EIN BLICK IN DIE ROMANIK

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EIN BLICK IN DIE ROMANIK
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EIN BLICK IN DIE ROMANIK
Zur Instandsetzung des Klausursüdflügels
im Benediktinerkloster Huysburg
Zur Bau- und Kunstdenkmalpflege in Sachsen-Anhalt Nr. 1
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KLOSTER HUYSBURG
Lage: ca. 10 km nördlich von Halberstadt, gelegen
auf dem 20 km langen und 5 km breiten Höhenrücken
Huy auf 314 m Höhe.
Geschichte:
• 1002 Schenkung eines Terrains auf dem Huy
an den Bischof von Halberstadt,
Bau eines befestigten Bischofshofs
• 1084 Gründung des Klosters
• 1121 Weihe der Klosterkirche
• 1804 Auflösung des Konvents
• 1972 Wiederbegründung einer benediktinischen
Gemeinschaft auf dem Huy
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Südflügel der Klosterklausur, Südfassade
Von dem 1o84 gegründeten Benediktinerkloster Huysburg ist neben dem bemerkenswerten romanischen
Kirchenbau noch ein zweigeschossiges Gebäude vom
Südflügel der Klosterklausur erhalten (Abb. 1).
Schon lange war bekannt, dass es in vielerlei Hinsicht ein bedeutendes Zeugnis romanischer Klosterbaukunst darstellt. Doch sind jetzt neue und außerordentlich interessante Befunde zur Baugeschichte und
kunsthistorischen Bedeutung zu Tage getreten. In den
Jahren 2oo6–2oo7 hat das Landesamt für Denkmalpflege
und Archäologie Sachsen-Anhalt umfangreiche archäologische und bauhistorische Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Baugeschichte geklärt werden
konnte:
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1. romanischer Bau von ca. 1130
2. romanischer Bau von ca. 1160
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Südflügel, Nordwand,
Schnitt durch die nördlichen Joche
Veränderungen im Barock
Zwei romanische Bauten:
In der Nordwand des Gebäudes sind vom Keller- bis
zum Obergeschoss noch Mauerreste von einem ersten
Bau aus der Zeit um 113o erhalten (orange), die sowohl auf der Innen- als auch auf der Außenseite des
Gebäudes die Wandgliederung sowie den anschließenden Klausurflügel und Reste des Kreuzgangs erkennen
lassen (Abb. 2 und 4). Der Schnitt zeigt ein möglicherweise zweigeschossiges Bauwerk mit einem gewölbten Keller und drei Räumen im Erdgeschoss, die mit
Kreuzgratgewölben überspannt waren.
Schon wenige Jahrzehnte später, um 116o, errichtete man ein größeres und breiteres, zweigeschossiges
Gebäude (grau), in das man die bestehende Nordwand
einbezog. Über einem wiederum gewölbten Keller entstanden übereinander zwei große, zweischiffige und
sechs Joche lange Säle. In das neue, mit großer Sorgfalt versetzte Bruchsteinmauerwerk fügte man im Erdund Obergeschoss paarweise angeordnete Rundbogenfenster ein. Ein solch großer und prachtvoller Neubau lässt auf eine Phase von Reichtum und Prosperität in der Geschichte des Klosters schließen.
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Südflügel, Saal im Erdgeschoss,
Ansicht Richtung Westen, im Hintergrund die Kreuzigungdarstellung
Im Erdgeschoss – wie auch im Keller – tragen fünf
quadratische Pfeiler schlichte Kreuzgratgewölbe (Abb.3).
Mit großer Wahrscheinlichkeit diente der Saal im Erdgeschoss zur Entstehungszeit als Refektorium, d. h. als
Speisesaal der Mönche. Denn hier hat sich bis auf den
heutigen Tag ein zwar beschädigtes, aber noch gut erkennbares Wandrelief mit einer Kreuzigungsdarstellung aus der Zeit um 118o erhalten. Auf die Nutzung
als Speisesaal lässt ein Vergleich mit einer noch in
Umrissen erhaltenen Kreuzigungsdarstellung im Refektorium des nahe gelegenen Ilsenburger Benediktinerklosters schließen. Da im gesamten nordalpinen Bereich nur äußerst wenige Zeugnisse hochmittelalterlicher
Raumausstattungen in Klausurgebäuden überliefert
sind, kommt diesem Relief eine außerordentliche Bedeutung zu.
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Saal im Obergeschoss,
Ornament auf der Basis
der westlichen Säule
Westliche Säulenbasis:
Ein Löwe beißt in zwei
Menschenköpfe
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Südflügel, Nordfassade Zustand 1996,
innerhalb der roten Linie die Mauerreste
des ersten romanischen Baus
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Westliche
Säulenbasis,
Detail
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Südflügel, Saal im Obergeschoss,
Ansicht Richtung Westen
Der prachtvolle Saal (Abb. 8) im Obergeschoss des
Südflügels ist in mancherlei Hinsicht äußerst bemerkenswert: Zunächst ist es sogar im europäischen Vergleich sehr selten, dass sich das Obergeschoss eines
Klausursüdflügels aus romanischer Zeit erhalten hat.
Darüber hinaus ist der Saal in Architektur und Bauplastik von herausragender Qualität (Abb. 1o und Rück6
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seite): Auf fünf schlanken Säulen, die aus einem Stück
gearbeitet sind, erheben sich die hohen Gewölbe des
zweischiffigen Saals. Blickpunkte bilden die ehemals
vermutlich rötlich gefärbten, qualitativ herausragenden Kapitelle und Basen. Insbesondere die beiden westlichen Säulen sind aufwändiger gestaltet. Der Saal
diente mit Sicherheit repräsentativen Zwecken und
ist im Ausstattungsniveau einem profanen Festsaal
vergleichbar.
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Saal im Obergeschoss, östliches Kapitell
während der Restaurierung
Unter späteren Farb- und Putzschichten haben die
jüngsten restauratorischen Untersuchungen außerdem
zahlreiche, überraschend großflächige Befunde von Oberflächen aus der zweiten romanischen Bauphase aufgedeckt. Sie sind in ihrer Fülle und Dichte von größtem
Wert. Sie erstrecken sich auch auf die Wände und Fußböden: Die Wandflächen mit ihren sorgfältig bearbeiteten
Werksteinoberflächen standen – eventuell geschlämmt,
in jedem Fall aber unverputzt – neben schwarz abgesetzten architektonischen Gliederungselementen wie
Bögen, Fenster- und Türeinfassungen. Der Kontrast zwischen dem hellen Ton der Wandflächen und den dunkel akzentuierten tragenden Baugliedern betonte die
architektonische Struktur des Raumes.
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Saal im Obergeschoss,
westliches Kapitell
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Saal im Obergeschoss, Basis der
westlichen Säule, im Hintergrund
der romanische Estrich
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Saal im Obergeschoss, Rest
einer Dekorationsmalerei aus dem
16. Jahrhundert
Überdies hat sich der bauzeitliche Fußboden noch
in außergewöhnlichem Umfang erhalten – noch heute
sichtbar am westlichen Ende des Saals. Er ist aus Hochbrandgips hergestellt, der zu jener Zeit im Umkreis
des Harzes häufig in Architektur und Skulptur verwendet
wurde. Es ist ein heute wieder eingesetztes Material,
das vielseitige Verarbeitungsmöglichkeiten bietet und
eine enorme Härte annimmt.
In diesem Gipsestrich auf der Huysburg sind zahlreiche Spuren von festen, vermutlich hölzernen Einbauten von größtem Interesse. Sie zogen sich an den
Längswänden entlang und müssen mit der Nutzung
des Raumes im Zusammenhang gestanden haben. Es
ist denkbar, dass es sich bei diesen Einbauten um Regale oder Sitze handelte. Durch die großflächige Erneu-
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Saal im Obergeschoss,
Zustand vor 1945 in der
Gestaltung als Tanzsaal
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Saal im Obergeschoss, paarweise angeordnete Rundbogenfenster in der Ostwand mit rekonstruierten Säulen. Ähnliche Fensteröffnungen befanden sich in
romanischer Zeit auch auf der Längsseite des Saals.
Davon zeugen noch Spuren auf der Südwand und an
der südlichen Außenfassade.
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Saal im Obergeschoss,
Vierpassfenster in der
südwestlichen Ecke
erung des Estrichs wurden diese ganz außergewöhnlichen Befunde zum großen Teil überdeckt, blieben
aber erhalten.
Bei der jüngsten Restaurierung des Gebäudes war
die Gestaltung der zweiten romanischen Bauphase Vorbild. Dabei gewährleistet die Verwendung von Materialien, die auch in der Romanik benutzt wurden, ein hohes Maß an Authentizität.
An den Wänden kann der Betrachter noch Spuren
späterer baulicher Veränderungen ablesen:
So zeugt bis heute im unteren Bereich der Nordwand
ein großer Rundbogen von einem Gewölbe des ersten
romanischen Baus. Auch die ursprünglichen romanischen Fensteröffnungen lassen sich zum Teil noch an
der Südwand und an der Außenfassade ablesen. Außerdem sind noch einige Fragmente späterer Ausmalungen bis in das 16. Jahrhundert zu erkennen (Abb. 12).
Erst aus der Zeit des barocken Umbaus im 17./ 18. Jahrhundert ist ein Verputz der Wände nachzuweisen.
Die Untersuchungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie ermöglichten, ein Kleinod
romanischer Baukunst erlebbar zu machen. Sehr zu
danken ist dem Benediktinerkonvent Huysburg für sein
Interesse an den Untersuchungen und sein großes Engagement bei den Umbaumaßnahmen.
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© Text und Fotos Landesamt für
Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Richard-Wagner-Straße 9, o6114 Halle (Saale)
www.lda-lsa.de
Ansprechpartner
Frau Dr. Elisabeth Rüber-Schütte Tel. o345 · 29 39 -769
[email protected]
Adresse
Benediktinerkloster Huysburg
38838 Huy OT Dingelstedt
Anmeldungen zu Führungen
Tel. o39425 · 961 -o
[email protected] • www.huysburg.de