.2 3,6 6,3 2.4 5.3 3.3 6,4 2.3 5,4 3,0 6.5 2.2 5,5 2.8 6.6 2.1 5,6 2.6 6.7 2,6 5.7 2.5 6.8 3,1 5,8 2,4 6,9 3,8 5,9 2.4 7,0 4.6 6.0 2,4 Tabelle 11: USP-Grenzwerte nach water conductivity <645>, Stage 3 3 Für die Verwendung in der pharmazeutischen Industrie muss der Hersteller des Leitfähigkeitsmessgerätes ein Kalibrierzertifikat liefern. Die Auflösung des Gerätes muss mindestens 0,1 µS/cm betragen. Die Unsicherheit des Gerätes (ohne Unsicherheit der Zelle) soll höchstens U( ) ±0,1 uS/cm betragen. Die maximale Unsicherheit bezogen auf den Sensor beträgt U( ) ±2 %. 4.6 Vollentsalzungsanlagen Entionisiertes Wasser gehört in analytischen Laboratorien und auch in vielen Bereichen der Industrie zu einer selbstverständlichen Gegebenheit. Das Wasser entsteht vorwiegend in Ionenaustauscheranlagen, aber auch durch Umkehr-Osmose und Destillation. Die Leitfähigkeit soll dem vorgesehenen Verwendungszweck angepasst sein. Verschiedene „Laborwasserqualitäten“ werden z. B. in DIN ISO 3696 („Wasser für analytische Zwecke“) oder in ASTM D 1193-99e1 („Standard specification for reagent water“) definiert. Besonders Ionenaustauscher haben nur eine begrenzte Kapazität. Ist diese überschritten, können zuerst Natrium- bzw. Chloridionen die Barriere, die der Austauscher darstellt, durchbrechen. Die Leitfähigkeit des Wassers nimmt zu und zeigt die Erschöpfung des Austauschermaterials an. Eine kontinuierliche Überwachung verhindert, dass Wasser einer minderen Qualität zum Gebrauch kommt. Der Sensor und das Durchflussgefäß sollten aus Stahl bestehen. Materialien wie Glas verursachen Überbefunde durch die Abgabe von ionischen Bestandteilen. Beim Messumformer ist die Temperaturkompensation bedeutend. Das Temperaturverhalten bei sehr niedrigen Leitfähigkeiten hängt von zwei Faktoren ab. Es sind • die Eigenleitfähigkeit des Wassers • und die Leitfähigkeit der gelösten Substanzen Nach Erschöpfung des Austauschermaterials durchdringen zuerst Natrium- und Chloridionen den Austauscher. Diese Ionen weisen ein eigenes Temperaturverhalten auf. Moderne Messumformer für Leitfähigkeitsmessung im Reinstwasser berücksichtigen diese Zusammenhänge bei der Temperatur-Kompensation automatisch. 128 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen Konzentrationsmessungen Leitfähigkeit in S/cm 4.7 KCl HCl H2SO4 NaOH 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 50 60 70 80 Konzentration in Gew. % bei 20 °C Abbildung 16: Konzentrationsabhängigkeit der Leitfähigkeit (für verschiedene Stoffe) Ein Leitfähigkeitsmesswert gibt keine Information über die Art der gelösten Substanzen. Den Messwert können beliebige Ionen erzeugt haben. Für Lösungen wechselnder oder einer unbekannten Zusammensetzung steht der Leitfähigkeitsmesswert stellvertretend für einen Konzentrationswert. Anders sieht es für Lösungen bekannter Zusammensetzungen aus. In diesem Fall kann die Leitfähigkeitsmessung sehr genaue Konzentrationswerte liefern. Auf Basis einer Tabelle oder einer Kalibrierfunktion ist die Umrechnung des Leitfähigkeitswertes direkt in den entsprechenden Konzentrationswert möglich. In einigen Anwendungsbereichen ist die Anzeige eines Konzentrationswertes anstelle des Leitfähigkeitswertes üblich (z. B. Aufschärfen von Säuren bzw. Laugen). Der Zusammenhang von Leitfähigkeit und Konzentration von Säuren und Laugen ist in weiten Bereichen nicht linear und kann daher nur von mikroprozessor gesteuerten Geräten in benötigter Genauigkeit reproduzierbar dargestellt werden. JUMO CTI-750 zur Visualisierung DC 24 V NaOH Konzentration 0 ... 10 Gew.% Natronlauge (NaOH) Temperatur 30 ... 50 °C Abbildung 17: Der JUMO CTI-750 errechnet direkt die aktuelle Konzentration JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 129 3 4 Anwendungen TDS (Total Dissolved Solids oder der in Deutschland gebräuchliche Begriff Filtrattrockenrückstand) Dieser Wert ist z. B. für die Grundwasseranalytik und auch den Kraftwerksbereich von Bedeutung. Weiterhin wird dieser Wert zur Bewertung der Trinkwasserqualität (z. B. in den USA, arabischen und asiatischen Ländern) herangezogen. Verschiedene Organisationen haben zu diesem Thema Grenzwerte veröffentlicht. • WHO (World Health Organisation) < 1000 mg/l • USEPA (United States Environmental Protection Agency) < 500 mg/l Die normgerechte Bestimmung erfolgt gravimetrisch, d. h. • Probe filtrieren • Filtrat eindampfen • Rückstand wiegen Zur Online-Messung benutzt man die Leitfähigkeitsmessung. Es genügt ein einziges Mal, den Umrechnungsfaktor zu bestimmen. Er entspricht dem Verhältnis zwischen dem Leitfähigkeitswert des Wassers und dem Wert für den gravimetrisch bestimmten Filtrattrockenrückstand. Der Faktor bewegt sich im Bereich von 0,55 bis 1,0. Ein allgemein üblicher Wert für Trinkwasser liegt bei ca. 0,67. Bei modernen Geräten, wie z. B. dem JUMO AQUIS 500 CR, kann dieser Faktor individuell eingegeben und damit eine möglichst exakte Messung erreicht werden. 3 Salinität In der Meerwasseranalytik ist die Angabe der Salinität gebräuchlich. Früher bezog sich der Salinitätswert in ‰ auf die International Oceanographic Tables (IOT), in denen die Leitfähigkeitswerte auf eine Salzlösung bezogen sind, deren Zusammensetzung der mittleren Zusammensetzung von Meerwasser entspricht. Heute ist der Salinitätswert dimensionslos und auf eine Kaliumchloridlösung (32,4356 g/Kg) bezogen. Natriumchloridäquivalent Im Kraftwerksbereich ist das Natriumchloridäquivalent gebräuchlich. Dieser Wert gibt die Leitfähigkeit in mg/l NaCl wieder. Diese Angabe beruht auf der Kenntnis, dass Natrium- und Chloridionen zuerst durch die Ionenaustauscheranlage schlüpfen. 130 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung Der Begriff Qualitätssicherung bezog sich früher im Wesentlichen auf die Herstellung von Erzeugnissen, z. B. Stereoanlagen, Messgeräte oder Käse. Die Analytik war ein Mittel zum Nachweis der Qualität. Im Rahmen der GLP und Zertifizierungsmaßnahmen, z. B. nach ISO 9000 mussten sich auch Laboratorien im Rahmen von Standardarbeitsvorschriften (SOP) stärker mit Fragen zur Qualität von Messverfahren und Messwerten auseinandersetzen. Dieser Prozess setzte sich stetig fort, sodass heute auch in der Prozessmesstechnik Regeln zur Qualitätssicherung einzuhalten sind. Beispiele hierfür sind die Merkblätter der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), die Richtlinie in den Deutschen Einheitsverfahren ENV ISO 13530 oder das Merkblatt der Abwassertechnischen Vereinigung ATV-DVWK M 704. Wie genau ist ein Leitfähigkeitsmesswert? Eine Antwort zur Genauigkeit von Messwerten ist praktisch nicht möglich. Die Angabe der Genauigkeit setzt voraus, dass der wahre Messwert bekannt ist - dies ist in der Praxis nicht der Fall. Schätzen lässt sich die Unsicherheit eines Messwertes. Der Begriff „schätzen“ sollte jedoch nicht mit dem Begriff „ungefähr“ assoziiert werden, sondern mit einer fachkundigen Beurteilung. Die Angabe, dass die Unsicherheit U( ) ±5 % beträgt, sagt aus, dass der wahre Leitfähigkeitswert der Messlösung mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % um nicht mehr als, ±25 µS/cm von einem Messwert = 500 µS/cm abweicht. Bei Halbieren des Wertes für die Unsicherheit beträgt die Wahrscheinlichkeit nur noch 67 %. Die Kenntnis der Unsicherheit kann besonders für Betriebsmessungen bedeutend sein. Es geht z. B. um die Frage, wann ist ein Grenzwert überschritten. Beispiel Für die Leitfähigkeit ist ein Grenzwert von = 1000 µS/cm angegeben und der Messwert ist = 970 µS/cm mit einer Unsicherheit U( ) ±6 %. Obwohl der Messwert = 970 µS/cm noch unter dem Grenzwert liegt, besteht ein Risiko, dass eine Grenzwertüberschreitung vorliegt. Erst bei einem Wert von kleiner = 940 µS/cm ist eine Grenzwertüberschreitung nahezu - jedoch nicht völlig - ausgeschlossen. Maßnahmen zur Qualitätssicherung tragen wesentlich zur Minderung der Unsicherheit bei. 5.1 Dokumentation Ein wesentliches Element der Qualitätssicherung ist die Dokumentation aller für die Messung relevanten Informationen. Die Aufzeichnungen dienen als Nachweis für den Zustand der Messeinrichtung und natürlich des Messgutes. Über größere Zeiträume gesammelte Messwerte sind ein gutes Fundament, auf dem Entscheidungen möglich sind, z. B.: • • • • zur Wartung der Messeinrichtungen zur Steuerung der Wasserparameter zur Fehlersuche bei Störungen oder für den Neuerwerb von Messmitteln Voraussetzung für diese und weitere Möglichkeiten ist die vollständige Dokumentation der Messwerte und der Bedingungen, unter denen die Werte erhalten wurden. Dies umfasst die Messbedingungen, Daten der Kalibrierungen und Prüfungen sowie Angaben zur verwendeten Messeinrichtung. Die Dokumentation soll vollständig, gut lesbar und verständlich aufgebaut sein, sodass es auch nach langen Zeiträumen möglich ist, Sachverhalte zu klären. Die Messwerte werden normalerweise bereits durch den Messumformer aufgezeichnet. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 131 3 5 Qualitätssicherung Allgemeine Angaben Ein Journal sollte alle Daten über die Messstelle, die Messeinrichtung und eventuell durchgeführte Serviceleistungen enthalten: • • • • • • Bezeichnung und Ort der Messstelle genaue Anschrift eines Ansprechpartners Seriennummern der Bauteile der Messeinrichtung Anschaffungs- und Inbetriebnahmedatum der Messeinrichtung Datum und Grund von Reparaturen sowie Name und Anschrift des Dienstleisters für Service- und Reparaturmaßnahmen Kalibrierdaten Ein Kalibrierprotokoll sollte folgende Daten enthalten: • • • • • 3 Bezeichnung und Ort der Messstelle Seriennummern der Bauteile der Messeinrichtung Name des Bearbeiters Bezeichnung, Seriennummer und Haltbarkeitsdatum der verwendeten Referenzlösungen sowie Datum und Daten der Kalibrierung (z. B. Messwert, Temperaturwert, Soll-Wert der Referenzlösung) Messwerte Aufzeichnungen für die Messwerte sollten zusätzlich Angaben zum Datum, Uhrzeit und relevanten Begleitparametern enthalten, z. B. Angabe der Temperatur. Sonstige Angaben Zur vollständigen Dokumentation gehören die zur Messung verwendete Verfahrensbeschreibungen inklusive der Beschreibungen für Kalibrierungen, Justiervorgänge, Wartung und Lagerung der Messeinrichtung. Weiterhin sollen alle Gebrauchsanleitungen und sonstigen Vorschriften sowie Anweisungen im Dokumentationsordner hinterlegt sein. 132 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.2 Wartung Eine Messeinrichtung, und besonders Sensoren, altern in Abhängigkeit von den Messbedingungen. Verschleiß und Verschmutzungen schränken ihre Zuverlässigkeit ein und verursachen Messabweichungen. Regelmäßige Prüfungen helfen unzuverlässige Bauteile zu erkennen und sie z. B. durch Reinigung wieder in einen einwandfreien Zustand zu versetzen. Zwischen den Kalibrierungen ist eine Störung der Messfunktion nur anhand der aufgezeichneten Messwerte zu erkennen. Eine Störung kann sich durch streuende oder von bisher gewohnten Erfahrungswerten abweichende Messwerte zeigen. Die Entscheidung, ob ein normales Ereignis vorliegt oder ein Eingreifen notwendig ist, sollte auf Basis der dokumentierten Daten erfolgen. Streuende Messwerte Streuende Messwerte allein sind noch kein Hinweis auf eine Störung. Die Streuung hat meist in normalen Änderungen des Wassers bzw. der Messlösung oder im Messverfahren ihre Ursache. Messgröße Ein Grund, warum eine Messeinrichtung streuende Werte verursachen kann, ist z. B. eine falsch eingestellte Temperaturkompensation. Das Messgerät reagiert nun auf Temperaturänderungen mit streuenden Messwerten. 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Referenzwerte Messwerte 3 0 2 4 6 8 Beobachtungszeitraum 10 Abbildung 18: Die Messwerte streuen unregelmäßig um die Sollwerte JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 133 5 Qualitätssicherung Messgröße Driftende Messwerte „Driften“ bezeichnet den Vorgang beständig zu- bzw. abnehmender Werte. 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Referenzwerte Messwerte 0 2 4 6 8 Beobachtungszeitraum 10 Abbildung 19: Die Abweichung zwischen des Mess- und Sollwerten nimmt mit der Zeit zu Plötzliche Messabweichungen Tritt eine deutliche Messwertänderung innerhalb weniger Minuten ein, ist eine elektrische Störung wahrscheinlich. Es kann jedoch auch einfach sein, dass der Sensor nicht mehr ins Wasser taucht. Messgröße 3 Zunehmende Werte stehen nicht mit der Messeinrichtung in Verbindung. Die Ursache abnehmender Werte kann auf eine Verschmutzung einer Zwei-Elektrodensensoren bei einer Leitfähigkeit über 100 µS/cm zurückzuführen sein. Schmutzbeläge erhöhen den Widerstand auf den Elektroden, sodass der Strom abnimmt. 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Referenzwerte Messwerte 0 2 4 6 8 Beobachtungszeitraum 10 Abbildung 20: Innerhalb weniger Minuten tritt eine deutliche Abweichung vom Sollwert auf 134 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.3 Probleme/Maßnahmen Problem Keine Messwertanzeige bzw. stetiger Ausgang Messwertanzeige „000“ bzw. Stetiger Ausgang „0 %“ Falsche oder schwankende Messwertanzeige mögliche Ursache Spannungsversorgung fehlt Maßnahme Spannungsversorgung prüfen, Klemmen prüfen Sensor nicht im Medium eingetaucht, Behälterniveau zu niedrig Durchflussarmatur verstopft Sensor derfekt Fühlerleitung defekt Sensor nicht tief genug eingetaucht Keine Durchmischung Behälter füllen Luftblasen Elektrische Störungen Durchflussarmatur reinigen Sensor prüfen Fühlerleitung prüfen Behälter bzw. Durchflussarmatur füllen Für gute Durchmischung sorgen, beim Sensor auf allseitig ca. 5mm freie Umspülung achten Montageort prüfen Spannungsversorgung auf unzulässige Störungen (z. B. schlechte Isolation von Frequenzumrichtern) prüfen, Leitungsmaterial der Fühlerleitung prüfen (abgeschirmte Leitungen verwenden), Leitungsführung prüfen (keine parallele Verlegung zu größeren elektrischen Verbrauchern) Beläge auf den Messflächen Sensoren reinigen, siehe Kapitel 5.4 „Reinigung“ Temperaturkoeffizient Temperaturkoeffizient korrekt ermitteln, nicht korrekt siehe Kapitel 3.2.2 „Kalibrieren/Justieren“ Unterschiedliche Temperatur- siehe Kapitel 3.2.3 „Messbedingungen“ koeffizienten von Betriebsund Referenzmessgerät Unterschiedliche Referenzsiehe Kapitel 3.2.3 „Messbedingungen“ temperaturen von Betriebsund Referenzmessgerät Polarisation Bei hohen Leitfähigkeiten (größer ca. 10mS/cm) induktives Messprinzip verwenden, siehe Kapitel 2.2.4 „Messprinzipien“ bzw. Kapitel 3.1.1 „Sensoren“ Tabelle 12: Möglichkeiten zur Problembeseitigung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 135 3 5 Qualitätssicherung 5.4 Reinigung Tritt bei der Prüfung in der Referenzlösung eine zu große Messabweichung auf, so ist das Reinigen oder der Austausch des Sensors die einzig wirkungsvolle Maßnahme, um die Störung zu beheben. Das Reinigungsmittel hängt grundsätzlich von der Art der Verschmutzung ab. In den meisten Fällen reicht warmes Wasser mit etwas Haushaltsspülmittel, um Fette und Öle zu beseitigen. Kalk- oder Eisenoxidbeläge lassen sich mit Essig, Zitronensäure oder verdünnter Salzsäure entfernen. Hinweis Sensoren mit platinierten Platinelektroden niemals mechanisch reinigen. Jegliche mechanische Berührung schädigt die platinierte Oberfläche und ist lediglich durch eine neue Platinierung zu beheben. 5.5 Prüfmöglichkeiten vor Ort Immer wieder wird dem Hersteller von Mess- und Regeltechnik die Frage nach der Messsicherheit bei Dauermessung gestellt. Insbesondere bei Reinstwasser sind Vergleichsmessungen oft nur über Laboranalysen möglich. Folgende Möglichkeiten stehen dem Anlagenbetreiber vor Ort zur Verfügung: 3 Prüfen des Messumformers Der Messumformer kann mit Präzisionswiderständen geprüft werden. Hier ist jedoch davon auszugehen, dass der Messumformer (unter normalen Umständen) seine abgeglichene Genauigkeit nicht verloren hat. Beispiel: Vorbereitung Abschaltung der Temperaturkompensation, d. h. den Temperaturkoeffizienten auf 0 %/K einstellen bzw. die manuelle Temperaturvorgabe auf Referenztemperatur einstellen (meist 25 °C). Berechnung des zu erwartenden Anzeigewertes: K Y = ---R (5) K: Zellenkonstante (Einstellung des Messumformers) [1 /cm] R: Widerstandswert des Referenzwiderstandes [ ] Y: Anzeige des Gerätes [µS/cm bzw. mS/cm] Wertebeispiel Im Betrieb ist am Messumformer ein Leitfähigkeitssensor mit der Zellenkonstante 1,0 [1/cm] angeschlossen. An Stelle des Leitfähigkeitssensors soll nun ein Widerstand mit 1000 [W] angeschlossen werden. 1,0 [1/cm] = 0,001 [S/cm] = 1 mS/cm = 1.000 µS/cm -------------------------1000 [ (6) Der Messumformer sollte 1 mS/cm bzw. 1.000 µS/cm anzeigen. Es sind natürlich die Genauigkeiten des Messumformers und des Widerstandes zu berücksichtigen. 136 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung Neubestimmung der Zellenkonstanten Da der Sensor dem Messmedium und den darin enthaltenen Inhaltsstoffen ausgesetzt ist, ist es sinnvoll, sie in regelmäßigen Abständen zu prüfen (Bestimmung der Zellenkonstanten). Prüfintervalle Die Festlegung der Prüfintervalle obliegt dem Anlagenbetreiber oder aber gesetzlichen Bestimmungen. Bei diesem Vorgang wird der Messumformer auf die neue (veränderte) Zellenkonstante abgestimmt. Vergleichsmessung Durch eine Vergleichsmessung mit einem Referenzgerät kann die Zellenkonstante der Reinstwassersensor neu bestimmt werden. Hier ist darauf zu achten, dass bei beiden Messgeräten (JUMO- und Referenzgerät) die Temperaturkompensation ausgeschaltet ist, d. h. auf 0 %/K steht. Damit wird erreicht, dass der aktuell an der Leitfähigkeitssensor anliegende Wert angezeigt wird. Eventuell unterschiedliche Anzeigewerte, bedingt durch unterschiedlich arbeitende Temperaturkompensationen, werden dadurch vermieden. Bestimmung beim Hersteller Sind beim Anwender keine entsprechenden Mess- und Prüfmittel vorhanden, kann die Zellenkonstante des Sensors auch beim Hersteller (z. B. JUMO) neu bestimmt werden. In diesem Fall kann es angebracht sein, einen zweiten ausgemessenen Leitfähigkeitssensor vor Ort zu haben, um Stillstandszeiten zu vermeiden. 5.6 3 Lagerung des Sensors Leitfähigkeitssensoren lassen sich problemlos trocken aufbewahren und sind gut lagerfähig. Hinweis Ablagerungen durch Staub, Rückstände von verdunstetem Kondenswasser, Oberflächenveränderungen durch aggresive Atmosphären u. a. m. verändern die Zellenkonstante (Kapitel 5.3 „Probleme/Maßnahmen“). Sensoren mit platinierten Platinelektroden unbedingt in entionisiertem Wasser aufbewahren. Ein Austrocknen schädigt die platinierte Oberfläche und ist lediglich durch eine neue Platinierung zu beheben. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 137 5 Qualitätssicherung 3 138 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 6 Quellenangabe • ASTM D1125 Standard Test Methods for Electrical Conductivity and Resistivity of Water • ASTM D1193 Standard Specfication for Reagent Water • ASTM D 5391 Standard Test Method for Electrical Conductivity and Resistivity of a Flowing High Purity Water Sample • DIN V EN V 13005 Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen, Deutsche Fassung ENV 13005 • DIN EN 27888 Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit • DIN ISO 3696, Wasser für analytische Zwecke • Kremer M., Dokumentierte Reinheit, Dokumentierte Reinheit von Messsytemen für Reinstwasser, Chemie Technik 29, Nr. 5, 2000 3 • Morash K. R., Thornton R. D. …, Measurement of the resistivity of high-purity water at elevated temperature, Ultra-pure water journal, 1994 • United States Pharmacopeia, (USP), water conductivity <645> in der aktuellen Fassung • Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Rückführbare Bestimmung der elektrolytischen Leitfähigkeit, www.ptb.de • Wu Y. C., Absolute Determination of Electric Conductivity for Primary Standard KCl Solutions from 0 to 50 °C, Journal of Solution Chemistry, Vol. 20, No. 4, 1991 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS 139 6 Quellenangabe 3 140 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Kapitel 4 Reinstwassermessung Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns 4 Bemerkung Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten. Vorwort Als Hersteller von Messsystemen (Messumformer/Regler und Sensor) zur Widerstands- bzw. Leitfähigkeits- und pH-Messung werden wir nahezu täglich mit der bei den Endkunden, Anwendern und Projektierern herrschenden Unsicherheit bezüglich der messtechnisch korrekten Methoden und Geräte für Reinstwasser konfrontiert. Um hier Hilfestellung zu geben, wurde dieses Buch erstellt. Diese soll die wesentlichen Begriffe und Hintergründe zur Reinstwassermessung allgemein verständlich erläutern und damit zur „Entmystifizierung“ beitragen. Außerdem stellt sie die bei Drucklegung allgemein gültigen Verfahren zur Kalibrierung und Prüfung einer Reinstwasser-Messstelle dar, die sich derzeit noch stark an amerikanischen Vorgaben (USP/ASTM) orientiert. Wir bemühen uns, diese Informationen zur Reinstwassermessung stets auf dem neuesten Stand zu halten und rufen die Leserschaft dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mitzuarbeiten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen. Fulda, imApril 2012 Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns 4 Inhalt 1 Einleitung ...................................................................................... 145 2 Grundlagen ................................................................................... 147 2.1 Die Messung .................................................................................................... 147 2.2 Bestandteile einer Messkette ........................................................................ 148 2.2.1 Funktionsprinzip ............................................................................................................ 148 2.3 Kontrolle der Wasserqualität ......................................................................... 149 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 Zellenkonstante ............................................................................................................. Vorgehensweise der Hersteller zur werkseitigen Bestimmung der Zellenkonstante gemäß ASTM D 5391-99 sowie ASTM D 1125-95 ...................... Materialien und Prozessanschlüsse .............................................................................. Qualitätssicherung bei der Sensorfertigung ................................................................. Prüfzeugnisse ............................................................................................................... 2.4 Total Organic Carbon - TOC .......................................................................... 152 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 Allgemeines ................................................................................................................... TOC-Messprinzip .......................................................................................................... Differenzierung zwischen TIC und TOC ........................................................................ TOC in Reinstwasser in den Arzneibüchern: USP und Ph. Eur. ................................... 2.5 pH-Messtechnik in Reinstwasser ................................................................. 154 2.5.1 Gerätetechnik bei der pH-Messung .............................................................................. 156 3 Messtechnik ................................................................................. 159 3.1 Messumformer/Regler ................................................................................... 159 149 150 150 151 151 152 152 153 153 3.2 Temperaturkompensation .............................................................................. 160 3.2.1 3.2.2 3.2.3 Temperaturkompensation bei „höheren“ Leitfähigkeiten ............................................. 161 Besonderheit von Reinstwasser ................................................................................... 161 Unkompensierter Betrieb .............................................................................................. 161 3.3 USP-Kontakt ................................................................................................... 162 3.4 Ph. Eur.-Grenzwerte ........................................................................................ 163 3.5 Sensoren .......................................................................................................... 164 3.6 Leitungsmaterial/Anschlusskabel ................................................................. 164 4 Anwendungen ............................................................................... 165 4.1 Anwendungsgebiete ....................................................................................... 165 4.2 Herstellung ...................................................................................................... 165 4.3 Anlagenbeispiel ............................................................................................... 165 4.4 Besonderheiten im Umgang mit Reinstwasser ........................................... 166 5 Qualitätssicherung ....................................................................... 167 5.1 Qualitätssicherung bei der Messumformer-Fertigung ................................ 167 5.2 Prüfzeugnisse .................................................................................................. 168 Reinstwassermessung 4 Inhalt 5.2.1 5.2.2 5.2.3 4 5.2.4 5.2.5 5.2.6 Prüfzeugnisse für Messumformer ................................................................................. Zellenkonstante ............................................................................................................. Vorgehensweise der Hersteller zur werkseitigen Bestimmung der Zellenkonstante gemäß ASTM D 5391-99 sowie ASTM D 1125-95 ...................... Materialien und Prozessanschlüsse .............................................................................. Qualitätssicherung bei der Sensorfertigung ................................................................. Prüfzeugnisse ............................................................................................................... 5.3 Prüfmöglichkeiten vor Ort .............................................................................. 171 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 Überprüfung des Messumformers ................................................................................ Neubestimmung der Zellenkonstanten ......................................................................... Überprüfungsintervalle .................................................................................................. Vergleichsmessung ....................................................................................................... Bestimmung beim Hersteller ......................................................................................... 6 Quellenangabe ............................................................................. 173 6.1 Normen, Arzneibücher, Richtlinien ................................................................ 173 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 ASTM-Standards .......................................................................................................... Arzneibücher ................................................................................................................. VDI-Richtlinien .............................................................................................................. DIN-/ISO-/EN-Normen .................................................................................................. 6.2 Literatur ........................................................................................................... 176 7 Anhang .......................................................................................... 177 7.1 Beispiel eines Prüfprotokolls für die Sensoren ............................................ 177 7.2 Beispiele für Prüfprotokolle von Messumformern ....................................... 178 Reinstwassermessung 168 168 169 169 170 170 171 171 171 171 171 173 174 175 175 1 Einleitung Bei der Messung von Reinstwasser handelt es sich um ein sehr spezielles Teilgebiet der Leitfähigkeitsmesstechnik. Wie der Begriff schon erahnen lässt, handelt es sich um Wasser in seiner reinsten Form, d. h. ohne jegliche Verunreinigung. Diese Qualität macht es zu einem interessanten Material für unterschiedliche Einsatzfälle. Hier seien nur beispielhaft folgende Bereiche genannt: • als Reinigungsmittel in der Halbleiterindustrie • in der Lebensmittelindustrie als Reinigungsgang nach dem eigentlichen Spülen mit Reinigungsmitteln • in der Pharmaindustrie zu Reinigungs- und Verdünnungszwecken Die oben aufgeführten Bereiche erfordern eine entsprechende Qualitätskontrolle. Diese kann auf zwei Wegen erfolgen: durch Laboruntersuchungen (Stichprobenkontrollen) und durch OnlineMesstechnik. Als relativ einfache Online-Messung kommt die Leitfähigkeitsmessung zum Einsatz. Die notwendigen Wasserqualitäten bewegen sich im Leitfähigkeitsbereich < 1 µS/cm (bei 25 °C). Wie bei allen speziellen Teilgebieten (Randbereichen) sind auch hier besondere Maßnahmen bezüglich Messung und Handhabung erforderlich. 4 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 145 1 Einleitung 4 146 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.1 Die Messung Über eine kontinuierliche Leitfähigkeitsmessung kann die Wasserqualität schnell und sicher kontrolliert werden. Grundsätzlich ist die Leitfähigkeit des Messmediums von der Anzahl, der Ladungszahl und der Beweglichkeit der Ionen abhängig. Ein Leitfähigkeitssensor erfasst die Summe aller in der Lösung befindlicher Ionen. Die Messung erfolgt mit Leitfähigkeitsensoren, die nach dem Zwei-Elektroden-Verfahren arbeiten. Bei dieser Anwendung sind die Elektroden konzentrisch angeordnet, wobei die äußere die innere Elektrode abschirmt. Da die elektrolytische Leitfähigkeit stark temperaturabhängig ist, wird der Messwert der gemessenen Flüssigkeit normalerweise auf die international anerkannte Referenztemperatur von 25 °C bezogen (temperaturkompensiert). Hier bildet ein spezielles Bewertungsverfahren nach USP (water conductivity <645>) eine Ausnahme, dort muss unkompensiert gemessen werden. Die Qualität von Reinstwasser (ultra pure water, purified water, water for injection usw.) ist in einigen Normen bzw. Empfehlungen beschrieben, z. B. bei ASTM (American Society For Testing and Materials), Pharmacopoea Europaea (Ph. Eur.) USP (United States Pharmacopeia) und DINoder ISO-Normen. Aufgrund der hohen Akzeptanz der US-amerikanischen Normen und Empfehlungen kommen diese praktisch weltweit zur Anwendung oder lehnen sich andere Vorgaben an diese an. Nachfolgend sind typische Leitfähigkeitsbereiche aufgeführt - Referenztemperatur 25 °C: • Brauch-/Rohwasser ca. 300 - 800 µS/cm • teilentsalztes Wasser ca. 20 µS/cm • Reinwasser (VE-Wasser) ca. 2 - 10 µS/cm • Reinstwasser 0,055 - 1 µS/cm 4 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 147 2 Grundlagen 2.2 Bestandteile einer Messkette Eine komplette Messkette für Reinstwassermessungen besteht aus: • Reinstwasser-Messumfomer/Regler • Reinstwassersensor mit exakt vermessener Zellenkonstante • Temperaturfühler (meist in der Reinstwassersensor integriert) • Anschlussleitung 2.2.1 Funktionsprinzip Höhe h Messumformer/Regler Lösung ite Bre b Länge l 4 Abbildung 1: Das Messprinzip ist die konduktive Leitfähigkeitsmessung mit einer ZweiElektrodensensor Eine Zwei-Elektrodensensor besteht aus zwei leitfähigen Messelektroden (bei Reinstwasser aus Edelstahl oder Titan), die in einer bestimmten Geometrie angeordnet sind. Diesen geometrischen Zusammenhang aus Abstand der Sensoren zueinander (Länge l) und wirksame Messfläche A (Breite b x Höhe h = Fläche A) nennt man Zellenkonstante K (Einheit [1/cm]). Bei Reinstwasser muss diese Zellenkonstante K = 0,01 betragen (größerer Zellenkonstanten, z. B. K = 0,1; K = 1,0 bedeuten auch größere Messbereiche). Reale Sensoren weisen oft einen koaxialen Aufbau auf, d. h. die beiden Messelektroden sind konzentrisch angeordnet. Außerdem ist in diesen Sensoren meist ein Temperaturfühler zur Erfassung der Mediumstemperatur integriert. Der Messumformer beaufschlagt der Zwei-Elektrodensensor mit einer Wechselspannung. Es stellt sich aufgrund des elektrischen Widerstandes der Messlösung ein Wechselstrom ein, der durch den Messumformer unter Berücksichtigung der Zellenkonstante und eventuell der Mediumstemperatur in die Leitfähigkeit (bzw. den Widerstand) der Messlösung umgerechnet wird. Weiterführende Informationen entnehmen Sie dem Kapitel 3 „Messtechnik“. 148 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.3 Kontrolle der Wasserqualität Zur Kontrolle der Qualität von Reinstwasser werden neben Laboranalytik folgende Online-Messmethoden eingesetzt: elektrische Leitfähigkeit, Total Organic Carbon (TOC) und pH-Wert sowie ggf. Partikelmessung. Über die Leitfähigkeit erfasst man Verunreinigungen, die in ionischer Form vorliegen. Hierzu gehören in erster Linie anorganische Ionen, wie z. B. Na+, Ca2+, Mg2+, Cl-, SO42-, aber auch organische Ionen, wie z. B. dissoziierte Carbonsäuren. Ungeladene organische Verunreinigungen werden über eine Leitfähigkeitsmessung nicht erfasst. Diese Lücke wird durch die TOC-Messung geschlossen. Zur TOC-Bestimmung gibt es verschiedene Ansätze. Alle Verfahren beruhen darauf, dass man organische Verbindungen zu Kohlendioxid (CO2 ) oxidiert und das gebildete CO2 bestimmt. Saure oder alkalische Verunreinigungen werden neben Leitfähigkeitsmessungen auch über die Veränderung des pH-Wertes erkannt. Partikel, die besonders in der Halbleitertechnik stören, werden durch die Partikelmessung z. B. über Laserstreuung bestimmt. 2.3.1 Zellenkonstante Der in Kapitel 2.2 „Bestandteile einer Messkette“ beschriebene geometrische Faktor Zellenkonstante K spielt insbesondere bei der Reinstwassermesstechnik eine wichtige Rolle. Produktionsbedingt unterliegen die Zellenkonstanten handelsüblicher Zellen Abweichungen von bis zu ±10 %. Dies erscheint nur bei erster Betrachtung sehr ungenau zu sein - ein falsch eingestellter Temperaturkoeffizient kann wesentlich größere Messfehler zur Folge haben. Nach USP muss die Zellenkonstante auf ±2% genau bekannt sein. JUMO-Sensoren können mit einem ASTM-Prüfzeugnis, in dem die genaue Zellenkonstante bescheinigt wird, geliefert werden. Zur individuellen Kalibrierung der Leitfähigkeitssensoren bieten moderne Messumformer umfangreiche Möglichkeiten (z. B. automatische Bestimmung der Zellenkonstanten, Kalibrieren mit Prüflösungen). Damit werden Temperatur, Temperaturkoeffizient und Zellenkonstante berücksichtigt. Besonderheit Reinstwasser Durch die ASTM-Temperaturkompensation (Kapitel 3.2.2 „Besonderheit von Reinstwasser“) entfällt der mögliche Messfehler durch einen falsch eingestellten Temperaturkoeffizienten. Hier überwiegt der Einfluss des Messfehlers aufgrund nicht exakter Zellenkonstanten. Auch Reinstwassersensoren können o. g. Abweichungen von ihrer nominellen Zellenkonstanten K = 0,01 haben. Leider gibt es keine praktisch verwendbaren Prüf- oder Kalibrierflüssigkeiten für den Reinstwasserbereich, d. h. unter 10 µS/cm. Flüssigkeiten mit solchen Leitfähigkeitswerten liefern keine stabilen Referenzwerte, da sie sofort Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und sich dadurch verändern. Reinstwasser-Messkette vorbereiten Es ist daher erforderlich, dass man Reinstwassersensoren mit einer exakt vermessenen Zellenkonstante einsetzt. Bei solchen Sensoren hat der Hersteller ein Prüfzeugnis, z. B. das sogenannte „ASTM-Prüfzeugnis“ erstellt, in dem die Zellenkonstante auf mehrere Kommastellen genau eingetragen wurde. Bei der Inbetriebnahme der Messstelle muss nur noch diese exakte Zellenkonstante in den Messumformer einprogrammiert werden; danach ist dier Sensor messbereit. Regelwerke Die Vorgehensweise bei der werkseitigen Bestimmung der exakten Zellenkonstante ist in einem Regelwerk der ASTM festgelegt worden. Europäische Regelungen gibt es noch nicht. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 149 4 2 Grundlagen 2.3.2 Vorgehensweise der Hersteller zur werkseitigen Bestimmung der Zellenkonstante gemäß ASTM D 5391-99 sowie ASTM D 1125-95 Die Bestimmung der Zellenkonstante erfolgt mittels einer Vergleichsmessung. Die verwendete Flüssigkeit hat hierbei eine Leitfähigkeit im Bereich von 5 ... 10 µS/cm. Die ASTM D 5391-99 geht davon aus, dass die in diesem Leitfähigkeitsbereich bestimmte Zellenkonstante auch bei kleineren Leitfähigkeiten (Reinstwasserbereich) Gültigkeit hat. Aufbau Der apparative Aufbau besteht aus einem Reinstwasser-Kreislauf, einer Leitfähigkeits-Referenzmessung und des zu vermessenden Sensors. Diese ist an einen Labor-Leitfähigkeitsmessumformer angeschlossen. Nachdem sich ein stabiler Leitwert eingestellt hat (kontrolliert durch die Leitfähigkeits-Referenzmessung, die unkompensiert durchgeführt wird), wird mit dem Labor-Leitfähigkeitsmessumformer die Zellenkonstante des zu vermessenden Leitfähigkeitssensors bestimmt. In der USP (water conductivity <645>) wird eine Genauigkeit der bestimmten Zellenkonstante von ±2 % gefordert. Diese Anforderung wird bei JUMO erfüllt. Messergebnis Das Messergebnis wird mit den relevanten Daten in das entsprechende Prüfprotokoll eingetragen. Die verwendeten Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar. 2.3.3 Materialien und Prozessanschlüsse 4 Die für den Reinstwassersensor verwendeten Materialien richten sich nach den Anforderungen des Einsatzfalles bzw. nach den vorliegenden Gegebenheiten am Messort. Gleiches gilt für den Prozessanschluss des Sensors. Entscheidend bei der Auswahl sind u. a. folgende Gesichtspunkte: • Prozessdruck • Temperatur des Mediums • Material der Verrohrung, in die die Messstelle eingebaut werden soll • hygienische Anforderungen Als Standardmaterial für die Sensoren findet man Edelstähle, z. B. 1.4435; AISI316L oder DIN 1.4571. Für ultrareine Wässer empfiehlt sich Titan als Material für die Elektroden. Bei den Prozessanschlüssen ist JUMO ebenfalls variabel: • Einschraubgewinde nach DIN oder NPT in verschiedenen Größen • (Tri-)Clamp • Milchkegel • nach Kundenwunsch Für besonders hygienische Anforderungen stehen Ausführungen komplett in poliertem Edelstahl mit Oberflächenrauigkeit < 0,8 µ zur Verfügung. 150 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.3.4 Qualitätssicherung bei der Sensorfertigung JUMO ist zertifiziert nach ISO 9001. Alle JUMO-Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar. JUMO verfügt über eine hohe Fertigungstiefe, d. h. bereits die Rohteile der Sensoren werden im eigenen Haus auf modernsten CNC-Maschinen gefertigt. Dadurch ist eine hohe, gleichbleibende Qualität sichergestellt. Da alle Sensoren einer Einzelstückprüfung unterworfen sind, ist ein größtmögliches Maß an Qualität gewährleistet. Ein JUMO-Reinstwassersensor zum Einsatz in sensiblen Bereichen wie Lebensmitteltechnik oder Pharmazie erfüllt natürlich alle Anforderungen des Marktes bzw. maßgeblicher Organisationen: • USP Angabe der Zellenkonstante mit einer Genauigkeit von ±2 % • Material nach EHEDG (European Hygienic Equipment Design Group): u. a. DIN-Nr. 1.4404, DIN-Nr. 1.4435, AISI316L, DIN-Nr. 1.4571 • Oberflächenrauigkeit nach EHEDG (European Hygienic Equipment Design Group): Ra <= 0,8 µm • Dichtungs- und Körpermaterialien FDA (Food and Drug Administration (amerikanische „Lebensmittelbehörde“)) bzw. BGA (Bundesgesundheitsamt (alte Bezeichnung)) zugelassen: u. a. EPDM, PVDF Alle aufgeführten Punkte werden von JUMO-Leitfähigkeitssensoren erfüllt. 2.3.5 Prüfzeugnisse Grundsätzliche Anmerkungen zu Prüfzeugnissen siehe Kapitel 2.3.5 „Prüfzeugnisse“. Prüfzeugnisse für Sensoren Insbesondere für Sensoren können folgende Prüfzeugnisse angefordert werden (Werksbescheinigungen und Abnahmeprüfzeugnisse nach EN 10204/DIN 50049): • ASTM-Prüfzeugnis - Aufpreis nach aktueller Preisliste „Exakt vermessene Zellenkonstante“ • Werksbescheinigung 2.1 - kostenlos • Werkszeugnis 2.2 - Kosten nach Aufwand • Abnahmeprüfzeugnis 3.1 - Kosten nach Aufwand (z. B. Materialbestätigung Edelstahl 1.4571, Bestätigung der Rauhigkeit o. ä.) • FDA-Bestätigung: - verwendete Kunststoffe (Isolator und O-Ringe) sind FDA-gelistet JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 151 4 2 Grundlagen 2.4 Total Organic Carbon - TOC 2.4.1 Allgemeines Die Messung der elektrischen Leitfähigkeit im Reinstwasser wird ergänzt durch eine andere Messmethode, mit welcher (nicht-ionische) organische Verunreinigungen erfasst werden. Obwohl JUMO kein Anbieter von TOC-Messtechnik ist, soll hier kurz auf das in der ReinstwasserMesstechnik häufig eingesetzte Verfahren eingegangen werden. Die TOC-Messtechnik ist Bestandteil vieler Regelwerke über Reinstwasser, so werden z. B. TOCWerte in Arzneibüchern (USP, Ph. Eur.), in DIN- und ASTM-Normen genannt. Begriffe und Abkürzungen Im Zusammenhang mit TOC-Bestimmungen gibt es noch weitere verwandte Begriffe und Abkürzungen, die hier kurz erwähnt werden sollen: • TC (total carbon): gesamter Kohlenstoff • TOC (total organic carbon): gesamter organischer Kohlenstoff • TIC (total inorganic carbon): gesamter anorganischer Kohlenstoff • DOC (dissolved organic carbon): gelöster organischer Kohlenstoff • VOC (volatile organic carbon): flüchtiger organischer Kohlenstoff Es besteht folgender Zusammenhang: TC = TIC + TOC 4 (1) 2.4.2 TOC-Messprinzip Generell wird bei der Bestimmung des TOC das organische Material zu Kohlendioxid oxidiert, welches anschließend quantitativ bestimmt wird. Die Bestimmung des CO2 erfolgt häufig durch Infrarotspektroskopie oder auch Konduktometrie. Im ersten Fall kann Kohlendioxid selektiv über die Absorption im Nahinfrarot-Bereich(NIR)-Bereich erfasst werden. Im zweiten Fall misst man die durch Kohlendioxid verursachte Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit der Probenlösung. Verfahren Zur Oxidation der organischen Bestandteile zu Kohlendioxid können verschiedene Verfahren eingesetzt werden: • thermische Oxidation mit Sauerstoff oder synthetischer Luft bei Temperaturen bis zu 1200 C, ggf. Einsatz von Katalysatoren, z. B. Platin • nasschemische Oxidation, beispielsweise mit Natriumperoxodisulfat, Kaliumdichromat oder Kaliumpermanganat • Oxidation durch UV-Bestrahlung (Aufschluss), ggf. mit Zusatz von Sauerstoff oder chemischem Oxidationsmittel Einsatzgebiete Die letzte der drei Methoden wird häufig als Online-Methode zur Bestimmung des TOC in Reinstwasser eingesetzt. Die beiden ersten Methoden werden dagegen häufig in Bereichen eingesetzt, wo höhere TOC-Werte zu bestimmen sind, z. B. im Abwasserbereich. 152 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.4.3 Differenzierung zwischen TIC und TOC Direkt- oder Austreibmethode TIC muss vor der Bestimmung des TOC durch Ansäuern und Ausblasen entfernt werden, d. h. physikalisch gelöstes CO2 bzw. Hydrogencarbonate oder Carbonate werden in Form von Kohlendioxid ausgetrieben. Bei diesem Schritt können auch leichtflüchtige organische Komponenten verdampfen (VOC, z. B. Benzol, Haloforme). Indirektmethode In zwei getrennten Untersuchungen werden TC und TIC bestimmt. Der TOC ergibt sich dann aus der Differenz von TC und TIC. Bei Reinstwasser wird häufig die erste Methode verwendet, da hier davon ausgegangen werden kann, dass keine leichtflüchtigen organischen Bestandteile (VOC) enthalten sind. 2.4.4 TOC in Reinstwasser in den Arzneibüchern: USP und Ph. Eur. Die TOC-Bestimmung im Reinstwasser wird im USP und im Ph. Eur. beschrieben, wobei die Monographie im Ph. Eur. in fast allen Einzelheiten dem USP entspricht. Eine bestimmte Oxidationsoder Bestimmungsmethode wird nicht vorgegeben. Die Eignung der Methode muss in einem „system suitability test“ nachgewiesen werden: Hierzu wird das System mit einer bekanntermaßen schwer oxidierbaren Substanz (1,4-Benzochinon) im Vergleich zu einer leicht oxidierbaren Referenzsubstanz (Saccharose) getestet, wobei der Blindwert des Wassers berücksichtigt wird. Eine weitere Anforderung der Arzneibücher Ph. Eur. und USP ist, dass das Messsystem zwischen anorganisch und organisch gebundenem Kohlenstoff unterscheiden kann und eine Erfassungsgrenze für TOC von mindestens 0,05 mg/l besitzt. Beide Arzneibücher fordern eine TOC-Obergrenze von 0,5 mg C/l (500 ppb). 4 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 153 2 Grundlagen 2.5 pH-Messtechnik in Reinstwasser In manchen Bereichen wird auch eine pH-Messung in Reinstwasser vorgeschrieben. Bei einer pHMessungen in Reinstwasser ist man messtechnisch vor Probleme gestellt, die sich hauptsächlich aus der geringen Leitfähigkeit bzw. der geringen Ionenstärke des Reinstwassers ergeben. Je geringer die Leitfähigkeit ist, umso größer werden diese Probleme. Diaphragmawiderstand Ein wesentlicher Teil der Probleme bei der pH-Messung im Reinstwasser tritt am Diaphragma der Bezugselektrode auf. DIN 19264 fordert für den Diaphragmawiderstand eine Obergrenze von 5 k , damit der Spannungsabfall am Diaphragma der Bezugselektrode möglichst gering bleibt. Der Diaphragmawiderstand wird durch schlecht leitendes Reinstwasser, welches trotz des entgegen gerichtetem Elektrolytflusses in das Diaphragma eindiffundiert, noch zusätzlich vergrößert. Um den Diaphragmawiderstand durch das zurück diffundierende Messwasser nicht zu hoch werden zu lassen, sollte mit einer relativ hohen Ausflussrate des Bezugselektrolyten gearbeitet werden. Aus diesem Grund sollte von einer Verwendung von Elektroden mit verfestigtem Bezugselektrolyten abgesehen werden. Ausbreitungswiderstand Direkt hinter dem Diaphragma der Bezugselektrode, wo die elektrolytische Leitung durch im Reinstwasser enthaltene Ionen übernommen werden muss, tritt der sogenannte Ausbreitungswiderstand auf. Der Bezugselektrolyt der in das Messwasser eintritt, übernimmt hier zumindest teilweise die Stromleitung. Der Ausbreitungswiderstand ist von der Art und Fläche der eingesetzten Diaphragmen abhängig. 4 Tabelle 1: Diaphragma Durchmesser Ausbreitungswiderstand Keramik 0,6 mm 6600 k Keramik 1,0 mm 4000 k Keramik 3× 1,0 mm 1300 k Ausbreitungswiderstände verschiedener Diaphragmen in vollentsalztem Wasser nach Galster [2] Da die Anströmung auf den Ausbreitungswiderstand Einfluss hat, sollte diese während der Messung möglichst konstant sein. Diffusionspotenzial Ein weiteres Problem bei der pH-Messung in Reinstwasser ist das Diffusionspotenzial, das sich an der Grenzfläche bildet, an der das Reinstwasser und die Elektrolytlösung miteinander in Kontakt kommen. Das Diffusionspotenzial entsteht durch die unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeiten der am Ladungstransport beteiligten Ionen und geht in das Gesamtpotenzial mit ein. Bei der Diffusion der Ionen von der konzentrierteren Seite des Bezugselektrolyten in das Reinstwasser sind Anionen und Kationen nicht genau gleich schnell, d. h. die eine Ionensorte wird die andere „überholen“. Deswegen kommt es zu einer Ladungstrennung und damit zur Ausbildung des Diffusionspotenzials. Der Ladungstrennung wirkt das sich damit aufbauende elektrische Feld entgegen. Letztendlich stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein. 154 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Meist verwendet man KCl als Bezugselektrolyt, weil hier die Wanderungsgeschwindigkeiten von Anion und Kation sehr ähnlich sind. Dennoch kommt es auch hier zur Ausbildung eines Diffusionspotenzials. Die Größe des sich ausbildenden Diffusionspotenzials kann nach Henderson [3] berechnet werden. Mit der Gleichung von Henderson kann gezeigt werden, dass im Falle von Reinstwasser die Größe des Diffusionspotenzials mit sinkender Konzentration des Bezugselektrolyten abnimmt [4]. Die Konzentration des Bezugselektrolyten kann jedoch nicht beliebig herabgesetzt werden, da es sonst zu Fehlern bei der Kalibrierung in Pufferlösungen kommt. Meist wählt man daher einen Kompromiss und verwendet z. B. 1 mol/l KCl als Bezugselektrolyt. Außerdem vermindert man mit der Absenkung der KCl-Konzentration das Risiko einer Verblockung des Diaphragmas durch ausfallendes AgCl. AgCl ist in einer höher konzentrierten KCl-Lösung besser löslich als in einer weniger konzentrierten, deswegen kann es ausfallen, wenn der Bezugselektrolyt durch in das Diaphragma eintretendes Reinstwasser verdünnt wird. Schirmung und Erdung Da infolge der geringen Leitfähigkeit des Reinstwassers elektrostatische Aufladungen nur langsam abfließen können, ist eine gute Schirmung und Erdung der Messlösung zu empfehlen. Alle Erdleitungen sollten an einem Punkt zusammengeführt werden und nur dort geerdet werden. Schwacher Puffer Naturgemäß ist Reinstwasser nur schwach oder überhaupt nicht gepuffert. Daher können schon geringste Spuren von pH-Wert beeinflussenden Stoffen aus der Umgebungsluft oder aus Installationsbestandteilen (z. B. CO2 aus der Luft oder Alkalien aus Glas) den pH-Wert des Reinstwassers stark verändern. Der pH-Wert von Reinstwasser sinkt beispielsweise von 7 auf einen Wert von etwa 5,4 ab, wenn das Wasser mit Luft gesättigt ist [4]. Bereits bei 1 % Sättigung mit Luft fällt der pHWert des Reinstwassers auf 6,4. Um den Zutritt von Kohlendioxid aus der Luft zu verhindern, muss daher in jedem Fall mit einer abgeschlossenen Durchflussarmatur gearbeitet werden. Am besten verwendet man eine entsprechend geerdete Armatur aus Metall. Zusätze Gelegentlich wird empfohlen, dem Reinstwasser neutrale Salze, z. B. KCl, zuzusetzen, um die Leitfähigkeit des Wassers zu erhöhen und dadurch die pH-Messung zu vereinfachen. So gibt beispielsweise das USP für verschiedene abgepackte Wasserqualitäten (z. B. Sterile Purified Water, Bacteriostatic Water for Injection, Sterile Water for Inhalation, Sterile Water for Injection) vor, 0,3 ml gesättigte KCl-Lösung auf 100 ml Testlösung zuzusetzen und anschließend den pH-Wert zu messen. In der Literatur [2] wird hiervon abgeraten, da die Veränderung der Ionenstärke oder eingeschleppte Verunreinigungen in dem schwach gepufferten Wasser einen großen Einfluss auf den pH-Wert haben können. Pufferlösungen Zur Kalibrierung der Messketten für den Einsatz in Reinstwasser sollten statt technischer Pufferlösungen nach DIN 19267 die weniger konzentrierten Standardpufferlösungen nach DIN 19266 verwendet werden. Hierdurch ist der Gedächtniseffekt im Diaphragma der Bezugselektrode, der z. B. durch die Schichtung von Bezugselektrolyt/Reinstwasser/Pufferlösung entsteht, weniger stark ausgeprägt bzw. wird schneller abgebaut. Die Verwendung der Standardpufferlösungen mit niedrigeren Ionenstärken bringt außerdem den Vorteil, dass die Diffusionspotenziale, die am Diaphragma zwischen Bezugselektrolyt und Reinstwasser bzw. Bezugselektrolyt und Standardpufferlösung entstehen, näher beieinander liegen. Der Fehler aus der Annahme, dass das Diffusionspotenzial bei Kalibrierung und Messung gleich sind, wird dadurch klein gehalten. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 155 4 2 Grundlagen 2.5.1 Gerätetechnik bei der pH-Messung Wenn eine Online-pH-Messung von Wasser mit niedriger Leitfähigkeit durchgeführt werden soll, empfehlen wir folgende JUMO-Geräte, um Probleme zu minimieren, welche zwangsläufig bei dieser Art von Messung auftreten: • Schliff-Einstabmesskette mit flüssigem Bezugselektrolyten in Verbindung mit einem KCl-Vorratsgefäß 4 Abbildung 2: Einstabmesskette mit 3× Keramikdiaphragmen und KCl-Vorratsgefäß • Messumformer/Regler für pH-Wert (Typ JUMO dTRANS pH 02) Abbildung 3: JUMO AQUIS 500 pH (links), JUMO ecoTRANS pH 03 (mitte) und JUMO dTRANS pH 02 (rechts) 156 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen KCl-Vorrat Messumformer/Regler JUMO dTRANS pH 02 KCl-Anschluss für Glas-Einstabmessketten Erdanschluss Bauseitiger Bypass (drucklos) VA-Verrohrung Abbildung 4: Offener Auslauf Kanal oder Rückführung 4 Beispiel einer Messkette zur Reinstwassermessung Die Erdung der Metallarmatur muss mit eventuell vorhandenen anderen Erdleitungen zusammengefasst werden. Als Bezugselektrolyt sollte statt der üblichen 3 mol/l KCl nur 1 mol/l KCl verwendet werden. Zur Kalibrierung verwendet man vorzugsweise die verdünnten Standard-Pufferlösungen nach DIN 19266 anstelle der technischen Pufferlösungen nach DIN 19267. Die Online-pH-Messung erfolgt am besten im freien Auslauf, weil so Diaphragma-Probleme durch Druckschwankungen vermieden werden. Durch den gewollten Bezugselektrolyt-Verlust am Diaphragma wird das Messwasser mit KCl kontaminiert. Es muss daher geprüft werden, ob das Messwasser in den Reinstwasserstrom zurück geführt (also vor eine Aufbereitungsstufe (Ionentauscher oder Umkehrosmose) geführt) oder verworfen werden soll. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 157 2 Grundlagen 4 158 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.1 Messumformer/Regler Abbildung 5: JUMO AQUIS 500 CR (links), JUMO ecoTRANS Lf 03 (mitte) und JUMO dTRANS CR 02 (rechts; erfüllt USP <645>) Rückblick In der Anfangszeit der Reinstwassermesstechnik wurden analoge Schaltungen eingesetzt, die mit speziellen Anpassungen der Leitfähigkeitsmessung von Reinstwasser und dessen Temperaturkompensation ausgestattet waren. Diese analogen Messumformer weisen zwei Schwächen auf: • es ist schwierig, die exakte Zellenkonstante einzustellen • bei der Temperaturkompensation des spezifischen Widerstandes bzw. der Leitfähigkeit von Reinstwasser kann nicht mit einem konstanten Temperaturkoeffizienten Tk gearbeitet werden; auch komfortablere Geräte, die den Tk durch eine nichtlineare Funktion (NTC-Kompensation) nachzubilden versuchen, lassen sich nur begrenzt anwenden; diese Funktion hat nur Gültigkeit für Reinstwasser ohne Verunreinigung Stand der Technik Heute setzt man Mikroprozessor-Messumformer ein. Durch diese Technik stehen dem Hersteller und damit auch dem Anwender eine Vielzahl von Möglichkeiten offen. JUMO-Reinstwasser-Messumformer bieten folgende Möglichkeiten: • numerische (exakte) Eingabe der Zellenkonstanten • Temperaturkompensation nach ASTM D 1125-95 • Grenzwertüberwachung nach USP (water conductivity <645>) JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 159 4 3 Messtechnik 3.2 Temperaturkompensation Leitfähigkeit wässriger Lösungen Die Leitfähigkeit wässriger Lösungen setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, z. B.: • der Eigenleitfähigkeit von Wasser infolge Autoprotolyse werden H3O+- und OH--Ionen abgebildet (0,055 µS/cm bei 25 °C) • und der Leitfähigkeit zusätzlich vorhandener Inhaltsstoffe (Salze, Verschmutzungen etc.) Leitfähigkeit bei wechselnden Temperaturen Die Leitfähigkeit einer Flüssigkeit ist stark temperaturabhängig, d. h. bei wechselnden Temperaturen verändert sich die gemessene Leitfähigkeit. Je nach chemischer Zusammensetzung wässriger Medien kann sich die Leitfähigkeit in unterschiedlicher Weise mit der Temperatur ändern. Referenztemperatur Um Messwerte miteinander vergleichen zu können, werden Leitfähigkeitsangaben meist auf die international gebräuchliche Referenztemperatur von 25 °C bezogen. Temperaturkompensation Die Leitfähigkeits- bzw. Reinstwassermessumformer müssen deshalb die Temperatur des Mediums berücksichtigen: • manuelle Temperaturkompensation (Tk): In den Messumformer wird die Mediumstemperatur einprogrammiert bzw. an einem Potenziometer eingestellt • automatische Temperaturkompensation (Tk): Über einen Temperaturfühler (meist in den Sensor integriert) wird stets die aktuelle Mediumstemperatur dem Messumformer zur Verfügung gestellt • eine Funktion muss das Temperaturverhalten der speziellen Wasserqualität (z. B. in Abhängigkeit von enthaltenen Verunreinigungen im Reinstwasser) möglichst genau beschreiben 4 Temperaturkoeffizient (Alpha) Damit der Messumformer die tatsächlich gemessenen Leitfähigkeiten auf die Leitfähigkeit bei 25 °C umrechnen kann, muss ein Faktor bekannt sein, den man Temperaturkoeffizient (Alpha) nennt. Alpha ist ein Maß für die prozentuale Veränderung der Leitfähigkeit je Kelvin, Einheit [%/K]. 160 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.2.1 Temperaturkompensation bei „höheren“ Leitfähigkeiten In höheren Leitfähigkeitsmessbereichen (ab ca. 10 µS/cm) bestimmen die zusätzlichen Inhaltsstoffe im Wesentlichen die Leitfähigkeit und die Temperaturabhängigkeit. Die Eigenleitfähigkeit des Wassers wird durch die Leitfähigkeit und Eigenschaften der anderen Inhaltsstoffe überdeckt. Typisch für allgemein wässrige Medien ist ein Alphawert zwischen 0 ... 5 %/K. Hier geht man von linearen Zusammenhängen aus. Um korrekte Messwerte zu erhalten, muss der Messumformer eine Einstellmöglichkeit für Alpha bieten. H Hinweis Geräte mit fest voreingestelltem Alphawert, wie man sie leider immer noch bei einigen Billiganbietern findet, sollte man heute nicht mehr einsetzen. Hier werden nur „Hausnummern“ gemessen. 3.2.2 Besonderheit von Reinstwasser Bei Reinstwasser liegen keine linearen Verhältnisse vor. Der Alphawert kann bis zu 20 %/K betragen. Hier spielt die Eigenleitfähigkeit des Wassers die entscheidende Rolle. Industrielle Herstellung von Reinstwasser Bei der industriellen Herstellung von Reinstwasser handelt es sich meist um mehrstufige Aufbereitungsprozesse, welche häufig Umkehrosmose und Ionenaustausch als Aufbereitungsverfahren beinhalten. Dabei werden fast immer Ionen-Austauscher verwendet, welche aus Kationen- und Anionen-Austauscher-Harzen bestehen. Diese Harze geben bei Erschöpfung (d. h. Überladung) zuerst Natrium- und/oder Chlorid-Ionen, also Kochsalz (Natriumchlorid), an das Reinstwasser ab, was in der Temperaturkompensationseinstellung bei JUMO-Geräten berücksichtigt werden kann. Wirkung von Verunreinigungen JUMO-Reinstwasser-Messumformer berücksichtigen neben der nichtlinearen Temperaturabhängigkeit des Reinstwassers auch die Wirkung von Verunreinigungen durch Spuren von Säuren (z. B. Salzsäure), Alkalien (z. B. Natronlauge) und Salzen (z. B. Kochsalz); (beschrieben in der ASTM D 1125-95, gültig für JUMO-Geräte der Typen JUMO AQUIS 500 CR, JUMO dTRANS CR 02 und JUMO ecoTRANS Lf 03). ASTM D 1125-95 und ASTM D 5391-99 (American Society for Testing and Materials) Diese Organisation legt in ihren standardisierten Prüf- und Analyseverfahren auch Methoden zur Bestimmung der elektrolytischen Leitfähigkeit von Wasser und Reinstwasser fest: (Designation) D 1125-95. In dieser Abhandlung sind die Abhängigkeiten des Reinstwasser-Messwertes von der Temperatur und verschiedenartigen Verunreinigungen angegeben. Formeln für verschiedene Verunreinigungen sind in der Betriebssoftware der JUMO-Messumformer enthalten. 3.2.3 Unkompensierter Betrieb Unkompensierte Anzeige der Leitfähigkeit Bei bestimmten Anwendungen kann es notwendig sein, die Leitfähigkeit unkompensiert anzeigen zu lassen (JUMO-Geräte der Typen AQUIS 500 CR, dTRANS CR 02 und ecoTRANS Lf 03 bieten diese Möglichkeit). Dies kann dann der Fall sein, wenn keine der vorgenannten speziellen Kompensationen zum Einsatz kommen kann oder eigene Leitfähigkeitstabellen zum Einsatz kommen sollen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 161 4 3 Messtechnik 3.3 USP-Kontakt USP (United States Pharmacopeia Convention) Die USP gibt u. a. Regelwerke und Empfehlungen für den Bereich Pharmazie heraus. Diese Vorgaben bilden einen weltweiten „Quasi-Standard“. Europäischer Vorgaben oder Normen lehnen sich häufig an diese Regelwerke an. Die Veröffentlichung USP Physical test method „water conductivity <645>“ befasst sich mit der Messung der Leitfähigkeit des Reinstwassers. USP-Kontakt Mit den Messumformern/Reglern JUMO AQUIS 500 CR, JUMO dTRANS CR 02 und JUMO ecoTRANS Lf 03 ist es möglich, die Qualität des Reinstwassers gemäß der Vorgabe von USP Stage 1 online zu überwachen. Die USP enthält eine Tabelle, die abhängig von der Temperatur einen Grenzwert für die Leitfähigkeit vorgibt. Bleibt die Leitfähigkeit unterhalb dieses Grenzwertes, erfüllt das Reinstwasser die Anforderungen nach USP. H 4 Hinweis Bei dieser Überwachung ist es notwendig, dass die Temperaturkompensation ausgeschaltet ist. Temperatur °C max. Leitfähigkeit in µS/cm (unkompensiert) Temperatur °C max. Leitfähigkeit in µS/cm (unkompensiert) 0 0,6 55 2,1 5 0,8 60 2,2 10 0,9 65 2,4 15 1,0 70 2,5 20 1,1 75 2,7 25 1,3 80 2,7 30 1,4 85 2,7 35 1,5 90 2,7 40 1,7 95 2,9 45 1,8 100 3,1 50 1,9 Tabelle 2: Auszug aus USP Es ist möglich, entsprechend der beschriebenen Tabelle die Leitfähigkeit unkompensiert überwachen zu lassen. Wird die Leitfähigkeit bei der entsprechenden Temperatur überschritten, schaltet der konfigurierte Kontakt. Die JUMO-Messumformer bieten serienmäßig folgende zusätzliche Möglichkeit: Tritt der Fall ein, dass die Prozesstemperatur gerade um einen Umschaltwert herum schwankt, kann man eine Temperaturhysterese aktivieren, mit der man immer auf der sicheren Seite der Überwachung liegt. Im Einzelnen heißt dies, wenn die Temperatur z. B. zwischen 55,5 °C und 54,3 °C schwankt, hat der überwachte Grenzwert von 1,9 µS/cm durchgehend Gültigkeit (Temperaturhysterese hier 1 K, um den Umschaltpunkt für vom niedrigeren Leitwert zum höheren Leitwert um 1 K heraufzulegen). Durch diese Maßnahme kann ein Schwingen der Anlage verhindert werden (z. B. höhere Anlagensicherheit, Kostenreduzierung). 162 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.4 Ph. Eur.-Grenzwerte Im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) wird ein größerer Toleranzbereich für die Leitfähigkeit von gereinigtem Wasser („purified water“) zugelassen, als im USP. Erlaubt sind maximal 4,3 µS/cm bei 20 °C (USP lässt zum Vergleich bei purified water nur 1,1 µS/cm bei 20 °C als oberen Grenzwert für die Leitfähigkeit zu). Temperatur °C Leitfähigkeit in µS/cm Temperatur °C Leitfähigkeit in µS/cm 0 2,4 60 8,1 10 3,6 70 9,1 20 4,3 75 9,7 25 5,1 80 9,7 30 5,4 90 9,7 40 6,5 100 10,2 50 7,1 Tabelle 3: Ph. Eur.-Grenzwerte Bei Wasser für Injektionszwecke („water for injection“, WFI) und auch bei „Hochgereinigtem Wasser“ („highly purified water“, HPW) sind die Anforderungen höher. Hier lässt das Ph. Eur., wie auch USP, maximal 1,1 µS/cm bei 20 °C zu. Wasserqualität gemäß Tabelle JUMO AQUIS 500 CR JUMO dTRANS Lf 01 JUMO ecoTRANS Lf 03 1 (Seite 12) ja ja ja HPW (Ph. Eur.) 1 ja ja ja WFI (Ph. Eur.) 1 ja ja ja WFI (USP) 1 ja ja ja 2 (Seite 13) ja ja nein PW (USP) PW (Ph. Eur.) Tabelle 4: PW HPW 4 Der Anwender von JUMO-Geräten kann o. a. Wasserqualitäten wählen „purified Water“ „highly purified water“, „Hochgereinigtes Wasser“, „Aqua valde purificata“ JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 WFI „water for injection“, „Wasser für Injektionszwecke“, „Aqua ad iniectabilia“ Reinstwassermessung 163 3 Messtechnik 3.5 Sensoren Abbildung 6: JUMO tecLine CR - Konduktive Leitfähigkeitssensoren in Edelstahl- bzw. Titanausführung Bei der Reinstwasser-Messung kommen konduktive Zwei-Elektrodensensoren zum Einsatz. Hier sind die beiden Elektroden des Sensors konzentrisch angeordnet, wobei die äußere die innere Elektrode abschirmt. 3.6 4 Leitungsmaterial/Anschlusskabel Aufgrund der modernen und präzisen Messumformer sind nur noch wenige Punkte bei der Wahl des Leitungsmaterials zu berücksichtigen, wie z. B. • als Leitungsmaterial kommt eine abgeschirmte Steuerleitung zum Einsatz • Leitungslängen bis ca. 50 m (abhängig von den Umgebungsbedingungen) stellen für moderne Messumformer, wie die JUMO-Geräte JUMO AQUIS 500 CR, JUMO dTRANS Lf 01 und JUMO ecoTRANS CR 02, kein Problem dar • die Kabelführung sollte stets direkt sein, d. h. Klemmdosen, nachträgliche Kabelverlängerungen oder Zwischenstecker sollten vermieden werden Geeigneter JUMO-Typ: 2990-9 (Längenangabe) - 0 164 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 4.1 Anwendungsgebiete Reines Wasser wird in den unterschiedlichsten Produktionsprozessen benötigt, z. B. • in der Halbleiterfertigung • bei der Herstellung von Arzneimitteln, Lebensmitteln und Kosmetik • zur Versorgung von Dampferzeugern • in der optischen und chemischen Industrie und • in anderen Prozessen, bei denen es auf hohe bzw. höchste Qualität (Reinheit) des verwendeten Wassers ankommt 4.2 Herstellung Zur Herstellung von Reinstwasser kommen im Allgemeinen Ionentauscher- und Umkehr-Osmoseanlagen zum Einsatz. Je nach den Anforderungen, die an das Reinstwasser gestellt werden, müssen noch verschiedene Aufbereitungsschritte vor- bzw. nachgeschaltet werden [1] 4.3 Anlagenbeispiel 4 Abbildung 7: Reinstwasseraufbereitung mit kombinierter Abwasserbehandlung [1] JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 165 4 Anwendungen 4.4 Besonderheiten im Umgang mit Reinstwasser • das Reinstwasser muss zur Sicherstellung der geforderten Wasserqualität ständig in Bewegung sein • das Gesamtsystem muss weitestgehend totraumfrei sein • der Messwert kann (je nach Anlage) abhängig von der Auströmung sein. Das ist bei der Auslegung der Einbaustelle zu beachten • Reinstwasser greift CrNi-Stahl an; Korrossionsabtrag von 0,01 bis 0,05 µm/Jahr.; Eventuell Titan vorsehen • Änderung der Leitfähigkeit und des pH-Wertes, wenn Reinstwasser 24 Stunden der Umgebungsluft ausgesetzt wird Leitfähigkeitsanstieg pH-Wert-Absenkung von 0,05 µS/cm auf 3 bis 4 µS/cm! von pH 7 auf pH 5,5 bis 5,2! Diese Änderungen werden durch die Bildung von Hydrogencarbonat-Ionen, die durch die Aufnahme von Kohlendioxid CO2 aus der Luft entstehen, hervorgerufen. 4 166 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.1 Qualitätssicherung bei der Messumformer-Fertigung JUMO ist zertifiziert nach ISO 9001. Alle JUMO-Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar. Modernste Fertigungsmethoden Die Messumformer basieren weitestgehend auf SMD-bestückten Baugruppen, die auf automatisierten Fertigungsstraßen produziert werden. Durch diese Vorgehensweise wird ein hohes Maß an gleichbleibender Qualität gewährleistet. Der Abgleich der Messumformer geschieht auf elektrischem Weg mit Präzisionswiderständen. Die JUMO-Reinstwassermessumformer sind in modernster Mikroprozessortechnik aufgebaut. Anforderungen nach USP erfüllt JUMO? Messgerätekalibrierung mittels rückführbarer Präzisionswiderstände ja Messwertauflösung besser 0,1 µS/cm ja Genauigkeit des Messgerätes besser 0,1 µS/cm ja automatische Temperaturkompensation im Messumformer ja Referenztemperatur des Messgerätes muss 25 °C betragen ja Genauigkeit der Temperaturmessung besser als ±2 °C ja Tabelle 5: Anforderungen nach „USP“ (water conductivity <645>) an die Messumformer bzw. den werkseitigen Messumformerabgleich Die JUMO-Messumformer übertreffen die gestellten Mindestforderungen in den meisten Punkten! 4 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 167 5 Qualitätssicherung 5.2 Prüfzeugnisse Grundsätzliches Der Einsatz von Messtechnik in Bereichen der Qualitätssicherung oder der Pharmazie rufen vermehrt eine Unsicherheit des Anlagenbetreibers hinsichtlich benötigter „Zertifikate“ hervor. Kein Prüfzeugnis macht eine Messung „genauer“ oder „zuverlässiger“. Prüfzeugnisse sind grundsätzlich nur Qualitätsbescheinigungen zum Prüfzeitpunkt. Durch die Zertifizierung nach ISO 9001 ist eine grundlegende Qualitätssicherung gegeben, d. h. die technischen Daten nach Datenblättern müssen vom Lieferanten eingehalten werden. Vor der Anforderung von zusätzlichen Zeugnissen, die dann doch nur ablegt und nicht mehr benötigt werden, sollte man sich also darüber im Klaren sein, was wirklich benötigt wird. Da einige Zeugnisse Aufpreise kosten und eventuell die Lieferzeiten verlängern, sollte dies umso mehr beachtet werden. 5.2.1 Prüfzeugnisse für Messumformer Die Messumformer können mit folgenden Prüfzeugnissen (nach EN 10204/DIN 50049) geliefert werden: • Werksbescheinigung 2.1 - kostenlos • Werkszeugnis 2.2 - Kosten nach Aufwand • Abnahmeprüfzeugnis 3.1 - Kosten nach Aufwand (3.1-Zeugnisse sind Materialprüfzeugnisse, bei Messumformern i. d. R. nicht notwendig) 5.2.2 Zellenkonstante 4 Der in Kapitel 2.2 „Bestandteile einer Messkette“ beschriebene geometrische Faktor Zellenkonstante K spielt insbesondere bei der Reinstwassermesstechnik eine wichtige Rolle. Produktionsbedingt unterliegen die Zellenkonstanten handelsüblicher Zellen Abweichungen von bis zu ±10 %. Dies erscheint nur bei erster Betrachtung sehr ungenau zu sein - ein falsch eingestellter Temperaturkoeffizient kann wesentlich größere Messfehler zur Folge haben. Nach USP muss die Zellenkonstante auf ±2 % genau bekannt sein. JUMO-Sensoren können mit einem ASTM-Prüfzeugnis, in dem die genaue Zellenkonstante bescheinigt wird, geliefert werden. Zur individuellen Kalibrierung der Leitfähigkeitssensoren bieten moderne Messumformer umfangreiche Möglichkeiten (z. B. automatische Bestimmung der Zellenkonstanten, Kalibrieren mit Prüflösungen). Damit werden Temperatur, Temperaturkoeffizient und Zellenkonstante berücksichtigt. Besonderheit Reinstwasser Durch die ASTM-Temperaturkompensation (Kapitel 3.2.2 „Besonderheit von Reinstwasser“) entfällt der mögliche Messfehler durch einen falsch eingestellten Temperaturkoeffizienten. Hier überwiegt der Einfluss des Messfehlers aufgrund nicht exakter Zellenkonstanten. Auch Reinstwassersensoren können o. g. Abweichungen von ihrer nominellen Zellenkonstanten K = 0,01 haben. Leider gibt es keine praktisch verwendbaren Prüf- oder Kalibrierflüssigkeiten für den Reinstwasserbereich, d. h. unter 10 µS/cm. Flüssigkeiten mit solchen Leitfähigkeitswerten liefern keine stabilen Referenzwerte, da sie sofort Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und sich dadurch verändern. Reinstwasser-Messkette vorbereiten Es ist daher erforderlich, dass man Reinstwassersensoren mit einer exakt vermessenen Zellenkonstante einsetzt. Bei solchen Sensoren hat der Hersteller ein Prüfzeugnis, z. B. das sogenannte „ASTM-Prüfzeugnis“ erstellt, in dem die Zellenkonstante auf mehrere Kommastellen genau einge- 168 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung tragen wurde. Bei der Inbetriebnahme der Messstelle muss nur noch diese exakte Zellenkonstante in den Messumformer einprogrammiert werden; danach ist der Sensor messbereit. Regelwerke Die Vorgehensweise bei der werkseitigen Bestimmung der exakten Zellenkonstante ist in einem Regelwerk der ASTM festgelegt worden. Europäische Regelungen gibt es noch nicht. 5.2.3 Vorgehensweise der Hersteller zur werkseitigen Bestimmung der Zellenkonstante gemäß ASTM D 5391-99 sowie ASTM D 1125-95 Die Zellenkonstante wird durch eine Vergleichsmessung bestimmt. Die verwendete Flüssigkeit hat hierbei eine Leitfähigkeit im Bereich von 5 ... 10 µS/cm. Die ASTM D 5391-99 geht davon aus, dass die in diesem Leitfähigkeitsbereich bestimmte Zellenkonstante auch bei kleineren Leitfähigkeiten (Reinstwasserbereich) Gültigkeit hat. Aufbau Der Aufbau besteht aus einem Reinstwasser-Kreislauf, einer Leitfähigkeits-Referenzmessung und des zu vermessenden Sensors. Diese ist an einen Labor-Leitfähigkeitsmessumformer angeschlossen. Nachdem sich ein stabiler Leitwert eingestellt hat (kontrolliert durch die Leitfähigkeits-Referenzmessung, die unkompensiert durchgeführt wird), wird mit dem Labor-Leitfähigkeitsmessumformer die Zellenkonstante des zu vermessenden Leitfähigkeitssensors bestimmt. In der USP (water conductivity <645>) wird eine Genauigkeit der bestimmten Zellenkonstante von ±2 % gefordert. Diese Anforderung wird bei JUMO erfüllt. Messergebnis Das Messergebnis wird mit den relevanten Daten in das entsprechende Prüfprotokoll eingetragen. Die verwendeten Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar. 4 5.2.4 Materialien und Prozessanschlüsse Die für den Reinstwassersensor verwendeten Materialien richten sich nach den Anforderungen des Einsatzfalles bzw. nach den vorliegenden Gegebenheiten am Messort. Gleiches gilt für den Prozessanschluss des Sensors. Entscheidend bei der Auswahl sind u. a. folgende Gesichtspunkte: • Prozessdruck • Temperatur des Mediums • Material der Verrohrung, in die die Messstelle eingebaut werden soll • hygienische Anforderungen Als Standardmaterial für die Sensoren findet man Edelstähle, z. B. 1.4435; AISI316L oder DIN 1.4571. Für ultrareine Wässer empfiehlt sich Titan als Material für die Elektroden. Bei den Prozessanschlüssen ist JUMO ebenfalls variabel: • Einschraubgewinde nach DIN oder NPT in verschiedenen Größen • (Tri-) Clamp • Milchkegel • nach Kundenwunsch Für besonders hygienische Anforderungen stehen Ausführungen komplett in poliertem Edelstahl mit einer Oberflächenrauigkeit < 0,8 µ zur Verfügung. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 169 5 Qualitätssicherung 5.2.5 Qualitätssicherung bei der Sensorfertigung JUMO ist zertifiziert nach ISO 9001. Alle JUMO-Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar. JUMO verfügt über eine hohe Fertigungstiefe, d. h. bereits die Rohteile der Sensoren werden im eigenen Haus auf modernsten CNC-Maschinen gefertigt. Dadurch ist eine hohe, gleichbleibende Qualität sichergestellt. Da alle Sensoren einer Einzelstückprüfung unterworfen sind, ist ein größtmögliches Maß an Qualität gewährleistet. Ein JUMO-Reinstwassersensor zum Einsatz in sensiblen Bereichen wie Lebensmitteltechnik oder Pharmazie erfüllt natürlich alle Anforderungen des Marktes bzw. maßgeblicher Organisationen: • USP Angabe der Zellenkonstante mit einer Genauigkeit von ±2 % • Material nach EHEDG (European Hygienic Equipment Design Group): u. a. DIN-Nr. 1.4404, DIN-Nr. 1.4435, AISI316L, DIN-Nr. 1.4571 • Oberflächenrauigkeit nach EHEDG (European Hygienic Equipment Design Group): Ra <= 0,8 µm • Dichtungs- und Körpermaterialien FDA (Food and Drug Administration (amerikanische „Lebensmittelbehörde“)) bzw. BGA (Bundesgesundheitsamt (alte Bezeichnung)) zugelassen: u. a. EPDM, PVDF Alle aufgeführten Punkte werden von JUMO-Leitfähigkeitssenosren erfüllt. 5.2.6 Prüfzeugnisse Grundsätzliche Anmerkungen zu Prüfzeugnissen siehe Kapitel 5.2 „Prüfzeugnisse“. 4 Prüfzeugnisse für Sensoren Insbesondere für Sensoren können folgende Prüfzeugnisse angefordert werden (Werksbescheinigungen und Abnahmeprüfzeugnisse nach EN 10204/DIN 50049): • ASTM-Prüfzeugnis - Aufpreis nach aktueller Preisliste „Exakt vermessene Zellenkonstante“ • Werksbescheinigung 2.1 - kostenlos • Werkszeugnis 2.2 - Kosten nach Aufwand • Abnahmeprüfzeugnis 3.1 - Kosten nach Aufwand (z. B. Materialbestätigung Edelstahl 1.4571, Bestätigung der Rauhigkeit o. ä.) • FDA-Bestätigung: - verwendete Kunststoffe (Isolator und O-Ringe) sind FDA-gelistet 170 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.3 Prüfmöglichkeiten vor Ort Immer wieder wird dem Hersteller von Mess- und Regeltechnik die Frage nach der Messsicherheit bei Dauermessung gestellt. Insbesondere bei Reinstwasser sind Vergleichsmessungen oft nur über Laboranalysen möglich. Folgende Möglichkeiten stehen dem Anlagenbetreiber vor Ort zur Verfügung: 5.3.1 Überprüfung des Messumformers Der Messumformer kann mit Präzisionswiderständen überprüft werden. Hier ist jedoch davon auszugehen, dass der Messumformer (unter normalen Umständen) seine abgeglichene Genauigkeit nicht verloren hat (siehe auch unter „Leitfähigkeitmessung, Konzentration, TDS“ im Kapitel 5.5 „Prüfmöglichkeiten vor Ort“). 5.3.2 Neubestimmung der Zellenkonstanten Da die Sensoren dem Messmedium und den darin enthaltenen Inhaltsstoffen ausgesetzt sind, ist es sinnvoll, sie in regelmäßigen Abständen zu überprüfen (Bestimmung der Zellenkonstanten). 5.3.3 Überprüfungsintervalle Die Festlegung der Überprüfungsintervalle obliegt dem Anlagenbetreiber oder aber gesetzlichen Bestimmungen. Bei diesem Vorgang wird der Messumformer auf die neue (veränderte) Zellenkonstante abgestimmt. 5.3.4 Vergleichsmessung Durch eine Vergleichsmessung mit einem Referenzgerät kann die Zellenkonstante der Reinstwassersensoren neu bestimmt werden. Hier ist darauf zu achten, dass bei beiden Messgeräten (JUMO- und Referenzgerät) die Temperaturkompensation ausgeschaltet ist, d. h. der Temperaturkoeffizient auf 0 %/K steht. 5.3.5 Bestimmung beim Hersteller Sind beim Anwender keine entsprechenden Mess- und Prüfmittel vorhanden, kann die Zellenkonstante des Sensors auch beim Hersteller (JUMO) neu bestimmt werden. Hier kann es angebracht sein, einen zweiten ausgemessenen Leitfähigkeitssensor vor Ort zu haben, um Stillstandszeiten zu vermeiden. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 171 4 5 Qualitätssicherung 4 172 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 6 Quellenangabe 6.1 Normen, Arzneibücher, Richtlinien 6.1.1 ASTM-Standards • ASTM D 1125 Standard Test Methods for Electrical Conductivity and Resistivity of Water • ASTM D 1129 Terminology Relating to Water • ASTM D 1193 Standard Specification for Reagent Water • ASTM D 1293 Standard Test Methods for pH of Water • ASTM D 2777 Standard Practice for Determination of Precision and Bias of Applicable Test Methods of Committee Dd-19 on Water • ASTM D 3370 Standard Practices for Sampling Water from Closed Conduits • ASTM D 3864 Standard Guide for Continual On-Line Monitoring Systems for Water Analysis • ASTM D 4453 Standard Practice for Handling of High Purity Water Samples • ASTM D 4519 Standard Test Method for On-Line Determination of Anions and Carbon Dioxide in High Purity Water by Cation Exchange and Degassed Cation Conductivity 4 • ASTM D 5127 Standard Guide for Ultra Pure Water Used in the Electronics and Semiconductor Industry • ASTM D 5128 Standard Test Method for On-Line pH Measurement of Water of Low Conductivity • ASTM D 5391 Standard Test Method for Electrical Conductivity and Resistivity of a Flowing High Purity Water Sample • ASTM D 5464 Standard Test Method for pH Measurement of Water of Low Conductivity • ASTM D 6569 Standard Test Method for On-Line Measurement of pH • ASTM E70 Standard Test Method for pH of Aqueous Solutions With the Glas Electrode JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 173 6 Quellenangabe TOC • ASTM D 4839 Standard Test Method for Total Carbon and Organic Carbon in Water by Ultraviolet, or Persulfate Oxidation, or Both, and Infrared Detection • ASTM D 5173 Standard Test Method for On-line Monitoring of Carbon Compounds in Water by Chemical Oxidation, by UV Light Oxidation, by Both or by High Temperature Combustion Followed by Gas Phase NDIR or by Electrolytic Conductivity • ASTM D 5997 Standard Test Method for On-Line Monitoring of Total Carbon, Inorganic Carbon in Water by Ultraviolet, Persulfate Oxidation, and Membrane Conductivity Detection • ASTM D 6317 Standard Test Method for Low Level Determination of Total Carbon, Inorganic Carbon and Organic Carbon in Water by Ultraviolet, Persulfate Oxidation, and Membrane Conductivity Detection 6.1.2 Arzneibücher Ph. EUR. Methoden: • 2.2.3 - pH-Wert – Potenziometrische Methode • 2.2.44 - Gesamter organischer Kohlenstoff in Wasser zum pharmazeutischen Gebrauch Monographien: 4 • Gereinigtes Wasser • Hochgereinigtes Wasser • Wasser für Injektionszwecke USP Physical Tests • <643> - Total Organic Carbon • <645> - Water Conductivity Official Monographs: • Water for Injection • Bacteriostatic Water for Injection • Sterile Water for Inhalation • Sterile Water for Injection • Sterile Water for Irrigation • Purified Water • Sterile Purified Water 174 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 6 Quellenangabe 6.1.3 VDI-Richtlinien • VDI 2083 Blatt 13.1 Reinraumtechnik Qualität, Erzeugung und Verteilung von Reinstwasser - Grundlagen • VDI 2083 Blatt 13.2 Reinraumtechnik Qualität, Erzeugung und Verteilung von Reinstwasser - Mikroelektronik und andere technische Anwendungen • VDI 3870 Blatt 10 Messen von Regeninhaltsstoffen – Messen des pH-Wertes in Regenwasser 6.1.4 DIN-/ISO-/EN-Normen • DIN ISO 3696 (ISO 3696) Wasser für analytische Zwecke, Anforderungen und Prüfungen • DIN EN 1484 Wasseranalytik – Anleitungen zur Bestimmung des gesamten organischen Kohlenstoffs (TOC) und des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) • DIN EN 27888 Wasserbeschaffenheit – Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit (= ISO 7888) • ISO 8245 Wasserbeschaffenheit – Anleitung zur Bestimmung des gesamten organischen Kohlenstoffs (TOC) und des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) • ISO 10523 Wasserbeschaffenheit – Bestimmung des pH-Wertes • DIN 19260 pH-Messung – Allgemeine Begriffe 4 • DIN 19261 pH-Messung – Messverfahren mit Verwendung potentiometrischer Zellen – Begriffe • DIN 19262 Steckbuchse und Stecker geschirmt für pH-Elektroden • DIN 19263 (Entwurf) pH-Messung - pH-Messketten • DIN 19265 pH-/Redox-Messung - pH-/Redox-Messumformer-Anforderungen • DIN 19266 pH-Messung – Referenzpufferlösungen zur Kalibrierung von pH-Messeinrichtungen • DIN 19267 pH-Messung; Technische Pufferlösungen, vorzugsweise zur Eichung von technischen pH-Meßanlagen • DIN 19268 (Entwurf) pH-Messung von wässrigen Lösungen mit pH-Messketten, mit pH-Glaselektroden und Abschätzung der Messunsicherheit • DIN 38404-5 Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung; Physikalische und physikalisch-chemische Kenngrößen (Gruppe C); Bestimmung des pH-Wertes (C5) • EHEDG, 1995 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 175 6 Quellenangabe 6.2 Literatur [1] K. Marquardt, Rein- und Reinstwasseraufbereitung, Expert Verlag, Renningen Malmsheim 1994 [2] H. Galster, pH-Messung, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim 1990 [3] P. Henderson, Z. Phys. Chemie 59, 118 – 127 (1907) [4] H. Galster, VGB Kraftwerkstechnik 59, 885 – 889 (1979) 4 176 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 7 Anhang 7.1 Beispiel eines Prüfprotokolls für die Sensoren 4 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 177 7 Anhang 7.2 Beispiele für Prüfprotokolle von Messumformern -802*PE+&R.* 0RULW]-XFKKHLP6WUDH )XOGD*HUPDQ\ 7HOHIRQ (0DLO PDLO#MXPRQHW ,QWHUQHW ZZZMXPRQHW &DOLEUDWLRQ&HUWLILFDWH 'HYLFH 71 6:9HUVLRQ 'DWHRIFDOLEUDWLRQ G75$16&5 )1U 7\SH 7HVWHU,' 7HVWV\VWHP .$/ 0HDVXUHPHQW5HVXOWV 5DQJH $QDORJ,QSXW>N2KP@ $QDORJ,QSXW>N2KP@ $QDORJ,QSXW>9@ $QDORJ,QSXW>P$@ $QDORJ,QSXW>37@ $QDORJ,QSXW>37@ $QDORJ2XWSXW>9@ $QDORJ2XWSXW>P$@ 5DQJH&5 5DQJH&5 5DQJH&5 5DQJH&5 5DQJH&5 5DQJH&5 5DQJH&5 4 $FWXDOYDOXH 7HVWYDOXH 8QLW 9 P$ 9 P$ 6 6 6 6 P6 P6 6 6WDWXV RN RN RN RN RN RN RN RN RN RN RN RN RN RN RN 7HVW5HVXOWV .H\ERDUG 5HOD\V 'LVSOD\ RN RN RN 9ROVXSSO\WUDQVP %LQ,Q RN RN T e s t in s trum e n ts : &RQGXFWLYLW\ RN 2SWLRQ 2SWLRQ 2SWLRQ RN RN RN C a lib ra te d w ith : D C -S o u rc e : R T D S im u la to r: C u rre n t- V o lta g e m e a s u rin g in stru m e nt: K ro h n -H ite M o d e l 5 2 3 F L U K E 8 5 0 8 A R efe re n c e M u ltim e te r M E A T E S T M -6 1 2 D K D -K -0 0 9 0 2 P ru e f-N r.: 1 7 4 0 1 A g ile n t T e c h n o lo g ies F LU K E 732 D C R EFE RE N C E S TA N D A R D 34970A D K D -K -0 1 9 0 1 P ru e f-N r.: 4 8 4 6 A ll J U M O p ro d u cts fe atu re a c o n sta n t m a n u factu rin g c o n tro l s ystem . A d ju stm e n t a n d c o n tro l is e ffe cte d w ith m e as u rin g d e vic e s a n d s ys te m s ba s e d o n th e re g u la tio ns of n atio n a l a n d in te rn a tio n a l n o rm s a n d sta n d a rd s . 178 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 7 Anhang 4 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Reinstwassermessung 179 7 Anhang 4 180 Reinstwassermessung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Kapitel 5 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher 5 Bemerkung Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten. Vorwort Aus hygienischen Gründen muss das Trinkwasser oder sonstiges Wasser, mit dem Menschen direkt oder indirekt in Kontakt kommen, häufig mit Mitteln behandelt werden, welche enthaltene Mikroorganismen abtöten. Sehr oft werden für diesen Zweck Chlor, Chlorverbindungen oder Ozon als Desinfektionsmittel eingesetzt. In diesem sensiblen Bereich ist eine hohe Sicherheit für den Verbraucher unbedingt erforderlich, deswegen setzt man Anlagen ein, die vollautomatisch die Desinfektionsmittelkonzentration überwachen, regeln und dokumentieren. Die beste Möglichkeit zur Überwachung der Desinfektionsmittelkonzentration sind amperometrische Sensoren. In diesem Kapitel sollen die elektrochemischen Grundlagen und die Anwendungstechnik solcher Sensoren in verständlicher Form für den interessierten Leser dargestellt werden. Wir bemühen uns, die Informationen zur amperometrischen Messung von Chlor, Chlordioxid und Ozon in Wasser stets auf dem neuesten Stand zu halten. Im Zweifelsfall konsultieren Sie bitte die aktuellen gesetzlichen Vorschriften und betreffenden Normen. Unsere Leser sind zu einem regen Erfahrungs- und Wissensaustausch aufgerufen. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge auf. Fulda, im April 2012 Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher 5 Inhalt 1 Einleitung ...................................................................................... 185 1.1 Grundlagen der mikrobiologischen Wasseraufbereitung ........................... 185 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 Vorschriften zur hygienischen Wasserqualität .............................................................. Zugelassene Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser ....................................... Behandlung von Wasser mit Oxidationsmitteln ............................................................ Kriterien für die hygienische Wasserqualität ................................................................. 2 Grundlagen ................................................................................... 189 2.1 Chlorung von Wasser ..................................................................................... 189 2.1.1 Definitionen ................................................................................................................... 191 2.2 Einsatz von Chlordioxid als Aufbereitungsmittel für Wasser ..................... 192 2.3 Einsatz von Ozon als Aufbereitungsmittel für Wasser ................................ 192 2.4 Vor- und Nachteile von Chlor, Chlordioxid und Ozon als Aufbereitungsmittel für Wasser ............................................................... 193 2.4.1 2.4.2 2.4.3 Chlor ............................................................................................................................. 193 Chlordioxid .................................................................................................................... 193 Ozon .............................................................................................................................. 194 185 186 186 187 2.5 Analytische Bestimmungsmethoden ............................................................ 195 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 Bestimmung von Chlor nach DIN EN ISO 7393-2 (früher DIN 38408-G4) .................... Bestimmung von Chlordioxid nach DIN 38408-G5 ...................................................... Bestimmung von Ozon nach DIN 38408-G3 ................................................................ Kontinuierliche Messverfahren für Desinfektionsmittelkonzentrationen ....................... 2.6 Weitere Aufbereitungsmittel .......................................................................... 197 2.7 Amperometrische Sensoren .......................................................................... 198 2.7.1 2.7.2 2.7.3 Reaktionen an Metalloberflächen, Nernstsche Diffusionsschicht ................................ 201 Zwei-Elektroden-System .............................................................................................. 202 Drei-Elektroden-System ................................................................................................ 204 2.8 Chemische Vorgänge an der Messelektrode ............................................... 205 2.8.1 2.8.2 Temperaturabhängigkeit ............................................................................................... 205 Kalibrierprozedur ........................................................................................................... 205 3 Messtechnik ................................................................................. 207 3.1 Aufbau der JUMO-Messzellen für freies Chlor, Chlordioxid und Ozon .......................................................... 207 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 Elektroden ..................................................................................................................... Membrantypen .............................................................................................................. Elektrolyt ....................................................................................................................... Anströmung .................................................................................................................. Temperaturkompensation ............................................................................................. 3.2 Spezielle Messzellen- und Membrantypen für besondere Anwendungen ........................................................................ 211 3.2.1 3.2.2 Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Empfindlichkeit ...................................... 211 Tensid- und chemikalienfeste Membranen zur Messung von Chlordioxid und Ozon ...................................................................... 212 195 195 196 196 208 208 210 210 210 Amperometrische Messung von Chlor, Chlordioxid und Ozon 5 Inhalt 3.3 Wahl der Messstelle, Installation und elektrischer Anschluss des Sensors ..................................................... 213 4 Anwendungen ............................................................................... 215 4.1 Anwendungen der amperometrischen Chlor-, Chlordioxidund Ozonmessung .......................................................................................... 215 4.2 Unverträglichkeiten mit dem Messmedium ................................................. 215 5 Qualitätssicherung ....................................................................... 217 5.1 Fehler und Störungen bei der Messung mit amperometrischen Sensoren .................................................................. 217 6 Quellenangabe ............................................................................. 219 6.1 Normen und Verordnungen aus dem Bereich der Wasseraufbereitung mit Chlor, Chlordioxid und Ozon ......................... 219 6.2 Literatur ........................................................................................................... 220 5 Amperometrische Messung von Chlor, Chlordioxid und Ozon 1 Einleitung Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel: Ohne ausreichende Wasseraufnahme kann ein Mensch nur kurze Zeit existieren. Viele unserer übrigen Lebens- und Nahrungsmittel enthalten zu einem großen Teil ebenfalls Wasser, werden mit Wasser versetzt oder kommen bei ihrer Zubereitung mit Wasser in Kontakt. Es ist daher eine existenzielle Frage für die Menschheit Wasser in ausreichender Menge sowie in guter chemischer und mikrobiologischer Qualität zur Verfügung zu haben. Gewöhnlich wird unser Trinkwasser aus dem Grund- oder Oberflächenwasser gewonnen und gelangt über meist lokale Netzwerke zum Verbraucher. Je nach vorliegender Wasserqualität müssen noch verschiedene chemische, physikalische und mikrobiologische Aufarbeitungsschritte vorgeschaltet werden, bis eine Qualität erreicht ist, die dem Verbraucher über das Rohrleitungsnetz zur Verfügung gestellt werden kann. Hier ist die hygienische Qualität des Wassers von besonderer Bedeutung: Während bei chemischen Verunreinigungen eine bestimmte Mindestkonzentration vorliegen muss, damit eine biologische Wirkung eintritt, können bereits wenige Krankheitserreger im Wasser ausreichen, um verschiedene schwere Krankheiten auszulösen. Bei günstigen Wachstumsbedingungen und einem ausreichenden Nährstoffangebot vermehren sich die Krankheitserreger sogar im Wasserleitungsnetz. In vielen Entwicklungsländern treten Epidemien auf, die durch Krankheitserreger im Wasser ausgelöst werden. Noch 1919 und 1926 kamen in Pforzheim und Hannover mehrere hundert Menschen bei Typhusepidemien um. Der hygienischen Aufbereitung des Trinkwassers ist einer der wesentlichen Fortschritte der öffentlichen Gesundheit des 20. Jahrhunderts zu verdanken. Nicht nur das Wasser, welches direkt vom Menschen aufgenommen wird, sondern auch das Wasser, das in irgendeiner Weise in Kontakt mit Menschen kommt, muss über eine einwandfreie hygienische Qualität verfügen. Dies beinhaltet z. B. auch Badewasser in Schwimmbädern und Waschoder Spülwasser in Lebensmittel verarbeitenden Betrieben. 1.1 Grundlagen der mikrobiologischen Wasseraufbereitung 1.1.1 Vorschriften zur hygienischen Wasserqualität Die hygienischen Anforderungen, die an Wasser zu stellen sind, werden in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen festgelegt: Trinkwasser „Wasser für den menschlichen Gebrauch muss frei von Krankheitserregern, genusstauglich und rein sein. Dieses Erfordernis gilt als erfüllt, wenn bei der Wassergewinnung, der Wasseraufbereitung und der Verteilung, die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und das Wasser für den menschlichen Gebrauch den Anforderungen der §§5 bis 7 entspricht.“ (Trinkwasserverordnung 2001 (TrinkwV 2001, 2. Abschnitt §4). Badewasser „Schwimm- oder Badebeckenwasser in öffentlichen Bädern oder Gewerbebetrieben muss so beschaffen sein, dass durch seinen Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit durch Krankheitserreger nicht zu besorgen ist. Schwimm- oder Badebecken, einschließlich ihrer Wasseraufbereitungsanlagen, unterliegen insoweit der Überwachung durch das Gesundheitsamt“ (§11 Bundes-Seuchengesetz, BSeuchG). JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 185 5 1 Einleitung 1.1.2 Zugelassene Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser Zulässige Desinfektionsmittel für Trinkwasser gemäß Trinkwasserverordnung 2001, 3. Abschnitt, §11 „Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren“ sind: • Chlor(gas) (Cl2) • Natriumhypochlorit (NaOCl), Calciumhypochlorit (Ca(OCl)2), Magnesiumhypochlorit (Mg(OCl)2) oder Chlorkalk (CaCl(OCl)) • Chlordioxid (ClO2) • Ozon (O3) Zulässige Desinfektionsmittel für Badewasser gemäß DIN 19643-1 (Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser) sind: - Chlor(gas) (Cl2) - Natriumhypochlorit (NaOCl) - Calciumhypochlorit (Ca(OCl)2) Grundsätzlich Bei den zur Desinfektion von Wasser eingesetzten Desinfektionsmitteln handelt es sich ausschließlich um Oxidationsmittel. 1.1.3 Behandlung von Wasser mit Oxidationsmitteln Desinfektion/Entkeimung Die Behandlung von Wasser dient in erster Linie der Abtötung oder Verringerung enthaltener Mikroorganismen (Bakterien, Viren usw.). Diesen Vorgang kann man auch als Desinfektion oder Entkeimung bezeichnen. Die primäre Funktion der Inaktivierung pathogener Mikroorganismen (Krankheitserreger) wird ergänzt durch weitere qualitätsverbessernde Effekte des Oxidationsmittels: 5 • Oxidation von Fe(II+) und Mn(II+) zu Fe (III+) und Mn(IV+), die sich als Eisenhydroxid bzw. Manganoxid niederschlagen und so entfernt werden können • durch eine Restkonzentration an Desinfektionsmittel wird eine Verschlechterung der mikrobiologischen Qualität des Wassers auf dem Weg zum Verbraucher vermieden • Beseitigung von unerwünschten Geruchs- und Geschmacksstoffen durch Oxidation • Verbesserung der Effizienz bei Koagulation und Filtration (Entfernung von Fremdstoffen) • Entfernung von Verfärbungen des Wassers, die z. B. durch Huminstoffe hervorgerufen sein können • Verhinderung von Algenwachstum beispielsweise in Filtern und Sedimentationsbecken Nebenprodukte Bei der Behandlung des Wassers ist man bestrebt, dass sich möglichst wenige unerwünschte Nebenprodukte bei der Desinfektion, wie z. B. Trihalogenmethane, bilden. Dies kann in gewissem Maße durch die Bedingungen (Chlormenge, Temperatur, pH-Wert, ...) gesteuert werden, bei denen die Desinfektion erfolgt. Aber auch durch eine Vorbehandlung mit Ozon können z. B. bereits die Vorläufer von unerwünschten Nebenprodukten im Wasser, die mit Chlor reagieren würden, entfernt werden. 186 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 1 Einleitung 1.1.4 Kriterien für die hygienische Wasserqualität Qualitätsindikatoren Ein direkter Nachweis, dass im Trinkwasser keine Krankheitserreger (pathogene Keime) enthalten sind, kann routinemässig nicht erbracht werden. Man hat daher Grenz- bzw. Richtwerte für Indikatoren festgelegt, die auf ein mögliches Vorhandensein von Krankheitserregern hinweisen. Indikatorkeime sind z. B. Escherichia Coli (E.coli), coliforme Bakterien und Enterokokken. Diese dürfen in einer Probemenge von 100 ml Wasser nicht enthalten sein (Anl. 1, Teil I, TrinkwV 2001). Darüber hinaus ist eine Obergrenze für die Summe aller enthaltenen Keime festgelegt: „In Trinkwasser soll die Koloniezahl den Grenzwert von 100 je ml bei einer Bebrütungstemperatur von 22 C und bei einer Bebrütungstemperatur von 36 C nicht überschreiten.“ (Anl. 3, TrinkwV 2001). Der Grenzwert von 100 Kolonien je ml bei einer Bebrütungstemperatur von 22 °C gilt für Wasserproben am Zapfhahn des Verbrauchers. Unmittelbar nach Abschluss der Aufbereitung dürfen in diesem Fall nicht mehr als 20 Kolonien je ml enthalten sein. Die Koloniezahl ist ein Indikator für die Reinheit des Wassers. Also ein Parameter an dem sich eine Verbesserung (Erniedrigung) bzw. Verschlechterung (Erhöhung) der mikrobiologischen Qualität ablesen lässt. Die mikrobiologischen Anforderungen für Badebeckenwasser können DIN 19643, Teil 1 entnommen werden. Bei den Koloniezahlen gelten die gleichen Grenzwerte wie bei Trinkwasser; die Keime Pseudomonas Aeroginosa, E.coli und Legionella pneumophila dürfen in einer 100-ml-Probe des Beckenwassers nicht nachweisbar sein. 5 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 187 1 Einleitung 5 188 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.1 Chlorung von Wasser Standard Die Chlorung ist das am häufigsten eingesetzte Desinfektionsverfahren für Wasser. Es gibt verschiedene Methoden dem Wasser Chlor oder entsprechende Verbindungen zuzusetzen (Kapitel 1.1.2 „Zugelassene Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser“). In der Praxis geht man meistens so vor, dass man zunächst eine Lösung von Chlorgas bzw. Hypochloriten in Wasser herstellt und diese dann dem aufzubereitenden Wasser in der erforderlichen Menge zudosiert. Entsprechende Ausgangslösungen können auch vor Ort durch die Elektrolyse von wässrigen Natriumchloridlösungen hergestellt werden, das hierbei entstehende Chlorgas löst sich dann sofort im Wasser. Chlorgas Die keimtötende Wirkung von Chlorgas (Cl2) beruht hauptsächlich auf der sich in Wasser bildenden unterchlorigen oder hypochlorigen Säure (HOCl): Cl2 + H2O HOCl + HCl (hypochlorige Säure) (1) (Salzsäure) Bei der Reaktion von Cl2 mit Wasser (H2O) bilden sich hypochlorige Säure (HOCl) und Salzsäure (HCl). Die Salzsäure verursacht als starke Säure eine pH-Wert Absenkung, wenn keine Pufferwirkung im Wasser vorhanden ist. Aus diesem Grund muss der pH-Wert ggf. mit Lauge auf den gewünschten Wert eingestellt werden. Bei der obigen Reaktion handelt es sich um eine Gleichgewichtsreaktion. Die Lage des Gleichgewichts ist von pH-Wert und Temperatur abhängig. Hypochlorige Säure HOCl ist eine schwache Säure (pks = 7,5). Bei höheren pH-Werten dissoziiert HOCl zunehmend unter Bildung von Hypochlorit-Ionen ClO-: HOCl + OH- H2O + OCl- (2) Die Hypochlorit-Ionen besitzen ebenfalls eine desinfizierende Wirkung, jedoch in weitaus geringerem Ausmaß als HOCl. Daher haben Wässer mit zunehmendem pH-Wert einen zunehmenden Chlorbedarf bzw. erfordern eine längere Einwirkzeit oder höhere Einwirkungstemperaturen. Hypochlorite Eine andere Möglichkeit zur Desinfektion von Wasser bietet der Einsatz von Hypochloriten, z.B. Natriumhypochlorit (NaOCl). NaOCl + H2O HOCl (hypochlorige Säure) + NaOH (3) (Natriumhydroxid) Das bei der Reaktion entstehende Natriumhydroxid verursacht als starke Base bei schwach gepuffertem Wasser eine pH-Erhöhung, die ggf. durch Zugabe einer Säure auf den richtigen pH-Wert korrigiert werden muss. Bitte beachten Sie beim Einsatz von Hypochlorit-Lösungen, dass diese instabil sind und sich zersetzen können. Die Zersetzung wird begünstigt durch Temperaturerhöhung, Licht, Lagerzeit und die Anwesenheit von Metallionen. Durch die Zersetzung bildet sich neben anderen Reaktionsprodukten auch Chlorat, was als Inhaltsstoff von Trink- und Badewasser nicht erwünscht ist. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 189 5 2 Grundlagen Temperatur- und pH-Wert-Abhängigkeit Die Lage des Gleichgewichts zwischen in Wasser gelöstem Chlorgas (Cl2(aq.)), hypochloriger Säure (HOCl) und Hypochlorit (OCl-) ist neben der Temperatur in erster Linie vom pH-Wert abhängig. Cl2(aq.) OCl- HOCl (pH-abhängiges Gleichgewicht) (4) Das Mengenverhältnis von HOCl und OCl- wird anhand der folgenden Abbildung erläutert: 100 90 80 HOCl-Anteil [%] 70 60 50 5°C 20°C 40 30 20 10 0 5 6 7 8 9 10 11 12 pH-Wert 5 Abbildung 1: Existenzbereiche von hypochloriger Säure und Hypochlorit in Abhängigkeit vom pH-Wert für 5°C und 20°C Dargestellt ist der prozentuale Anteil von HOCl, der Anteil von OCl- ergibt sich aus: 100-[HOCl] Für die einzelnen pH-Bereiche gilt gemäß Abbildung 1: pH-Bereich vorherrschende Komponente Beispiel 3–6 HOCl Bei 20 °C HOCl > 95 % 6–9 Gemische von HOCl und OCl- Bei pH 7 und 20 °C 80 % HOCl, 20 % OCl- Bei pH 8 und 20 °C 28 % HOCl, 72 % OCl- >9 OCl- Bei pH 9 und 20 °C HOCl < 5 % Im niedrigeren pH-Bereich unter 3 liegt neben HOCl zunehmend auch noch undissoziiertes physikalisch im Wasser gelöstes Cl2-Gas vor. 190 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Temperaturabhängigkeit Je niedriger die Temperatur ist, desto höher ist bei vorgegebenem pH-Wert der Anteil an HOCl. Bei der Desinfektion von Wasser muss der pH-Wert eingeregelt und dann eingehalten werden. Bei zu hohen pH-Werten nimmt die Keimtötungsgeschwindigkeit stark ab, bei zu niedrigen pH-Werten besteht Korrosionsgefahr. Anmerkung Prinzipielle pH-Grenzwerte für Trinkwasser: • EG-Richtlinie über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (98/83/EG vom 3. November 1998): 6,5 bis 9,5 • WHO-Guideline Value: < 8,0 • Anlage 3 TrinkwV 2001: ⱖ 6,5 und ⱕ 9,5 Zusatzbemerkungen: „Das Wasser sollte nicht korrosiv wirken. Die berechnete Calcitlösekapazität am Ausgang des Wasserwerks darf 5mg/l CaCO3 nicht überschreiten; diese Forderung gilt als erfüllt, wenn der pH-Wert am Wasserwerkausgang ⱖ 7,7 ist. Bei der Mischung von Wasser aus zwei oder mehr Wasserwerken darf die Calcitlösekapazität im Verteilungsnetzwerk den Wert von 10mg/l nicht überschreiten.“ (TrinkwV 2001, Anl. 3, Lfd-Nr. 18) Die pH-Grenzwerte für Badebeckenwasser sind in DIN 19643 (Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser) festgelegt. Für Badebeckenwasser gilt im Allgemeinen pH 6,5 - 7,6 (Süßwasser) bzw. pH 6,5 - 7,8 (Meerwasser) – Sonderfälle, siehe Norm. In der Praxis Im Interesse einer effektiven Desinfektion wird man bei Zusatz von Cl2 oder NaOCl eher einen pHWert in dem unteren pH-Sollbereich einstellen. Andererseits ist zu beachten, dass im sauren Bereich eine verstärkte Korrosion an Metall, Beton usw. auftritt. In der Praxis wird man deshalb als Kompromiss einen pH-Wert einstellen, der etwa im Bereich von 7,2 und 7,4 liegt. 2.1.1 Definitionen Kennzahlen Nach DIN EN ISO 7393-2 (früher DIN 38408-G4) unterscheidet man folgende Kennzahlen für die Chlorkonzentration in Wasser: • Freies Chlor: Cl2 (aq.), HOCl, OCl- (je nach vorliegendem pH-Wert). • Gebundenes Chlor: Chloramine (NH2Cl, NHCl2, NCl3 und organische Chloramine, z. B. CH3NHCl). • Gesamtchlor: Summe des freien und des gebundenen Chlors. 5 Dosierung Die Chlorkonzentration in Wasser, das mit Chlor oder Hypochloriten versetzt wurde, gibt man als freies Chlor in mg/l Cl2 an. Trinkwasser Je nach Qualität des Rohwassers dürfen in Trinkwasser bis zu 1,2 mg/l Cl2 zugesetzt werden. Nach Abschluss der Aufbereitung darf die Konzentration an freiem Chlor 0,3 mg/l nicht überschreiten. Gemäß Trinkwasser-Verordnung muss Trinkwasser bei der Desinfektion mit Chlor nach der Aufbereitung eine Restkonzentration von 0,1 mg/l Cl2 aufweisen. In besonderen Fällen erlaubt die Trinkwasser-Verordnung einen Zusatz von bis zu 6 mg/l Cl2 (TrinkwV 2001. 3. Abschn. § 11). Badebeckenwasser Hier gelten nach DIN 19643-Teil 1 (Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser) folgende Grenzwerte für freies Chlor: Allgemein 0,3 - 0,6 mg/l Cl2 und in Warmsprudelbecken 0,7 - 1,0 mg/l Cl2. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 191 2 Grundlagen Bitte beachten Sie weitere Einschränkungen in DIN 19643! Für gebundenes Chlor und Trihalogenmethane berechnet als Chloroform werden in DIN 19643, Teil 1 obere Grenzwerte von 0,2 mg/l und 0,02 mg/l angegeben. Bitte beachten Sie auch hier weitere Einschränkungen und Sonderfälle in DIN 19643! 2.2 Einsatz von Chlordioxid als Aufbereitungsmittel für Wasser Wirkung Chlordioxid (ClO2) löst sich als Gas in Wasser. Eine Hydrolyse wie bei Chlor läuft nicht ab. Die Desinfektionswirkung von Chlordioxid beruht auf einer Oxidationsreaktion der unerwünschten Wasserinhaltsstoffe, bei welcher Chlordioxid zu Chlorit (ClO2- ) reduziert wird. Vorsicht! Chlordioxid kann wegen seiner Explosivität nicht in komprimierter Form oder in höherkonzentrierten Lösungen gelagert werden. Man stellt ClO2 deswegen am Ort der Verwendung aus Natriumchlorit (NaClO2) und Chlor (Cl2) oder Natriumhypochlorit (NaClO) bzw. aus Natriumchlorit und Salzsäure (HCl) her: 2 NaClO2 + Cl2 2 ClO2 + 2 NaCl (5) 2 NaClO2 + HOCl 2 ClO2 + NaCl + NaOH (6) 5 NaClO2 + 4 HCl 4 ClO2 + 5 NaCl + 2 H2O (7) In Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen bei der Herstellung von ClO2 ist als unerwünschte Nebenreaktion die Bildung von Chlorat (ClO3-) möglich. Dosierung Chlordioxid darf dem Trinkwasser bis zu einer Konzentration von 0,4 mg/l zugesetzt werden. Nach Abschluss der Aufbereitung muss die Konzentration von Chlordioxid zwischen 0,05 und 0,2 mg/l (TrinkwV 2001. 3. Abschn. §11) liegen. 5 2.3 Einsatz von Ozon als Aufbereitungsmittel für Wasser Wirkung Ozon ist eines der stärksten verfügbaren Oxidationsmittel, welches sehr schnell mit Verunreinigungen im Wasser reagiert und diese dadurch unschädlich macht. Ozon kann sich im Wasser in einem komplexen Mechanismus zu freien Hydroxyl-Radikalen zersetzen. Freie HydroxylRadikale gehören zu den stärksten in Wasser vorkommenden Oxidationsmitteln. Die Oxidation von Wasserinhaltsstoffen kann entweder indirekt über die sehr reaktiven Hydroxyl-Radikale oder direkt über Ozon erfolgen. Welcher Oxidationsmechanismus bevorzugt abläuft, hängt von den herrschenden Bedingungen (höherer pH, Anwesenheit von UV-Strahlung begünstigen HydroxylRadikale) ab. Trotzdem ist das Oxidationsvermögen des Ozons in der Wasseraufbereitung nur wenig vom pH-Wert abhängig. Ozon kann neben seiner eigentlichen Aufgabe der Desinfektion auch eingesetzt werden zur • Oxidation anorganischer Inhaltsstoffe einschließlich Fe (II+), Mn (II+) und Sulfiden • Oxidation von organischen Verschmutzungen einschließlich farb-, geruchs- und geschmacksverändernden Stoffen sowie phenolischen Verschmutzungen und Pestiziden 192 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen • bei Ozonbehandlung im Vorfeld einer Chlorung: Reduktion des erforderlichen Chlorbedarfs und Verminderung von Inhaltsstoffen, die mit Chlor störende Nebenprodukte bilden würden Erzeugung Ozon wird direkt am Ort der Verwendung durch elektrische Entladung oder auf elektrolytischem Wege hergestellt. Zur Erzeugung des Ozons wird je nach Verfahren Luft oder Sauerstoff verwendet. Dosierung Bei Ozon erlaubt die Trinkwasser-Verordnung einen Zusatz von max. 10 mg/l Ozon. Der obere Grenzwert nach der Aufbereitung beträgt 0,05 mg/l (TrinkwV 2001. 3. Abschn. §11). Wegen seiner hohen Reaktivität wird das Ozon meistens schnell aufgezehrt, bei langen Rohrleitungswegen kann es daher erforderlich sein, das Wasser auf dem Weg zum Verbraucher vor Wiederverkeimung z. B. durch Zugabe von Chlor zu schützen. 2.4 Vor- und Nachteile von Chlor, Chlordioxid und Ozon als Aufbereitungsmittel für Wasser 2.4.1 Chlor Vorteile • erprobtes, sicheres und wirtschaftliches Desinfektionsmittel • inaktiviert ein breites Spektrum im Wasser vorkommender Krankheitserreger • Restkonzentration im Wasser kann leicht gemessen und geregelt werden • Mn (II+), Fe(II+) und Hydrogensulfide werden oxidiert Nachteile: • pH-abhängige Desinfektionswirkung • Bildung unerwünschter Nebenprodukte möglich, z. B. Trihalogenmethan-Bildung aus Fulvin- und Huminsäuren ( gesundheitsschädlich, cancerogen?) • Chloramin-Bildung bei Anwesenheit von Ammoniak oder Aminen (Schwimmbad unangenehmer Geruch, Reizung von Augen und Schleimhäuten, gesundheitsschädlich) • Chlorphenolbildung, sofern Wasser phenolhaltig ( Beeinträchtigung von Geruch und Geschmack) • hohes Gefährdungspotential bei unkontrolliertem Austritt von Chlorgas 5 2.4.2 Chlordioxid Vorteile • Desinfektionswirkung weniger stark vom pH-Wert abhängig als bei Chlor • ClO2 besitzt stärkere Desinfektions(Oxidations-)wirkung als Chlor • unangenehme Geruchs- und Geschmacksstoffe (z. B. aus Phenolen, Algen...) im Wasser werden oxidiert (Umwandlung in geruchs- und geschmacksneutrale Stoffe) • Mn (II+) und Fe(II+) werden oxidiert, auch in komplexierter Form • ClO2 ist in Wasser sehr stabil. Nach abgeschlossener Zehrung kann ein Überschuß längere Zeit aufrecht erhalten werden (Vermeidung von Wiederverkeimung bei langen Leitungswegen) JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 193 2 Grundlagen • mit Ammoniak bildet ClO2 keine Chloramine • Trihalogenmethane werden nicht gebildet, da die Ausgangsverbindungen oxidiert werden; die Bildung anderer organischer Halogenverbindungen kann durch die exakte Kontrolle der Reaktionsbedingungen vermieden werden • mit Phenolen werden keine übelriechenden Chlorphenole gebildet • Geruchs- und Geschmacksgrenze ist höher als bei Chlor Nachteile • erheblich teurer als Chlorung • Chlorit und Chlorat können als unerwünschte Nebenprodukte bei der Herstellung von ClO2 gebildet werden • Zersetzung von ClO2 durch Sonnenlicht • hohes Gefährdungspotential bei unkontrolliertem Austritt von Chlordioxid 2.4.3 Ozon Vorteile (Kapitel 2.3 „Einsatz von Ozon als Aufbereitungsmittel für Wasser“) • starkes Desinfektionsmittel (stärker als Cl2 und ClO2), daher nur kurze Einwirkzeit erforderlich. • die biozide Wirkung ist pH-unabhängig • wirkt durch Oxidation organischer Stoffe (z. B. Huminstoffe) verbessernd auf Geruch, Geschmack und Farbe des Wassers • bei der Zersetzung von Ozon bildet sich nur gelöster Sauerstoff („rückstandsfrei“) • Ozon bildet keine halogenhaltigen Nebenprodukte (Ausnahme: wenn Br--Ionen im Wasser vorhanden sind Bildung von Bromat-Ionen, Bromoform, bromierte Essigsäure usw.) 5 Nachteile • relativ hohe Kosten (Anlage, Energie...). • bei Verwendung von Luft zur Herstellung von O3 ist die Bildung von Stickoxiden als unerwünschten Nebenprodukten möglich ( Bildung organischer Nitroverbindungen) • Bildung von unerwünschten Nebenprodukten im Wasser möglich: Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren, Bromat und bromierte organische Verbindungen in Anwesenheit von Bromid-Ionen • wegen seiner hohen Reaktivität baut sich das Ozon relativ schnell ab; gegen eine eventuelle Wiederverkeimung des Wassers oder eine Biofilmbildung im Verteilersystem muss daher ein sekundäres Desinfektionsmittel eingesetzt werden • Ozon ist korrosiv und hoch-toxisch (Gefahr bei unkontrolliertem Entweichen) 194 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.5 Analytische Bestimmungsmethoden 2.5.1 Bestimmung von Chlor nach DIN EN ISO 7393-2 (früher DIN 38408-G4) Die photometrische Bestimmung von Chlor mit der DPD-Methode (DPD = N,N-Diethyl-p-phenylendiamin) basiert auf Reaktionsgleichung: H C2H5 Cl2 pH 6-7 C2H5 - HSO4 N H2N + + + C2H5 C2H5 2 HN H2N + HSO4 C2H5 + Cl N + - N + folgender - C2H5 roter Farbstoff Abbildung 2: Reaktionsgleichung für die Umsetzung von DPD mit Chlor (aus L.A. Hütter, Wasser und Wasseruntersuchung, 6. Auflage, Verlag Salle Sauerländer, Frankfurt/M, 1994) Methode Als Messgröße dient die Absorption im Maximum des UV/VIS-Spektrums des roten Farbstoffs, der durch die Reaktion von DPD mit Cl2 gebildet wird. Die Absorption ist proportional zur vorhandenen Farbstoffkonzentration bzw. zur vorliegenden Konzentration an freiem Chlor . In Abwesenheit von Iodid-Ionen wird lediglich das freie Chlor erfasst. Gibt man anschließend Kaliumiodid zu, setzen die in der Probe vorhandenen Chlorsubstitutionsprodukte eine stöchiometrische Menge Iod frei, welches entsprechend der obigen Gleichung anstelle von Cl2 mit DPD reagiert. Als Ergebnis erhält man die Gesamtchlorkonzentration. Die Differenz von Gesamtchlor und freiem Chlor ergibt das gebundene Chlor. Neben der DPD-Methode gibt es noch zwei weitere Verfahren zur Chlorbestimmung: ein titrimetrisches Verfahren mit DPD als Indikator (DIN EN ISO 7393-1) und ein iodometrisches Verfahren (DIN EN ISO 7393-3). 2.5.2 Bestimmung von Chlordioxid nach DIN 38408-G5 Titration Dieses Verfahren basiert auf der Oxidation von DPD durch ClO2. Der gebildete Farbstoff wird durch die Titration mit Ammoniumeisen(II)sulfat-Lösung entfärbt. Aus dem Verbrauch der Lösung berechnet sich die Konzentration des Chlordioxids. Alternativ hierzu ist auch eine photometrische Bestimmung von ClO2 mit DPD möglich. Wie beim Chlor berechnet sich die Konzentration des ClO2 aus der Absorption mit einem chlordioxidspezifischen Faktor. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 195 5 2 Grundlagen 2.5.3 Bestimmung von Ozon nach DIN 38408-G3 Drei Methoden In dieser Norm werden drei Methoden zur Bestimmung von Ozon aufgeführt: Eine iodometrische Titration und zwei photometrische Bestimmungen mittels DPD oder Indigotrisulfonat. Hiervon wird wahrscheinlich die DPD-Methode am häufigsten im Bereich der Betriebskontrolle eingesetzt. Ozon reagiert wie Chlor und Chlordioxid mit DPD ebenfalls zu einem roten Farbstoff. Die Ozonkonzentration wird aus der gemessenen Absorption mittels eines ozonspezifischen Faktors berechnet. 2.5.4 Kontinuierliche Messverfahren für Desinfektionsmittelkonzentrationen Kontinuierliche Messung Bei den vorher vorgestellten Bestimmungsmethoden handelt es sich nicht um kontinuierliche (online) Messverfahren, sondern es werden zu bestimmten Zeitpunkten Proben entnommen und Einzelmessungen durchgeführt. Die DIN 19643 gibt für die Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser eine kontinuierliche Messung, Regelung und Aufzeichnung von freiem Chlor und pH-Wert vor (Ausnahme: Kaltwassertauchbecken < 2 m3). Für die Regelung der Desinfektionsmittelkonzentration ist es von Vorteil, wenn dauernd ein elektrisches Signal zur Verfügung steht, das der Desinfektionsmittelkonzentration proportional ist. Dieses Signal kann dann als Eingangssignal für die Steuerung einer Dosieranlage für das Desinfektionsmittel verwendet werden, d. h. die Konzentration kann vollautomatisch geregelt werden. 5 196 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.6 Weitere Aufbereitungsmittel Die im Kapitel 1.1.2 „Zugelassene Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser“ aufgeführten Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser (Cl2, NaOCl, Ca(OCl)2, Mg(OCl)2, CaCl(OCl), ClO2, O3) sind in folgenden offiziellen Dokumenten als Aufbereitungsstoffe aufgeführt: • „Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß §11 Trinkwasserverordnung 2001, 15. Änderung, Stand Juni 2011“ (in jeweils aktuellster Form verfügbar auf der Internetseite des Umweltbundesamtes: www.uba.de) • DIN 19643 „Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser“ Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer Mittel, welche auch zur Desinfektion von Wasser eingesetzt werden können. Der Einsatz dieser Mittel findet dabei offenbar hauptsächlich in privaten Schwimmbädern statt oder beschränkt sich auf andere Anwendungen. Als Chlorabspalter werden beispielsweise in diesem Zusammenhang verschiedene organische Verbindungen eingesetzt: Dazu gehören Chloramin- oder Cyanursäure-Derivate. Stellvertretend seien erwähnt: • Dichlorisocyanursäure • Trichlorisocyanursäure Wenn Sie beim Einsatz eines organischen Chlorabspalters die Verwendung einer Chlormesszelle planen, setzen Sie sich bitte zunächst mit JUMO in Verbindung, ob der Einsatz eines amperometrischen Sensors möglich ist. Als Alternative zu Chlor und seinen Verbindungen können auch das Halogen Brom oder dessen Verbindungen zur Wasserdesinfektion eingesetzt werden. Brom oder Bromverbindungen befinden sich allerdings ebenfalls in keiner der oben angeführten Auflistungen über Mittel zur Wasseraufbereitung, daher ist auch der Einsatz dieser Mittel weitgehend auf den Bereich privater Schwimmbekken oder anderer Sonderanwendungen begrenzt. Im Prinzip ist auch bei Brom oder dessen Verbindungen ein Einsatz von amperometrischen Sensoren denkbar. Allerdings müssen die Sensoren hierfür speziell angepasst sein. 5 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 197 2 Grundlagen 2.7 Amperometrische Sensoren Eine Möglichkeit zur kontinuierlichen Bestimmung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon bietet die elektrochemische Bestimmung mittels amperometrischer Sensoren. Messprinzip Der zu bestimmende Analyt (z. B. Chlor) reagiert an der Arbeitselektrode (Kathode). Man misst einen zur Analytkonzentration in der Lösung proportionalen Strom. Ausführung Amperometrische Sensoren lassen sich nach folgenden Kriterien einteilen (siehe Abbildung 3): • Zwei-Elektroden-Systeme • Drei-Elektroden-Systeme mit potenziostatischer Schaltung Die Sensoren gibt es sowohl in offener als auch in membranbedeckter Ausführung. zum Messumformer 5 1 2 3 6 5 4 5 Zwei-Elektroden-System Abbildung 3: 1 3 5 Drei-Elektroden-System Schematische Darstellung amperometrischer Sensoren in Zwei- und Drei-Elektroden-Bauweise Bezugselektrode (BE) Elektrolyt Isolation 2 4 6 198 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon Diaphragma Mess- und Arbeitselektrode (ME) Gegenelektrode (GE) JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Bei direktem Elektrodenkontakt durch das zu untersuchende Wasser ist eine Inaktivierung der Elektrode durch Ablagerung von Schmutz oder durch elektrochemische Nebenreaktionen möglich. In diesem Fall ist eine kontinuierliche Reinigung der Elektroden durch Quarzsand bzw. durch Glas- oder Teflonkugeln erforderlich. Das anströmende Messwasser sorgt hier in einer speziellen Durchflussarmatur für die Verwirbelung der zur Reinigung vorgesehenen o. g. Partikel. Durch den ständigen Kontakt der Partikel mit den Elektrodenoberflächen werden diese frei von Verunreinigungen gehalten. Zu einer offenen Messzelle gehört immer auch ein darauf abgestimmtes Reinigungssystem. Beim Betrieb einer offenen Messzelle ohne Reinigungseinrichtung nimmt der Strom, den die Messzelle liefert, durch Belagbildung auf der Elektrodenoberfläche schnell ab. JUMO liefert sowhl Messumformer als auch Sensoren für die Messung von Desinfektionsmitteln. Ein Beispiel für eine offene Messzelle mit 12 mm Glasschaft und PG 13,5-Gewinde zeigt die folgende Abbildung: 5 Abbildung 4: Offene Messzelle mit 12 mm Glasschaft und PG 13,5-Gewinde Bei dieser Messzelle handelt es sich um ein Drei-Elektroden-System. An der Stirnfläche des Glasschaftes befinden sich die Arbeits- und die Gegenelektrode. Die Silber-/Silberchlorid-Bezugselektrode steht über das poröse Diaphragma mit der Messlösung in Kontakt. Der Bezugselektrolyt ist für eine möglichst lange Standzeit mit einem Kaliumchlorid-Vorrat versehen. JUMO hat beim Patentamt Schutzrechte für diese Messzellenbauweise angemeldet. Geschützte Elektroden Eine Möglichkeit störende Verunreinigungen von den Elektroden fernzuhalten, ist der Abschluss der Messzelle durch eine Membran (Abbildung 5). Der elektrolytgefüllte Elektrodenraum ist somit vor direktem Kontakt mit dem Messwasser geschützt. Verunreinigungen können nicht mehr auf den Elektrodenoberflächen abgelagert werden, während der zu bestimmende Analyt ungehindert durch die Membran hindurchtreten kann. Die Diffusion des Analyten durch die Membran sorgt dafür, dass sich die Konzentrationen zu beiden Seiten der Membran angleichen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 199 2 Grundlagen Die Messzellenauswahl ist druckabhängig Membran bedeckte Messzellen können nur bis zu einem Druck von etwa 1 bar eingesetzt werden; dabei dürfen keine Druckschwankungen auftreten. zum Messumformer Abbildung 5: 5 1 3 5 Isolation Elektrolyt Membran 1 1 1 2 3 4 5 Schematische Darstellung eines Membran bedeckten amperometrischen Sensors in Zwei-Elektroden-Bauweise 2 4 Gegenelektrode (GE) Messelektrode mit Elektrolytschicht Vorteile Membran bedeckter Zellen • keine Verschmutzung der Elektroden • definierte Elektrolytzusammensetzung im Probenraum • geringe Durchflussabhängigkeit des Messsignals • geringe Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Messwassers Hinweis Durch die definierte Zusammensetzung des Elektrolyten bei einer Membran bedeckten Messzelle ist der Zellenstrom in Abwesenheit des Analyten gleich Null. Hierdurch wird eine aufwändige Kalibrierprozedur vermieden. Es muss nur die Steilheit ermittelt werden. 200 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.7.1 Reaktionen an Metalloberflächen, Nernstsche Diffusionsschicht Um die Funktionsweise amperometrischer Messzellen zu verstehen, muss man sich die Transportphänomene betrachten, die den Transport der reagierenden Teilchen an die Elektrodenoberfläche bewerkstelligen. Betrachten wir hierzu die Strömungsprofile an der Oberfläche einer Elektrode (Abbildung 6): 1 2 3 4 5 Abbildung 6: Strömungsprofile an einer Elektrodenoberfläche 1 3 Elektrode (Kathode) Nernst’sche Diffusionsschicht 5 (Dicke 10-2 - 10-3 cm) Bereich turbulenter Strömung 2 4 Elektrodenoberfläche Bereich laminarer Strömung In den Bereichen mit laminarer und turbulenter Strömung erfolgt der Teilchentransport durch Konvektion. Die Konvektion wird z. B. durch Rühren oder Schütteln hervorgerufen. Im Bereich der Nernstschen Diffusionsschicht erfolgt der Teilchentransport ausschließlich durch Diffusion. Rühren hat auf die Vorgänge im Bereich der Nernstschen Diffusionsschicht keinen Einfluss. Der Teilchentransport wird hier durch steigende Temperatur bzw. sinkende Viskosität des Messmediums beschleunigt. Die Dicke der Nernstschen Diffusionsschicht (ca. 10-2 bis 10-3 cm) ist von der Rührgeschwindigkeit und der Viskosität der Lösung abhängig. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 201 5 2 Grundlagen 2.7.2 Zwei-Elektroden-System Prinzip Ein Zwei-Elektroden-System besteht aus Messelektrode (ME) und Gegenelektrode (GE). Zwischen ME und GE wird eine bestimmte Spannung (Polarisationsspannung) angelegt. Bei dieser Spannung reagiert idealerweise nur der zu bestimmende Analyt (also das zu bestimmende Desinfektionsmittel). Die folgende Abbildung 7 zeigt vier verschiedene Bereiche: I Keine Reaktion des Analyten an der Arbeitselektrode, da die angelegte Spannung zu niedrig ist. II Die Reduktion des Analyten an der Kathode setzt ein, die angelegte Spannung ist jedoch noch nicht groß genug, um in den Bereich des Diffusionsgrenzstromes zu gelangen, d.h. nicht alle Analytmoleküle an der Elektrodenoberfläche werden sofort reduziert. Das zu Y gehörende Potential (Abbildung 7 und Abbildung 8) nennt man auch das „Halbstufenpotenzial“ des Analyten. Dieses Potential besitzt einen für den Analyten charakteristischen Wert. III Messbereich: Der gesamte Analyt an der Elektrodenoberfläche wird sofort reduziert. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird allein durch die Diffusion der Analytmoleküle durch die Nernstsche Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche bestimmt. IV Unerwünschte Reaktionen von Oxidationsmitteln, die schwerer zu reduzieren sind als der Analyt, treten auf. Strom I II III IV Diffusionsgrenzstrom I G Z IG 2 5 Y X 0 Spannung Abbildung 7: Schematische Darstellung des Stromflusses in Abhängigkeit von der angelegten Spannung in einer amperometrischen Messzelle 202 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Konzentrationsprofile Wenn man sich die Konzentrationsprofile eines Analyten A an der Grenzschicht Elektrode/Lösung in Abhängigkeit von der Entfernung zur Elektrodenoberfläche betrachtet, ergibt sich in einer gerührten Lösung folgendes Bild (Abbildung 8): Konzentration Analyt I CA II X Y CA /2 Z 0 Abstand zur Elektrodenoberfläche Abbildung 8: I Konzentrationsprofile des Analyten A an der Grenzfläche Elektrode/Lösung (gerührte Lösung) Nernst’sche Diffusionsschicht (ruhende Lösung) II Gerührte Lösung (mit laminaren und turbulenten Bereichen) Die Kurvenäste X, Y und Z in Abbildung 8 entsprechen den Punkten X, Y und Z in Abbildung 7. Nach dem Anlegen einer Spannung wird Analyt A an der Elektrodenoberfläche verbraucht und reagiert gemäß folgender Reaktionsgleichung zum Produkt P: A + n e- pn- (8) Die Höhe der angelegten Spannung beeinflusst die Zahl der Analytmoleküle, die an der Elektrodenoberfläche reagieren. Bei Spannungen im Bereich III (Abbildung 7, Spannung Z) reagiert jedes Molekül A sofort, wenn es die Kathodenoberfläche erreicht hat. Die Konzentration von A direkt an der Kathodenoberfläche ist daher gleich Null. Es entsteht ein Konzentrations-Gradient des Analyten A in einer dünnen Grenzschicht (Nernstsche Diffusionsschicht) zwischen der Mess- oder Arbeitselektrode (ME) und dem Elektrolyten. Durch diese Grenzschicht müssen die beteiligten Spezies hindurchtreten. Der Transportvorgang des Analyten durch die Nernstsche Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche ist der langsamste und damit der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Gesamtreaktion. Die Geschwindigkeit der Kathodenreaktion wird somit durch die Nachlieferung des Oxidationsmittels an die Kathodenoberfläche bestimmt (Konzentrations-polarisation). Hierdurch wird der Stromfluss zwischen Anode und Kathode limitiert (Diffusionsgrenzstrom). JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 203 5 2 Grundlagen Messprinzip Der im Bereich III (Abbildung 7) fließende Strom (Diffusionsgrenzstrom) ist proportional zur Konzentration des Analyten im Messmedium. Messgrösse ist der Spannungsabfall, den der Strom über einen Widerstand hervorruft. Über die Größe des Widerstands kann die Größe des Ausgangssignals variiert werden. Das Ausgangssignal wird hochohmig mit einem Volt- bzw. pH-Meter gemessen. Nach dem Anlegen der Polarisationsspannung (Bereich III, Abbildung 7) muss die Zeit abgewartet werden, bis sich das Gleichgewicht zwischen Elektrode und umgebender Lösung bzgl. der Nachlieferung des Analyten an die Kathode eingestellt hat. Diese sogenannte Polarisationszeit kann einige Minuten oder gar Stunden betragen, wenn der Sensor erstmalig in das Medium eingebracht wird. 2.7.3 Drei-Elektroden-System Potenzialkonstanz Beim Drei-Elektroden-System erhöht sich die Selektivität durch die bessere Potenzialkonstanz: Das System besteht aus der Mess- oder Arbeitselektrode (ME), der Gegenelektrode (GE) und einer Bezugselektrode (BE). Über eine potenziostatische Schaltung wird das Potenzial zwischen ME und BE auf dem für die Durchtrittsreaktion erforderlichen Wert gehalten. Die BE bleibt stromlos. Der Strom fließt über die GE. Auch im Falle der Drei-Elektroden-Messzelle ist der Diffusionsgrenzstrom proportional zur Konzentration des Analyten. Sofern es sich um ein Messmedium bekannter Zusammensetzung handelt, d. h. es wird gezielt nur ein Analyt zugesetzt, kann auch ein Zwei-Elektroden-System zur Messung des Analyten eingesetzt werden. 5 204 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.8 Chemische Vorgänge an der Messelektrode Die Messelektrode (auch als Arbeitselektrode bezeichnet) besteht aus einem Edelmetall wie Platin oder Gold und ist als Kathode geschaltet, d.h. hier wird der Analyt als Oxidationsmittel reduziert. Schematisch, beispielhaft für Chlor: Cl2 + 2 e- 2 Cl- (9) Die Gegenelektrode besteht häufig aus Silber. An der GE als Anode findet eine Oxidation als Gegenreaktion statt, z.B.: Ag0 Ag+ + e- (10) Messfehler Ein Zwei-Elektroden-System hat den Nachteil, dass sich das Potenzial zwischen ME und GE ändern kann. Dies gilt insbesondere bei einem offenen System, weil sich hier infolge schwankender Messwasserzusammensetzung die Gegebenheiten an den Elektroden ändern können. Wenn sich das Potenzial ändert, können auch andere im zu untersuchenden Wasser enthaltene Oxidationsmittel mit einer Polarisationsspannung in einem ähnlichen Bereich reagieren und das Ergebnis verfälschen. 2.8.1 Temperaturabhängigkeit Der Diffusionsvorgang ist temperaturabhängig. Der Diffusionsgrenzstrom nimmt mit steigender Temperatur zu. Die Temperaturabhängigkeit bei Zwei- und Drei-Elektroden-Messzellen lässt sich durch den Einbau eines Temperatursensors berücksichtigen. Bei JUMO-Sensoren werden messzellenspezifische Temperatureffekte durch entsprechende NTC-Widerstände berücksichtigt. 2.8.2 Kalibrierprozedur Nullpunkt Die Kalibrierprozedur umfasst normalerweise den Abgleich von Nullpunkt und Steilheit. Im Falle Membran bedeckter Sensoren enthält der Elektrodenraum aber einen definierten Elektrolyten, bei dem der Sensor kein Nullsignal zeigt. Somit ist in diesem Falle kein Nullpunktsabgleich mit analytfreiem Wasser erforderlich. Die Kalibrierung vereinfacht sich dadurch erheblich, weil der Analyt nicht über einen parallelgeschalteten Aktivkohlefilter oder eine ähnliche Einrichtung aus dem Messmedium entfernt werden muss. Steilheit Zum Abgleich der Steilheit wird eine mit einer Referenzmethode (z. B. DPD-Methode) ermittelte Analytkonzentration verwendet. Die Steilheit wird so angepasst, dass dem unkalibrierten Stromsignal der amperometrischen Messzelle die mit der Referenzmethode ermittelte Analytkonzentration zugeordnet wird. Die Probe zur Ermittlung des Referenzwertes sollte möglichst nahe der Sensoreinbaustelle entnommen werden. Testsysteme Entsprechende Testsysteme zur Ermittlung der Konzentration von freiem Chlor, Chlordioxid oder Ozon können im Handel bezogen werden. Testsysteme auf photometrischer Basis führen unter anderem die Firmen VWR International (früher Merck), Marcherey-Nagel usw. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 205 5 2 Grundlagen 5 206 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.1 Aufbau der JUMO-Messzellen für freies Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO-Messzellen Bei den JUMO-Messzellen handelt es sich um Membran bedeckte amperometrische Zwei- oder Drei-Elektrodenmesssysteme (Abbildung 9). Die im Schaft der Messzellen integrierte Elektronik liefert ein unkalibriertes Signal von 4 ... 20 mA, das beispielsweise durch das Anzeige- und Regelgerät JUMO AQUIS 500 AS (JUMO-Typenblatt 202568) und den Messumformer/Regler JUMO dTRANS AS 02 (JUMO-Typenblatt 202553) weiterverarbeitet werden kann. Das Gerät übernimmt zwei Funktionen: Es stellt die notwendige Versorgungsspannung zur Verfügung und erlaubt die einfache Kalibrierung des Messsystems. Die Messzellen können aber auch an andere Anzeiger, Regler, Schreiber oder SPS-Systeme angeschlossen werden, sofern diese Spannungsversorgung und Kalibrierung erlauben. Für freies Chlor, Chlordioxid und Ozon sind jeweils verschiedene Messbereiche erhältlich, siehe JUMO-Typenblatt 202630. Abbildung 9: Anzeige- und Regelgerät JUMO AQUIS 500 AS mit JUMO-Chlormesszelle JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 5 207 3 Messtechnik Abbildung 10: Messumformer/Regler JUMO dTRANS pH 02 1 3 5 JUMO dTRANS pH 02, Typ 202551 JUMO-Strömungswächter, Typ 202630 JUMO-Kompensationsthermometer, Typ 201085 2 4 JUMO-Messzelle für freies Chlor, Typ 202630 JUMO pH-Einstabmesskette, Typ 201005 oder Typ 201020 3.1.1 Elektroden 5 Aufbau der Zwei-Elektrodenmesszelle Die Arbeitselektrode (Kathode) besteht aus Gold (Au). Die Anode, welche die Funktion einer kombinierten Bezugs- und Gegenelektrode wahrnimmt, besteht aus Silber (Ag) und ist mit einem Überzug aus Silberchlorid (AgCl) versehen. Aufbau der Drei-Elektroden-Messzelle Zwei-Elektrodenmesszellen arbeiten nach dem potenziostatischen Prinzip. Bezugs- und Gegenelektrode sind getrennt. Das Potenzial der Bezugselektrode ist infolge ihrer Hochohmigkeit besonders konstant. Der Strom fließt über die Gegenelektrode. Auch hier besteht die Arbeitselektrode aus Gold und die Bezugselektrode aus Ag/AgCl. Die Gegenelektrode besteht aus Edelstahl. 3.1.2 Membrantypen Die Selektivität der Messzellen kann durch die Auswahl des Membrantyps gesteuert werden: Hydrophobe, mikroporöse Membran Infolge ihrer hydrophoben Eigenschaften kann die Membran nicht durch Wasser (oder allgemein durch polare Stoffe) benetzt werden. Ebenso werden ionische Stoffe durch die Membran zurückgehalten. Bei Chlormesszellen führt dies beispielsweise dazu, dass Hypochlorit-Anionen nicht durch die Membran in den Elektrolytraum vordringen können. OCl- wird deshalb nicht durch die 208 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik Messzelle erfasst. Die Barrierewirkung der Membran gilt sowohl für Stoffe im Messwasser als auch im Elektrolytraum. Wenn die Membran mit Tensiden aus Wasch-, Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln in Kontakt kommt, gehen die hydrophoben Eigenschaften der Membran verloren und die Membran wird durchlässig. Deswegen muss der Kontakt mit diesen Stoffen unbedingt vermieden werden. Ebenso muss die Verunreinigung der Membran durch Schmutz oder Chemikalien vermieden werden. Messzellen mit hydrophober, mikroporöser Membran können nur in Trink- oder Schwimmbadwasser-Qualität eingesetzt werden. Hydrophobe Membranen werden bei Messzellen für freies Chlor, Chlordioxid und Ozon eingesetzt. Im Falle von Chlordioxid und Ozon kann auch eine chemikalien- und tensidunempfindliche Membran eingesetzt werden. Diese Option gibt es für Chlor nicht, da dieser Membrantyp für Chlor undurchlässig ist. Chemikalien- und tensidunempfindliche Membran Dieser Membrantyp besitzt keine Poren. Der Analyt (ClO2, O3) tritt mittels eines „physikalischen Lösungsprozesses“ durch die Membran hindurch. Der Vorteil dieses Membrantyps ist die Unempfindlichkeit gegenüber vielen Chemikalien und gegenüber Tensiden. Sofern sich Verunreinigungen auf der Membran abgesetzt haben, können diese vorsichtig mit einer Bürste entfernt werden. Hydrophile, mikroporöse Membran Durch diesen Membrantyp können sowohl polare als auch ionische Stoffe hindurchtreten. Das hat den Vorteil, dass hier auch das Hypochlorit-Ion gemeinsam mit einem Gegen-Ion durch die Membran treten kann. Sowohl Ionen aus dem Messwasser als auch aus dem Elektrolyt können die Membran passieren. Der Ionenfluss vom Messwasser in den Elektrolyt ist gewünscht. Der Austritt von Ionen aus dem Elektrolyt in das Messwasser ist nicht wünschenswert, da dadurch der Elektrolyt mit der Zeit seine Funktion nicht mehr wahrnehmen kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Austausch und damit den Verdünnungsprozess des Elektrolyten zu verlangsamen: • Erhöhung der Viskosität des Elektrolyten • Reduktion der Durchtrittsfläche Durch diese Maßnahmen wird natürlich auch die Ansprechgeschwindigkeit der Messzelle etwas verlangsamt. Letztlich muss also ein Kompromiss zwischen Standzeit und Ansprechgeschwindigkeit gefunden werden. Messzellen mit hydrophiler Membran können ebenfalls nur in Trink- oder SchwimmbadwasserQualität eingesetzt werden. Tensidhaltiges Messmedium kann zu einem beschleunigten Austausch von Elektrolyt/Messmedium führen. Ob eine Messzelle mit hydrophiler Membran in tensidhaltigem Wasser betrieben werden kann, muss im Einzelfall geprüft werden, da angesichts der Verschiedenartigkeit eingesetzter Tenside und Tensidkonzentrationen keine allgemeinen Aussagen zur Standzeit gemacht werden können. Die hydrophile Membrane wird in der Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pHAbhängigkeit eingesetzt. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 209 5 3 Messtechnik 3.1.3 Elektrolyt Der Elektrolytraum der Elektrode (und auch deren Membrankappe) sind mit Elektrolyt gefüllt. Im Elektrolyt bildet die Bezugselektrode (beim Drei-Elektroden-System) bzw. die kombinierte Bezugsund Gegenelektrode (beim Zwei-Elektroden-System) ein konstantes Potential aus. Als Elektrolyt wird meist eine wässrige Alkalihalogenid-haltige Lösung verwendet. Die Elektrolytlösung kann auch zusätzliche Komponenten enthalten, welche für die Messfunktion entscheidend sind. Dies sind z. B. Puffersubstanzen im Falle der Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pHAbhängigkeit. 3.1.4 Anströmung Damit ein Signal erhalten wird, ist eine Mindestanströmgeschwindigkeit von 15 cm/s erforderlich. Das entspricht etwa einer Durchflussmenge von 30 l/h, wenn die Messzelle in eine JUMO-Armatur eingebaut ist. Oberhalb dieser Mindestanströmgeschwindigkeit besteht nur eine geringe Durchflussabhängigkeit des Messsignals. 3.1.5 Temperaturkompensation Das Messsignal amperometrischer Messzellen ist temperaturabhängig. Bei höherer Temperatur wird die Membran durchlässiger für den Analyten und der Diffusionsgrenzstrom steigt an. Diesen messzellenspezifischen Effekt gleicht eine automatische Temperaturkompensation mit einem integrierten NTC-Widerstand aus. 5 210 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.2 Spezielle Messzellen- und Membrantypen für besondere Anwendungen 3.2.1 Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Empfindlichkeit Freies Chlor liegt im Wasser als HOCl und OCl- vor. Das Verhältnis dieser beiden unterschiedlichen Chlorspezies ändert sich in Abhängigkeit des pH-Wertes des Wassers. Dieses Verhalten wird durch die Dissoziationskurve beschrieben. Herkömmliche Messzellen für freies Chlor (mit hydrophober mikroporöser Membran) sprechen nur auf HOCl an. Der OCl--Anteil der Messlösung wird nicht berücksichtigt. Wenn sich nach der Kalibrierung der Messzelle der pH-Wert des Messlösung ändert, entsteht dadurch ein Messfehler. Bei der Bestimmung von freiem Chlor mit herkömmlichen Messzellen muss der pH-Wert nach der Kalibrierung der Messzelle konstant gehalten werden ( pH ⱕ 0.05). In Abbildung 11 werden die Zusammenhänge schematisch anhand einer Grafik erklärt. Zusammensetzung des freien Chlors HOCl S0 Zusammensetzung des freien Chlors OCl Das Messsignal ist um diesen Anteil zu klein OCl HOCl - S0 pH-Erhöhung OCl - Kalibrierung HOCl OCl - S0 = Steilheit S0 pH-Verringerung 5 Das Messsignal ist um diesen Anteil zu groß Abbildung 11: Schematischer Einfluss von pH-Wertänderungen auf das Ausgangssignal einer herkömmlichen Messzelle • wird der pH-Wert der Messlösung verringert, dann vergrößert sich der HOCl-Anteil und der OCl--Anteil verkleinert sich das Messsignal vergrößert sich um den Messfehler • wird der pH-Wert der Messlösung erhöht, dann verkleinert sich der HOCl-Anteil und der OCl--Anteil vergrößert sich das Messsignal verkleinert sich um den Messfehler Messzelle mit reduzierter pH-Abhängigkeit Wenn eine pH-Regelung zu aufwändig oder nicht möglich ist, bietet sich der Einsatz der JUMOMesszelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Abhängigkeit an. Die hydrophile Membran dieser amperometrischen Messzelle lässt sowohl hypochlorige Säure als auch Hypochlorit vom Messwasser durch die Membran in den Elektrodenraum gelangen. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 211 3 Messtechnik Hier stellt ein gepufferter Elektrolyt ein bestimmtes Verhältnis von HOCl und OCl- ein. Da der eigentliche Messvorgang im Elektrolytraum der Messzelle abläuft, ist das Messsignal im Bereich von pH 5 bis 7 unverfälscht. Im Bereich von pH 7 bis 10,5 beträgt der Empfindlichkeitsverlust (Messfehler) lediglich 10 % je pH-Stufe. Zum Vergleich Die JUMO-Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Abhängigkeit liefert bei pH 10 noch ca. 70 % des Original-Signals von pH 7. Die Messzelle ist im Bereich von pH 4 bis 12 einsetzbar. Eine herkömmliche Messzelle für freies Chlor liefert bei pH 9 nur noch ca. 5% des Original-Signals von pH 7. Eine Messung ist schon ab pH 8 praktisch nicht mehr möglich. Aufbau der Messzelle Die JUMO-Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Abhängigkeit ist ein potenziostatischer Drei-Elektrodensensor mit mikroporöser, hydrophiler Membran und Spezialelektrolyt. Die Arbeitselektrode besteht aus Gold, die hochohmige Bezugselektrode aus Silber/Silberhalogenid und die stromdurchflossene Gegenelektrode aus Edelstahl. Einsatzbedingungen Die Messzelle kann in Wasser mit Trink- oder Schwimmbadwasser-Qualität eingesetzt werden. Tensidverträglichkeit muss im Einzelfall geprüft werden (vergleiche Kapitel 3.1.2 „Membrantypen“). Geeignete Chlorungsmittel sind z. B. anorganische Chlorverbindungen wie Chlorgas (Cl2), NaOCl, Ca(OCl)2, CaCl(OCl). Messgröße ist das freie Chlor. Gebundenes Chlor (Chloramine) wird nicht erfasst. Die erforderliche Membrananströmung beträgt wie auch bei den übrigen Messzellen 15 cm/s. Wenn die Messzelle in eine JUMO-Durchflussarmatur eingebaut ist, entspricht das einer Durchflussmenge von 30 l/min. Nullabgleich/Temperaturkompensation Ein Nullabgleich ist nicht erforderlich, da die Messzelle nullstromfrei arbeitet. Eine Temperaturkompensation ist in der Messzelle integriert. 5 3.2.2 Tensid- und chemikalienfeste Membranen zur Messung von Chlordioxid und Ozon Messzellen mit einer hydrophoben, mikroporösen Membran werden durch Tenside geschädigt (Kapitel 3.1.2 „Membrantypen“). Durch die Wirkung der Tenside verliert eine solche Membran ihre hydrophoben Eigenschaften. Messwasser kann in den Elektrolyten eintreten und Elektrolyt durch die Membran austreten. Die Funktion der Messzelle ist gestört. Wenn das Messwasser mit Tensiden oder anderen Chemikalien belastet ist, bietet sich der Einsatz der JUMO Messzelle mit tensid- und chemikalienfester Membran an. Auf Anfrage sind Messzellen mit dieser Membran für die Messung von Chlordioxid und Ozon lieferbar (nicht für freies Chlor). Die Membran dieser besonderen Messzelle besitzt keine Poren. Der Analyt wandert durch einen „physikalischen Lösungsprozess“ durch die Membran. Die Funktion gleicht einer herkömmlichen Zwei-Elektrodenmesszelle. Der Einsatztemperaturbereich erweitert sich durch die besondere Membran auf 0 ... 55 °C. 212 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.3 Wahl der Messstelle, Installation und elektrischer Anschluss des Sensors Die Armatur Zum Einbau der JUMO-Sensoren wird eine spezielle Durchflussarmatur (Abbildung 12) empfohlen, die in Bezug auf die Sensoranströmung optimiert ist. Abbildung 12: Durchflussarmatur für JUMO-Sensoren Anströmung Zur einwandfreien Funktion des Sensors ist eine Mindestanströmungsgeschwindigkeit von 15 cm/ s einzuhalten; das entspricht einer Mindestdurchflussmenge von 30 l/h in der JUMO-Durchflussarmatur. Die Mindestanströmungsgeschwindigkeit kann mit einem Strömungswächter (1) überwacht werden. Eine passende Armatur (2) für den Strömungswächter ist lieferbar (siehe Abbildung 13). 5 1 2 Abbildung 13: Strömungsüberwachung mit Strömungswächter JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 213 3 Messtechnik Schutzschaltung Der optionale Strömungswächter schaltet das Anzeige- und Regelgerät JUMO dTRANS Az 01, der Messumformer/Regler JUMO dTRANS AS 02 und das Anzeige- und Regelgerät JUMO AQUIS 500 AS bei Unterschreitung der Mindestanströmgeschwindigkeit in Stellung „Hold“, damit wird eine Überdosierung des Desinfektionsmittels vermieden. Die JUMO-Messzellen können unter konstantem Druck (bis ca. 1 bar) betrieben werden. Dadurch wird eine einfache Messwasser-Rückführung ermöglicht. Über den Zweileiteranschluss 4 ... 20 mA wird die Messzelle sowohl mit Spannung (DC 24 V) versorgt als auch das das unkalibrierte Messsignal an das Auswertegerät übermittelt. Die Messzellen können an beliebige Anzeiger, Regler, Schreiber oder SPS-Systeme angeschlossen werden, sofern diese die vorgenannten Funktionen übernehmen. 5 214 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 4.1 Anwendungen der amperometrischen Chlor-, Chlordioxidund Ozonmessung Voraussetzungen Die Anwendung eines herkömmlichen Membran bedeckten amperometrischen Sensors setzt eine bestimmte Wasserqualität voraus. Es muss sich um Trinkwasser, Schwimmbadwasser oder trinkwasserähnliche Qualität handeln. Bei stärkerer Verunreinigung des Wassers kann der Sensor durch die Verschmutzung der Membran in seiner Funktion beeinträchtigt werden. In folgenden Bereichen kann ein Membran bedeckter Sensor verwendet werden: • • • • Trinkwasser Schwimmbadwasser Prozess-, Betriebs-, Produktionswasser sowie Kreislaufsysteme, wie z. B. Kühlkreisläufe (sofern es sich um trinkwasserähnliche Qualität oder Schwimmbadwasser handelt) Ausnahme Eine Ausnahme bilden Messzellen mit Chemikalien- und tensidunempfindlicher Membran, Kapitel 3.2.2 „Tensid- und chemikalienfeste Membranen zur Messung von Chlordioxid und Ozon“. Diese Messzellen können auch in tensid- und chemikalienbelastete Wasserqualitäten (schlechter als Trink- oder Schwimmbadwasser) eingesetzt werden (auf Anfrage für Chlordioxid und Ozon erhältlich, nicht für Chlor). 4.2 Unverträglichkeiten mit dem Messmedium Herkömmliche Membran bedeckte Messzellen1 vertragen keine: • Tenside (oberflächenaktive Stoffe, Waschmittel...): Wenn die hydrophobe Membran einer Messzelle in Kontakt mit Tensiden kommt, führen diese dazu, dass die Membran anschließend durch Wasser benetzt werden kann. Somit kann das Wasser durch Hohlräume in der porösen Polymermembran hindurchtreten, dadurch wird der Elektrolyt innerhalb der Messzelle verdünnt und das Messsignal beginnt zu driften. Außerdem führt der Verlust der hydrophoben Eigenschaften dazu, dass die Membran jetzt auch für ionische Komponenten beiderseits der Membran durchlässig ist. Bei der Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Abhängigkeit (Typ 202630/41, mit hydrophiler Membran) muss fallweise geprüft werden, ob die Standzeit der Messzelle durch das Tensid eingeschränkt wird • Hydrophoben Stoffe (z. B. mineralische Öle...): Hydrophobe Stoffe können in die poröse Membran eindringen und durch das Ausfüllen der Porenstruktur den Analyttransport durch die Membran erschweren oder unmöglich machen In beiden Fällen wird der Sensor in seiner Funktion gestört. Reinigung der Messzelle oder Austausch von Membrane und Messzellenelektrolyt können diese Störungen beheben. Vor einem erneuten Einsatz der Messzelle müssen die störenden Substanzen aus dem Messwasser entfernt oder das Wasser komplett ausgetauscht werden. 1 Eine Ausnahme bilden Messzellen mit Chemikalien- und tensidunempfindlicher Membran, Kapitel 3.2.2 „Tensid- und chemikalienfeste Membranen zur Messung von Chlordioxid und Ozon“. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 215 5 4 Anwendungen 5 216 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.1 Fehler und Störungen bei der Messung mit amperometrischen Sensoren Fehler Ursache Abhilfe Vorbeugende Maßnahmen (1) Zu geringer Sensorwert. Kalibrierung falsch. Kalibrierung mit DPD-Metho- Evtl. Sensor häufiger kalide wiederholen. brieren. pH-Wert bei Messung höher pH-Wert bei Messung und pH-Regelung verbessern. als bei Kalibrierung (nur bei Kalibrierung konstanthalten, Ggf. Sensor mit reduzierter Chlor). pH 0,05. pH-Abhängigkeit einsetzen. Belag an der Spitze des (2) Zu geringer Elektrodenfingers. Sensorwert; Sensor läßt sich nicht auf DPDWert abgleichen. Sensoranströmung zu gering. (3) Wie (2), oder Membranzerstörung: auch Abnahme Elektrolyt tritt aus / Messwasser tritt ein. des Sensorwerts bzw. gleichbleibender Sensorwert bei Zunahme des DPD-Werts. Einwirkung von Tensiden aus Wasch- und Reinigungsmitteln auf die Membran. Die hydrophoben Eigenschaften der Membran gehen verloren; der Durchtritt von Wasser oder Ionen ist möglich. Wartungsintervalle verkürElektrodenfingerspitze mit beiliegendem Spezialpapier zen. abschmirgeln, neuen Elektrolyt einfüllen (Unbedingt Gebrauchsanleitung beachten!). Erhöhung und Verbesserung der Sensoranströmung. Elektrodenfingerspitze mit beiliegendem Spezialpapier abschmirgeln. Neuen Elektrolyt einfüllen. Membrankappe erneuern (Unbedingt Gebrauchsanleitung beachten!). Sollte die Messzelle auch dann nicht funktionieren, ist u. U. der Belag an der Anode/ Bezugselektrode beschädigt. In diesem Fall muss die Messzelle an den Hersteller gesendet werden. Membranbeschädigung vermeiden. Sensor bei aufgeschraubter Membrankappe nicht aufstoßen. Anströmung von groben Teilen oder Glassplittern vermeiden. wie (3), zusätzlich Wasserwechsel vor erneutem Einsatz des Chlorsensors erforderlich (Beseitigung aller Tensidspuren). Tensideinwirkung auf Membran vermeiden, nach Reinigung der Anlage Reinigungsmittel und andere Desinfektionsmittel vollständig wegspülen. Ausnahme: Messzelle mit chemikalien- und tensidunempfindlicher Membran (nicht für Chlor). (4) Sensorwert zu hoch gegenüber DPD. Kalibrierung falsch. Kalibrierung mit DPD-Metho- Ggf. Sensor häufiger kalibriede wiederholen. ren. pH-Wert ist bei der Messung pH-Wert bei der Messung niedriger als bei der Kalibrie- und Kalibrierung konstant rung (nur bei Chlor). halten ( pH 0,05). JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 pH-Regelung verbessern. Ggf. Sensor mit reduzierter pH-Abhängigkeit einsetzen. Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 217 5 5 Qualitätssicherung Fehler Ursache Abhilfe Neben Analyt noch weiteres Zusatz dieser Stoffe unterOxidationsmittel enthalten, lassen, Wasserwechsel. z. B. Cl2, ClO2, O3, H2O2, Sensor lässt sich Chlor auf Cyanursäurebasis... nicht auf DPDWert abgleichen. (5) Sensorwert zu hoch gegenüber DPD. 5 Vorbeugende Maßnahmen Reinigungs- und Desinfektionsmittel nach Einsatz vollständig entfernen. Nur ein Desinfektionsmittel verwenden, z. B. NaOCl, Ca(OCl)2, CaCl(OCl), ClO2, O3, Cl2 (auch elektrolytisch erzeugt). (6) DPD- und Sensorwert stimmen überein, Trend Redoxmessung stimmt, aber Sollwert wird nicht eingehalten. Reglerparameter falsch Reglerparameter optimieren Pro Zeiteinheit zu dosierte Desinfektionsmittelmenge ist zu hoch, Konzentrationsüberschreitung bevor Messwasser die Messzelle erreicht. Zugabemenge pro Zeiteinheit vermindern, Desinfektionsmittelkonzentration in Zugabelösung vermindern. Anlagendurchströmung ist zu langsam. Durchmischung verbessern. Bauliche Maßnahmen treffen zur Verbesserung der Durchmischung. (7) Sensorwert und DPD-Wert stimmen nicht überein. Sensorwerte schwanken: zuviel / zuwenig. Trend der Redoxmessung stimmt mit dem Sensorwert überein. Falsche Reglerparameter für Reglerparameter optimieren. Säuredosierung (chlorspezifisch). Pro Zeiteinheit zu dosierte Säuremenge ist zu hoch. Übersäuerung tritt auf, bevor das Messwasser die pHElektrode erreicht hat (chlorspezifisch). Säurezugabemenge pro Zeiteinheit vermindern. Säurekonzentration in Zugabelösung vermindern. Zu langsame Anlagendurchströmung. Durchmischung verbessern. Bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Durchmischung ergreifen. (8) Ungewöhnlich träges Ansprechverhalten des Sensors. Membran teilweise blockiert durch Verschmutzungen wie Kalk oder Öl. Desinfektionsmittelzutritt zum Sensor ist behindert. Membran- und Elektrolytwechsel, Reinigung des Elektrodenfingers (unbedingt Gebrauchsanweisung beachten!). (9) Schwankender Messwert Stromausfall. Analyt hat sich im Elektrolyt angereichert. Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität treffen. Warten, bis der Analyt an der Kathode umgesetzt wurde. Wenn das zu lange dauert: Elektrolyt wechseln. (10) Keine Kali- Falschen Elektrolyt eingefüllt. Elektrolyt tauschen. brierung möglich Vorher mit Wasser reinigen und trocknen. (11) Messwertschwankungen (z. B. beim Ziehen einer Wasserprobe aus einer Messwasserleitung) Elektrolyt verwechslungssicher lagern. Druckschwankungen bewe- Für konstante Druckverhält- Messung im „freien Auslauf“ gen die Membran auf und nisse sorgen. unter Atmosphärendruck. ab. 218 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 6 Quellenangabe 6.1 Normen und Verordnungen aus dem Bereich der Wasseraufbereitung mit Chlor, Chlordioxid und Ozon • DIN 19627 Ozonerzeugungsanlagen zur Wasseraufbereitung • DIN 19643-1 Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 1: Allgemeine Anforderungen • DIN 19643-2 Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 2: Verfahrenskombination: Adsorption, Flockung, Filtration, Chlorung • DIN 19643-3 Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 3: Verfahrenskombination: Flockung, Filtration, Ozonung, Sorptionsfiltration • DIN 19643-4 Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 4: Verfahrenskombination: Flockung, Ozonung, Mehrschichtfiltration, Chlorung • DIN 19643-5 Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 5: Verfahrenskombination: Flockung, Filtration, Adsorption an Aktivkornkohle, Chlorung • DIN 38408-3 Bestimmung von Ozon • DIN 38408-5 Bestimmung von Chlordioxid • DIN EN 937 Produkte zur Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch – Chlor • DIN EN 1278 Produkte zur Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch – Ozon • DIN EN 12671 Produkte zur Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch - Chlordioxid • DIN EN ISO 7393-1 Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 1: Titrimetrisches Verfahren mit N,N-Diethyl-1,4-Phenylendiamin • DIN EN ISO 7393-2 Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 2: Colorimetrisches Verfahren mit N,N-Diethyl-1,4-Phenylendiamin für Routinekontrollen • DIN EN ISO 7393-3 Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 3: Iodometrisches Verfahren zur Bestimmung von Gesamtchlor • ISO 7393-1 Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 1: Titrimetrisches Titrationsverfahren mit N,N-Diethyl-1,4-Phenylendiamin • ISO 7393-2 Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 2: Colorimetrisches Verfahren mit N,N-Diethyl-1,4-Phenylendiamin für Routinekontrollen • ISO 7393-3 Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 3: Iodometrisches Titrationsverfahren zur Bestimmung des Gesamtchlors JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon 5 219 6 Quellenangabe • TrinkwV 2011 Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, Trinkwasserverordnung - TrinkwV 2001 (Novellierung der TrinkwV vom 21. Mai 2001, nationale Umsetzung von 98/ 83/EG • Bundesgesundheitsblatt 45 (2002) 10, 827-845, „Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren“ gemäß §11 TrinkwV 2001. • 76/160/EWG Richtlinie des Rates vom ... über die Qualität der Badegewässer und deren Bewirtschaftung ... • 79/869/EWG Richtlinie des Rates vom ... über die Meßmethoden sowie über die Häufigkeit der Probennahmen und der Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten • 80/778/EWG Richtlinie des Rates vom ... über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch • 98/83/EG Richtlinie des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch vom ... • 2000/60/EG Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik 6.2 5 Literatur • L.A. Hütter, Wasser und Wasseruntersuchung, 6. Auflage, Verlag Salle Sauerländer, Frankfurt/M, 1994. • A.F. Hollemann, E. Wiberg, Lehrbuch der anorganischen Chemie, 81.-90. Auflage, Verlag de Gruyter, Berlin, 1976. • D.A. Skoog, J.J. Leary, Instrumentelle Analytik, Deutsche Übersetzung der 4. Auflage, Springer Verlag, Berlin 1996. • K. Hancke, Wasseraufbereitung: Chemie und chemische Verfahrenstechnik, 5. Aufl., Springer-Verlag, Berlin, 2000. • K. H. Wallhäußer, Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Konservierung, Keimidentifizierung, Betriebshygiene, 5. Aufl., Thieme-Verlag, Stuttgart, 1995. • Office of Water, United States Environmental Protection Agency (EPA) Guidance Manual: Alternative Disinfectants and Oxidants, April 1999. Hinweis Informationen zur Arbeitssicherheit und allgemeine Angaben über Chlor, Chlordioxid, Ozon, Natronbleichlauge usw. finden sich in der GESTIS-Stoffdatenbank des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit. Die Informationen können im Internet unter folgender Adresse abgerufen werden: http://www.hvbg.de/ 220 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Kapitel 6 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher 6 Bemerkung Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten. Vorwort Unser Ziel ist, die „Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure“ stets auf dem neuesten Stand zu halten. Im Zweifelsfall konsultieren Sie bitte die aktuellen gesetzlichen Vorschriften und betreffenden Normen. Unsere Leser sind zu einem regen Erfahrungs- und Wissensaustausch aufgerufen. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge auf. Fulda, im April 2012 Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher 6 Inhalt 1 Einleitung ...................................................................................... 225 1.1 Wasserstoffperoxid (WP) ................................................................................ 225 1.2 Peressigsäure (PES) ....................................................................................... 225 2 Grundlagen ................................................................................... 227 2.1 Analytische Bestimmungsmethoden ............................................................ 227 2.1.1 2.1.2 2.1.3 für WP ........................................................................................................................... 227 für PES .......................................................................................................................... 227 Kontinuierliche Messverfahren für WP und PES ........................................................... 227 2.2 Messung von WP und PES mit amperometrischen Sensoren .................... 228 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 Reaktionen an Metalloberflächen, Nernst’sche Diffusionsschicht ............................... Zwei-Elektroden-System .............................................................................................. Chemische Vorgänge an der Messelektrode ................................................................ Temperaturabhängigkeit ............................................................................................... 3 Messtechnik ................................................................................. 235 3.1 Aufbau der JUMO-Messzellen WP/PES ....................................................... 235 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 Elektroden ..................................................................................................................... Gummielastische Membran .......................................................................................... Elektrolyt ....................................................................................................................... Anströmung .................................................................................................................. Temperaturkompensation ............................................................................................. 3.2 Wahl der Messstelle, Installation und elektrischer Anschluss des Sensors ..................................................................................................... 236 3.3 Allgemeine Betriebshinweise ........................................................................ 238 4 Anwendungen ............................................................................... 239 5 Qualitätssicherung ....................................................................... 241 5.1 Kalibrierprozedur ............................................................................................ 241 5.2 Fehler und Störungen bei der Messung mit amperometrischen Sensoren .................................................................. 242 6 Quellenangabe ............................................................................. 243 6.1 Normen und Verordnungen aus dem Bereich der Messung von WP ......... 243 6.2 Literatur ........................................................................................................... 243 230 231 233 233 235 235 235 236 236 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 6 Inhalt 6 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 1 Einleitung 1.1 Wasserstoffperoxid (WP) Wasserstoffperoxid (im Folgenden WP genannt) wird z. B. für die Sterilisation der Oberflächen von Primärpackmitteln, die bei der aseptischen Abfüllung von Lebensmitteln eingesetzt werden, verwendet. WP ist in der Regel durch geeignete Zusätze (z. B. Natriumphosphate und -stannate, Chelat-Bildner, Schwefelsäure, Phosphorsäure) gegen Zersetzung stabilisiert. Eine unerwünschte Zersetzung des WP in Wasser und Sauerstoff kann durch Metalle, Alkalien und Staub verursacht werden. 1.2 Peressigsäure (PES) Peressigsäure (im Folgenden PES genannt) wird z. B. in der chemischen Industrie, in der Papier-/ Zellstoffindustrie, in der Lebensmittel-/Getränkeherstellung, im Pharmabereich als Reaktionspartner oder Desinfektions- und Sterilisationsmittel eingesetzt. Auch bei PES kann eine Zersetzung auftreten. Diese wird beschleunigt durch höhere Temperaturen und Schwermetallspuren, wie z. B. Eisen und Kupfer. PES mit der chemischen Formel CH3CO-OOH wird durch Reaktion von Essigsäure und WP hergestellt. 6 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 225 1 Einleitung 6 226 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.1 Analytische Bestimmungsmethoden 2.1.1 für WP WP kann nicht mit der DPD-Methode (wie z. B. Chlor) bestimmt werden. Als Bestimmungsmethoden kommen z. B. verschiedene manganometrische oder jodometrische Titrationen in Frage: • DIN 38409-15 „Bestimmung von Wasserstoffperoxid“ • ISO/DIS 7157 „Bestimmung des Gehalts an Wasserstoffperoxid - Titrimetrisches Verfahren“ oder auch: • Ph.Eur. (Europäisches Arzneibuch), Monographie Wasserstoffperoxid, Gehaltsbestimmung 2.1.2 für PES Für PES können prinzipiell die gleichen Methoden wie für WP eingesetzt werden, wenn man das Molekulargewicht von PES berücksichtigt. Eine Bestimmungsmethode findet sich z. B. auch im Internet unter folgender Adresse: http://www.peroxygen-chemicals.net. 2.1.3 Kontinuierliche Messverfahren für WP und PES Kontinuierliche Messung Bei den vorher vorgestellten Bestimmungsmethoden handelt es sich nicht um kontinuierliche (online) Messverfahren, sondern es werden zu bestimmten Zeitpunkten Proben entnommen und Konzentrationsbestimmungen durchgeführt. Bei den genannten Untersuchungsverfahren handelt es sich um relativ zeit- und personalaufwändige Laboruntersuchungen. Für die Regelung des Desinfektionsmittelgehalts ist es von Vorteil, wenn dauernd ein elektrisches Signal zur Verfügung steht, das der Desinfektionsmittelkonzentration proportional ist. Dieses Signal kann dann als Eingangssignal für die Steuerung einer Dosieranlage für das Desinfektionsmittel verwendet werden, d. h. der Gehalt kann vollautomatisch geregelt werden. Zur Überwachung der WP- und PES-Konzentration können Membran bedeckte amperometrische Messzellen eingesetzt werden. 6 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 227 2 Grundlagen 2.2 Messung von WP und PES mit amperometrischen Sensoren Eine Möglichkeit zur kontinuierlichen Bestimmung von WP und PES bietet die elektrochemische Bestimmung mit Hilfe von amperometrischen Sensoren. Messprinzip WP/PES reagiert an der Arbeitselektrode (Kathode). Man misst einen zur Analytkonzentration in der Lösung proportionalen Strom. Ausführung Der grundsätzliche Aufbau von amperometrischen Sensoren, die nach dem Zwei-Elektrodenprinzip arbeiten, ist in Abbildung 1 dargestellt. zum Messumformer 1 3 1 2 Abbildung 1: 6 1 3 Schematische Darstellung amperometrischer Sensoren in Zwei-Elektroden-Bauweise Isolation Gegenelektrode 2 Messelektrode Die Sensoren gibt es sowohl in offener als auch in Membran bedeckter Ausführung. Wegen der Vorteile Membran bedeckter Messzellen bietet JUMO ausschließlich diesen Sensortyp an. Bei direktem Elektrodenkontakt Durch das zu untersuchende Wasser ist eine Inaktivierung der Elektrode durch Ablagerung von Schmutz oder durch elektrochemische Nebenreaktionen möglich. In diesem Fall ist eine kontinuierliche Reinigung der Elektroden durch Quarzsand bzw. durch Glas- oder Teflonkugeln erforderlich. Das anströmende Messwasser sorgt hier in einer speziellen Durchflussarmatur für die Verwirbelung der zur Reinigung vorgesehenen o. g. Partikel. Durch den ständigen Kontakt der Partikel mit den Elektrodenoberflächen werden diese frei von Verunreinigungen gehalten. JUMO bietet „offene“ Systeme nicht an. 228 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Geschützt Eine Möglichkeit störende Verunreinigungen von den Elektroden fern zu halten, ist der Abschluss der Messzelle durch eine Membran (Abbildung 2). Der elektrolytgefüllte Elektrodenraum ist somit vor direktem Kontakt mit dem Messwasser geschützt. Verunreinigungen können nicht mehr auf den Elektrodenoberflächen abgelagert werden, während der zu bestimmende Analyt ungehindert durch die Membran hindurchtreten kann. Die Diffusion des Analyten durch die Membran sorgt dafür, dass sich die Konzentrationen zu beiden Seiten der Membran angleichen. zum Messumformer 1 1 2 3 4 5 1 Abbildung 2: 1 3 5 Schematische Darstellung eines Membran bedeckten amperometrischen Sensors in Zwei-Elektroden-Bauweise Isolation Elektrolyt Membran 2 4 Gegenelektrode Messelektrode mit Elektrolytschicht Vorteile Membran bedeckter Zellen 6 • keine Verschmutzung der Elektroden • definierte Elektrolytzusammensetzung im Probenraum • geringe Durchflussabhängigkeit des Messsignals • geringe Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Messwassers Hinweis Durch die definierte Zusammensetzung des Elektrolyten bei einer Membran bedeckten Messzelle ist der Zellenstrom in Abwesenheit des Analyten gleich Null. Hierdurch wird eine aufwändige Kalibrierprozedur vermieden. Es muss nur die Steilheit ermittelt werden. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 229 2 Grundlagen 2.2.1 Reaktionen an Metalloberflächen, Nernst’sche Diffusionsschicht Um die Funktionsweise amperometrischer Messzellen zu verstehen, muss man sich die Transportphänomene betrachten, die den Transport der reagierenden Teilchen an die Elektrodenoberfläche bewerkstelligen. Betrachten wir hierzu die Strömungsprofile an der Oberfläche einer Elektrode (Abbildung 3): 1 2 3 4 5 Abbildung 3: Strömungsprofile an einer Elektrodenoberfläche 1 3 Elektrode (Kathode) Nernst’sche Diffusionsschicht 5 (Dicke 10-2 - 10-3 cm) Bereich turbulenter Strömung 2 4 Elektrodenoberfläche Bereich laminarer Strömung In Bereichen mit laminarer und turbulenter Strömung erfolgt der Teilchentransport durch Konvektion. Die Konvektion wird z. B. durch Rühren oder Schütteln hervorgerufen. Im Bereich der Nernst’schen Diffusionsschicht erfolgt der Teilchentransport ausschließlich durch Diffusion. Rühren hat auf die Vorgänge im Bereich der Nernst’schen Diffusionsschicht keinen Einfluss. Der Teilchentransport wird hier durch steigende Temperatur bzw. sinkende Viskosität des Messmediums beschleunigt. Die Dicke der Nernst’schen Diffusionsschicht (ca. 10-2 bis 10-3 cm) ist von der Rührgeschwindigkeit und der Viskosität der Lösung abhängig. 6 230 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.2.2 Zwei-Elektroden-System Prinzip Ein Zwei-Elektroden-System besteht aus Messelektrode (ME) und Gegenelektrode (GE). Zwischen ME und GE wird eine bestimmte Spannung (Polarisationsspannung) angelegt. Bei dieser Spannung reagiert idealerweise nur der zu bestimmende Analyt (also das zu bestimmende Desinfektionsmittel). Die folgende Abbildung 4 zeigt vier verschiedene Bereiche: I keine Reaktion des Analyten an der Arbeitselektrode, da die angelegte Spannung zu niedrig ist II die Reduktion des Analyten an der Kathode setzt ein, die angelegte Spannung ist jedoch noch nicht groß genug, um in den Bereich des Diffusionsgrenzstromes zu gelangen, d. h. nicht alle Analytmoleküle an der Elektrodenoberfläche werden sofort reduziert; das zu Y gehörende Potenzial (Abbildung 4 und 5) nennt man auch das „Halbstufenpotenzial“ des Analyten. Dieses Potential besitzt einen für den Analyten charakteristischen Wert III Messbereich: Der gesamte Analyt an der Elektrodenoberfläche wird sofort reduziert. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird allein durch die Diffusion der Analytmoleküle durch die Nernst’sche Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche bestimmt IV unerwünschte Reaktionen von Oxidationsmitteln, die schwerer zu reduzieren sind als der Analyt, treten auf Strom I II III IV Diffussionsgrenzstrom I G Z IG 2 Y X 0 Spannung Abbildung 4: Schematische Darstellung des Stromflusses in Abhängigkeit von der angelegten Spannung in einer amperometrischen Messzelle JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 6 231 2 Grundlagen Konzentrationsprofile Wenn man sich die Konzentrationsprofile eines Analyten A an der Grenzschicht Elektrode/Lösung in Abhängigkeit von der Entfernung zur Elektrodenoberfläche betrachtet, ergibt sich in einer gerührten Lösung folgendes Bild (Abbildung 5): Konzentration Analyt I CA II X Y CA /2 Z 0 Abstand zur Elektrodenoberfläche Abbildung 5: I Konzentrationsprofile des Analyten A an der Grenzfläche Elektrode/Lösung (gerührte Lösung) Nernst’sche Diffusionsschicht (ruhende Lösung) II Gerührte Lösung (mit laminaren und turbulenten Bereichen) Die Kurvenäste X, Y und Z in Abbildung 5 entsprechen den Punkten X, Y und Z in Abbildung 4. Nach dem Anlegen einer Spannung wird Analyt A an der Elektrodenoberfläche verbraucht und reagiert gemäß folgender Reaktionsgleichung zum Produkt P: A 6 + n e- pn- (1) Die Höhe der angelegten Spannung beeinflusst die Zahl der Analytmoleküle, die an der Elektrodenoberfläche reagieren. Bei Spannungen im Bereich III (Abbildung 4, Spannung Z) reagiert jedes Molekül A sofort, wenn es die Kathodenoberfläche erreicht hat. Die Konzentration von A direkt an der Kathodenoberfläche ist daher gleich Null. Es entsteht ein Konzentrations-Gradient des Analyten A in einer dünnen Grenzschicht (Nernst’sche Diffusionsschicht) zwischen der Mess- oder Arbeitselektrode (ME) und dem Elektrolyten. Durch diese Grenzschicht müssen die beteiligten Spezies hindurchtreten. Der Transportvorgang des Analyten durch die Nernst’sche Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche ist der langsamste und damit der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Gesamtreaktion. Die Geschwindigkeit der Kathodenreaktion wird somit durch die Nachlieferung des Oxidationsmittels an die Kathodenoberfläche bestimmt (Konzentrationspolarisation). Hierdurch wird der Stromfluss zwischen Anode und Kathode limitiert (Diffusionsgrenzstrom). 232 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen Messprinzip Der im Bereich III (Abbildung 4) fließende Strom (Diffusionsgrenzstrom) ist proportional zur Konzentration des Analyten im Messmedium. Messgrösse ist der Spannungsabfall den der Strom über einen Widerstand hervorruft. Über die Größe des Widerstands kann die Größe des Ausgangssignals variiert werden. Das Ausgangssignal wird hochohmig mit einem Volt- bzw. pH-Meter gemessen. Nach dem Anlegen der Polarisationsspannung (Bereich III, Abbildung 4) muss die Zeit abgewartet werden, bis sich das Gleichgewicht zwischen Elektrode und umgebender Lösung bzgl. der Nachlieferung des Analyten an die Kathode eingestellt hat. Diese so genannte Polarisationszeit kann einige Minuten oder gar Stunden betragen, wenn der Sensor erstmalig in das Medium eingebracht wird. 2.2.3 Chemische Vorgänge an der Messelektrode Die Messelektrode (auch als Arbeitselektrode bezeichnet) besteht aus einem Edelmetall wie Platin oder Gold und ist als Kathode geschaltet, d. h. hier wird der Analyt als Oxidationsmittel reduziert. Die Gegenelektrode besteht häufig aus Silber. An der GE als Anode findet eine Oxidation als Gegenreaktion statt. 2.2.4 Temperaturabhängigkeit Der Diffusionsvorgang ist temperaturabhängig. Der Diffusionsgrenzstrom nimmt mit steigender Temperatur zu. Die Temperaturabhängigkeit lässt sich durch den Einbau eines Temperatursensors berücksichtigen. Bei JUMO-Sensoren werden messzellenspezifische Temperatureffekte durch geeignete NTC-Widerstände berücksichtigt. 6 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 233 2 Grundlagen 6 234 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.1 Aufbau der JUMO-Messzellen WP/PES JUMO-Messzellen Bei den JUMO-Messzellen handelt es sich um Membran bedeckte amperometrische Zwei-Elektrodenmesssysteme (Abbildung 6). Die im Schaft der Messzellen integrierte Elektronik liefert ein unkalibriertes Signal von 4 ... 20mA, das beispielsweise durch das Anzeige- und Regelgerät JUMO AQUIS 500 AS (JUMO-Typenblatt 202568) oder den Messumformer/Regler JUMO dTRANS AS 02 (JUMO-Typenblatt 202553) weiterverarbeitet werden kann. Das Gerät übernimmt zwei Funktionen: Es stellt die notwendige Versorgungsspannung zur Verfügung und erlaubt die einfache Kalibrierung des Messsystems. Die Messzellen können aber auch an andere Anzeiger, Regler, Schreiber oder SPS-Systeme angeschlossen werden, sofern diese Spannungsversorgung und Kalibrierung erlauben. Die Messzellen sind für verschiedene Messbereiche erhältlich. Abbildung 6: Anzeige-/Reglergerät JUMO AQUIS 500 AS (links) und Messumformer/Regler JUMO dTRANS AS 02 (rechts) 3.1.1 Elektroden Aufbau der Zwei-Elektrodenmesszelle Die Arbeitselektrode (Kathode) besteht aus Gold (Au). Die Anode, welche die Funktion einer kombinierten Bezugs- und Gegenelektrode wahrnimmt, besteht aus Silber (Ag) und ist mit einem Überzug aus Silberhalogenid versehen. 3.1.2 Gummielastische Membran Die „gummielastische“ Membran ist nicht porös. Der Analyt muss in Form eines „physikalischen Lösungsprozesses“ durch die Membran treten. Ein Vorteil dieser Membran ist ihre Chemikalienund Tensidunempfindlichkeit. Dieser Membrantyp wird in Messzellen für WP und PES eingesetzt. Die „gummielastische“ Membran eignet sich aber auch für Chlordioxid- und Ozon-Messzellen. Sondermesszellen sind auf Anfrage erhältlich. 3.1.3 Elektrolyt Der Elektrolytraum der Elektrode (und auch deren Membrankappe) sind mit Elektrolyt gefüllt. Im Elektrolyt bildet die kombinierte Bezugs- und Gegenelektrode ein konstantes Potenzial aus. Als Elektrolyt wird eine wässrige alkalihalogenidhaltige Lösung verwendet. Die Elektrolytlösung kann auch zusätzliche Komponenten enthalten, welche für die Messfunktion entscheidend sind. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 235 6 3 Messtechnik 3.1.4 Anströmung Damit ein Signal erhalten wird, ist eine Mindestanströmgeschwindigkeit von 15 cm/s erforderlich. Das entspricht etwa einer Durchflussmenge von 30 l/h, wenn die Messzelle in eine JUMO-Armatur eingebaut ist. Oberhalb dieser Mindestanströmgeschwindigkeit besteht nur eine geringe Durchflussabhängigkeit des Messsignals. 3.1.5 Temperaturkompensation Das Messsignal amperometrischer Messzellen ist temperaturabhängig. Bei höherer Temperatur wird die Membran durchlässiger für den Analyten und der Diffusionsgrenzstrom steigt an. Diesen messzellenspezifischen Effekt gleicht eine automatische Temperaturkompensation mit einem integrierten NTC-Widerstand aus. 3.2 Wahl der Messstelle, Installation und elektrischer Anschluss des Sensors Die Armatur Zum Einbau der JUMO-Sensoren wird eine spezielle Durchflussarmatur (Abbildung 6) empfohlen, die in Bezug auf die Sensoranströmung optimiert ist. 6 Abbildung 6: Durchflussarmatur für JUMO-Sensoren Anströmung Zur einwandfreien Funktion des Sensors ist eine Mindestanströmungsgeschwindigkeit von 15 cm/s einzuhalten; das entspricht einer Mindestdurchflussmenge von 30 l/h in der JUMODurchflussarmatur. Wenn das Einhalten der Mindestanströmgeschwindigkeit nicht auf andere Weise gewährleistet werden kann, sollte die Überwachung der Mindestanströmungsgeschwindigkeit mit einem JUMO-Strömungswächter (1) erfolgen. Eine passende Armatur (2) für den Strömungswächter ist lieferbar (Abbildung 6). 236 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 1 2 Abbildung 6: Strömungsüberwachung mit Strömungswächter Schutzschaltung Der optionale Strömungswächter schaltet das Anzeige- und Regelgerät JUMO dTRANS AS 02 oder der JUMO AQUIS 500 AS bei Unterschreitung der Mindestanströmgeschwindigkeit in Stellung „Hold“, damit wird eine Überdosierung des Desinfektionsmittels vermieden. Über den Zweileiteranschluss 4 ... 20 mA wird die Messzelle sowohl mit Spannung (DC 24 V) versorgt als auch das unkalibrierte Messsignal an das Auswertegerät übermittelt. Die Messzellen können an beliebige Anzeiger, Regler, Schreiber oder SPS-Systeme angeschlossen werden, sofern diese die vorgenannten Funktionen übernehmen. 6 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 237 3 Messtechnik 3.3 Allgemeine Betriebshinweise • die Messung ist ausschließlich in einer geeigneten Durchflussarmatur möglich (z. B. JUMO-Durchflussarmatur Typ 202810/72-102-86, siehe JUMO-Typenblatt 202630) • die Messzelle sollte möglichst drucklos mit freiem Auslauf des Messwassers betrieben werden; wenn das nicht möglich ist, kann die Messzelle auch unter konstantem Druck bis zu 1 bar betrieben werden. Dadurch wird eine einfache Messwasser-Rückführung ermöglicht • Druckschwankungen müssen vermieden werden • beim Betrieb unter Druck dürfen keine Luftblasen im Wasser mitgeführt werden • im drucklosen Betrieb bei freiem Auslauf des Messwassers stören Luftblasen nicht, sofern sie die Membran nicht abdecken. Luftblasen vor der Membran verfälschen das Messsignal • der Messumformer und die angeschlossene Messzelle müssen permanent in Betrieb bleiben; die Messzelle darf nicht trocken stehen • die messempfindlichen Teile nicht mit den Händen berühren • die Membrankappe erst bei der Inbetriebnahme aufschrauben 6 238 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen Wasserstoffperoxid und Peressigsäure verwendet man allgemein zu Oxidations-, Bleich- oder Desinfektionszwecken in der pharmazeutischen oder lebensmitteltechnischen Industrie. Dabei werden die Mittel z. B. in Abfüllanlagen für Medizinprodukte, Arzneimittel, Getränke, Milch, Bier eingesetzt. In diesen Bereichen werden beispielsweise Primärpackmittel vor der Aufnahme des Füllgutes mit WP oder PES desinfiziert. Dabei ist WP besonders beliebt, denn es bildet mit Sauerstoff und Wasser nur ungefährliche Zersetzungsprodukte. 6 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 239 4 Anwendungen 6 240 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.1 Kalibrierprozedur Nullpunkt Die Kalibrierprozedur umfasst normalerweise den Abgleich von Nullpunkt und Steilheit. Im Falle Membran bedeckter Sensoren enthält der Elektrodenraum aber einen definierten Elektrolyten, bei dem der Sensor kein Nullsignal zeigt. Somit ist in diesem Falle kein Nullpunktabgleich mit analytfreiem Wasser erforderlich. Die Kalibrierung vereinfacht sich dadurch erheblich, weil der Analyt zuvor nicht aus dem Messmedium entfernt werden muss! Steilheit Zum Abgleich der Steilheit wird eine mit einer Referenzmethode (Kapitel 2.1 „Analytische Bestimmungsmethoden“, Kapitel 2.1.1 „für WP“, Kapitel 2.1.2 „für PES“) ermittelte Analytkonzentration verwendet. Die Steilheit wird so angepasst, dass dem unkalibrierten Stromsignal der amperometrischen Messzelle die mit der Referenzmethode ermittelte Analytkonzentration zugeordnet wird. 6 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 241 5 Qualitätssicherung 5.2 Fehler und Störungen bei der Messung mit amperometrischen Sensoren Fehler/Störung mögliche Ursache Behebung Vorbeugende Maßnahmen Zu geringes oder zu hohes Ausgangssignal der Messzelle. Kalibrierung falsch. Kalibrierung wiederholen. Ggf. Messzelle häufiger kalibrieren. Zu geringes Ausgangssignal der Messzelle. Belag an der Elektrodenfingerspitze (Messelektrode). Elektrodenfingerspitze reinigen. Ggf. Wartungsintervalle verkürzen. Anströmung erhöhen. Mindestanströmung überwachen. Messzelle lässt sich nicht Anströmung der Messzelle zu gering. auf den Referenzwert abgleichen. Membran zerstört: Elek- Membrankappe trolyt tritt aus - Messwas- erneuern. Messzelle lässt sich nicht ser tritt ein. auf den Referenzwert abgleichen. Zu geringes Ausgangssignal der Messzelle. Abnehmendes oder gleich bleibendes Ausgangssignal der Messzelle bei steigendem Referenzwert. Membranbeschädigung vermeiden. Sensor bei aufgeschraubter Membrankappe nicht aufstoßen. Anströmung von groben Teilen oder Glassplittern vermeiden. Schwankendes Signal. Neben dem Analyten sind Zusatz dieser Stoffe im Messwasser noch unterlassen; weitere Oxidationsmittel Wasserwechsel. Messzelle lässt sich nicht enthalten, z. B. ClO2, O3. auf den Referenzwert abgleichen. Zu hohes Ausgangssignal der Messzelle. Ungewöhnlich träges Ansprechverhalten des Sensors. 6 Membran teilweise blockiert durch Verschmutzungen wie Kalk oder Öl. Desinfektionsmittel-Zutritt zum Sensor ist behindert. 242 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure Reinigungs- und Desinfektionsmittel nach Einsatz vollständig entfernen. Desinfektionsmittel nur einzeln verwenden (keine Kombinationen). Membrankappe erneuern; Maßnahmen zur Verzusätzlich Wasserwechsel besserung der Wasservor erneutem Einsatz der qualität treffen. Messzelle (Beseitigung aller Verunreinigungen). JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 6 Quellenangabe 6.1 Normen und Verordnungen aus dem Bereich der Messung von WP • DIN 38409 Bestimmung von Wasserstoffperoxid • DIN EN 902 Produkte zur Aufbereitung vom Wasser für den menschlichen Gebrauch - Wasserstoffperoxid • ISO/DIS 7157 Bestimmung des Gehalts von Wasserstoffperoxid - Titrimetrisches Verfahren • Ph.Eur. (Europäisches Arzneibuch), Monographie Wasserstoffperoxid, Gehaltsbestimmung 6.2 Literatur • H. Römpp, Lexikon Chemie, Thieme Verlag, Stuttgart, 10. Aufl., 1997 • K.H. Wallhäußer, Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Konservierung, Thieme Verlag, Stuttgart, 5. Aufl., 1995 Hinweis Informationen zur Arbeitssicherheit und allgemeine Angaben über Wasserstoffperoxid finden sich in der GESTIS-Stoffdatenbank des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit. Die Informationen können im Internet unter folgender Adresse abgerufen werden: http://www.hvbg.de/. 6 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure 243 6 Quellenangabe 6 244 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Kapitel 7 Messung von Ammoniak Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher 7 Bemerkung Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten. Vorwort In den verschiedensten Anwendungsfeldern gibt es Bedarf für eine Messung der Ammoniakkonzentration in wässriger Lösung. Stellvertretend für viele weitere Einsatzgebiete sollen hier Kühlmedienund Laboranwendungen genannt werden. Eine schnelle und einfache Möglichkeit zur Messung von Ammoniak bietet ein Membran bedeckter gassensitiver Sensor auf potenziometrischer Basis. Für eine erfolgreiche Messung sind verschiedene Dinge bei Umgang und Einsatz des Ammoniaksensors zu beachten. Dieses Buch soll dem Anwender diesbezüglich praktische Hilfestellung geben. Besonderer Wert wird dabei auf die beiden oben genannten Anwendungsfälle gelegt. Außerdem wird auch kurz auf den Aufbau und die Funktionsweise des Sensors eingegangen. Fulda, im April 2012 Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher 7 Inhalt 1 Einleitung ....................................................................................... 249 1.1 Was ist Ammoniak? ........................................................................................ 249 1.2 Typische Anwendungsgebiete für Ammoniaksensoren ............................. 249 2 Grundlagen .................................................................................... 251 2.1 Aufbau und Funktionsweise .......................................................................... 251 2.2 pH-Abhängigkeit ............................................................................................. 253 3 Messtechnik .................................................................................. 255 3.1 Neuer JUMO-Ammoniaksensor .................................................................... 255 3.2 Konzentrationsbereich ................................................................................... 255 3.3 Allgemeine Hinweise zur Durchführung von Ammoniakmessungen ......... 255 3.4 Besonderheiten ............................................................................................... 256 4 Anwendungen................................................................................ 257 4.1 Zweck einer Ammoniak-Messung ................................................................ 257 4.2 Anwendungsfall Kühlmedienüberwachung .................................................. 257 4.3 Hintergrund einer Ammoniak-Leckageüberwachung in Kühlkreisläufen ........................................................................................... 259 4.4 Anwendungsfall Labormessungen mit Kalibrierung ................................... 261 4.5 Vorgehensweise bei Labormessungen ......................................................... 262 4.6 Weitere Hinweise zum Umgang mit dem Ammoniaksensor ...................... 262 5 Qualitätssicherung ........................................................................ 265 5.1 Überprüfung der Sensorfunktion .................................................................. 265 5.2 Herstellung der benötigten Lösungen .......................................................... 265 6 Quellenangabe .............................................................................. 267 6.1 Weiterführende Literatur ................................................................................ 267 7 Messung von Ammoniak Inhalt 7 Messung von Ammoniak 1 Einleitung 1.1 Was ist Ammoniak? Bei Ammoniak (NH3) handelt es sich um ein giftiges, stechend riechendes, farbloses Gas, welches zu Tränen reizt. Ammoniak löst sich leicht in Wasser. Die basisch reagierende wässrige Lösung bezeichnet man als Ammoniakwasser oder auch Salmiakgeist. In Verbindung mit Säuren bildet Ammoniak Salze, welche in Wasser in Ammoniumionen (NH4+) und ein korrespondierendes Anion dissoziieren. In der Natur entsteht Ammoniak durch die Zersetzung stickstoffhaltiger pflanzlicher oder tierischer Substanzen. Die hohe Verdampfungswärme des Ammoniaks wird in technischen Kältemaschinen genutzt, wo Ammoniak die ozonschädlichen halogenierten Kältemittel auf FCKWBasis ersetzen kann. 1.2 Typische Anwendungsgebiete für Ammoniaksensoren Mit dem JUMO-Ammoniaksensor (Abbildung 1) kann Ammoniak (NH3) in wässrigen Lösungen gemessen werden. Ammoniak steht in wässriger Lösung in einem pH-abhängigen Gleichgewicht mit Ammoniumionen. Sofern die Ammoniumionen durch Zugabe von Lauge in Ammoniak verwandelt werden, erfasst der Sensor natürlich auch den hieraus entstandenen Ammoniak. Ammoniumionen selbst werden nicht erfasst. Abbildung 1: Ammoniaksensor mit Membrankappe (oben), ohne Membrankappe (unten) Als typische Anwendungsbereiche für den Ammoniaksensor sollen erwähnt werden: • Leckageüberwachung in Kühlanlagen, z. B. Großkühlhäuser zur Lagerung von Lebensmitteln, Eisstadien, Kühlanlagen in Supermärkten • Ammoniakbestimmung in Frisch-, Salz- und Seewasser, Kesselspeisewasser, Fischzuchtanlagen, galvanischen Bädern, im Abwasser von Gaswäschern, in der Abwasserkontrolle, im Lebensmittelbereich (z. B. in Wein und Bier), im Labor Die Messung findet direkt im flüssigen Messmedium statt. Somit ist keine zeitaufwändige und komplizierte Probenaufarbeitung erforderlich. Es können auch gefärbte oder trübe Proben gemessen werden. Sofern der pH-Wert unter etwa 7,5 liegt, muss vor der Messung Lauge zur Verschiebung des chemischen Gleichgewichts von Ammoniumionen in Richtung Ammoniak zugegeben werden. Wenn die Probe die Sensormembran schädigende Substanzen, wie Öle, Fette oder Tenside enthält, dann kann die Ammoniakmessung trotzdem direkt, allerdings unter Verwendung der so genannten „head space“-Technik erfolgen. In diesem Falle ist eine Schädigung des Sensors ausgeschlossen, da kein direkter Probenkontakt des Sensors besteht: Es wird in einem gasdichten Raum über dem Messmedium gemessen. Der gasdichte Raum über dem Messmedium steht mit dem flüssigen Messmedium bezüglich des Ammoniaks im Gleichgewicht. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 249 7 1 Einleitung Die einfache Probenvorbehandlung macht die Ermittlung der Ammoniakkonzentration zu einer schnell durchzuführenden und ökonomischen Bestimmung, die in einem weiten Konzentrationsbereich mit hoher Genauigkeit angewendet werden kann. Natürlich können auch in anderen Medien, wie in Düngemitteln oder Bodenproben, Ammoniakkonzentrationen gemessen werden, wenn eine entsprechende Probenaufarbeitung vorgeschaltet wird, d. h. die Herstellung einer wässrigen Lösung mit einer Ammoniakkonzentration im Sensormessbereich und Einstellung eines geeigneten pH-Werts der Probe. 7 250 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 631, Ausgabe 2012-01 2 Grundlagen 2.1 Aufbau und Funktionsweise Der schematische Aufbau des Ammoniaksensors wird in Abbildung 2 gezeigt: Der Ammoniaksensor besteht aus einer pH-Glaselektrode und einer Referenzelektrode, die sich in einem gemeinsamen Elektrolyten befinden, der durch eine hydrophobe, gaspermeable Membran vom Messmedium abgetrennt ist. 1 2 3 4 5 6 Abbildung 2: 1 3 5 Schematischer Aufbau des Ammoniaksensors Ableitung des Bezugssystems (Ag/AgCl) Innenpuffer Glasmembran 2 4 6 Elektrolyt Innenableitung (Ag/AgCl) gasdurchlässige PTFE-Membran Zwischen der hydrophoben Membran und der pH-Glaselektrode befindet sich eine dünne Elektrolytschicht, deren pH-Wert sich erhöht, wenn NH3-Gas durch die Membran tritt. Die chemischen Vorgänge in der Elektrolytschicht werden durch folgende Reaktionsgleichung beschrieben. NH 3 + H 2 O + - NH 4 + OH (1) Das heißt: NH3 wirkt als Base und erhöht somit den pH-Wert in der dünnen Elektrolytschicht vor der pH-Glaselektrode. Weil sich zwischen der hydrophoben PTFE-Membran und der Glaselektrode nur ein sehr geringes Flüssigkeitsvolumen befindet, reagiert die Elektrode bereits auf kleinste Ammoniakmengen sehr empfindlich. In einer stark vereinfachten Herleitung ergibt sich folgender Zusammenhang des Sensorsignals von der Ammoniakkonzentration im Messmedium: Die Reaktion (Gleichung ) wird durch das Massenwirkungsgesetz beschrieben: + - K = [NH 4 ] [OH ]/[NH 3 ] (2) K = Gleichgewichtskonstante [x] = Konzentration Komponente x JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 251 7 2 Grundlagen Der Elektrolyt enthält eine relativ hohe Konzentration an Ammoniumchlorid, so dass die Konzentration der Ammoniumionen in der dünnen Elektrolytschicht als konstant angesehen werden kann, wenn eine geringe Menge NH3 durch die Membran tritt und sich gemäß obiger Reaktionsgleichung daraus NH4+ bildet. Infolgedessen kann die Ammoniumionenkonzentration in die Gleichgewichtskonstante K´ einbezogen werden. - K´ = [OH ]/[NH 3 ] oder OH - NH 3 (3) Somit ergibt sich unter Verwendung der Nernst-Gleichung folgende Abhängigkeit: E = E 0 – Slog NH 3 (4) E = Elektrodenpotenzial E0 = Standardelektrodenpotenzial S = Steilheit, f(T) Die Glasmembran (Abbildung 2, (5)) ist flach oder leicht konvex ausgebildet, damit sich zwischen Membranglas und hydrophober Membran ein möglichst dünner Elektrolytfilm bilden kann, der für kurze Ansprechzeit und hohe Empfindlichkeit sorgt. Die lokale pH-Wert-Änderung in dem dünnen Elektrolytfilm infolge Ammoniak-Eintritt wird durch die pH-Elektrode detektiert. 7 252 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.2 pH-Abhängigkeit Ammoniak (NH3) steht nach obiger Reaktionsgleichung (Gleichung 1) in wässriger Lösung in einem pH-abhängigen Gleichgewicht mit Ammoniumionen (NH4+). Die Abhängigkeit ist in Abbildung 3 dargestellt. 3 100 NH3 (Ammoniak) Anteil in % 80 60 2 40 20 NH4+ (Ammonium-Ion) 1 0 6 7 8 9 10 11 12 pH-Wert des Mediums (25°C) Abbildung 3: pH-Abhängigkeit des Gleichgewichts zwischen Ammoniak und Ammoniumionen 1 nur NH4+-Ionen (Ammonium) vorhanden) 3 nur NH3 (Ammoniak) vorhanden 2 das Verhältnis von NH4+-Ionen (Ammonium) und NH3 (Ammoniak) ist 1:1 Sofern in der Lösung überwiegend Ammoniumionen vorliegen, was im sauren Bereich der Fall ist, müssen diese durch Zugabe einer starken Lauge (z. B. NaOH) in Ammoniak (NH3) umgewandelt werden (Zugabe von 10 N NaOH-Lösung zu Messmedium bis pH 11), da die Membran nur für Ammoniak durchlässig ist (Wasser in flüssigem Aggregatzustand oder ionische Inhaltsstoffe wie Ammoniumionen können die Membran nicht passieren). 7 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 253 2 Grundlagen 7 254 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.1 Neuer JUMO-Ammoniaksensor Vorteil des JUMO-Ammoniaksensors ist, dass vorgefertigte Membrankappen erhältlich sind, so dass ein manuelles Aufspannen der empfindlichen Membran entfällt. Die Membrankappe wird beim JUMO-Sensor als komplette Einheit gewechselt (Abbildung 1). Bei den heute noch üblichen Systemen müssen die Membranen mit Handschuhen und einer Pinzette getauscht werden. Bei dieser Art von manuellem Membranwechsel müssen mechanische Beschädigungen oder Verschmutzungen der Membran beispielsweise durch Berührung mit bloßen Händen vermieden werden. Ebenfalls darf die Membran beim manuellen Aufspannen weder Falten bilden, noch darf sie überstreckt werden. Diese zeitaufwändigen und häufig fehlerbehafteten „Geduldsspiele“ entfallen beim JUMO-Ammoniaksensor, da hier einfach nur die gesamte Membrankappe gewechselt wird. 3.2 Konzentrationsbereich Die potenziometrische Messung von Ammoniak liefert eine lineare Abhängigkeit in halblogarithmischer Auftragung über einen weiten Konzentrationsbereich, welcher in der nachfolgenden Umrechnungstabelle für verschiedene Konzentrationseinheiten angedeutet ist: mol/l ppm als N ppm als NH3 5 × 10-7 7 × 10-3 8,5 × 10-3 10-6 1,4 × 10-2 1,7 × 10-2 ... ... ... 10-1 1400 1700 1 14000 17000 Tabelle 1: Umrechnungstabelle für verschiedene Konzentrationseinheiten Bei besonders niedrigen Konzentrationen gemäß oben stehender Tabelle kann sich die Ansprechzeit erheblich verlängern. Eventuell kann man die Ansprechzeit durch Verdünnung des Elektrolyten um den Faktor 10 mit destilliertem Wasser verbessern. Besonders bei hoher Konzentration besteht die Gefahr von Minderbefunden durch Ammoniakverlust. Daher sollten Proben möglichst sofort gemessen werden. Ammoniakverluste lassen sich auch durch Abdecken oder Handhabung im verschlossenen Gefäß verringern. Wenn Lauge zugesetzt wird, dann sollte man das erst unmittelbar vor der Messung tun. 3.3 Allgemeine Hinweise zur Durchführung von Ammoniakmessungen Als Kalibrierverfahren kommen bei der potenziometrischen Ammoniakmessung die direkte Kalibrierung mit einer Serie von Kalibrierlösungen oder das Additionsverfahren in Frage. Bei letzterem wird zu einer Probe unbekannter Konzentration eine bekannte Menge einer Standardlösung gegeben und aus der Signalzunahme auf die Ausgangskonzentration zurückgerechnet. Beim Kalibrieren und Messen sollte stets darauf geachtet werden, dass Probe und Kalibrierlösungen die gleiche Temperatur haben, da ansonsten Wasserdampftransport durch die Membran zu einer Drift der Elektrode führen kann. Außerdem wirkt sich die Temperatur auch auf die Sensorsteilheit aus (Temperaturabhängigkeit gemäß Nernst-Gleichung). Prinzipiell kann mit dem Ammoniak-Sensor im Temperaturbereich zwischen 0 ... 50 °C gemessen werden. Zur Herstellung von Lösungen für Kalibrierzwecke verwendet man am besten Ammoniumchlorid. Der pH-Wert der JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 255 7 3 Messtechnik Kalibrierlösungen wird mit einer starken Base auf pH in gleicher Weise vorbereitet. 3.4 11 eingestellt. Die Probenlösungen werden Besonderheiten Eine Färbung oder Trübung des Messmediums stört die Messung nicht. Auch die meisten ionischen Stoffe im Messmedium stören nicht, da sie die hydrophobe Membran nicht passieren können. Störend auswirken können sich beispielsweise flüchtige Amine. Dazu gehören u. a. Methylamin, Ethylamin und Hydrazin. Diese Stoffe reagieren im Sensorelektrolyt ebenfalls alkalisch. Damit werden bei der Anwesenheit dieser Stoffe neben Ammoniak zu hohe Konzentrationen vorgetäuscht. Wenn das Messmedium Tenside aus Wasch- und Reinigungsmitteln oder Lösungsmittel enthält, welche die hydrophoben Eigenschaften der Membran beeinträchtigen können, dann sollte im Gasraum über dem Messmedium gemessen werden. Bei dieser sogenannten „head space“-Technik muss eine geeignete gasdichte Vorrichtung verwendet werden, in welche der Ammoniaksensor eingebaut wird. Die gasdichte Vorrichtung kann beispielsweise ein mit einem durchbohrten Stopfen versehener Erlenmeyerkolben sein. In den durchbohrten Stopfen steckt man den Ammoniaksensor, so dass dieser sich über der Flüssigkeitsoberfläche im Erlenmeyerkolben befindet. Eine Messung in „head space“-Technik ist auch sinnvoll, wenn Öle und Fette enthalten sind, weil sie die Membran blockieren und so die Ansprechzeit der Elektrode negativ beeinflussen können. Die Sensormembran ist mechanisch sehr empfindlich und darf keinesfalls berührt werden. Eine mechanische Reinigung ist nicht möglich. Es können keine Messungen unter Druck durchgeführt werden, da dies wegen der Kompression von unvermeidlichen Luftblasen im Sensorelektrolyt zu einer Verformung und Schädigung der nicht elastischen Membran führen kann. Sollte das Messmedium mit Druck beaufschlagt sein, dann empfiehlt JUMO den Einsatz seiner Wechselarmatur (Abbildung 6). Hier wird der Mediumsdruck auf Atmosphärendruck reduziert. 7 256 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 4.1 Zweck einer Ammoniak-Messung Die Ammoniak-Messung kann verschiedene Zielrichtungen verfolgen: • Messung der „relativen Ammoniakkonzentration“ mit reduzierten Anforderungen an die Genauigkeit, z. B. in der Kühlmittelüberwachung; Unterscheidung zwischen Abwesenheit von Ammoniak, Zunahme oder Abnahme der Ammoniakkonzentration • Messung der „absoluten Ammoniakkonzentration“ mit hohen Anforderungen an die Genauigkeit: Laboranwendungen mit dem Ziel einer möglichst genauen Bestimmung der Ammoniakkonzentration 4.2 Anwendungsfall Kühlmedienüberwachung In der Kühlmedienüberwachung geht es dem Anlagenbetreiber eher darum, eine Ammoniakleckage im Primärkreislauf schnell über eine qualitative Ammoniakdetektion im Sekundärkreislauf zu entdecken. Die Messung der genauen Ammoniakkonzentration im Sekundärkreislauf ist nur von untergeordneter Bedeutung, weil es gilt, durch schnelle Gegenmaßnahmen Schäden an der Anlage und deren Umfeld zu verhindern. In diesem Fall bietet sich ein Ammoniaksensor zur Überwachung des Sekundärkreislaufes an, weil dieser wegen möglicher Pufferwirkung des Kältemediums im Sekundärkreislauf wesentlich schneller reagiert als beispielsweise eine pH-Messung. Selbstverständlich muss der pH-Wert des Kältemediums größer als etwa 8 sein, damit zumindest ein geringer Anteil freies Ammoniak im Gleichgewicht mit Ammoniumionen vorliegt (Abbildung 3). In den Messumformern JUMO dTRANS pH 02, Typ 202551, und JUMO AQUIS 500, Typ 202560, ist der Zusammenhang zwischen der Elektrodenspannung und der Ammoniakkonzentration in Wasser in Form einer typischen Kennlinie (Abbildung 5) abgelegt. Beide Messumformer können somit aus der gemessenen Elektrodenspannung die Ammoniakkonzentration berechnen und direkt in der Konzentrationseinheit „parts per million“ (ppm) anzeigen (Abbildung 4). 7 Abbildung 4: Anzeige der Ammoniakkonzentration am JUMO AQUIS 500 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 257 4 Anwendungen Die im Messumformer abgelegte Kennlinie gilt natürlich nur für bestimmte Randbedingungen, wie Mediumszusammensetzung und pH-Wert, außerdem spielen individuelle Sensoreigenschaften eine Rolle. Wird von diesen Randbedingungen abgewichen oder verwendet man unterschiedliche Elektroden, beeinflusst dies auch den angezeigten Konzentrationswert. Dies ist in der Kühlmittelüberwachung aber unerheblich, da es lediglich darum geht, eine relative Erhöhung der Ammoniakkonzentration zu detektieren. Die individuellen Eigenschaften des speziellen Sensors werden über die Kalibrierung des Nullpunkts berücksichtigt. Die Software ist in ihrer Funktionalität besonders auf die Kühlmedienüberwachung abgestimmt. Zunächst wird die Sensorspannung in Abwesenheit von Ammoniak ermittelt und die in Abbildung 5 dargestellte Kurve entsprechend verschoben. Die Steilheit berechnet sich gemäß der Nernst-Gleichung. Dazu ist eine automatische Temperatur-Erfassung mit Pt100 und Pt1000 oder auch eine manuelle Eingabe der Temperatur möglich. Sensorspannung [mV] 200 100 Steilheit S 58,16mV/Dekade (20°C) 0 -100 0,1 1 10 100 Ammoniakkonzentration [ppm] Abbildung 5: JUMO dTRANS pH 02 und JUMO AQUIS 500 – Abhängigkeit der Elektrodenspannung von der Ammoniakkonzentration 7 258 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 4.3 Hintergrund einer Ammoniak-Leckageüberwachung in Kühlkreisläufen 55 20 35 163 Die JUMO-Ammoniaksensor kann zur Überwachung von Kühlkreislaufsystemen auf Ammoniakaustritt eingesetzt werden. Bei größeren Kühlanlagen oder auch bei Eissportanlagen verwendet man häufig Ammoniak als Kältemittel im primären Kühlkreislauf. Im sekundären Kühlkreislauf verwendet man dagegen einfacher handhabbare und ungefährlichere Medien, wie Salzsolen oder diverse Kühlmedien, auf Basis von Glykol/Wasser-Gemischen oder wässrigen Lösungen organischer Salze (einige gebräuchliche Handelsnamen sind: Glykosol®, Pekasol®, Tyfoxit®, …)4. 20 ø35 1 G1 /4A ø60 Abbildung 6: 4 7 Wechselarmatur zum Einsatz in Kühlkreislauf-Anwendungen Im Artikel erwähnte Warenzeichen: Glykosol®, Pekasol®: proKÜHLSOLE GmbH Tyfoxit®: TYFOROP Chemie GmbH JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 259 4 Anwendungen In Kühlanlagen muss in jedem Fall eine Ammoniakleckage frühzeitig entdeckt werden, damit es nicht zu einer Korrosion von Kupfer- oder Buntmetallrohren im Sekundärkreislauf kommen kann. Der Einsatz einer gleichfalls denkbaren pH-Messung scheidet in der Praxis aus, da hier mit erheblich höheren unteren Nachweisgrenzen infolge Pufferwirkung des Messmediums gerechnet werden muss. Selbst bei schon sehr geringen Ammoniakkonzentrationen kann es durch Korrosion zu Durchbrüchen im Rohrleitungssystem infolge der Bildung des stabilen Kupfertetramminkomplexes [Cu(NH3)4]2+ kommen. Für diesen Anwendungsfall kann der JUMO-Ammoniaksensor in einer für Kühlkreisläufe optimierten Wechselarmatur (Abbildung 4) eingesetzt werden. Der Mediumsdruck, der im Bereich bis zu 6bar (idealerweise meist 2 ... 3 bar) liegen kann, muss auf Atmosphärendruck reduziert werden, so dass der Membran bedeckte Ammoniaksensor drucklos eingesetzt wird. Überschüssiges Kühlmedium, das über eine zur Druckreduktion eingesetzte poröse PTFE-Scheibe in die Wechselarmatur eintritt, wird über einen Überlauf abgeführt, an welchen ein Schlauch zur Ableitung angeschlossen werden kann. Sollten in einem speziellen Fall die Druckverhältnisse von den beschriebenen Größenordnungen abweichen, muss durch Variation der Dicke oder Porosität der PTFE-Scheibe der Messmediumsfluss durch die Armatur angepasst werden. Um den Durchfluss einzustellen, kann man die Teflonscheibe beispielsweise auch anbohren, wenn die durchtretende Mediumsmenge zu gering ist. Bei zu hohem Durchfluss kann evtl. eine Blende vor der Teflonscheibe helfen, den Durchfluss zu reduzieren. Einerseits soll nicht zu viel Messmedium durch die Armatur verloren gehen, andererseits muss eine akzeptable Totzeit bei einer Ammoniakleckage erreicht werden. Während der Totzeit findet die Verteilung des Ammoniaks im Messmedium statt und das Totvolumen bis zur Erreichung des Sensors muss überwunden werden. Natürlich muss auch die Viskosität des Messmediums bei der Einstellung des Mediumsdurchsatzes durch die Armatur berücksichtigt werden. Bei höheren Viskositäten tritt weniger Medium durch die Armatur als bei niedrigeren. Es wird die Kontrolle der austretenden Messmediumsmenge empfohlen: Normalerweise sollten einige Milliliter pro Tag ausreichen. Die Ansprechzeit im Falle eines Ammoniakaustritts hängt auch davon ab, wie schnell sich der Ammoniak im Gesamtsystem verteilt und letztendlich den Sensor in der Armatur erreicht. Dies ist bei der Auslegung der Anlage und bei der Einstellung des Mediumsdurchflusses durch die Armatur zu berücksichtigen. Es muss sichergestellt werden, dass sich die in der Armatur zur Druckreduktion eingesetzte poröse PTFE-Scheibe nicht im Laufe der Zeit durch im Messmedium befindliche Partikel oder Schmutz zusetzt. Dadurch könnte der Durchfluss durch die Armatur soweit reduziert oder gar gestoppt werden, so dass eine evtl. Ammoniakleckage zu spät oder überhaupt nicht erkannt wird. Es wird vorgeschlagen, die Anlage bezüglich des Mediumsdurchsatzes in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Bei der Wahl des Zeitintervalls für die Überprüfung ist die spezielle Beschaffenheit des Messmediums zu berücksichtigen: In Messmedien, welche die poröse PTFE-Scheibe in der Armatur blockieren können, sollte häufiger kontrolliert werden, ob ein bestimmter MindestDurchfluss vorhanden ist. Im Bedarfsfall muss ein Filter vor der Armatur eingebaut werden. 7 260 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen 4.4 Anwendungsfall Labormessungen mit Kalibrierung Selbstverständlich eignet sich der Sensor auch für Messungen, mit denen der Anwender die Ammoniakkonzentration möglichst genau ermitteln möchte. In diesem Fall ist ein größerer Aufwand bei der Kalibrierung erforderlich, um die verschiedenen Einflüsse auf die Messung zu berücksichtigen. Für die Messungen kann ein im Spannungsanzeigemodus [mV] betriebenes pHMeter (z. B. auch JUMO dTRANS pH oder Rd oder JUMO AQUIS 500) oder ein so genanntes „Ionenmeter“ [ppm] verwendet werden. Es gibt zwei Verfahren Ammoniak quantitativ zu messen: • Direktmessung nach Mehrpunktkalibrierung • Standardadditionsverfahren Im ersten Fall ist die Erstellung einer Kalibrierkurve mit Referenzlösungen bekannter Ammoniakkonzentration erforderlich: Die Konzentration der Referenzlösungen sollte den erwarteten Konzentrationsbereich der Proben beinhalten. Die Kalibrierlösungen und Probenlösungen müssen in gleicher Weise behandelt werden: Um eine hohe Messgenauigkeit zu erzielen, sollte das chemische Gleichgewicht zwischen Ammoniumionen und Ammoniak möglichst weit in Richtung Ammoniak verschoben sein. Dies erreicht man durch Zugabe von Lauge, mit welcher man einen pH-Wert 11 einstellt. Die Einstellung des pH-Werts erfolgt sowohl bei der Probelösung mit unbekannter Konzentration als auch bei den Kalibrierlösungen. Außerdem muss die Messung von Proben und Referenzlösungen bei der gleichen Temperatur erfolgen, weil sonst Temperatureffekte das Messergebnis beeinflussen können. Die Kalibrierung wird mit der Referenzlösung mit der niedrigsten Konzentration begonnen und zu höheren Konzentrationen hin fortgesetzt. Vor dem Wechsel in das nachfolgende Probengefäß ist der Sensor mit ammoniakfreiem destilliertem Wasser abzuspülen und mit einem weichen Papiertuch abzutupfen (hierbei darf die Membran nicht berührt werden!). Als Resultat dieser Kalibrierung erhält man eine Kalibrierkurve, welche nach den aus der Analytik bekannten Verfahren ausgewertet werden kann. Bei einigen Labormessgeräten („Ionenmeter“) übernimmt das Messgerät die Auswertung, so dass nach abgeschlossener Kalibrierung direkt die Konzentration angezeigt wird. Bei einer länger andauernden Messreihe sollte zwischendurch die Kalibrierung wiederholt werden. Beim Standardadditionsverfahren setzt man zu der Probe mit der unbekannten Konzentration eine (mehrere) bekannte Menge(n) Ammoniak in Form von Ammoniumchlorid-Lösung zu. Aus der Signalzunahme nach dem „Aufstocken“ kann auf die unbekannte Ausgangskonzentration zurück geschlossen werden, wobei gegebenenfalls das vergrößerte Volumen der aufgestockten Gesamtlösung in die Berechnung einbezogen werden muss. Bei der Standardadditionsmethode lassen sich matrixspezifische Einflüsse ausschalten, welche bei der Erstellung einer Kalibrierkurve (erstes Verfahren) unberücksichtigt bleiben. Die oben gemachten Hinweise zur Verschiebung des chemischen Gleichgewichts in Richtung Ammoniak gelten auch beim Standardadditionsverfahren. 7 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 261 4 Anwendungen 4.5 Vorgehensweise bei Labormessungen Damit das chemische Gleichgewicht zwischen Ammoniumionen und Ammoniak möglichst vollständig auf die Seite von Ammoniak verschoben wird, müssen die Proben mit unbekannter Konzentration und die Standardlösungen für die Kalibrierung unmittelbar vor der Messung mit Lauge versetzt werden. Man kann beispielsweise so vorgehen, dass man 100 ml Standardlösung bzw. 100 ml Probe mit 1 ml 10 molarer Natronlauge versetzt, bis der pH-Wert bei mindestens 11 liegt (bei Proben mit niedrigem pH-Wert kann es erforderlich werden, eine größere Menge Natronlauge zuzusetzen, damit wenigstens pH 11 erreicht wird. Im Zweifelsfall muss der pH-Wert gemessen werden). Im Interesse einer schnellen Messwerteinstellung sollte man Proben und Standardlösungen mit einem Magnetrührstäbchen und Magnetrührer gerührt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass sich die Proben und Standards nicht unter dem Einfluss des Magnetrührers erwärmen. Notfalls muss eine thermisch isolierende Platte zwischen Gefäß und Rührerplatte gelegt werden. Der Ammoniaksensor sollte an einem Stativ befestigt werden und so in das auf dem Rührer befindliche Probengefäß eingetaucht werden, dass der Sensor weder den Boden des Gefäßes noch den Magnetrührstab berührt. Vor der Sensormembran befindliche Luftblasen müssen entfernt werden. 4.6 Weitere Hinweise zum Umgang mit dem Ammoniaksensor Sofern der Ammoniaksensor in Medien eingesetzt werden soll, in welchen Salze oder Lösungsmittel in höherer Konzentration, beispielsweise zu Frostschutzgründen, gelöst sind, dann muss bei Verwendung des Standardelektrolyten mit Drifterscheinungen gerechnet werden. Die Sensordrift wird durch Diffusion von Wasserdampf durch die Sensormembran verursacht. Es handelt sich dabei um einen Osmosevorgang durch eine semipermeable Membran, bei welchem Wassermoleküle von der Seite mit der niedrigeren Spezieskonzentration auf die Seite mit der höheren Konzentration diffundieren. Osmose ist eine kolligative Eigenschaft, welche nur von der Zahl gelöster Spezies (Gesamtzahl gelöster Moleküle und Ionen) abhängt und nicht von deren Art oder Eigenschaften. Wenn Wasserdampf aus dem Sensorelektrolyt durch die semipermeable Membran in das Messmedium tritt, mit dem Ziel die Spezieskonzentration zu beiden Seiten der Membran anzugleichen, dann wird der Sensor währenddessen kontinuierlich driften. Natürlich ist es nicht möglich und dadurch nicht beabsichtigt, mit dem kleinen Elektrolytvolumen im Ammoniaksensor einen Konzentrationsausgleich zu bewerkstelligen. Da das Messmedium in seiner Zusammensetzung vorgegeben und nicht veränderbar ist, können gewöhnlich nur Anpassungen auf der Seite des Sensorelektrolyts vorgenommen werden. 7 JUMO liefert für diesen Zweck einen speziell angepassten Sensorelektrolyt, welcher beispielsweise in Kältemedien auf Basis von Glykolen oder Carbonsäuresalzen eingesetzt werden sollte. Natürlich kann der Sensorelektrolyt nicht auf jede denkbare individuelle Mediumszusammensetzung abgestimmt werden. Aber durch die Anhebung der Elektrolytkonzentration werden die Drifterscheinungen auf jeden Fall vermindert. Als hochohmiger elektrochemischer Sensor muss beim Ammoniaksensor mit einer erhöhten Driftneigung des Sensors gerechnet werden. Dies sollte bei der Wahl von Grenzwerten zur Alarmierung bei einer Ammoniakleckage berücksichtigt werden. Der Spezialelektrolyt kann bei Temperaturen bis zu -8 °C eingesetzt werden. Wenn erforderlich, muss der Ammoniaksensor bei tiefen Temperaturen in Kombination mit einem Impedanzwandler eingesetzt werden, da der elektrische Widerstand der Glasmembran mit abnehmender Temperatur zunimmt. 262 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungen Bei Labormessungen hat man selbstverständlich auch die Möglichkeit die Probelösung entsprechend zu verdünnen, wenn es zu Drifterscheinungen infolge höher konzentrierter Begleitstoffe kommt. Wenn der Ammoniaksensor an Luft gelagert wird, kann es zu einem Verlust von Wasser (-dampf) aus dem Elektrolyt kommen. Deswegen sollte der Sensor in dem mitgelieferten Aufbewahrungsgefäß in Elektrolytflüssigkeit gelagert werden. Bei Messung und Kalibrierung sollte darauf geachtet werden, dass sich keine Luftblasen vor der Sensormembran befinden, weil dann der Ammoniakzutritt durch die Membran behindert sein kann. Aus diesem Grund kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, den Sensor in einem Winkel einzusetzen, der 20° von der Vertikalen abweicht, damit die Ansammlung von Luftblasen verhindert wird. Damit es nicht zu Analytverlusten kommt, sollte das Verhältnis der Oberfläche zum Probenvolumen klein sein (z. B. Verwendung eines Enghals-Erlenmeyerkolbens). Wenn ammoniakhaltige Proben vor der Analyse für längere Zeit aufbewahrt werden sollen, dann empfiehlt sich eine Konservierung durch Zugabe von Säure (z. B. 1 ml 0,5 molare Salzsäure pro Liter Probe). Die Probe kann dann in einem verschlossenen Gefäß aufbewahrt werden. Vor der eigentlichen Messung muss man die Probe wieder nach dem oben beschriebenen Verfahren alkalisch machen. Die gleichzeitige Anwesenheit von Chlor neben Ammoniak stört die Messung, weil sich Chloramine bilden. Eine Störung durch Chlor in gechlortem Schwimmbad- oder Trinkwasser kann durch vorherige Zugabe von Natriumthiosulfat verhindert werden. In Gegenwart von manchen Schwermetallionen (z. B. Cu2+, Zn2+, Hg2+) kann die Messung durch die Bildung von Komplexverbindungen des Ammoniaks gestört werden. Manche Komplexbildner wie Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) und dessen Salze sind in der Lage den Ammoniak aus den Metallkomplexen freizusetzen, so dass eine Messung mit dem Ammoniaksensor möglich wird. Außerdem wird durch die Zugabe von EDTA eine eventuelle Ausflockung von Metallhydroxiden beim Alkalisieren der Proben verhindert. 7 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 263 4 Anwendungen 7 264 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.1 Überprüfung der Sensorfunktion Zur Überprüfung der Sensorfunktion stellt man sich zwei Prüflösungen her, die sich um den Faktor 10 in ihrer Ammoniumchlorid-Konzentration unterscheiden. Es wird folgende Vorgehensweise vorgeschlagen: 5.2 Herstellung der benötigten Lösungen In einen 100ml Messkolben gibt man 1 ml 0.1 mol/l Ammoniumchlorid-Lösung und füllt mit ammoniakfreiem destilliertem Wasser auf 100ml auf. Für die Ammoniakmessung überführt man die Lösung in ein Becherglas und fügt unmittelbar vor der Messung 1 ml 10 molare Natronlauge hinzu (= Prüflösung 1). Während der Messung bei 25 °C wird die Lösung mit einem Magnetrührer und einem Rührstäbchen gerührt. In einen zweiten 100 ml Messkolben gibt man 10 ml 0.1 mol/l Ammoniumchlorid-Lösung und füllt auf 100 ml auf. Nach Überführung in ein Becherglas und Zugabe von 1 ml 10 molarer Natronlauge wird wie oben gemessen (= Prüflösung 2). Die in Prüflösung 1 gemessene Sensorspannung sollte um mindestens 50 mV über der in Prüflösung 2 gemessenen liegen. Herstellung der 10 molaren Natronlauge: 40 g NaOH löst man im 100 ml Messkolben in etwa 80 ml ammoniakfreiem destilliertem Wasser. Dabei erwärmt sich die Lösung etwas. Nach Abkühlung auf 20 °C füllt man mit destilliertem Wasser auf 100 ml auf. Herstellung der 0.1 mol/l Ammoniumchlorid-Lösung: 0,535 g Ammoniumchlorid werden in einem 100 ml Messkolben zunächst in einer Teilmenge ammoniakfreiem destilliertem Wasser aufgelöst und nach Abkühlung auf 20 °C auf 100 ml aufgefüllt. 7 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 265 5 Qualitätssicherung 7 266 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 6 Quellenangabe 6.1 Weiterführende Literatur • D. Midgley, K. Torrance, Potentiometric Water Analysis, Wiley, 1991 • D. A. Skoog, J.J. Leary, Instrumentelle Analytik, Springer-Verlag, 1996 7 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Ammoniak 267 6 Quellenangabe 7 268 Messung von Ammoniak JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Kapitel 8 Messung von gelöstem Sauerstoff Dr. Jan Bösche Bemerkung Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten. 8 Vorwort Sauerstoff ist lebensnotwendig. Er ist essenziell für alle biologischen Organismen und bildet Grundvoraussetzung für die Atmungsvorgänge der aeroben Lebewesen. Die Menge des in Wasser gelösten Sauerstoffs ist einer der wichtigsten Parameter in industriellen und kommunalen Abwasseranlagen sowie in Fischzuchtanlagen. Dieser Wert muss daher kontinuierlich erfasst, überwacht und geregelt werden. Grundlegende elektrochemischen Zusammenhänge und typische Anwendungen will dieses Buch in allgemein verständlicher Form darstellen. Außerdem werden Hinweise auf den Stand der Technik bei den Messumformern/Reglern und Sensoren für diese Messgröße gegeben. Wir bemühen uns, diese „Informationen zur Sauerstoffmessung“ stets auf dem neuesten Stand zu halten und rufen die Leserschaft dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mitzuarbeiten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen. Fulda, im April 2012 Dr. Öznur Brandt 8 Inhalt 1 Einleitung ....................................................................................... 273 1.1 Eigenschaften von Sauerstoff ....................................................................... 273 2 Grundlagen .................................................................................... 275 2.1 Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit von Sauerstoff ............................ 275 2.2 Druckabhängigkeit der Löslichkeit von Sauerstoff ..................................... 275 2.3 Salinität (Salzgehalt) ....................................................................................... 275 2.4 Anwendungsbereiche ..................................................................................... 275 2.5 Analytische Bestimmungsmethoden ............................................................ 276 2.6 Elektrochemische Messverfahren ................................................................. 276 2.7 Optisches Messverfahren (LDO) ................................................................... 281 3 Messtechnik .................................................................................. 283 3.1 Aufbau des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01 für gelösten Sauerstoff (DO) .......................................................................... 283 3.2 Funktion des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01 für gelösten Sauerstoff (DO) .......................................................................... 285 3.3 Beeinflussung des Messsignals .................................................................... 286 3.4 Kalibrierung ..................................................................................................... 287 4 Anwendungsbereiche ................................................................... 289 4.1 Regelung der Sauerstoffzufuhr in Kläranlagen ............................................ 289 4.2 Fischzuchtanlagen .......................................................................................... 289 4.3 Bierherstellung ................................................................................................ 290 4.4 Fermentation ................................................................................................... 290 5 Qualitätssicherung ........................................................................ 291 5.1 Fehler und Störungen bei der Sauerstoffmessung mit amperometrischen Sensoren .................................................................. 291 6 Quellenangabe .............................................................................. 293 8 Messung von Sauerstoff Inhalt 8 Messung von Sauerstoff 1 Einleitung 1.1 Eigenschaften von Sauerstoff Auf der Erde kommt das Element Sauerstoff häufiger vor als jedes andere. Entdeckt wurde es in 1777 durch den schwedischen Chemiker Carl Wilhelm Scheele. Elementarer Sauerstoff (O) tritt in der Natur in verschiedenen Formen auf: Am bekanntesten ist das zweiatomige Molekül (O2). Von ihm ist die Rede, wenn wir von Sauerstoff sprechen. Und in dieser Form ist elementarer Sauerstoff in Gewässern gelöst. Daneben gibt es das dreiatomige Molekül (O3): Ozon. Hierbei handelt es sich um eines der stärksten verfügbaren Oxidationsmittel; es reagiert sehr schnell mit Verunreinigungen im Wasser und macht diese dadurch unschädlich. JUMO-Analysenmesstechnik beschäftigt sich mit der Messung von in Wasser gelöstem Sauerstoff (engl.: DO - dissolved oxygen). 8 Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 273 1 Einleitung 8 274 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.1 Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit von Sauerstoff Sauerstoff ist bei Zimmertemperaturen ein farbloses Gas, das weder Geruch noch Geschmack hat. Er ist in Wasser wenig löslich. Zudem ist seine Löslichkeit stark temperaturabhängig: Je höher die Temperaturen, desto geringer ist sie. Temperatur °C 0 10 20 30 50 70 90 Tabelle 1: 2.2 Sauerstofflöslichkeit mg/l 14,6 11,3 9,1 7,5 5,5 3,8 1,6 Sauerstofflöslichkeit in Wasser bei verschiedenen Temperaturen Druckabhängigkeit der Löslichkeit von Sauerstoff Der Druck hat – im Vergleich zur Temperatur – entgegengesetzte Wirkung: Je höher er ist, umso mehr Sauerstoff ist im Wasser löslich. Bei der Sauerstoffmessung muss der Luftdruck berücksichtigt werden. 2.3 Salinität (Salzgehalt) Die Salinität bezeichnet die Menge der im Wasser gelösten Salze (in Gew.-%). Die Löslichkeit von Sauerstoff nimmt mit steigendem Gehalt an gelösten Substanzen ab. Beispielsweise hat Sauerstoff in Meerwasser eine um etwa 1 bis 3 mg/l geringere Löslichkeit als in Süßwasser. 2.4 Anwendungsbereiche Der Sauerstoffgehalt ist ein Indikator für den Zustand eines Gewässers und liefert Hinweise zum Verschmutzungsgrad. Wenn organische Verschmutzungen vorhanden sind, sinkt der Sauerstoffgehalt im Wasser. Die Messung von gelöstem Sauerstoff findet in der Wasser- und Abwassertechnik vielfache Anwendung. Einige Einsatzgebiete sind: • Messung des Sauerstoffgehaltes in Belebungsbecken • Kontrolle des Sauerstoffgehaltes im Ablauf einer Kläranlage • Messung und Regelung des Sauerstoffgehaltes für Fischteiche und Fischfarmen mit Süß- und Salzwasser • Überwachung öffentlicher Gewässer, z. B. Flüsse, Seen, Stauseen • Anreicherung von Trinkwasser mit Sauerstoff 8 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 275 2 Grundlagen 2.5 Analytische Bestimmungsmethoden Zur Bestimmung der Sauerstoffkonzentration in einer Lösung kommt die Winkler-Methode zum Einsatz. Diese Methode beruht auf der Oxidation von Mn2+ zu Mn4+ durch den gelösten Sauerstoff. Durch Zugabe von H2SO4 wird eine dem Sauerstoff äquivalente Menge Jod freigesetzt. Diese wird durch Titration mit Natriumthiosulfat berechnet. 2.6 Elektrochemische Messverfahren Eine Möglichkeit zur kontinuierlichen Messung von gelöstem Sauerstoff bietet die elektrochemische Bestimmung mittels amperometrischer Sensoren. Um die Funktionsweise amperometrischer Messzellen zu verstehen, muss man sich die Transportphänomene betrachten, die den Transport der reagierenden Teilchen an die Elektrodenoberfläche bewerkstelligen. Betrachten wir hierzu die Strömungsprofile an der Oberfläche einer Elektrode (Abbildung 1): 1 2 3 4 5 Abbildung 1: Strömungsprofile an einer Elektrodenoberfläche 1 3 Elektrode (Kathode) Nernst’sche Diffusionsschicht 5 (Dicke 10-2 bis 10-3 cm) Bereich turbulenter Strömung 2 4 Elektrodenoberfläche Bereich laminarer Strömung Amperometrische Sensoren lassen sich wie folgt einteilen: • Zwei-Elektroden-System (Clark-Sensoren) • Drei-Elektroden-System mit potenziostatischer Schaltung Diese Sensoren gibt es sowohl in membranbedeckter als auch in membranloser Ausführung. Vorteile membranbedeckter Zellen: • keine Verschmutzung der Elektroden • definierte Elektrolytzusammensetzung im Probenraum • geringe Durchflussabhängigkeit des Messsignals • geringe Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Messwassers 8 276 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.6.1 Zwei-Elektroden-System nach Clark Ein Zwei-Elektroden-System besteht aus einer Kathode als Messelektrode (ME) und einer Anode als Gegenelektrode (GE), die über eine Elektrolytlösung in Verbindung stehen. Zwischen ihnen wird eine konstante Spannung angelegt, die Sauerstoff elektrochemisch reagieren lässt. Die Intensität des Stroms ist proportional zum molekularen Sauerstoff, der bei der elektrochemischen Reaktion umgesetzt wird. zum Messumformer Abbildung 2: 1 3 5 1 1 1 2 3 4 5 Schematische Darstellung eines membranbedeckten amperometrischen Sensors in Zwei-Elektroden-Bauweise Isolation Elektrolyt Membran 2 4 Gegenelektrode (GE) Messelektrode mit Elektrolytschicht Vom Messmedium sind diese Elektroden durch eine Membran getrennt, welche nur für die Sauerstoffmoleküle durchlässig ist. Die Kathode, an der der durch die Membran diffundierte Sauerstoff elektrochemisch umgesetzt wird, hat über einen dünnen Elektrolytfilm direkten Kontakt mit der Membran. Diese Sensoren werden nach ihrem Erfinder Dr. Leland Clark als „Clark-Sensoren“ bezeichnet. Ihr wesentlicher Vorteil besteht darin, dass sie sofort ein verwertbares elektrisches Signal liefern sowie im Betrieb relativ robust und kostengünstig sind. 8 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 277 2 Grundlagen Elektrochemischer Ablauf Die folgende Abbildung zeigt vier verschiedene Bereiche: I keine Reaktion des Analyten an der Arbeitselektrode, da die angelegte Spannung zu niedrig ist II die Reduktion des Analyten an der Kathode setzt ein, die angelegte Spannung ist jedoch noch nicht groß genug, um in den Bereich des Diffusionsgrenzstromes zu gelangen, d. h., nicht alle Analytmoleküle an der Elektrodenoberfläche werden sofort reduziert; das zu Y gehörende Potenzial nennt man auch das „Halbstufenpotenzial“ des Analyten; dieses Potenzial besitzt einen für den Analyten charakteristischen Wert III Messbereich: Der gesamte Analyt an der Elektrodenoberfläche wird sofort reduziert; die Reaktionsgeschwindigkeit wird allein durch die Diffusion der Analytmoleküle durch die Nernst‘sche Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche bestimmt IV unerwünschte Reaktionen von Oxidationsmitteln, die schwerer zu reduzieren sind als der Analyt, treten auf Strom I II III IV Diffussionsgrenzstrom I G Z IG 2 Y X 0 Spannung Abbildung 3: Schematische Darstellung des Stromflusses in Abhängigkeit von der angelegten Spannung in einer amperometrischen Messzelle 8 278 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.6.2 Drei-Elektroden-System Beim Drei-Elektroden-System erhöht sich die Selektivität durch die bessere Potenzialkonstanz: Das System besteht aus der Mess- oder Arbeitselektrode (ME), der Gegenelektrode (GE) und einer Bezugselektrode (BE). Über eine potenziostatische Schaltung wird das Potenzial zwischen ME und BE auf dem für die Durchtrittsreaktion erforderlichen Wert gehalten. Die BE bleibt stromlos. Der Strom fließt über die GE. Auch im Falle der Drei-Elektroden-Messzelle ist der Diffusionsgrenzstrom proportional zur Konzentration des Analyten. Sofern es sich um ein Messmedium bekannter Zusammensetzung handelt, d. h., es wird gezielt nur ein Analyt zugesetzt, kann auch ein Zwei-Elektroden-System zur Messung des Analyten eingesetzt werden. zum Messumformer 5 1 2 3 6 5 4 Abbildung 4: 1 3 5 2.6.3 Schematische Darstellung amperometrischer Sensoren in Drei-ElektrodenBauweise Bezugselektrode (BE) Elektrolyt Isolation 2 4 6 Diaphragma Mess- und Arbeitselektrode (ME) Gegenelektrode (GE) Anströmung bei amperometrischen Sensoren Ein amperometrisch arbeitender Sauerstoffsensor benötigt immer eine Anströmung durch das Messmedium, da der Sensor den Sauerstoff während der Konzentrationsmessung in einer chemischen Reaktion – Kapitel 3.2 „Funktion des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01 für gelösten Sauerstoff (DO)“ – verbraucht. Für eine einwandfreie Sensorfunktion muss daher immer Sauerstoff durch frisches Messmedium nachgeliefert werden. Gewöhnlich reicht hierzu die natürliche Bewegung des Belebtschlammes in einem Belebungsbecken aus, die beispielsweise durch Einblasen von Luft oder durch Konvektion verursacht wird. 8 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 279 2 Grundlagen 2.6.4 Kalibrierung amperometrischer Sensoren Die Kalibrierung amperometrischer Sauerstoffsensoren erfolgt in wasserdampfgesättigter Luft: Für eine bestimmte Temperatur ist in wasserdampfgesättigter Luft die dann herrschende Sauerstoffkonzentration bekannt (Tabelle 1). Wasserdampfgesättigte Luft befindet sich in geringer Entfernung (einige Zentimeter) oberhalb einer Wasseroberfläche (beispielsweise bei einem wassergefüllten Eimer). Die Kenntnis der Sauerstoffkonzentration unter den geschilderten Bedingungen zieht man zur Kalibrierung der Sauerstoffsensoren heran. 8 280 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 2 Grundlagen 2.7 Optisches Messverfahren (LDO) Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des Sauerstoffgehalts ist die Nutzung eines optischen Sensors. Dieses Verfahren basiert auf der Löschung (= strahlungslose Deaktivierung) der Fluoreszenz durch Sauerstoff: Auf der Innenseite einer Membran befindet sich eine sauerstoffsensitive Schicht in Form eines Fluoreszenzfarbstoffes. Hierfür werden beispielsweise Rubidiumkomplexe verwendet. Diese lassen sich auch über chemische Bindungen an der Membranoberfläche immobilisieren. Die sauerstoffsensitive Schicht wird von einer blauen Leuchtdiode angeregt und sendet „Fluoreszenzlicht“ aus. Ist auf der dem Messmedium zugewandten Membranseite Sauerstoff vorhanden, passiert dieser die Membran und erreicht den Fluoreszenzfarbstoff. Dort wird ein Teil der Fluoreszenz durch den Sauerstoff gelöscht (strahlungslos deaktiviert). Dadurch verringert sich das ausgestrahlte „Fluoreszenzlicht“, die Fluoreszenzintensität sinkt. Dies wird durch einen Detektor, beispielsweise eine Fotodiode, gemessen. Der Zusammenhang zwischen der Fluoreszenzintensität und der Sauerstoffkonzentration wird quantitativ durch die Stern-Volmer-Gleichung beschrieben. Diese Gleichung lässt sich zur Ermittlung der Sauerstoffkonzentration heranziehen. Die Berechnung der Sauerstoffkonzentration kann auch über eine Auswertung der Fluoreszenzlebensdauer (Abklingzeit) oder der Fluoreszenzquantenausbeute erfolgen. 1 Abbildung 5: 1 3 5 5 2 4 3 Schematische Darstellung eines LDO-Sensors Fotodiode rückgestrahltes rotes Licht LED 2 4 Referenz-LED eingestrahltes blaues Licht Ein Vorteil dieser Methode liegt darin, dass zur Messung des Sauerstoffs kein Elektrolyt benötigt wird. Andererseits verbrauchen optische Sensoren relativ viel elektrische Energie und sind zudem auch teurer als elektrochemische Sauerstoffsensoren. Prinzipiell ist eine Reinigung des LDO-Sensors (luminescent dissolved oxygen) nicht erforderlich, aber schon bei normalem Betrieb (z. B. im Bereich kommunale Abwässer) kann Schmutz, der sich auf dem Sensor sammelt, dessen Messeigenschaften beeinflussen. Die Bildung von Biofilmen beispielsweise zehrt Sauerstoff und kann die Ansprechzeiten des Sensors erhöhen. Eine regelmäßige Reinigung und Wartung des Messinstruments ist also auch bei diesem Verfahren notwendig. Die Geräte werden werkseitig kalibriert ausgeliefert, trotzdem ist eine regelmäßige Kalibrierung durch den Anwender (gemäß Herstellerangaben) erforderlich. Im Sinne einer laufenden Qualitätskontrolle ist es ohnehin gute Betriebspraxis, auch optische Sensoren in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Einen Grund für regelmäßige Kontrolle bildet das potenzielle Ausbleichen des Fluoreszenzfarbstoffs durch Sonnenlicht: Wenn die Sensoren in Bereichen eingesetzt werden, in denen Tageslicht die Membran mit dem Fluoreszenzfarbstoff erreicht, dann kann dieser „ausbleichen“, und die Sensorkappe muss eventuell vorzeitig ausgetauscht werden. Da optische Sensoren keine kostengünstige Alternative darstellen, kommen weltweit am häufigsten elektrochemische Sensoren zum Einsatz. JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 281 8 2 Grundlagen 8 282 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.1 Aufbau des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01 für gelösten Sauerstoff (DO) Das Gerät eignet sich zur kontinuierlichen Messung von in Wasser gelöstem Sauerstoff. Abbildung 6: JUMO dTRANS O2 01 – Zweidraht-Messumformer (links) mit Bedieneinheit (rechts) Bedieneinheit (Standardausführung) Zweidrahtverbindung Istwertausgang Sauerstoff (4 ... 20 mA)1 SERVICE PGM EXIT CAL Zweidrahtverbindung Istwertausgang Temperatur (4 ... 20 mA)2 ZweileiterMessumformer für gelösten Sauerstoff (DO) Abbildung 7: Zwei separate Spannungsversorgungen DC 24 V für den Zweidraht-Messumformer JUMO dTRANS O2 01 und den ZweidrahtMessumformer Temperatur SPS , Visualisierung o. Ä. 1 frei skalierbar 2 fest eingestellt: 0 ... 50 °C entsprechen 4 ... 20 mA JUMO dTRANS O2 01 – Maximalausführung JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 8 Messung von Sauerstoff 283 3 Messtechnik 1 2 4 Abbildung 8: 3 Aufbau des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01 Der Sauerstoffmessumformer besteht aus 1 3 Gehäuse mit Messumformer-Elektronik Sensormodul 2 4 Anschlussleitung Schutzkorb Die Messzelle für gelösten Sauerstoff ist eine membranbedeckte galvanische Zelle mit alkalischem Elektrolyten. Die Zelle besteht aus • dem Zellenkörper mit den beiden Anschlusskontakten zur Auswerteeinheit • der Silberkathode • der Bleianode • dem Elektrolyten • der sauerstoffdurchlässigen (aber nicht porösen) Teflonmembran, welche die Grenzfläche zwischen Zelleninnerem und Messmedium darstellt 8 284 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.2 Funktion des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01 für gelösten Sauerstoff (DO) Der Messumformer arbeitet nach dem Zweidraht-Prinzip, d. h., in die Versorgung des Messumformers ist das Ausgangssignal (4 ... 20 mA) eingeprägt. Das Ausgangssignal ist galvanisch getrennt vom Messmedium. Der Sensor benötigt keine Fremdspannungsversorgung, da er die zur Sauerstoffreduktion notwendige Mindestspannung von etwa 850 mV über die beiden Teilreaktionen (1) und (2) selbst erzeugt. (1) O2 + 2H2O + 4e- (2) 2Pb + 4OH- Summe O2 + 2Pb -> 2PbO 4OH- E° (O2) = +401 mV 2PbO + 2H2O + 4e- E° (Pb) = -576 mV (kathodische Reaktion) (anodische Reaktion) E° = 977 mV Stellt man zwischen Kathode und Anode eine elektrische Verbindung über einen Arbeitswiderstand her, so fließt ein Strom, der linear-proportional zum umgesetzten Sauerstoff und damit zum im Messmedium gelösten Sauerstoff ist. Der Sensor ist nullstromfrei, d. h., bei Abwesenheit von Sauerstoff ist keine Spannung und damit auch kein Messstrom vorhanden. 8 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 285 3 Messtechnik 3.3 Beeinflussung des Messsignals Das Messsignal wird von folgenden Faktoren beeinflusst: • Sauerstoffdurchlässigkeit der Membran • Sättigungslöslichkeit von Sauerstoff in Wasser • Salinität (Salzgehalt) des Wassers • Dampfdruck des Wassers Diese Faktoren sind temperaturabhängig. Die Sauerstoffdurchlässigkeit der Membran ist bauartbedingt. Sie hängt von Material, Dicke und Verformung der Membran ab. Die übrigen Faktoren beschreiben physikalische Phänomene, die z. B. in der DIN EN 25814 tabelliert sind. Alle genannten Faktoren und ihre Temperaturabhängigkeit werden von der mikroprozessorgesteuerten Auswerteelektronik berücksichtigt und kompensiert. Druckschwankungen im Messmedium haben auch Auswirkungen auf das Ausgangssignal. Der Einfluss des Luftdrucks Bei der heute üblichen Methode der Kalibrierung (Erfassung des Messsignals an wasserdampfgesättigter Luft) muss der Luftdruck berücksichtigt werden, da sich die erwähnten Tabellen auf Normal-Luftdruck (1013 mbar) beziehen. Dazu wird bei der Installation des Messgeräts entweder • die Höhenlage über Normalnull eingegeben (da die wetterbedingten Luftdruckschwankungen die Messgröße nur geringfügig beeinflussen, müssen sie nicht automatisch berücksichtigt werden) • oder der aktuelle Luftdruck gemessen und am Messumformer eingegeben Der JUMO dTRANS O2 01 bietet beide Eingabemöglichkeiten. Die Eingaben werden mit dem Setup-Programm oder an der Bedieneinheit vorgenommen. Salinität Die Salinität bezeichnet die Menge der in Wasser gelösten Salze (in Gew.-%). Sie hat einen Einfluss auf die Löslichkeit von Sauerstoff in Wasser. 8 286 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 3 Messtechnik 3.4 Kalibrierung Bei der Kalibrierung wird der Messumformer den charakteristischen Eigenschaften des Sensormoduls angepasst. Sauerstoffzellen müssen vor der Kalibrierung zunächst „einlaufen“. Das bedeutet, dass die Messzelle an den Messumformer angeschlossen und in wasserdampfgesättigter Luft so lange betrieben wird, bis der angezeigte Wert sich nicht mehr ändert. Mit Wasserdampf gesättigte Luft befindet sich einige Zentimeter über einer Wasseroberfläche. Die Sauerstoffmesszelle sollte möglichst nahe der Wasseroberfläche sein, jedoch nicht nass werden! Erst wenn sich ein möglichst stabiler Messwert eingestellt hat, ist eine Kalibrierung sinnvoll. Bei dieser geht man beispielsweise folgendermaßen vor: Ein im Einsatz befindlicher Sensor wird aus dem Messmedium genommen und vorsichtig mit klarem Wasser und einer weichen Bürste oder einem Lappen gereinigt. Danach trocknet man ihn sorgfältig durch vorsichtiges Abwischen mit einem sauberen Papiertuch und platziert ihn so in der wasserdampfgesättigten Luft, dass er trocken bleibt. Nach Verstreichen der Einlaufzeit bleibt der angezeigte Messwert nahezu konstant. Nun kann mit der Kalibrierung begonnen werden. Beim JUMO dTRANS O2 01 prüft die Software die Stabilität des Sensorsignals. Bei stabilem Signal wird die reale Sensorsteilheit berechnet und in Prozent des theoretischen Steilheitswertes ausgedrückt. Bei manchen Sensoren muss im Rahmen der Kalibrierung auch der Nullpunkt des Sensors bestimmt werden. Man kann hierzu dem Messmedium eine ausreichende Menge Natriumsulfit zusetzen, welches den vorhandenen Sauerstoff zerstört. Eine Kalibrierung des Nullpunkts ist beim JUMO dTRANS O2 01 nicht notwendig, da der Sensor nullstromfrei arbeitet. 8 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 287 3 Messtechnik 8 288 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 4 Anwendungsbereiche 4.1 Regelung der Sauerstoffzufuhr in Kläranlagen Die biologische Reinigung von Abwasser findet in sogenannten Belebungsbecken statt. Bevor das Abwasser in diese Becken gelangt, wird es mit Belebtschlamm versetzt. Dieser beinhaltet eine Unzahl von Mikroorganismen, z. B. Bakterien, die in der Lage sind, die im Abwasser gelösten und fein zerteilten organischen Schmutzstoffe (Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorverbindungen) abzubauen. Um den Mikroorganismen optimale Lebensbedingungen zu verschaffen, müssen die Belebungsbecken ständig mit Sauerstoff (O2) versorgt werden. Der Eintrag von Sauerstoff in das Wasser erfolgt über Gebläse. Durch die Sauerstoffzufuhr wird Ammoniumstickstoff (NH4-N) über Nitrit (NO2-) zu Nitratstickstoff (NO3-) umgewandelt. Diese Umwandlung, die als Nitrifikation bezeichnet wird, wird von speziellen Bakterien – Nitrosomonas (NH4-N zu NO2-N) und Nitrobacter (NO2-N zu NO3-N) – durchgeführt. Die gesamte Reaktion sieht dann wie folgt aus: + - NH 4 + 2O2 NO 3 + H 2 O + 4H + (1) Der gebildete Nitratstickstoff wird dann von Bakterien unter Abwesenheit von gelöstem Sauerstoff zu elementarem Stickstoff (N2) reduziert. Der freie Stickstoff (N2) kann in die Atmosphäre entweichen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Denitrifikation. Die zugehörige Gleichung lautet folgendermaßen: - - 2NO 3 + 10e + 12H + N 2 + 6H 2 O (2) Da die Belüftung als größter Einzelenergieverbraucher 50 bis 80 % des Stromverbrauchs einer Kläranlage verursacht, ist der erste und offensichtliche Ansatzpunkt für Energieeinsparung der Sauerstoffgehalt im Belebungsbecken. Des Weiteren benötigen die Nitrosomonas und Nitrobacter konstante Temperaturen und ausreichend Sauerstoffzufuhr. In Kläranlagen muss für die Bakterien ein bestimmter Sauerstoffgehalt gegeben sein, damit der Prozess des Stickstoffabbaus nicht zum Erliegen kommt. Hierzu ist die Bestimmung sowie die kontinuierliche Regelung des Sauerstoffgehalts im Belebungsbecken unbedingt erforderlich. 4.2 Fischzuchtanlagen Wie Menschen sind auch Fische auf Sauerstoff angewiesen, benötigen ihn zum Atmen. Außerdem bildet die optimale Sauerstoffversorgung einen sehr wichtigen Faktor für die Erhöhung der Fischproduktion. Einige Fischarten benötigen sehr sauerstoffreiches Wasser, andere kommen auch mit weniger Sauerstoff aus (z. B. Süßwasserfische). Der Sauerstoffgehalt des Wassers sollte allerdings einen Mittelwert von 6 mg/l nicht unterschreiten. Um den optimalen Sauerstoffgehalt in Fischzuchtanlagen zu erreichen, kommt reiner Sauerstoff zum Einsatz. Dessen Löslichkeit liegt im Vergleich zu der von Luftsauerstoff um das Fünffache höher. Die Belüftung mit reinem Sauerstoff erfordert allerdings mehr Energie. Aus Kosten- und Energiespargründen ist man daher bestrebt, genau so viel Sauerstoff in die Fischzuchtanlage einzubringen, wie gerade benötigt wird. Um eine Sauerstoff-Überversorgung und entsprechende Kosten zu vermeiden, ist die zuverlässige und kontinuierliche Messung und Regelung des Sauerstoffgehalts in Fischzuchtanlagen unerlässlich. 8 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 289 4 Anwendungsbereiche 4.3 Bierherstellung Die Sauerstoffmessung spielt eine wichtige Rolle im Brauprozess: Ob während der Filtration oder bei der Abfüllung, der Sauerstoffgehalt muss in verschiedenen Prozessschritten erfasst und geregelt werden. Für die Haltbarkeit des Bieres ist es wichtig, dass im fertigen Produkt kein Sauerstoff mehr enthalten ist. Hohe Sauerstoffkonzentrationen haben zudem eine negative Auswirkung auf seinen Geschmack und seine Farbe; der Sauerstoffgehalt muss daher minimiert werden. Hierzu ist die kontinuierliche Überwachung dieses Parameters erforderlich. Die Sauerstoffmessung in der Bierherstellung erfolgt vorwiegend im ppb-Bereich (< 100 ppb). Spezielle Sensoren für niedrige Sauerstoffkonzentrationen sind auf dem Markt erhältlich. 4.4 Fermentation Die Fermentation, ein Kernprozess bei der Herstellung biologischer Wirkstoffe, ist ein Prozess der „weißen“ Biotechnologie. Hier werden Mikroorganismen oder Enzyme zur Herstellung von chemischen oder biochemischen Produkten genutzt. Bei der Fermentation hängt die Qualität des herzustellenden Wirkstoffs sehr stark von den Prozessbedingungen ab. Je nach Organismus und Produkt kann Fermentation mit aeroben (sauerstoffabhängigen) oder anaeroben (sauerstofffreien) Mikroorganismen durchgeführt werden. Die aeroben Mikroorganismen benötigen Sauerstoff zum Leben. Im Gegensatz dazu wirkt der Sauerstoff bei anaeroben Mikroorganismen toxisch. Daher muss die Fermentation bei anaeroben Ansätzen ohne Sauerstoff erfolgen. Da die Mikroorganismen sensibel gegenüber dem Sauerstoffgehalt sind, muss dieser Wert zuverlässig kontrolliert werden. Der Markt eröffnet dem Anwender verschiedene Möglichkeiten, diesen Prozess mit hygienischen Sauerstoffsensoren zu überwachen. 8 290 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 5 Qualitätssicherung 5.1 Fehler und Störungen bei der Sauerstoffmessung mit amperometrischen Sensoren Fehler/Störung Mögliche Ursache Behebung Keine Anzeige Keine Spannungsversorgung Spannungsversorgung prüfen Keine Sensorreaktion Anzeigewert zu hoch Elektrischen Anschluss prüfen Fehlende Kurzschlussbrücke Installation prüfen Keine Anströmung Anströmung prüfen und ggf. herstellen Membran belegt Membran reinigen Sensor beschädigt Sensor wechseln, danach erneut kalibrieren Kalibrierung in Atmosphäre mit zu geringer Sauerstoffsättigung durchgeführt (z. B. in der Atmosphäre eines abgedeckten Belebungsbeckens) Erneute Kalibrierung in Atmosphäre mit normaler Sauerstoffsättigung (z. B. über der Oberfläche eines mit Wasser gefüllten Eimers) Messzellen-Membran reinigen und/oder stabiles Ausgangssignal abwarten, danach erneut kalibrieren Sensor beschädigt Anzeigewert zu niedrig Anzeigewert stark schwankend Sensor wechseln, danach erneut kalibrieren Messzellen-Membran reinigen und/oder stabiles Ausgangssignal abwarten, danach erneut kalibrieren Keine Anströmung Anströmung prüfen und ggf. herstellen Sensor beschädigt Sensor wechseln, danach erneut kalibrieren Störeinstrahlung auf die Messleitung Spannungsversorgung prüfen Ansprechzeit zu groß Einbauort prüfen Filterzeit (Zeitkonstante) O2 per Setup-Programm herabsetzen Schutzmembran abnehmen Hinweis: Die Schutzmembran bildet einen zusätzlichen Schutz vor mechanischen Beschädigungen des Sensormoduls. Bei Messung im Bereich niedriger Sauerstoffkonzentration: ist der Anzeigewert zu hoch, wird der erwartete Messwert nicht erreicht, fällt die Anzeige unerwartet nach Kalibrierung Die Einlaufzeit war zu kurz. Der Elektrolyt in der Messzelle enthält noch überschüssigen Sauerstoff, der während der Einlaufphase an der Kathode verbraucht wird. Einlaufzeiten ausreichend lang wählen. Erst kalibrieren, wenn der Anzeigewert konstant ist. 8 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 291 5 Qualitätssicherung 8 292 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 6 Quellenangabe • Linde AG Lebenselixier für erfolgreiche Fischzucht Reiner Sauerstoff steigert die Produktion ganz natürlich www.linde-gas.de 8 JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Messung von Sauerstoff 293 6 Quellenangabe 8 294 Messung von Sauerstoff JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04 Fachliteratur von JUMO – Lehrreiches für Einsteiger und Praktiker Nicht nur bei der Herstellung von JUMO-Produkten, auch beim späteren Einsatz ist Know-How gefragt. Deshalb bieten wir unseren Anwendern von uns erstellte Publikationen zu Themen der Mess- und Regelungstechnik an. Die Publikationen sollen Einsteigern und Praktikern die unterschiedlichsten Anwendungsgebiete schrittweise näher bringen. Hierbei werden überwiegend allgemeine Themenbereiche, zum Teil aber auch JUMO-spezifische Anwendungen, erläutert. Zusätzlich zur JUMO-Fachliteratur, bieten wir Ihnen neben unseren Software-Downloads die Möglichkeit der direkten Online-Bestellung von Prospekten und CD-ROM-Katalogen. Elektrische Temperaturmessung Regelungstechnik mit Thermoelementen und Widerstandsthermometern Matthias Nau Grundlagen für den Praktiker Manfred Schleicher FAS 146 Teile-Nr.: 00074750 ISBN: 978-3-935742-06-1 kostenfrei FAS 525 Teile-Nr.: 00314836 ISBN: 978-3-935742-00-9 kostenfrei Explosionsschutz in Europa Reinstwassermessung Elektrische Betriebsmittel Grundlagen, Richtlinien, Normen Jürgen Kuhlmei Reinhard Manns FAS 547 Teile-Nr.: 00324966 ISBN: 978-3-935742-08-5 kostenfrei FAS 614 Teile-Nr.: 00369643 kostenfrei Messung der Redoxspannung Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon Ulrich Braun Dr. Jürgen Schleicher FAS 615 Teile-Nr.: 00373848 kostenfrei FAS 619 Teile-Nr.: 00394969 kostenfrei Thyristor-Leistungssteller Messung des pH-Wertes Grundlagen und Tipps für den Praktiker Manfred Schleicher, Winfried Schneider Matthias Kremer FAS 620 Teile-Nr.: 00398728 ISBN: 978-3-935742-04-7 kostenfrei FAS 622 Teile-Nr.: 00403231 kostenfrei Fachliteratur von JUMO – Lehrreiches für Einsteiger und Praktiker Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS Messunsicherheit einer Temperaturmesskette Reinhard Manns mit Beispielrechnungen Gerd Scheller, Stefan Krummeck FAS 624 Teile-Nr.: 00411335 kostenfrei FAS 625 Teile-Nr.: 00413510 ISBN: 978-3-935742-12-2 kostenfrei Messung von Wasserstoffperoxid/ Peressigsäure Funktionale Sicherheit SIL Dr. Jürgen Schleicher Dr. Thomas Reus Matthias Garbsch FAS 628 Teile-Nr.: 00420695 kostenfrei FAS 630 Teile-Nr.: 00463374 kostenfrei Messung von Ammoniak Analysenmesstechnik in flüssigen Medien Dr. Jürgen Schleicher Ein Handbuch für Praktiker Dr. Öznur Brandt, Ulrich Braun, Matthias Kremer, Reinhard Manns, Dr. Jürgen Schleicher FAS 631 Teile-Nr.: 00481786 kostenfrei FAS 637 Teile-Nr.: 00526103 ISBN: 978-3-935742-16-0 kostenfrei Besuchen Sie unsere Website auf www.jumo.net und überzeugen Sie sich von der umfangreichen Produktpalette für die verschiedensten Einsatzgebiete. 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