Wie Keimen das Licht ausgeht

Transcrição

Wie Keimen das Licht ausgeht
24 QUALITÄTSSICHERUNG UND ANALYTIK UVC-ENTKEIMUNG
LEBENSMITTEL-TECHNOLOGIE 5/09
Wie Keimen das Licht ausgeht
Die Qualitätssicherung in der Lebensmittelindustrie steht und fällt
mit der Hygiene in den Produktionsstätten. Daher gehören Methoden
wie Schaum- und Hochdruckreinigung zum Standard. Lebensmittelkontaminationen können aber auch mit «Licht» vermieden werden.
S
ie ist unsichtbar und in den meisten
Fällen geruchlos, setzt sich aus Sauerstoff, Stickstoff, Argon, Kohlendioxid
und zu einem geringen Anteil aus Wasserstoff und anderen Gasen zusammen.
Die Rede ist von Luft. Ohne sie ist kein
Leben möglich, Luft kann aber dennoch
zu einem Risiko werden. Sie enthält
nicht nur lebensnotwendige Gase, sondern auch Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Schimmelsporen oder Hefen.
Normalerweise sind diese «Luftbestandteile» ungefährlich, doch in der Lebensmittelproduktion können Mikroorganismen massive Probleme verursachen.
Hefen, Bakterien und Co. sind für den
Verderb von Lebensmitteln verantwortlich und können die Gesundheit der
Konsumenten gefährden. Um bei der
Herstellung von Lebensmitteln Konta-
minationen auszuschliessen, gibt es
vielfältige Methoden zur Reinigung und
Desinfektion von Oberflächen, Maschinen und Produktionsanlagen. Luft, die
für Mikroorganismen ein natürliches
Trägermedium ist, lässt sich aber nicht
so einfach mit Schaum oder Hochdruck
reinigen. Abhilfe schaffen kurzwellige
Ultraviolettstrahlen (UV), welche für die
Lebensmittelindustrie eine effektive Methode zur Bekämpfung unerwünschter
«Biologie» sind.
Unsichtbare Waffen. Aus dem Spektrum der elektromagnetischen Wellen
haben UVC-Strahlen um 260 nm einen
stark keimtötenden Effekt. Sie zerstören
durch eine fotochemische Reaktion die
Erbsubstanz (DNS) der Mikroorganismen. Mit ausreichend hoher Strahlenintensität werden multiple Schäden an
Leuchtstoffröhren erzeugen kurzwelliges UVC254nm exakt im empfindlichsten Bereich der DNA
(hellblaue Linie)
DNS-Strängen verursacht, die auch vom
Reparaturmechanismus der Organismen nicht mehr ausgeglichen werden
können. Dadurch werden die Zellen inaktiviert und sind nicht mehr lebensfähig.
Auf die Dosis kommt es an. Zur effektiven Inaktivierung von Mikroorganismen sind laut Martin Graupner, CEO
der sterilAir AG, Bestrahlungsintensität
und Bestrahlungsdauer (Dosis) die wichtigsten Parameter. Diese richten sich
nach der Struktur der jeweiligen Mikroorganismen. Je nach dem wie ein Organismus aufgebaut ist, hat er mehr oder
weniger gute UV-Sicherungsmassnahmen. Sie können zum Beispiel ein Proteingürtel, eine in sich verdrillte DNS oder
eine gefärbte Zellwand sein, wie sie der
Schimmel Aspergillus niger besitzt. In
solchen Fällen sind viel höhere Einträge
notwendig, um den Organismus nachhaltig zu schädigen. Die notwendige
Dosis für klassische Sporenbildner liegt
in Bereichen zwischen 15 000 und
240 000 Mikrowattsekunden pro Quadratzentimeter (µW · s/cm2). Hingegen
sind die meisten Bakterien einfach aufgebaut. Ihre losen DNA-Stränge können
leicht vom UV-Licht zerhakt werden
können. So liegt die Dosis zum Beispiel
für Escherichia coli im Bereich kleiner
LEBENSMITTEL-TECHNOLOGIE 5/09
1500 µW · s/cm2. Exakte Angaben können aber laut Martin Graupner nicht gemacht werden, da bei lebenden Mikroorganismen innerhalb der gleichen Spezies die Widerstandsfähigkeit unterschiedlich sein kann. Sie hängt nämlich
nicht nur von der Art des Organismus
ab, sondern auch vom «Alter»: junge
Keime sind robuster als alte und brauchen zur Inaktivierung höhere Dosierungen.
Konzepte der Luftentkeimung. Die
Kontaminationsgefahr durch Frischluft
lässt sich durch konditionierte und filtrierte
Zuluftanlagen
einschränken.
Dabei spielt die Positionierung der UVCRöhren eine entscheidende Rolle. Für
maximale Wirkung sollten daher die
Röhren direkt in den Luftstrom der Kli-
UVC-ENTKEIMUNG QUALITÄTSSICHERUNG UND ANALYTIK 25
makanäle platziert werden. Diese Positionierung führt bei geringem Energieeintrag zu hohen Entkeimungsraten, womit
die optimale Effektivität der UV-Anlage
gewährleistet ist. Im Schnitt werden bei
einer Röhrenlebensdauer von 12 000 Betriebsstunden pro 500 m3/h nur 36 Watt
UVC benötigt. In der Lebensmittelindustrie ist die dezentrale Luftaufbereitung
eine der wichtigsten Komponenten.
Dazu sind unter der Decke oder an Wänden Verdampfer angebracht. In grossen
Produktionsstätten gibt es auch Zwischendecken mit mehreren Verdampfereinheiten. Sie saugen aus den Produktionshallen die Luft aus dem unteren
Raumbereich ab, inaktivieren die vorhandenen Keime und blasen von oben
die gereinigte Luft wieder in die Produk-
Das Umluftentkeimungssystem UVR ist für Räume mit geringer Konvektion geeignet, in denen
eine Direktemission vermieden werden muss
tionshallen. Zusätzlich können auch
nachgeführte Luftsäcke angebracht sein,
um Mitarbeiter nicht der Zugluft auszusetzen. UVC-Entkeimung lässt sich auch
in Umluftgeräte einsetzten. Diese finden
sich oft in Produktions-, Kühl- und
Reiferäumen. So wälzt das UVR-Umluftsystem von sterilAir zirka 450 m3 Luft in
der Halle um und kann lokale Keimkonzentrationen wirksam bekämpfen. Bei
zentralen Luftkühlern ist jedoch zu beachten, dass sie eine Gefahr für die Betriebshygiene sein können. Beim Kühlvorgang bildet sich an den Kühllamellen Kondenswasser, das für Bakterien,
Hefen und Schimmelsporen einen idealen Lebensraum bietet. Auch bei niedrigen Temperaturen können sich besonders Schimmelpilze und kälteliebende
Keime wie beispielsweise Listerien gut
vermehren. Daher müssen Luftkühler
regelmässig im Abstand von sechs Monaten gründlich gereinigt werden. Auch
bautechnische Anpassungen mit optimiertem Ablaufverhalten des Kondenswassers, klappbare Wannen und Einhausungen zur einfachen De- und Remontage tragen zudem den strengen
Hygienerichtlinien Rechnung.
Weitere Einsatzgebiete. Neben der
Luftentkeimung können UVC-Strahlen
auch Oberflächen dekontaminieren. Die
Bandentkeimung spielt eine grosse Rolle
in der Prozesshygiene. Da jedoch bis auf
wenige Ausnahmen die direkte Bestrahlung von Lebensmitteln verboten ist,
werden hauptsächlich Geräte zur
Unterbandmontage eingesetzt. Hierbei
wird die Unterseite des Zerleg- oder
Förderbandes bestrahlt und so für den
nächsten Umlauf entkeimt. Eine UVCBandentkeimung reduziert pro Umlauf
die Keimzahl um eine bis zwei Zehnerpotenzen. Somit werden bis zu 99 Prozent aller Keime inaktiviert, bevor sie
frische Lebensmittel kontaminieren
können. Derartige Entkeimung benötigt
keinerlei chemische Zusätze. Eventuelle
Rückstände von Reinigungsmitteln sind
dadurch ausgeschlossen. Diese additivfreie Technik hat jedoch keine Depotwirkung. Bei chemischer Desinfektion
verbleiben Reste der Chemikalie, die
auch noch nach zirka 15 Minuten Keime
abtöten. Die UV-Entkeimung ist aber
nur so lange wirksam, wie die ➤
26 QUALITÄTSSICHERUNG UND ANALYTIK UVC-ENTKEIMUNG
Strahlenquelle eingeschaltet ist. Nur
am Ort der Installation und während
der Systemlaufzeit gibt es eine Funktion. Damit sind aber auch zwischenzeitliche Unterbrechungen für Reinigungsarbeiten überflüssig, da die UVCEntkeimung während der gesamten
Bandlaufzeit für eine kontinuierliche Inaktivierung der Organismen sorgt.
Schutz der Mitarbeiter. Da UVStrahlen auf alle Organismen gleich
wirken, müssen Unternehmen dafür
sorgen, dass Mitarbeiter ausreichend
vor den Strahlen geschützt sind. «Eingehauste» Strahlenquellen oder genügend
grosser Abstand sind Teil der Schutzmassnahmen. Des Weiteren haben UVCStrahlen – im Gegensatz zu UVB-Strahlen – eine geringe Eindringtiefe und
können weder Glas noch Acrylglas
durchdringen. Arbeitsbrillen bieten
idealen Schutz für die Augen. Nachhaltige Hautschäden sind nicht zu befürchten. UVC-Strahlen werden in der obersten Hautschicht absorbiert und dringen
LEBENSMITTEL-TECHNOLOGIE 5/09
UVC254nm zerstört gezielt die DNA der Mikroorganismen und tötet so Bakterien, Hefen und
Schimmelsporen
nicht in die Tiefe ein. Sollte es dennoch
zu kurzem Hautkontakt kommen, gibt
es nur eine oberflächliche Reizung, die
schnell wieder abheilt.
Darauf sollten Sie achten. Für wirkungsvolle UV-Entkeimung müssen
nicht nur Strahlenintensität und Dosis
auf die zu bekämpfenden Keimen abgestimmt sein, sondern auch die Raumverhältnisse berücksichtigt werden.
Eine Produktionshalle kann nicht mit
kleinen Strahlenquellen ausreichend
entkeimt werden. Die Leistung der UVAnlage muss an die Räumlichkeiten an-
gepasst sein. Für einen Probelauf ist es
sinnvoll, einen Bereich mit überschaubarer Grösse auszuwählen und sich von
Fachleuten die notwendige Anzahl der
gewünschten Geräte installieren zu lassen. Damit lässt sich beobachten, ob das
Ergebnis zufriedenstellend ist, und wie
viele Geräte für optimale Entkeimung
aufgestellt werden müssen. UVC-Entkeimung beruht auf einem physikalischen Effekt, der bei der richtigen
Auslegung und korrekter Berechnung
der Anlage für ein optimales Ergebnis
sorgt. ■
4888 6.*'/0.* '.&!.* 70(. 3)('&.,,%*2.* %+
@6/909 !PJ?0=9PJ90 /40%96 F=90?LL :40J *F0 K?G=90N9PJ G6: &C%P969; D4 /P<# !96/<#96 J09**962
K309<#96 KP9 7PJ G6/ , DP0 9009P<#96 *F0 KP9 %L>6B96:9 M9/GLJ?J92
3.1.2) 5.(#-/.' $" 1 85(I +P9JPN46 1 $?6?L/J0?//9 . 1 A9L9*46 -'I IHH 5' 5' 1 DDD2E9=9%42<#
%!--+("*,#'$)&
!PJ H- OP9:90L?//G6%96 P6 :90 %?6B96 K<#D9PB
G6: P7 )F0/J96JG7 "P9<#J96/J9P62